Zum Inhalt der Seite

Unerwartet

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Also, obwohl Kisho von „Keep calm“ hier auftaucht, ist das Setting davon losgelöst. Have fun! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das war eine Fußball-Serie, oder?😉 Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eins

„Entschuldigung, darf ich mal, sorry….“ keuchend kämpft sich Kisho durch den fremden Club. Die Musik dröhnt über seinem Kopf, der Raum ist vollgepackt mit Menschen, die er noch nie gesehen hat. Er ist noch nie hier gewesen, selbst der Stadtteil, in dem er liegt, ist ihm völlig fremd. Und ganz nebenbei: Das hier ist auch nicht die Art von Clubs, die er normalerweise aufsucht. Die Besucher hier gehören nicht zu seiner… sagen wir: Zielgruppe. Aber seine beste Freundin Yumi meinte heute, er brauche dringend mal eine Aufmunterung und als er entgegnete, er habe nach seiner jüngst gescheiterten Beziehung gerade keine Lust, neue Männer kennenzulernen, da hatte sie nur gelacht und ihm diesen Hetero-Club präsentiert. Hetero-Club. Kisho verzieht das Gesicht. War vielleicht doch keine so gute Idee gewesen. Irgendwie fühlt er sich wie ein Fremdkörper hier. Und Yumi war auch schon seit einigen Minuten nicht mehr zu sehen gewesen. Typisch Frau!
 

„Wieso? Ich bin jeden Samstag hier! Nenn es mein zweites Wohnzimmer.“ Viktor zwinkert der jungen Frau in Hotpants und überaus gewagten High Heels aufreizend zu. „Und wie kommt es, dass ich euch zwei Schönheiten hier heute zum ersten Mal sehe?“ Er wendet sich nicht minder aufreizend ihrer Freundin im Glitzertop und mit extrem langen falschen Wimpern zu.

„Hihihi“, kommt die Antwort nicht mehr ganz nüchtern, „Wenn wir gewusst hätten, dass wir den großen Viktor Uesugi hier antreffen, dann wären wir schon längst früher mal hier gewesen.“

Viktors Grinsen wird breiter. Er liebt seinen Ruf. Wo er hingeht, dort folgten die schönsten Frauen von selbst nach. Vielleicht sollte er den Clubbesitzer langsam davon überzeugen, ihn für sein Auftauchen zu bezahlen.

„Wir haben dich bei eurem letzten Spiel gesehen“, trällert die erste unbedarft fort, „Du bist so unglaublich geschickt im Tor. So schnell und so stark.“ Sie dreht sich etwas zu Seite und drückt ihr Push-Up-Oberteil nach vorn. „Bist du in anderen Bereichen auch so?“

„Ladies, mir kann keiner das Wasser reichen. Wen von euch beiden darf ich zuerst überzeugen?“

„Entschuldigung!“

RUMMS.
 

Kisho zuckt zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Mädchen neben ihm mit den spitzen High Heels einen Schritt rückwärts machen würde. Hastig stolpert er zur Seite, hebt geistesgegenwärtig sein Bierglas in die Höhe, um zu verhindern, dass sie ihre langen blonden Haare darin badet und kollidiert prompt mit einem breiten, harten Rücken.

RUMMS

„Heeee, was fällt dir ein?!“ Der breite Rücken dreht sich drohend zu ihm um. Kisho muss schlucken. Da tritt die Highheel-Besitzerin wieder nach hinten aus, trifft diesmal doch seinen Fuß, Kisho zuckt erneut zusammen und entleert die Hälfte seines Bierglases über der breiten, harten Brust vor ihm.

Shit.

„IIIIIEEEEEKS!“, hört er ein paar Mädchen im Hintergrund aufkreischen, doch Kisho kann sie nicht sehen. Sein Blick ist absolut gefesselt von einem überhaupt nicht amüsierten Gesichtsausdruck direkt vor ihm. Dabei weiß er gar nicht genau, ob er besser fasziniert oder verängstigt sein sollte. Er hatte bereits bei der ersten Kollision bemerkt, dass er da in keinen gewöhnlichen Rücken hineingerannt war. Gewöhnlicher Weise kitzelten einen keine langen Haarsträhnen in der Nase, wenn man mit Männern zusammenstieß. Aber der Anblick von vorne raubt ihm schlicht den Atem: Der Typ hat lange, schwarze Haare, die ihm gleichmäßig an den Seiten des etwas breiten, aber nicht unansehnlichen Gesichts über die Schultern fallen. Seine fast schwarzen Augen sehen ihn unter breiten, ebenfalls dunklen Augenbrauen hervor an. Vielleicht sollte er sich vor eben diesem Blick fürchten, Kisho kann aber gerade nicht anders als fasziniert zurückzustarren.
 

„Hast du sie noch alle?“, blafft Viktor erneut, als dieser unmögliche Kerl überhaupt keine Regung zeigt. Er spürt bereits, die kalte Flüssigkeit seinen Bauch hinunterlaufen, aber das ist ihm gerade egal. Was glaubt dieser Mensch eigentlich, wen er da vor sich hat? Doch irgendwie ist aus ihm keine Reaktion herauszubekommen. Abgestoßen mustert er seinen Gegenüber. Auch wenn er etwas geduckt steht, scheint er genauso groß zu sein wie er selbst. Von der Statur her athletisch, wenn auch nicht muskulös. Scheint also irgendwie Sportler zu sein. Das Gesicht etwas länglich, was aber auch seiner Frisur geschuldet sein kann, die an den Seiten kurz und auf dem Oberkopf länger und noch dazu hochgegelt sind. Unter schmalen Augenbrauen glotzen ihn zwei grüne Augen an. Viktor kann sich nicht helfen, irgendwie wirkt sein ganzes Gesicht eher feminin.

„Pass auf, dass du nicht gleich sabberst..“, spottet er. Der Kerl ist einfach nur peinlich. Ärgerlich, dass er sein Hemd versaut hat…, und natürlich seinen Eindruck bei den Mädchen hinter ihm, die er gerade so schön am Haken hatte.

„Das ist ja voll peinlich“, hört er sie jetzt hinter sich flüstern, „Was machen wir jetzt bloß?“

„Yuko, Aiko, hier seid ihr!“ ertönt plötzlich eine weitere weiblich Stimme, „Habt ihr schon gesehen, da hinten steht Mario Hongo. Er sieht so unglaublich cool aus, das müsst ihr gesehen haben!“ Und ehe Viktor sich versieht hat Freundin Nummer 3 die ersten beiden durch die Menge und außer Sichtweite gezerrt. Was für eine Blamage!

„Du siehst besser zu, dass du Land gewinnst!“, knurrt er, doch der Typ starrt ihn nur weiterhin paralysiert an. Kurz überdenkt Viktor seine Optionen: Er könnte dem Kerl eine Szene machen und ihn hochkant aus dem Club werfen. Das hätte allerdings zur Folge, dass er noch mehr Leute als sowieso schon auf den peinlichen Vorfall aufmerksam machen würde. Also knurrt er ihn noch einmal an, dreht sich um und verschwindet Richtung Toilette, um sein versautes Hemd wieder in Ordnung zu bringen.
 

Erst als der Typ sich umdreht, kommt wieder Leben in Kisho. Kurz schüttelt er sich. Verdammt, hatte er gestarrt? Yumi ermahnte ihn doch ständig nicht zu starren. Das kommt weder bei Männern noch bei Frauen gut an. Obwohl, wenn er es so recht bedenkt, dann ist das Starren wohl gerade sein kleinstes Problem. Was soll er jetzt tun? Sich heimlich verkrümeln? Dann würde er diesen heißen Typen wahrscheinlich nie wieder sehen. Hinterher und sich entschuldigen? Auch auf die Gefahr hin, dass er stockhetero sein und Kisho so oder so eine reinhauen würde? Er atmet tief durch, stellt sein halb leeres Bierglas bei der nächstbesten Gelegenheit ab und macht sich auf den Weg zu den Toiletten.
 

Als er vorsichtig die Tür aufstößt, betritt er eine andere Welt. Den Himmel um genau zu sein. Nicht nur, dass die Musik hier viel leiser ist und die Wände mit weißen Kacheln gefliest sind, was den Raum viel heller und freundlicher werden lässt, sondern weil er dort eine Erscheinung vorfindet. Der Typ hat sein Hemd ausgezogen, steht mit nacktem Oberkörper vor den Waschbecken und versucht den Fleck heraus zu waschen.

Kishos Mund wird augenblicklich trocken. Langsam lässt er seinen Blick über die wohldefinierten Muskeln gleiten. Starke Schultern, kräftige Bauchmuskeln. Über die rechte Schulter windet sich ein tätowierter Drache.

„Was starrst du schon wieder so?“, bekommt er an den Kopf geworfen, „Bist du schwul, oder was?“

Kisho schluckt. „Und wenn es so wäre?“

„Dann ziehst du besser doppelt so schnell Leine.“

Stockhetero. Hatte er doch gewusst.

Kurz erwägt er es tatsächlich, aber irgendetwas sagt ihm, dass er bleiben sollte. „Ähm ich…“

„Hn? Bist du immer noch da?“

Er sollte jetzt wirklich zum Punkt kommen.

„Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Wegen des Hemdes… und wegen der Mädchen.“

Sein Gegenüber grunzt nur. „Um die Hühner muss es dir nicht Leid tun“, murmelt er fast nicht hörbar.

Kisho horcht auf. Vielleicht doch nicht stockhetero?

„Dürfte ich dich auf einen Drink einladen?“, schaltet er schnell.

Der Typ hält inne und sieht ihn zum ersten Mal an. Er mustert ihn. „Immerhin bist du kein Feigling, wie es scheint.“

Kisho drückt automatisch den Rücken durch.

„Aber nicht hier“, brummt er, „die Drinks hier sind scheiße.“

Erstaunt hebt Kisho eine Augenbraue. Soll das eine Zusage sein?

„Lass uns nach nebenan gehen. Ich kann diesen Club nicht mehr sehen.“
 

———
 

„Jetzt stell dich nicht so an.“ Kisho rückt verzweifelt Viktors Arm fester um seine Schultern. „So viel hast du doch gar nicht getrunken.“

„Sagst du“, stöhnt es neben seinem Ohr, „Hast doch gar nicht drauf geachtet. Du hast mich die ganze Zeit über nur angestarrt, als wäre ich ein seltener Kanarienvogel.“

Kisho presst die Lippen aufeinander. Mist.

Es ist spät geworden. In der Bar neben dem Club haben sie sie letztendlich rausgefegt, weil sie schließen wollten. Viktor und er hatten ganz die Zeit vergessen, so gut hatten sie miteinander geredet und dabei einen Drink nach dem nächsten geleert. Sie hatten schnell über das Thema Sport zusammengefunden. Kisho hatte von seiner beendeten Karriere als Highschool-Baseballer erzählt und Viktor hatte stets mit seiner glänzenden Fußballkarriere dagegengehalten, die er auch jetzt im Studium weiter verfolgen wollte. Erst als sie aufgestanden sind, fiel ihm auf wie betrunken Viktor tatsächlich war und da er unfähig schien auch nur drei Schritte hintereinander zu setzen, hatte Kisho beschlossen, ihn nach Hause zu bringen. Nicht ganz uneigennützig, das gibt er ja insgeheim zu. Der Abend hatte seinen ersten Eindruck von diesem ‚komischen, langhaarigen Typen‘ nicht geschmälert. Im Gegenteil. Mit jeder Stunde fühlte er sich mehr zu ihm hingezogen. Viktor hatte sein Geständnis schwul zu sein mit einem Schulterzucken abgetan. Entweder hatte er es bereits geahnt, oder es machte ihm nichts aus. Andererseits hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens 3 Whiskey Cola intus gehabt. Ob er die Tragweite seiner Worte überhaupt begriffen hatte?

Vorsichtig späht er rüber zu seiner rechten Schulter. Viktor hat die Augen geschlossen und atmet angestrengt durch die halb geöffneten Lippen. Wie gebannt starrt Kisho darauf. Wie sie sich wohl anfühlen?

„Was?“, knurrt es plötzlich zwischen diesen Lippen hervor.

„Äh, nichts…, was soll sein?“

„Du bleibst stehen! Das ist los. Soll ich auf der Straße schlafen?“

„Du musst sagen, wo lang. Ich kenne mich hier überhaupt nicht aus.“

„Hn“ Unwillig hebt Viktor den Blick und schaut sich kurz um. „Nach links, da lang.“

Kisho nickt nur und biegt an der Kreuzung links ab.

„Wenn du dich hier überhaupt nicht auskennst, wie willst du dann eigentlich nach Hause kommen?“ ertönt es ein paar Minuten später zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch.

Der Alkohol scheint sich nur auf deine Beine auszuwirken, nicht auf den hübschen Kopf, denkt Kisho, hält diesen Gedanken aber lieber bei sich. „Weiß ich noch nicht“, stöhnt er, “darum mache ich mir Gedanken, wenn ich dich nach Hause gebracht habe.”

„Hm, hab ein Sofa. Meinetwegen kannst du da übernachten.“ Etwas wackelig deutet er auf die andere Straßenseite, wo sich ein größeres Apartmenthaus dunkel gegen den Nachthimmel erhebt.

„Nett von dir.“

Im Hauseingang stellt Kisho vorsichtig seine Fracht auf die Füße und sieht ihn erwartungsvoll an.

„Was willst du jetzt?“, fragt Viktor etwas unwirsch zurück.

„Den Schlüssel“, antwortet er so ruhig wie möglich.

„Ähm“, Viktors Blick wird leicht glasig als würde er in seinen Gedanken nach dem geheimnisvollen Verbleib dieses Gegenstandes suchen, dann hebt er strahlend den Kopf „Keine Ahnung!“

„Viktor“, seufzt Kisho, „das ist jetzt nicht dein Ernst!“

„Er muss in irgendeiner Tasche sein, schau gefälligst selber nach!“ Er zieht einen Flunsch wie ein kleines Kind.

Leicht entsetzt sieht Kisho ihn an. In seinen Taschen suchen? Heißt das er soll ihn mit seinen Händen absuchen? Vielleicht sogar in die Hosentaschen…? Unwillkürlich bricht ihm der kalte Schweiß aus. Er schickt ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich der Schlüssel gleich in der ersten Jackentasche befinden würde. Wenn nicht, könnte er für nichts garantieren. Zaghaft greift er nach der linken Tasche der Jacke, aber er kann bereits fühlen, dass sich darin nur seine Papiere und ein paar Münzen befinden. Er blickt zur anderen Seite, doch in dieser hält Viktor tief seine Hand vergraben. Er grinst schelmisch. Kisho seufzt. “Hand her“

Ohne ein Wort zu sagen, zieht Viktor die Hand heraus und öffnet sie demonstrativ. Sie ist leer.

„Du findest das lustig, was?“

„Hmh“

Kisho holt tief Luft. Er kann nicht verhindern, dass seine Finger zittern. Vorsichtig nähert er sich der rechten Tasche von Viktors Jeans. Eigentlich müsste der Schlüssel von außen spürbar sein.

„Na“, sagt Viktor plötzlich laut, „nur gucken, nicht anfassen.“

„Idiot“, keucht Kisho leise und zieht ihn mit einem Ruck zu sich heran. Kurz entschlossen greift er mit beiden Händen gleichzeitig in die Gesäßtaschen.

„Heeee“, protestiert der Durchsuchte, „nicht so grob!“

„Klappe!“ Verdammt. Nichts. Außer einem Schweißausbruch.

Viktor steht mit einem lauernden Gesichtsausdruck vor ihm und wartet.

Kisho fokussiert die letzte, verbliebene Tasche. Er greift an Viktors linke Hüfte, doch dieser dreht sich mit überraschender Schnelligkeit von ihm weg. „Willst du schon wieder?“

„Viktor?!“

Er erntet nur wieder ein Grinsen.

Jetzt verliert Kisho eindeutig die Geduld. Mit trainiertem Baseballergriff packt er den Torwart und zieht ihn zu sich heran. Während er ihn mit einem Arm fest umklammert hält, wühlt er mit der freien Hand in der Tasche herum.

„Kannst du dich nicht beherrschen?“, kommt es wieder aus dem immer noch grinsenden Mund.

Keuchend stößt Kisho den Betrunkenen von sich und präsentiert wie eine Trophäe den flachen, metallenen Gegenstand.

Viktor zieht wieder einen Flunsch.

Schnaubend steckt Kisho den Schlüssel ins Schloss und öffnet die Tür.

„Passt der auch in die Wohnungstür?“, fragt er flüsternd, als sie leise die Treppe hinaufsteigen, „Wehe dir, ich muss noch einen Schlüssel suchen.“

„Der passt“, brummt Viktor nur.

Das stimmt diesmal. Erleichtert öffnet Kisho auch die Wohnungstür. Viktor lässt sich sogleich im Flur gegen eine Wand fallen und rutscht langsam daran herunter. „Fühl dich ganz wie zuhause“, murmelt er und macht Anstalten die Augen zu schließen.

Kisho braucht einen Moment, um sich zu sammeln. Die ganze Wohnung riecht unverkennbar nach Viktor und das Wissen, dass sie jetzt hier beide alleine sind, benebelt ihm den Verstand.

Andererseits…. Er blickt auf den halb schlafenden Viktor, der inzwischen halb auf dem Fußboden liegt. Hier würde wohl nicht mehr viel passieren.

„Hee, komm, die letzten Meter schaffst du jetzt auch noch.“ Unsanft stupst er gegen Viktors Füße.

„Hn“

„Du bist echt schlimm!“ Er bückt sich und zieht ihm wie einem Kind die Schuhe aus. Dann zieht er ihn von der Wand weg und macht sich daran, ihn aus der Jacke zu schälen. „Außerdem solltest du endlich dieses Hemd ausziehen. Es ist immer noch ziemlich nass.“

Bei seinen Worten zucken Viktors Augenbrauen kurz in die Höhe. Mühsam öffnet er die Augen. „Mach du“, sagt er nur, als wäre es das normalste der Welt.

Kisho atmet tief durch, rutscht näher an ihn heran und macht sich daran die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Er hatte sich das irgendwie anders vorgestellt.

„Kisho?“, fragt Viktor plötzlich mit schwerer Zunge, „Du riechst so süß. Hast du irgendwas mit Pfirsich getrunken?“

Kishos Herz setzt einen Schlag aus.

Rasch schüttelt er den Kopf. „Nein ich hatte Cola mit Rum“, versucht er sich an einer sachlichen Klarstellung, obwohl es in seinem Innern gerade ganz anders aussieht.

„Hmmm“, nachdenklich legt Viktor den Kopf schief, „das kann nicht sein. Du riechst eindeutig nach Pfirsich… oder Erdbeer oder so etwas.“

Skeptisch beugt sich Kisho näher über seinen neuen Freund. Viktor hat die Augen geschlossen und so wagt er es, sich seinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter zu nähern.

„Glaub mir, ich hatte Cola mit Rum und davon einiges zu viel, aber ich hatte keine Pfirsiche und keine Erdbeeren oder sonstiges Obst. Du musst dich irren.“

„Hmm“, macht Viktor wieder und schlägt unvermittelt die Augen auf. Er scheint keinesfalls irritiert, Kisho so nah vor sich zu sehen. „Nein, ich bleibe dabei. Du riechst süß.“

Kishos Herz setzt bereits so lange aus, er muss unbestreitbar längst tot sein, doch stattdessen hört er sich sagen: “Überzeug dich selbst!“

Viktors Blick gleitet langsam von Kishos Augen über seine Nase hinunter zu seinem Mund. Instinktiv öffnet Kisho seine Lippen und wartet. Ein sehr langer Augenblick vergeht, in dem keiner der beiden sich rührt. Dann schnellt Viktors Kopf nach vorn und hascht nach seinen Lippen. Erschrocken weicht Kisho zurück, doch nur ein Stück. Erstaunt sieht er ihn an. Viktor grinst herausfordernd. „Selber Idiot“, flüstert er.

Mit einem Mal bricht sich die ganze Anspannung des Abends Bahn. Sollte er ihn schlagen, sollte er ihn rausschmeißen, aber diesen einen Kuss würde er sich holen. Kisho drängt sich nach vorn, umgreift das grinsende Gesicht mit beiden Händen und erobert seine Lippen, als würde sein Leben davon abhängen.

Zwei

Kisho spürt Viktors Körper unter sich zucken und sich winden, doch sein Mund weicht keinen Millimeter zurück, obwohl er es könnte. Trotz des schweren Kopfes, den er dem Rum zu verdanken hat, ist seine Aufmerksamkeit zum Zerreißen gespannt. Stößt er ihn von sich weg? Holt er aus, um gleich zuzuschlagen? Entgegen aller Erwartungen tut Viktor keines von beidem. Nur seine Hände wandern ziellos über Kishos Oberkörper, drücken mal dagegen, mal ziehen sie ihn wieder zu sich heran. Konnte es tatsächlich sein, dass er es mochte? Vorsichtig wagt Kisho den nächsten Schritt und dringt mit seiner Zunge suchend in Viktors Mundhöhle vor.

„Mhhhh mh mh“ Viktors Körper spannt sich plötzlich unangenehm an. „Das tut weh!“

Erschrocken lässt Kisho von ihm ab. „Was?!“

Zwischen schweren Lidern hervor deutet Viktor auf den Fußboden unter sich.

„Das ist hart“, mault er.

Kisho starrt ihn an. Wie? Einfach nur unbequem? Kein Kommentar zu den Küssen, zu den suchenden Händen, zur unverschämten Zunge?

„Das können wir ändern.“ Mit einem Ruck erhebt er sich und zieht Viktor auf die wackeligen Füße. Sein Kopf fällt dabei in Kishos Halsbeuge, wo er sofort anfängt an der zarten Haut zu saugen. Kisho unterdrückt ein Stöhnen. Gott, wo würde das enden? Gemeinsam taumeln sie zur Schlafzimmertür. Kisho muss sich nicht orientieren. Er kennt diese Art von Apartments. Es gibt sie mit identischem Grundriss überall in Japan. Kennt man eines, kennt man alle.

Ohne weitere Gegenwehr lässt Viktor sich auf sein Bett bugsieren. Kishos Herz klopft bis zum Hals. Sein Blick verschwimmt mehr und mehr. Er sieht nur noch den begehrten Körper unter sich liegen. Viktors schwarze Haare haben sich wild um seinen Kopf herum auf dem Laken verteilt. Das bereits offene Hemd gibt den Blick frei auf seine makellose weiße Haut, die sich über seine Bauchmuskeln spannt. Der tätowierte Drache lugt vorwitzig unter dem Hemdkragen hervor. Der Gürtel seiner Jeans wogt unter den leicht kreisenden Bewegungen seiner Hüften. Mit glasigen Augen blickt er Kisho abwartend an. Der Anblick jagt einen Schlag durch seine Eingeweide. Gott! Wie sollte er sich da zurückhalten?

Gierig greift er nach dem Gürtel. „Na komm, Drache!“
 

-X—X-
 

Kisho erwacht am nächsten Morgen von einer Bewegung neben sich, gefolgt von einem gequälten Stöhnen. Ein Schmunzeln huscht über sein Gesicht. Das würde einen ordentlichen Kater geben. Doch es erstirbt sogleich wieder: Langsam, als würde es ihn alle Kraft der Welt kosten, dreht Viktor sein Gesicht über das Kissen zu ihm. Sein Herz schlägt sofort heftig. Wie wird die Reaktion ausfallen? An wieviel erinnert er sich überhaupt? Kisho hält die Luft an. Aus halb zusammengekniffenen Augen, sieht sein Gegenüber ihn an. Kisho kann erkennen, wie es in diesem Kopf arbeitet. Kurz bevor er sich dazu entschließt, ein unbeschwertes „Guten Morgen“ zu sagen, platzt es aus Viktor heraus: „Raus!“

Kisho stockt der Atem. „Was?“

Augenblicklich sitzt Viktor aufrecht im Bett. Kisho blinzelt irritiert.

„Raus habe ich gesagt!“ Mit einem Ruck zieht er die Bettdecke an sich und hält sie sich schamhaft wie ein Mädchen vor die nackte Brust.

„Viktor…“, beginnt Kisho versöhnlich, doch dieser schüttelt nur heftig mit dem Kopf.

„Halt die Klappe, wir kennen uns nicht!“, schreit er mit einer überraschenden Energie. „Und das hier ist nie passiert! Verstanden!?“

Kisho presst die Lippen zusammen. Er hebt beschwichtigend die Hände vor sich und rutscht rückwärts aus dem Bett. Wie betäubt sucht er sich seine Sachen zusammen und streift sie über. Immer wieder sieht er dabei zu dem Mann, der letzte Nacht sein wohl bisher aufregendster Liebhaber gewesen war, doch dieser sitzt mit verschlossenem Gesichtsausdruck im Bett und beobachtet ihn wie einen Einbrecher.

„Und jetzt mach, dass du verschwindest!“, knurrt er und springt aus dem Bett. Er drängt Kisho zum Flur hinaus und kurz bevor er ihm die Tür vor der Nase zuschlägt, hört er ihn noch zischen: „Schwuchtel!“

Zwei (unzensiert)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Drei

DINGDONGDINGDONGDING…

Viktor steht vor der Haustür und atmet schwer. Wie ein Tiger fokussiert er das schlichte Holzfurnier vor sich. Der Einfachheit halber lässt er die Hand einfach auf dem Klingelknopf liegen.

DINGDONGDING…

„Ja, ja, ja, ich komme ja schon!“, ertönt es von der anderen Seite. „Was gibt e… oh…“ Kisho ist sichtlich überrascht. „Viktor…. Wa… Was machst du denn hier?“

„Können wir reden?“, presst der Besucher zwischen zwei bebenden Atemzügen aus sich heraus.

Kisho nickt. „Natürlich, komm rein.“ Mit einer einladenden Handbewegung öffnet er die Tür vollständig und deutet ihm an, hereinzukommen. „Meine Mitbewohnerin ist auch gerade nicht da.“

„Ah.“

Immer wieder zwinkert Kisho mit den Augen. So recht kann er die Erscheinung in seinem Flur noch nicht realisieren. Trotz seiner Sportlichkeit wirkt Viktor abgehetzt und außer Atem. Auf seiner Stirn haben sich kleine Schweißperlen gebildet. Kisho presst die Lippen aufeinander. Sein stoßweiser Atem weckt zu viele, zu deutliche Erinnerungen.

„Kann ich dir etwas anbieten?“, hört er sich sagen. „Wasser, Cola, Tee?“

„Nein“, kommt es keuchend von der Tür.

Kisho runzelt die Stirn. „Viktor? Geht es dir gut? Du bist doch nicht krank oder?“

„Ich… ich…“

Kisho hebt fragend eine Augenbraue: “Hm?“

„Ich hab mit Frauen geschlafen.“

Die zweite Augenbraue hebt sich hoch in die gerunzelte Stirn. „Äh..ja?“

„Drei!… Seit… seit… dem Wochenende“

„Viktor, heute ist Dienstag…“ Ihm entfährt ein Seufzer. Für ihn war es ganz offensichtlich kein Problem an weibliches Material zu kommen. Das hatte er am Samstag ja bereits gesehen.

„Es war… anders…“, stammelt sein unerwarteter Gast weiter.

„Ach…“

„Warum?“

„Ähh…“, Fragt er das im Ernst? „Weil… ich keine Frau bin?“, versucht er es mit einer einfachen Erklärung.

„Aber… warum?!“

„Warum ich keine Frau bin? Das… müsstest du meine Mutter fragen.“

„Nein!“, Viktor schüttelt heftig den Kopf, „Warum war es mit dir anders?“, empört deutet er mit dem Zeigefinger auf seinen Gegenüber.

„Nun ja, wahrscheinlich…“ Kisho verkneift sich mit aller Macht ein Grinsen, „… weil ich keine Frau bin.“

„Hör auf damit!“

„Womit? Ein Mann zu sein?“

„Hör auf!“, wiederholt Viktor beinahe schreiend, „Hör auf, ständig in meinem Kopf zu sein!“

„Bin ich das?“ Etwas amüsiert hebt er beide Hände in leichter Abwehrhaltung.

„Ja! Und du machst alles kaputt!“

Erneut blinzelt Kisho verständnislos. „Was mache ich kaputt?“

„Meine Vorstellung davon, wie es… wie Sex zu sein hat!“

„Äh“ Kishos Herz schlägt jetzt bis zum Hals. Nicht wieder all diese Erinnerungen, bitte. Seine Lippen zittern leicht. „Und… ist es jetzt besser oder schlechter als vorher?“, fragt er leise.

Viktor steht nah vor ihm, sein vorwurfsvolles Gesicht, die weit aufgerissenen Augen dicht vor seinem. Auch seine Lippen zittern. Er schluckt heftig bevor er eine Antwort herausbringt: „Besser“

Kishos Gesicht hellt sich auf. Sein Herz, das sich gerade eben kaum gewagt hat zu melden, pocht lautstark in seiner Brust.

„Hör auf!“, schreit Viktor in sein Gesicht. „Hör gefälligst auf damit!“

„Was… mache ich denn?“ Kishos Herzschlag ist schon wieder ganz still.

„Mit Allem, was du tust, machst du… machst du…“ Viktor ringt keuchend nach Luft. Kisho hält angespannt den Atem an.

„… du machst irgendwie…, dass ich mehr will…“

„Ich mache doch gar nichts!“

„Sei still!“, faucht Viktor, stemmt rechts und links von Kishos Kopf die Hände gegen die Wand und presst mit einem verzweifelten Stöhnen seine Lippen auf seinen Mund.
 

Viktors Gedanken rasen kreuz und quer durch seinen Kopf. Endlich spürt er wieder diese Lippen. Endlich schmeckt er wieder diese Zunge. Nichts war hiermit vergleichbar. Keines der Mädchen der letzten Tage hatte diese Sehnsucht in ihm stillen können. Mit keiner von ihnen war es auch nur annähernd so gewesen wie das hier. Warum? Warum machte ein Mann plötzlich, dass er Herzklopfen bekam wie ein pubertierender Mittelschüler? Das war doch nicht richtig. Er sollte das hier mit Frauen machen! Frauen, wie sie ihm reihenweise zu Füßen lagen. Er war nicht schwul. Nie hatte er sich in irgendeiner Weise zu Männern hingezogen gefühlt. Warum fühlt sich dann das hier so verdammt richtig an?

Ohne es richtig zu bemerken, gleiten Viktors Hände von der Wand hinunter zu Kishos Schultern. Während ihre Küsse langsamer und weicher werden, greifen seine Finger in das Poloshirt. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins spürt er Kishos kräftige Arme um seinen Rücken. Sie fühlen sich wunderbar warm an. Mit einem leichten Seufzen lässt er sich gegen die feste Brust ziehen. Die Berührung seiner Hände an seiner Seite jagt ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Viktor spürt Kishos Oberkörper hart unter seinem eigenen. Er strahlt eine anziehende Hitze aus. Instinktiv reibt er sich fester an dem Körper vor ihm. Er kann die Bewegungen von Kishos Bauchmuskeln unter dem Stoff seines Shirts fühlen. Die Hüften zucken leicht vor und zurück. Nur ganz vorsichtig streift Kisho mit seiner Jeans gegen seine. Genug, um nicht nur die seines Gegenübers sondern auch seine eigene Erektion deutlich zu bemerken. Entsetzt keuchend reißt Viktor seinen Kopf zurück und stolpert auf Armeslänge Abstand nach hinten. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er den regungslos da stehenden Mann an. Während er beschämt eine Hand vor den Mund hält, wandert sein Blick zögerlich den eben noch begehrten Körper hinunter. Als er die gespannte Hose seines Gegenübers streift, wendet er sich rasch schockiert ab.

Über Kishos Gesicht huscht ein wissendes Lächeln. Vorsichtig tritt er wieder einen Schritt auf Viktor zu.

„Ist es dir peinlich, wie ich auf dich reagiere?“, fragt er sanft.

Viktor schluckt schwer. Sein Blick fliegt verzweifelt hin und her.

Kisho tritt einen weiteren Schritt auf ihn zu und drückt nun seinerseits Viktor mit dem Rücken gegen die Wand. Erneut lehnt er sich gegen ihn und lässt ihre beiden Körper sich auf ganzer Länge berühren. Viktor zuckt zusammen, doch Kisho lässt sich nichts anmerken.

„Oder ist es dir unangenehm, wie du auf mich reagierst?“, haucht er dicht vor seinen Lippen.

„Ich… ich…“

Kisho spürt das Beben, das Viktors gesamten Körper durchfährt, als er den Druck gegen seinen Unterleib verstärkt.

„Bitte…“, flüstert er mit flackernden Augen.

Kisho hält kurz inne, ohne jedoch den Druck auf Viktors Körper zu ändern. „Bitte was?“

Viktor streckt leicht das Kinn vor und schließt die Augen. „Bitte mehr“, haucht er und stürzt sich wieder auf Kishos weiche Lippen.
 

X-X-X
 

„Darf ich noch hier bleiben?“, fragt er leise als er sich dicht neben Kisho in die Kissen sinken lässt.

„Natürlich“, kommt leicht lachend die Antwort, „ich schmeiße dich nicht raus.“

Viktor schließt verschämt die Augen. „Tut mir Leid, wegen neulich…“

„Schon gut. Kann dich irgendwie verstehen. Warst wohl sehr durcheinander, was?“ Kisho stützt sich auf einen Arm auf und sieht seinen Liebhaber neugierig an. „Aber sag mal, woher wusstest du eigentlich, wo ich wohne?“

Ein kurzes Schmunzeln huscht über Viktors Gesicht: „Yumi.“

„Yumi?“

„Hm“

Kisho verdreht stöhnend die Augen. „Weiberheld!“

Drei (unzensiert)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Vier

Mit einem erleichterten Aufatmen erreicht Kisho den Fußballplatz. Die meisten Zuschauer sind bereits da, einige sogar mit Fahnen und Fächern, auf denen die Namen der Mannschaften stehen. Er blickt einmal in die Runde und macht vor Schreck fast einen Satz zurück.

„Hey-Hey-Kickers vor! Ran an die Teufel, schießt ein Tor!“

Mit vollem Elan wirft sich eine Horde schrill bunt gekleideter Mädchen in ihre Choreografie. Wobei, bekleidet sind sie eigentlich kaum. Die knappen Oberteile und Röcke müssten Kishos Meinung nach die Spieler eher ablenken als anfeuern. Es sei denn, sie würden beabsichtigen, dass sie vor ihnen davonlaufen.

„Mario!- Mario! - Keiner ist so gut wie unser Ma-ri-o! Mario!!! Sieh einmal zu uns! IIIIIIIeeeks!!! Mario, du bist der Beste!“

Ein kalter Schauer läuft über Kishos Rücken. Wie sollte er das Spiel in dieser Gesellschaft auch nur halbwegs überstehen?

Kurzentschlossen wendet er sich an zwei weitere Mädchen, die ruhig und entspannt links von ihm im Gras sitzen.

„Entschuldigt bitte. Stört es euch wenn ich mich zu euch setze?“

Er erntet erstaunte Blicke. Ein kurzes Lächeln huscht über sein Gesicht. Wenn er so verdammt langweilig hetero wäre, wie einige seiner Kumpels, würde er sich zu seinem Glück beglückwünschen. Die beiden sind einfach nur hübsch. Nicht so aufgebrezelt wie die Hupfdohlen zu seiner Rechten, sondern einfach nur hübsch auf eine natürliche Art und Weise. Die eine trägt einen etwas frechen Pferdeschwanz, dazu Jeans und T-Shirt, die andere ein eine Spur zu braves Sommerkleid und ein scheues Lächeln im Gesicht.

„Ich möchte nur den Abstand zu denen dort“, er macht eine vielsagende Geste auf seine andere Seite, „möglichst groß halten.“

Der jungen Frau mit dem Pferdeschwanz entfährt ein Prusten, dann nickt sie aber gleich darauf. „Natürlich, wir geben dir gerne Asyl.“

„Danke“ Mit einem erleichterten Stoßseufzer lässt Kisho sich neben sie in Gras sinken. Wieder lässt er seinen Blick über das Spielfeld streifen. Noch ist es leer. Die Spieler stehen jeweils an ihrer Bank, die sich direkt vor den Zuschauern befindet, und stecken die Köpfe zusammen. Unübersehbar ragt die schwarze Kappe aus dem roten Pulk. Kishos Inneres zieht sich kribbelnd zusammen.

„Du darfst aber nicht glauben, dass du bei uns ein ruhiges Spiel erleben wirst“, lacht das Mädchen mit dem Pferdeschwanz neben ihm.

Die zweite kichert verstohlen hinter einer Hand.

„Oha, sagt bloß ihr seid schlimmer als die dort?“ witzelt Kisho und setzt ein flirtendes Lachen auf. So richtig kann er sich das nicht vorstellen.

„Das nicht“, kichert die brave wieder, „aber wir… nun ja, unter diesen Spielern sind sowohl unsere Freunde, als auch unsere Brüder.“

Freunde? Freunde-Freunde? Kishos Herz rutscht ihm eine Etage tiefer. Etwa von…?

„Ja, genau“ stimmt die mit dem Pferdeschwanz zu, „wir werden sie also teilweise lauter anfeuern als die Hühner dort drüben.“

„Aha….“, kommentiert Kisho zögerlich, „und wer…. sind die glücklichen, wenn ich fragen darf?“ Innerlich betet er, dass sie ihm die falsche Antwort geben würden.

„Also ich“, beginnt die schüchterne und deutet mit dem Zeigefinger von einem Spielerpulk zum anderen, „bin die Schwester von dem da und die Freundin von dem da.“

Ihre Freundin nickt eifrig: „Und ihr Freund ist mein Bruder und sein Torwart ist wiederum mein Freund.“

Kisho zuckt bei dem Wort „Torwart“ zusammen, registriert aber gleichzeitig erleichtert, dass sie dabei auf den Pulk mit den Spielern im weißen Trikot deutet. Falscher Torwart, Glück gehabt.

„Gut…“ Kisho legt nachdenklich eine Hand ans Kinn. „Aber so richtig konnte ich euch jetzt nicht folgen. Wer ist jetzt dein Bruder und wer dein Freund?“ Er stellt die Frage an beide Mädchen und eigentlich ist sie nur höflich gemeint, denn sein Blick liegt schon wieder auf dem roten Rücken mit der großen, weißen 1 darauf.

„Hihi, pass auf“, ertönt es da kichernd neben ihm. Und plötzlich ertönt ihre glockenhelle Stimme laut über seinen Kopf hinweg: „Gregor, viel Glück!“

Aus dem Pulk der weißen Trikots löst sich ein schwarzer, verwuschelter Haarschopf, blickt auf, strahlt und hebt einen Arm zum Gruß.

„Das wird er auch brauchen, Schwesterchen!“ meldet sich postwendend eine tiefe Stimme aus dem anderem Pulk.

Kisho zuckt zusammen. Der rote Rücken mit der weißen 1 hat sich umgedreht und sein Besitzer schaut für einen kurzen Moment leicht empört zu ihnen hinauf. Kisho durchfährt beim Anblick dieser schwarzen Augen ein Ruck. Er spürt seinen Herzschlag bis unter den Haaransatz.

Doch nicht nur er ist von dem plötzlichen Anblick überrascht. Viktors Mund steht für eine Sekunde erstaunt offen. Sichtlich überrascht starrt er auf die kleine Gruppe unter den Zuschauern. Dann greift ihm einer seiner Mannschaftskameraden am Arm und zieht ihn zurück in den roten Pulk.

„Hihi, siehst du?“ meldet sich die glockenhelle Stimme wieder neben ihm, „So geht das bei uns die ganze Zeit.“
 

Das Spiel beginnt und Kisho muss schnell feststellen, dass die Mädchen neben ihm nicht untertrieben haben. Sobald sich auch nur ein Stürmer im roten Trikot dem gegnerischen Tor nähert, wird der Keeper der Kickers ordentlich angefeuert. Dabei übertönt die burschikose Elsa schon mal die quiekenden Hupfdohlen zu Kishos rechten. Läuft dagegen der flinke Stürmer der Kickers auf das Tor der Teufel zu, erwacht die schüchterne Conny zum Leben, springt auf und jubelt ihrem Freund zu, dass Kisho die Ohren klingeln.

Das Spiel ist spannend, soweit er das beurteilen kann, denn eigentlich gibt es kaum einen Moment, an dem er seinen Blick von dem Torwart im schwarz-roten Trikot abwenden kann. Nur die plötzlichen Ausrufe der Mädchen lassen ihn seinen Kopf von Zeit zu Zeit herumreißen.

Doch als nach 20 Minuten das zweite Tor gegen die Teufel fällt, bleiben die beiden erstaunlich ruhig.

„Verstehst du, was mit Viktor los ist?“, fragt Elsa beinahe besorgt ihre Freundin. „Er spielt doch sonst nicht so schlecht.“

Conny presst die Lippen aufeinander und schüttelt zögerlich den Kopf. „Ich weiß auch nicht. Irgendwas ist nicht in Ordnung.“ Mit gerunzelter Stirn sieht sie zu ihrem Bruder hinunter, der in diesem Moment beinahe beschämt zum wiederholten Male zu ihnen hinauf blickt.

Kisho rutscht etwas unbehaglich auf seinem Platz hin und her. „Was meint ihr?“, wendet er sich an die beiden. „Ich finde diesen Stürmer unheimlich stark. Die Bälle sind nicht einfach zu halten“, versucht er Viktor in Schutz zu nehmen.

Aber Conny schüttelt entschieden ihre braunen Locken. „Gregor ist stark, das stimmt, aber mein Bruder ist ebenfalls stark. Normalerweise hält er diese Bälle ohne Probleme. Doch heute stimmt irgendwas nicht. Er ist überhaupt nicht wiederzuerkennen.“ Nachdenklich legt sie einen Finger ans Kinn. Kisho muss kurz schmunzeln. Die Geste liegt wohl in der Familie.

„Außerdem schaut er ständig zu uns herüber“, bemerkt Elsa nun, „Conny, habt ihr euch etwa vor dem Spiel gestritten?“

Langsam dämmert es Kisho. Es ist wahr, Viktor sieht sehr oft zu ihnen hinauf, wahrscheinlich öfter als es für das Spiel gut wäre.

„Nein, ich habe heute noch gar nicht mit ihm gesprochen.“

In diesem Moment schießt der Kickersspieler mit der Nummer 7 einen abgelenkten Ball auf das Tor der Teufel zu. Kisho knirscht mit den Zähnen. Selbst ohne ausgewiesener Fußballkenner zu sein, kann er erkennen, dass Viktor viel zu spät reagiert. Es ist nur sein Glück, dass der Ball um Armeslänge am Tor vorbeifliegt. Es vergeht keine Sekunde, da wendet Viktor seinen Blick wieder auf ihr Dreiergrüppchen im Publikum. Kishos Herz sinkt.

„Ich glaube, ich gehe besser“, murmelt er. Bevor die Mädchen ihn aufhalten können, erhebt er sich und verlässt rasch die Zuschauerränge. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er nicht hergekommen wäre.
 

Etwas abseits des Spielfeldes findet er eine Bank, die im Halbschatten einiger großgewachsener Bäume steht, und setzt sich. Hin und wieder dringen Jubel und Rufe des Publikums zu ihm herüber, aber sonst ist es hier verlassen und still. Seufzend lässt er seinen Kopf in den Nacken fallen. Es war eine blöde Idee gewesen, unangekündigt zum Spiel zu erscheinen. Eigentlich hatte er Viktor in seinem Element sehen wollen. Sehen, wie erfolgreich er war. Doch stattdessen hatte er wohl seinen Geliebten so sehr irritiert, dass dieser sich nun gar nicht mehr konzentrieren konnte. Er ballt frustriert die Fäuste. So ein Mist!

„Kisho?“, ertönt plötzlich eine helle Stimme neben ihm.

Überrascht blickt er auf. „Conny!“

Sie mustert ihn mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Sag“, beginnt sie schließlich, „woher kennst du meinen Bruder?“

Kisho muss unwillkürlich schlucken. Ohne Zweifel ist sie Viktors Schwester.

„Ähm…“ Was soll er sagen?

„Ich liege doch richtig, dass du ihn kennst“, insistiert sie, „Jedenfalls warst du es, den er die ganze Zeit angesehen hat. Nicht mich, wie Elsa vermutet hat. Und irgendetwas an dir, lenkt meinen Bruder so ab, dass er sich nicht auf das Spiel konzentrieren kann.“ Sie zieht die Stirn in Falten.

„Ja, es stimmt“, gibt Kisho kleinlaut zu, „er kennt mich… wir… haben uns ein paar Mal getroffen.“

„Und wie hast du es geschafft, dass mein fußballverrückter Bruder von seinem Lieblingsspiel abgelenkt ist?“

Kisho sieht sie an. Sie wirkt weich und freundlich. Sie ist nicht hier um ihn zu verurteilen, sondern weil sie sich ernsthaft um ihren Bruder sorgt.

„Das kann ich nicht sagen.“

Connys Augenwinkel zucken leicht. Für einen Moment sagt sie nichts.

Erneut ertönt lauter Jubel vom Spielfeld zu ihnen herüber, gefolgt von einem gellenden Schiedsrichterpfiff.

Sie atmet tief durch, als wüsste sie wessen Tor gerade gezählt worden war. „Kisho, liegt dir etwas an meinem Bruder?“

„Ja“, antwortet er schneller als er denken kann, „und deshalb bin ich auch gegangen. Damit er sich wieder auf das Spiel konzentrieren kann.“

Sie streckt auffordernd die Hand nach ihm aus. „Das hat nicht geklappt. Seit du weggegangen bist, spielt er noch schlechter. Wenn dir also wirklich etwas an ihm liegt, dann komm bitte wieder mit.“

„Noch schlechter?“, entfährt es ihm.

„Als ich zu dir kam, stand es 3:0 und ich fürchte diese Zahl hat sich soeben noch einmal erhöht.“ Sie sieht ihn wieder mit diesem ernsten Blick an, als könnte sie an seiner Reaktion die Antwort ablesen, die er ihr eben nicht geben wollte.

„Meinst du wirklich, dass es dann besser für ihn wird?“, fragt er zweifelnd.

Conny lächelt. „Ich kenne meinen Bruder. Vielleicht besser als er sich selbst.“

Kisho hebt erstaunt die Augenbrauen. In Punkto Scharfsinnigkeit steht sie Viktor in nichts nach. Die Antwort auf ihre Frage würde er ihr wohl nicht mehr geben müssen. „Gut, ich komme.“
 

„Ughhhh“ stöhnt Viktor noch, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als Gregors viertem Schuss in sein Tor hinterher zu sehen. Der Pfiff des Schiedsrichters verursacht physische Schmerzen, doch nichts tut so weh, wie der leere Platz, auf dem Kisho bis eben noch gesessen hatte. Sicher, so wie er heute spielt, kann man ihn nur verlassen. Es war jämmerlich und er weiß es. Besser Kisho sieht ihn nicht in diesem Zustand. Er sollte froh sein, dass er gegangen ist, doch aus irgendeinem Grund fühlt er sich seitdem noch schlechter.

„Wachst du heute eigentlich noch mal auf?!“ Wie ein roter Blitz erscheint Eric plötzlich direkt vor ihm. Verwirrt sieht Viktor ihn vom Boden, auf dem er immer noch sitzt, aus an.

KLATSCH!!!

Entgeistert hält Viktor sich die brennende Wange.

„Wenn du nicht bald anfängst zu spielen, setze ICH dich auf die Bank! Ohne Torwart ist immer noch besser als so!!“

Sprachlos starrt Viktor seinen Stürmer an, der keuchend über ihm steht. Langsam blickt er an ihm vorbei zu seinen Verteidigern, die ihn verlegen ansehen. Er kann in ihren Gesichtern lesen, dass sie Eric zustimmen. Automatisch wandert sein Blick zu der Stelle außerhalb des Spielfeldes, zu der er heute schon viel zu oft geblickt hatte. Seine Augen werden noch größer. Er ist wieder da! Auf seinem Platz neben Conny sitzt Kisho und nickt ihm zu. Augenblicklich strömt Leben durch Viktors Adern. Er packt Erics ausgestreckte Hand und zieht sich daran hoch. „Entschuldige“, murmelt er, „Los, lass uns das Spiel noch drehen!“

Eric grinst zufrieden: „Wird nicht einfach, aber wir geben unser bestes!“
 

~~~
 

„Das war doch ein super Spiel.“

„Endlich haben wir mal wieder gewonnen!“

„Wurde auch mal wieder Zeit!“

„Beim nächsten Mal sind wir wieder dran!“

„Dann machen wir euch platt!“

„Jaja, träumt weiter“

Geschafft aber gut gelaunt verlassen die Spieler das Gebäude mit den Umkleiden und machen sich auf den Weg nach Hause. Die Zuschauer sind längst verschwunden. Conny und Elsa wurden von ihren Freunden je mit einem scheuen Küsschen begrüßt und abgeholt. Nur die warmen Strahlen der Nachmittagssonne tanzen noch über das Fußballfeld. Ein paar Spatzen baden im Sand. Kisho lehnt an der Spielfeldumrandung und wartet.

„Hey“

„Hey.“ Kisho lächelt.

„Den Anblick wollte ich dir eigentlich ersparen.“ Viktors Blick wandert zur großen Anzeigetafel, auf der noch das Endergebnis in großen, weißen Zahlen prangt. 4:2

„Welchen Anblick? Wie du Fußball spielst?“

„Nein. Wie ich… verliere.“

Kisho zuckt nur mit den Schultern. „Passiert. Wurde doch noch ein gutes Spiel.“

„Trotzdem.“

„Zwischendurch dachte ich wirklich, dass ich besser nicht hier sein sollte.“

„Nein.“ Viktor meidet Kishos Blick. „Es war schön, dass du da warst“, ergänzt er leise.

„Sicher?“

„Ja, ich… ich habs halt verbockt…“ Nachdenklich schiebt Viktor mit der Schuhspitze ein Steinchen hin und her. „…als ich gesehen habe, dass du da bist, da wollte ich dir so sehr zeigen, dass ich gut bin, dass ich es total vermasselt habe.“

„Das hast du.“

„Na danke.“

„Und?“

„Was und?“

„Glaubst du jetzt, ich würde auf dich herabsehen, nur weil du verloren hast?“

„Vielleicht… bestimmt.“

„Hey“, Kisho tippt Viktor mit dem Zeigefinger gegen die tiefen Stirnfalten, „Ich stand selber oft genug auf so einem Feld, um zu wissen, wie hoch der Druck ist. Und glaube mir, ob du heute gewonnen oder verloren hättest, das hätte rein gar nichts daran geändert, was ich von dir halte.“

Viktor sieht ihn kurz perplex an. „Und was hältst du von mir?“ Ein bisschen zittert seine Stimme.

Kisho schaut sich rasch nach allen Seiten um. Als er sich versichert hat, dass sie allein sind, beugt er sich nah vor Viktors Lippen. „Ich halte dich für den tollsten Menschen, der mir je begegnet ist. Das hast du mir schon genug bewiesen. Daran ändern auch diese Zahlen dort nichts.“

Er haucht ihm einen Kuss auf die Lippen.

Viktor sieht ihn noch etwas verschämter an.

„Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass du mich gut spielen siehst“, murmelt er.

Kisho greift nach seiner Tasche und wendet sich zum gehen. Auffordernd streckt er seine Hand nach ihm aus.

„Dann zeigst du es mir beim nächsten Spiel, wenn du mich dann noch dabei haben willst.“

Viktor muss grinsen. Er greift nach Kishos Hand und lässt sich mitziehen. „Ja, das will ich.“

Fünf

„Hast du gesehen? Da war dieser Typ schon wieder.“

„Was für ein Typ?“

„Na der dort, mit den kurzen Haaren und der Tasche über der Schulter.“

„Ach der… Ja, hin und wieder taucht der hier vor unserem Training auf. Ist mir auch schon aufgefallen.“

Viktor zuckt kurz zusammen, als er seine Teamkameraden reden hört. Doch er tut so, als würde ihn das nichts angehen und fährt fort, sich für das anstehende Training umzuziehen.

„Hin und wieder ist gut. Der ist fast jeden Tag hier. Mal vor, mal nach unserem Training. Und das bereits seit Wochen! Mit dem ist doch irgendwas komisch.“

Viktor knirscht mit den Zähnen. „Heee ihr Tratschtanten, seid ihr bald fertig?“

„Ja Käpt’n!“, tönt es wie aus einem Mund.

„Hört gefälligst auf, Euch von anderen ablenken zu lassen“, setzt er noch nach und stellt einen übertrieben genervten Gesichtsausdruck zur Schau. Dabei ist er alles andere als genervt. Er fühlt eine leichte Angst in sich aufsteigen. Kisho begleitet ihn inzwischen fast jeden Tag zum Training oder holt ihn ab. Anscheinend ist das nicht unbeobachtet geblieben. Auch wenn die Jungs den ‚komischen Typen‘ noch nicht mit ihm in Verbindung bringen, so wird es doch von Tag zu Tag wahrscheinlicher, dass sie entdeckt werden würden. Und dann? Was würde sein Team über ihn denken? Was sagen? Würden sie sich sogar von ihm abwenden und einen neuen Kapitän wählen? Nachdenklich starrt er in seinen Spind. Würden die Teufel einen Kapitän akzeptieren, der mit einem Mann zusammen ist? Kisho lässt ihm für das Geständnis Zeit, das hatte er ihm versichert, auch wenn er meint, dass sich Viktor zu sehr den Kopf darüber zerbricht.

„So Käpt’n, jetzt warten wir nur noch auf dich“, reißt ihn Gordons Stimme aus seinen Gedanken.

Rasch zieht Viktor sich die schwarze Kappe ins Gesicht. „Gut, dann raus mit euch!“

Lärmend verlässt die Mannschaft der Teufel ihr Clubhaus und läuft auf den großen Trainingsplatz. Viktor schließt langsam seinen Spind und will sich ebenfalls nach draußen begeben, da schiebt sich plötzlich die Clubhaustür vor seiner Nase zu. Steve steht davor und hält seinen ausgestreckten Arm aufhaltend hoch.

„Käpt’n, meinst du nicht, du solltest es dem Team langsam sagen?“

Viktor ist wie vor den Kopf geschlagen.

„W-was?“

Steve zuckt mit den Schultern. „Du hast selbst gehört, dass es nicht unbemerkt bleibt und die ersten reden schon.“

Viktor schluckt schwer.

„Meinst du nicht, es wäre besser, wenn du es ihnen sagst, bevor es zu seltsamen Situationen kommen könnte?“

„Woher weißt du es?“

„Hab euch neulich gesehen, als ihr wohl dachtet, ihr wärt unbeobachtet“

Viktors Mundwinkel zuckt. Mist.

„Viktor, wir kennen dich alle seit Jahren. Niemand wird dich verurteilen. Warte nicht bis ein Moment kommt, indem du vielleicht lügen musst.“ Er sieht seinen Käpt’n aufmunternd an. Viktor zögert.

„Käääääääpt’n“, tönt es von draußen.

Steve lacht und öffnet die Tür. „Die wollen unbedingt anfangen, komm.“

Mit klopfendem Herzen folgt Viktor ihm zu den anderen auf den Platz.

Die Mannschaft steht an der Bank, wo sie ihre Sachen abgelegt haben. Viktor stellt seine Trinkflasche dazu und lässt seinen Blick kurz schweifen. Kisho steht etwas entfernt am Durchgang des Zaunes, der das Spielfeld umgibt, bereit zum Gehen, sobald das Training anfängt.

„So, kann es losgehen?“ Gordon macht ein paar energische Dehnübungen um seine Bereitschaft zu signalisieren.

In Viktors Hals steckt ein dicker Kloß.

„Nein“, hört er sich mit erstaunlich fester Stimme sagen, „noch nicht.“

„Häää?“

Er beachtet die fragenden Gesichter vor sich nicht, sondern wendet sich erneut zum Zaun um. Mit einer leichten Handbewegung deutet er Kisho an, herüber zu kommen. Dieser zögert überrascht, begibt sich dann aber doch zu den Fußballern am Spielfeldrand.

„Ich… ähmm…“ Viktor holt tief Luft. Wie zur Hölle sollte er es sagen?

Kisho ist inzwischen neben ihm angekommen und bleibt auf Armeslänge entfernt neben ihm stehen. Auch er ignoriert die musternden Blicke der anderen. Abwartend sieht er seinen Freund an.

„Als euer Käpt’n sollte ich ehrlich mit euch sein. Immerhin müsst ihr wissen, woran ihr bei mir seid. Ich dachte eigentlich, dass es nicht so relevant wäre, aber anscheinend gibt es bereits Gerede und das möchte ich nicht.“ Erneut holt er tief Luft. Dann macht er einen kleinen Schritt zur Seite und ergreift Kishos linke Hand. Dieser hebt erstaunt die Augenbrauen.

„Das ist Kisho und ihr werdet ihn in Zukunft öfter hier sehen, denn… denn er ist mein Freund.“

Stille.

Vorsichtig sieht er auf in die fragenden Gesichter seiner Teamkameraden.

„Äh…“, meldet sich Eric, „Freund-Freund?“

Viktor nickt entschieden. „Ja wir sind zusammen. Wenn ihr euch jetzt einen neuen Kä…“

„Quatsch mit Soße!”, fährt Gordon schnell dazwischen, „Wir kennen dich jetzt lange genug, um das nicht schon immer irgendwie geahnt zu haben.“

Einige kichern etwas verlegen.

Eric nickt und streckt die Arme über den Kopf. „Wie ist es? Wollen wir heute noch trainieren?“

Laute Zustimmung von allen Seiten ertönt. Sofort drehen sich die ersten um und rennen auf den Platz.

Perplex sieht Viktor ihnen hinterher. Das war‘s? Keine Fragen? Kein Getuschel? Keine dummen Sprüche?

Er spürt Kishos Griff an seiner Hand. „Siehst du?“ Er schmunzelt, tritt auf ihn zu und gibt ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Ich bin stolz auf dich, Käpt’n“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (16)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tasha88
2023-03-21T09:16:59+00:00 21.03.2023 10:16
Hach, diese Geschichte finde ich auch immer noch so unglaublich gut.
Viktors Unsicherheit, dass plötzlich alles anders ist als er es kennt und wie er sich Sorgen macht.
du hast die ganze Geschichte einfach unglaublich gut geschrieben - und ich freue mich sehr, dass du Kisho auch noch eine Story verpasst hast ^^
Von:  Tasha88
2022-06-12T12:19:06+00:00 12.06.2022 14:19
Hach, "ich bin stolz auf dich Käpt´n" - ich liebe diese Szene, total ^^
und über die Aussage - haben so was schon ne weile geahnt XD ach ja, du hast es mit deinen Weibergeschichten nicht gut genug überdecken können :) schön, dass es auch dir klar ist ^^


ah, und die Stelle "zu den Fußballern" - finde ich gut, dass du das geändert hast, so liest es sich besser ;)
tja ... und jetzt?????
Antwort von:  Centranthusalba
12.06.2022 14:31
…und jetzt? ☺️ Happy ever after….
Neee, mehr kommt nicht. Andere Sachen warten.😉

Ich wollte dieses Beruhigende drin haben. Dass der einzige, der sich da bisher (umsonst) einen Kopf drüber gemacht hat, Viktor selber ist. Alles ganz normal, Hauptsache ihr liebt euch. ❤️
Antwort von:  Tasha88
12.06.2022 14:49
du weißt, ich liebe es ^^
trotz Boyslove ;)
Von:  Tasha88
2022-06-11T11:50:07+00:00 11.06.2022 13:50
auch hier wieder danke dafür, dass Elsa und Mario ein Paar sind ;p
diese kurze Szene mag ich natürlich sehr ;)
ansonsten - hach, Viktor ist schon echt unsicher, was Kisho angeht - aber das zeigt ihn eben nicht als "marysue" - keine Ahnung, wie die männliche Bezeichnung lautet.
Ich mag es, wie du ihn hier darstellt.
und was Kisho sagt - das ist einfach so schön *-*
Antwort von:  Centranthusalba
11.06.2022 14:03
Du hast ja mal gesagt, Viktor begibt sich hier auf neues Terrain. Deshalb ist er unsicher. Und vielleicht sogar zum ersten Mal auf das Terrain des richtigen Verliebtseins… 🥰
Ich mag die Szene mit dem Handreichen und „Ja, das will ich.“ sooooooooo schnuckelig 😍😍😍

Ja, Mario x Elsa. Keine Gefahr hier… 😉
Antwort von:  Tasha88
11.06.2022 14:05
genau richtig ^^
aber ist ja doof, wenn ich mich wiederhole ;p
und die beiden sind echt putzig *-*

solange es keine Elsa x Mario Gefahr gibt, kann ich immer gut mit leben ;p
Von:  Push
2022-06-10T21:28:14+00:00 10.06.2022 23:28
OIOIOIoioioioi! 🤭


Antwort von:  Centranthusalba
10.06.2022 23:36
😂😂😂 ist das alles?
Von:  Tasha88
2022-06-10T12:16:52+00:00 10.06.2022 14:16
Oh, ich erinnere mich zu gut daran :D das war der erste Spoiler, bei dem ich schon sehr lachen musste
muss ich auch immer noch ^^
zum Glück ist Kisho nicht nachtragend - aber hey, Viktor ist auch ne Sahneschnitte, den nimmt er doch zu gerne ;)
den Weiberheld XD
Von:  Tasha88
2022-06-10T06:35:33+00:00 10.06.2022 08:35
Oha, es geht ja weiter 😂
Hab ich gar nicht mitbekommen, aber ist gut 👍😜

Ähm, das Schluss wort - du kennst ja meine Meinung - perfekt
Und -X-X- ... Auch gut. Ist doch perfekt so 🤗
Antwort von:  Centranthusalba
10.06.2022 10:00
Ja der Schluss…. Autsch 😣
Von:  Push
2022-06-07T22:05:13+00:00 08.06.2022 00:05
Ich sag nur: DANKE! ❤️
Oh, ich liebe es. Und es schreit so nach “sein Macho-Verhalten ist nur Selbstverleugnung”! 😋 und deshalb auch der Kontrollverlust mit dem Besaufen..nicht wirklich die Art eines intelligenten, langhaarigen Charakters. 😉
Hier gibt es dafür endlich nen Grund 👍

Uiuiui, bitte mehr! Fortsetzung!
Und ich finde das Ende übrigens perfekt, klassischer Cliffhanger. So muss es sein.
Ist nur gemein, wenn eine Serie abgesetzt wird…oder jemand eine Geschichte nicht weiterschreibt *hust…hust…räusper* (Wo ist Simon, wenn man ihn braucht! 😂😂😂)

Such mal auf YouTube nach „Jennie Baby talk“; das ist Jennie von Blackpink und DIESE SCHNUTE hab ich mir vorgestellt bei „…schau gefälligst selbst nach!“ 🥰

Antwort von:  Centranthusalba
08.06.2022 17:13
Schön, dass es dir gefällt 😊. Das hast du ganz gut geschlussfolgert und der Alkohol wird auch noch ein bisschen mehr Auswirkungen haben …. Lalalalala 😄

Also ich notiere mir mal noch eine Stimme für „fortführen“ 😉

Lg Rike
Von:  Tasha88
2022-06-07T12:07:36+00:00 07.06.2022 14:07
Hello :)

also ich habe es ja schon (mehrmals) angekündigt ;) - das Ende ist viel zu abrupt, so offen - da fehlt ja noch einiges ;p
so viel dazu XD

du weißt auch, ich bin kein Boyslove Fan - aber das hier ... gefällt mir ;)
ich mag auch Kisho sehr - gern geschehen übrigens :D
ist ja gut, wenn ich mich ab und an auch mit Ideen revanchieren kann ;)

hat Spaß gemacht zu lesen - und ich bin mir sicher, dass die anderen Leser auch gerne mehr lesen würden ;p


und PS: Tja, Mario wird zwar im Club überfallen, aber Pech für die drei Hühner :D
thihihi - danke, dass du das für mich gemacht hast ^^
Antwort von:  Centranthusalba
07.06.2022 14:13
Pech für die Hühner, weil Mario fest vergeben ist? 😉

Und du plädierst also für eine Fortsetzung? 🙈
Antwort von:  Tasha88
07.06.2022 14:17
natürlich ^^ in meinen Augen ist Elsa auch da - und als sie merkt, dass die Weiber sich um ihren "Mann" scharren, geht sie hin und küsst ihn - die Ansage sollte ankommen: "der ist vergeben"

und hallo? Natürlich :D muss ja nicht "vollständig" sein
die Geschichte ist gut ^^ wirklich ;)
und du weißt, dass ich Boyslove eigentlich nicht mag. Sagt also was aus ;)
Antwort von:  Push
08.06.2022 03:34
Ich frage mich, wo du denkst, das etwas fehlt….es ist so eine ausgewogene und gut formulierte Story! Es ist genug Space für eigene Schlüsse.
Gib mir mal bitte ein Beispiel, ich versteh einfach nicht wo? Y🤔❤️
Antwort von:  Centranthusalba
08.06.2022 08:21
Die Story geht noch sehr viel weiter und Tasha kennt sie bereits. In ihren Augen ist das hier nur ein Teaser😅.
Die volle Story ist in Teilen ziemlich ähhh… explizit geworden und ich habe hin und her überlegt, ob ich sie überhaupt hochlade und wenn ja was davon. Ist ja sonst nicht so mein Stil. Ich wollte zunächst die Rückmeldungen abwarten.
Antwort von:  Centranthusalba
08.06.2022 08:32
Aber freut mich, dass du sie so auch schon gut findest. Manchmal läuft mir mein Kopf einfach davon 😆
Antwort von:  Tasha88
08.06.2022 08:53
Ja, das stimmt 😅😂 ich versuche Rike zu überreden, mehr zu posten. Daher kann ich sowas schreiben 🤭🤭🤭😂😂😂

Tatsächlich weiß sie immer sehr viel von meinen Geschichten und ich (sehr) viel von ihren - daher darfst dir bei solchen Aussagen keine Gedanken machen 😉
Rike versteht zumeist, was ich ihr sagen will 😂😂😂
Antwort von:  Push
10.06.2022 00:39
Ok, das erklärt einiges! 😹 ich sag nur hochladen!!!

Und Teaser sind nichts Schlimmes: sonst hätten Kinofilme echt Probleme! 😁
Antwort von:  Push
10.06.2022 01:14
@Rike @Tasha: schickt mir doch mal unabhängig ne Beschreibung von Kisho in eurem Kopf …vll kann ich ihn im Kickers-Style zeichen!
Immerhin hab ich primär Bilder von Kickers gemacht 😉 einen Versuch ist es wert!! 😋
Antwort von:  Tasha88
10.06.2022 14:20
uh, ich gestehe, ich hatte nie ein richtiges Bild von ihm im Kopf, da er bei mir ja nur ne ganz kleine Nebenrolle gespielt hat, als ich ihn "geschrieben" habe. Erst Rike hat ihm ein richtiges Gesicht gegeben - daher denke ich, passt ihre Beschreibung ganz gut ... ähm, wie war das ?
genauso groß wie Viktor. Von der Statur her athletisch, wenn auch nicht muskulös, ehemaliger Baseballer. Das Gesicht etwas länglich, was aber auch seiner Frisur geschuldet sein kann, die an den Seiten kurz und auf dem Oberkopf länger und noch dazu hochgegelt sind. schmalen Augenbrauen, grüne Augen, Gesicht wirkt feminin
das ist jetzt von Rike kopiert ;p

uh, ich bin gespannt, das wäre ja echt mega, wenn du von ihm ein Bild zeichnen könntest *_____*


Zurück