The World In A Cage von -Red-Karasu (+Final Chapter up 9 December 2008+) ================================================================================ Kapitel 16: 16. Trickster ------------------------- Uh...es hat lang gedauert...noch länger als sonst...aber verschiedene Umstände haben erfolgreich verhindert, dass das neue Kapitel eher online gehen konnte...bear with me, guys. Danach der Epilog und ihr habt es hinter euch. Ich hoffe ich hab nich alle von euch vergrault und bekomme trotzdem noch ein paar Kommentare... Und achja, noch ein bisschen Werbung in eigener Sache: eine andere kleine Story von mir, in der es um Tsukasa und Hizumi geht...vielleicht mag der ein oder andere ja vorbeischaun: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/50744/207585/ Whatever, los geht's: ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 16. Trickster „Wie kommt es, dass du schon wieder hier bist?“ Mit einer leichten Verbeugung reichte er seiner Kundin ein Glas Sekt, das sie mit einem Nicken und einem undefinierbaren Lächeln entgegennahm. Es war nicht nur merkwürdig, sie so schnell wiederzusehen, sondern auch, sie zu sehen, nachdem er vor so kurzer Zeit dieses Gespräch mit Uruha geführt hatte. Kana trank einen Schluck und sah ihn dann nachdenklich an. „Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht habe ich das Gefühl, dass du dich von mir entfernst...dass ich dich verliere...“ Sie stellte ihr Glas auf der Anrichte ab und stand anschließend auf, um auf Zero zuzugehen. Direkt vor ihm blieb sie stehen und begann die halb durchsichtige Bluse aufzuknöpfen, die er heute trug. Während der hübsche junge Mann nur dastand und sie ansah, streifte sie ihm den dünnen Stoff von den Schultern und ließ ihre Hände sanft über seinen Bustkorb wandern. „Ich wollte dich nicht schlagen neulich...“ Nur mit Mühe konnte Zero ein trockenes Auflachen unterdrücken. „Als ob das eine Rolle spielt. Ich hab dich schließlich provoziert, oder?“ Er umfasste vorsichtig ihre Hände und ging mit ihr zusammen zu seinem Bett. „Und verlieren kannst du mich nicht...ich gehöre nicht dir, sondern meinem Chef...und daran wird sich wohl auch nichts ändern...“, fügte er ernst hinzu. Kana drückte ihn beinahe sanft auf die Matratze und beugte sich über ihn. Ihre Hände strichen wieder liebkosend über seine Haut. „Wieso habe ich zugelassen, dass er dich sieht?“, fragte sie dann leise, fast als würde sie mit sich selbst sprechen. „Ich hätte wissen müssen, dass du ihn ebenso faszinierst wie mich...und jetzt verliere ich dich an ihn...“ Mit einem leichten Kopfschütteln zog Zero die Augenbrauen zusammen. „Falls du deinen Neffen meinst...es ist egal...er berührt mich ebenso wenig wie du...und genauso wenig wie du kann er mich hier herausholen...“ Einen Moment schien seine Freierin zu überlegen, nickte dann aber, bevor sie sich an den schlanken Körper unter sich schmiegte und ihn weiter mit den Händen erkundete, dabei immer wieder vorsichtig über vereinzelte Narben oder blaue Flecken strich. „Vielleicht hast du tatsächlich Recht...“, hauchte sie gegen seinen Hals. „Und doch...bist du mein...hier in diesem Käfig gefangen und mir ausgeliefert...“ ~~~ „Karyu? Hast du kurz Zeit?“ Der Angesprochene hob den Kopf und sah Maya fragend an, die eben mit schnellen Schritten auf ihn zu kam. „Was gibt’s denn?“ „Kannst du heute die Geldrunde übernehmen?“ „Wieso das denn?“ „Oguri liegt im Krankenhaus. Probleme mit den Yakuza. Also?“ Karyu zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen.“ Er stimmte schon allein deswegen zu, weil Maya ziemlich gehetzt klang und er nicht wollte, dass sie seinetwegen Ärger bekam. Er mochte diese Aufgabe nicht unbedingt, aber er konnte damit leben. So war er immerhin beschäftigt und lungerte nicht sinnlos tagsüber im Grudge herum, nur um sich abzulenken, wie er es bis eben getan hatte. „Achja, und wenn du einmal dabei bist, kannst du heute Abend Tsukasa vom New Otani Hotel abholen, er hat dort halb zehn einen Kunden.“ Widerwillig nickte er. Er hasste es schon jetzt, das tun zu müssen. Zwei Tage war es her, dass der Junge bei ihm übernachtet hatte und egal was er versuchte, noch immer bekam er das Bild, wie Tsukasa in seinem Bett gelegen und dabei so zerbrechlich und schutzbedürftig ausgesehen hatte, einfach nicht aus dem Kopf. Drei viel zu lange Stunden später hatte er etwa die Hälfte der Wohnungen hinter sich gebracht. Er war genervt – genauso wie die Leute, zu denen er fuhr – und er hatte noch nie wirklich verstanden, warum auch noch dieses Geld eingezogen werden musste. Er wusste von seiner Zeit bei Maya, dass den Huren nicht mehr wirklich viel blieb. Vermutlich reine Raffgier seitens seines Chefs. Er konnte sich anhand der gut gefüllten Umschläge, die er heute schon in den Händen gehalten hatte, grob ausrechnen, wie viel Geld der Kerl allein damit machen musste. Jetzt stieg er aus und sah für ein paar Sekunden an der Hausfassade nach oben. Die Fahrt zu dieser Wohnung hätte er persönlich wirklich gern von seiner Liste gestrichen. Langsam stieg er die Treppe hinauf und klingelte dann. Nur wenige Augenblicke später wurde die Tür geöffnet und gab den Blick auf einen definitiv übermüdeten Zero frei. „Was willst du?“ „Was wohl? Das Geld? Ich bin bestimmt nich scharf auf deine Gesellschaft.“ „...is auch besser für dich...“, schoss der Stricher giftig zurück und verschwand wieder im Innern seiner Wohnung. Karyu wusste, dass er eigentlich hätte mitgehen sollen – oder müssen, rein von den Vorschriften her –, aber ihn konnte so einfach nichts dazu bringen ausgerechnet diese Wohnung zu betreten. Und was sollte Zero schon tun? Aus dem Fenster springen? Sicher. Also wartete er einfach. „Hier, nimm.“ Karyu nickte, steckte den ziemlich prall gefüllten Umschlag in seine Tasche. „Wo ist das Arschloch, das sonst immer kommt?“ „Krankenhaus.“ „Hat er verdient.“ Und mit diesem Worten fiel die Tür wieder ins Schloss, während Karyu nur kopfschüttelnd dastand, bevor er schließlich das Haus verließ. Er hatte schließlich noch zu tun. ~~~ Zero lehnte sich von innen gegen die Tür und hörte, wie die Schritte des Anderen sich entfernten, bis die Haustür ebenfalls zuschlug. Langsam löste er sich aus seiner Starre und ging wieder in seine Küche. Dort betrachtete er noch kurz die Sonnenblume, die er in eine zur Vase umfunktionierte Weinflasche gestellt hatte – wieso auch immer er eine leere Flasche in seiner Küche stehen gelassen hatte. Er setzte sich wieder und schob sich dann lustlos mit den Stäbchen die letzten Reisbrocken seines verspäteten Frühstücks in den Mund. Eigentlich hatte er keine Lust auf das, was er sich für die freie Zeit vor seiner Arbeit vorgenommen hatte. Vielleicht hatte er auch nur Angst. Vermutlich sogar. Aber nun, da er diesen Entschluss einmal gefasst hatte, sollte er es auch hinter sich bringen. Er musste, schließlich hatte er sich lang genug davor gedrückt. Nach einigen Minuten, in denen er dumpf auf die Tischplatte gestarrt hatte, stand er erneut auf und ging in den Flur, um sich seinen Mantel und ein Paar Schuhe anzuziehen. Er griff nach seiner Umhängetasche und kehrte dann noch ein weiteres Mal in die kleine Küche zurück. Nach kurzem Zögern holte er die Blume aus ihrer improvisierten Vase, um sie notdürftig in ein Stück Zeitungspapier zu wickeln, bevor er die Wohnung endlich verließ. Das aufkommende nervöse Kribbeln in seiner Magengegend versuchte er dabei weitgehend zu ignorieren. Während der Fahrt mit der Metro sah Zero aus dem Fenster, versuchte sich auf die vorbeiziehende Landschaft zu konzentrieren. Er hatte eigentlich keinen Grund, nervös zu sein, es war schließlich nicht so, als ob ihn jemand erwarten würde. Als der Zug in seinen Zielbahnhof einfuhr, erhob der junge Mann sich mit einem Seufzen, warf noch einen kurzen Blick auf die Sonnenblume in seiner Hand und stieg dann schnell aus, bevor er sich das hier doch noch anders überlegen konnte. Er verließ den Bahnhof und suchte in seinen Manteltaschen automatisch nach Zigaretten und Feuerzeug und sog mit einem erleichterten Seufzen den Rauch ein, als er den Glimmstängel endlich zwischen den Lippen hatte. Es war merkwürdig. Wie lang war er nicht mehr hier gewesen? Vier Jahre ungefähr, aber selbst nach all dieser Zeit musste er nicht eine Minute über den Weg nachdenken, den er einschlagen wollte. Es war, als würden seine Beine von selbst wissen, wohin sie gehen mussten. Langsam lief er durch die Wohnsiedlung, in der er den größten – und eindeutig besseren – Teil seines Lebens verbracht hatte. Er konnte sich Zeit lassen; er war sich ziemlich sicher, dass ihn ohnehin niemand erkennen würde. Sein Herz verkrampfte sich leicht, als er an dem Haus vorbeiging, in dem er mit seiner Mutter gewohnt hatte. Der Garten machte einen verwilderten Eindruck, aber in den Fenstern hingen Gardinen, also schien zumindest wieder jemand hier zu wohnen. Er wandte den Blick ab und zwang sich dazu weiterzugehen; er wollte hier nicht stehen bleiben, nicht riskieren, einen Blick auf eine glückliche Familie werfen zu können. Und außerdem war das hier nicht sein Ziel gewesen. Ein paar Straßen weiter hielt er dennoch inne. Nachdenklich betrachtete er das immer noch eindrucksvoll wirkende, weiß verputze Haus vor sich, warf dann einen Blick auf das Klingelschild. Yamamoto. Also wohnte Shinyas Familie auch nicht mehr hier. Vielleicht war sein Vater versetzt worden... Zero schüttelte den Kopf und lief weiter. Es spielte keine Rolle. Er konnte und wollte Shinya da nicht mit hineinziehen. Andererseits war es dazu vielleicht schon zu spät. Konnte er eigentlich überhaupt verantworten, dass der einst wichtigste Mensch in seinem Leben ihn so sah? War es nicht vielleicht besser, wenn Shinya ihn so in Erinnerung behielt, wie er damals gewesen war? Nicht so kaputt und kalt wie jetzt? Etwa zwanzig Minuten später trat er unter einem Torbogen hindurch. Sein Blick wanderte über die vor ihm liegende schweigsame Szenerie, und einen Moment lang konnte er sich nicht überwinden weiterzugehen, auch wenn er wusste wohin er musste. Er war diesen Weg zwar nur ein einziges Mal gegangen, aber er würde diesen Tag nie vergessen. Mit aller Kraft versuchte er, die vor seinem geistigen Auge auftauchenden Bilder zu verdrängen, atmete noch einmal tief, bevor er sich langsam wieder in Bewegung setzte. Nur etwa zweihundert Meter weiter blieb er abermals stehen. Endgültig diesmal. Schweigend sah er auf den schlichten Grabstein, in den der Name seiner Mutter gemeißelt war. Langsam ging er in die Knie, den Drang unterdrückend, mit der Hand über die Schriftzeichen zu streichen. „Hey...“, seine Stimme war leise, nicht mehr als ein Flüstern. „Tut mit Leid, dass ich dich nie besucht hab...ich hab nicht mal Räucherstäbchen mit...“ Mit zitternden Händen befreite er die Sonnenblume von dem Papier und legte sie vorsichtig vor den Grabstein. „...hoffe sie gefällt dir...“ Er musste heftig schlucken, seine Kehle war wie zugeschnürt. Zero atmete tief durch und kniff die Augen zusammen. Er wollte jetzt nicht weinen, er hatte damals bei ihrer Beerdigung beschlossen, keine Emotionen mehr zu zeigen, nichts mehr zu empfinden. Anders ging es nicht. Aber mit jeder Sekunde, die er hier saß, hatte er das Gefühl, wieder mehr zu dem Jungen zu werden, der mit allen Sorgen zu seiner Mutter gehen konnte, damit diese in tröstete. „...ich vermisse dich...“, brachte er schließlich erstickt hervor. „...Mum...es ist...furchtbar...“ Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich eine Träne von der Wange, bevor seine Augen den Grabstein wieder fanden. Mehr sagte er nicht mehr, bis er das Friedhofsgelände verlassen hatte. ~~~ Karyu saß in seinem Auto, trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad herum und rauchte mittlerweile die achte Zigarette nacheinander. Warum dauerte das so lange? Eigentlich hätte der Kleine schon längst wieder da sein sollen. Er hob den Kopf, als sich die Beifahrertür öffnete, und setzte sich mit einem gemurmelten „na endlich“ aufrecht hin. Aus den Augenwinkeln musterte er Tsukasa, der zwar körperlich unversehrt zu sein schien, aber dafür zitternd die Arme um den eigenen Oberkörper schlang. Sich innerlich dafür verfluchend streckte Karyu einen Arm aus und griff auf die Rückbank, nur um dem Jungen einen Augenblick später einen Pullover in den Schoß fallen zu lassen. „Zieh den an, wenn dir kalt ist...“, meinte er nur auf einen fragenden Blick hin und fuhr dann los. Nachts war eigentlich die einzige Zeit, in der man fahren konnte, ohne an jeder Kreuzung in einen Stau zu geraten. Als er an einer roten Ampel notgedrungen halten musste, warf er einen Blick auf den Beifahrersitz. Tsukasa hatte den Pullover nicht angezogen, sondern sich stattdessen wie unter einer Decke darunter verkrochen. Sein Kopf war zur Seite gegen das Fenster gesunken und sein Atmen ging gleichmäßig. Unwillkürlich musste Karyu lächeln. Irgendwie war dieser Anblick niedlich. Ein Hupen riss ihn aus seiner Betrachtung und unter gemurmelten Flüchen gegen den Autofahrer hinter sich und den Rest der Welt fuhr er wieder an. Nach einigen Minuten sah er noch einmal neben sich. Tsukasa schien wirklich eingeschlafen zu sein. Ohne, dass er es bewusst wahrgenommen hatte, hatte sich ein Gedanke in seinem Kopf festgesetzt, den er eigentlich nicht einmal zu Ende denken sollte, wenn er sein Leben weiterleben wollte. Aber wollte er das wirklich? Und hatte Maya nicht gesagt, er solle es als eine zweite Chance sehen? Er sah wieder auf die Straße, schlug dann mit dem Handballen aufs Lenkrad. „Verdammt...scheiß drauf...“ Karyu ignorierte die Ampel vor sich, die gerade auf Rot schaltete und bog ohne zu Blinken links ab, in Richtung Autobahn. Er konnte nur hoffen, dass es nicht sofort auffallen würde und sie genug Zeit hatten, um ein Stück von Tokyo wegzukommen. Über die Konsequenzen seines Handelns wollte er im Moment lieber nicht nachdenken. „Tsukasa. Aufwachen...“ Karyu beugte sich durch die geöffnete Beifahrertür über den Jüngeren und rüttelte ihn leicht an der Schulter, bis dieser aufwachte. „...was ist los?...“ Der Brünette blinzelte müde und sah sich um. „Wo sind wir...?“ Der Ältere richtete sich auf und zuckte mit den Schultern. „Irgendwo zwischen Mito und Fukushima auf dem Parkplatz eines Motels. Ich hab uns ein Zimmer besorgt...und jetzt komm, steig aus...“ „...was...?“ Tsukasa hatte das Gefühl, als würden die Informationen nur stark verlangsamt in sein Bewusstsein dringen. Er schüttelte leicht den Kopf, stieg dann ohne weitere Fragen aus und zog sich den Pullover über, den Karyu ihm gegeben hatte. Nach einem kurzen Blick über den Parkplatz folgte er dem Bodyguard in das etwas schäbig wirkende Gebäude. Kaum, dass er dort angekommen war, drückte dieser ihm einen Zimmerschlüssel in die Hand. „Hier, den Gang runter sollte es sein. Geh schon mal vor.“ Wieder konnte er nur nicken und tat das, was ihm gesagt worden war, so wie es ihm in der letzten Zeit zur Gewohnheit geworden war. In dem nicht eben luxuriös wirkenden Zimmer ließ er sich erschöpft auf das Bett fallen. Er rollte sich auf der Seite zusammen und schloss die Augen. Es kam ihm vor, als könne er jede einzelne Faser seines Körpers schmerzlich spüren. Als die Tür wenig später erneut geöffnet wurde, hob er den Kopf und drehte sich halb um. „Warum sind wir hier? Habt ihr noch jemanden gefunden, der mit mir machen kann, was er will?“, fragte er leise. „Was?“ Tsukasa setzte sich daraufhin auf und schlang die Arme kurz um seinen Oberkörper, bevor er den Griff wieder löste und die Hände zu Fäusten ballte. „Was soll ich denn denken, wenn du mich einfach in irgendeine Absteige schleppst ...oder willst du mich doch mal ausprobieren?“ Seine Stimme war lauter geworden. Sein Blick fixierte den Älteren, während er sich mit entschlossener Geste den Pullover mitsamt seines eigenen Oberteils einfach über den Kopf zog und die Kleidungsstücke vor sich aufs Bett fallen ließ. „Hier, bitte! Lass dich bloß nicht aufhalten!“ Karyu starrte den Jungen vor sich an. „Keine Angst, ich werde dich nicht anrühren...“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und atmete tief durch. „Zieh den Pullover wieder an, du erkältest dich.“ „Mir ist nicht kalt...und hör auf abzulenken. Was machen wir hier?“ „Tsukasa...du zitterst. Zieh dich an.“ Der Ältere durchquerte das kleine Zimmer mit wenigen Schritten und öffnete das Fenster, um sich dann nach draußen zu lehnen. Er zündete sich eine Zigarette an und nahm ein paar tiefe Züge, setzte dann zu seiner Erklärung an. „Wir werden nicht mehr zurückfahren. Ich...ach scheiße, keine Ahnung warum!“ Er drehte sich zu dem Brünetten um, der auf dem Bett saß und ihn fassungslos ansah. „Aus irgendeinem Grund will ich nicht, dass du genauso kaputt gehst wie der Rest...und ich hab die Schnauze genauso voll von dem, was da abläuft....Also freu dich oder so...“ Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern, zog noch einmal an seinem Glimmstängel und schnippte die gerade einmal halb aufgerauchte Zigarette aus dem Fenster. „Du zitterst immer noch...“ Schweigend griff Tsukasa nach dem Pullover und zog ihn sich wieder über. Dann rutschte er an den Bettrand, wo er Schuhe, Overknees und Hotpants auszog, bevor er unter die Decke kroch und sich dort wieder zusammenkauerte. Karyu erwachte mitten in der Nacht, als sich etwas an seinem Arm zu schaffen machte. Verwirrt blinzelte er in die Dunkelheit, bis er erkannte, dass Tsukasa sich mit beiden Händen an ihm festklammerte. Die Atmung des Jüngeren ging hektisch und er warf unruhig den Kopf hin und her. Mit einem Seufzen strich der Bodyguard ihm ein paar verschwitzte Haarsträhnen aus der Stirn. Nach wenigen Sekunden öffnete der Junge neben ihm seine Augen. „Wieder schlecht geträumt?“ Ein Nicken war die ganze Antwort, die er bekam. „Willst du was trinken?“ „Wieso kümmerst du dich um mich?“ Karyu konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. „Ich würde meinen Arm gern noch eine Weile behalten“, meinte er nur trocken und bewegte besagtes Körperteil leicht im Griff des anderen, der daraufhin erschrocken losließ. „Entschuldige...“ „Schon gut...“ Eine Weile schwiegen beide, bevor Tsukasa tief durchatmete und den Älteren vorsichtig an der Schulter berührte. „Kannst...kannst du mich in den Arm nehmen?“ Seine Stimme war so leise, dass Karyu für einen Moment dachte, er habe sich verhört, was er auch gleich mit einem verwirrten „Was?“ deutlich machte. „...bitte...“ „...du erinnerst dich daran, was ich dir erzählt habe, oder...?“ Der Junge richtete sich etwas auf und beugte sich leicht über ihn. „...ich hab doch gesagt, dass es egal ist...bitte...“ Hilflos zuckte er mit den Schultern. „...ich weiß nicht warum...aber...bitte...“ „...scheiße...ich glaub's echt nicht...was mach ich hier eigentlich...“, murmelte Karyu, als er einen Arm um Tsukasas schmale Schultern legte und ihn leicht an sich zog. Wie sollte er heute überhaupt noch ein paar Minuten Schlaf bekommen? Er versuchte das Ziehen in seinem Bauch zu ignorieren, dass sich noch verstärkte, als der Junge in seinem Arm sich leicht an ihn kuschelte und den Kopf auf seinem Brustkorb ablegte. Ohne es wirklich zu registrieren, begann er, dem Kleineren sanft über den Rücken zu streicheln. Wie konnte es sein, dass dieses halbe Kind, dem in den letzten Wochen so viel angetan worden war, ausgerechnet ihm solches Vertrauen entgegenbrachte? Und wieso verdammt gefiel es ihm selbst gerade so sehr, hier in dieser schäbigen Absteige in einem genauso schäbigen Bett zu liegen und das nur, weil er diesen Jungen im Arm halten konnte? Alles, was er noch begriff, bevor er wieder in einen leichten Schlaf abdriftete, war, dass es sich einfach gut anfühlte, so mit Tsukasa hier zu liegen und zu wissen, dass sie beide fürs Erste weit weg waren von all der Scheiße, die im Grudge passierte. ~~~ Als Zero die Garderobe betrat, sah er bei seiner Tasche einen schlichten weißen Umschlag liegen. Der Schwarzhaarige ließ sich auf seinen Stuhl fallen, atmete erst einmal tief durch und griff dann lustlos nach dem Kuvert, um es einige Momente lang eingehender zu mustern. Normalerweise bekam er so etwas nur von Kana, alle anderen Freier machten ihre Termine über das Grudge aus, aber deren Umschläge sahen definitiv anders aus. Abgesehen davon war das mit Sicherheit nicht ihre Handschrift, wie er mit einem Blick auf die Rückseite des Umschlags feststellte, auf dem sein Name stand. Mit einem Schulterzucken riss er den Umschlag auf und entfaltete das Blatt Papier, das er daraus hervorgezogen hatte. „...Shinya...?“ Das Wort verließ nur gehaucht seinen Mund. Der Brief musste von Uruha stammen. Noch einmal überflog er die wenigen Zeilen, las die Adresse die dort geschrieben stand. Also wohnte Shinya jetzt in der Präfektur Mie. Wenn er sich recht erinnerte, hatte sein damaliger Freund aus irgendeinem Grund schon immer an der Mie Daigaku in der Präfekturhauptstadt studieren wollen. Seufzend ließ Zero den Zettel auf den Schminktisch fallen und legte mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken, das leichte Knacken seiner Nackenwirbel ignorierend. Was ging hier eigentlich vor? Seit er mit Uruha geredet hatte, war irgendwo in einer Ecke seines Gehirns wieder der Wunsch aufgekommen, von hier zu verschwinden, es irgendwie zu schaffen, ein normales Leben anzufangen. Aber konnte er es Shinya wirklich antun, einfach vor seiner Tür zu stehen, nachdem er sich jahrelang nicht gemeldet hatte? Und viel wichtiger: war jemand wie er eigentlich dazu fähig, so etwas wie ein 'normales Leben' zu führen? „Was willst du?“ Zero schnaubte. „Ich muss zum Boss“, er wedelte betont ungeduldig mit dem Zettel in seiner Hand. „Irgendso'n Kerl, der im Vorstand irgendeines Konzerns sitzt, will einen Termin und da muss was umgebucht werden.“ „Und wieso willst du damit zum Chef?“ Der Stricher verdrehte nur genervt die Augen. „Ey, du bist echt noch dämlicher, als du aussiehst, oder? Da sind wichtige Leute dabei und er muss entscheiden, wen ich versetzen kann. Lässt du mich jetzt rein oder willst du das schriftlich haben?“ Der Typ ihm gegenüber zuckte nur mit den breiten Schultern. „Er ist nicht da.“ „Toll, dann wart ich drinnen.“ Als er keine Reaktion bekam atmete er tief durch um sich zu beruhigen. „Soll ich dir erst noch einen runterholen oder was?“ Sein Gegenüber grinste schief. „Kleiner, wenn ich dich will, dann nehm ich dich. Aber sorry, ich steh eher auf mehr oben und weniger untenrum...“ „Super. Dann mach Platz. Is nich das erste Mal, dass ich alleine in dem scheiß Büro hock, okay?“ „Wenn du meinst...“ Er trat zur Seite und öffnete die Tür, sodass Zero den Raum betreten konnte, an dem sein Leben hier den Anfang genommen hatte. Er sah sich flüchtig um. Wo in aller Welt konnten die Papiere der Leute, die nicht freiwillig hier arbeiteten, versteckt sein? Eigentlich hatte ihr Boss es nicht nötig, diese Sachen großartig wegzuschließen, also hatte er vielleicht Glück. Er ging auf den ersten Aktenschrank zu und zog wahllos eine Schublade auf. Ungeduldig wühlte er sich hindurch, bevor er sich der nächsten widmete. Irgendwo musste der Kram doch sein. Und je länger er suchte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sein Boss zurückkam und dann würde er so richtig in der Tinte sitzen. Er drehte sich um, um zu einem Schrank auf der anderen Seite des Zimmers zu suchen, als er hörte, wie hinter ihm etwas klirrend zu Boden fiel. „Verdammt...“ Allem Anschein nach hatte er in der Bewegung eine kleine Glasskultpur vom Schreibtischrand gerissen. Noch bevor er auch nur versuchen konnte, etwas gegen die Scherben zu machen, flog die Tür auf und der Bodyguard von eben stand vor ihm. „Sag mal, was treibst du hier eigentlich, Kleiner?“ Zero ballte die Hände kurz zu Fäusten und versuchte ruhig zu bleiben. „Nichts. Ich bin auf und ab gegangen und hab irgendwie die Skulptur mitgenommen...“ „Ja klar, deswegen stehen auch die Schubladen hier offen...“, schnappte der Andere, packte Zero an der Schulter und zog ihn zu sich heran. „Du bist nicht der Erste, der versucht abzuhaun...“ Noch bevor dieser reagieren konnte, stieß der kräftige Mann ihn von sich und verpasste ihm einen Schlag ins Gesicht, der so heftig war, dass der Schwarzhaarige gegen die offenen Schubladen des Aktenschrankes taumelte und zu Boden ging. Dort blieb er auch erst einmal liegen, denn er hatte das Gefühl, seine Umgebung nur noch verschwommen wahrzunehmen. Dazu kam ein stechender Schmerz in seinem Rücken, der sich im Moment seine Wirbelsäule entlang auszubreiten schien. Nach ein paar Minuten raffte er sich ächzend auf. Er musste seine Papiere jetzt einfach finden. Dieser Kerl war mit ziemlicher Sicherheit gerade losgegangen, um seinen Chef zu holen und wäre dieser erst einmal hier, konnte er sich einsargen lassen. Hektisch riss er die Türen des noch verbleibenden Schranks auf, um die einzelnen Fächer in Windeseile zu durchsuchen, doch gerade als er einige andere Ausweisdokumente in den Händen hielt, hörte er, wie hinter ihm leise die Bürotür geschlossen wurde. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du mich verrätst...“ Mit einem kaum sichtbaren, müden Lächeln blieb Zero, den Blick auf die Papiere vor sich gerichtet, stehen. Er hätte diese kalte Stimme überall erkannt. „Ich hatte gedacht, diese Flausen hätte ich dir schon zu Anfang ausgetrieben...aber es scheint, als hätte ich mich getäuscht...das ist schade...du warst wertvoll...“ Als er sich umdrehte, stand er seinem Boss gegenüber, dem Menschen, der ihm sein Leben genommen hatte und der nun mit einer Waffe auf ihn zielte. Der elegant gekleidete Mann Ende vierzig trat noch wenige Schritte auf ihn zu, legte seine Hand an das Kinn des Schwarzhaarigen und strich ihm über die allmählich entstehende Schwellung. „...es ist so schade um dich...“ Zero spürte etwas Kaltes an seinem Bauch, doch bevor er reagieren konnte, dröhnte ein Knall in seinen Ohren. Er fiel keuchend auf die Knie, bevor er, als sein Blickfeld allmählich schwarz wurde, zur Seite wegkippte und mit dem Kopf gegen die Kante der offen stehenden Schranktür schlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)