Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III von masamume ================================================================================ Kapitel 55: Kapitel 55 ---------------------- Kapitel 55 In Seth stieg ein merkwürdiges Gefühl hinauf. Es war ihm gestattet im Gefolge des Pharaos zum Stadttor zu reiten, um dort persönlich die libysche Königin willkommen zu heißen. Auch wenn er, so wie viele andere neben ihm, heute Abend sicher kein persönliches Wort mit ihr tauschen würden. Dies oblag vorerst allein dem Pharao und den hohen Männern. Seth bekleidete lediglich das Amt eines Jungpriesters und ritt in dieser Stellung recht weit hinten in der Karawane zwischen einigen anderen Priestern und schützend umringt von Soldaten. Auch bestand die Majestät darauf, ihn weiter aus den Regierungsgeschäften herauszuhalten, da er einfach noch zu unsicher auf dem höfischen Boden stand. Dennoch konnte er das Treiben beobachten und seinem Geliebten in stiller Nähe stärkende Gebete schenken. Der Pharao ritt vornan und führte sein Gefolge. Er war prächtig anzusehen in seinem milchweißen Gewand, geziert von feinstem Silber und Gold an Armen und Beinen. Um seine Schultern ein in Gold und blauen Edelsteinen schimmernder Kragen, geformt wie mächtige Falkenfedern. Auf seinem Haupt die schillernde, mächtige Flügelkrone als Symbol seiner Macht über ganz Ägypten. Ein herrlicher, wunderschöner König auf einem nachtschwarzen Hengst, dessen Atem in der kühlenden Abendluft bald Nebel zeichnete. Vor ihm nur zwei kräftige Soldaten hoch zu Ross, schützend vor ihn gestellt. Flankiert wurde der Pharao zu aller erst von seinem alten Hohepriester und dem Heeresführer, die Machthaber über Religion und Kampfkraft. Fatil selbst war im Palast verblieben, denn dort war sein Wirkungsplatz. Der Rest des Gefolges setzte sich zusammen aus ausgewählten Soldaten, welche nicht drohend, jedoch warnend offen ihre Waffen trugen. In ihrer hinteren Mitte hohe Priester, dazwischen versteckt der Geliebte des Königs. Erst am Ende ritten einige wenige Adlige und Minister, welche sich das Recht auf einen Platz im königlichen Gefolge erkämpft oder erkauft hatten. Seth kannte die wenigsten dieser Männer und scheute davor, sich auffällig umzudrehen, um sich ihre Gesichter einzuprägen. Erkannt hatte er jedoch in der nahen Leibgarde Penu und Faari, welche dem Pharao dicht angetraut waren und so auch Seth ein tröstendes Gefühl der vagen Sicherheit gaben. So zog dieses auffällige Gefolge von sicher hundert Mann aus dem Palast heraus, über die Hauptstraße an den Häusern der Reichen und Adligen vorbei bis sie die erste Mauer passierten und weiter die breite Straße gen Marktplatz verfolgten. Nun kamen sie an den besseren Hütten anderer Bürger vorbei, welcher immerhin noch wohlhabend genug waren, sich ein Leben innerhalb der Stadtmauern anzueignen. Die weniger wohlhabenden Bürger, meist Bauern, reisende Händler oder Vagabunden hausten außerhalb der Stadtmauern, wo derzeit auch die orientalische Armee quartierte. Dort angekommen waren neue Farben zu sehen. Dunkles Braun und Schwarztöne in Stoff und Leder gehalten, wenige Metalle, wenn nicht an erkennbaren Waffen. Rote Tücher und Bänder hellten die Uniformen der Soldaten und ihrer Tiere auf, Rot wie das Blut, welches die libysche Königin kriegerisch vergossen hatte. Es hieß, für jeden Hektar erobertes Land, trüge die Armee einen roten Stoff mehr. So schlich sich ein Gefühl des Respekts und der Bedrohung in die Herzen ein. Libyen war für seine blutigen Kriege, Folter und Kraft bekannt und stand dem Tschad nur wenig in Kampfesliebe nach. Der Besuch der Königin war weniger ein Besuch der Freundschaft als mehr eine Forderung an Ägypten. Vor Jahren bereits hatte der kämpferische Staat unter Führung des vorigen Königs die Grenzen unpassierbar gemacht und ließ weder Ägypter hinein noch Libyer heraus. Ras Lanuf zeigte sich wie ihre Vorväter wenig interessiert an Austausch von Wissenschaft, Kunst oder Religion. Ägyptische Werte besaßen für sie wenig Wichtigkeit. Ihr einziges Interesse galt Ländereien, Reichtümern und Menschenmaterial. Als Frau auf dem Thron war sie bekannt für ihre Rachsucht und ihren Blutdurst. Um sich zu beweisen, war sie grausamer als alle Könige vor ihr. Sie führte eine Herrschaft des Schreckens und der Gewalt im eigenen Reiche. Es hieß, sie habe eigenhändig ihren Bruder getötet, um einzige Thronerbin zu sein. Und es hieß, sie habe ihren eigenen Vater geputscht, um die Krone ihr Eigen zu nennen. Seth wusste aus seinen Lehren, dass sie eine gefährliche, unberechenbar Frau war. Und er betete zu Ägyptens Göttern, sie mögen ihren eigenen Sohn behüten und ihm die Macht geben, die Verhandlungen mit einem so kriegerischen Staat durch Erfolg zu besiegeln. Jedoch, dass der Pharao die Botschaften der Königin nicht beantwortet hatte, nicht beantworten konnte und die Tatsache, dass er lieber den König des Tschad als der Königin von Libyen um einen Empfang ersucht hatte, würde das Verhältnis dieser Tage sicher nicht eben entspannen. Nun brauchte Ägypten wahrlich keinen weichen Atemu, es brauchte einen bedachten und staatsmännischen Pharao, welcher sein Volk vor fremden Bedrohungen schützte. Im hinteren Teil des Gefolges spürte Seth heute erstmals, mehr denn jemals zuvor, welch wichtige Rolle ein einziger Mann für ein ganzes Reich bedeutete. Das hohe Gefolge stoppte und mutig ritt der Pharao, allein begleitet von zwei vermummten Soldaten die letzten Meter auf das prächtige Stadttor zu und stoppte seinen nervösen Hengst erst inmitten der zwei kunstvollen Obelisken. „Ägypten überbringt Libyen die friedliche Einladung nach Pe-Amun, unserer Hauptstadt und heißt die Abgesandten unseres Nachbarvolkes willkommen.“ Er sprach laut und deutlich, sodass seine herrische Stimme weithin hörbar klang. Vor sich sah auch er nur die schwer bewaffneten und mit roten Tüchern verzierten Soldaten der Armee. An den Rand gewichen, harrte die orientalische Armee, inmitten Ephrab und sein Bruder, welche es anscheinend nicht vermocht hatten, zur lybischen Königin durchzudringen. Denn beide schickten dem Pharao stechende Blicke und besonders Ephrabs Ausdruck zeigte verhaltenen Ärger und Missgunst gegenüber des königlichen Auftretens. Es ließ sich mutmaßen, dass die fremde Königin allein mit dem hier beheimateten König sprach und mit keinem geringeren. Es verstrichen einige Sekunden bis die Riege der dunklen Soldaten sich teilte und in der Mitte eine kleine Schneise freigab, auf welcher eine Frau herausritt. Unverkennbar die Herrin dieser Armee. Sie thronte auf einem schwarzen Dromedar, dessen Sattel und Zaumzeug in rot gefärbtem Leder und Goldapplikationen den Blick einnahm. Ihre Krone aus roten Federn, welche wie ein Vogelschwanz aufgereiht hinaufstanden, befestigt auf schwarzem Leder oder Zier. Stattlich war die Königin und von unheilvoller Präsenz. In der einen Hand trug sie einen langen Speer, in der anderen hielt sie die roten Zügel ihres Reittieres. Die Kleidung ihres Oberkörpers war knapp, eng anliegend aus dunkelbraunem Leder, welches ihre Weiblichkeit fast erdrückte und ihr auf den ersten Blick den Anschein eines schmalen Knaben gab, wäre nicht ihr prächtiger Kopfschmuck gewesen. Erst bei näherer Betrachtung glänzte ihre dunkle Haut eingeölt, zeigte prächtige Muskeln einer Kriegerin würdig. Ihr Beinkleid aus dunklem Stoff hingegen war lang und verdeckte den Blick auf mehr. Ihre Arme und ihre nackten Füße geziert von ledernen Armreifen. Blickfang jedoch waren ihre schwarz umschminkten Augen, welche sie fast ein wenig ägyptisch wirken ließ. Messerscharf betrachtete sie den Pharao, welcher in seinem strahlenden Weiß gegen sie wirkte wie die Mittagssonne am Nachthimmel. Mit eingetretener Ruhe in den Truppen, floss nun ein Knistern durch die Luft. Die Lage war in ihrer Anspannung leibesnah zu spüren. Das erste Gespräch würde prägend sein für die weiteren. Die prächtige Kriegerkönigin ritt ebenso mutig in die Mitte des Stadttores und erwiderte den Blick des Pharaos wortlos von ihrem hohen Tier aus. „Seid willkommen in Ägyptens Herzen, Königin Ras Lanuf von Libyen.“ Er sprach ruhig und kraftvoll. Friedlich klangen seine Worte und doch schwang eine Ahnung von Ermahnen in seiner Stimme. Sie war willkommen, jedoch nicht um jeden Preis. Und endlich antwortete sie ihm mit rauchiger Frauenstimme. „Ich grüße Euch, Pharao von Ägypten.“ Sie erwiderte seinen Blick und drehte ihr schwarzes Dromedar seitlich. Eine Geste, welche der Pharao zu lesen wissen musste. Sie hatte seinen Namen nicht genannt und somit war auszugehen, dass ihr die ägyptischen Bräuche durchaus geläufig waren. Doch musste der Pharao die libyschen Bräuche ebenso anerkennen. Es war schwer, ein fremdes Volk respektvoll zu behandeln ohne Unterwürfigkeit zu zeigen. Deshalb musste ein Pharao mehr auf seine Taten und Gesten achten als selbst ein Diplomat. Denn neigte er seinen Kopf so neigte er auch das Haupt ganz Ägyptens. „Ich will Euch einladen, Königin“ sprach er und ließ seinen Hengst einige Schritte rückwärts tun, was das kräftige Tier mit einem widerwilligen Schnaufen spenstig befolgte. „Euch und Euren ausgesuchten Mannen sei Eintritt angetragen nach unserer Hauptstadt. Wir empfangen Euch in Frieden und Gleichwertigkeit und freuen uns auf fruchtbaren Austausch beider Reiche.“ „Eine Kompanie von zweihundert Mann will ich führen“ sprach sie mit dunkler, ebener Stimme. Auch wenn es im fahlen Licht verschwomm, so hörte man ihr Alter heraus. Sie war sicher keine alte Frau, jedoch war es offensichtlich, dass der Pharao gegen sie noch sehr jung wirkte. „Und ich fordere Euch auf, unser Quartier mit der Hälfte an der Zahl Eurer Mannen zu umgeben. Zu meinem Schutz und als Zeichen Eures Willens.“ „Diesen Wunsch will ich Euch gern gewähren“ antwortete er ernst. Es war verständlich, dass die Königin eine doppelte Zahl an eigenen Soldaten mitführen wollte. Schließlich befand sie sich innerhalb fremder Stadtmauern und fürchtete um ihren Schutz. Fremder Boden bedeutete immer fremde Bedrohung. Doch der Pharao war dafür bekannt, auch mit wenig kämpfenden Männern viel zu erreichen. „Diese Fremden.“ Sie blickte zur Seite auf Ephrab und die andersartige Armee, welche ihr vielleicht unbekannt war. „Hundert Mann insgesamt. Egal ob Ägypter oder Reichsfremde.“ Dass eine fremde Armee vor den eigenen Toren zu Unstimmigkeiten führen musste, war dem Pharao sicher bewusst gewesen. Schließlich durfte es keine Missverständnisse um die Randbedingungen eines Regierungsbesuches geben und die Anwesenheit von unerwarteten Soldaten, rührten selbstverständlich an den Plänen der Königin. Hätte der Pharao früher ihre Botschaften empfangen und beantwortet, so gäbe es nun diesen anstrengenden Klärungsbedarf nicht. Als Zeichen des Friedens stieg der Pharao vom Rücken seines Pferdes ab und gab es an den nächststehenden Soldaten ab. Mutig, wo er doch ungeschützt vor der bewaffneten Königin stand. „Ägypten sieht Eurem Besuch mit friedvollen Augen entgegen“ sprach er und breitete seine Arme aus. „Ihr seht mich unbewaffnet. Und ich will Euch so friedvoll empfangen, wie Ihr mir entgegnet. Ich hoffe, Euer Unwohlsein und Euer Misstrauen mögen sich in Behaglichkeit und Brüderlichkeit wandeln. Ich heiße Euch willkommen in Pe-Amun und freue mich, Euch, der mächtigen Ras Lanuf, Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Ich sehe unseren Gesprächen erwartungsvoll und wohlgestimmt entgegen.“ Sie betrachtete ihn, verengte ihre misstrauischen Augen und bedachte seine Worte mit augenscheinlicher Missgunst. Dann jedoch besann sie sich der Situation und erwiderte seine friedvolle Geste. Auch sie schwang ein Bein herüber und ließ ihr mächtiges Tier in die Knie gehen, um elegant herabzusteigen. Ihre Fußsohlen berührten ägyptischen Boden und ihre stoffverhüllten Beine trugen sie zwischen die prächtigen Obelisken, um dem Pharao auf selber Höhe zu begegnen. Ihren spitzen Speer legte sie jedoch nicht ab und wusste, dass sie damit befriedete, wenn auch nicht geschwundene Kampfbereitschaft zeigte. „Ihr beantwortetet meine Botschaften nicht“ sprach sie mit ruhiger Stimme. „Auch meine Diplomaten verwieset ihr Eurer Mauern. Zudem finde ich hier eine fremde Armee zu Eurer Unterstützung vor, wovon Ihr ebenfalls nichts verlauten ließet. Wie erwartet Ihr, soll ich diese Gesten gegenüber Eurem offenem Willkommen deuten? Ihr seid Euch dieser Zwiedeutigkeit wohl bewusst.“ „Für die Säumnisse ägyptischer Diplomatie entbringe ich Euch meine Entschuldigung“ antwortete er mit offener Geste. „Schenkt mir Euer Ohr und so will ich Euch mein Wohlwollen offenbaren. Ihr wisst, ich bin kein Gegner Libyens und so habe ich keinen Grund, Euch missgünstig zu empfangen. Es ist mir ein Anliegen, Euch Ägyptens friedvollen Willen anzutragen. Euer Besuch ehrt und erfüllt mich mit freudiger Erregung. Und so lade ich Euch herzlich ein, meine prunkvolle Stadt zu sehen und ich selbst freue mich, von libyschen Erzählungen zu hören. Denn ich denke, unsere Völker haben sich viel zu geben an Wissenschaft und Kultur. Ägypten ist Freund des Austausches, nicht des Eroberns. Und wenn Ihr am Ende Eures Verbleibens unversehrt zu Eurem Volk zurückkehrt, so wünsche ich, möget Ihr ein Stück Ägypten im Herzen tragen. So wie ich wohlwollende Bande zu Libyen in meinem Herzen beleben will.“ „Eure Worte widersprechen Eurem bisherigen Handeln gegenüber meinen Mühen, Pharao“ erwiderte sie in undeutbarem Ton. „Doch will ich sehen, was wir einander anbieten können. Und lasset Euch gesagt sein, mich würdevoll zu behandeln. Ich bin keine Frau, sondern Herrin eines starken Volkes.“ „Ich denke, Ihr seid eine Frau, wie ich ein Mann bin“ antwortete er ernst und schenkte ihr einen starken Blick. „Doch will ich Euch begegnen wie ein Herrscher einer Herrscherin. Ich schätze Euch wie Ihr mich schätzt. In unseren Worten sprechen nicht wir, in unseren Worten sprechen unsere Götter und unsere Völker. So will ich mit Euch ganz Libyen begegnen.“ Sie hielt seinem Blick stand. Er zeigte sich mit Sanftmut und gelassener Kraft, sie mit Unmut, Misstrauen und Kriegsbereitschaft. Sie tat für gewöhnlich keine fremdländischen Besuche und empfing auch keine. Doch beide wussten, dass Ägypten und Libyen einer gemeinsamen Bedrohung gegenüberstanden. Der Tschad bedrohte nicht nur ägyptische, sondern auch libysche Grenzen. Wer sich in diesem Dreierspiel mit wem verbündete würde über das Schicksal dreier Völker entscheiden. Und beide wussten, wer gegen Tschad unterlag würde mehr verlieren als nur Land. Und aus diesem Grunde hatte Ras Lanuf nicht leichtfertig an ägyptische Tore geschlagen. „Meine Feldherren“ sprach sie dann kühl und hob die Hand zur rechten Seite. „Nairi und Daray.“ Sie stellte ihm zwei Männer vor. Der eine gut genährt und von Muskeln untersetzt, glänzende Kopfhaut mit roten Narben versehrt. Ein älterer Mann, welcher offenscheinlich viele Kämpfe gesehen und viele Wunden überlebt hatte, denn er trug diesen geschundenen Kopf voll Stolz, als seine gräulichen Augen zum Pharao herübersahen und er würdevoll seinen dunkelbraunen Umhang über die Schulter schlug. Der Mann neben ihm etwas jünger, sein Haar von einem Tuch verdeckt, jedoch seine drahtigen Arme von dunklen Zeichnungen geziert. Seine Kleidung saß locker an seinem langen Körper, seine Füße dicht in das Fell seines Dromedars geschlagen. Seine braunen Augen blickten wachsam und forschend auf den fremden König und nur mit einem kaum erkennbaren Nicken nahm er diese Vorstellung zur Kenntnis. Dies also waren die nennbar hohen Männer im Gefolge der Königin. „Ich heiße Euch willkommen, Nari und Daray, Feldherren Libyens“ erwiderte der Pharao und wies nun seinerseits zurück zu seinen Flanken. „Mein Feldherr Ranab zur Rechten. Mein Hohepriester Djiag Bes Anchnun zur Linken.“ „Es ist uns eine Ehre, Königin Ras Lanuf“ sprach Djiag und öffnete seine Hand ihr entgegen. „Möge Euer Besuch in Ägypten unter freundlichem Himmel Früchte tragen.“ „Wir werden sehen.“ Sie schien auf freundliche Worte wenig zu geben und wollte nach ihrem Reittier greifen, doch der Pharao kam ihr höflich zuvor. „Wenn Ihr erlaubt, Königin“ sprach er freundlich. „Ihr habt sicher eine beschwerliche Reise bewältigt. Es wäre mir eine Freude, Euch in meiner Sänfte tragen zu lassen und erste Bande mit Euch zu knüpfen.“ Er wies zur Seite, wo eben acht kräftige Männer eine reich mit bunten Malereien verzierte und mit weichen Stoffen ausgekleidete Sänfte herantrugen. Die kupferne Farbe glänzte in der untergehenden Sonne und verschmolz mit der gebräunten Haut ihrer Träger. Die purpurnen Vorhänge waren geöffnet und zeigten den komfortablen Innenraum, welcher neben weichen Polstern und schillernden Stoffen, auch pralle Früchte und gute Kelche für die Reisenden versprach. Eine Sänfte für zwei, für den Pharao und seinen Gast. „Ich trage keine Waffen an mir“ versprach der König erneut auf den prüfenden Blick der Königin hin. „Bitte lasst das Gefährt von Euren Soldaten in Augenschein nehmen und gewährt mir die Freude, Euch persönlich geleiten zu dürfen.“ Sie tat nur einen kurzen Wink und ohne Zögern lösten sich vier Männer aus den vorderen Reihen ihres Gefolges. Ungehindert gingen die Soldaten bis zu der königlichen Sänfte vor und untersuchten diese. Es war verständlich, dass die Königin sichergehen musste, nicht Opfer eines Attentats zu werden. Doch ebenso musste auch der Pharao geschützt werden und so wurden die libyschen Soldaten von ägyptischen Soldaten streng beobachtet, damit diese nicht unbemerkt selbst Waffen oder Gift dort hinterlegten. Auch wenn dieser Besuch oberflächlich friedlich ablief, so spürte man dennoch das Misstrauen, welches sich beide Völker entgegenbrachten. Es würde schwer werden für zwei Staaten, welche einander so fremd waren und kurz vor einem Krieg standen. „Majestät, erlaubt mir, mich Euch in der Zwischenzeit selbst vorzustellen.“ Ohne noch länger zu Zögern, trat Ephrab aus dem schützenden Kreise seiner Soldaten hervor und kam ebenfalls allein zu den beiden Königshäuptern. Er setzte ein Lächeln auf, welches ihn keiner bösen Absichten bezichtigen konnte. Beschwingten Schrittes näherte er sich und hielt dennoch die Arme beruhigend weit vom Körper ab, da schon ägyptische und libysche Soldaten mit den Schwertern zuckten. „Mein Name ist Ephrab Inasis Enkh. Mein Sultan Sebuk Tigin sandte mich her, um Euch als neutraler Vermittler zu unterstützen. Er ist schon lange ein Verehrer des mächtigen Libyens und bietet Euch deshalb seine Hilfe an im Konflikt mit dem Tschad.“ Dass dies eine Lüge war, konnte man seinem Gesicht wahrlich nicht ansehen. Er wirkte so ernst, so echt. Ephrab war ein geborener Lügner und nun suchte er sich seinen Platz in den Verhandlungen. Sich als neutraler Vermittler aus dem fernen Ausland zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig eine nicht unbeachtenswerte Militärpräsenz zu zeigen, eröffnete ihm durchaus Chancen, in die Gespräche mit einbezogen zu werden. Der Pharao wusste, dass Ephrab versuchen würde, Ras Lanuf für sich zu gewinnen, um Ägypten zu erobern. Doch Ras Lanuf wusste dies nicht. Dennoch war dies die größte Gefahr. Sollte Ephrab sich Libyens Unterstützung sichern können, so war dies Atemus Ende. Denn zwei feindliche Armeen im eigenen Lande und gleichzeitig einen kriegerischen König Sarh im Tschad zurückzuschlagen, konnte selbst ein mächtiges Reich wie Ägypten nicht schaffen. Dies war Ephrabs verdeckte Kampfesansage gegen den ägyptischen Pharao. Und die Unterstützung Libyens würde die Entscheidung bringen, wer in Zukunft über das Reich des Nils herrschen würde. „Verehrte Königin, die Unschicklichkeit Euch zu berühren, ist mir wohl bekannt“ sprach Ephrab mit samtener Stimme und lächelte sie an. „Dennoch möchte ich Euch ergeben bitten, mir Eure Hand zum Kusse zu reichen.“ „Der Name deines Sultans ist mir unbekannt“ antwortete sie, ohne auf seine Offerte einzugehen. „Dennoch werde ich mir gern anhören, was du zu sagen hast. Da deine Armee ungehindert vor ägyptischen Mauern lagert, sehe ich mich wohl der Tatsache gegenüber, dass der Pharao dich bereits als Unterhändler akzeptiert hat.“ Daraufhin blickte sie den Pharao sehr intensiv an, fordernd und forschend mit ihren blitzenden Augen. „Ich mag es nicht, vor beschlossene Bedingungen gestellt zu werden, Pharao, und ich erwarte eine Erklärung von Euch hierzu.“ „Welche ich Euch gern geben werde“ antwortete er. Erstaunen oder Schrecken oder gar Stutzen ließ er nicht erkennen. Auch wenn er diese Handlung Ephrabs nicht hatte absehen können, nahm er diese vorerst hin und ließ sich keiner Unkenntnis bezichtigen. Er wäre kein guter Pharao, wenn er sich so leicht von einem Putschisten ausstechen lassen würde. Also hatte er keine Wahl als die Herausforderung Ephrabs anzunehmen. Doch hierbei durfte er sich zu keinem Zeitpunkt Schwäche anmerken lassen. Denn Ras Lanuf war durchaus keine Freundin Ägyptens … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)