Anubis Black von Autumn (JadenxChazz, AtticusxZane (Kapitel 22 ist da!!!)) ================================================================================ Kapitel 18: Duell der Titanen (Teil 1) -------------------------------------- Kapitel 18: Duell der Titanen (Teil 1) Die Sieben Krieger des Anubis kamen ihrem Training nach. Während Zane, Syrus, Atticus, Bastion und Alexis in der Arena ihre Schwert- und sonstige Kampfkünste verfeinerten, bemühten sich Chazz und Jaden im unterirdischen Schwimmbecken um eine bessere Kondition. Der Braunhaarige durchmaß den Pool mit kräftigen Zügen, vollführte eine Unterwasserwende und schwamm die Bahn noch einmal hinauf und hinunter, ehe er sich dazu entschied, eine Pause zu machen. Er kletterte hinaus und ging zu seinem Liegestuhl hinüber, daneben hatte sich Chazz auf dem seinen ausgestreckt. „Du hast wirklich eine unglaubliche Ausdauer, Jay. So viele Runden hätte ich nicht ausgehalten. He, pass auf - du tropfst auf mein Buch!" „Entschuldige, mein Schatz." Er küsste ihn auf die Wange und schnappte sich sein Handtuch und seine Badehose zum Wechseln, bevor er in einer der Umkleidekabinen verschwand. Der Hüter des Sechsten Tores blickte ihm zärtlich nach, berührte seine Wange und seufzte glücklich. Gestern erst hatten sie ihren Freunden verkündet, dass sie nun offiziell ein Paar waren, und die Begeisterung, mit der diese Nachricht aufgenommen worden war, hatte ihn tief bewegt. »Sie haben uns beide gern«, sagte er sich lächelnd, »und haben sich auch für uns beide gefreut. Der verbitterte, zornige Einzelgänger, der ich noch vor wenigen Monaten war, scheint nur noch eine ferne Erinnerung zu sein. Das verdanke ich meinen neuen Erfahrungen, den neuen Werten, die ich kennen gelernt habe....Freundschaft und Liebe. Ich werde um meiner selbstwillen akzeptiert und geliebt, nicht wegen meines Namens oder meines Geldes. Das ist ein wundervolles Gefühl....und ich bin sehr dankbar dafür.« Einziger Wermutstropfen in dieser Sache war Abidos Aristides, der Probeschüler aus Luxor. Er war erst seit ein paar Tagen an der Akademie, besaß aber bereits einen eigenen Fanclub, gegründet von einer Riege Verehrerinnen, die den Boden priesen, auf dem er ging. Sogar so mancher Junge konnte es sich nicht verkneifen, ihm bewundernd hinterher zu schauen, wenn er durch die Flure wandelte. Natürlich, zugegeben, er war durchaus attraktiv und charmant, er strahlte Selbstbewusstsein und Vornehmheit aus, und in dem Testduell, das er als Beweis seiner Fähigkeiten hatte absolvieren müssen, war ihm das Bravourstück gelungen, einen von Crowlers besten Studenten zu besiegen, aber deswegen musste man ihn doch nicht gleich zum neuen Idol der Schule erklären?! Und das schlimmste....dieser Emporkömmling wagte es, Jaden schöne Augen zu machen! Er hielt sich ja nicht einmal zurück oder versuchte es unauffällig, nein, er legte es darauf an, mit ihm in Konflikt zu geraten! Was bildete der sich eigentlich ein?! Außerdem war das nicht ihr einziges Problem. Atticus und Zane hatten neulich in der Bibliothek eine Erscheinung gehabt, eine vermummte Gestalt namens Amnael, der sie vor einem weiteren Schattenreiter gewarnt und noch einige andere rätselhafte Worte geäußert hatte, ehe er im Nichts verschwunden war. Was hatte er gesagt? ~~ Nicht alles ist so, wie es scheint. Licht ist Schatten und Schatten ist Licht. Kanzler Sheppard ist nicht der, für den er sich ausgibt und eure Treue gehört dem Falschen, damals wie heute! Ihr wisst es nicht besser, aber das muss ein Ende haben! Nur die Wahrheit kann den Sieg davontragen! Die Prophezeiung weist euch den Weg. Um zu erkennen, ist eines vonnöten: Der Schakal ist ein Jäger. Ein Jäger muss töten! ~~ Ein Jäger muss töten. Chazz legte sein Buch beiseite und marschierte unruhig auf und ab. In seinem Geist wehten die Bruchstücke all dessen durcheinander, was in ihm Zweifel geweckt hatte - Taniyas seltsamer Satz, „Sei, was du bist", das merkwürdige Verhalten des Katers Pharao, Chicks Behauptung, die Schlüssel, die sie trugen, hätten ursprünglich Götter und keine Ungeheuer beschützt, Don Zaloogs boshafter Ausspruch „Wir sind von der gleichen Art" und schließlich das Verschwinden von Kanzler Sheppard, der angeblich nicht der war, für den er sich ausgab....da sollte man nun nicht verwirrt sein! Nicht zu vergessen die Prophezeiung, deren Inhalt auch sehr unklar war. Wie Jaden quälte ihn das ungute Gefühl, dass irgend jemand ein verdammt mieses Spiel mit ihnen trieb.... In der Kampfarena stand Syrus inzwischen seinen Mann. Es gab ein Programm für den Bogenschützen des Teams und im Moment war er damit beschäftigt, die Monster, die seine Zielscheiben blockierten, mit seinen Pfeilen zu dezimieren. Sie zerfielen schnell und regelmäßig in bunte Pixel, während jeder der Pfeile punktgenau in der Mitte der Zielsscheibe steckenblieb. Bei dieser Waffe konnte ihm niemand das Wasser reichen, nicht einmal sein Anführer. Zane beobachtete seinen kleinen Bruder von seiner Loge aus. »Ich habe es mir doch nicht eingebildet. Er ist tatsächlich ein Stück gewachsen. Er ist stärker geworden und hat unerhörten Mut bewiesen, als er mich vor Camillas Biss rettete. Er hat sich verändert. Wir haben uns alle verändert, die einen mehr, die anderen weniger. Jaden hat sich als wahrer Anführer herausgestellt. Chazz ist ein echter Freund geworden, ebenso wie Bastion. Alexis und Atticus haben einander wiedergefunden und scheinen sich durch all unsere Erlebnisse noch näher zu stehen, als es früher je der Fall war. Syrus ist mir jetzt um vieles ebenbürtiger, obwohl ich lange nicht daran geglaubt habe. Und ich? Ich habe mich verliebt....« Sein Blick glitt zu dem großgewachsenen jungen Mann hinüber, dessen widersprüchliches Wesen und dessen Schönheit sein Herz angerührt hatten. Er stand am Rand der Arena und klatschte, als der Türkishaarige einen erneuten Volltreffer landete. »Ich möchte ihm gestehen, was ich empfinde, aber es fällt mir so schwer. Nichts ist mir je so schwergefallen. Zum ersten Mal in meinem Leben verstehe ich Syrus wirklich, verstehe, wie es ist, vor etwas Angst zu haben. Es ist ein grässliches Gefühl, denn man kommt sich so hilflos vor. Wenn ich mir vorstelle, dass ich meinen Ototo deswegen früher nicht für voll genommen habe....was für ein arroganter Dummkopf ich doch war! Sicher, Atticus hat zwar gesagt, dass er mich liebt, aber ist das tatsächlich er, der da spricht, wenn er seine Erinnerungen noch nicht zurück hat? Ist er in Wahrheit nicht immer noch Hiron, der mich nur unserer Vergangenheit wegen liebt? Das hat er abgestritten, ich weiß. Aber fest steht, ohne die Erinnerungen an seine moderne Identität ist er nicht Atticus Rhodes. Nicht der echte zumindest. Und wenn Atticus sein Gedächtnis zurückerobert und Hirons Bewusstsein verschwindet, was bleibt dann von seinen Gefühlen übrig? Alles? Nur ein Teil? Gar nichts? Gar nichts....dieser Gedanke tut weh! Ich glaube nicht....ich glaube nicht, dass ich das ertragen könnte....« Seine Überlegungen wurden rüde unterbrochen, als der gesamte unterirdische Komplex von einem Erdbeben erschüttert wurde. Alexis schrie auf, doch die zu erwartenden Felsbrocken, die hätten herabstürzen sollen, blieben aus. Statt dessen klaffte der Arenaboden auseinander, sodass Syrus sich rasch in Sicherheit bringen musste, und schwarze Wolken waberten aus dem Riss hervor, die sich zu einer Gestalt auftürmten, die nach und nach sichtbar wurde. Es war ein Mann von hünenhafter Größe, mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf und einer Metallmaske im Gesicht, die seine Augenpartie verdeckte, der Rest seines Körpers war in einen langen Ledermantel gehüllt. Als er sprach, hallte seine Stimme vielfach von den Wänden wider: „Hört zu, Krieger des Anubis! Mein Name ist Titan und ich bin der Fünfte Schattenreiter! Ich fordere den Hüter des Ersten Tores heraus, sich mit mir zu messen! Der Preis dieses Duells sind sein Schlüssel - und seine Erinnerungen!", fügte er hohnlächelnd hinzu und schwenkte seinen Schattentalisman, eine kleine goldene Pyramide, die an einer stabilen Kette um seinen Hals hing. „Aber sei gewarnt, junger Wächter! Ich werde dir nichts schenken! Unser Kampf wird ein Duell der Titanen sein! Ich bin einer....und was dich angeht, so werden wir sehen, wie du dich schlägst, Sterblicher! Nimmst du an?" Er schnippte mit dem Finger und aus der Pyramide strömten noch mehr schwarze Wolken, die sich direkt vor Atticus in ein grünlich leuchtendes Pergament verwandelten. In altmodischer Schrift war dort Folgendes zu lesen: „DUELL DER TITANEN Dieser Vertrag verpflichtet die beiden Krieger/Unterzeichneten, in drei Prüfungen gegeneinander anzutreten, aus denen stets ein klarer Sieger hervorzugehen hat. Nur derjenige, der alle drei Prüfungen erfolgreich besteht, wird das Duell der Titanen gewinnen. Der Verlierer wird ein Opfer der Schatten - und wird sterben. Die beiden Krieger/Unterzeichneten erklären sich mit den Bedingungen des Duells der Titanen einverstanden und unterschreiben mit ihrem Blut. Gezeichnet: TITAN, Fünfter Schattenreiter...." Daneben war noch Platz für die zweite Unterschrift. Alle, auch Zane, der seine Loge sofort bei Titans Erscheinen verlassen hatte, studierten das Dokument und waren über seinen Inhalt entsetzt. Alle bis auf einen. Das blonde Mädchen blickte ihn an und spürte, wie eine kalte Hand ihr Herz zusammenpresste. Sie hasste den Ausdruck in seinen Augen, weil er sie ängstigte. Trotz der Unbekümmertheit und Zwanglosigkeit in seinem Wesen besaß ihr älterer Bruder eine Eigenschaft, an der man sich die Zähne ausbeißen konnte, wenn sie sich zeigte: Stolz. Atticus‘ Natur war nur vordergründig die eines Clowns....derjenige, der jetzt durch diese entschlossenen, kämpferischen Augen sah, war nicht der leicht überdrehte, chaotische Jugendliche, den sie so oft für seine verrückten Ideen und sein ihrer Meinung nach peinliches Verhalten gescholten hatte - das war der aufopferungsvolle Kamerad, der treue Freund, der tapfere Krieger. Das war der Mann Atticus Rhodes. Eine Schreibfeder mit scharfgeschliffener Spitze materialisierte sich vor ihm. Sie begriff, dass jeder Protest sinnlos war. Er hatte sich längst entschieden. Sie berührte seinen Arm, ihre Augen baten furchtsam, flehten stumm, er möge es nicht tun. „Ich habe keine Wahl, Schwester", erwiderte er ernst und diese Worte lösten nicht nur in ihr, sondern auch in Zane blankes Erschrecken aus. Vollkommen erstarrt beobachtete er, wie sich der Brünette mit der Feder in den Finger stach und mit seinem Blut unterschrieb. Kaum hatte er den letzten Buchstaben gesetzt, rollte sich das Pergament auch schon zusammen und flog auf Titan zu, der es sorgsam in seinem magischen Talisman verstaute. „Ich erwarte dich nach Sonnenuntergang in der verlassenen Unterkunft." „Ich werde da sein." Der Fünfte Schattenreiter wurde zu dunklem Rauch und verschwand durch den Riss, der sich unter einem gewaltigen Nachbeben wieder verschloss, als hätte es ihn nie gegeben. In diesem Moment polterten, ziemlich atemlos und unruhig, Jaden und Chazz zur Tür herein, die das erste Beben alarmiert hatte. „Ist euch was passiert, Leute? Was ist denn los? Ihr seht aus, als hättet ihr ein Gespenst gesehen! He! Sagt doch was!" „Amnaels Warnung....", murmelte Zane fast tonlos. „Sie ist eingetreten....!" Nun wurden auch die Züge ihres Anführers hart. Den Rest des Tages verbrachten die Anubis Black in relativ gedrückter Stimmung. Syrus hielt sich in der Nähe seines Bruders auf und lächelte ihm mitfühlend zu, wann immer sich ihre Blicke kreuzten, und der Trost, den ihm der Jüngere damit zu spenden versuchte, bewegte den Meisterduellanten mehr, als er zugab. Während das ungleiche Geschwisterpaar in stillem Einverständnis über das Schulgelände spazierte, saßen die anderen im Gemeinschaftsraum beisammen. Atticus war in der Trainingshalle geblieben, um sich auf das Duell vorzubereiten. Keiner wagte es, das Thema anzusprechen, selbst Alexis hüllte sich in demonstratives Schweigen. Bastion hatte die beiden geheimnisvollen Schriftrollen vor sich ausgelegt und grübelte vor sich hin. »Chick hat gesagt, diese Figur zwischen den magischen Wesen sei der Gott Amun. Nach allem, was ich über ihn in Erfahrung gebracht habe, könnte es durchaus möglich sein, dass er die Göttermonster und die Heiligen Ungeheuer erschaffen hat. Schließlich war er ein Schöpfergott. Aber wie passt das zu der Prophezeiung? Was hat er noch gesagt? Ach ja, dass unsere Schlüssel ursprünglich Götter und keine Ungeheuer beschützten. Wenn ich diesen Satz mal zerpflücke....Mr. Sheppard hat uns erzählt, dass die Schlüssel dazu da waren, die sieben Tore zu verschließen, hinter denen sich die Steintafeln mit den drei Heiligen Bestien befanden. Die Götter Ra, Maat, Osiris, Hathor, Horus, Isis und Sachmet verliehen ihnen zu diesem Zweck magische Kräfte. Aber nach seinem Verschwinden und der Behauptung dieses mysteriösen Amnaels zu urteilen, ist der Direktor nicht vertrauenswürdig. Andererseits, wie vertrauenswürdig ist ein vermummter Unbekannter? Wenn die Schlüssel aber nicht die Heiligen Ungeheuer beschützten, wie Chick sagte, so müssen sie die Göttermonster behütet haben....aber warum? Unterscheiden sich diese Geschöpfe? Wenn ja, auf welche Weise, abgesehen davon, dass die einen etwas....‘gemeiner‘ wirken?« Er kratzte sich am Kopf und zog die Schriftrolle mit der Prophezeiung näher zu sich heran. Er las sie garantiert schon zum zehnten Mal. »‘Eines Tages kehren sie zurück, die Schatten der Nacht. Und was sie suchen, ist der Kreaturen Macht. Verhindern kann ihren Triumph, wer als Hüter geboren, bereit zu kämpfen vor den alten Toren. Im ersten wird zum Kampf vereidigt, am zweiten wird die Hoffnung verteidigt. Das dritte ist Freiheit, das vierte die Liebe, worauf fünftens der Ewige Frieden noch bliebe. Im sechsten prüft manchen die Wahrheit vergebens, das siebte Tor ist die Pforte des Lebens. Licht ist Schatten und Schatten ist Licht. Der Kampf ist sinnlos, die Hoffnung zerbricht. Die Freiheit wird gefangen und angekettet, nicht einmal die Liebe wird noch gerettet. Es gibt keinen Frieden mehr, auch nicht im Tod, die Wahrheit erkrankt an Lüge und Not. Die Finsternis verlöscht die Sonne, nimmt uns des Lebens Wonne. Wir spüren, wie die Kälte unsere Herzen zersticht. Licht ist Schatten und Schatten ist Licht. Jene, die zurückkehren werden als die Erwählten, mögen aufmerksam hören: Lasst euch nicht von falschen Zungen betören. Ehrlich ist euer Blut und ehrlich euer Ziel, unehrlich aber ist dieses Spiel. Um zu erkennen, ist eines vonnöten: Der Schakal ist ein Jäger. Ein Jäger muss töten.‘ Licht ist Schatten und Schatten ist Licht, hm. Licht. Schatten. Zwei Seiten. Die uralten Gegensätze der Natur. Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Hell und Dunkel, Leben und Tod, Gut und Böse....Moment mal. Leben und Tod. Gut und Böse. Licht und Schatten. Göttermonster und Ungeheuer. Götter, egal in welcher Gestalt, waren im alten Ägypten Wesen des Lichts. Die gesamte Religion baute sich auf der Vergöttlichung der Sonne auf. Und wenn die Göttermonster das Licht symbolisieren....stehen die Heiligen Ungeheuer vielleicht für seine Kehrseite. Für die Schatten. Für die Finsternis.« Bastion lief ein eisiger Schauer über den Rücken, als ihm die Logik seiner Vermutung klar wurde und noch eine weitere Frage beantwortete, die er sich bereits stellte, seit die ganze Sache angefangen hatte: Warum war Schwarz die Kennfarbe der Anubiskrieger? Zu Beginn hatte er angenommen, dies sei auf das Tier des Anubis zurückzuführen, den Schakal, dessen Fell tiefschwarz war, aber irgendwann hatte ihn diese Erklärung nicht mehr befriedigt. Und nun sprang ihm die Wahrheit, die erschreckend offensichtlich war, direkt ins Gesicht. Schwarz war die Farbe der Finsternis! Aber was bedeutete das konkret für sie und ihre Funktion? Wenn die Heiligen Ungeheuer wirklich die Dunkelheit verkörperten, weshalb hätte Pharao Tutangaton dann einen Kriegerbund gründen sollen, der sie verteidigte? Hätte er statt dessen nicht lieber nach einer Möglichkeit suchen sollen, sie zu vernichten? »Es sei denn....es sei denn, er hätte ihre Macht für sich selbst nutzen wollen....aber er war Pharao! Ra, Slifer und Obelisk hatten die Aufgabe, das ägyptische Volk zu schützen und nur der Pharao konnte sie kontrollieren! Weshalb hätte er die Macht der Schatten bevorzugen sollen, wenn er die Macht des Lichts schon rechtmäßig in Händen hielt?« Doch ein kleines Stimmchen in seinem Unterbewusstsein stellte ihm eine interessante Gegenfrage: »Vielleicht hielt er die Macht des Lichts nicht rechtmäßig in seinen Händen? Vielleicht konnte er die drei Götter nicht kontrollieren? Vielleicht hatte er kein Recht?« Konnte das sein? Kanzler Sheppard hatte....er fuhr sich durchs Haar. Ja. Kanzler Sheppard hatte es ihnen so erzählt, dass an Tutangatons Person und seiner Lauterkeit keinerlei Zweifel zu hegen waren. Sie hatten ihm geglaubt, weil sie ihm vertrauten. Aber wenn er nicht derjenige war, für den er sich ausgab....wenn er die ganze Zeit gelogen hatte....dann konnte die Wahrheit alles über den Haufen werfen....! Was sollten sie glauben? WEM sollten sie glauben? Jaden stand an einem der blinden Fenster des Gemeinschaftsraumes und sah hinaus, in ähnliche Gedanken versunken wie Bastion. Der Zufall wollte es, dass genau unter diesem Fenster Abidos vorbeikam, ein Buch über Duellstrategien in der Hand, offenbar ganz vertieft in seine Lektüre. Die Sonne ließ sein prächtiges schwarzes Haar matt schimmern und streifte auch die beiden goldenen Ohrringe, die er trug. Sie waren geformt wie das Ankh-Symbol und riefen eine verschüttete Erinnerung in dem jungen Anführer wach. Kail hatte ebenfalls so einen Schmuck getragen, nur einen einzigen, am linken Ohr, aber er hatte dieselbe Form besessen. Erneut stieg ein Gefühl von Wärme und Zärtlichkeit in ihm auf, das ihn sehr verwirrte. Eigentlich sollte doch nur Chazz‘ Anblick so etwas in ihm auslösen? Schließlich kannte er Abidos doch gar nicht, gleichgültig, wie vertraut der Name für ihn klingen mochte! Trotzdem wurde er den Eindruck nicht los, als verbinde ihn etwas mit diesem neuen Schüler....etwas Starkes, Altes, Machtvolles, das er nicht definieren konnte. Gleichzeitig ärgerte er sich darüber. Er liebte Chazz. Wie war es da möglich, dass ein Fremder eine solche Wirkung auf ihn ausübte? Plötzlich zuckte er zusammen. Die schönen dunkelblauen Augen des Ägypters starrten ihn direkt an. Wie konnte das sein? Das hier war ein blindes Fenster! Von außen konnte niemand hineinschauen, ja, nicht einmal wissen, dass irgend jemand hinaussah! Aus unerklärlichen Gründen schlug sein Herz schneller. Verdammt, was war nur los mit ihm?! Abidos wusste genau, dass Jaden ihn beobachtete und ließ es sich durchaus geschmeichelt gefallen. „Also beginnst du, dich meiner zu erinnern, mein Geliebter?", flüsterte er sanft. „Shezar mag deine Zuneigung gewonnen haben, aber deine Liebe gehört noch immer mir. Wie lange habe ich darauf gewartet, wieder mit dir vereint zu werden! Ich habe dich nie vergessen, Kail. Einen Mann wie dich kann man nicht vergessen." Er schickte eine Kusshand nach oben, die Jadens Wangen rot werden ließ. Was zum Teufel sollte das? War der Kerl am Ende wirklich ernsthaft hinter ihm her?! Und wieso brachte er ihn so durcheinander?! Abidos....dieser Name schmeckte nach Vergangenheit, Sonne und Sand. Nach Geborgenheit und Glück. Aber er schmeckte auch nach Kummer und Schmerz. Weshalb empfand er so? Chazz trat neben ihn und spähte hinaus, neugierig, was das Erröten seines Schatzes hervorgerufen haben mochte. Seine Begeisterung hielt sich merklich in Grenzen, als er den Herrn aus Luxor entdeckte. »Der schon wieder! Wenn dieser Mistkerl meinen Liebsten noch einmal anbaggert, reiße ich ihm den Kopf ab und vergrabe ihn sechs Meter unter der Erde!! Warum darf ich mit Jaden nicht glücklich sein, nachdem es so lange gedauert hat, bis wir uns fanden? Gleich schickt mir das Schicksal einen Nebenbuhler! Mann, und da soll man nicht frustriert sein....! Andererseits kommt mir der Typ merkwürdig bekannt vor, als hätte ich ihn schon mal irgendwo gesehen.... aber es gelingt mir nicht, ihn einzuordnen. Eins weiß ich allerdings: Ich kann ihn nicht leiden! Kein bisschen!!« Zane und Syrus hatten indessen auf ihrem Spaziergang den Hafen erreicht und waren bis ans Ende des Anlegestegs gelaufen. Schweigend blickten sie auf das Meer hinaus, bis der Kleinere den Mund auftat: „Du hast Angst um Atticus, nicht wahr?" „Ist das so offensichtlich?" „Ja. Deine kalte Maske ist etwas getaut, großer Bruder. Mittlerweile sieht man dir viel eher an, was du fühlst. Eine Entwicklung, die ich sehr begrüße, wenn ich ehrlich bin." „Und warum?" „Weil du offener und freundlicher geworden bist. Weißt du noch, wie du mich umarmt hast, als sich Chick in Sand auflöste? Diese Geste hat mir mehr bedeutet als alle Trostesworte, die du mir hättest sagen können. Es hat mir gezeigt, dass du mich liebst, Nii-san, auch wenn du das meistens zu verbergen versuchst. Und Atticus liebst du auch, habe ich recht?" Der Grünhaarige errötete unweigerlich. „Sieht man....mir das auch an?", fragte er zaghaft. Das spitzbübische Lächeln des Jüngeren machte ihm klar, dass es so war. Er setzte sich an den Rand des Anlegestegs und Syrus hockte sich daneben, ohne seinen Bruder aus den Augen zu lassen. „Du hast recht, Ototo. Ich wollte es mir zunächst nicht eingestehen. Atticus verwirrte mich von Anfang an, denn er war unberechenbar und voller Widersprüche. Ich kannte ihn zwar schon, bevor er auf geheimnisvolle Weise verschwand, aber damals habe ich ihn nur als Klassenkameraden wahrgenommen, ohne mich für den Menschen zu interessieren. Jetzt ist es anders. Ich bewundere seinen Mut und seine Entschlossenheit und seine Art, ungezwungen und offen mit seinen Gefühlen umzugehen. Er sagt immer, was er denkt. Er ist ein Mensch ohne Scheu, ohne Berührungsängste. Sicher, er hat einen bisweilen schrägen Humor und kann einem ziemlich auf die Nerven fallen, aber er ist auch ein guter Freund und innerlich sehr viel stärker, als er zu sein scheint. Es ist wahr, Sy. Ich....ich liebe ihn. Deshalb bin ich so gegen dieses Duell der Titanen. Wenn er auch nur in einer der drei Prüfungen versagt, wird er nicht nur seinen kostbaren Schlüssel verlieren, sondern sein Leben! Das könnte ich....nicht ertragen!" Eine warme Hand sank auf seine Schulter. Er wandte den Kopf. „Hab Vertrauen zu Atticus, Bruderherz. Ich verstehe, dass du Angst um ihn hast, aber vergiss nicht, dass er ein ausgezeichneter Schwertkämpfer ist und einen klugen Kopf hat. Glaube an ihn. Er hofft auf deinen Beistand. Du bedeutest ihm viel." Zane zwang sich zu einem betrübten Lächeln. „Syrus?" „Ja?" „Danke." „Keine Ursache, Nii-san." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)