Fringe - eine chemische Analyse
Ich schaue derzeit interessiert Fringe, eine Serie aus der Mystery-SciFi-sparte von 2008. Die Serie ist eigentlich zu heftig für mich, weil dauernd irgendwer gefoltert wird und ich Folter nicht ertrage. Aber das Drumherum ist ausgesprochen gut gemacht. Wäre da nicht... ja, dem Fringeteam fehlte es an etwas. Nämlich an einem Chemiker! Ich meine damit nicht, dass das Labor bekloppt-dekorativ mit sinnlosen Sachen vollgestellt ist, die hübsch-bunt auszusehen haben, daran habe ich mich ja schon gewöhnt. Ich meine die wirklichen Fehler, die mich weinen lassen. Natürlich sind das Fehler, die nur Chemikern auffallen und du bist zu über 90% Wahrscheinlichkeit kein Chemiker. Warum solltest du das dann lesen, was ich nun schreibe? Weil ich mir Mühe geben werde, es für alle verständlich auszudrücken. Wenn ich das nicht schaffe, dann darfst du gerne in den Kommentaren darauf hinweisen :)
In Folge S2E14 hat Peter (Sohn) eine Kerze gefunden, die komisch riecht und in deren Find-Raum diverse Leute tot auf dem Boden rumliegen. Walter (Vater) schabt etwas Wachs ab, löst es wohl in irgendwas und sagt:
Walter: Bitte leg das ins Spektrometer.
Peter tut wie befohlen und steckt dieses durchsichtige Gebilde in dieses Gerät:
"Spektrometer" ist sehr allgemein gefasst, bis jetzt ist alles korrekt. Peter tut eine Küvette in ein Photometer.
Aber dann! Seht euch den Analysebildschirm an!
Ist das zu fassen? Ich meine gar nicht, dass sie Szene zu schnell geht. Photometer sind unglaublich fixe Geräte, du tust die Küvette rein, klappst den Deckel zu und das Ding spuckt dir sofort einen Wert aus. So wie "1.364". Ja, einen Zahlenwert. Es gibt auch advanced-Photometer, die einen Bereich an sichtbarem- bis UV-Licht abscannen und dir dann innerhalb ein paar Minuten eine Kurve zeigen. Aber beides sehen wir nicht auf diesem Bildschirm. Wir sehen Zacken (oben links), die von oben herab zeigen.So etwas kommt nicht aus einem Photometer. So etwas kommt aus einem Infrarotspektrometer. Und diese Geräte sind ganz anders zu bedienen und sehen anders aus.
1. Das Steinzeit Infrarotspektrometer hat für Flüssigkeiten Kochsalzplatten, zwischen denen die Flüssigkeit dünn aufgetragen wird. Aber als Reinstoff, nicht in Lösung so wie hier in der Szene! Wenn man eine feste Probe hat, muss man einen Keks draus pressen. Dafür kann man einen ganzen Nachmittag einplanen, die gehen nämlich eher kaputt, alsdass er sich messen lässt.
2. Das moderne Infrarotspektrometer (dieses Ding steckt dann in der blauen Klappe) hat einen Diamanten, auf den die Reinsubstanz, egal ob fest oder flüssig, aufgetragen wird. Man kann damit auch Gase messen.
Und das Programm zur Bearbeitung sieht in real leider auch nicht so fancy aus, sondern ziemlich... bescheiden. Aber damit will ich jetzt keinen nerven. Wie geht es weiter?
Peter: Hey, Walter. Komm her, sieh dir das an.
Walter: [...] Eine Variante von Blausäure.
Blausäure ist "HCN", merke dir das CN daraus, eine Kohlenstoff-Stickstoff-dreifachbindung C≡N.
Währenddessen rattern allerhand Aromaten über die Anzeige, wo "das Sechseckmolekül" zu sehen ist.
Ui, es wurde etwas gefunden! Aber es rattern immer noch so viele organische Moleküle über den Bildschirm (mega dekorativ und sinnlos!) und Peters Spektrum zeigt kein einziges Signal im Bereich von 2200 cm-1. Das sieht man jetzt vielleicht nicht auf diesem Bild, aber ich habe die Skalierung in groß angeguckt. Das Signal bei 2200 wäre die CN-Dreifachbindung. GANZ signifikant und unbedingt notwendig, wenn dieses Molekül beim Verbrennen in der Kerze Blausäure abspalten soll. CN muss also sowohl in dem Kerzenmolekül als auch in der Blausäure enthalten sein.
Das Infrarotspektrum im letzten Bild sieht ja noch ganz annehmbar aus, sogar fast echt. Die Kohlenstoffbande fehlt aber irgendwie auch. Aber das Spektrum im zweiten Bild sieht wirklich selbst gemalt aus mit Null Ahnung davon, wie ein IR-Spektrum ungefähr aussehen muss. Wollt ihr mal was anständiges sehen? Bidde:
So sieht ein IR-Spektrum aus! Gruseliger Fingerprint rechts, eine Bande in der Mitte, die auf etwas Tolles hinweist und das Kohlenstoffgerüst links. Wir brauchen auch im Kerzenmolekül ein Kohlenstoffgerüst. Damit sich das Kerzenmolekül in der Kerze unterbringen lässt und damit es beim Wachs schmelzen verdunstet und sich darauf in der Flamme verbrennen lässt.
Was man der Szene aber an dieser Stelle zu Gute halten muss: Walter nennt keinen Namen. Er sagt nur "Eine Variante von Blausäure", denn die entsprechende Gruppe sieht man im Spektrum (ungefähr genau da, wo bei mir die Si-H Bande ist, nur nicht so buckelig). Und wenn die CN-Gruppe da ist, kann die in der Kerze auch wieder durch Verbrennen freigesetzt werden. Das macht nicht jeder Stoff mit CN, aber es gab einen Haufen Tote, also können wir davon ausgehen, dass es klappen muss.
Und was ich auch gut finde: Die Kerze riecht nach Zimt, nicht nach Mandeln. Ich gehöre zu den Blausäurewahrnehmern und ich kann euch versichern: Blausäure riecht NICHT nach Marzipan. Kein Bisschen. Blausäure riecht stickig, muffig, alt, sauer und nach schimmeligen Büchern.
Ich habe noch einen zweiten totalen Chemiefail. Aber der ist so schlimm, dass ich das noch nicht in Worte fassen kann. Da will man einfach nur schreiend aus dem fenster stürzen. Es föngt schon damit an, wass Walter die Zahlen 3, 4 und 5 nicht voneinander unterscheiden kann und endet dann in der totalen Idiotie. Damit will ich jetzt aber nicht nerven.
Fazit: Photometer sind keine Infrarotspektrometer. Cyanidbanden (CN) sind notwenig, wenn Blausäure abgespalten werden muss. Und die Serie hätte in einen beratenden Chemiker investieren sollen.
Edit:
Ich brech ab! Ich kann nicht mehr! Da hat jemand ein SEEPFERDCHEN ins Molekülmodell gesteckt!
Und bei diesem großen Brei an Atomen kann es sich eigentlich nur um ein Protein handeln. Was sagt er stattdessen? "Es ist ein gemisch aus Chromtrioxid und Blausäure". Das geht nicht. Erst mal ist das zu klein für dieses Seepferdchenmolekül, dann wird das überhaupt nicht über die Kerze aktiviert und als Mischung kann man das auch nicht bezeichnen. Chromtrioxid ist ein langweiliger Feststoff und Blausäure ist ein Gas. Die können nicht miteinander. Was soll man dazu noch sagen? Selbst nach dem ersten Jahr Chemieunterricht hätte ichs besser gemacht.