Missionierung in Brasilien
Autor: Karopapier
Die Pirahã leben nahezu vollständig in der Gegenwart, weswegen Zukunftssorgen oder Reue über Vergangenes bei ihnen keine Rolle spielen. Auch ein Wort wie »Gott« kommt in ihrer Sprache gar nicht vor, und so können die Indianer herzlich wenig mit den Botschaften und Taten des Heilands anfangen. Dafür haben die Pirahã keine Angst vor dem Tod und kennen keinen Ärger mit dem Besitz.
Zu Beginn der Missionierungstätigkeit hörten sie dem Theologen noch neugierig zu, aber als sich herausstellte, daß Everett diesem Jesus noch nie persönlich begegnet ist, war der christlich-spirituelle Käse gebissen. Als er ihnen davon erzählte, wie wichtig Jesus für sein Leben sei, weil sich seine Stiefmutter umgebracht hat, er darauf auf die schiefe Bahn geriet, woraus ihn der christliche Glaube wieder errettete, brachen die Pirahã in Gelächter aus und meinten: »Ganz schön dumm von ihr. Ein Pirahã bringt sich nicht um.«
Everett wagte einen neuen Versuch, übersetzte das Markusevangelium und sprach es auf Tonband. Doch nur die Kinder wollten es hören, weil die Stelle, wo Johannes der Kopf abgeschnitten wird, so gruselig war. Ein wenig sauer wurden die Pirahã erst, als sich die Frauen des Stammes von unserem Heiland bedroht fühlten. Eines Tages nahm ein älterer Pirahã Everett zur Seite und eröffnete ihm, daß dieser Jesus letzte Nacht als Geist versucht habe, Sex mit ihren Frauen zu haben, die sich aber geweigert hätten, weil das Gemächt des Herrn über einen Meter maß.
Allmählich dämmerte dem Sprachwissenschaftler, daß die Indianer, die kein Gefühl der Sünde kennen, seinen naturtranszendenten Glauben zu Recht für puren Aberglauben nahmen und so missionierten ausgerechnet die, die selbst gar nicht auf die Idee kämen, zu missionieren, den christlichen Missionar."
Quelle:
Junge Welt