Ennuyant von Syndrome (Vampir, Sarkasmus, Einsamkeit) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Ich habe dankbar die Nacht empfangen. * * * Der leichte Wind bewegt für einen Moment die tote, drückende Luft in dem nur spärlich beleuchteten Raum. Ein leises Brummen und Surren bricht durch die Wände der Nachbarn, die schon jetzt, im Juni, ihre Klimaanlagen laufen lassen, um der Hitze in ihren nur mäßig isolierten Wohnungen zu entkommen. Zu erkennen ist er schwer, mein Körper, der sich vor dem Fenster postiert hat, um stumm die Nacht zu empfangen, die ihren Schoß für mich eröffnet und mir zulächelt obwohl sie selten von mir eine ähnliche Geste bekommen würde. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun… Jedes Mal, wenn ich mein Hemd öffne, zähle ich die Anzahl der perlmuttfarbenen Knöpfe, vielleicht könnte ja einer fehlen. Damit wäre dieses heiß geliebte Kleidungsstück unbrauchbar, nutzlos. Alles, wo etwas fehlt, wird so. Nutzlos. Unbrauchbar. Reif um es zu entsorgen. Mir fehlt auch ein Teil, ein sehr wichtiger sogar. Nochmals wiederhole ich die Prozedur. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht,…Wo ist die Neun? Nach vergeblichem Nachsehen und Finden eines losen Fadens spüre ich die Wut in mir aufbrodeln, die ich hinter meiner kühlen Fassade gepflegt verstecke. Der Stoff macht ein leises, knirschendes Geräusch, als meine Hände die Kleidung zornig herunterreißen; die Knöpfe prasseln zu Boden. Ohne darauf zu achten, dass meine Sinne mich schon längst darauf hingewiesen haben, dass jemand bei mir ist, mir zusieht, fahre ich fort mit meinem beinahe schon erleichternden Spiel. Fasern reißen geräuschvoll; die Ketten springen auf. Irgendwann nach angestrengten Lauten und einem zerfetzten Stoffrest auf dem Boden gebe ich auf und lehne mich wieder zurück an den Fensterrahmen. Wohl als Einziger genieße ich die warm-feuchte Luft, die meinen kühlen Leib umspielt. „Du solltest dich mehr in Zaum halten, Zero.“ Eine spöttische Stimme erreicht mein Ohr und ein verführerischer, verbotener Duft meine Nase. Schnippend öffne ich mein Feuerzeug, antworte nicht. Höre nur das Knistern des entzündenden Tabaks. „Was habe ich denn schon wieder getan, dass du mich mit Schweigen strafst? Huh? Das ist schlimmer als Schläge ins Gesicht…“ Der hämische Unterton ist verschwunden und macht einem Verständnis suchenden Ton Platz, als mich nur leicht die Fingerspitzen am Rücken erreichten; der fahlen Haut für Sekunden einen warmen Moment bescheren. Wieder kommt kein Ton über meine Lippen, zu köstlich ist das wahre Betteln dieser Person um Aufmerksamkeit. Die einzige Regung ist, dass meine Mundwinkel kaum sichtbar ihren Weg nach oben finden. Nur mehr oder weniger, weil ich mich über die Anwesenheit des Menschen hinter mir erfreue, sondern eher…ach, die Frage kann ich mir selbst nicht beantworten. Eigentlich ist er unerträglich laut, macht dämliche Witze und hält sich für unwiderstehlich. Was vielleicht in vielen Fällen zutrifft, aber nicht wirklich bei mir. Sein Haupt ist jedoch stets stolz erhoben und ermöglicht ihm durch seinen hoch gewachsenen Körperbau eine weite Sicht. Vielleicht bewundere ich diese niedere Kreatur dafür,… vielleicht ist es auch einfach nur eine zeitweilige Begeisterung, die mich erobert? Meine Augen brauchen den anderen nicht zu beobachten. Ich weiß genau, wie mein einseitiger Gesprächspartner aussieht. Zu oft habe ich ihn skeptisch angesehen, habe ihn gemustert und sein für mich einfaches Wesen analysiert. Die weichen Züge auf dessen Gesicht studiert und den wachen Blick bemerkt, der selbst mich beeindruckt. Nur langsam drehe ich meinen Kopf und gebe mir die Ehre, den anderen wenigstens mit einem Augenaufschlag zu belohnen. „Endlich. Du bist heute nicht sonderlich gesprächig…“, flüstert die dunkle Stimme und die Lippen, die diese Worte formen, kommen unweigerlich näher, sodass ich den warmen Atem auf meiner kühlen Lefze spüren kann. Seltsamerweise überkommt eine Gänsehaut meinen müden Körper, als die Stimme fortsetzt zu erklingen. „Würdest du es heute endlich tun? Mach mich auch dazu…“, die bittenden Töne zerlaufen wie ein mit Absinth getränktes Stück Zucker auf meiner Zunge und lassen mich leicht lächeln, während sich meine feingliedrigen Finger auf den sehnigen Halsansatz legen. Er weiß, wie wählerisch ich bin. „Nimmst du dir nicht ein bisschen zu viel raus?“, gab ich ihm als Gegenfrage und klinge dabei leicht belustigt, bevor er mir einfach einen unfreiwilligen Kuss stahl und entschlossen nickte. Weiß dieser Kerl eigentlich, was er von mir verlangen würde? Weiß er, was ich von ihm verlangen würde? Sicherlich wäre es reizvoll ihn auf verwunschene Umwege zu führen, ihn leiden zu sehen, wie ich es anfangs getan habe. So lasse ich mir die willkommene Aufmerksamkeit und Abwechslung an diesem Abend gefallen, lasse mich berühren, umgarnen, begehren um ihm einmal nachzugeben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)