Disorder Heaven von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 12 ---------------------- Kapitel 12 Bebe fand sich schon in den frühen Morgenstunden in der Nähe des Krankenhauses wieder. Sie wollte so früh wie nur möglich bei Reita sein. In ihrem Kopf hallte das Versprechen wieder, das sie ihm gegeben hatte. Sie wollte mit ihm zum Friedhof, ihn an Sakuras Grab bringen, damit er sich für immer verabschieden konnte. Reita meinte es ernst. Sie erinnerte sich noch genau an sein Gesicht, das funkeln in seinen Augen. Das kann ja was werden, dachte sich Bebe und seufzte leise. Sie parkte das Auto auf dem fast leeren Parkplatz und hielt einen Moment inne, bevor sie schließlich ausstieg. Bebe steckte sich die Hände in die Hosentaschen und bewegte sich langsam in Richtung Eingang. Das Krankenhaus lag noch halb im Dunkeln. Einige Krankenschwestern huschten durch die Gänge. Sie beachteten Bebe kaum, auch wenn sie kaum den Anschein machte sich dort sonderlich gut auszukennen. Wie auch immer, sie hatte nicht vor sich davon abhalten zu lassen. Voller Tatendrang bewegte sich Bebe in die Nähe des Fahrstuhls. Kaum wollte sie den Knopf drücken, stellte sich ihr eine junge Krankenschwester in den Weg und teilte ihr mit, dass die Fahrstühle defekt waren. Ein Seufzen rannte über ihre Lippen. Sie schaute sich um und hatte gehofft zumindest eine Wegbeschreibung zu den Treppen zu bekommen, doch die blieb ihr natürlich wieder einmal versagt. Wie am Vortag musste sich Bebe durchkämpfen. Sie versuchte sich zu orientieren und öffnete einige Glastüren, bis sie irgendwann völlig fertig vor den unzähligen Stufen stand, die zu den Krankenzimmern führten. Kaum setzte sie einen Fuß auf die erste Stufe, fiel ein Schatten auf Bebe herab. Sie hob ihren Blick und schaute in Reitas Gesicht. Er sah noch immer etwas mitgenommen aus. Seine Augen waren von einem schwarzen Schatten verborgen, seine Haut war matt und blass. Reita trat auf die nächste Stufe. Er hielt sich am Geländer fest. Für einen kurzen Augenblick schien er so schwach wie nie zuvor. Bebe lächelte leicht und näherte sich. Sie wollte ihm helfen, bot ihm eine Hand an, doch er schüttelte den Kopf. „Ich will dir doch nur helfen“ sagte Bebe leise. „Ich schaffe es allein“ erwiderte er und trat auf sie zu. Reita schob seine Hand in ihren Nacken und schaute ihr in die Augen. Sein Gesicht näherte sich an ihres, bis seine Stirn an ihrer lehnte. Er strich ihr eine Strähne hinters Ohr und schloss die Augen. Sein Atem streichelte ihre Wange, ihre Lippen. Bebe zuckte kurz zusammen. Sie legte ihre Arme um seinen Bauch. Er war so verdammt abgezehrt. Ihr war es in den ganzen Wochen gar nicht bewusst gewesen. Sie strich ihm über den Rücken. „Lass uns gehen“ bat Reita leise. Bebe nickte. Sie stützte ihn auf dem Weg zum Auto. Ihr war es ein Rätsel wieso es ihm so schlecht ging. Er war blass, war schwach und völlig in Gedanken versunken. Bebe half ihm, sich ins Auto zu setzten. Ihr war nicht wohl dabei ihn an Sakuras Grab zu führen. Sie zögerte dabei den Zündschlüssel umzudrehen. „Mir geht’s gut“ versicherte Reita und drehte sein Nasenband in der Hand rum. „Natürlich“ erwiderte sie sarkastisch, „Mach dich nicht lächerlich“ Er verdrehte die Augen. „Ich kann auch zu Fuß gehen“ „Du bleibst gefälligst hier!“ Reita fuhr sich durch die glatten Haare. Er drehte seinen Kopf zu Bebe und betrachtete ihr besorgtes Gesicht. Ihre Augen fixierten ihn. „Was willst du hören?“ fragte er und schaute wieder weg. „Wieso geht es dir so schlecht?“ „Mir geht es nicht schlecht“ „Reita!“ knurrte sie. „Ich konnte nicht schlafen“ gab er schließlich zu. Seufzend schloss er die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Er war müde und fühlte sich völlig ausgelaugt. Am Vortag hatte er sich nichts mehr gewünscht als endlich dieses verfluchte Krankenhaus zu verlassen, doch je näher die Stunde kam in der er abgeholt werden sollte.... Reita schluckte. Sein Mund war trocken. Er strich sich eine Strähne aus der Stirn und öffnete wieder seine Augen. Bebe schaute ihn noch immer an. Sie hatte das Bedürfnis ihn festzuhalten und Trost zu spenden, doch ihr war klar, dass er sie zurückweisen würde. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn in Ruhe zu lassen und sich damit abzufinden, dass er alleine kämpfen musste. Sie drehte den Zündschlüssel um und fuhr ihn zum Friedhof. Sie blieben einige Zeit im Auto. Reita zupfte nervös an seinem Hosenbein. Er wollte aussteigen, hatte andererseits einfach zu viel Angst davor. Ihm war nicht einmal klar, was ihn wirklich so verängstigte. Vielleicht wollte er einfach nicht wissen, wie er reagieren würde, wenn er vor Sakuras Grab stand. Doch es half nichts. Er musste einfach hin. Reita machte langsam die Tür auf und setzte einen Fuß nach draußen. Er wandte seinen Blick zur Seite und betrachtete Bebe, die versuchte entspannt zu wirken. Seine Hand strich über ihre Wange und er bat sie leise mitzukommen. „Du... willst mich dabei haben?“ erwiderte sie leicht verwirrt. Reita nickte und stieg aus. Er trat langsam auf die andere Seite und öffnete die Fahrertür. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Er streckte Bebe die Hand hin, damit sie leichter aussteigen konnte. Als sie schließlich vor ihm stand, zog Reita sie an sich. „Arigato“ flüsterte er ihr ins Ohr und ließ sie dann los. Sie liefen durch die Reihen an Grabsteinen. Bebe wusste gar nicht, wie Sakura mit vollem Namen hieß, also ließ sie den Versuch völlig. Ihre Augen fanden jedoch immer wieder den Weg zu Reita. Er schien mit jedem Schritt blasser zu werden. Sie hielt seine Hand und musste zugeben doch etwas überrascht zu sein, als er diese drückte. Seine Schritte wurden langsamer. Bebe spürte, wie er schauderte. Sie blickte auf den Grabstein vor ihr. Mayamii Sakura. Bebe schluckte. Auf dem Foto sah man ein wunderschönes Mädchen. Blasse Haut, schwarze Haare und braune Augen, die Ruhe und Geborgenheit ausstrahlten. Ihr Lächeln war wie ein Sonnenaufgang, man wollte einfach nicht, dass es endete. Jetzt weiß ich, wieso er sich in sie verliebt hat., dachte sich Bebe und senkte ihren Blick. „Der Schein trügt“ sagte Reita bitter. Er hatte Bebes Blick bemerkt. Seine Hand ließ ihre los. Er kniete sich vor das Grab. Seine Hände berührten den Boden und er fixierte einen Moment lang das Bild. Liebe konnte man nicht einfach auslöschen, egal wie grausam die Realität auch war. Das spürte er in diesem Augenblick mehr als alles andere. Seine Kopfschmerzen, seine Müdigkeit – alles vergessen. Er konnte sich nur noch auf dieses Bild konzentrieren. Erinnerungen stiegen wieder in ihm hoch. Reita wusste, dass es so kommen würde. So war es immer. Kaum stand Sakura vor ihm, war alles anders. Selbst jetzt, obwohl sie tot war. Reitas Finger krallten sich schmerzlich in die Erde. Bebe kniete sich neben ihn und legte ihre Arme um seine Schultern. Sie sah seine Tränen und rang damit, nicht auch noch ihre zeigen zu müssen. Er sollte nicht so leiden. Das war unfair. Sie spürte seine Finger, die über ihre Hand glitten. Reita schniefte. „Alles in Ordnung?“ fragte sie leise. Was sollte schon in Ordnung sein. Sie wusste, dass das wohl die unpassendste Frage überhaupt war, doch was hätte sie sonst sagen sollen? Seine geröteten Augen sahen sie liebevoll an. Nichts war in Ordnung. Er liebte eine Frau, die ihm so viel Schmerz zugefügt hatte. Er liebte eine Frau, die nie wieder zurückkommen würde. „Lass mich bitte.... kurz allein“ seine Stimme drohte zu brechen, „Ich komme dann zum Wagen“ Bebe nickte zögernd. Sie zog langsam ihre Hände zurück und stand dann auf. Es fiel ihr schwer ihren Blick von ihm zu lösen, doch was hätte sie anderes tun können? Sie ließ ihn zurück, am Grab seiner verstorbenen Geliebten. Sakuras Bild kreiste immer wieder in Bebes Kopf herum. Sie ließ immer wieder die ganzen Sachen durch ihren Kopf gehen, die Aoi ihr erzählt hatte. Fragen häuften sich über Fragen. Sie konnte sich nicht erklären wie das Schicksal doch immer wieder so grausam sein konnte. Und vor allem fragte sie sich, was Reita alleine am Grab machen würde. Reita fragte sich stattdessen kaum etwas. Er hatte seine Antworten bereits. Seine Finger strichen über den kalten Marmor des Grabsteins. Sie streiften das Glas ihres Fotos. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf wieder. Reita ließ seinen Tränen freien Lauf. Sie zu unterdrücken würde kaum etwas bringen. Er fixierte wieder das Foto. „Wieso nur?“ fragte er leise, „Wieso hast du mir das angetan? Du hast mich benutzt und hintergangen! Und als hätte das nicht gereicht hast du mir auch noch das Leben zur Hölle gemacht“ Reita spürte plötzlich wie sich seine Trauer in Wut umwandelte. Die ganze Zeit über hatte er an einer Illusion festgehalten, sich selbst eingesperrt. Damit war es endlich vorbei. „Honto ni, aishiteru“ meinte er schließlich leise und streifte das Glas erneut mit seinen Fingern, “Doch diese Liebe gehört der Vergangenheit an. Ich bin frei. Ruhe in Frieden“ Reita stand auf und wischte sich lächelnd seine Tränen vom Gesicht. Er schaute noch einmal kurz auf das Foto herab und steckte sich die Hände in die Hosentaschen. Plötzlich spürte er den Stoff seines Nasenbands. Er zog ihn heraus, lächelte fast erleichtert und legte diesen dann schließlich vors Foto. „Süße Träume, Prinzessin“ flüsterte Reita und wandte sich mit einem liebevollem Lächeln zum Gehen. Unterdessen stand Ruki bereits im Studio. Eigentlich war zuerst ein Interview geplant, doch er hatte beschlossen dort nicht aufzutauchen. Ihm gingen so viele Sachen durch den Kopf. Er fuhr sich durch die Haare und ließ seine Tasche auf den Boden sinken. Ruki betrachtete den Aufnahmeraum. Leer und kahl wie immer. Er schüttelte den Kopf. Was erhoffte er sich eigentlich zu finden? Er fuhr sich durch die Haare und setzte sich auf die Couch. Eigentlich wäre das die beste Stimmung für ein richtig melancholisches Lied gewesen, doch irgendwie, wollte er es im Moment nicht. Ruki wollte gar nichts mehr. Nichts außer Uruha für sich allein. Da war er also sein Grund für die erdrückende Leere in seinem Inneren. Ihm war es gar nicht aufgefallen, aber die Tage mit Uruha machten ihn glücklich. Und Kais Geständnis hatte alles in einen Scherbenhaufen verwandelt. Wer hätte sich denken können, dass ausgerechnet er auf Uruha stand? Schließlich fand er doch mehr als einmal eine Frau fürs Bett und hatte sich auch sonst nie etwas anmerken lassen. Ruki seufzte leise. Natürlich nicht. Er hatte das schließlich auch nicht getan. Wäre es nicht Uruha gewesen, der ihn.... „Na, was grübelst du kleiner Blaumacher wieder?“ ertönte es plötzlich. Ein Schatten legte sich auf Rukis Körper. Er blickte kurz auf und erkannt Uruha, mit verschränkten Armen. Ruki war so dermaßen in Gedanken, dass er noch nicht einmal gehört hatte wie die Tür aufging. „Was ist?“ Uruha beugte sich vor und schnippte ihm an die Stirn, „Du siehst so ... komisch aus“ „Tolle Begrüßung“ brummte Ruki. „Oh, gomen nasai“ hauchte er mit tiefer Stimme und senkte seine Lippen auf die des Fronters. Kaum hatten sie sich berührt, löste sich Ruki jedoch auch wieder vom Kuss. Er sprang regelrecht von der Couch und hob seine Tasche vom Boden auf. Doch bevor er diesmal auch nur in die Nähe der Tür gelangen konnte, wurde er von Uruha zurückgezogen. Der Gitarrist presste ihn gegen die Wand. „Glaub nicht ich lasse dich wieder laufen“ „Solltest du nicht beim Interview sein?“ „Das wurde abgesagt“ hauchte er Ruki auf die Lippen, „Wir haben den ganzen Tag für uns allein“ „Und was ist mit den anderen? Wollen sie nicht zum Proben kommen?“ „Sie haben sich frei genommen. Ganz nach deinem Vorbild“ Ruki seufzte und schaute weg. Wenn er noch länger in Uruhas Nähe war konnte er für nichts garantieren. Er konnte noch nicht einmal den Blick heben, weil er genau wusste, dass sich seine Lippen nach einem Kuss sehnten. „Red endlich mit mir“ bat Uruha leise und trat ein wenig zurück. Ruki zog ihn zurück und küsste ihn zärtlich. „Du gehörst nur mir“ Uruha hob verwirrt eine Augenbraue. „Hab ich jemals das Gegenteil behauptet?“ Der Fronter schüttelte den Kopf und ging an ihm vorbei. Nein, er hatte nie etwas anderes behauptet. Aber Ruki wusste wie flatterhaft er sein konnte und wie schnell er sich für einen anderen entscheiden könnte. Der Gedanke allein tat schon so verdammt weh. Uruha umarmte ihn von hinten und strich zärtlich über seine Arme. Er zog ihn nach hinten, ließ sich auf die Couch fallen und setzten den Fronter auf seinen Schoß. Seine Finger streichelten Rukis Jeans. Er hatte schon immer eine Schwäche für Rukis Beine gehabt. „Was sind wir?“ fragte der Fronter leise. Uruha erinnerte sich zurück an das Gespräch vor einigen Tagen. „Das hatten wir schon mal. Worauf willst du hinaus?“ Ruki lächelte bitter. „Ich will wissen wofür ich meinen Ruf aufs Spiel setzte. Weißt du, was das für ein Skandal wird, wenn unsere Geschichte hier rauskommt? Du kennst die Reaktionen...“ Uruha hielt ihm den Mund zu. „Du hast Angst um deinen Ruf? Du hast Angst vor den Reaktionen? Was glaubst du, was ich hier mache? Fitnesstraining? Ich bin nicht der Teufel, der versucht dich zu etwas ungewollten zu verführen. Sei einmal ehrlich zu dir selbst und sag du dann mir, was wir eigentlich sind“ Uruha setzte ihn auf die Couch und stand auf. Er hatte keine Lust mehr ewig zu kämpfen. Mit einem Seufzen schaute er auf Ruki zurück. Der Fronter hatte den Kopf gesenkt und spielte an seiner Kette rum. War es das? Uruha hatte sich eigentlich mehr versprochen, doch es sollte wohl nicht so sein. Er verließ das Studio, stellte sich noch einmal kurz vor die Tür. Was erhoffte er sich eigentlich? Ruki war stur. Er würde niemals zu ihm kommen und sagen, dass er ihn ... Uruha schluckte. Ihm waren die Reaktionen der anderen auch nicht egal, aber deswegen wollte er nicht auf sein Glück verzichten. Er steckte sich eine Zigarette an. Das Grübeln fand kaum ein Ende. Ihm schossen alle möglichen Dinge durch den Kopf. Natürlich, Ruki hatte es schon immer schwer. Er erinnerte sich daran, wie sich der Fronter ihm anvertraut hatte, wie er seine Vergangenheit bitter über die Lippen brachte. Die Musik war alles für Ruki. Uruha war eben doch nur der Gitarrist. Er blies den Rauch aus. Das letzte Mal, dass er so von jemanden abserviert wurde, den er liebte musste wohl eine halbe Ewigkeit zurückliegen. Schließlich konnte er sich kaum an einen solchen Schmerz mehr erinnern. Uruha lehnte sich an eine Hauswand und ließ sich auf den Boden gleiten. Was für ein Scheißtag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)