Inflagranti von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Michiru´s Ehre und andere "Kleinigkeiten"... ------------------------------------------------------- ------------------------------------------------------------ Energischen Schrittes verließ Haruka das Schulgebäude. Als sie über den Schulhof eilte, kam in ihr die Frage auf, warum sie überhaupt so sauer gewesen war. Gut, Michiru hatte ihr so ziemlich jede schlechte Eigenschaft zugeschrieben, welche nur möglich war und das auch noch in Elza´s Beisein, aber...im Grunde hatte sie ja nur die Wahrheit gesagt. Haruka wußte, daß sie ein absoluter Macho war, eingebildet und hochnäsig, von sich selbst eingenommen wegen allem, was sie bisher in ihrem jungen Leben erreicht hatte. Das sie die Mädchen benutzte und mit den Gefühlen der anderen Menschen spielte, aber dies hatte sie selbst nie gestört. Worte wie die, welche sie eben gehört hatte, waren ihr schon oft an den Kopf geworfen worden, doch waren sie immer an ihrer harten Schale abgeprallt. Haruka war, seit sie denken konnte ,immer so überzeugt von sich selbst gewesen, daß sie über solche Worte nur hatte müde lächeln können. Dieses Mal jedoch, hatten diese Worte wie ein Schwert ihre harte Schale durchbrochen und sich tief in ihr Herz gebohrt. Der Schmerz, welchen diese Tatsache verursachte war Haruka fremd. Ihre Schritte verlangsamten sich. Warum fühlte sie sich so mies? Warum mußte ihr Gewissen gerade bei Michiru ständig die Oberhand gewinnen? Dieser Frage erneut auf den Grund zu gehen, hatte Haruka in diesem Augenblick jedoch keine Zeit. Sie hatte gerade das große Eingangstor der Schule erreicht, als sie zwei Jungen entdeckte, welche sich angeregt unterhielten. Einen von beiden kannte sie. Es war Yagisawa Yutaka. Sie hatte vor kurzem mal indirekt etwas mit ihm zu tun gehabt... Die ersten Gesprächsfetzen, welche die hochgewachsene Blondine aufschnappte waren ´Michiru-chan` und ´Ten´ou-kun`. Sofort reagierte sie, sprang zurück und verbarg sich in Höhe der beiden Jungen auf der anderen Seite der Mauer. Interessiert lauschte sie dem Gespräch. "Und das soll ich dir glauben?", drang die eine Stimme an ihre Ohren. "Wenn ich es doch sage", hörte sie die Stimme von Yutaka, "Ten´ou-kun ist gar kein Junge. Sie hatte was mit der Freundin meiner Schwester." »Toll«, stöhnte Haruka innerlich, »Wenn einer von euch auch nur mal halb so viel Mann wäre wie ich, dann hättet ihr auf dem Sportplatz schon längst gesehen, daß ich kein Kerl bin!« "Und woher willst du wissen, daß sie nicht gelogen hat?" vernahm die Blondine wieder die erste Stimme. »Man! Jeder Idiot hat mittlerweile mitgekriegt, das ich weiblich bin«, verdrehte Haruka die Augen, doch bereits im nächsten Moment gingen eben selbige ihr über. "Ich war eben neugierig und hab sie in der Dusche beobachtet", vernahm sie Yutaka´s Antwort. »WAS?« Fast hätte sie laut geschrien. Sofort ballten ihre Hände sich zu Fäusten und ihr Blick verfinsterte sich. »Na warte, elender Milchbubi! Mich beim duschen zu beobachten. Das wirst du büßen...« "Sie ist auf jeden Fall ein Mädchen", sprach Yutaka weiter, "Und gar nichtmal so unansehnlich. Im Ernst - solche Dinger!" Vor ihrem geistigem Auge sah Haruka fast das Bild, wie dieser widerliche Typ vor seinem Kumpel stand und ihm mit den Händen deutete, wieviel Oberweite sie jeden Morgen aufs Neue ärgerte und ihr den letzten Nerv raubte mit dem Versuch, alles so gut wie möglich zu kaschieren. Und als sie das `wow´ des Anderen hörte, wäre es fast mit ihr durchgegangen. »Der hat bestimmt maßlos übertrieben«, dachte sie wütend, »Ist schließlich auch ´n Kerl - oder will zumindest mal einer werden... Nur Pech für ihn, daß ich ihn nach dieser Aktion leider töten muß...« Beim letzten Satz schlug sie mit der Faust in ihre Handfläche. "Und was hat Michiru-chan mit der zu tun?" fragte der Erste in diesem Moment, "Ich meine...sie ist so vornehm, so zart, so gut erzogen..." "Scheinbar will dieser Möchte-gern-Sunnyboy Ten´ou was von unserer Schulschönheit", fiel der `Totgeweihte´ ihm ins Wort. »Ja. Sie ficken!«, dachte Haruka sarkastisch, doch da wurde das belauschte Gespräch noch interessanter. "Michiru-chan und so ne Lesbe? Niemals! Sie kann jeden Jungen unserer Schule haben. Sie würde sich nie auf so einen Pseudo-Kerl einlassen", sagte der Erste im Brustton der Überzeugung. "Wenn du dich da mal nicht täuscht, Tamahome", konnte Haruka Yutaka `fast grinsen hören´, "Ich hab da was anderes läuten hören... Michiru-chan soll ganz angetan sein von dieser Ten´ou. Selbst Sensei Okudera sagt, sie wären unzertrennlich." "Yutaka", pustete Tamahome fast entsetzt, "Das glaubst du doch wohl selber nicht. Michiru-chan und eine Lesbe? Dafür ist sie viel zu anständig!" "Wenn ich es dir doch sage", versuchte Yutaka ihn zu überzeugen, "Michiru-chan hat was mit der. Und ich finde, das können wir keinesfalls hinnehmen..." Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton. "Und wie hast du dir das gedacht?" fragte Tamahome, "Sollen wir der Ten´ou eine Abreibung verpassen?" "Das kann noch warten", wehrte Yutaka ab, "Sie sollten eine Chance bekommen. Beide! Und demnach würde ich sagen, versuchen wir ersteinmal, unsere Schulschönheit zu bekehren. Wenn das nicht ausreicht, können wir der Ten´ou immernoch ein neues Gesicht verpassen." "Wie meinst du das? `Michiru-chan bekehren´ ?" fragte Tamahome leicht dümmlich. "Wie schon?" war die genervte Antwort, "Wir zeigen ihr nur, was sie alles verpasst..." Er lachte schadenfroh und sein Kumpel schloss sich ihm an. Letzterer jedoch verstummte sehr schnell wieder. Zuerst maß Yutaka dem keinerlei Bedeutung zu. Doch als Tamahome, auch nach wiederholtem, freundschaftlichem Anstoßen, sich nicht wieder seinem Lachen anschloss und stattdessen nur leicht shockiert in seine Richtung starrte, wurde auch dieser mißtrauisch. "Was ist? Was hast du?" fragte er, "Man. Keine Panik! Wir werden ihr nicht wehtun. Wir zeigen ihr nur, wie es ist, einen echten Kerl zwischen den Beinen zu haben..." Das Gesicht von Tamahome nahm immer ensetztere Züge an. Und bereits in der nächsten Sekunde wußte Yutaka auch warum. "Ach...und DU Witzfigur willst dieser `Kerl´ sein?" vernahm er eine tiefe Stimme in seinem Rücken. Als er erschrocken herumfuhr sah er genau in Haruka´s kalte Augen. "Ten´ou-kun", presste er überrascht hervor und man sah ihm an der Nasenspitze an, daß er nicht wußte, was er noch hätte sagen sollen. "Das hat sich ja wohl erledigt", entgegnete Haruka kühl, "Du hast doch gesehen, daß ich kein Junge bin!" Sie hielt sich die Hände in einigem Abstand vor die Brust um ihm so zu deuten, wie lange sie dem Gespräch der Beiden schon gefolgt war. Yutaka schluckte. Dann jedoch warf er alle Unsicherheit ab und sagte trocken: "Na und? Ich habe nur geredet und Michiru-chan nichts getan. Du hast für nichts Beweise. Was also willst du machen? Mich beim Direx anschwärtzen?" "Nein", lächelte Haruka überheblich, "Ich verpass dir ein neues Gesicht!" Und noch eher Yutaka irgendwie hätte reagieren können, hatte sein Nasenbein Bekanntschaft mit Haruka´s Faust gemacht. Blutend landete er am Boden. "Tickst du nicht mehr sauber?" fuhr er die Blondine an, "Glaubst du ernsthaft, ich würde mir die Finger an deiner kleinen Lesbenschlampe dreckig machen?" Sofort war Haruka über ihm, packte ihn am Kragen und zog ihn ein Stück vom Boden hoch. "Ich habe kein Problem damit, wenn du mich beleidigst", knurrte sie ihm entgegen, "Aber ich werde es nicht hinnehmen, daß du Michiru beleidigst!" "Oh. Die große Liebe", spottete Yutaka und sah zu seinem Kumpel, welcher etwas unschlüssig neben dieser Szenerie stand, "Die kleine Kampflesbe will unbedingt Michiru-chan´s Ehre verteidigen." In blinder Wut holte Haruka aus und schlug ihm mit der Faust voll ins Gesicht. Das sie sich dabei selbst verletzte, ignorierte sie und holte gleich erneut aus. Zum zuschlagen kam sie jedoch nicht mehr, da Tamahome nun seinerseits in der Schlägerei mitmischte und ihr einen harten Tritt in die Seite gegeben hatte. Unsanft wurde sie gegen die Schulmauer geschleudert. "Na? Gibst du auf?" fragte Yutaka, der mittlerweile wieder auf den Beinen war, "Gegen uns beide zusammen hast du keine Chance!" Haruka spieh neben sich auf den Boden und wischte sich das Blut von der Schlefe. Langsam erhob auch sie sich wieder und knurrte: "Das wird sich ja zeigen!" Yutaka lachte: "Sieht so aus, als würde unser Plan sich ändern, Tamahome. Verpassen wir diesem Mannsweib zuerst das neue Gesicht, bevor wir uns ihrer Liebsten widmen..." "Du Schwein!" schrie Haruka, sprang ihn direkt an und riss ihn zu Boden. Er hatte einige harte Schläge einzustecken, bevor Tamahome die tobende Blondine von ihm herunterziehen und sie mit einem Faustschlag zu Boden befördern konnte. Dennoch war Yutaka erstaunlich schnell wieder auf den Beinen und nun gingen sie gleichzeitig auf Haruka los. Einige Zeit konnte diese den Beiden durch geschicktes Ausweichen und gut gezielte Schläge stand halten, doch irgendwann erlahmten ihre Kräfte und sie wurde langsamer. Immer öfter traf einer der Beiden sie und als ein kräftiger Schlag sie in der Magengegend erwischte, ging sie angeschlagen vorn über. Ein harter Schlag mit dem Ellbogen in die Rippen und sie ging vollends zu Boden. Röchelnd und blutspuckend blieb sie liegen. "So", japste Yutaka, ebenfalls recht angeschlagen, "In Zukunft wirst du dir wohl zweimal überlegen, mit wem du dich anlegst..." Um seine Aussage zu unterstreichen, trat er Haruka nochmals in die Rippen. "Sofort aufhören!" erklang da eine helle Mädchenstimme. "Na sowas", murmelte Yutaka grinsend, als er schräg über seine Schulter blickte, "Da haben wir ja die andere Hälfte des Gespanns." Michiru hatte den Kampfplatz mittlerweile erreicht und Yutaka beiseite geschoben. "Haruka", rief sie geschockt aus und warf sich neben dieser auf die Knie. Vorsichtig bettete sie deren Kopf in ihrem Schoß und strich ihr die blutigen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Haruka stöhnte nur kurz auf. "Seit ihr vollkommen durchgeknallt?" schrie Michiru die beiden Jungen an, "Ihr müsst euch ja wahnsinnig stark vorkommen. Ein Mädchen derart zusammenzuschlagen und dann auch noch zu zweit! Ich werde euch Direktor Tomoe melden!" "Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun", grinste Yutaka böse. "Willst du mir Angst machen?" fuhr die Türkishaarige ihn an, "Vergiss es! Dr. Tomoe wird euch der Schule verweisen." "Michiru lass...", stöhnte Haruka leise, was ihr Michiru´s Aufmerksamkeit brachte. "Aber...wir können sie doch nicht einfach damit durchkommen lassen", war die junge Künstlerin entsetzt, "Sie haben dich zusammengeschlagen. Ich werde..." "Nichts wirst du", unterbrach Haruka sie bestimmt und richtete sich langsam etwas auf. Auf ihren rechten Arm gestützt sah sie zu Michiru auf und keuchte: "Ich habe angefangen." "Du...?" war Michiru fassungslos. "Ja sie", bestätigte Yutaka kalt. Dann lehnte er sich etwas zu Michiru hinunter und grinste: "Sie wollte deine Ehre verteidigen..." "Halt endlich dein Maul und verpiss dich!" zischte Haruka. Yutaka lachte nur und verschwand zusammen mit Tamahome. Michiru starrte Haruka nur ungläubig an. Diese kämpfte sich langsam auf die Beine und lehnte sich dann angeschlagen gegen die Mauer. Als ihr Blick auf Michiru traf, welche noch immer am Boden hockte lachte sie spöttisch. "Tja. Da hattest du wohl vorhin Recht. Bist du jetzt zufrieden? Ich habe meine Abreibung bekommen." Sie hustete und spuckte wieder Blut. Als sie erneut aufsah, stand Michiru direkt vor ihr und sah ihr genau in die Augen. Haruka war unsicher, was das nun zu bedeuten hatte, also reagierte sie, wie für sie üblich. "Was ist? Willst du mir jetzt noch unter die Nase reiben, wie erbärmlich ich bin, daß ich immer alles mit Gewalt regeln muß?" Ein kleines Lächeln huschte über Michiru´s Lippen und sie streichelte sanft Haruka´s leicht gefärbte Wange. Die Blondine blickte sie nur irritiert an. Und als Michiru ihr einen leichten Kuss auf die Lippen hauchte, war Haruka vollends verwirrt. Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte sie Michiru ratlos an. "Du Dummerchen", lächelte diese, "Wenn du dein kleines, hormongesteuertes Hirn mal ein bißchen häufiger aktivieren würdest, hätte das uns beiden eine Menge Ärger erspart!" Haruka verstand noch immer nicht. Michiru schüttelte den Kopf und verdrehte resignierend die Augen. "Na komm", grinste sie, "Stütz dich auf mich. Ich bring dich nach Hause." "Ich brauche keine Hilfe", mukierte sich Haruka, als Michiru nach ihrem Arm griff. Sie zog den Arm zurück und war im nächstem Moment erleichert, daß Michiru ihre Worte ignoriert hatte. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Oberkörper und hätte sie zu Fall gebracht, wenn Michiru sie nicht aufgefangen hätte. "Siehst du?" sagte diese tadelnd, "Und jetzt stell dich nicht so an und komm!" "Aber mein Auto...", versuchte die Blondine es nochmals, doch Michiru ließ sie gar nicht ausreden. "Das wird schon nicht wegfahren. Wir können es abholen lassen!" Haruka gab es auf. Im Grunde war sie auch irgendwie froh, daß Michiru ihr helfen wollte. Allein wäre sie wohl nichtmal bis zu ihrem Wagen gekommen. Geschweige denn nach Hause. "Wir haben es gleich geschafft", presste Michiru zwischen den Zähnen hervor. Es war ein ganzes Stück Arbeit gewesen, Haruka bis zum Wohnturm zu bringen. Auch wenn diese immer wieder verlauten ließ, daß Michiru dies nicht zu tun bräuchte und sie alleine klar käme, so war sie dennoch kaum in der Lage sich aus eigener Kraft aufrecht zu halten und hing ganz schön auf Michiru´s Schultern. Je weiter sie kamen, desto schwerer schien Haruka zu werden. Als sie endlich im Fahrstuhl standen, konnte auch die junge Künstlerin sich kaum noch auf den Beinen halten. "Wo hast du die Schlüssel?" wollte sie von der Blondine wissen. Ein wenig umständlich und mit sehr vorsichtigen Bewegungen beförderte Haruka mit der linken Hand ihren Schlüsselbund aus ihrer Hosentasche. Als Michiru danach greifen wollte zog Haruka zurück und knurrte: "Das schaff ich auch allein!" Die Künstlerin atmete tief ein und schüttelte resignierend den Kopf. Die Fahrstuhltür öffnete sich und Michiru schleppte Haruka die letzten Schritte bis zur Wohnungstür. "Bist du dir sicher, daß du das schaffst?" fragte sie leicht ungeduldig, als Haruka auch beim dritten Versuch das Schlüsselloch verfehlte. Diese drehte sich mit dem Gesicht zu Michiru und schaffte es trotz ihrer Schmerzen, ein arrogantes Grinsen auf ihre Lippen zu bringen. Sie waren sich ganz nahe, da Michiru Haruka noch immer stützte und so verstand die Türkishaarige die geflüsterten Worte sehr deutlich. "Wollen wir wetten...?" Selbstherrlich und auf gewisse Weise erotisch klangen diese Worte. Irgendwie auch herrausfordernd... Sie sahen sich tief in die Augen und gerade als Michiru sich fragte, was das Ganze nun sollte, hörte sie das Türschloß klicken. "Madame?" grinste Haruka und deutete mit der linken Hand auf die offene Wohnungstür. "Darauf bist du jetzt wohl sehr stolz, wie?" fragte Michiru spitz, "Ich will gar nicht wissen, wieviele Mädchen du schon vor dieser Tür geknutscht hast, daß du das Türschloß so viel zielsicherer triffst, wenn du nicht hinsiehst!" Haruka grinste nur frech. Dieses Grinsen jedoch verging ihr schnell wieder und wich einem schmerzverzerrtem Gesichtsausdrruck, als Michiru sie in die Wohnung schleifte. "Zuerst verfrachten wir dich mal auf die Couch", bestimmte Michiru, doch bereits bei den ersten Schritten ins Wohnzimmer, verwarf sie diese Idee wieder. "Wann hast du das letzte Mal aufgeräumt?" fragte Michiru, doch eine Antwort erwartete sie gar nicht. "Dann halt ins Bett", seufzte sie, "Wo ist das Schlafzimmer?" "Dahinten rechts", antwortete Haruka und blickte in besagte Richtung. Doch als Michiru die Tür mit dem Fuß aufstieß, näherte sie sich einem Nervenzusammenbruch. "Wofür hast du einen Kleiderschrank?" fragte sie und verdrehte die Augen nach einem Blick auf die Unzen von Wäschebergen, welche sich nicht nur auf dem Bett türmten. Sie machte wieder kehrt und brachte Haruka zurück ins Wohnzimmer. "Dann wirst du wohl sitzen müssen", sagte sie, während sie mit dem Fuß noch schnell ein paar Autozeitschriften von Sessel kickte. "Danke", stöhnte Haruka, als sie endlich saß, "Wenn du mir jetzt noch das Telefon reichst, dann kannst du danach gehen." Michiru sah sie an. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht", wetterte sie dann, "Ich werd dich ersteinmal notdürftig versorgen und einen Arzt rufen." "Ein Bekannter von mir ist Arzt", widersprach Haruka, "Und genau den wollte ich ja auch anrufen. Du siehst also - kein Grund noch mehr Zeit an mich zu verschwenden." "Erstens lässt du es mal meine Sorge sein, mit wem ich meine Zeit ´verschwende` oder nicht", sagte Michiru bestimmt, "Und zweitens werde ich nicht eher gehen, bis ich von einem Arzt gehört habe, daß du allein bleiben kannst. Und versuch erst gar nicht, zu widersprechen!" Den letzten Satz hatte sie nur noch hinzugefügt, da sie genau gesehen hatte, daß Haruka schon wieder Einwände erheben wollte. So aber schwieg diese und sah nur mißmutig zu, wie Michiru das Telefon von der Station nahm. Als die junge Künstlerin jedoch eine Nummer eingeben wollte, hielt Haruka sie zurück. "Du brauchst nur die Eins zu tippen. Die Nummer meines Bekannten ist da gespeichert." Michiru tat dies und hörte sogleich am anderen Ende das Freizeichen. Nach dem vierten Mal läuten meldete sich ein junger Mann. "Akita Mitamura", drang seine Stimme an Michiru´s Ohr. "Ja hier Kaioh Michiru. Ich bin Mitschülerin von Ten´ou Haruka. Sie..." Weiter kam Michiru nicht. Mitamura unterbrach sie. "Hat Haru sich mal wieder geprügelt? Was ist es denn diesmal? Eine gebrochene Nase?" Michiru stutzte kurz, dann sagte sie: "Wenn ich das wüßte, bräuchten wir keinen Arzt!" "Schon klar, Süße", lachte der Mann, "Sag Haru, daß ich auf dem Weg bin." "Ich bin nicht ihre...", doch auch dieses Mal kam Michiru nicht dazu, den Satz zu beenden. Mitamura hatte bereits aufgelegt. Fassungslos starrte sie den Hörer an und legte ihn schließlich kopfschüttelnd wieder auf die Station. "Ungehobelter Kerl", murmelte sie und wandt sich wieder an die Verletzte. "Wo ist das Bad? Ich hoffe doch, du hast einen Erstehilfekasten." "Natürlich nicht", brummte Haruka ironisch, "So wie Fische nicht schwimmen können. Selbstverständlich besitze ich einen Erstehilfekasten! Gegenüber vom Schlafzimmer." Sofort entschwand Michiru und kam gleich darauf mit dem gewünschten Objekt zurück. Noch ein weiteres Mal ging sie ins Bad, um eine Schale mit Wasser und ein Tuch zu holen. Dann begann sie vorsichtig, Haruka´s Wunden zu reinigen. Diese gab keinen Mucks von sich, obwohl Michiru sich sicher war, daß sie ihr einige Male ziemlich wehtat. Erst als Michiru alle Wunden am Kopf gesäubert hatte und mit den Worten `und jetzt zieh dein Hemd aus´ einen weiteren, blutigen Wattebausch wegwarf, zeigte die Blondine eine Regung. "Was soll ich?" fragte sie leicht erstaunt. "Schraub die Hormone zurück und zieh dein Hemd aus", grinste Michiru überheblich, "Ich muß nachsehen, ob du sonst noch irgendwo offene Wunden hast." "Ich hab keine offenen Wunden am Oberkörper", wehrte Haruka ab, "Dann wär das Hemd doch blutig!" Michiru´s Grinsen wurde amüsiert. "Seit wann schämst du dich?" "Ich schäme mich nicht", verteidigte die Blondine sich, "Warum sollte ich?" "Eben", bestätigte Michiru, "Ich habe dich bereits oben ohne gesehen. Also sei nicht so verklemmt und gib dein Hemd her!" Sie machte sich an Haruka´s Hemdknöpfen zu schaffen und diese machte rein gar nichts. Erst als Michiru beim dritten Knopf angelangte, hielt sie inne. Haruka´s Atemzüge waren tief und ungleichmäßig, was Michiru beim Blick auf das freigelegte Dekolltè bewußt wurde. Unsicher hob sie den Kopf und sah genau in Haruka´s blaugrüne Augen. Einen Moment lang verharrten die Beiden völlig regungslos, bis Michiru langsam Haruka´s Hemd losließ. Die Erotik ihres Handelns war nun wohl auch ihr aufgefallen. "Mach das besser selbst", lachte sie verlegen, "Ich hol mal grad schnell frisches Wasser." Haruka sah ihr nach, wie sie schnell ins Bad verschwand und lächelte amüsiert. »Aber ich bring sie immernoch durcheinander.« Sie öffnete die restlichen Knöpfe und zog langsam das Hemd aus. Lange brauchte sie nicht zu suchen, um die ersten blauen Flecken und Blutergüsse zu finden. »Der wird schön«, dachte sie bei einem Blick auf den linken Rippenbogen, wo ein Großteil ihrer Haut sich in sämtlichen Farben präsentierte. Als Michiru mit dem Wasser zurückkam und die Schüssel auf den Tisch gestellt hatte, sah sie die Blondine erschreckt an. "Das sieht ja böse aus", kommentierte sie den immer größer und farbenprächtiger werdenden Bluterguß auf Haruka´s linker Seite. Diese winkte nur ab und sagte: "Ich hatte schon schlimmere." "Lehn dich mal etwas nach vorne", bat Michiru und schritt links um Haruka herum. "Oh mein Gott", wisperte sie leise, "Das Ding ist riesengroß. Es geht über die gesammte Seite bis auf den Rücken..." "Das ist nur ein Bluterguß", spielte Haruka es runter, "In zwei Wochen sieht man nix mehr davon." Als Michiru soweit um den Sessel herumgeschritten war, daß Haruka sie über die rechte Schulter hin wieder ansehen konnte, blieb das türkishaarige Mädchen wie angewurzelt stehen und starrte auf Haruka´s rechte Schulter. "Gefällt es dir?" fragte die Blondine, als Michiru auch nach einigen, weiteren Sekunden fasziniert auf besagte Stelle schaute. "Ich wußte ja gar nicht...das du tätowiert bist...", flüsterte sie. "Wie auch?" lachte Haruka, "Bisher hast du mich ja auch immer nur von vorn nackt gesehen." Michiru jedoch reagierte gar nicht auf die kleine Neckerei und hob langsam die Hand. Vorsichtig strichen ihre Fingerspitzen über den geduckten Schneeleoparden, welcher aussah, als würde er seinen Betrachter jeden Moment anspringen. "Tat das nicht weh?" fragte Michiru. "Die Prügelei von heute tat mehr weh", gab Haruka zur Antwort. Das schien Michiru wieder auf den Boden zu holen. "Deine Verletzungen, genau...", sagte sie und trat vor Haruka. Diese lehnte sich zurück und genoß Michiru´s Blicke, welche über ihren nackten Oberkörper wanderten. Das türkishaarige Mädchen schluckte merklich und befeuchtete ihre Lippen. Schließlich drehte sie sich hektisch weg und sagte: "Offene Wunden hast du jedenfalls keine." Zu ihrem Glück ging in diesem Moment die Türklingel und so konnte Michiru vor Haruka verbergen, daß sie rot wurde. Hastig eilte sie zur Wohnungstür. "Das wird der Arzt sein", meinte sie und öffnete. Tatsächlich stand ein junger, schwarzhaariger Mann mit einer modernen Nickelbrille und Arzttasche vor der Tür. "Akita Mitamura. Angenehm", deutete er ein Nicken an und hielt Michiru die Hand entgegen. Kaum das diese sie ergriffen hatte, schritt Mitamura auch schon an ihr vorbei und fragte: "Wo ist der kleine Raufbold? Hat ihr Gegener wenigstens mehr abbekommen?" Michiru wollte etwas sagen, doch da war Mitamura schon im Wohnzimmer und hatte Haruka entdeckt. "Haru, altes Haus. Du hast aber auch schonmal besser ausgesehen", lachte er und sie erwiederte: "Danke. Das kann ich nur zurückgeben." Sie schloss sich seinem Lachen an. Michiru war total baff. Sie schloss die Tür, deren Klinke sie immernoch in der Hand hielt und ging dann langsam Richtung Wohnzimmer. Im Türrahmen blieb sie stehen. Mitamura untersuchte Haruka gerade und diese, alsauch der uminöse, junge Arzt schienen die Schlägerei und deren Folgen als etwas ganz Normales, wenn nicht gar Lustiges zu empfinden. "Wen hats denn diesmal erwischt?" fragte Mitamura, als er Haruka´s Rippen abtastete. Sie zog zischend Luft in ihre Lungen und sagte dann etwas schmerzlich: "Zwei Typen von meiner Schule. Die brauchten mal ne Abreibung!" "Wenn sie nur halb so viel wie du abbekommen haben, dann haben sie die ja gekriegt", war Mitamura amüsiert. "Das haben sie", bestätigte Haruka grinsend, "Besonders dieser Idiot von Yutaka." "Und womit haben die beiden Jungs sich diese Abreibung verdient?" wollte Mitamura wissen. Haruka sah auf und ihr Blick traf Michiru´s. Sofort verschwand das Grinsen aus ihrem Gesicht und sie zögerte mit der Antwort. Michiru blickte sie abwartend an. Schließlich riss Haruka sich von Michiru´s Augen los und sagte: "Er hat mich beim duschen beobachtet." "Was?" spielte Mitamura den Entsetzten, "Und der lebt noch?" "Blödmann", murrte Haruka, schloss sich aber gleich wieder dem Lachen des jungen Arztes an. "Ich mach mal das Bett fertig", zog Michiru kurz die Aufmerksamkeit der Beiden auf sich. Sie lächelte und verschwand Richtung Schlafzimmer, doch Haruka hatte den Eindruck, daß das sie irgendwie verärgert war. Michiru machte sich direkt daran, den Wäscheberg von Haruka´s Bett in das Bad schräg gegenüber zu schaffen. Als sie vorhin den Erstehilfekasten geholt hatte, hatte sie dort eine Waschmaschiene gesehen. Nachdem der Wäschewust vom Schlaf - ins Badezimmer umquartiert worden war, blieb Michiru am Fußend des Bettes stehen und sah sich um. Sie seufzte einmal tief und begann dann damit, auch die Kleidungsstücke vom Fußboden, dem Schreibtischstuhl und anderen Möbelstücken zu sammeln. Ob da nun saubere Kleidungsstücke bei waren oder nicht, beachtete Michiru dabei gar nicht und türmte alles fleißig vor der Waschmaschine auf. Schließlich hatten die Sachen ja auf dem Fußboden rumgelegen. Sehr schnell wuchs der Wäscheberg im Bad auf eine erschreckende Größe. Im Gegenzug dazu sah Haruka´s Schlafzimmer nun fast wohnlich aus. Bis auf die vielen Motorsportzeitschriften und eine zentimeterdicke Staubschicht auf sämtlichen Möbelstücken war Michiru recht zufrieden. Sie hatte gerade das Bett frisch aufgeschlagen, da kam Haruka auf Mitamura gestützt ins Schlafzimmer. "Schau mal du Raufbold", lachte der junge Arzt, "Dein Häschen hat für dich aufgeräumt." "Laber nicht so ´nen Stuss", knurrte Haruka, noch eher Michiru etwas sagen konnte. "Wieso?" blieb Mitamura weiterhin fröhlich, "Willst du mir etwa ernsthaft erzählen, daß du selbst aufgeräumt hast?" "Davon redet doch keiner", murrte Haruka, als sie endlich einigermaßen bequem im Bett platz gefunden hatte. Kurz sah sie zu Michiru rüber. Diese hatte die Arme vor der Brust verschrenkt und wartete grinsend auf das, was Haruka ihrem Bekannten nun sagen würde. "Sie ist nicht mein Häschen", sagte die Blondine schließlich, "Sie ist nur...", wieder sah sie kurz zu Michiru, "...eine gute Freundin..." Erleichtert sah Haruka, daß sie anscheinend das Richtige gesagt hatte, denn Michiru lächelte zufrieden. Es war irgendwie ein komisches Gefühl, diese Worte auszusprechen und dabei Michiru lächelnd am Fußende ihres Bettes stehen zu sehen. Eigentlich war Haruka sich sicher gewesen, daß die junge Künstlerin ihre Wohnung niemals betreten würde. Genauso sicher wie sie noch bis vor wenigen Stunden war, daß Michiru und sie niemals wieder auch nur ein freundliches Wort miteinander wechseln würden. "Soso", riss Mitamura sie da amüsiert aus ihren Gedanken, "Also `nur´ eine gute Freundin. Seit wann hast du denn sowas?" »Na toll! Muß der Blödmann ausgerechnet in ihrer Gegnwart davon anfangen?« dachte Haruka und suchte angestrengt nach einer passenden Antwort. Diese erübrigte sich aber im selben Augenblick, da Michiru nun das Reden übernahm. In der von ihr gewohnten, wohlerzogenen, liebenswerten Art schenkte sie Mitamura ein gewinnendes Lächeln und sagte: "Sie sagt die Wahrheit. Wir gehen in diesselbe Klasse und sind befreundet. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin weder ihr Häschen, noch die Süße irgendeines dahergelaufenen Sunnyboy - Doktors..." Sie grinste siegreich. "Sie hat dich voll erwischt", lachte Haruka ihren Bekannten an. "Das sehe ich genauso", meinte dieser, "Eine sehr schlagfertige, junge Dame." Auch er lachte wieder. Michiru schloss sich dem kurz an und verschwand danach Richtung Küche, um Tee zu kochen, wie sie sagte. Kaum das die junge Künstlerin verschwunden war, sah Mitamura Haruka an. "Sie ist eine Klassefrau. Wenn du klug bist, lässt du sie nicht wieder gehen!" Er zwinkerte ihr zu. Haruka ließ sich in die Kissen zurücksinken und sah an die Decke. "Dafür müßte ich sie erstmal haben, aber das habe ich nicht. Ich will es auch gar nicht!" "Und das soll ich dir glauben?" fragte Mitamura irritiert, "So eine Göttin und du willst sie nicht? Hat Tokyo dich weich gemacht?" "Ich will sie nicht", brauste die Blondine in dem Moment auf, "Muß ich mich durch sämtliche Betten vögeln, um Bestätigung von meinem Umfeld zu bekommen? Wenn das so ist, sollte ich besser meinen Bekanntenkreis wechseln!" Mitamura hob abwehrend die Hände. "Friedlich, friedlich!" bekundete er, "Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Du wirst schon wissen, was gut für dich ist." Er ging zur Tür und drehte sich nochmal um. "Mindestens vier Tage Bettruhe und danach langsam angehen lassen. Eine nette Krankenschwester hast du ja..." Haruka wollte gerade lospoltern, doch da verschwand er schon kichernd. Ein paar Sekunden später jedoch tauchte sein Kopf nochmals in der Tür auf und er lachte: "Ach übrigens...", er wartete, bis Haruka ihn ansah, "Die Kleine hat dich bereits fest in der Hand!" Noch ein freches Zwinkern und er war entgültig verschwunden. Sehr viel Auswahl was Türen anging, hatte Michiru nicht mehr. Und nachdem sie eine Abstellkammer geöffnet hatte, aus welcher ihr gleich sämtliches Zeug entgegenpurzelte, fand sie die Küche auch fast auf Anhieb. Kaum jedoch, daß sie eingetreten war, blieb sie wie angewurzelt stehen. Prüfend sah sie sich um und schließlich breitete sich ein amüsiertes Grinsen auf ihren Lippen aus. "Hätte ich mir denken können, daß die Küche der einzig saubere Raum in dieser Wohnung ist", murmelte sie, "Ich frag mich, ob der Herd jemals benutzt wurde..." Sie öffnete einige Schränke und hatte schließlich alles gefunden, was sie brauchte. Als sie den Wasserkocher angestellt hatte kam Mitamura in die Küche. Michiru sah ihn fragend an. "Ihr Nasenbein ist angebrochen", fing er gleich an zu erklären, "Sie hat einige Platzwunden am Kopf, aber keine Gehirnerschütterung. Einige Rippen sind geprellt und zwei Finger ihrer rechten Hand gebrochen. Ansonsten hat sie ein paar kleine Stauchungen, blaue Flecken und Blutergüsse. Wegen der Rippen sollte sie ein paar Tage liegenbleiben." Michiru nickte: "Ich kümmere mich um sie." Einen Moment lang standen beide ziemlich planlos in der Gegend herum, dann sagte Mitamura etwas verlegen: "Also...ich geh dann mal wieder. In ein paar Tagen werd ich nochmal nach ihr sehen." "Ist gut", erwiederte Michiru nur und widmete sich wieder dem Tee. Als sie einige Minuten später mit einem Tablett wieder das Schlafzimmer betrat, saß Haruka relativ aufrecht an die Kissen gelehnt im Bett und starrte aus dem Fenster. Obwohl sie Michiru auf jeden Fall gehört hatte, regte sie sich nicht. Erst als diese das kleine Tablett auf dem Nachttisch abstellte, kam von Haruka eine Reaktion. Weiterhin aus dem Fenster starrend sagte sie tonlos: "Du mußt das nicht tun. Geh nach Hause - ich komm allein klar." "So?" fragte Michiru etwas lauernd, "Ich denke ja eher, daß man dich keine zwei Minuten allein lassen kann - wie uns diese sinnlose Prügelei wohl deutlich gezeigt hat." Wütend fuhr Haruka herum, doch als sie in Michiru´s Augen blickte, wurde sie direkt wieder ruhig, fast ein wenig unsicher. "Sie war nicht sinnlos", murmelte die Blondine und drehte schnippisch den Kopf weg. "Schlägereien sind immer sinnlos", beharrte Michiru, "Du hättest die Beiden beim Direx melden können, dann hätten sie ihre Strafe schon bekommen." "Ach ja?" zickte Haruka, "Und was hätte ich Dr. Tomoe deiner Meinung nach sagen sollen? Das dieser Pimpf mich beim duschen beobachtet hat - was ich allerdings nur weiß, weil ich ihn belauscht habe??" "Natürlich nicht", lächelte Michiru. "Und was hätte ich sonst sagen sollen, Fräulein Neunmalklug?" fragte die Blondine gereizt. "Die Wahrheit", kam es unverblümt. Abermals wollte Haruka laut werden und erneut verschluckte sie wieder alles, als sie in Michiru´s Augen sah. "Eine andere Wahrheit gibt es nicht", sagte sie, sichtlich um Beherrschung bemüht, "Der Penner hat mich nackt gesehen und auch noch damit geprahlt. Das konnte ich nicht hinnehmen!" "Warum kannst du nicht ein einziges Mal zugeben, daß du etwas für einen anderen Menschen und nicht für dich selbst getan hast? Hast du etwa Angst, daß man dich dann für weniger stark und cool halten könnte?" Erschrocken zuckte Haruka zusammen, so erzürnt und bestimmt hatten diese Worte geklungen. Michiru stand mit vor der Brust verschrenkten Armen neben ihrem Bett und sah sie strafend an. "Und wenn es dir noch so wenig in den Kram passt", gab sie Haruka überhaupt keine Chance sich zu sammeln, "Jeder Mensch ist irgendwann einmal auf einen Anderen angewiesen. Niemand kann immer alles allein schaffen. Und jeder sehnt sich danach, nicht für immer allein zu sein. Auch ein noch so kaltes Herz blüht auf, wenn es Liebe erfährt!" "Albernes Weibergewäsch", winkte Haruka abfällig ab, "Liebe ist was für kleine Mädchen und Träumer. Im wahren Leben gibt es keinen Platz für Sentimentalitäten. Nur ein blöder Ausrutscher in die Gefühlswelt und du wirst von der Gesellschaft gnadenlos ausgeknockt!" "Das ist deine Meinung", bemerkte das türkishaarige Mädchen unbeeindruckt, "Ich jedenfalls drehe mich nicht weg, wenn ein anderer Mensch meine Hilfe benötigt. Du brauchst Hilfe und - ob es dir nun passt oder nicht - ich werde mich so lange um dich kümmern, bis dein ungehobelter Freund sagt, daß du wieder allein klarkommst!" "Aber ich will nicht..." "Keine Widerrede", flötete Michiru, während sie das Schlafzimmer verließ. "Die Frau schafft mich", stöhnte Haruka und ließ sich ins Bett zurückfallen. Ein schmerzlicher Aufschrei entwich ihr, denn ihre Rippen waren von dieser Aktion nicht so angetan. "Verdammte Scheiße", presste die Blondine gequält hervor, "Ich mach diesen Blödmann alle, wenn ich wieder die Alte bin." Unter ständigen, fast unterdrückten Schmerzlauten machte Haruka es sich so bequem als möglich und schloss die Augen. Schlafen war die beste Möglichkeit, diese verfluchte Bettruhe hinter sich zu bringen. Leise schloss Michiru die Schlafzimmertür wieder. Sie hatte Haruka´s Aufschrei gehört und war sofort zurückgeeilt. Diese jedoch war so beschäftigt mit Fluchen und Jammern, daß sie Michiru gar nicht bemerkte. Ein sanftes Lächeln huschte über die Lippen des Mädchens. »Sie ist gar nicht so hart wie sie immer tut. Im Grunde ist sie ein verängstigtes, kleines Kind...« Dieser Gedanke schien Michiru gleichermaßen komisch alsauch absurd. Haruka lebte bereits allein, betrieb Motor - und Hochleistungssport, hatte - für ein Mädchen ihres Alters - enorme, körperliche Kräfte und soetwas wie Angst vor dem Gegener kannte sie wohl auch nicht. Und dennoch war Michiru sich sicher, daß auch in Haruka ein sensibler, verletzlicher Mensch steckte, welcher sich nach einem Beschützer sehnte. Sie blickte nocheinmal nachdenklich auf die geschlossene Schlafzimmertür. »Vielleicht können wir ja jetzt doch noch Freundinnen werden...« Wieder ein Lächeln, dann machte sie sich an die Arbeit. Zuerst einmal mußte alles in die Wege geleitet werden für die nächsten Tage. Haruka konnte nicht allein bleiben, also mußte Michiru sich für ein paar Tage von der Schule beurlauben lassen. Da der offizielle Unterrichtsschluß des Tages erst vor knapp einer Stunde war, würde sie im Sekreteriat jetzt auch noch jemanden erreichen. Sie nahm das Telefon, setzte sich auf die Couch und wählte die Nummer. Sehr schnell nahm eine der Sekreterinnen ab und nach einem kurzen Wortwechsel wurde Michiru mit dem Büro des Direktors verbunden. "Miss Michiru", war Dr. Tomoe richtig erfreut, "Womit kann ich ihnen denn heute dienlich sein?" "Es tut mir leid, daß ich sie schon wieder um etwas bitten muß", entschuldigte sich Michiru, "Aber Ten´ou Haruka ist ziemlich krank und bedarf dringender Pflege. Da sie doch aber keine Verwandten oder ähnliches hat, wollte ich das übernehmen. Darum möchte ich um Beurlaubung bitten. Elza könnte mir ja jeden Tag das Lehrmaterial bringen. Dann könnte ich den Stoff auch gleich mit Miss Ten´ou zusammen durchgehen." "Sie sind so hilfbereit, Miss Michiru. Miss Haruka kann sich glücklich schätzen, hier gleich eine Freundin wie sie gefunden zu haben." "Danke", gab Michiru höflich zurück. "Miss Elza?" fragte Dr. Tomoe dann, "Ist das nicht eine dieser amerikanischen Austauschülerinnen? Ich werde anordnen, daß sie am Ende des Schultages immer die Unterrichtsunterlagen für sie und Miss Haruka im Lehrerzimmer ausgehändigt bekommt." "Das ist sehr freundlich", erwiederte Michiru, "Es wird wohl ein - bis zwei Wochen dauern, bis Miss Ten´ou wieder zum Unterricht kommen kann." "Geht in Ordnung", sagte Dr. Tomoe, "Melden sie sich bei mir, wenn sie Beide wieder am Unterricht teilnehmen." "Das werden wir machen. Nochmals vielen Dank", verabschiedete Michiru sich. "Richten sie Miss Ten´ou eine gute Besserung aus", hörte das Mädchen den Rektor noch sagen, dann war das Gespräch beendet. "So. Jetzt noch Elza anrufen und dann kann es losgehen", murmelte Michiru bei einem Blick auf das Wohnzimmerchaos. Nach dem Wählen tönte das Freizeichen am anderen Ende eine kleine Ewigkeit in Michiru´s Ohr und sie wollte gerade wieder auflegen, als eine völlig abgehetzte Elza sich meldete. "Ich bins - Michiru." "Michi", pustete die Läuferin gleich los, "Wo warst du denn aufeinmal? Deine Kunstlehrerin hat mir gesagt, daß du heute nicht in ihrem Unterricht warst. Ich hab mir schon richtige Sorgen gemacht!" "Beruhige dich", sagte Michiru eindringlich, "Nach diesem blöden Streit war mir nicht nach malen, also bin ich Heim gegangen. Das heißt - ich wollte es. Zwei Jungs aus einem höherem Jahrgang haben Haruka vor der Schule zusammengeschlagen und ich habe sie nach Haus gebracht..." "Sie wurde zusammengeschlagen?" unterbrach Elza sie geschockt, "Wie geht es ihr? Sie ist doch hoffentlich nicht schwer verletzt?" "Naja", meinte Michiru, "Sie hat einige Platzwunden, die Nase ist angebrochen und die Rippen sind geprellt. Ach...und zwei Finger sind gebrochen. Ansonsten Hat sie natürlich ein paar Blutergüsse und blaue Flecken." "Oh man!", stöhnte Elza, "Da wird sie ja ne Weile keinen Sport betreiben können. Was sagen die Ärtze dazu? Bist du noch mit ihr im Krankenhaus?" "Wir sind bei ihr zu Hause", erklärte die Türkishaarige, "Haruka´s Bekannter ist Arzt und hat sie versorgt. Leider ist sie für ein paar Tage ans Bett gefesselt und ich werde sie solange pflegen. Darum wollte ich dich bitten, die Tagesunterlagen für uns beide im Lehrerzimmer abzuholen und nach der Schule hier bei Haruka vorbei zu bringen." "Was???" rief Elza entsetzt aus, "Du willst die ganze Woche über bei Haruka bleiben? Aber...das geht doch nicht! Dann seid ihr ja ganz allein. Du kannst doch nicht einfach so bei ihr wohnen. Ihr seid...ich meine...sie ist..." "Ein siebzehnjähriges Mädchen mit ziemlich schmerzhaften Verletzungen", unterbrach Michiru sie bestimmt, "Ich werde mich um sie kümmern, solange es nötig ist. Dr. Tomoe weiß bescheid. Ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du das ab morgen für mich tun könntest. Und jetzt muß ich mich an die Arbeit machen. Tschühüß!" "Aber Michiru du..." Sprachlos blickte Elza den Hörer an, aus welchem nur noch ein langezogener Piepton zu hören war. Etwas verärgert legte sie den Hörer auf die Station zurück. "Einfach aufgelegt", murmelte sie, "Das soll noch einer verstehen. Zuerst macht sie ihr in aller Öffentlichkeit eine Szene und beschimpft sie aufs Härteste und dann zieht sie am selben Tag noch bei ihr ein. Dabei weiß sie genau, wie Haruka ist. Die wird ihr das mit schlechter Laune und blöden Anmachsprüchen danken!" Geschlagen schüttelte Elza den Kopf. Diese Beiden konnte einfach niemand verstehen. ------------------------------------------------------------- Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)