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Happy Holidays

Eine Puppyshipping-Sammlung
von
Koautor:  empress_sissi

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier präsentiere ich den ersten Streich meiner Planung von Kleinigkeiten für die nächsten Monate. Beim Schreiben hat mich dabei meine aktuelle Lieblingsband Volbeat mit dem Lied Dagen Før begleitet. Hört gern mal rein ^^ Kommis sind wie immer gern und zahlreich erwünscht :3 Viel Spaß!
P.S.: Ein weiterer Auslöser für diese Geschichte war das Release vom ersten Yu-Gi-Oh! Massive Band, der zufällig am Tag nach Kaibas Geburtstag war <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Die 2. Geschichte nach einer wundervoll romantischen Idee von meiner hochverehrten empress_sissi, verpackt als süße Weihnachtssongfic zu dem Lied All Good Things - Are You Coming Home (Silent Night). Nun, da uns das noch nicht ausreichte, haben wir passend zu diesem "kleinen Brüderchen" noch eine "große Schwester" begonnen und laden euch herzlich zu unserer Geschichte Are You Coming Home? ein, welche die ein oder andere Überraschung bereit hält.
Wir freuen uns auf euren Besuch & Hohoho! Merry Christmas! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Pünktlich zum Ehrentag und nach einer weiteren geliehenen Idee von der ehrenwerten empress_sissi folgt der GeburtstagsOS von unserem lieben Jonouchi. Und irgendwann, ich spüre es genau, werde ich eine reine Heartshipping FF in Angriff nehmen! Irgendwann x3
Ansonsten sei für alle Leser gesagt: Traut euch und lasst euch gern zu vielen ausladenden Kommentaren hinreißen xD
Und jetzt wünsche ich viel Spaß beim Lesen und sage "Mahlzeit!" ^^/) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Pünktlich zum 2. Feiertag der Golden Week kommt das erste von drei Kapiteln daher. Die anderen beiden werden im Laufe des Monats folgen, da ich es schlicht und ergreifend nicht in den nächsten beiden Tagen schaffen werde ^^;
Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen und habt eine gute Zeit! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Unverhofft kommt manchmal doch oft. Das Tanabata habe ich nicht mehr in diesem Jahr geschafft (im Sommer hat man ja auch nie Zeit), dafür ließ mich das Hanabi nicht mehr los und tadaaaa, da ist es doch schon heute auf dem virtuellen Papier gelandet. Zur Abwechslung mal wieder was ohne Adultinhalt aber wie immer mit einigen hoffentlich gut platzieren Schmunzlern ^^
Also habt ganz viel Spaß beim Lesen und genießt das Feuerwerk der Gefühle=D

Für die, die es interessiert, habe ich hier auch mal zwei Links von besagtem Hanabi am Torii des Itsukushima-Schreins mit angefügt:
https://www.youtube.com/watch?v=ooWb3idW2L8
https://www.youtube.com/watch?v=l64k52ZlGl8 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach einer etwas längeren Pause in der Fanfiction-Welt habe ich nun beschlossen, auf Verdacht mal wieder etwas Kleines zum Naschen hochzuladen. Denn tatsächlich ist inzwischen zu jeder meiner Fanfics auch ein neuer Teil entstanden, während ich am Überlegen bin, ob das Uploaden überhaupt noch lohnenswert ist. Vielleicht gibt es ja noch die eine oder andere Yu-Gi-Oh!-Fujoshi, die es liest und todesmutig unter Aufbietung all ihrer verbliebenen Yu-Gi-Oh!-Puppyshipping-Kräfte ein Review hinterlässt. ^^
Habt auf jeden Fall einen schönen Welttag des Buches! Komplett anzeigen

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Setos Geburtstag

Es war ein Sonntag im Oktober. Ein Monat, in dem der Herbst seine schönsten Farben zeigte und an einen Ausflug ohne Jacke nicht mehr zu denken war. Verträumt schlenderte Jonouchi durch die Straßen der Stadt, denn heute war einer der wenigen Tage, an dem er einfach mal nichts vor hatte. 

 

Kein Job, bei dem er pünktlich erscheinen musste. 

Keine Termine oder Treffen mit Freunden. 

Und das Allerbeste: Keine Hausaufgaben, denn aktuell hatten sie Herbstferien. 

 

Yuugi und sein Großvater waren während dieser Woche im Urlaub. Natürlich in Ägypten, wo auch sonst. Folglich hatte der Laden geschlossen, sodass sich der Blonde gezwungen sah, im Game Center im Stadtinneren nach neuen Duel Monsters Karten Ausschau zu halten. Zufrieden mit seiner Ausbeute in der Hand verließ er schließlich den benannten Laden bereits wenig später wieder und wollte schon den Heimweg antreten, als er eine bekannte Stimme vernahm.

 

„Hallo Jonouchi-kun”, begrüßte ihn Mokuba, der soeben in den Wagen auf der ausgewiesenen Parkfläche direkt neben ihm einsteigen wollte.

„Hey, Mokuba. Was treibt dich denn hierher?”, erwiderte der Blonde die freundliche Begrüßung.

„Nichts Besonderes. Ich war gerade auf dem Weg zu Seto. Wir werden heute die neuen Attraktionen im Freizeitpark nochmal testen, bevor wir sie morgen offiziell eröffnen.”

 

‘Stimmt, da war ja was’, erinnerte sich der Blonde und bei dem Wort “Freizeitpark“ leuchteten seine Augen plötzlich auf. Es war schon eine ganze Weile her, dass Kaiba den Park eröffnet hatte und er selbst war bisher noch kein einziges Mal dort gewesen. Dabei liebte er die vielen verschiedenen Fahrgeschäfte wie beispielsweise die Achterbahn oder auch den Autoscooter. Wären seine Freunde jetzt da, würde er ihnen direkt vorschlagen, einen Ausflug dorthin zu machen. 

 

„Ja, das wäre genau das Richtige…”, brabbelte er seine Gedanken laut vor sich hin.

Interessiert sah der Schwarzhaarige Jonouchi an und konnte die Euphorie direkt aus dessen Gesicht ablesen. Vielleicht konnte er ja… Auch wenn sein Bruder davon bestimmt nicht begeistert sein würde...

„Sag mal”, begann er neugierig seinen Satz, „Hast du vielleicht Lust mitzukommen? Die Beurteilung eines Außenstehenden würde uns sicher von Nutzen sein.”

 

Mit kugelrunden Augen und einem etwas zweideutigen Blick sah er den Blonden erwartungsvoll an. ‘Wie konnte Kaiba diesem Jungen auch nur irgendeinen Wunsch abschlagen?', fragte sich der Angesprochene und ihm blieb beinahe keine andere Wahl, als sich dem zu ergeben. Dass diese glückliche Fügung auch genau seinem Wunsch entsprach, musste er ja nicht zwingend preisgeben. Ihm war  durchaus bewusst, dass Kaiba wohl nicht sehr erfreut über sein Auftauchen sein würde. Gerade am heutigen Tag. Wer arbeitete denn schon an seinem Geburtstag, wenn er doch sicher mehr als genug Personal besaß, um einen Nachmittag mal mit Anwesenheit zu glänzen? Natürlich nur der Herr Firmenchef, der Workaholic durch und durch.

 

Ja, Jonouchi wusste, dass Kaiba am 25. Oktober Geburtstag hatte. Genau drei Monate vor ihm selbst. Denn er interessierte sich durchaus für den Jungunternehmer, auch wenn es offensichtlich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. So war es ihm eine heimliche Freude, Mokubas unverhofftes Angebot anzunehmen und in die noble Karosse mit einzusteigen.

 

Auf dem Weg zum Freizeitpark beschäftigte ihn jedoch weiterhin die Frage, warum Kaiba diesen Tag nicht wie alle anderen auch mit Torte und Geschenken feiern wollte oder sich wenigstens diesen einen Tag mal frei nahm. Neugierig wandte er sich an Mokuba in der Hoffnung, dass er ihn aufklären würde: „Sag mal, Mokuba. Wieso arbeitet dein Bruder eigentlich an seinem Geburtstag? Ich habe immer angenommen, dass er den Tag groß und pompös feiern würde.”

 

Etwas überrascht sah ihn der Schwarzhaarige an. Er hätte nicht gedacht, dass Jonouchi wusste, dass heute der Ehrentag seines großen Bruders war, wo sie doch immer nur zankten und stritten. Die Verwunderung war ihm direkt anzusehen, weshalb der Blonde wieder das Wort ergriff: „Erstaunt dich, dass ich sein Geburtsdatum kenne? Immerhin hat er genau drei Monate vor mir. Das merkt man sich. Außerdem hängt so ein Geburtstagskalender in unserer Klasse, für den besseren Zusammenhalt oder so…"

 

‘Nein, tut man nicht. Schon gar nicht, wenn man sich angeblich nicht leiden kann’, dachte der Angesprochene und fühlte sich in seiner Annahme bestätigt, dass da noch etwas mehr dahinterstecken könnte. Kurz zögerte er, bis er Jonouchi tatsächlich wahrheitsgemäß auf die gestellte Frage antwortete.

 

„Du musst wissen, dass wir unsere Geburtstage nie mehr richtig gefeiert haben beziehungsweise es nicht konnten, nachdem wir adoptiert wurden. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern und unser Stiefvater sah für diese Feierlichkeiten keine Notwendigkeit. Wer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, kann auch keine Geburtstagsparty feiern.” Letzteres sagte der Schwarzhaarige in einem seltsam strengen Tonfall, zuckte anschließend mit den Schultern und sah etwas zerknirscht zu Jonouchi hinüber. Demzufolge hatten die Kaibas also in ihrer Kindheit nie eine vernünftige Geburtstagsfeier gehabt.

 

„Allerdings”, fuhr der Jüngere fort, während sich ein verstohlenes Lächeln in sein Gesicht schlich, „hat Seto, wenn er von der Schule nach Hause kam, dann immer ein Stück Torte mitgebracht, die er von seinem Taschengeld bezahlt hatte.” Mokuba seufzte auf, als er sich an diese längst vergangene Zeit zurückerinnerte.

 

„Tja. Deswegen feiert er nach wie vor keinen seiner Geburtstage. Da ist er wie immer stur. Vermutlich hat er ihn auch mal wieder vergessen und es fällt ihm erst heute Abend auf, wenn er sein Geschenk von mir bekommt”, grinste er etwas schief, da er keine andere Wahl hatte, als es zu akzeptieren.

„Ich verstehe, was du meinst”, antwortete Jonouchi darauf und wenige Momente später kamen sie auch schon am Zielort an.

 

Als der Blonde aus dem Wagen stieg, begannen seine Augen zu leuchten und man konnte ihm die Vorfreude deutlich ansehen. Sein letzter Besuch in einem Freizeitpark war schon eine ganze Weile her. Vielleicht konnte er ja den muffeligen Kaiba die ein oder andere Runde in den Fahrgeschäften abringen, wenn er schon einmal hier war. Und vielleicht, aber nur vielleicht könnte er dem zugeknöpften Herrn Firmenchef damit sogar eine kleine Freude bereiten.

 

„Sag mal, können wir auch eine Runde mit der Achterbahn fahren?”, fragte er vorsichtig bei Mokuba an, der jedoch nur mit den Schultern zuckte.

„Ich weiß zwar, dass Seto heute keine weiteren Termine hat, wage aber zu bezweifeln, dass er sich dazu überreden lässt.”

Ja, das ergab durchaus Sinn. Schon allein aus dem Grund, weil es Jonouchis Wunsch war, würde er sicher ablehnen. Doch einfach so aufzugeben, ohne es probiert zu haben, stand ihm nicht an. Vielleicht würde sich doch noch ein günstiger Moment ergeben.

 

Als sie jedoch bei dem Älteren ankamen und dieser den ungebetenen Gast bemerkte, verfinsterte sich seine Miene schlagartig. Da würde Jonouchi wohl schlechte Karten haben. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen und versuchte sein Glück mit Trick 17.

„Hallo Kaiba, lange nicht gesehen. Was für ein Zufall”, ließ er fröhlich verlauten, um im besten Fall ein paar Pluspunkte zu sammeln. Doch der Angesprochene wandte sich, ohne den blonden Chaoten weiter zu beachten, direkt an seinen Bruder.

 

„Mokuba, was habe ich dir über das Auflesen streunender Hunde gesagt?” Okay, das war mal wieder äußerst unnett von dem arroganten Schnösel. Nebst der Tatsache, dass der Ältere ihn komplett ignoriert hatte, wurde er auch gleich wieder als Hund betitelt. Zugegeben, er mochte Kaibas stolze, jedoch leider auch herablassende Art irgendwie und ja, vielleicht auch die ständigen Hundevergleiche auf so eine ganz seltsam verquere Art. Warum, wieso, weshalb? Das wusste er leider nicht. Doch wie immer wollte er es natürlich nicht auf sich sitzen lassen und blies zum Gegenangriff.

 

„Sehr lustig Kaiba, zum Schießen. Aber genug der Freundlichkeiten. Mokuba hat mich eingeladen, die neuesten Attraktionen hier im Park auszuprobieren. Anscheinend braucht ihr eine unabhängige Meinung, die ich dir hiermit gern zur Verfügung stelle”, provozierte er den Brünetten nun und funkelte ihn herausfordernd an. Ach, wie liebte er es doch, sich so leidenschaftlich mit ihm in der Wolle zu haben. Eine stille Freude, die er mit niemandem außer ihm teilte.

 

„Als wenn ich auf deine Beurteilung angewiesen wäre”, war die schroffe Antwort darauf. 

„Stimmt natürlich. Deine Genialität sucht seinesgleichen und da du ja unfehlbar bist, muss ja alles, was du anfasst, ein Erfolg werden. Das haben dir deine Mitarbeiter sicher auch so verklickert. Sie müssen ja nicht Angst haben, dass sie gefeuert werden, wenn dir ihre Ansichten nicht in den Kram passen”, grinste er ihm frech ins Gesicht. Ganz so unrecht hatte er da natürlich nicht. Hatte er doch gerade einen Mitarbeiter gefeuert, der ein Design für ein Getränk entwickelt hatte, welches ihm nicht zusagte. Seine eigene Genialität stellte er selbstredend gar nicht erst in Frage.

 

„Nii-sama”, mischte sich der Schwarzhaarige mit ein und erhaschte damit die Aufmerksamkeit seines älteren Bruders, noch bevor sich dieser zu dem eben Gesagten äußern konnte, „ich habe ihn unterwegs getroffen und dachte, dass eine unabhängige Meinung durchaus von Nutzen sein könnte. Es war einfach Zufall.”

 

Kaiba überlegte kurz bevor er das Folgende in einem desinteressierten Ton verlauten ließ: „Von mir aus. Dann pass aber auf, dass er folgsam an der Leine bleibt und nicht überall herum streunt.”

Mokuba, der sichtlich zufrieden mit der Aussage war, wandte sich freudestrahlend an den Blonden. Dieser zwang sich ein Lächeln auf und versuchte, die wie immer liebevoll verpackte Spitze gegen sich gekonnte zu ignorieren. 

 

Ihr erstes Ziel war das Geisterhaus, das im östlichen Teil der Anlage stand. Ganz in der Nähe der Achterbahn, mit der der Blonde bereits wieder liebäugelte. Irgendwie musste er den Firmenchef davon überzeugen, eine Runde damit zu drehen und am liebsten sofort! Vielleicht käme ihm ja eine bahnbrechend geniale Idee während seines Besuchs im Gruselkabinett. 

 

Dieses wurde durch Absperrungen noch teilweise verdeckt, sodass die Besucher nicht zu viel davon im Vorfeld zu sehen bekamen. Dahinter erschloss sich ein komplett in schwarz-grau gehaltenes Gebäude mit einer verfallenen Holzverkleidung umgeben von einem verwahrlosten Grundstück mit angedeutetem Friedhof an der Seite, um dem Thema einen Rahmen zu geben.

 

Bei Tag wirkte es nur wie ein verfallenes Haus. Jedoch war sich der Blonde sicher, dass Kaiba einige Showeinlagen für die Abendstunden bereithalten würde. Kurz blieb er stehen und ließ seinen Blick über das Geisterhaus schweifen. Generell war der Blonde mit gemischten Gefühlen an die Sache herangegangen. Denn auch wenn er nicht an Geister und Gespenster glaubte, gruselte er sich doch relativ schnell. Die meiste Arbeit übernahm dabei natürlich sein Verstand, in dem ihm seine blühende Fantasie gern Streiche spielte. Jedoch würde er sich vor dem Herrn Parkbesitzer keine Blöße geben, jetzt wo er bereits hier war. Außerdem war es schon etwas Besonderes, denn er wäre der Erste, der dieses Geisterhaus betreten würde. 

 

Die Kaibabrüder waren inzwischen an besagtem Haus angekommen, als der Ältere bemerkte, dass ihnen Jonouchi nicht folgte. 

‘So wird aus ihm nie ein braves Schoßhündchen werden’, verdrehte er gedanklich die Augen.

„Spank*, wo bleibst du denn? Oder hat es dir vor Angst die Sprache verschlagen?”, foppte er ihn und meinte einen kurzen Moment der Unsicherheit beim Jüngeren erkannt zu haben.

 

„Auf gar keinen Fall!”, posaunte dieser lautstark heraus, um seine Nervosität sowie die Tatsache, dass sie offenbar inzwischen zu neuen Kosenamen übergegangen waren, zu überspielen. Der Firmenchef jedoch empfand die Reaktion einen Tick zu überschwänglich, sodass er sich in seiner Annahme bestätigt fühlte. Ein fieser Gedanke drängte sich ihm auf und es juckte ihn in den Fingern, diesen schnellstmöglich umzusetzen.

 

„Gut, dann kannst du sehr gern hineingehen, um dir eine Meinung darüber zu bilden”, erwiderte der Brünette überfreundlich, hatte dabei jedoch ein zweideutiges Lächeln auf den Lippen, das Grund zur Sorge bereitete. Mokuba schaltete inzwischen die Maschinerie ein und die Schrift über dem Eingang leuchtete auf. Dem Blonden wurde es gleich noch etwas mulmiger. Jetzt musste er sich beweisen und tat den ersten Schritt in sein baldiges Verderben. Die Haustür mit den rostigen Scharnieren knarrte laut, als er sie langsam öffnete und in die Dunkelheit hinein sah. Nichts war zu sehen und das konnte wohl kaum etwas Gutes bedeuten.

 

„Was ist los? Doch Angst bekommen?”, foppte ihn der Brünette aus dem Hintergrund. Okay, jetzt hieß es, Arschbacken zusammenkneifen und los gehts. Langsamen Schrittes verschwand er in das Dunkel und die Tür knarrte erneut gut hörbar, als sie hinter ihm ins Schloss fiel.

„Mokuba”, richtete der Brünette das Wort an den Schwarzhaarigen ohne ihn dabei anzusehen, während sein gehässiges Grinsen immer breiter wurde, „schalte doch bitte die Beleuchtung in den Räumen komplett aus und dreh die Lautstärke etwas mehr auf.” Mit diesen Worten suchte er sich in der nebenstehenden Box noch ein, zwei Kleinigkeiten heraus und folgte dem Schisshasen in das Spukhaus.

 

Drinnen konnte Jonouchi die Hand vor Augen nicht sehen und stolperte blindlings in irgendeine Richtung. Wenigstens eine Taschenlampe hätte man ihm ja mitgeben können, aber dann wäre auch der Gruselfaktor für die Katz. Nach einem weiteren Schritt kam er an einer Wand an und tastete sich daran weiter nach vorne. Um sich herum konnte er Geräusche von Wind wahrnehmen, der pfeifend durch die Räume zu ziehen schien. Jedoch war kein Luftzug zu spüren, also wurde es offenbar nur über die Lautsprecher ausgegeben. Zu diesen schaurigen Geräuschen gesellte sich kurz darauf der dumpfe Ton eines Klaviers, auf dem vereinzelt tiefe Saiten angeschlagen wurden.

 

‘Okay, das ist ja nichts Schlimmes. Allenfalls etwas unheimlich, aber immer noch okay.‘

Doch kaum hatte er den Gedanken beendet und den nächsten Raum betreten, sah er zu seiner Rechten ein altes Klavier, an dem ein Pianist mit seinem knochigen Skelett in einem halb zerfallenen Frack die schaurigen Töne spielte. Wie nicht anders zu erwarten, wurde dieses natürlich direkt in den Raum projiziert. Es sah so täuschend echt aus, dass man herantreten und es berühren wollte. Jonouchi jedoch war eher gewillt, schreiend davor wegzulaufen, wenn er es nicht besser gewusst hätte.

 

Da hatte Kaiba mal wieder keine Kosten und Mühen gescheut, um alles so unheimlich wie möglich zu gestalten. ‘Alter Angeber’, dachte sich der Blonde und trat näher an das Trugbild heran. In dem Moment hielt der Pianist inne und der letzte dunkle Ton verstummte im Raum. ‘War ja dann doch nicht so schlimm wie gedacht’, belächelte Jonouchi sich selbst.

 

Aber das währte nicht lang. Kaum hatte er den Satz gedanklich beendet, wandte sich das Hologramm zu ihm. Dem Blonden kam es so vor, als schaute ihn der schaurige Pianist für einen kurzen, unheimlichen Moment direkt in die Augen, nur um ihm direkt darauf mit einem lauten “Willkommen in meinem Spukhaus!” beinahe eine Herzinfarkt zu verpassen.

 

Erschrocken fuhr er zusammen und sprang an die hinter ihm liegende Wand, die sich als äußerst löchern herausstellte und eigentlich aus Gitterstäben bestand. Im selben Moment stiegen auch schon Gespenster aus einem Friedhofsgrab empor und wollten nach ihm greifen. Es ertönte lautes Gelächter von dem Geisterpianisten, der sein konfuses Klavierstück mit einem “Holt ihn euch, meine Kinder!” begann. Da fiel der Blonde beinahe über seine eigenen Füße und stolperte nach vorn weiter in die Dunkelheit hinein.

 

Was für ein Schreck. Für Kinder war das definitiv nichts. Für ihn selbst eigentlich auch nicht, aber da musste er jetzt wohl oder übel durch. Er holte noch einmal tief Luft, versuchte sich damit zu beruhigen und schlich immer weiter in die Dunkelheit hinein, die kein Ende nehmen wollte. Hinter sich hörte er Schritte, die ihn zu verfolgen schienen, und immer wieder hallte ein dunkles Gelächter durch die Finsternis, die ihn umgab. Leise, beinahe nur gehaucht, konnte er die Worte “Gib acht” und “Schau auf deinen Weg” hören.

 

Bei diesen nicht vorhandenen Lichtverhältnissen war es ihm jedoch unmöglich auf irgendetwas zu achten, außer es sprang ihm direkt ins Gesicht. Trotzdem sah er nach unten, den Hinweisen folgend. Doch mehr als Schwärze konnte er nicht erkennen. Diese Aussage korrigierte sich jedoch bereits beim nächsten Schritt, als unter ihm etwas aufleuchtete und mit lautem Geschrei und Getöse Hände nach oben schnellten, um ihn zu fassen zu bekommen.

 

Mit einem Urschrei, der seinesgleichen suchte, sprang er fast bis an die Decke in die vermeintliche Sicherheit, als direkt neben ihm ein weiteres Hologramm erschien und eine Geisterbraut versuchte, ihn mit den Worten “Endlich bist du bei mir, mein Geliebter” an sich zu reißen. Vor Schreck hielt er die Luft an und rettete sich schnellstmöglich aus der Situation, doch es wollte nicht helfen. Ein Schreck folgte dem Nächsten und jagte ihn durch dieses Horrorhaus, gespickt mit Fallen und Irrwegen in der Dunkelheit.

 

Jonouchis Herz raste, als wäre er einen Marathon gelaufen. Wieso hatte er sich dazu nur überreden lassen und sich erschwerend dazu auch noch so dermaßen aufspielen müssen? Wie so oft war sein freches Mundwerk wiedereinmal schneller als das Köpfchen gewesen. Da stand er nun mutterseelenallein und völlig orientierungslos in diesem gespenstischen Spukhaus. Verloren in einem Labyrinth aus Räumen und Gängen mit schockierend realistischen Hologrammen versuchte er weiterhin den Ausgang zu finden, als er erneut eine tiefe Stimme vernahm.

 

„Komm zu mir”, flüsterte sie ihm zu und obwohl er wusste, dass er garantiert gleich wieder einen halben Herzkasper erleiden würde, so war ihm auch bewusst, dass sich dort mit Sicherheit ein Ausgang befand. Zaghaft schlich er weiter nach vorne der Stimme entgegen, als er bemerkte, wie etwas seine Schulter berührte. 

 

Sofort zuckte er zusammen, erstarrte in seiner Bewegung und war sich nicht sicher, ob er wirklich in Erfahrung bringen wollte, wer oder was ihn da anfasste. Hinter sich hörte er ein tiefes Brummen, als wollte ihn jemand höhnisch auslachen, weil er es gewagt hatte, sich in dieses Haus zu begeben. Der Druck auf seiner Schulter wurde fester und eine tiefe Stimme drang an sein Ohr: „Hab ich dich…“

 

‘Okay, jetzt ist es genug,‘ dachte er und wollte gerade die Beine in die Hand nehmen, als er ein belustigtes “Bitte recht freundlich” hörte und just in diesem Moment über ihm ein Licht aufflackerte. Sofort erschrak er fürchterlich vor der Person, die gefühlt aus dem Nichts direkt vor ihm erschien.

 

Einen kurzen Moment dauerte es, bis er realisierte, dass es lediglich sein Spiegelbild gewesen war, das ihn so in Angst und Schrecken versetzte. Offenbar war direkt vor ihm an der Wand ein Spiegel mit einem Bewegungsmelder darüber angebracht worden, um den Gästen zum Schluss einen letzten Schrecken einzujagen und das witzigerweise vor sich selbst.

 

Allerdings konnte er in dem Spiegel auch noch etwas Anderes erkennen. Etwas, das direkt hinter ihm stand. Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf zur Seite und als das Licht erneut über ihm aufleuchtete, sah er auf seiner Schulter eine skelettierte Hand und das knochige Gesicht oder besser gesagt den Schädel des Besitzers hinter sich. In dem Moment kreischte er schrill wie ein Mädchen, das Angst vor einer gerade gesichteten Spinne mit gefühlt 300 Beinen und einem Körper so groß wie ein Felsbrocken hatte, und sprang zur Seite, um schließlich in die Freiheit zu gelangen.

 

Draußen hechtete er ein paar Schritte von dem Horrorhaus fort und versuchte, seinen Puls, der inzwischen schon Lichtgeschwindigkeit angenommen hatte, zu beruhigen. Direkt darauf verließ auch das gespenstische Skelett, das ihn verfolgt hatte, mit schallendem Gelächter das Gebäude. Natürlich war es Kaiba, der sich einen Spaß daraus gemacht hatte, den Blonden zu Tode zu ängstigen. Er zupfte sich belustigt die Handschuhe mit dem Skelettaufdruck von den Fingern und entledigte sich der Totenkopfmaske auf seinem Gesicht. 

 

‘Was für ein Genuss! Das war ja beinahe noch besser als ihn verbal in die Knie zu zwingen!’, erfreute sich der Brünette gedanklich an den Reaktionen des Blonden. Diesen Spaß würde er definitiv nicht so schnell vergessen und er gab Mokuba recht, dass eine unabhängige dritte Meinung hier durchaus von Nutzen war.

 

„Gut gebrüllt, Löwe!”, brachte er noch immer lachend seine Gedanken zum Ausdruck. Offenbar hatte er mit dem Geisterhaus alles richtig gemacht, was ihm die angsterfüllte Stimme des Anderen deutlich bestätigte. Man möchte meinen, dass es für dessen Ego ein absoluter Todesstoß war. Wie so oft, wenn er mit Kaiba im Clinch lag. Doch viel mehr erstaunte Jonouchi dieses unbeschwerte und, was besonders wichtig war, durch ihn verursachte Lachen des Brünetten. 

 

Gut, der eigentliche Auslöser war eher die Tatsache, dass er sich voller Panik von ihm durch dieses Horrorhaus hatte jagen lassen. Dennoch musste er zugeben, dass er ihn bisher zu keiner Zeit so herzlich hatte lachen sehen. Die einzige Ausnahme war lediglich dieses verächtlich fiese Grinsen, das er sonst immer an den Tag legte, um ihm seine Überlegenheit zu demonstrieren. Folglich musste er ihm das anschließende Zugeständnis machen: „Zugegeben, damit habe ich nicht gerechnet. Die Effekte waren beängstigend gut. Als unabhängige dritte Person kann ich dir sagen, dass dein Geisterhaus den Test definitiv bestanden hat.”

 

Ja hoppala, was hörte der Herr Firmenchef denn da aus dem sonst so frechen Mund des Anderen? Er fühlte sich ja direkt gebauchpinselt von dem, was Jonouchi da sagte. Heute war wohl verkehrte Welt oder er hatte endlich eingesehen, dass er ihm in puncto Intelligenz und Genialität nicht das Wasser reichen konnte. Ja, das würde es wohl sein. Zumindest stellte ihn diese Antwort äußerst zufrieden. Mokuba schaltete derweil die Apparatur wieder ab, sodass sie weitergehen konnten Richtung Riesenrad.

 

Auf dem Weg dorthin kamen sie direkt an der Achterbahn vorbei, an der Jonouchi mit einem Leuchten in den Augen hängen blieb. Genau damit wollte er so unbedingt fahren! Verstohlen sah er zu dem Firmenchef hinüber, der bereits weitergegangen war, und wollte Wiedergutmachung von dem Brünetten für die Schreckmomente in dessen Geisterhaus.

 

„Was sagst du da, Mokuba? Kaiba fährt keine Achterbahn? Er hat doch nicht etwa Angst davor?”, sagte er gut hörbar für alle Anwesenden zu dem Schwarzhaarigen, der sich direkt darauf umdrehte.

„Wie war das?”, kam es direkt von dem Brünetten zurück. Dass Mokuba das natürlich nicht gesagt hatte, war ihm dabei völlig klar. Aber solch ein Gerücht in die Welt zu setzen, kratzte an seinem Ego.

„Na, stimmt doch, oder? Oder kannst du mir das Gegenteil beweisen?”

So so, daher wehte also der Wind. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er das Vorhaben des Blonden durchschaut, als wäre er aus Glas, und antwortete wissend.

 

„Bemüh dich nicht. Ich weiß genau, was du damit bezweckst.”

„Also hast du doch Angst. Pah. Wer hätte das vom großen Seto Kaiba gedacht”, stichelte Jonouchi weiter und auch wenn der Brünette wusste, dass er ihm nur eine Fahrt abringen wollte, ärgerte ihn diese unverschämt dreiste Lüge, die er im schlimmsten Fall auch noch verbreitete. Also zog er ein VIP Bändchen aus seiner Tasche und hielt es dem Anderen vor die Nase, damit er endlich Ruhe gab. Sofort glänzten dessen Augen vor Freude und er nahm es ehrfürchtig entgegen. Dieses Band öffnete ihm hier Tür und Tor. Himmel, das musste er definitiv nutzen! Er band es sich um und bedachte den Brünetten mit einem breiten Grinsen. So ganz wollte diesem der Ausdruck im Gesicht des Blonden nicht gefallen. Irgendwas Verqueres ging doch da wieder in dem Spatzenhirn vor sich und lange musste er auch nicht auf die Präsentation ebendessen warten.

 

„Na dann mal los”, kündigte er sein Vorhaben an und griff nach dem Arm des Parkbesitzers, um ihn zu dem Fahrgeschäft seines Interesses zu zerren. Perplex über diese unlogische Handlung ließ dieser sich einfach mitziehen und sein Blick fiel auf Mokuba zurück, der ihm mit einem Lächeln zuwinkte. Moment. War er hier jetzt im falschen Film? Er fing sich nach wenigen Schritten wieder und stoppte die spontane Entführung, wollte sich aus dem Griff des Blonden loseisen. Jedoch gab dieser nicht nach und hielt das Handgelenk des Brünetten fest wie ein Schraubstock.

 

„Was glaubst du, was du da tust?” 

Der Angesprochene grinste den Älteren daraufhin verheißungsvoll an und war durchaus gewillt, ihm seine Frage zu beantworten: „Das Bändchen ist ja nicht schlecht. Dennoch haben wir beide noch eine Sache zu klären.”

Achso? Welche Sache hatten sie denn bitte zu klären? Kaiba war nicht zum Spielen und Spaßhaben hierher gekommen. Immerhin gab es auch in den Ferien und am Wochenende noch genug für ihn zu tun. Und jetzt brachte der Blonde seinen ganzen Tagesablauf durcheinander und stahl ihm somit seine äußerst kostbare Zeit. Dass er den restlichen Tag nichts Weltbewegendes mehr vorhatte, spielte dabei natürlich keine Rolle. 

 

Als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam, musste er Jonouchi jedoch schon fast recht geben. Eigentlich stand heute nichts weiter an. Er wollte nur nochmal die neuen Attraktionen begehen und das wäre es dann auch schon gewesen. Seltsam, dass er heute nicht mehr Termine in seinem Kalender eingetragen hatte. Das nächste große Ereignis wäre morgen die Eröffnung von Geisterhaus und Riesenrad. 

 

„Du weißt, wovon ich rede, oder?”, wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen. „Du schuldest mir für die Sache im Geisterhaus eine Fahrt mit der Achterbahn. Oder hast du doch zu viel Angst vor den vielen Kurven und Loopings?”, grinste er ihn herausfordernd an und war gespannt auf die Reaktion.

 

„Hmh. Also ob”, war die blasierte Antwort, als sich ein schiefes Grinsen in Kaibas Gesicht schlich. Na also, da hatte er den mürrischen Firmenchef doch genau da, wo er ihn haben wollte. Dass er es nicht hinnehmen konnte, wenn Jonouchi an seinem Stolz kratzte, war ihm natürlich glasklar. 

„Gut, dann beweis es mir!”, rief er dem Firmenchef, nachdem er einige Schritte gegangen war, euphorisch zu und verschwand in der Menschenmenge vor dem Fahrgeschäft. Das ließ den Brünetten unwillkürlich Schmunzeln. Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag brachte der Bonkotsu ihn zum Lachen. Noch im selben Moment wunderte er sich direkt über diese so untypische Reaktion seinerseits und begab sich dann ebenfalls zur Achterbahn. 

 

Mit dem VIP Band am Handgelenk konnte sich der Blonde direkt an das vordere Ende der Warteschlange begeben und wartete dort ungeduldig auf die Ankunft der nächsten Bahn, welche bereits zu hören war, sowie auf Kaiba, der sich seines Erachtens nach extrem viel Zeit zu lassen schien. Als die Bahn gerade zum Stehen kam und die Insassen diese verließen, war nun auch endlich der Parkbesitzer eingetroffen, der sich über die Hibbeligkeit des Blonden ungesehen amüsieren musste. Schon wieder.

 

Wie auf glühenden Kohlen tänzelt dieser vor der Bahn herum und würde sicher bald platzen vor Aufregung. Vielleicht hätte er doch noch etwas langsamer gehen sollen, um ihn noch mehr zu reizen? Ach wie liebte er es doch, wenn sich der Andere ärgerte. Am Schönsten war es, wenn er ihn verbal in die Knie zwingen konnte. Dieses herrliche Gesicht, das er dabei immer an den Tag legte, erhellte seine Stimmung jedes Mal aufs Neue. Und die Sache mit dem Geisterhaus war definitiv sein Highlight des Tages gewesen.

 

Jonouchi, der inzwischen natürlich ganz vorn in die Bahn eingestiegen war, nötigte den Brünetten zur Eile, während er ihn mit hastigen Handbewegungen heranwinkte und auf den leeren Platz neben sich deutete. Noch immer war Kaiba sich nicht bewusst, was Jonouchi mit dieser Aktion, ihn hier in die Achterbahn zu locken, bezweckte und es beschäftigte ihn mehr, als er es zugeben wollte nebst einer unerklärlichen Unruhe, die sich nicht abschütteln ließ. 

 

An der Bahn angekommen, zog der Blonde ihn direkt neben sich auf den Sitzplatz und strahlte ihn freudig erregt an, als würde man einem Kind einen monströsen Lolli vor die Nase halten. Dass dieses Strahlen nicht ihm, sondern der bevorstehenden Fahrt galt, wusste der Brünette natürlich und ließ der Sache daher keine weitere Bedeutung zukommen. Direkt darauf schlossen sich auch schon die Sicherungen, damit die Fahrgäste nicht während der Fahrt verloren gehen konnten und die Achterbahnfahrt begann.

 

Langsam wurde der Wagen nach oben gezogen und die Freude über diesen Abstecher stand dem Blonden ins Gesicht geschrieben. Kaiba wiederum war abermals erstaunt, wie euphorisch sein Sitznachbar doch sein konnte. Dabei war es nur eine simple Fahrt mit einer Achterbahn. 

 

In einem Moment passierten sie noch quälend langsam die höchste Stelle der Schienen und im nächsten sauste der Wagen auch schon mit einem Affenzahn nach unten. Dabei stellte der Brünette fest, dass er die letzte Achterbahnfahrt doch anders in Erinnerung hatte und seine Hände umfassten unwillkürlich die Schulterbügel, welche als Sicherheitsmaßnahme um seinen Körper angebracht waren.

 

Wobei, bisher war er eigentlich noch nie Achterbahn gefahren. Wann auch? Das Einzige, was dem auch nur im Entferntesten gleich kam, war das kurze Stück, das der Firmenchef mit seinem Bürostuhl zum Papierkorb rollte, um wertlosen Schriftverkehr zu entsorgen. Mehr Erfahrung gab es da nicht. Und das war, wie er jetzt feststellen musste, nicht sehr hilfreich.

 

Der erste Looping kam und wirbelte die bereits zerzausten Haare der beiden wild durch die Luft. In Jonouchis Augen sammelten sich durch die hohe Geschwindigkeit ein paar Tränen und ein heiser Schrei entwich seiner Kehle. Natürlich waren das Freudentränen, wie man direkt an dem zufriedenen Ausdruck in seinem Gesicht erkennen konnte, während sich das Adrenalin in seinem Körper ausbreitete. Es war doch immer wieder ein wahnsinniges Gefühl, das mit keinem anderen vergleichbar war. Dieses herrliche Kribbeln im Bauch, der Wind, der einem um die Ohren pfiff, während die Fahrgäste kreischten und sich wie Jonouchi an der Geschwindigkeit erfreuten. Momente, in denen man alles andere vergessen konnte und einfach nur Freude an der Sache hatte. Kaiba müsste lügen, würde er behaupten, dass ihn diese Achterbahnfahrt kalt ließe.

 

Eine Kurve jagte die nächste und kurz vor Ende der Strecke wurde von den Insassen noch einmal ein Beweisfoto ihrer Anwesenheit geschossen. Nicht selten kamen dabei kuriose Gesichtsausdrücke zum Vorschein und Jonouchi beschloss, sich dieses direkt nach er Fahrt zu besorgen. Als die Bahn schließlich wieder zum Stillstand kam und sie das Fahrgeschäft verlassen hatten, musste Kaiba erneut unwillkürlich Schmunzeln. Und das schon wieder wegen dem Streuner, dessen Haare kreuz und quer in alle Richtungen abstanden. Nicht, dass seine Mähne sonst akkurat lag, aber das hier toppte die Sache um Längen. Den seltsam fremden Gesichtsausdruck bemerkte auch der Blonde und stellte ihn zur Rede.

 

„Was ist bitte so lustig?”

„Das Vogelnest auf deinem Kopf”, war die freche Antwort. Doch das ließ Jonouchi sich natürlich nicht gefallen und sah den Brünetten überlegen an.

„Vielleicht solltest du mal in einen Spiegel schauen, bevor du mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigst?”, feixte er zurück mit Blick auf Kaibas zerzaustes Haar.

 

Ja, nach so einer Fahrt geriet schon mal so einiges durcheinander, nicht nur die Haare. Doch mit wenigen Handgriffen war das Chaos auch schon wieder beseitigt, zumindest beim Firmenchef, denn bei Jonouchi war nicht viel zu retten. Zu schade eigentlich, denn mit der verwuschelten Frisur gefiel ihm der Brünette fast besser. Es machte ihn irgendwie menschlicher, wo er doch sonst immer seine unnahbare Seite zeigte.

 

Doch heute hatte er ihn tatsächlich bereits zum zweiten Mal zu einem unbeschwerten Lachen gebracht, auf seine Kosten natürlich. Aber was solls. Er war nicht unzufrieden mit dieser Tatsache. Und vielleicht schaffte er das ja auch nochmal. Jetzt wollte er jedoch erst mal das Foto abholen, auf dem sie hoffentlich gut getroffen waren. Kaiba verließ indes den Bereich der Achterbahn und gesellte sich zu seinem Bruder zurück.

 

„Und, wie war die Fahrt?”, grinste dieser ihn an.

„Unspektakulär”, war die nicht zufriedenstellende Antwort seines älteren Bruders. Natürlich war er dabei nicht ganz ehrlich. Tatsächlich hatte es auch ihm Spaß gemacht, als sie in einem Affenzahn mit der Bahn hinunter sausten und sich durch die Kurven und Loopings schlängelten. Wenn er sich an das selten dämliche Gesicht des Blonden neben ihm erinnerte, musste er gleich noch einmal darüber schmunzeln. Offenbar war der Streuner doch zu was gut.

 

Direkt nachdem er seinen Satz gedanklich beendet hatte, gesellte sich Jonouchi zu den beiden, was für Kaiba ein Zeichen war, sich auf den Weg zum Riesenrad zu machen. Als er einige Schritte entfernt war, kam der Blonde bei Mokuba an und beugte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu selbigem hinunter. In der Hand hielt er das Foto von der Achterbahnfahrt, dass er ihm nicht vorenthalten wollte. Darauf war ein Firmenchef mit komplett verwüstetem Haar zu sehen, wie er sich in die Schulterbügel krallte.

 

„Das sieht ja wie ein Vogelnest aus”, kicherte der Schwarzhaarige, während er sich witzigerweise der gleichen Wortwahl wie sein Bruder bediente, und bedachte diesen mit einem Schmunzeln. Die stechenden Blicke der beiden bemerkend drehte er sich um und gebot den Zurückgelassenen Eile. Trödelei war etwas, das er so gar nicht mochte, denn Zeit war bekanntlich Geld. Also ließ der Blonde den Schnappschuss in seiner Jacke verschwinden und sie schlossen zu dem Ältesten auf.

 

Auf ihrem Weg kamen sie an allerlei Ständen vorbei, die sowohl Naschwerk als auch deftige Speisen anboten. Hier würde er nach der nächsten Fahrt garantiert nochmal aufschlagen, da war sich Jonouchi sicher. Überall baumelten zudem diese bunt verzierten Lebkuchenherzen mit den allseits beliebten Sprüchen herum. Interessiert las der Blonde die darauf geschriebenen Worte, die wie immer mega kitschig waren.

 

„Schau mal Kaiba, da hängt ein passendes Lebkuchenherz für dich. Soll ich es dir kaufen?”, grinste Jonouchi den Brünetten frech an und deutete auf ein Lebkuchenherz mit blauer Verzierung auf dem ‘Zicke’ stand. Ob er gut finden sollte, dass es an den Ständen in seinem Park auch solche frechen Sprüche gab, musste der Brünette dabei glatt nochmal überdenken.

„Ich verzichte”, war die abschmetternde Antwort. Sein Blick glitt an der aufgezeigten Leckerei vorbei und er wurde ebenfalls fündig. “Für dich gibt es hier auch was”, deutete er ein paar Herzen weiter zu einer rot verzierten Variante auf dem ‘Feige Socke’ stand.

„Haha, sehr witzig”, grummelte der Blonde auf den Konter, mit dem ihm wieder das Geisterhaus ins Gedächtnis gerufen wurde. 

 

Der Schrecken saß noch tief. Aber spaßeshalber würde er beim nächsten Besuch Yuugi und die Anderen dort hinein locken. Immerhin kannte er jetzt die Effekte und würde sich an den Reaktionen der Anderen sicher erfreuen können. Ja, der Plan war gut. Doch jetzt mussten sie langsam weiter, denn der mahnende Blick des Brünetten sprach Bände.

 

Der gute Vorsatz währte allerdings nicht lang, als sie an einer der Schießbuden vorbeikamen. Zwar war Schießen nicht sein Fachgebiet -aus irgendeinem Grund fehlte ihm einfach die nötige Ruhe dafür und natürlich war das viel zu brutal-, aber den nebenstehenden Dosenberg würde er bewältigen können. Um es besonders spannend zu gestalten, wollte er einen kleinen Wettbewerb daraus machen. Da bot sich doch Kaiba direkt als Kontrahent an, so wie eigentlich immer. Irgendwann musste er ihn schließlich mal besiegen. Irgendwann. In irgendetwas. Ganz egal was.

 

„Hey Kaiba”, rief er den Brüdern hinterher, die gar nicht bemerkt haben, dass er stehen geblieben war. „Ich wette, ich treffe mit weniger Bällen als du”, forderte er den Firmenchef heraus. Ein Blick auf die Uhr verriet diesem, dass er eigentlich bereits ganz woanders sein wollte. Doch andererseits drängte ihn ja auch nichts. Und wenn er den vorlauten Streuner mal wieder in seine Schranken weisen konnte, wieso sollte er dieses verlockende Angebot einfach ausschlagen?

 

„Davon träumst du wohl”, war schließlich die Antwort des Brünetten, der die Herausforderung annahm. Jedoch widerstrebte es ihm, ein so banales Spiel wie Dosenwerfen dafür zu wählen. Da war ihm das Zielschießen direkt daneben doch eher gelegen. „Wir machen es so”, begann er zu erklären, „Jeder spielt eine Runde und wer zum Schluss alle Ziele getroffen hat, gewinnt.” Ja, klang fair. Beim Dosenwerfen hatte Jonouchi 3 ganze Versuche, um die Dosen umzuhauen. Kaiba hatte wiederum fünf Schuss, um die Ziele zu treffen. Also fünf Versuche, bei denen er vielleicht eher mal einen daneben setzen würde. So zumindest Jonouchis Logik.

„Also gut“, bestätigte der Blonde den Vorschlag und der Wettbewerb begann.

 

Bereits beim ersten Wurf des Blonden fielen die meisten Dosen zu Boden und nur eine einzige blieb stehen. ‘Perfekt‘, freute er sich und traf sein letztes Ziel. Innerlich jubelte er, dass er die Wette bereits gewonnen hatte und durfte sich zum Sieg eine Kleinigkeit als Preis aussuchen. Seine Wahl fiel auf einen niedlichen kleinen Schlüsselanhänger, der ihm äußerst passend als Souvenir erschien. Danach flanierte er vergnügt zum Brünetten hinüber, um ihm seinen Erfolg unter die Nase zu reiben.

 

Dieser stand direkt vor der Schießbude. Seine Körperhaltung war gerade und angespannt, während er das Luftgewehr an seine innere rechte Schulter angelegt hatte. Bereit, den ersten Schuss abzufeuern. Seine Atmung war flach und er hochkonzentriert, als er sein Ziel ins Visier nahm. Mit dem geschlossenen linken Auge konnte er Jonouchi wiederum nicht herankommen sehen. Dieser verlangsamte seinen beschwingten Schritt, als er die Anspannung des Anderen spürte, und vergaß darüber ganz seine Euphorie über den vermeintlichen Sieg. Jedoch hatte der Firmenchef bisher noch keine Kugel abgefeuert, also sollte er sich nicht zu früh freuen.

 

In dem Moment fiel der erste Schuss und traf zielsicher einen der Tonsterne an der gegenüberliegenden Wand. Während er sein nächstes Ziel ins Auge fasste, lud er in einer fließenden Bewegung die Waffe nach und legte erneut an. Er zielte und schoss. Wieder ein Volltreffer. Jonouchi war direkt beeindruckt von der Treffgenauigkeit des Brünetten. Irgendwie gab es nichts, was er nicht konnte. Wobei es ihn schon interessiert hätte, warum er so gut im Schießen war. Vielleicht war er nebenberuflich Scharfschütze und erledigte Geheimaufträge im Auftrag Ihrer Majestät oder entledigte sich so seiner Konkurrenz und lästigen Reportern. Würde irgendwie zu ihm passen.
 

 

Mit dem Blick auf Kaiba gerichtet, driftete der Blonde mal wieder in seine eigene kleine Welt ab und stellte die wildesten Theorien auf, als plötzlich noch ein dritter Schuss fiel und ihn wieder in die Realität zurückholte. Natürlich war auch dieser ein Treffer und der eben noch so sicher geglaubte Sieg rutschte in weite Ferne. Aber vielleicht ließ sich da ja noch was machen.

 

„Offenbar muss ich mich vor dir in Acht nehmen, du bist ja ein echter Sniper”, trat der Blonde näher an den Älteren heran, als der vierte Schuss fiel, und hatte dabei einen seltsam schmeichelnden Unterton in der Stimme. Der Brünette nahm das Luftgewehr von seiner Schulter und lud ein letztes Mal nach. Irgendwie kam ihm die Sache hier langsam etwas komisch vor und er wusste nicht, woran es lag.

 

Statt den üblichen Streitigkeiten, die nie lang auf sich warten ließen, war der Blonde heute so lammfromm. Zusätzlich dazu tat er ihm heute auch erstaunlich oft schön. Und das war sonst definitiv das Letzte, was ihm einfallen würde, wenn sie aufeinandertrafen. Ein befremdliches Gefühl, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte, beschlich ihn wieder und er kam einfach nicht drauf, was es sein könnte. Ohne sich etwas anmerken zu lassen von seiner gedanklichen Odyssee, antwortete er wie immer mit einem monotonen: „Keine wirkliche Herausforderung.“

 

„Ja, vielleicht hast du recht“, war daraufhin die nachdenkliche Antwort Jonouchis. So konnte er seinen Sieg vielleicht noch retten. Er hatte mal gehört, dass es sehr schwierig sein sollte, diese künstlichen Rosen zu ergattern, die in den kleinen Röhrchen steckten. Das Ziel sei relativ schmal und böte daher nicht viel Angriffsfläche. Kaiba hatte nur noch eine Kugel übrig und das wollte der Blonde für sich nutzen.

 

„Wie wäre es, wenn du versuchst, eine der Rosen zu schießen?“, deutete er auf die kleinen künstlichen Blümchen, die neben der Wand mit den Tonsternen aufgereiht waren. Dem Fingerzeig folgend, besah sich Kaiba das vorgeschlagene Ziel.

 

‘Soso, erst bringt er meinen Terminplan durcheinander, indem er einfach uneingeladen hier auftaucht, dann werde ich genötigt Achterbahn zu fahren und jetzt soll ich ihm also Rosen schenken.’ Sein Blick glitt zu Mokuba hinüber, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. 

 

Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er meinen können, dass hier gerade ein Date stattfand. Ein Blinddate im aktuellen Fall. Allerdings war es nicht ganz falsch, dass die Röhrchen der Rosen im Gegensatz zu den Tonsternen ein schwierigeres Ziel waren. Also spielte er ausnahmsweise den stillen Rosenkavalier. Natürlich nur, um sein Können unter Beweis zu stellen.

 

„Und welche soll es bitte sein?”, fragte er den Blonden, während er das Luftgewehr wieder anlegte und die potentiellen Ziele ins Visier nahm.

‘Rot, gelb, orange oder doch weiß? Die Blaue sieht auch schön aus. Vielleicht Violett?’

Die Momente vergingen und Jonouchi grübelte über diese scheinbare Belanglosigkeit als wäre es ein Mathetest.

 

„Was ist nun?”, wurde der Brünette langsam ungeduldig.

„Moment, ich habs gleich.”

Da hatte er nun die Wahl, welche Rose ihm Kaiba schießen sollte und konnte sich nicht entscheiden. Mal davon abgesehen, dass diese Situation so absurd war, dass sie ihm keiner seiner Freunde geglaubt hätte. Doch für ihn war es etwas Besonderes, auf diese bereits erwähnte und seltsam verrückte Art und Weise.

 

„Diese blass Lilafarbene da”, fiel die Entscheidung dann doch eher spontan als überlegt.

„Mauve”, bestätigte der Brünette die Auswahl, was Jonouchi empört aufbegehren ließ.

„Wer ist hier doof?”, schimpfte er beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das ist MAUVE! So heißt die Farbe”, verdrehte Kaiba die Augen und musste ob der Unwissenheit und der Reaktion des Blonden trotzdem kurz schmunzeln. 

„Oh. Achso”, blinzelte der Jüngere daraufhin und entschuldigte sich mit einem kleinlauten „Sorry.”

 

Jetzt galt es nur noch, das Objekt der Begierde auch zu ergattern. Etwas zwiespältig beobachtete Jonouchi den CEO, der sich erneut positionierte und das Luftgewehr anlegte. Einerseits hoffte er, dass er sie verfehlte, damit er siegreich aus dieser Schlacht herausgehen konnte. Auf der anderen Seite wollte er die kleine künstliche Blume jedoch nur zu gern haben. Keinen Muskel konnte er rühren, während Kaiba sein Ziel ins Visier nahm. Quälend lange Sekunden der Anspannung verstrichen, bis schließlich der Schuss fiel und ein heller Ton erklang. 

 

‘Getroffen!‘, bestätigte der Brünette sich gedanklich den Sieg.

 

„YES!”, ließ Jonouchi seinem ersten Gedanken direkt freien Lauf und freute sich über den Treffer. Ironischerweise schoss Kaiba die von ihm gewählte Rose und gewann damit ebenfalls die vereinbarte Wette. Das rief natürlich den Schützen wieder auf den Plan.

„Als wenn auch nur der geringste Zweifel daran bestand, dass ich treffen würde”, war die blasierte Aussage zu der intuitiven Reaktion des Blonden. 

 

„Natürlich. Du bist unfehlbar”, scherzte sein Gegenüber daraufhin. Die Ironie war dabei deutlich herauszuhören, doch statt auf die Aussage einen Streit vom Zaun zu brechen, war der Brünette doch recht erstaunt, dass Jonouchi sich über den Treffer freute. Immerhin war die Wette somit hinfällig. Beide gingen als Sieger und gleichzeitig als Verlierer hervor. Das erste Mal, dass es ein Unentschieden gab. 

 

Jedoch würde zumindest Jonouchi einen Gewinn einfordern können. Der Betreiber der Schießbude hob die geschossene Rose auf und hielt sie dem Blonden mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht entgegen, was Kaiba direkt wieder belustigte. Ob der Mann um die Bedeutung der Farbe wusste, konnte er nur erahnen. Vielleicht amüsierte er sich auch über die kindliche Freude des Gewinners. Der Ausdruck in seinem Gesicht sprach auf jeden Fall Bände. 

 

Der Blonde wiederum verstand nicht ganz, was es damit auf sich hatte. Er nahm die Rose mit einem verlegenen Ausdruck entgegen, wobei er selbst nicht genau verstand, woher diese Verlegenheit eigentlich rührte. Offenbar wusste der Blonde auch nicht um die Bedeutung der Farbe, sonst hätte er sicher eine andere gewählt: Mauve stand nämlich für Sehnsucht und postive geheime Wünsche. Ob das einer Tatsache entsprach, blieb für die Anwesenden allerdings ein Geheimnis.

 

Inzwischen war es Abend geworden und die Gäste verließen erstaunlich früh das Gelände des Freizeitparks. Zumindest empfand es der Blonde als früh, was ihm ein prüfender Blick auf die Uhr bestätigte.

 

„Es ist erst 17:30 Uhr und der Park ist beinahe leer”, ließ er seinen Gedanken freien Lauf und erregte damit Mokubas Aufmerksamkeit.

„Heute schließen wir früher, weil das Riesenrad noch eine letzte Testfahrt mit den ersten Insassen machen wird. Und dreimal darfst du raten, wer mitfahren wird”, grinste der Schwarzhaarige Jonouchi verheißungsvoll an, bevor sein Blick direkt darauf zu seinem Nii-sama schweifte, der nur wenige Schritte vor Ihnen lief.

 

Kurz überlegte der Blonde, bis es schließlich “Klick” machte und er verstand, dass ihm diese Ehre ebenfalls zuteil werden würde. Seine Augen begannen erneut zu leuchten und die Freude stand ihm wie so oft am heutigen Tag ins Gesicht geschrieben. Riesenrad fahren war im Allgemeinen zwar eher was für verliebte Pärchen und Familien, aber er liebte den wunderbaren Ausblick auf die Stadt einfach.

 

Dass er und Kaiba in keine dieser Sparten passten, war ihm selbstverständlich klar. Jedoch störte er sich daran eher wenig, da er tatsächlich so irgendwie zumindest und auch nur ein kleines Bisschen für diesen selbstgefälligen Firmenchef übrig hatte. Es war... wie sollte man es ausdrücken… kompliziert. Doch er musste zugeben, dass die zufällige Begegnung mit Mokuba das Beste war, was ihm heute passieren hatte können.

 

Die Zeit, die er mit dem Älteren verbracht hatte, war angenehm und witzig gewesen und hatte ihm andere, bisher unbekannte Seiten am Älteren aufgezeigt. Da war dieses unglaubliche Lächeln, das er bei ihm noch nie gesehen hatte. Wo er ihn sonst immer nur für seine Art der Herangehensweise belächelte und aufzog, war es diesmal dagegen so völlig anders. 

 

Einige kurze Momente durfte er hinter die Fassade des sonst so gefassten Firmenchefs blicken. Eine Seite an ihm, die sonst bestimmt nur Mokuba zu Gesicht bekam, wenn überhaupt. Kurz bemerkte er, dass sein Herz einen unerwarteten Satz machte, während er sich an diese Szenen zurückerinnerte.

 

Auch die Geschichte seines Bruders ging nicht ganz so spurlos an ihm vorbei, wie er es sich gewünscht hatte, und regte ihn zum Nachdenken an. Heute war Kaibas Geburtstag, den er selbst nie richtig feiern hatte können. Statt sich einen Tag frei zu nehmen, ging er lieber arbeiten. Festgefahren in seinen Gewohnheiten spielte er das Protokoll wie in jedem Jahr ab. Wieder und wieder. 

 

Doch was vergangen war, konnte nicht mehr geändert werden. Die Gegenwart jedoch war wandelbar. Wieder spürte er ein unerwartetes Gefühl, dass ihm einen Stich versetzte. Nein, niemand sollte seinen Geburtstag so verbringen müssen. Auch nicht Seto Kaiba.

 

Natürlich war Jonouchi klar, dass er das nicht ändern konnte. Immerhin ließ sich der Jungunternehmer von ihm bekanntlich nichts sagen. Das beruhte wie immer auf Gegenseitigkeit, wie er nur zu gut wusste. Aber manchmal brauchte man einfach mal einen Stups in die richtige Richtung.

 

Sie kamen an einigen Ständen vorbei, die gerade ihre letzten Köstlichkeiten ordentlich verstauten und sich auf die morgige Eröffnung vorbereiteten. Kurz blieb der Blonde gedankenverloren stehen und wandte sich dann an Mokuba, der ebenfalls wenige Schritte später kurz stehen blieb und Jonouchi fragend ansah.

 

„Ihr geht jetzt direkt zum Riesenrad, oder?”

Ein Nicken vom Schwarzhaarigen diente als Antwort.

„Gut. Das ist groß genug. Das werde ich einfach finden. Ich komme gleich nach”, lächelte er den Jüngeren an und rannte den Weg, den sie gerade gekommen waren, zurück.

 

Mokuba wiederum schloss zu seinem Bruder auf.

„Was hat er denn jetzt schon wieder für einen Floh im Ohr?“, bewertete dieser die plötzliche Abwesenheit des Blonden in einem desinteressierten Ton.

„Wenn ich das nur wüsste…“, grübelte der Jüngere. Dabei drängte sich ihm eine weitere Frage auf.

„Nii-sama”, begann er den Satz nachdenklich, „Weißt du eigentlich, wann Jonouchi Geburtstag hat?”

Etwas verwundert über diese Frage sah er ungläubig zu seinem Bruder hinüber und antwortete uneindeutig mit einer Gegenfrage: „Warum willst du das wissen?”

„Ach, nur so…”, ließ Mokuba die Sache auf sich beruhen. Offenbar wollte sein Bruder nicht direkt darauf antworten. 

 

Irgendwie waren die Aussagen und das Benehmen der beiden seltsam. Jonouchi wusste, dass sein Bruder heute Geburtstag hatte. Ob er deswegen zugestimmt hatte, mitzukommen? Immerhin brachte er seinen Bruder zum Lachen, wie er ihn lang nicht mehr lachen gehört hatte. Und Seto ließ sich untypischerweise darauf ein, obwohl er offensichtlich nicht mal wusste, welcher Tag heute eigentlich war. So oder so war es eine sehr befremdliche Situation. Die Sache beschäftigte den Schwarzhaarigen noch den restlichen Weg zum Riesenrad.

 

Dort angekommen, nahmen sie es direkt in Betrieb. Stück für Stück leuchteten die Lichter an den Trägern auf und tauchten den Platz zusätzlich zur untergehenden Sonne in ein buntes Farbenmeer. Das Gestell wurde in Bewegung gesetzt, sodass eine der Gondeln direkt vor ihnen zum Stehen kam, bereit, seine ersten Fahrgäste mit sich in die höchsten Höhen zu nehmen.

 

In dem Moment bog der Blondschopf um die Ecke und erntete von Mokuba neugierige Blicke. Diese bemerkend schwieg er sich jedoch über seinen kurzen Ausflug aus und grinste ihn nur freudig an. Stimmte ihn jetzt die bevorstehende Fahrt mit dem Riesenrad fröhlich oder war es doch etwas Anderes? Es war aus seinem Blick jedenfalls nicht herauszulesen.

 

Indes öffnete Kaiba die Tür der vor ihm stehenden Gondel.

„Was ist? Wollt ihr da Wurzeln schlagen?”, wandte er sich an die beiden, die sich offenbar nonverbal zu unterhalten schienen.

„Ich wäre soweit”, kam ihm der Blonde entgegen und nahm in der großen Gondel Platz. Ein fragender Blick schweifte zu Mokuba, der jedoch kopfschüttelnd ablehnte.

 

Er wollte unten bleiben und noch ein paar "Besorgungen" machen. Dabei lächelte er seinen Bruder verschmitzt zweideutig an. Was dieser ihm damit sagen wollte, wusste der Ältere nur allzu gut. Dennoch erwiderte er nur mürrisch:„Pass auf, dass deine Fantasie nicht mit dir durchgeht. Ich finde deine Hypothesen mehr als besorgniserregend.”

 

„Wenn du das sagst, Nii-sama”, antwortete der Jüngere kichernd, während er zu Jonouchi hinüber schielte. Ein genervtes Seufzen war vom Brünetten zu hören, da er genau wusste, dass er seinen Bruder von diesem Hirngespinst nicht befreien konnte. Sicher, der Tag war unerwartet angenehm verlaufen, obwohl der Blonde in seiner Nähe war. Oder viel mehr gerade weil ebendieser dabei war, aber das würde er wohl kaum zugeben.

 

Also betrat er die Gondel, schloss die Tür und setzte sich auf die freie Bank gegenüber seines Fahrgastes. Direkt darauf setzte sich das Riesenrad in Bewegung, sodass die Gondel leicht ins Schwanken geriet und langsam aufstieg. Die Abenddämmerung setzte bereits ein und gewährte ihnen einen atemberaubenden Ausblick über Domino City.

 

Langsam verschwand die Sonne hinter dem weiten Horizont und tauchte den Himmel in ein wunderbares Abendrot umgeben vom flammenden Wolkenmeer. Aus den kleinen Gebäuden der Stadt wurden schleichend schwarze Silhouetten, deren finstere Schatten die Straßen verschlangen, um schließlich in der Dunkelheit zu verschwinden. Das Riesenrad überwand mühelos sämtliche Höhe und ließ seine Insassen die Wärme der Sonnenstrahlen an diesem goldenen Oktobertag genießen.

 

Verträumt schaute der Blonde in die Ferne während Kaiba ihm mit verschränkten Armen stillschweigend gegenübersaß. Doch die Stille zwischen ihnen war keinesfalls unangenehm, sondern eher ungewohnt, wo sie doch sonst so lautstark und leidenschaftlich in ihre Streitereien vertieft waren. Generell empfand er die Anwesenheit des Blonden wie bereits erwähnt heute nicht wirklich als lästig, denn so ungern er es auch zugab: Es hatte einfach Spaß gemacht, zusammen mit ihm durch den Park zu laufen und die verschiedenen Attraktionen auszuprobieren. 

 

Mehr als einmal huschte ein Schmunzeln über seine Lippen, ausgelöst durch die Anwesenheit des Anderen. Wenn er ehrlich war, beneidete er ihn insgeheim um dessen Sorglosigkeit, die er immer an den Tag legte. Er meisterte beharrlich die schwierigsten Situationen, indem er einfach aus dem Bauch heraus Entscheidungen zu treffen schien , während Kaiba selbst stets berechnend an die Sache heranging.

 

Ohne weiter darauf zu achten und noch immer die Worte seines Bruders im Ohr, ließ er seinen Blick zu seinem Gegenüber schweifen, der die Faszination der Abenddämmerung förmlich in sich aufsog. Durch die hellen Sonnenstrahlen begannen dessen Haare in einem wunderbaren Goldton zu schimmern. Seine honigfarbenen Augen erhielten in diesem schwindenden Licht eine bisher unbekannt schöne, rötliche Färbung und ließen sie gleich den Wolken wie eine Flamme lodern. 

 

Dieses Feuer, das Katsuyas Leidenschaft entfesselte, mochte der sonst so kühle und beherrschte Firmenchef insgeheim an ihm. Es gab sogar Tage, an denen er ihn bewusst provozierte, um sich an diesen um sich greifenden Funken das kalte Herz zu wärmen.

 

Verloren in seinen eigenen Gedanken fiel ihm nicht auf, dass sich Jonouchi bereits von der eindrucksvollen Aussicht abgewandt hatte und ihn interessiert ansah. Doch obwohl sie einander anschauten, trafen sich ihre Blicke nicht, fast so als würde der Brünette durch ihn hindurchsehen. Eine Situation, die der Blonde bisher auch noch nicht bei ihm erlebt hatte.

 

Sein Gegenüber schien offenbar in seinen Gedanken versunken zu sein. Die Tatsache, dass er dabei zu ihm hinübersah, warf wiederum die Frage auf, ob diese vielleicht sogar ihm galten. Zu gern würde er es in Erfahrung bringen, ihn einfach danach fragen. Jedoch brachte er kein Wort über seine Lippen und fixierte ihn stattdessen wie gebannt. 

 

Nur wenige Augenblicke später löste der Brünette den starren durchdringenden Blick, mit dem er seinen Gegenüber besah, und schaute unvermittelt in dessen leuchtende Augen, in denen sich noch immer das Abendrot widerspiegelte. Dieser Moment hielt bereits einige Sekunden an, ohne dass beide ein Wort darüber verloren, was in ihnen vorging. Je mehr Zeit verstrich, umso schwieriger wurde es, diese Situation zu erklären, das wussten sie beide nur zu gut.

 

Statt sich jedoch abzuwenden, schlich sich ein leichtes Schmunzeln in das Gesicht des Blonden. Sein Blick war freundlich und die sonst so lodernden Flammen strahlten eine wohlige Wärme aus. Ihre Gondel hatte bereits den höchsten Punkt erreicht und das Riesenrad kam zum Stehen. Das war der Moment, in dem die Fahrgäste normalerweise die Aussicht in vollen Zügen genießen konnten und Jonouchi beschloss, diesen Stillstand zu nutzen.

 

„Weißt du Kaiba, eigentlich sind wir uns gar nicht so unähnlich”, durchbrach er die Stille und ließ den Firmenchef aufhorchen. „Die Art wie du diesen Tag heute verbringst, erscheint mir zwar seltsam, aber ich kenne das Gefühl nur allzu gut, am Ende des Tages allein am Tisch zu sitzen. Ohne Freunde, mit denen die Zeit wie im Flug vergeht. Ohne Familie, mit der man sich vergnügt unterhalten kann. Ohne liebevoll verpackte Geschenke oder ein warmes selbstgekochtes Abendessen.”

 

Verträumt, als würde er sich an etwas Vergangenes erinnern, schweifte sein Blick über den menschenleeren Freizeitpark, der seine Pforten bereits geschlossen hatte. Nur sie waren noch übriggeblieben und fuhren ihre einsame Runde zu zweit.

„Jedoch kann ich dir sagen, dass es nie zu spät ist, das noch zu ändern. Wir sind keine Kinder mehr und bestimmen unser Leben selbst.”

 

Er seufzte kurz auf, erhob sich von seinem Platz und kramte in seiner Jackentasche, während Kaiba ihn stillschweigend beobachtete. Auch ihm war bewusst, dass er den Jüngeren einige, vielleicht sogar verhängnisvolle, Sekunden zu lang angestarrt hatte. Da dieser jedoch als erster das Wort ergriffen hatte, beschloss er, sich dazu nicht weiter zu äußern und ließ alles Folgende einfach auf sich zukommen.

 

Im nächsten Moment holte Jonouchi ein kleines durchsichtiges Beutelchen hervor. Darin befanden sich drei mit weißer Schokolade glasierte Erdbeeren niedlich verpackt mit einer blauen Schleife an der ein kleiner Anhänger in Form eines Blauäugigen Weißen Drachen hing, die es an den hiesigen Ständen zu gewinnen gab.

 

„Happy Birthday, Kaiba. Ich hoffe, du hattest heute einen wundervollen Geburtstag”, lächelte er den Brünetten warmherzig an und überreichte ihm das kleine Präsent. 

 

In dem Moment setzte sich das Riesenrad wieder in Bewegung und die Gondel wurde mit einem Ruck nach vorn befördert. Nicht vorbereitet auf diese plötzliche Bewegung, verlor der Blonde das Gleichgewicht und kippte direkt in die Arme seines Gegenübers. Ein kurzer Moment der Stille folgte, bis Jonouchi begann sich wieder aufrappeln.

 

„Und da ist die Stimmung dahin”, witzelte der Blonde kaum hörbar mit einem ironischen Unterton über den ungeplanten Sturz. Als wolle ihn das Schicksal Lügen strafen, wurde Katsuya aus seinen eben noch laut ausgesprochenen Gedanken gerissen und ärgerte sich direkt über über seine ehrlichen und aufrichtigen Worte, die er Kaiba so unverblümt darlegte, ihm seine Meinung damit aufzwang und ihn augenscheinlich eines Besseren belehren wollte.

 

Zudem noch die Tatsache, dass er ihm dieses unnütze Geschenk überreichen wollte, welches er soeben quer durch die Luft geschleudert hatte bei seinem Sturzflug. Dabei wusste er genau, dass sich Kaiba alles kaufen konnte, was er wollte. Was sollte er da mit diesen Süßigkeiten, die er sich auch selbst an jedem der Stände hier holen hätte können?

 

Garantiert würde der Brünette auch mit der Entscheidung, seinen Geburtstag nicht zu feiern, glücklich oder wenigstens zufrieden sein, sonst hätte er es doch längst geändert. Dieser Annahme folgend, stieß er sich resignierend von Kaibas Sitzbank ab und seufzte ein entschuldigendes „Sorry“ zu eben jenem.

 

Dieser reagierte jedoch gar nicht darauf und beugte sich stattdessen in einer fließenden Bewegung nach vorne, um das kleine Beutelchen mit den Erdbeeren darin aufzuheben. Die Glasur hatte einige Risse bekommen und bröckelte bereits an manchen Stellen ab. Die Verpackung war zerknittert und der Anhänger lag am Boden, da er sich von der Schleife gelöst hatte. Auch diesen hob der junge Firmenchef auf. Da die Gondel bisher nur von den beiden betreten worden war, hatte der Drache weder Schaden genommen noch war er schmutzig geworden.

 

Es stimmte. Heute war tatsächlich sein Geburtstag, bei dem er nach wie vor keinen Wert darauf legte, ihn zu feiern. Dass der Streuner ihm ausgerechnet an seinem Ehrentag über den Weg lief, hatte er wohl Katsuyas sogenannter Fortuna zu verdanken. 

 

Kaiba besah sich das ungewöhnliche Geschenk des Blonden, welches einige Blessuren davongetragen hatte. Sicherlich war es nichts herausragend Spektakuläres, beinahe sogar wertloser Plunder, den man an jeder Ecke geschenkt bekam oder kaufen konnte, jedoch war es gleichzeitig eines der wenigen Geburtstagsgeschenke, das mit einem ehrlichen Wunsch verpackt worden war und vermutlich tatsächlich von Herzen kam. Mokubas Geschenke natürlich ausgenommen. 

 

Dass es wiederum ausgerechnet von dem Bonkotsu stammte, gab ihm einen Denkanstoß in eine völlig neue Richtung. Sollte Mokuba doch recht gehabt haben? Er kannte die Antwort auf diese Frage nicht. Jedoch wollte er sich bemühen, diese auf schnellstem Weg zu finden. 

 

Also öffnete er den Knoten der Schleife an der kleinen Verpackung und ließ sie achtlos zu Boden gleiten. Aufmerksam und ebenso gebannt von dessen Tun beobachtete Jonouchi dabei jede noch so kleine Bewegung des Anderen, während die Gondel ihren tiefsten Punkt passierte und sich erneut auf dem Weg nach oben zurück in die letzten verbliebenen Strahlen der Sonne machte.

 

Bedächtig, als wäre es etwas Zerbrechliches, nahm Kaiba sich eine der süßen Früchte heraus und begutachtete sie, als sich erneut ein Stück des weißen Überzugs löste und zu Boden fiel. Bevor sich jedoch noch mehr der süßen Glasur verabschieden konnte, ließ er die kleine Köstlichkeit in seinem Mund verschwinden. Jonouchi konnte wiederum seinen Blick nicht von dieser unglaublichen Szene abwenden. Zweifel und Bedenken, die ihn eben noch geplagt hatten, waren auf einmal wie weggeblasen und als die Erdbeere in Kaibas Mund verschwand, löste er sich aus seiner Starre, um blindlings einzugreifen.

 

„Warte, du musst das nicht essen. Sie ist sicher scheußlich. Ich meine, die sind auf den Boden gefallen und total zerbröckelt...“, begann er überstürzt zu sprechen und hätte am liebsten verhindert, dass sich der Firmenchef eine weitere Erdbeere genehmigte, die er bereits aus dem Beutelchen fischte. Jedoch war diese nicht für ihn selbst gedacht, wie der Blonde direkt darauf feststellen musste, da sie direkt in seinem Mund landete und so seine Einwände im Keim erstickte.

 

„Ich verstehe gar nicht, was dich zu dieser Annahme verleitet. Sie schmecken fantastisch. Zudem bin ich nicht gewillt, Essen zu verschwenden, nur weil es weniger ansehnlich ist“, war darauf die gespielt nüchterne Aussage des Brünetten. Auch wenn er sich jetzt unbeeindruckt zeigte, so wusste Jonouchi doch direkt, dass es eben nicht so einfach dahergesagt war. Wäre es unbedeutend, hätte er ihn damit aufgezogen oder die Süßigkeiten einfach entsorgt.

 

Stattdessen machte er sich die Mühe, sie aufzuheben und zu kosten, wohlwissend wie sie schmeckten. Immerhin war das sein Freizeitpark und es wäre ein Unding, wenn er nicht wenigstens einmal etwas von einem Süßigkeitenstand probiert hätte. Das allein hinterließ bei Jonouchi bereits ein Gefühl der Bestätigung, ihm offenbar doch etwas Gutes damit getan zu haben, und ließ ihn die letzten Zweifel abschütteln.

 

„Danke“, fügte der Brünette nach einer kurzen Pause an und er konnte sichtlich erkennen, wie dem Blonden beinahe das letzte Stückchen der Erdbeere im Hals stecken blieb. Wenn er in seinem Leben alles erwartet hätte, so kam dieses Danke aus dem Mund des Anderen für ihn mehr als überraschend.

 

Wiedereinmal bestätigte es ihm, dass er es nicht bereuen musste, auf sein Bauchgefühl gehört zu haben. Denn auch wenn es der Herr Firmenchef nicht direkt zeigte, unabhängig davon ob er es nicht konnte oder wollte, wusste Jonouchi dennoch um die Bedeutung in dessen Worten, was er dem Brünetten auch direkt mit einem warmherzigen Lächeln bestätigte. Daraufhin erhob sich Kaiba von seinem Platz und stand nun unmittelbar vor dem Blonden, dem er sich langsam mit einer verheißungsvollen Absicht näherte. 

 

Just in diesem Moment stoppte die Gondel und Mokuba riss nur Sekunden später euphorisch die Tür auf.

„Willkommen zurück!“, begrüßte er sie und besah sich das äußerst interessante Bild, das sich ihm dabei bot: Jonouchi in den Armen seines Nii-sama, während die Gondel langsam hin und her schaukelte. 

 

Denn durch den plötzlichen Stopp des Riesenrads, auf den keiner der Insassen vorbereitet war, verloren sie beide das Gleichgewicht. Während sich Kaiba dabei gerade noch an der Halterung neben der Tür festhalten konnte, fiel der Blonde, ohne die Möglichkeit sich abzufangen, nach hinten und wäre auf der harten Sitzbank gelandet, hätte ihn Kaiba nicht noch im Flug an sich gezogen.

 

„Okay…“, ließ der Schwarzhaarige mit einem interessanten Unterton in der Stimme verlauten und besah sich diese einmalige Szene. Verlegen setzte Jonouchi dazu an, sich aus der Umarmung des Anderen zu befreien und die Situation aufzuklären. Jedoch verwehrte Kaiba ihm diese Möglichkeit indem er zuerst das Wort ergriff und den zappelnden Welpen weiterhin festhielt.

 

„Wir fahren noch eine Runde“, ließ er kurzerhand verlauten und schloss die Tür der Gondel wieder, während er von Jonouchi dafür nur ein irritiertes “Was?“ erntete. Sie waren doch gerade erst wieder unten angekommen. Warum wollte er denn jetzt nochmal fahren?

 

In dem Moment bemerkte er, dass sich das Riesenrad erneut in Bewegung gesetzt hatte und sie wieder nach oben fuhren. Auf dem Weg dorthin setzte der Blonde erneut zu einem Gespräch an: „Noch eine Runde? Hast du heut nicht noch was Wichtigeres vor?” Natürlich spielte er auf Kaibas Geburtstag an, den er ihm kurz zuvor wieder ins Gedächtnis gerufen hatte. Das nutzte der Brünette wiederum direkt, um eine Gegenfrage zu stellen ohne auf Jonouchis zu antworten.

 

„Du weißt also, dass ich heute Geburtstag habe. Hat dir das Mokuba verraten?”

Interessiert sah er zu dem Blonden hinüber, der ihn etwas verwundert anblinzelte, sich jedoch im selben Moment wieder fing.

„Hat er nicht. Das weiß ich auch so”, war die überraschende Antwort, während ein wissendes Grinsen seine Mundwinkel zierte. 

 

Zugegeben, auch Kaiba wusste das Geburtsdatum des Anderen, was jedoch nicht bedeutete, dass er ihm jemals an diesem Tag gratuliert hätte. Er wusste es einfach, während er seinen eigenen Geburtstag wiederum regelmäßig vergaß. Ganz im Gegensatz zu Mokuba und offenbar auch Jonouchi. Eine interessante Tatsache, wie er fand.

 

„Überrascht?”, hakte der Jüngere nach, während er den Kopf etwas schief legte.

„Vielleicht”, war die uneindeutige Antwort des Gefragten, der das freche Schmunzeln erwiderte. Erneut näherte er sich mit unverkennbaren Absichten, streckte seine Hand aus und vergrub sie in der blonden Mähne. Jonouchi wiederum ließ es einfach geschehen und schloss langsam seine Augen, als plötzlich ein Klingelton durch die Gondel schallte und diesen magischen Moment ein weiteres Mal unterbrach. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck hielt Kaiba inne und holte sein Handy aus der Tasche, um den Namen des Störenfrieds zu lesen: Mokuba. Er liebte seinen Bruder, keine Frage. Aber sein Timing war gerade mehr als miserabel.

 

„Willst du da nicht ran gehen? Scheint wichtig zu sein”, grinste ihn der Blonde verschmitzt an. Etwas zerknirscht schaute der Firmenchef auf sein Handy und nahm den Anruf schließlich entgegen. In dem Moment schnappte sich Jonouchi die letzte verbliebene Erdbeere, die sich noch immer in dem transparenten Beutelchen in Kaibas Hand befand, und schob sie in den Mund seines Gegenübers, während er ihm das Handy aus der Hand nahm.

 

„Mokuba?”

„Jonouchi-kun? Was ist mit Seto?”

„Isst grad beschäftigt. Soll ich ihm was ausrichten?”**

„Ah, okay... Ich habe gerade eine Torte besorgen lassen. Lasst euch also nicht zu viel Zeit”, feixte der Jüngere in das Handy.

„Alles klar, bis gleich”, beendete Jonouchi das Telefonat und konnte sich ein Schmunzeln ebenfalls nicht verkneifen, als er sich zu dem Besitzer des Handys wandte und es ihm wieder in seine Hand legte.

„Es gibt Torte. Wir sollen nicht so lange rumtrödeln”, waren die wohl gewählten Worte des Blonden, womit er den Firmenchef gleich noch ein wenig damit aufziehen konnte, dass er es wohl heute nicht mehr schaffte, zum Punkt zu kommen. 

 

Ganz unrecht hatte er damit nicht, denn es war heute bereits das zweite Mal, dass er sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen konnte. Allein die Tatsache, dass er sich überhaupt dazu hinreißen ließ, erstaunte ihn wohl mehr als jeden anderen, wie es an Jonouchis und Mokubas Reaktionen zu erkennen war.

 

Das Riesenrad befand sich bereits wieder auf dem Weg nach unten und in Kürze würden sie die Gondel wieder verlassen. Noch immer mit einem Schmunzeln im Gesicht trat der Blonde einen Schritt an den Älteren heran, streckte seine Hand nach ihm aus und berührte flüchtig dessen Lippen. Nur kurz und kaum spürbar. Ein Blick auf die Hand des Blonden zeigte ihm ein kleines Stück weiße Schokolade, das durch den vorangegangenen Erdbeer-Überfall an seinem Mund hängen geblieben sein musste. 

 

Im nächsten Moment ließ er das kleine Überbleibsel mit einem genüsslichen Ausdruck zwischen seinen Lippen verschwinden, kurz bevor das Riesenrad zum Stillstand kam und somit ihre Fahrt beendete. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, öffnete Jonouchi die Tür der Gondel und ließ den überrumpelten Firmenchef darin zurück.

 

„Was ist? Kommst du?“, rief ihm der Blonde zu, als er bereits ein paar Schritte entfernt war und bedachte den Zurückgelassenen mit einem verschmitzten Ausdruck auf den Lippen. 

 

Ja, warum eigentlich nicht? Heut war sein Geburtstag, er hatte ein unerwartetes Geschenk bekommen und zusammen mit Jonouchi einen, wie er schließlich zugeben musste, tollen Tag verbracht. Sein Blick fiel auf den Blonden, der ihn erwartungsvoll ansah und noch immer auf ihn sowie eine Antwort wartete. Ein Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. Natürlich. So sollte ein Geburtstag wohl sein. Also... 

 

„Nagut, dann lass uns Torte essen gehen”, war die bestätigende Antwort, als er ebenfalls die Gondel verließ und zum Blonden hinüber ging. 

Einen ersten Schritt auf ihn zu. 

Auf dem ungewissen Weg zu etwas Neuem.

 

 

Ende

 

 

* Ein Wink zu der damaligen Serie ‘Hallo! Kurt’. Im Original heißt er wiederum Spank, woraus sich das ‘Ohayō! Supanku’ (おはよう!スパンク), zu deutsch ‘Guten Morgen! Spank‘ ergibt.

 

** Das “Isst” dient als beabsichtigtes Wortspiel zum Schmunzeln beim Lesen ;) 

A Christmas Carol

„Hohoho!“, schallte es durch die Gänge des Flughafens und brachte viele Kinderaugen zum Leuchten. Überall erstrahlten bunte, helle Lichter, Glöckchen klangen an jeder Ecke und verkündeten den Beginn der schönsten Zeit im Jahr: Weihnachten! In nur wenigen Tagen würden die Menschen endlich ihre lang erwarteten Geschenke auspacken können, gemütlich mit ihren Liebsten eine Weihnachtsgans essen und die besinnlichen Feiertage zusammen genießen. So, wie es jedes Jahr die Tradition hier in Amerika verlangte. Ein Tradition, die Seto Kaiba, seines Zeichens Workaholic, so nicht nachvollziehen konnte. Auch Mokuba war immer begeistert von der Weihnachtszeit. Vor Wochen hatte dieser ihn quasi angebettelt, wenigstens über die Feiertage nach Hause zu kommen. Wobei „Feiertage“ wohl nicht das richtige Wort dafür war. Denn in Japan hatten lediglich die Schüler und Studenten aufgrund des bevorstehenden Jahreswechsels zwei Wochen Ferien. 

 

Alle anderen konnten sich auf dem Weg zur Arbeit wenigstens an den mit bunten Lichtern geschmückten Bäumen und Geschäften erfreuen. Außerdem war es eher ein Fest für Paare, die sich an diesen Tagen zu Dates verabredeten, ähnlich dem Valentinstag, jedoch bei Weitem nicht so gefühlsträchtig wie hier. Daher war er schon fast dankbar, dass er dieses bunte Weihnachtsfiasko bald hinter sich lassen und wieder nach Japan fliegen konnte. 

 

Sein Privatjet stand bereits abflugbereit auf der Rollbahn und erwartete ihn. Es würden ihm mehrere Stunden Flug über Nacht bevorstehen und auch wenn er sicher schneller gewesen wäre, wenn er selbst am Steuer gesessen hätte, so überließ er es diesmal doch seinem Piloten. Die Sache mit dem Jetlag spielte dabei ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle, denn der Start des Fluges war am Nachmittag des 23. Dezember angesetzt, damit er ca. 14 Stunden später zum Heiligabend in Domino City ankommen würde. Bei seiner Familie. Bei Mokuba. Und dann... dann gab es da noch jemand anderen. Ein Anflug von Sehnsucht bewegte sein Gemüt und rief eine kleine, aber unvergessene Erinnerung an eine Person hervor, die er vor einem Jahr in Domino zurückgelassen hatte.

 

Es war ein Tag im Dezember und sie waren zusammen in der Stadt unterwegs. Sie, das waren Seto Kaiba, sein jüngerer Bruder Mokuba und seit einiger Zeit auch Katsuya Jonouchi. Letzterer war seit knapp einem Jahr öfter in Begleitung des Firmenchefs anzutreffen und natürlich stieß das gerade in seinem Freundeskreis auf Verwunderung oder wie in Hondas Fall auf pures Entsetzen. Doch wie hieß es so schön: Was kostete die Welt? Sollten Sie ihm das zum Vorwurf machen? Sicher nicht. Und nach der Schulzeit spielte es ohnehin kaum noch eine Rolle, da jeder seinen eigenen Weg ging. 

 

Auch für den Brünetten änderten sich einige Dinge. Der Alltag, den er nun, nachdem die Schule beendet war, gänzlich mit Arbeit verbracht hätte, teilte er, wann immer es die Zeit zuließ, mit den beiden Menschen, die ihm am wichtigsten waren. Ein für ihn schmaler Grat, denn die Kaiba Corporation fraß nicht gerade wenig seiner kostbaren Zeit. Das klassische Prinzip und zugleich der größte Nachteil an der Selbstständigkeit. Doch das Paar arrangierte sich so gut es ging. Immerhin hatte auch Jonouchi sein Pläne, die er verwirklichen wollte. Sehr zur Freude von Mokuba, wie sich zeitnah herausstellte. 

 

Dieser Tag barg jedoch eine besondere Erinnerung für den Firmenchef. Der Vormittag verging wie so oft arbeitsam für die drei. Mokuba war in der Schule, Kaiba in der Firma und Jonouchi in der Konditorei, wo er im Sommer seine Ausbildung angefangen hatte. Am späten Nachmittag entführte der Jüngste die beiden anderen zu einer direkt für die Wintertage angelegte Eislaufbahn in der Nähe des Einkaufszentrums. So konnte man natürlich auch potentielle Kunden anlocken, die vielleicht noch ein paar weihnachtliche Besorgungen zu erledigen hatten.

 

Das passende Paar Schlittschuhe konnte direkt neben der Bahn ausgeliehen werden, was der Firmenchef sofort in Angriff nahm. Am Eingang zur Eisfläche war ein großer Torbogen aufgestellt, der mit allerlei Tannengrün verziert war und in dessen Mitte in luftiger Höhe ein Mistelzweig hing. Nur wenige begingen jedoch die Tradition, sich darunter einen Kuss zu schenken. Entweder, weil sie es schlicht und ergreifend nicht wussten oder weil sie sich in der Öffentlichkeit genierten. Mokuba, der um dessen Bedeutung wusste, fiel die vielsagende Dekoration gleich ins Auge. 

 

„Katsuyaaaa, schau mal da oben“, deutete er auf den mit einer roten Schleife verzierten Zweig und sah den Blonden verheißungsvoll an.

Dem Fingerzeig folgend bemerkte nun auch Jonouchi diese nicht unbedeutende Kleinigkeit. Direkt darauf spürte er Mokubas Ellenbogen in seiner Seite, während dieser ihn mit einem verschmitzten Lächeln bedachte. Dieser kleine Spitzbub war auch um nichts verlegen und eben diese Tatsache rief auf den Wangen des Blonden eine deutliche Verlegenheit hervor. 

„Hör schon auf“, winkte er ab und fragte sich, was in den Köpfen der Jugend heutzutage nur vorging. Dennoch wäre es irgendwie schön gewesen, sich einen romantischen Kuss darunter zu schenken, so wie alle anderen Paare es eben auch taten. Eigentlich das Normalste der Welt.

„Außerdem“, begann er den Satz etwas niedergeschlagen, „bezweifle ich, dass dein Bruder große Lust auf ein Outing in aller Öffentlichkeit hätte.“

 

Der bedeutungsschwangere Tonfall in Katsuyas Stimme fiel auch dem Schwarzhaarigen auf. Doch noch bevor er sich weitere Gedanken dazu machen konnte, wurde er von seinem Bruder aus selbigen herausgerissen.

„Hey, ihr beiden! Was macht ihr da?“, wollte er aufgrund der seltsamen Stimmung zwischen ihnen wissen. Vielleicht war genau das die Chance für Mokuba, die vertrackte Situation zu kitten.

 

„Seto, weißt du, dort ob…“, begann der Schwarzhaarige den Satz euphorisch, wurde jedoch sogleich unterbrochen.

„Nichts! Wir machen rein gar nichts!“, schnitt Jonouchi ihm regelrecht das Wort ab und lenkte die Aufmerksamkeit um. 

„Los, lasst uns eine Runde fahren! Die Sonne ist bereits untergegangen und bald ist es Zeit zum Abendessen“, fügte er hinzu, als er seinem Liebsten die Schlittschuhe aus der Hand nahm. Er zog sich in Windeseile die Schuhe um und verschwand eiligst auf die Eisfläche. 

 

Etwas ungläubig schaute der Brünette zu seinem Bruder hinüber, der nur mit den Schultern zuckte. Offenbar sollte diese Mistelzweiggeschichte ein Geheimnis bleiben. Nagut, wenn er es so wollte. Kurz darauf gesellten sich die beiden Geschwister ebenfalls auf die Schlittschuhbahn. Da die Dunkelheit bereits hereinbrach, schalteten sich die ringsherum angebrachten Lichterketten mit ihren großen Glühbirnen ein und verliehen dem Platz eine gemütliche Atmosphäre. 

 

Viele rückten aufgrund dieser romantischen Stimmung ein Stück näher zusammen und fuhren gemeinsam über die Eisfläche. Gern hätte sich auch der Blonde näher an den anderen geschmiegt, aber sie waren hier nicht allein und sein Liebster definitiv kein Unbekannter. Also vermied er jeden überflüssigen Körperkontakt, was nicht unbemerkt blieb.

„Was ist los?“, wollte Seto wissen und bewegte den Blonden dazu anzuhalten.

„Nichts“, war die knappe Antwort darauf, ohne das er dabei Blickkontakt aufnahm.

„Für nichts, scheint es dich aber sehr zu beschäftigen.“

Doch Jonouchi reagierte auf die Feststellung nur mit einem Schulterzucken. Ein Moment der Stille folgte zwischen dem Paar, das nach außen hin keines zu sein schien. Kurz darauf setzte sich der Blonde mit den Worten „Ich fahre eine kurze Runde. Bin gleich zurück.“ in Bewegung und fuhr davon. Ja, er benahm sich heute mehr als seltsam. Was ging da schon wieder in seinem kleinen Köpfchen vor sich? 

 

Plötzlich erregten die Stimmen von zwei Schülerinnen, die nur wenige Meter entfernt standen, Kaibas Aufmerksamkeit. Gekicher und verlegene Blicke wurden unter den beiden ausgetauscht, während sie jemanden am Eingang der Eislaufbahn beobachteten.

„Hast du das gerade gesehen?“

„Ja, die haben sich wirklich geküsst!“

„Hach, das ist sooo romantisch, aber irgendwie auch ziemlich peinlich.“

„Ach komm, jeder möchte doch einmal im Leben von seinem Schwarm unter einem Mistelzweig geküsst werden. Immerhin steht Weihnachten vor der Tür!“

„Du hast ja recht. Ich gebs zu, ich bin vielleicht etwas neidisch“, sagte eine kichernd zur anderen, bevor sich beide wieder auf ihren Schlittschuhen in Bewegung setzten.

 

‘Ein Mistelzweig also’, besah sich der junge Firmenchef die Weihnachtsdekoration über dem Eingang der Bahn. Auch er wusste um die Tradition dahinter. Es war eines dieser Dinge, die Pärchen normalerweise machten, ohne weiter darüber nachzudenken. War das etwa der Grund, warum sich sein Liebster so seltsam distanziert verhielt? Wollte er diese einfachen Dinge genauso wie alle anderen erleben? Deswegen wortlos auf Abstand zu gehen, passte definitiv zu Katsuya und gehörte zu den Dingen, die ihre ohnehin schon komplizierte Beziehung gern noch einen Tick komplexer gestaltete. Wie konnte der Firmenchef dieses Problem jetzt auf einem subtilen Weg aus der Welt schaffen? Doch vielleicht war eine subtile Herangehensweise diesmal gar nicht des Rätsels Lösung.

 

Auf der Suche nach dem Blonden ließ er seinen Blick über die glitzernde Eisfläche schweifen und erspähte ihn einige Meter entfernt bei Mokuba.

„Showtime“, sagte er bestätigend zu sich selbst und begab sich zu den beiden hinüber. Noch bevor er angekommen war, bemerkte er, dass offenbar erneut etwas bei ihnen im Gange war, von dem er wohl nichts erfahren sollte. Schnell winkte Jonouchi ab und tat, als wäre mal wieder nichts gewesen. Aber so hatten sie nicht gewettet. Mit einem außergewöhnlich freundlichen Grinsen im Gesicht sah er die beiden Geheimniskrämer an und wies sie auf die bereits fortgeschrittene Zeit hin. Zu freundlich für Jonouchis Geschmack und auch Mokuba wusste sofort, dass da noch Etwas auf sie zukommen würde. Doch ob es ihnen auch zusagen würde, stand auf einem anderen Blatt. 

 

„Die Schlittschuhbahn ist voll geworden", sagte Seto beiläufig, während er sich flüchtig umsah. „Wir sollten an einem anderen Tag wiederkommen." Ganz unrecht hatte er damit nicht, tatsächlich hatte sich gerade eine Gruppe Jugendlicher auf das Eisfeld verirrt. Außerdem begann passend dazu Mokubas Bauch zu knurren und bestätigte damit, dass der Moment des Aufbruchs gekommen war. 

 

„Komm", nahm er bestimmt die Hand des Blonden und zog ihn mit sich über das Eis Richtung Ausgang. Etwas ungläubig schaute dieser den Älteren an und senkte dann den Blick auf die verschränkten Hände. Händchenhalten. Auch so eine Sache, die für Pärchen das normalste der Welt war. Für Jonouchi jedoch war es das erste Mal, dass der Brünette dies in der Öffentlichkeit vor so vielen Fremden zur Schau stellte. Eilig sah er sich um, ob jemand Notiz davon nahm. Doch die Welt drehte sich einfach weiter, ohne die Aufmerksamkeit der Menschen um sie herum auf sie zu lenken. 

 

Es waren nur noch wenige Meter bis zum Ausgang. Gerade mal ein Katzensprung. Einerseits wollte er diese Hand, die ihn führte, am liebsten nie wieder loslassen, sie bei jedem Mal, wenn sie das Haus verließen oder sich irgendwo trafen, wieder in seine legen und es allen Menschen zeigen. Doch andererseits war das ein Wunsch, den er still in seinem Herzen trug, denn bisher hatte Seto leider keinerlei Anstalten gemacht, es öffentlich zu zeigen. Also ging Jonouchi einfach davon aus, dass er es schlicht und ergreifend nicht wollte. 

 

Endlich am Torbogen angekommen, atmete er erleichtert auf und war im selben Moment betrübt, dass er die Hand des anderen nun unweigerlich wieder loslassen musste. Doch statt sich voneinander zu lösen, zog der Brünette ihn fest an sich heran und deutete mit einem Fingerzeig nach oben, dorthin, wo noch immer der Mistelzweig hing direkt über ihnen. Sofort blickte der Blonde ihn verwirrt an und seine Gedanken überschlugen sich beinahe. Sollte wirklich das passieren, was er sich so sehr gewünscht hatte? 

 

Kaiba wiederum erfreute sich an dem verwunderten Gesichtsausdruck des anderen und konnte in dessen Augen ablesen, dass er sich nichts sehnlicher als diesen einen magischen Kuss von ihm wünschte. Genau jetzt. Genau hier. Und den sollte er auch bekommen. Unter den Augen aller Anwesenden beugte sich der Firmenchef ein Stück nach unten und berührte sanft die Lippen seines Liebsten. Die Menschen um sie herum waren ihm dabei völlig egal. Für ihn zählte nur der Augenblick. 

 

Jonouchi spürte die Blicke der umstehenden Leute, hörte das Raunen, das durch die Reihen ging und das Kichern einiger Zuschauer. Die beiden Schulmädchen legten verlegen ihre Hände auf die Augen und lugten mit einem zarten Rotschimmer auf den Wangen durch ihre Finger hindurch. So etwas bekam man wahrlich nicht alle Tage zu sehen. Sogar Mokuba war kurz erstaunt, über das ungewöhnliche Bild, das sich ihm bot. Jedoch nur, weil es so plötzlich kam und wie ein Magnet direkt alle Blicke auf sich zog. Immerhin kannte er es ja bereits von zu Hause, wenn der Blonde zu Besuch war oder über Nacht blieb. Beim ersten Mal hätte er beinahe das ganze Teeservice zerdeppert, als er sie bzw. sie ihn im Wohnzimmer überraschten. 

Da sich sein Nii-sama jedoch schon immer einen Dreck um die Meinung anderer scherte, stellte es für Mokuba ebenfalls kein Problem dar. Deswegen wollte er Jonouchi auch ermutigen, Seto gegenüber einfach seinen banalen Wunsch zu äußern, ohne Angst vor dessen Zurückweisung haben zu müssen, wie gerade wieder einmal eindrucksvoll bewiesen wurde. 

 

Der Kuss währte nur ein oder zwei flüchtige Sekunden. Für den Blonden jedoch war es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er hätte diesen Moment am liebsten niemals unterbrochen. Allerdings sprachen gleich mehrere Argumente dagegen. Zum einen standen sie mitten im Eingang zur Eislaufbahn, zum anderen musste er Angst haben, morgen mit einem Handyschnappschuss in der Wochenendzeitung zu erscheinen. 

Mokuba, der gerade bei den beiden angekommen war, klopfte seinem Bruder anerkennend mit den Worten „Wieder einmal ein großer Auftritt, Seto“ auf die Schulter und schritt an ihnen vorbei. Im Augenwinkel konnte er noch erkennen, dass Jonouchi direkt noch verlegener wurde. Unter den wachsamen Augen ihres Publikums folgten sie ihm, gaben die Schlittschuhe zurück und gingen schließlich gemeinsam nach Hause.

 

Interessant, dass Seto gerade jetzt an ihn und dieses Ereignis denken musste. Ihr erstes gemeinsames Weihnachten. Eine süße Erinnerung die sogleich einen bitteren Beigeschmack brachte. Denn inzwischen waren sie getrennt und hatten sich ein ganzes Jahr nicht mehr gesehen. Sein Blick schweifte nach draußen in das Dunkel dieser sternenlosen Nacht. Ob er noch immer in dem kleinen Café in der Innenstadt arbeitete? Die Gedanken an den Blonden begleiteten ihn auf dem Weg in seinen Privatjet und mit der untergehenden Sonne startete sein Flug zurück in die Heimat.

 

Staring at the sky and wondering where you are

We could be a world or two apart

A storm is coming in to cover up the stars

You're waiting and you're watching from a far

 

In Domino hatte die Sonne bereits ihren Zenit erreicht und obwohl gerade Mittagszeit herrschte, waren die Cafés jetzt schon hoffnungslos von Kundschaft überlaufen, vorrangig bestehend aus Schülern und Studenten, die ihre Weihnachtstorten abholten oder dort ihre Zweisamkeit genossen. In einer dieser zauberhaft dekorierten Lokalitäten stand Jonouchi hinter der prall gefüllten Kuchentheke, als ein seltener Gast durch die Tür trat.

„Katsuya“, lächelte dieser ihn freundlich an und bekam ein ebenso herzliches „Hallo Mokuba“ zurück. „Lang nicht gesehen“, fügte er noch eine der üblichen Phrasen hinzu und hatte damit nicht ganz unrecht. Bewusst hatten sie sich jetzt bestimmt schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Immerhin gab es durch die weggebrochene Beziehung zum älteren Kaiba keine wirkliche Verbindung mehr. Das letzte nicht erfüllende Telefonat war im Herbst gewesen, als der Herr Firmenchef seine Heimreise abgesagt hatte. Kein schöner Grund für einen Anruf. Doch der Schwarzhaarige hielt Jonouchi immer auf dem Laufenden, soweit es die Aktivitäten seines Bruders betraf und da war ein Besuch in der Heimat keine Ausnahme.

 

„Das stimmt auffallend. Ich muss auch gestehen, dass ich heute mit einer ganz großen Bitte an dich hergekommen bin“, ließ er mit einem bettelnden Blick verlauten und deutete mit seinen Händen ein kurzes Gebet an.

„Da bin ich ja mal gespannt. Wie kann ich dir helfen?“, fragte der Blonde neugierig nach.

„Jaaaaa, weißt du, ich habe es irgendwie verpasst, rechtzeitig eine Weihnachtstorte zu besorgen und stecke daher jetzt etwas im Schlamassel. Ich bräuchte sie ganz, ganz dringend heute Abend.”

„Und da kommt der Tortenbäcker deines Vertrauens ins Spiel. Sehe ich das richtig?“

„Nunja, Ich hatte tatsächlich gehofft, dass ein bisschen Vitamin B da vielleicht hilfreich sein könnte“, sah er den anderen mit einem verlegenen Blick an. Dieser nahm an, dass er die Leckerei sicher für die Dame seines Herzens orderte. Immerhin war auch Mokuba längst in der Pubertät und somit durchaus am anderen Geschlecht interessiert. 

 

„Ich verstehe. Du hast Glück, ich habe tatsächlich noch zwei herrenlose Torten im Kühlhaus stehen und wäre bereit, dir eine davon abzutreten“, amüsierte sich Jonouchi über die doch sehr flehende Bitte des Jüngeren.

„Was für ein Zufall“, grinste dieser und die Freude war deutlich in seinem Gesicht abzulesen.

„Und wo wir gerade bei Zufällen sind, hätte ich da gleich noch einen winzig kleinen Wunsch“, begann er erneut kleinlaut zu sprechen. „Ich kann sie leider nicht gleich mitnehmen, weil ich noch ein paar Wege zu erledigen habe. Wäre es möglich, dass du sie mir eventuell nachher vorbei bringen könntest? Du hast doch gegen 20 Uhr heut Schluss, oder? Ich würde dir den Chauffeur natürlich spendieren!“, bot ihm Mokuba für diese Gefälligkeit an. 

 

Kurz überlegte Jonouchi, ob diese Idee wirklich so gut war. Doch was hatte er zu verlieren? Kaiba war nach wie vor in Übersee und er würde folglich nicht auf ihn treffen. Oder war  genau das die leise Hoffnung und der Grund, weshalb er es nicht direkt ausschlug? Weil er ihn nach diesem endlos langen Jahr doch wiedersehen wollte, um eine unerfüllte Sehnsucht zu stillen? Ganz sicher war er sich nicht. Allerdings würde er ein Taxi nach Hause nach dem heutigen Tag, an dem das Café wohl bald aus allen Nähten platzen würde, äußerst begrüßen. Also sagte er zu.

„Wunderbar, danke“, sagte der Kleinere und seine Augen begannen zu leuchten. Auch wenn schon viel Zeit vergangen war, so änderten sich wohl manche Dinge und auch manche Menschen nie. Noch immer hatte Mokuba diese unbeschwerte Fröhlichkeit inne, die einen direkt mit ansteckte. 

 

Zufrieden strahlte er den Älteren an und ließ dabei ganz beiläufig noch eine nicht unwesentliche Tatsache verlauten: „Ich bin mir sicher, Seto wird sich sehr über deine Torte freuen.“

„Ja, das wird er wohl“, stimmte Jonouchi gedankenverloren zu. 

‘Moment! Hab ich das richtig verstanden? Hatte er mir da gerade durch die Blume zu verstehen gegeben, dass Seto nach hause kommt?’

„Mokuba, was hast du da gerade…“, wollte er ihn direkt fragen, kam jedoch nicht sehr weit, denn der Jüngere unterbrach ihn einfach frech, als hätte er ihn nicht gehört, und lief dann Richtung Ausgang.

 

„Also, wir sehen uns dann heute Abend“, rief er ihm mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen zu, welches bei genauerem Hinsehen jedoch deutlich mehr vermuten ließ. So freundlich wie er sein konnte, so durchtrieben war er im Umkehrschluss. Ganz die Fußstapfen seines großen Bruders, in die er da zweifelsohne trat. Jetzt hatte Jonouchi unüberlegt zugesagt und war ihm in die Falle getappt. Oh ja, manche Dinge ändern sich wahrlich nie. Schachmatt. 

 

„Hatschi!“, schallte es indessen durch den Flieger, in dem der Firmenchef auf seinem Heimflug saß. Anscheinend hatte gerade jemand ganz intensiv an ihn gedacht, wie es so schön hieß. Einige Stunden war er bereits unterwegs und wie es aussah, würde er pünktlich in Domino ankommen. Also zückte er sein Telefon und wählte die Nummer seines jüngeren Bruders. Es dauerte nicht lang und der Anruf wurde mit einem überschwänglichen „Hallo Seto!“ angenommen. „Du rufst nochmal an? Sag mir jetzt aber bitte nicht, dass du dich verspäten wirst!“, kam es bereits etwas nervös vom Schwarzhaarigen. Zwar fiel der angespannte Unterton auch Kaiba auf, jedoch maß er dieser Aussage keine weitere Bedeutung bei und teilte ihm stattdessen ohne Umschweife den Grund seines Anrufs mit: „Hallo Mokuba. Bisher sieht es nicht so aus. Wenn es keine Zwischenfälle gibt, werde ich wie geplant um 19:55 Uhr landen und bin spätestens um 20:30 Uhr zu Hause. Bei Isonos Rennfahrerkenntnissen sicherlich noch ein paar Minuten eher“, bewertete er die aktuelle Flugzeit und den Fahrstil seines Chauffeurs.

„Ist gut. Isono wird wie immer pünktlich da sein, um dich abzuholen“, freute sich sein Bruder am anderen Ende der Leitung und Seto schien es einen Moment so, als konnte er eine deutliche Erleichterung aus dessen Worten heraushören.

„Du warst lange weg. Wird Zeit, dass du dich hier mal wieder blicken lässt“, ließ er noch mit einem tadelnden Unterton in der Stimme verlauten und kurz darauf beendeten sie das Telefonat. Leider musste der Brünette zugeben, dass er den letzten Satz, so gern er es auch getan hätte, nicht verneinen konnte. In Domino gab es abgesehen von Mokuba nichts mehr, was ihn hielt, also konnte er seinen Aufenthalt in Amerika problemlos auf unbestimmte Zeit verlängern. 

 

Sicher, er nutzte die Zeit. Immerhin schuf er einen neuen Standort seiner Kaiba Corporation in den USA und verwirklichte damit ein lange geplantes Projekt. Oder versuchte er sich damit nur von etwas... von jemandem abzulenken? Wieder glitten seine Gedanken zu dem blonden jungen Mann, den er für dieses Ziel zurückgelassen hatte und unweigerlich zur Beziehung, die er dafür geopfert hatte. Er baute sich sein eigenes Leben ohne ihn auf und fand dennoch nie den Platz, wo er eigentlich hingehörte. 

 

Can't believe another year has come and gone 

Busy chasing money, chasing dreams 

Trying to build a life and find where I belong 

Now I know it's harder than it seemed 

 

You called me in the fall, I promised I'd be there 

But now they're singing christmas carols in the square 

 

Das Versprechen an Mokuba, im Herbst wieder nach Hause zu kommen, konnte er letztendlich auch nicht halten. Dennoch vergingen die Wochen schleichend und ehe er es sich versah, wurden auf dem Time Square schon wieder Weihnachtslieder gesungen. 

 

Ganz plötzlich standen die Adventstage vor der Tür und damit das erste Weihnachten seit dem Ende der Schulzeit ohne ihn. Wehmütig erinnerte er sich an den Heiligabend im vergangenen Jahr zurück.

 

Damals war der Standort in Übersee schon fest in Planung und Kaiba daher oft auf Geschäftsreise. Zeit war rar und sie beide waren aufgrund der wenigen gemeinsamen Momente unzufrieden. Also nahm der Firmenchef sich einfach die Freiheit, ihn dorthin zu entführen. Als wäre es gestern gewesen, konnte er das Strahlen in den bernsteinfarbenen Augen des anderen vor sich sehen, als er ihm den Vorschlag machte. Schnell waren die Sachen gepackt und die gemeinsame Reise begann. 

 

Als kleine Überraschung hatte er eine Brooklyn-Weihnachtstour in einer privaten Limousine gebucht. Erstes Ziel waren die Dyker Heights. Dort erstrahlten alle Häuser des Big Apple in leuchtend bunten Lichtern, ebenso wie die Augen des Blonden. Dieser liebte den übertrieben pompösen Weihnachtsschmuck und die vielen beleuchteten Figuren, die den Weg des Rundgangs säumten und die Nacht zum Tag machten. 

 

Danach entführte er seinen Liebsten ins DUMBO, “Down Under the Manhattan Bridge Overpass“, wo er ihn in eines der exklusiven Restaurants zu einem gemütlichen Essen einlud. Mit einem Schmunzeln erinnerte er sich daran, wie der Blonde ihn für dieses übertrieben teure Essen, dessen Namen kein normaler Mensch aussprechen konnte, tadelte. Wäre es nach Katsuya gegangen, hätte auch ein Burger von McDonalds seinen Hunger gestillt. Doch der Brünette wollte etwas Besonderes mit ihm erleben. Ihm zeigen, dass Amerika nicht nur Negatives bedeutete. Und schließlich, als krönenden Abschluss, begaben sie sich ans Ufer des East River. Von dort aus konnten sie die überwältigend schöne Skyline der Brooklyn Bridge bei Nacht bewundern. Aufgrund der Kälte und der vorangeschrittenen Uhrzeit kuschelte sich der Blonde in die Arme seines Geliebten, der ihn automatisch fester an sich zog und ihm einen liebevollen Kuss schenkte.

 

Gedankenverloren berührte der Firmenchef seine Lippen und erinnerte sich an diese zärtliche Berührung aus der Vergangenheit. Eine wunderbare Erinnerung an ihr letztes gemeinsames Weihnachten, die flüchtig sein Herz erwärmte. Denn nur kurz danach kam die Trennung. Doch damit wollte er sich jetzt nicht auseinandersetzen. Bedingt durch die Zeitumstellung musste er sich schließlich noch etwas Ruhe gönnen. Immerhin waren es 14 Stunden Zeitunterschied, die definitiv ein Jetlag zur Folge haben würden, und das wollte er so gut es ging vermeiden, um den Heiligabend mit seinem Bruder auch genießen zu können. Also machte er es sich so gut es eben ging gemütlich und schloss die müden Augen auf das die Zeit schnell verging.

 

Und das tat sie schließlich auch. Jedoch wesentlich schneller, als es Jonouchi lieb war. Immer wieder fiel sein Blick auf die Uhr und die bereitgestellte Torte. Etwas gefiel dem Blonden daran nicht. Daher nutzte er diesen Moment in seiner Pause und beäugte die Weihnachtstorte genauer. Es war eine klassische Biskuittorte mit einem Überzug aus Schlagsahne und darauf garnierten Erdbeeren sowie einem Schokoladentäfelchen auf dem in geschwungenen Buchstaben “Merry Christmas“ stand. Nichts wirklich Besonderes. Und bald würde er die Torte an Mokuba aushändigen, der sie letztendlich mit seinem Bruder essen würde. Diese… seine unspektakuläre Torte. Der Gedanke ließ ihn frösteln und eine Gänsehaut breitete sich in seinem Körper aus.

 

‘Ist es wahr, Seto? Kommst du wirklich wieder zurück nach Hause?’

 

Mokuba hatte ihm diese Tatsache einfach um die Ohren geschmettert und ließ ihn dann mit seinen konfusen Gedanken allein zurück. Eine Flut von Gefühlen und damit verbundenen Erinnerungen drängte sich ihm auf, doch nicht alle waren positiv. Amerika war der Grund, warum sie sich letztendlich doch getrennt hatten. War es nun wegen der wenigen Zeit, die sie miteinander hatten, oder wegen der Entfernung, die sie immer weiter auseinander trieb. Als es Jonouchi bewusst wurde, ließ er ihn schließlich nach Amerika gehen und blieb in Domino zurück.

 

When I finally talk to you

I know the damage it will do

Soon I'll have to tell the truth

And watch the lights flicker out on you

 

Unter diesen vielen, längst vergangenen Erinnerungen war auch diese eine ganz Besondere aus der Zeit, als sie noch zur Schule gingen. 

 

Es war im letzten Schuljahr, um die Weihnachtszeit herum, und die meisten waren mit ihren Zukunftsplänen für die Uni beschäftigt. Jonouchi, der natürlich noch immer eine Karriere als Meisterduellant anstrebte, beschäftigte sich seit geraumer Zeit zusätzlich mit einem ebenfalls interessanten Hobby: Backen. Und da das allein natürlich nicht ausreichend war, musste es stets mit einer originellen Deko einhergehen. Schon immer hatte er ein Händchen für kreative Dinge gehabt und bereits die ein oder andere Süßigkeit hergestellt. Da er ja seine Karrierepläne bereits bestens durchdacht hatte, waren die schulischen Leistungen dementsprechend auch nur zweitrangig. 

 

So hatte er in der Adventszeit die Möglichkeit, sich einem neuen Experiment in seiner häuslichen Hobbybäckerei zu widmen. Diesmal wollte er für seine Freunde eine süße Kleinigkeit zum Naschen als Weihnachtsgeschenk vorbereiten. Doch Plätzchen schienen ihm dabei nicht originell genug. In Gedanken ging er die kommenden Feiertage durch und blieb schlussendlich am Valentinstag hängen. Da es dort traditionell immer um Schokolade und Pralinen ging, wollte er sich diesmal daran probieren. Aber welche? Es gab so viele Möglichkeiten. 

Grübelnd legte er seinen Kopf auf den verschränkten Armen auf seinem Pult ab. Seine Haare fielen ihm wie immer wild durcheinander ins Gesicht und kitzelten ihn leicht. Der kaum merkliche Geruch von Honig stieg in seine Nase und löste einen kleinen Nieser aus. Mit leicht feuchten Augen rieb er sich die Nase und da wusste er plötzlich, was es werden würde: lecker süße Honigpralinen! Sofort zückte er sein Handy auf der Suche nach einem passenden Rezept und machte sich direkt nach der Schule auf, die benötigten Zutaten zu besorgen. Am dritten Advent probierte er sich schließlich daran und siehe da, es war ihm nach einer mittelschweren Katastrophe in seiner Küche auch geglückt. 

 

Als Verpackung wählte er kleine blaue Schächtelchen, auf denen ein weißes Schneeflockenmuster aufgedruckt war. Der Deckel hatte ein kleines Sichtfenster, damit man den Inhalt begutachten konnte. Diesen fixierte er mit einem weihnachtlichen "Made with Love"-Aufkleber, damit keine Praline verloren gehen konnte. Da seine Freunde um die Weihnachtstage meist sehr beschäftigt waren, nahm er die kleinen Geschenke am nächsten Tag mit in die Schule, um sie ihnen zu überreichen. 

 

Die Freunde war groß, denn sie alle liebten es, wenn Jonouchi in seiner Kekswerkstatt zu Gange war. Lediglich Anzu war aufgrund von Krankheit, irgendwas mit dem Magen, in dieser letzten Woche vor den Ferien nicht anwesend. So genau hatte der Blonde dabei wie so oft nicht zugehört. Jedoch hatte er jetzt ein Präsent übrig und überlegte, wem er diese kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte. 

 

Sein Blick schweifte durch die Klasse und blieb schließlich an Kaiba hängen. Wieso es gerade er sein musste, konnte er in diesem Augenblick nicht sagen. Es war so ein seltsam wegweisendes Gefühl, das ihn dazu verleitete, das kleine, liebevoll verpackte Schächtelchen in der Mittagspause auf dessen Tisch abzustellen. Als kleines Extra legte er eine handschriftliche Botschaft bei, auf die er die Worte „Probier mich!“ schrieb. Auf eine Unterschrift des Absenders verzichtete er dabei. 

 

Unwillkürlich musste der Blonde, der kurz nach diesem Vorfall seinen Karrierewunsch als Duellant aufgegeben hatte und stattdessen seine Hobbybäckerei zum Beruf gemacht hatte, über diese kleine Geschichte aus vergangenen Tagen schmunzeln. Heute wusste er, dass der Brünette so gar kein Fan von Süßkram und sein damaliges Präsent somit für die Katz war. 

 

Dennoch nahm die Geschichte ihren Lauf und der damalige Schultag neigte sich dem Ende. Als die Schulglocke die letzte Stunde beendete, trat der Brünette schließlich an Jonouchis Tisch heran und sah ihn herausfordernd an. Die Freunde sahen die unheilvollen Wolken bereits aufziehen, denn Kaibas Blick ließ wie immer kein freudiges Thema erwarten, sondern eher die üblichen Provokationen und Streitereien erahnen. 

„Was hast du nun schon wieder angestellt, Jonouchi?“, wollte Honda gleich von ihm wissen. Doch der Blonde schwieg sich dahingehend aus.

„Wie kann ich dir helfen, Kaiba?“, grinste er den Firmenchef wissend an und war gespannt auf dessen Antwort. Besagter zog wie so oft eine seiner Augenbrauen nach oben, fühlte sich in seinem Tun bestätigt und stieg mit einem belustigten Ton in der Stimme auf das sich anbahnende Wortgefecht ein.

„Offenbar ist die Kapazität deines Spatzenhirns wirklich nicht sehr groß, wenn du das nicht weißt. “

„Oh, das trifft mich jetzt aber hart“, triefte die Antwort nur so vor Ironie. Interessant an der Sache war, dass der Blonde sich diesmal nicht so leicht aus der Ruhe bringen ließ wie sonst. Auch war seine Wortwahl heute mehr überlegt als impulsiv und er konterte erstaunlich gut. 

 

Dennoch heizte sich die Luft wie so oft zwischen den beiden Streithähnen schnell auf und die Freunde wussten, dass es sich noch eine Weile hinziehen konnte, bis einer der beiden, eigentlich immer Kaiba, siegreich aus diesem Wortgefecht hervorgehen würde.

„Jonouchi, wir warten dann draußen auf dich“, ließ Yuugi schließlich verlauten und die Truppe verließ kopfschüttelnd das Klassenzimmer. Nach all der Zeit waren sie die ewigen Zankereien einfach satt und ließen die beiden allein zurück.

 

„So, und jetzt sagst du mir, was das hier zu bedeuten hat“, stellte der Brünette Jonouchi zur Rede und ließ die kleine Pralinenpackung auf dessen Tisch fallen.

„Das, mein lieber Kaiba, ist ein sogenanntes “Weihnachtsgeschenk“. Sowas wird im Allgemeinen an den Weihnachtstagen verschenkt, um anderen eine Freude zu bereiten. Außerdem ist es mit viel Liebe selbst hergestellt worden. Steht doch alles drauf. Aber offenbar hast du sowas noch nie bekommen und kannst es daher natürlich nicht wissen“, antwortete der Blonde belustigt, wohlwissend, dass Kaiba diese sarkastische Antwort nicht zufrieden stellen und auf die Palme bringen würde. Heute hatte eindeutig er die Nase vorn und das wollte er auch vollends auskosten.

„So so. Es steht also alles drauf“, sinnierte der Brünette daraufhin gespielt, während er sich den Aufkleber sowie die beigelegte Nachricht besah und sich ein undefinierbares Grinsen in sein Gesicht schlich. Meist ein Zeichen dafür, dass der Blonde jetzt verbal einstecken musste. Mental darauf vorbereitet, straffte er seinen Körper und machte sich bereit, zurückzuschlagen. Doch es folgten keine Worte sondern Taten. 

 

Aus dem Nichts heraus überwand Kaiba die kurze Distanz zwischen ihnen und zog den Jüngeren am Kragen halb über seinen Tisch, sodass er sich auf diesem abstützen musste. Jedoch nicht um ihm zu drohen oder ihm seine verbale Überlegenheit zu präsentieren, sondern um ihm frech einen Kuss zu rauben. Überrumpelt von der Aktion, wusste Jonouchi gar nicht, wie ihm geschah. Die Reizüberflutung überforderte ihn komplett, sodass er es einfach so geschehen ließ. Der Kuss dauerte nur wenige Sekunden, veränderte jedoch alles. 

„Es war mir eine süße Freude, probieren zu dürfen“, hielt der Firmenchef das kleine beigelegte Kärtchen in den Händen. Offenbar waren die Pralinen nicht das Objekt seiner Begierde. Denn wie bereits erwähnt, war er für Süßigkeiten nicht zu begeistern und nahm sich stattdessen etwas anderes zum Vernaschen.

So wurde aus einer kleinen Pralinenschachtel letztendlich eine Beziehung. Aus einem dummen Zufall heraus. Andererseits: Zufälle gab es nicht. Es fiel einem zu, was fällig war! Und das waren sie wohl beide. Denn auch wenn sie heute kein Paar mehr waren, war die Zeit nach dieser Pralinenaffäre doch eine der Schönsten für ihn gewesen. 

 

Gedankenverloren starrte der Blonde auf die Verpackung in seinen Händen. Ein flüchtiger Blick auf die Wanduhr verriet ihm, dass es kaum mehr zwei Stunden waren bis zu seinem Feierabend. Nur noch zwei kurze Stunden. Ein tiefer Seufzer war zu hören, in dem viel des vergessen geglaubten Herzschmerzes mitschwang. Vorsichtig stellte er die Verpackung mit dem zuckersüßen Inhalt wieder zurück ins Kühlhaus und beendete seine Pause. 

 

Die Zeit verging wie im Flug und ehe er es sich versah, schlug die Uhr achtmal zur vollen Stunde. Wie es Mokuba versprochen hatte, stand der Chauffeur überpünktlich vor der Tür und wartete auf seinen Fahrgast. Das bemerkte auch Jonouchi, der kurz nach 20 Uhr angespannt das Café verließ. 

Sofort wehte ihm ein eisiger Wind entgegen und ließ ihn am ganzen Körper frösteln. Mit gemischten Gefühlen ging er langsamen Schrittes auf das parkende Fahrzeug zu.

In seinem Kopf dröhnte das Geräusch im Takt seines eigenen Herzschlags, welches immer lauter zu werden schien und die Außengeräusche langsam in den Hintergrund drängte. Eine für Jonouchi unangenehme Stille breitete sich in ihm aus, als er schließlich am Auto ankam und kurz inne hielt. 

 

Frost biting your flesh

The air is ice cold

It's far too quiet

 

Die Fahrzeuge des Kaiba Imperiums kannte er nur allzu gut, den Fahrer jedoch nicht.

‘Diesmal ist es gar nicht Isono. Vermutlich holt er gerade Seto vom Flughafen ab’, ging es ihm durch den Kopf und er fühlte sich bestätigt, dass Mokuba wohl tatsächlich ein Aufeinandertreffen der beiden plante. Doch so einfach ließen sich die Differenzen, welche sich über die wenigen gemeinsamen Jahre aufgebaut hatten, nicht überwinden. Auch merkte er in diesem Augenblick etwas, was ihn selbst kurz resignierend schmunzeln ließ: in seinen Gedanken sprach er den Firmenchef noch immer mit seinem Vornamen an. Und das, obwohl sie jetzt bereits ein Jahr lang keinen Kontakt mehr hatten und er die Erinnerungen an ihn so gut es ging in seinem Inneren verschlossen hielt. Was die meiste Zeit auch erstaunlich gut klappte. Bis zu jenem Moment, als Mokuba vor ihm stand. Nach diesem Treffen, brachen immer wieder kleine Erinnerungsfetzen hervor, ließen ihn schmunzeln, seufzen und hinterließen eine bittersüße Sehnsucht nach dem Vergangenen. 

 

Ein seltsam fremdes Gefühl kam in ihm auf und sein Atem stockte. Konnte es wahr sein? Würde er ihn heute wirklich wiedersehen? 

 

Nein. 

 

Es war vorbei. 

Sie waren sich einig und es gab keinen Weg zurück. 

Und dennoch…

 

Still holding your breath

Holding out hope

But this night is silent

 

Wie aus dem Nichts kommend, riss ihn ein monotones „Guten Abend“ aus seinen Gedanken. Er sah zu der Person, die direkt neben ihm stand und die Tür des Fahrzeugs geöffnet hielt. 

„Bitte, steigen Sie gern ein“, fuhr er fort und arbeitete damit wohl sein Protokoll zur Abholung der Gäste des Hauses Kaiba ab. Jonouchi hinterfragte es nicht weiter und tat, wie ihm geheißen. Gleich war es soweit. In nur wenigen Augenblicken würde er dort ankommen, wo er vor fast einem Jahr schweren Herzens fortgegangen war. 

 

Er erinnerte sich an seine Worte, die ihm damals so schmerzlich über die Lippen kamen, ihn wie einen Stein tief ins Meer hinunter auf den dunklen kalten Grund zogen und die alles beendeten. Es war schwer, stark zu bleiben, die Tränen zurückzuhalten, die drohten die Lüge in seinen Worten aufzudecken. Wollte er doch eigentlich gar nicht gehen und die Beziehung beenden. 

 

You're trying to stay strong

You'll never say the words

But you wanna cry it

 

Doch das änderte heute nichts mehr an den Tatsachen. Sein Blick schweifte durch die getönten Scheiben nach draußen in die im Schein der Lichterketten schimmernde Stadt und seine Gedanken blieben an einem wunderbar blau leuchtenden Augenpaar aus seiner Erinnerung hängen.

 

Zur gleichen Zeit stieg Kaiba am Flughafen bereits in seinen Wagen, an dessen Steuer wie immer Isono saß. Sein letzter Besuch war tatsächlich lang her und die früher so vertraut geglaubten Dinge des ehemaligen Alltags waren ihm heute regelrecht fremd geworden, obwohl die Stadt und die Menschen darin vermutlich noch immer die Gleichen geblieben waren. Nichtsahnend von dem Plan seines Bruders lehnte er sich zurück und beobachtete die ausufernde Weihnachtsdekoration, die ihn erneut an die vergangenen Weihnachtstage erinnerte. 

An die kleinen Honigpralinen, die diese ungewöhnliche Beziehung entstehen ließ. 

An den flüchtigen Moment, in dem er Katsuya einen Kuss unter dem Mistelzweig geschenkt hatte. 

An den romantischen Ausflug nach Brooklyn, der die bernsteinfarbenen Augen zum Leuchten brachte.

Und an so viele andere Augenblicke, die sie zusammen erlebt und geteilt hatten.

Sicher, die Trennung erfolgte ohne viele große Worte. Doch ihn beschlich immer häufiger der Gedanke, dass es vielleicht doch ein Fehler war, ihn einfach so gehen gelassen zu haben. Denn das untrügliche Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben, ließ sich einfach nicht abschütteln, egal wie oft er es versucht hatte. Jetzt war er wieder in der Stadt, in seiner Stadt, seinem zu Hause. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde er ihm, wenn auch nur kurz, in der Stadt oder bei seiner Arbeit im Café begegnen.

 

Inzwischen kam Jonouchi am Ziel seiner kurzen Reise an, wo er bereits sehnsüchtig von Mokuba erwartet wurde. Er schloss die zermürbenden Gedanken wieder tief in seinem Herzen ein, wo er sie sicher verwahrt glaubte, und stieg mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem gesponserten, fahrbaren Untersatz aus.

 

„Ihre Tortenlieferung, Herr Kaiba“, grinste Jonouchi den Jüngeren belustigt an und überreichte ihm die mit blauen Schneeflocken bedruckte Schachtel.

„Pünktlich, wie bestellt. Vielen Dank!“, nahm der Schwarzhaarige die Verpackung mit dem süßen Inhalt entgegen und sah ihn erwartungsvoll an.

„Und, was hast du heute noch vor?“

Da war sie. Die Frage, die der Blonde bereits erwartet und die ihn die ganze Fahrt über beschäftigt hatte. Somit musste er nicht unvorbereitet in diese Schlacht ziehen.

 

„Nicht mehr viel. Der Tag war lang und anstrengend genug“, lächelte er ihn etwas schief an und seufzte herzhaft, um es zu unterstreichen.

„Ich verstehe“, sagte sein Gegenüber etwas geknickt. „Aber falls du Lust hast, ich meine, naja, du kannst ja noch zum Essen bleiben. Ich bin mir sicher, dass Seto…“, startete er einen weiteren Versuch und wurde mitten im Satz von Jounouchi unterbrochen.

„Ist wirklich nett gemeint, Mokuba, aber lass es gut sein“, wehrte er das Angebot des Jugendlichen ab und setzte sich ein bitteres Lächeln auf.

„Ja, natürlich“, gab dieser sich geschlagen. „Dann lass ich dich noch nach Hause bringen und…“

„Ist schon gut. Ich wollte noch kurz zum Marktplatz gehen und dann ab nach Hause“, winkte der Blonde neuerlich ab und Mokuba akzeptierte es stillschweigend.

„Dann komm gut nach Hause und vielen Dank nochmal.“

„Immer gern. Viel Spaß heut Abend.“

 

Kurz überlegte er, ob er dem Brünetten noch Grüße bestellen lassen sollte, hielt es dann jedoch für unangebracht und schluckte die unausgesprochenen Worte wieder herunter. Mokuba nickte nur zur Bestätigung und sie verabschiedeten sich voneinander.

Nach wenigen Schritten dröhnte jedoch erneut Mokubas Stimme an sein Ohr.

„Hey, Katsuya!“, rief er ihm aus der Ferne hinterher. „Frohe Weihnachten!“

„Merry Christmas!“, rief der Blonde mit einem Schmunzeln zurück. Ja, manche Dinge ändern sich wahrlich niemals. Und dann verließ er zügig das Grundstück der Kaibas.

 

Als er ein paar Schritte von der Toreinfahrt entfernt war, sah er einen dunklen Wagen, der ihm auf der einsamen Straße entgegen kam. Er erkannte ihn sofort und wickelte seinen Schal noch einmal mehr um seinen Hals. Vor ihm flackerte eine der Straßenlaternen und fiel kurz darauf aus. Seine Schritte wurden langsamer, sodass er sich unauffällig im Schatten der defekten Lampe bewegte. Als sie auf gleicher Höhe waren, riskierte der Blonde im Schutz der Dunkelheit einen kurzen Blick hinüber zum Fahrzeug. Im gleichen Moment flackerte das Licht der Laterne wieder auf und gab damit sein dunkles Versteck preis. Vom Schicksal ertappt, wandte er sich eiligst von der Straße ab, während das Auto an ihm vorbeifuhr. Kurz blieb er stehen und überlegte, sich noch einmal umzudrehen. Jedoch verwarf er diesen Gedanken genauso schnell wieder und setzte seinen Weg fort, während der Wagen schließlich, wie erwartet, in der Einfahrt verschwand.

 

Eines jedoch konnte er nicht abstellen. Wie ein Gebet rief ihm seine innere Stimme immer wieder Worte zu, die er nicht hören wollte: „Dreh um! Geh zurück! Versuch es erneut!“ Doch er ignorierte sie, schob sie beiseite und ging seines Weges.

 

Indes kam der Wagen vor dem Anwesen zum Stehen. Während Isono das Reisegepäck auslud und ins Haus brachte, stieg der Firmenchef aus und wandte sich um. Hatte er draußen auf dem Weg doch eben eine Person stehen sehen, die im flackernden Licht der Straßenbeleuchtung seine Aufmerksamkeit erregte. Doch es war niemand mehr zu sehen. Also tat er die Sache ab und betrat sein so lang nicht mehr gesehenes Zuhause. Direkt darauf hörte er Schritte auf sich zukommen, die Mokuba zuzuordnen waren. Ein Wiedersehen, das lange auf sich hatte warten lassen. 

„Hallo Mokuba“, begann er mit einem freundlichen Ton seinen Bruder zu begrüßen. Doch statt einer überschwänglichen Begrüßung, die er erwartet hatte, schlug dieser ihm ein vorwurfsvolles „Du bist zu spät!“ entgegen. 

 

Etwas perplex über diesen unerwarteten harschen Tonfall, glitt sein Blick auf die Uhr. Diese verriet ihm, dass es gerade mal 20:25 Uhr war. Geplante Ankunft war eigentlich erst in 5 Minuten. Isonos Fahrstil und die leeren Straßen am Heiligabend trugen ihr Übriges dazu bei. „Du meinst zu früh“, korrigierte er den Jüngeren.

„Nein! Du bist wie immer zu spät!!“, schimpfte er erneut mit Nachdruck in der Stimme und hielt ihm ein kleines, weihnachtlich verziertes Schächtelchen unter die Nase, welches mit einem “Made with Love“-Aufkleber versehen war. 

 

„Du hast ihn verpasst! Los, geh ihm hinterher!“ 

Die kleine hellblaue Verpackung holte süße Erinnerungen an vergangene Schultage wieder hervor. Darin waren zwei mit weißer Schokolade überzoge Pralinen verpackt. Seine Vermutung bestätigte sich. Die Person, die er für den Bruchteil einer Sekunde draußen in der klirrenden Kälte der Nacht gesehen hatte, nur flüchtig im Halbdunkeln und zudem noch von der Straße abgewandt, wohl darauf bedacht, nicht erkannt zu werden, war nicht nur ein bloßer Trug seiner Erinnerungen gewesen. Blondes Haar, ein weinroter Schal und der schwarze halblange Wollmantel, den sie zusammen bei einer Shoppingtour in der Weihnachtszeit gekauft hatten. Dazu diese kleine Süßigkeit, die sie damals zusammen gebracht hatte. Es ließ keine weiteren Zweifel mehr zu. Unter Tausenden würde er ihn, Katsuya Jonouchi, wiedererkennen. Jedoch konnte oder wollte er es in dem Moment noch nicht wahr haben. Wieso sollte er hier gewesen sein? Ihre Beziehung war lange beendet, der Kontakt abgebrochen. Oder doch nicht? Gab es da noch ein kleines Fünkchen Hoffnung? Eine zweite Chance? Dann musste er sie nutzen.

„Mokuba, weißt du, wohin er gegangen ist?“

Ein Schmunzeln schlich sich in das Gesicht seines jüngeren Bruders als er bejahend antwortete: „Natürlich.“

 

Jonouchi war inzwischen am Marktplatz angekommen, auf dem, wie in den letzten Jahren auch, ein Chor bekannte Weihnachtslieder aus aller Welt in den verschiedensten Sprachen sang. Ringsum standen überall Familien und Paare zusammen. Sie unterhielten sich miteinander, scherzten und lachten, während die Kinder zusammen spielten und sich amüsierten. Die verliebten Pärchen kuschelten sich der Kälte wegen fester aneinander. Ja, das war die Weihnachtszeit. Ein Fest der Liebe mit hell erleuchteten Plätzen, an denen die Menschen zusammenkamen und gemeinsam eine besinnliche Zeit genießen konnten. So sehr sich der Blonde sonst auch über diese wunderbare Zeit freute, so schmerzte es ihn auch gleichzeitig. Wehmut breitete sich in seinem Herzen aus und machte es mit einem Mal so unerträglich schwer. Sein Atem ließ kleine weiße Nebelwolken in der Kälte entstehen. 

 

„Noch ist es nicht zu spät“, drängte sich ihm erneut seine innere Stimme auf. 

Doch, es war zu spät. 

 

Er würde den Weg zurück nicht antreten und hatte die Chance einfach verstreichen lassen. Stillschweigend lauschte er dem Gesang des Chors, der gerade die Stille Nacht besang, als ihm eine eisig kalte Brise von hinten in den Nacken wehte und ihn frösteln ließ. Er zog seinen weinroten Schal etwas fester zusammen, um die beißende Kälte auszusperren. Fest eingemummelt, bemerkte er noch etwas anderes, das der Wind mit sich trug und durch sein blondes Haar wehte. Einen vertrauten Geruch, verbunden mit bittersüßen Erinnerungen und einer stillen Sehnsucht. Nahezu automatisch wandte sich Jonouchi in die Richtung, aus welcher der Hauch des Windes ihm diese Botschaft sandte. Doch was er dort sah, konnte er beinahe nicht glauben. Ein Mann, wie immer adrett gekleidet in seinem dunkelblauen Mantel, stand nur wenige Schritte von ihm entfernt, während ein schneeweißer Schal ihn vor der grässlich kalten Zugluft schützte. Eisig blaue Augen, die drohten ihn gefangen zu nehmen, leuchteten unter dem brünetten Haar hervor und ließen Jonouchi den Atem stocken. 

Plötzlich war er wieder da. 

Einfach so.

Und im Bruchteil einer Sekunde wurden alle Bedenken, die ihn bis eben noch beherrschten, einfach ausradiert.

 

Silent Night, Holy Night

All is calm, All is bright

 

Die Stimmen des Chors schienen langsam von der Stille der Nacht verschlungen zu werden, ebenso wie Jonouchis Gedanken. Es wurde ruhig, obwohl der Gesang nicht verstummte, und alles schien plötzlich still zu stehen, während tausende von Lichtern diesen nicht enden wollenden Moment erhellten.

 

Are you coming home? (Silent Night)

Are you coming home? (Holy Night)

Are you coming home? (All is calm)

Are you coming home? (All is bright)

Are you coming home?

 

Er war tatsächlich wieder nach Hause gekommen. 

Nicht zurück nach Japan oder zurück zu Mokuba. 

Sondern zu ihm. 

 

Ja, für Jonouchi gab es keinen Weg zurück. Er würde weiter nach vorn gehen. Was jedoch nicht hieß, dass der andere nicht einfach einen Schritt auf ihn zugehen konnte. Ihn abholen würde. Wo immer er auch sein mochte. 

 

Frost biting your flesh

The air is ice cold

It's far too quiet (quiet)

 

Die beißende Kälte und den winterlichen Atem von Väterchen Frost ignorierte der Blonde einfach. Endlos lang erschien ihm dieser unerwartete Moment des Wiedersehens, ohne dass sie beide ein Wort verloren, keinen Atemzug wagten und eine leise Hoffnung in sich trugen in dieser stillen Nacht am Heiligabend. 

 

Still holding your breath

Holding out hope

But this night is silent

 

Längst vergessene Gefühle kehrten zurück, überfielen den Blonden aus dem Nichts wie ein tobender Schneesturm und suchten sich ihren Weg. Er wollte keine Tränen mehr für das Vergangene vergießen, sie einfach für immer wegschließen und nie wieder herauf holen. Zu lang wartete er bereits auf die Worte, die für ihn alles bedeuteten, die ihm sagten, dass er nicht gehen sollte. Nicht das klassische „Ich liebe dich“, sondern einfach ein Ausdruck seiner ehrlichen Gefühle für ihn. Etwas, dass ihm zeigte, was er ihm bedeutete.

 

„Ich habe dich vermisst.“, sagte der Brünette schließlich ohne ein Wort der Begrüßung. 

 

Da waren sie. Die Worte die er so sehnlichst hören wollte. Und das schon so viel früher. 

Er senkte seinen Kopf. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzte er sich in Bewegung und ging direkt auf seinen Gegenüber zu. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und ließen eine unbändige Wut erahnen. Einen Schritt von dem Brünetten entfernt blieb er schließlich stehen, hob seine Hände und krallte sich in dem dunklen Stoff von dessen Mantel fest. Die Anspannung war deutlich zu spüren. Doch der Firmenchef ließ ihn gewähren. Er konnte die Wut des Anderen durchaus verstehen und akzeptierte jeden Schuldspruch, den dieser für angemessen hielt. 

 

„Warum hat das so lange gedauert?“, begann der Blonde mit brüchiger Stimme zu sprechen und hob seinen Kopf, um in das lang ersehnte Blau seines Gegenübers einzutauchen.

 

You're trying to stay strong

 

„Warum zum Teufel hast du ein ganzes Jahr dafür gebraucht?“, wurde der Ton eindringlicher und heiße Tränen bahnten sich ihren Weg über die bereits geröteten Wangen.

 

You'll never say the words

 

„Ich… hab auf dich gewartet…“, vergrub er schließlich sein Gesicht in dem schneeweißen Schal des Anderen und vergoss bittersüße Tränen darin.

 

But you wanna cry it

 

„Ich weiß. Ich bin spät dran“, antwortete der Brünette mit beruhigender Stimme und legte seine Arme um den vor Aufregung bebenden Körper. „Kannst du mir verzeihen?“

 

Are you coming home?

 

Zu gerne hätte der Blonde darauf mit einem bissigen Vorwurf geantwortet und ihm einfach alles mit voller Wucht an den Kopf geworfen, das ihn bereits den ganzen Tag lang oder viel mehr die ganze Zeit über beschäftigt hatte. Stattdessen vergrub er jedoch stumm seinen Kopf im weichen Stoff von Setos weißen Schal und nickte kaum merklich. Er war nicht mehr in der Lage mit Worten zu antworten und hätte diese auch nicht benötigt, denn der Größere zog ihn wohlwissend noch fester in eine innige Umarmung und er wurde sogleich noch stärker an den warmen Körper des anderen gezogen. Ein langes Jahr musste vergehen, bis er den Blonden wieder so  in seine Arme schließen konnte. Seine Hand suchte sich ihren Weg in die weichen Haare, die noch genau wie früher so wunderbar nach Honig dufteten. 

 

Ein angenehmes Gefühl breitete sich in Jonouchis Körper aus und ließ ihn langsam zur Ruhe kommen. Er genoss die sanfte Berührung, von der er dachte, sie nie wieder erfahren zu können, und lehnte sich ihr entgegen. Den Moment nutzend, beugte sich Kaiba ein Stück nach vorn und platzierte einen sanften Kuss auf der Stirn des Blonden. Ein leiser Seufzer schlich über dessen Lippen, als sich seine von Tränen getränkten Augen wieder öffneten. In den leuchtenden Bernsteinen konnte der Brünette eine Sehnsucht erkennen, die er selbst ebenfalls viel zu lange in sich trug und die ihm sagte, dass so ein einfacher Kuss nicht ausreichen würde. Erwartungsvoll sah der Blonde ihn mit diesem zuckersüßen Blick an, den der Firmenchef so sehr vermisst hatte.

 

„Ich war wirklich dumm, dich gehen zu lassen“, sagte er beinahe flüsternd, als er sich seinem Gegenüber näherte und sanft dessen Lippen mit den Seinen berührte. Nur flüchtig, als wäre es ein Traum, aus dem er jeden Moment erwachen würde. Doch auch das reichte Jonouchi nicht. Zu lange musste seine ausgehungerte Seele darauf warten und wollte sich mit diesem Hauch von Nichts keinesfalls zufrieden geben. 

 

Also krallte er sich fester in den Mantel des Anderen und zog ihn mit einem Ruck an sich heran, um diesen einen sehnsüchtig herbei gewünschten Kuss auf der Stelle einzufordern, bevor dieser Moment verstreichen würde. Die kurze Überraschung über den plötzlichen Überfall war Kaiba direkt anzusehen. Dennoch gab er sofort ohne Widerstand nach, ließ sich ausräubern und von den aufkommenden Gefühlen gefangen nehmen, während im Hintergrund der Weihnachtschor weiter seine Lieder, geschmückt mit warmen Worten und hellen Tönen, sang. Und mit dem Ende dieses Weihnachtsliedes löste sich auch Jonouchi wieder von den Lippen seines so schmerzlich lang vermissten Liebsten und schaute ihn verwegen an.

 

„Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich mich mit dieser kleinen Kostprobe zufrieden gebe?“, sprach der Blonde mit einem frechen Grinsen, während er seinem Gegenüber einen vorwurfsvollen Blick zuwarf.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete der Angesprochene als wäre es selbstverständlich und musste ebenfalls Schmunzeln. Da war er wieder, dieser freche Blondschopf mit seinem vorlauten Mundwerk, der einfach sprach, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Der ihn stets reizte, sein Leben immer wieder so wunderbar durcheinander brachte und ihn gerade wieder mit diesem einzigartig verheißungsvollen Blick ansah. 

 

„Seto?“

„Ja?“

„Frohe Weihnachten...“

 

Ja. 

Er war sich sicher. 

Diesen frechen Kerl, der ihn immer wieder aufs neue mit seiner Art überrumpelte, würde er definitiv kein zweites Mal gehen lassen. 

 

„Frohe Weihnachten, Katsuya“
 

 

Ende

Erste Hilfe Kochkurs

Ein fröhliches Summen drang aus der Küche heraus, in der geschäftiges Treiben herrschte. Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht stand der Blonde vor seinem Schneidebrett und verarbeitete verschiedene Gemüsesorten, während sein Handy im Hintergrund eines seiner Lieblingslieder spielte. Dass er dabei manche Textzeilen lauthals und ein wenig schief mitsang, war ein kleines Extra an Nachbarschaftspflege, das immer mal zu Verlegenheit führte, wenn er im Hausflur auf einen von ihnen traf. Damit aufhören konnte er jedoch auch nicht, denn so machte das Arbeiten in der Küche an diesem kalten Januarmorgen einfach noch mehr Spaß. 

 

Vor einigen Tagen ging das alte Jahr zu Ende und ein Neues mit guten Vorsätzen begann. Die Schule hatten die Freunde bereits vor drei Jahren erfolgreich abgeschlossen, sodass jeder nun seine eigenen Wege ging. Katsuya selbst lebte inzwischen allein in einer eigenen, kleinen Wohnung und hatte direkt nach dem Abschluss eine Ausbildung zum Konditor begonnen. Essen war – neben Duell Monsters natürlich – bekanntlich schon immer eine seiner größten Leidenschaften gewesen. Also stand für ihn fest, dass er auf jeden Fall etwas in diese Richtung machen wollte. So gab es für seine Freunde immer mal einen Grund zur Freude, wenn er wieder ein paar Pralinen wie beispielsweise zu Weihnachten für sie aus dem Hut zauberte. Doch nicht nur das Herstellen von Süßigkeiten zählte zu seinen Hobbys, sondern auch das Kochen. So wurde es beinahe Tradition, dass er, wenn sie sich wie in jedem Jahr zur Halloweenparty trafen, sein über alles geliebtes Curry kochte. 

 

Vor einiger Zeit hatte er sich passend dazu angewöhnt, die ein oder andere Bentōbox zusammenzustellen, in welche gerade die letzten Kleinigkeiten wanderten. Zufrieden mit seinem Werk, schloss er die Box und machte sich bereit für seinen Arbeitstag. Ab Mittag würde er heute wieder in der Konditorei arbeiten, die an ein kleines, liebevoll eingerichtetes Café angrenzte. Vorher hatte er jedoch noch einen Weg zu erledigen und eilte durch den Flur, um vielleicht doch noch etwas mehr Zeit herauszuholen. Als er an seinem Kalender vorbei stolperte, blieb er kurz stehen und ein Schmunzeln schlich sich in sein Gesicht. Bald stand sein Geburtstag vor der Tür und er war bereits jetzt extrem neugierig, was sein Liebster wohl dieses Jahr für ihn besorgen würde. Denn während Katsuya ihn mit seinen Kochkünsten verwöhnte, war der Firmenchef schon immer eher der materielle Typ gewesen, der ihm gern teure Geschenke machte. Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre. Jeder hatte eben seine eigene Art des Schenkens und keiner von beiden wurde dabei bisher enttäuscht. Denn der Blonde freute sich eigentlich über alles, was er von Seto bekam, unabhängig vom Preis. 

 

Früher musste er jeden Yen zusammenkratzen, um sich grade mal das Nötigste leisten zu können. Geld war selten im Hause Jonouchi zu finden und wenn, dann wurde es meist in Spirituosen umgesetzt oder die Miete damit bezahlt. Diesen Zeiten trauerte Katsuya nicht im Geringsten nach und letztendlich hatte sich doch alles irgendwie zum Guten gewandt. Sein Vater fing sich wieder, nachdem Shizuka ihm eindringlich ins Gewissen geredet hatte, und inzwischen war er tatsächlich ein trockener Alkoholiker, der wieder am gesellschaftlichen Leben teilnahm. Dennoch war an ein Zusammenleben nicht mehr zu denken und diese Entscheidung hatte der Blonde bisher nicht bereut. Auch das war vor circa drei Jahren geschehen und es war unglaublich, wie schnell die Zeit doch verging. Ein Tag jagte den Nächsten und schon begann wieder ein neues Jahr. 

 

Gedankenversunken zog ihn das Klingeln seines Smartphoneweckers wieder in die Gegenwart zurück und erinnerte den Blonden daran, dass er sich langsam auf den Weg machen musste, wenn er das Bentō noch rechtzeitig abgeben wollte. Denn dieses war nicht für ihn selbst gedacht, sondern für den Herrn Firmenchef, mit dem er ebenfalls bereits drei Jahre liiert war. Damals brachte sie interessanterweise Katsuyas Leidenschaft fürs Essen und natürlich seine wie immer ungestüme Art zusammen. Schmunzelnd über diese vergangene Geschichte wickelte er sich seinen weinroten Schal noch zweimal um und versuchte, sich das breite Grinsen zu verkneifen, als er sich auf den Weg zur Kaiba Corporation begab. Doch das war schwieriger, als gedacht. Auch wenn es bereits eine gefühlte Ewigkeit her war, kam es ihm manchmal vor, als wäre es erst gestern gewesen.
 

 

Es war einer dieser ganz normalen Schultage und für den März erstaunlich warm. Die Unterrichtsstunden gingen wie gewohnt schleppend vorüber und ödeten den Blonden an. Sein Magen knurrte außerdem bereits seit geraumer Zeit und er würde die letzte Stunde vor der Mittagspause so definitiv nicht überstehen, da es zu allem Überfluss auch noch Mathe war. Rechnen war einfach nicht sein Ding, vor allem wenn es dabei um komplizierte Formeln ging. Also beschloss er kurzerhand, zu schwänzen und die Stunde genüsslich auf dem Dach der Schule zu verbringen. Die Tür war glücklicherweise selten verschlossen, was offenbar kaum einer wusste, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich zu Unterrichtszeiten jemand dorthin verirren würde, war ebenfalls schwindend gering. So konnte er es sich dort bei schönstem Sonnenschein gemütlich machen und seine vorgezogene Mittagspause genießen. Mit Vorfreude öffnete er seine Bentōbox, die er mit seinem Lieblingsessen bestückt hatte, und ließ die erste Kleinigkeit zufrieden in seinem Mund verschwinden. Seit kurzem experimentierte er dabei auch optisch gern ein wenig, sodass seine Onigiri immer mal eine andere Form als gewöhnlich hatten. Es war ein wenig Übung notwendig, bis er wie auch heute einen niedlichen Panda daraus formen konnte. Aber das sollte ihn nicht weiter stören, denn immerhin machte er das Bentō nur für sich und musste daher niemanden außer sich selbst damit beeindrucken. Dennoch steckten viel Mühe und Liebe darin, sodass es Jonouchi gleich doppelt so gut schmeckte und ihm ein wohliger Seufzer entwich.

 

„Vielleicht sollte ich unsere Lehrerschaft dezent darauf hinweisen, dass sich eine unbefugte Person zu Unterrichtszeiten auf dem Dach der Schule aufhält?“, riss ihn plötzlich eine dunkle Stimme, die er nur allzu gut kannte, aus seinem verfrühten Genuss.

„Nerv nicht, Kaiba. Ich versuche mein Mittagessen zu genießen und du störst“, meckerte der Angesprochene, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und verdrehte mürrisch die Augen. Natürlich passte es dem Herrn Firmenchef gar nicht, dass man ihn so offensichtlich zu ignorieren versuchte und ganz besonders, wenn dies der Bonkotsu tat. Also stichelte er weiter.

 

„Hot-Dog-Oktopusse? Panda-Onigiri? Wie alt bist du, fünf?“, spottete Kaiba und erhaschte damit wieder die volle Aufmerksamkeit des anderen.

„Lass mich, ich hab es halt ausprobiert. Außerdem schmecken sie zum Niederknien gut, also halt deinen Mund, wenn du sie nicht mal probiert hast!“

„Da musst du keine Sorge haben. Etwas von dir Zubereitetes würde ich sicher niemals probieren, selbst wenn es das letzte verfügbare Nahrungsmittel auf der Welt wäre“, wertete er Jonouchis Essen ab, was diesen direkt zur Weißglut trieb.

„Ich glaub, ich spinne! Hör gefälligst auf über mein Essen zu lästern, du arroganter Arsch, sonst…“, bellte der Blonde zurück und unterbrach seinen Satz.

„Sonst was?“, provozierte der Brünette den Jüngeren und besah ihn mit einem überlegenen Blick.

 

Das brachte das Fass zum überlaufen, sodass Jonouchi sich schwungvoll aufrichtete, einen seiner mit viel Liebe geschnitzten Oktopusse nahm und sie dem Firmenchef mit den Worten „Sonst DAS!“ einfach in den Mund steckte, um ihn zum Schweigen zu bringen. 

„Ich hoffe du verschluckst dich daran! Und jetzt verzieh dich!“, schimpfte er den Älteren, wandte ihm den Rücken zu und ließ sich beleidigt wieder auf seinen Lieblingsplatz sinken. Die Unterbrechung war zwar ärgerlich, aber davon wollte er sich die Freude am Essen nicht verderben lassen und da Kaiba weder Erstickungslaute von sich gab, noch ein weiteres Wort dazu verlor, konnte Katsuya sogar noch einen kleinen, verbalen Sieg für sich verbuchen, auch wenn er sich unlauterer Mittel bediente. Ohne weiter auf den Störenfried zu achten, nahm er sich mit seinen Essstäbchen ein Stück Katsu aus der Box und wollte es grade genüsslich verspeisen, als sich Kaibas Hand um seine legte und das panierte Stück Fleisch frech in seinem eigenen Mund verschwinden ließ. Okay, damit hatte der Blonde jetzt nicht gerechnet und schaute entsprechend perplex drein, während der Ältere sich sein Bentō schmecken ließ.  

 

„Dein Essen ist wider Erwarten doch einigermaßen genießbar“, revidierte er seine vorherige Aussage, da es seinen Geschmack durchaus traf. 

„Einigermaßen genießbar, also?“, fing sich Jonouchi kurz darauf wieder. Scheinbar konnte Kaiba nicht ein einziges Mal sagen, was er tatsächlich dachte. Er war wohl einfach zu stolz, um zuzugeben, dass es ihm schmeckte, was der Blonde zubereitet hatte. Dass sie auf diese Weise einen indirekten Kuss austauschten, wurde ebenfalls gekonnt außer Acht gelassen. 

„Ich hab doch gesagt, man muss es probieren“, setzte dieser noch stolz nach und bedachte den Brünetten mit einem selbstsicheren Blick. Immerhin machte er nicht zum ersten Mal sein Essen selbst und hatte sich die ein oder anderen geschmacklichen Feinheiten angeeignet. Welch Ehre, dass ihm das der Herr Firmenchef persönlich bestätigte, wenn auch auf einem komplizierten Weg.

 

„Bonkotsu“, begann Kaiba nach einem Moment der Stille zu sprechen, „lad mich morgen wieder zum Essen ein.“ Das waren tatsächlich seine Worte und ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand er aus Jonouchis Sichtfeld wieder in das Schulgebäude. Offenbar ging Liebe tatsächlich durch den Magen, denn aus diesem unverhofften Treffen wurden mit der Zeit mehrere und die Streitereien dafür weniger. Den Lehrern hatte Kaiba natürlich nicht verraten, dass sich gelegentlich Schüler widerrechtlich auf dem Dach aufhielten, und dass er selbst gelegentlich zum Telefonieren hinaufging, war ohnehin ein Sonderprivileg. So waren sie dort oben stets in trauter Zweisamkeit und wurden zum Staunen aller schließlich ein Paar.
 

 

Noch heute musste der Blonde über den damaligen “Kuss” schmunzeln und er freute sich bereits jetzt auf das Gesicht seines Liebsten, wenn er ihm das Bentō überreichte. Beschwingten Schrittes ging er zum nächstgelegenen Bahnhof, zog seine Karte über den Sensor der Schranken und nahm den nächsten Zug ins Stadtinnere. Von dort aus waren es nur wenige Minuten zu Fuß, bis er schließlich am Ziel ankam. Die Angestellten kannten sein Gesicht bereits, sodass der Blonde zielstrebig zu den Aufzügen gehen und direkt in die oberste Etage fahren konnte. Dort wurde er wie immer von Setos Empfangsdame freudig mit den besten Neujahrswünschen begrüßt und ließ sich zu einem kurzen Plausch verführen. 

„Ist sein Termin bereits vorbei?", fragte Katsuya neugierig nach. 

„Vor wenigen Minuten wurde er lautstark beendet", flüsterte sie leise und zuckte kaum merklich mit den Schultern, als im nächsten Moment die Tür schwungvoll aufgeworfen wurde. Einen dramatischen, spektakulären Auftritt legte der CEO der Kaiba Corporation nicht selten hin. Dennoch war der Blonde immer wieder über sein perfektes Timing erstaunt, während seine dunkelhaarige Sekretärin ertappt zusammenzuckte. 

 

„Setooo", grinste Katsuya den Brünetten überfreundlich an, wohlwissend, dass er sich höchstwahrscheinlich gerade mit einem lästigen Anrufer rumschlagen musste, und zog dabei den letzten Buchstaben seines Namens noch schön unnötig in die Länge.

„Komm rein", war die kurze gereizte Antwort, während er seine Sekretärin mit einem wissenden Blick besah und die Tür wieder ins Schloss fallen ließ. 

„Was ist los? Einen schlechten Start in den Tag gehabt?", erkundigte sich der Blonde beim Firmenchef und stellte seine Lieferung auf dessen Tisch ab. 

„Wie ich vermute, bist du darüber bereits bestens informiert und mehr muss zu dieser Inkompetenz auch nicht gesagt werden. Belassen wir es einfach dabei", wertete der Brünette das vorangegangene Telefonat und besah sich das Mitbringsel. 

 

„Du bist heute spät dran. Isono wird dich fahren“, sprach Seto seine Gedanken laut aus, als er noch einen flüchtigen Blick auf die Uhr warf.

„Ich habe noch mehr als genug Zeit. Oder lässt dein voller Terminplan etwa zu, dass wir zusammen zu Mittag essen?“, grinste der Blonde ihn frech an, da er die Antwort bereits kannte. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass er dieses Angebot mit persönlichem Chauffeur des Chefs erhielt. Direkt darauf läutete auch schon das Telefon im Hintergrund, sodass der Firmenchef genervt die Augen verdrehte. 

 

„Beim nächsten Mal nehme ich dein Angebot gern wieder an“, erwiderte Katsuya auf den mürrischen Blick des CEO, als dieser das Telefonat entgegen nahm. Ein Schmunzeln konnte er sich wiederum nicht verkneifen, denn die Tatsache, dass er seine wenige Freizeit mit ihm zusammen verbracht hätte, freute den Blonden immer wieder. Bevor er sich still und leise aus dem Büro zurückzog, schlich er noch einmal um den Schreibtisch herum und schenkte seinem Liebsten einen flüchtigen Kuss auf die Wange, der ihn nur genervt davon scheuchte. Doch das störte Katsuya weniger, denn er wusste schließlich, dass es nicht ihm galt und tat die Sache für sich ab, als er schließlich das Gebäude verließ und zur Arbeit ging. 

 

Der Firmenchef wiederum ärgerte sich über die ungeplante Unterbrechung und ließ dies seinen Gesprächspartner deutlich spüren. Zu gerne hätte er mal wieder mit seinem Hündchen zusammen gegessen, so wie sie es damals in der Schule auch meist ungesehen aller anderen taten. Doch es sollte nicht sein. Zumindest nicht heute. Nachdem das Telefonat beendet war, ließ er sich in seinem Bürostuhl nieder und besah sich das Mitbringsel, dass noch immer auf seinem Tisch stand. Er öffnete es und packte die dunkelblaue Box darin aus, dessen Inhalt ihn kurz darauf zum Schmunzeln brachte. Neben Sushi, Katsu und allerlei anderer Kleinigkeiten befanden sich auch zwei kleine Oktopusse darin, die ihn an die Begebenheiten aus längst vergangenen Tagen erinnerten.

„Immer noch genauso ein Kind wie früher“, amüsierte er sich über die niedlichen kleinen Würstchen und schloss den Deckel wieder, um vor dem Mittag noch einen kurzen Abstecher in seine Entwicklungsabteilung zu machen. 

 

Ein Blick auf den Kalender verriet ihm, dass bereits der 5. Januar war und der Blonde in knapp drei Wochen Geburtstag haben würde. Ein Geschenk hatte er bereits in Aussicht, aber es stellte ihn wie jedes Jahr nicht gänzlich zufrieden. Natürlich konnte der CEO der Kaiba Corporation mit Geld alles nur Erdenkliche für Katsuya kaufen und die ehrliche Freude in dessen Gesicht bestätigte ihm, dass es ihm auch stets gefiel. Dennoch schien er selbst aus irgendeinem Grund damit nicht zufrieden zu sein, wusste jedoch nicht, woher dieses Gefühl rührte. Er schüttelte den Gedanken ab und begab sich nach unten. Auf dem Weg dorthin hörte er, wie sich zwei seiner Angestellten unterhielten. Eine davon war seine Sekretärin, die gerade aus ihrer verdienten Mittagspause zurückkehrte. Nein, diesem Flurtratsch würde er wie immer nicht die geringste Bedeutung beimessen, bis ihn die Worte der jungen dunkelhaarigen Frau aufhorchen ließen. 

 

„Natürlich, sie liebt es mit teurem Schmuck beschenkt zu werden und geht auch gern in den nobelsten Restaurants essen, aber das ist alles irgendwie so langweilig und unpersönlich. Du weißt schon was ich meine, oder?“

„Ja, total unkreativ. Kaum ein Mann lässt sich heutzutage etwas Besonderes einfallen." 

„Ist das so?", fügte der Firmenchef beiläufig hinzu und erhaschte damit die Aufmerksamkeit der beiden Frauen. Sofort zuckte die Gesprächspartnerin seiner Sekretärin zusammen und man sah überdeutlich den Respekt vor ihrem Boss in dieser Geste. Sie verabschiedete sich im selben Moment, trat die Flucht zurück an ihren Arbeitsplatz an und ließ ihre Kollegin mit dem CEO alleine zurück.

 

„Teure Geschenke sind also seit Neustem unkreativ?“, stellte Kaiba erneut in den Raum und sah seine Sekretärin mit einem eindringlichen Blick an. 

„Nun, Kaiba-sama. Wie soll ich es sagen“, nahm sie das Gespräch auf und versuchte, es weitestgehend zu erklären. „Es ist zwar schön, etwas Wertvolles geschenkt zu bekommen, aber entscheidend ist letztendlich nicht der Preis der Sache. Es geht um die inneren Werte und darum, dass der Partner merkt, wie viel Mühe in dem Geschenk steckt. Die meisten Frauen mögen es einfach etwas Besonderes und Einzigartiges zu bekommen, wie zum Beispiel eine romantische Urlaubsreise zu zweit oder ein mit Liebe zubereitetes, selbstgekochtes Essen. Teurer Schmuck oder langweilige Restaurants stehen dabei nicht sehr hoch im Kurs und sind, naja, einfach unkreativ. Es heißt nicht umsonst: Liebe geht durch den Magen“, lächelte sie ihren Chef freundlich an. 

 

Im Endeffekt war auch er nur ein Mann, der allerdings keine Freundin im eigentliche Sinne hatte. Ob es also auf ihn genauso zutraf, konnte sie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Seinem Verhalten nach zu urteilen, vermutete sie es jedoch stark. 

„Hier hätte ich noch eine Zeitschrift, die genau das Thema aufgreift“, sagte sie und legte dem Firmenchef besagtes Magazin in die Hand. Kurz überlegte Kaiba, ob ihm diese Zeitschrift tatsächlich weiterhelfen konnte, hielt es jedoch für unwahrscheinlich.

„Ich denke nicht, dass ich das benötige“, lehnte der Brünette die Hilfestellung letztendlich ab und gab sie ihr zurück. Das würde er auch ohne dieses Klatschblatt bewerkstelligt bekommen. Zumindest dachte er das bis dato noch.
 

 

Einige Tage später am Samstagmorgen startete er dann den ersten Versuch, etwas Einfaches zuzubereiten. Kochen konnte ja nicht so schwer sein und wenn man es genau betrachtete, war es auch nur eine andere Form der Wissenschaft bestehend aus Garzeiten, den richtigen Temperaturen und einem gewissen Feingefühl für die Würze. Von alledem besaß Seto Kaiba leider gar nichts, wie sein jüngerer Bruder an diesem Morgen feststellte.

 

„Seto, was tust du da?“, fragte er neugierig und lugte in die Bratpfanne.

„Kochen“, war die nüchterne Antwort, während das Irgendwas in seiner Pfanne einen zweiten Tod starb.

„Das ist alles, aber definitiv nicht kochen.“

„Es ist doch schwieriger, als es aussieht.“

„Was ist ES eigentlich?“

„Das willst du nicht wissen“, war die abschließende Aussage, bevor der Brünette das Unterfangen aufgab und das misslungene Experiment zu den anderen stellte. Es kam wahrlich selten vor, dass sein Bruder an etwas scheiterte, und wenn er genau darüber nachdachte, war das bisher eigentlich nie passiert. 

 

Mokubas Blick sprach Bände und er konnte sich schon denken, warum Seto dieses Theater in der Küche veranstaltete, obwohl sie einen fabelhaften Koch angestellt hatten. Gut, dass Jonouchi nicht mit ihnen zusammen wohnte, so bekam er wenigstens nichts von diesen Kocheskapaden mit.

„Vielleicht solltest du dir Rat bei jemandem holen?“, schlug der Schwarzhaarige vor und hatte dabei schon jemand ganz Bestimmtes im Sinn. Daraufhin erntete er von seinem Bruder einen mürrischen Blick, jedoch keine Widerworte. Er wusste sofort, wen der Jüngere meinte. Jedoch wusste er nicht, ob ihm das auch gefallen wollte. Immerhin hätte er dann zugeben müssen, dass es etwas gab, das er allein nicht bewältigen konnte. Und das wurmte ihn enorm. Allerdings ging es hier ja nicht um ihn, sondern um Katsuya und der hatte definitiv etwas anderes als eine Lebensmittelvergiftung mit Krankenhausaufenthalt verdient. Also schob er seinen unnötigen Stolz beiseite und gab der Sache eine Chance.

„Vermutlich hast du recht. Gib mir seine Nummer, dann sehen wir weiter“, wandte er sich an Mokuba, der sofort schmunzelnd sein Smartphone zückte und die Nummer raussuchte.
 

 

Direkt am nächsten Tag begann der Kochkurs in der Kategorie “blutige Anfänger”, denn der 25. Januar rückte stetig näher. Pünktlich um 10 Uhr stand Kaiba mit gemischten Gefühlen vor Yuugis Tür, der seit geraumer Zeit mit Ryou in einer WG lebte und mit ihm auf die selbe Uni ging. Mokuba schwärmte immer von ihren Kochkünsten, wenn er bei ihnen zu Gast war und das kam nicht selten vor. Somit hatte Kaiba gleich zwei fähige Personen, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen würden. Jetzt musste er nur noch seinen kaibanischen Stolz überwinden und die Klingel betätigen. Doch das war schwieriger, als man vermuten mochte. Noch ehe er sich dazu durchringen konnte, wurde die Tür plötzlich geöffnet.

„Guten Morgen, Kaiba-kun“, lächelte ihn Yuugi freundlich an und Seto hätte ihm das fröhliche Grinsen am Liebsten direkt aus dem Gesicht gewischt. Doch das war nicht Sinn der Sache, denn immerhin war er es, der die Hilfe des Jüngeren benötigte, auch wenn er es nur ungern zugab. Also gab er ein wie immer neutrales und trotzdem unfreundlich klingendes „Morgen“ zurück. Zum Glück war heute Sonntag, sodass er sich wenigstens keine wertvolle Zeit von seiner Firma stehlen musste, um dieses Unterfangen zu wagen. Dass er Katsuya deswegen jedoch vertrösten musste, war schon beinahe ironisch und es kristallisierte sich sehr bald heraus, dass es bei einem Besuch hier nicht bleiben würde.

 

Um langsam an die Sache heranzugehen, versuchten sie sich erstmal an einem einfachen Omelett. Doch offenbar war der Brünette heute sehr verliebt, wie Yuugi nach dem ersten Versuch feststellen musste. Das Essen war so stark versalzen, dass er es direkt im Müll versenken musste und dabei sein Gesicht verzog, als hätte er auf eine fürchterlich saure Zitrone gebissen. Der zweite Versuch endete mit einem scharfen Chili-Pfeffer-Attentat, welches Ryou unzählige Tränen in die Augen trieb. Nur mit Müh und Not sowie literweise Milch hatte er es überlebt und war für ein weiteres Experiment dieser Art nicht noch einmal zu haben. Als sie schließlich beim dritten Versuch angelangt waren, war das Essen zwar genießbar, jedoch fehlte das, was bei den ersten beiden Malen deutlich zu viel war, diesmal beinahe gänzlich. Das Ende vom Lied war ein angesäuerter Firmenchef und zwei Probanden, die für seine Kochunfälle hergehalten hatten. Ryous Geschmacksnerven waren für die nächsten Stunden quasi abgestorben und Yuugi hatte seit geraumer Zeit ein flaues Gefühl im Magen, sodass sie beschlossen, das Unterfangen letztendlich für den heutigen Tag aufzugeben und einen neuen Termin für ihr Treffen ausmachten. Sowohl Yuugi als auch Ryou blieb der Tag noch lang im Gedächtnis und sie mussten beide im Nachhinein darüber schmunzeln, wie fürchterlich unbeholfen der Firmenchef doch in dieser Hinsicht war.

 

Eine Woche mit drei weiteren Treffen ging ins Land und es stellte sich gefühlt wenig Verbesserung ein. Neben einigen nicht ganz so verunglückten Versuchen mit Fleisch, konnte Kaiba immerhin ein sehr krosses Tonkatsu und ein feurig scharfes Yakitori aus der Pfanne zaubern. Jedoch gab es auch dort noch einigen Verbesserungsbedarf. Die beiden Hobbyküchenchefs sahen ein, dass es wahrlich eine Mammutaufgabe war, Kaiba in kürzester Zeit das Kochen beizubringen. Wobei sie jedoch zugeben mussten, dass der Brünette im Umgang mit dem extrem scharfen Messer, das jedes Mal so bedrohlich in seinen Augen glänzte, wiederum äußerst geschickt war. Den Grund dafür wollten die beiden zu ihrer eigenen Sicherheit jedoch lieber nicht erfahren. Und da die Zeit drängte, planten sie kurzerhand um.

„Kaiba-kun, vielleicht sollten wir anders an die Sache rangehen. Du willst Jonouchi doch sicher sein Lieblingsessen zum Geburtstag kochen, richtig?“, sah Yuugi zu dem Älteren auf.

„Darauf wird es hinauslaufen", war die kurze Antwort des Brünetten.

„Gut, dann sollten wir uns von jetzt an darauf konzentrieren. Immerhin sind es nur noch sechs Tage bis zu seinem Geburtstag", stellte er in den Raum und verzichtete dabei auf weitere Ausführungen, die nur zu schlechter Laune des Firmenchefs oder einem weiteren Schmunzeln über dessen hölzerne Art zu kochen von Ryou führen würden.

 

„Ich hole mal den neuen Reiskocher“, warf der Weißhaarige ein und verschwand in den Flur. Durch eine ungünstige Verkettung von unvorhersehbaren Ereignissen, wie sie es liebevoll nannten, war ihr vorheriges Modell leider nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Dass auch Kaiba einen nicht unwesentlichen Teil dazu beigetragen hatte, verschaffte den WG-Bewohnern unverhofft ein neues Gerät mit allerlei Extras, welches heute erstmalig zum Einsatz kommen sollte. Da die Maschine den Reis wohl fast gänzlich ohne das Zutun seines Besitzers kochen konnte, minimierten sie damit auch gleichzeitig das Risiko, dass noch mehr Kochpannen das geplante Vorhaben ruinierten. Mit Tatendrang und dem festen Glauben, dass Liebe auch die schwerwiegendsten Hindernisse überwinden konnte, instruierte Yuugi den Möchtegernkoch und wagte sich an das tollkühne Unterfangen. An und für sich war Kare Raisu ein relativ einfaches und schnell zuzubereitendes Gericht. Doch im Falle von Kaiba blieb es eine Herausforderung für alle. 

 

Die Pfanne stand bereit und das Öl wurde hineingegeben. Jetzt musste sie nur noch die richtige Temperatur erreichen und das Fleisch konnte angebraten werden. Diese Ehre wurde dem Firmenchef zuteil. Ryou machte sich auf der gegenüberliegenden Arbeitsplatte währenddessen mit ihrem neuen Hightechgerät vertraut, während Yuugi neben ihm das Gemüse klein schnitt. Dass die beiden dabei näher zusammen standen, als es für WG-Bewohner schicklich war, wollte der Brünette gekonnt ignorieren, als er das Fleisch in die Pfanne gab. Schon länger beschlich ihn das untrügliche Gefühl, dass das hier keineswegs nur eine reine Wohngemeinschaft war. Aber das ging ihn nichts an und interessierte ihn, wenn er ehrlich war, auch herzlich wenig, solange er diese Sache mit dem Kochen bis zum vereinbarten Tag beherrschte. Viel Zeit war nicht mehr übrig und täglich konnte er hier auch nicht vorbeikommen, wenn er seine Firma nicht noch mehr vernachlässigen wollte. Ganz zu schweigen von dem blonden Chaoten, wegen dem er die ganze Sache hier eigentlich veranstaltete. 

 

Abgelenkt von seinen Gedanken um das baldige Geburtstagskind, achtete er nicht auf die Pfanne, in der das Öl das Fleisch bereits deutlich knuspriger anbriet, als es sein sollte. Auch Yuugi entging der Geruch nicht, woraufhin er sich direkt zu dem Brünetten wandte.

„Ähm Kaiba-kun?", besah er sich ungläubig, was da vor sich hin schmorte.

„Hm?", folgte als Antwort von dem Angesprochenen.

„Was riecht hier so verbrannt?" 

„Sag du es mir. Ich habe genau das getan, was du mir gesagt hast. Mindestens 180°C waren deine Worte", zuckte er unbedarft mit den Schultern, als die Pfanne mit dem brutzelnden Inhalt im selben Moment Feuer fing und eine Stichflamme in die Höhe schoss. Auf den ersten Schreck hin wichen beide ein Stück zurück, während Ryou sich den passenden Deckel schnappte und ihn auf die Pfanne legte, um die Flammen zu ersticken.

 

„Ist ja schön und gut, dass die Temperatur stimmt, aber es hilft nichts, wenn das Fleisch darin zu Tode gebraten wird und die Wohnung abfackelt“, schmunzelte er über das Ungeschick des Firmenchefs. Es war kaum zu glauben. Dieser gestandene Mann entwickelte Software, von der alle Welt nur träumte, leitete bereits in jungen Jahren seine eigene Firma und sah zudem noch unverschämt gut aus. Aber beim Kochen stellte er sich wie der erste Mensch an! Vermutlich würde die Henne noch immer um ihre Eier trauern, wenn sie das Desaster vom ersten Tag miterlebt hätte.

„Das arme Schwein…“, murmelte Yuugi vor sich hin und erregte damit Kaibas Aufmerksamkeit. 

„Wie meinen?“

„Schon gut. Wir probieren es einfach morgen nochmal. Ich schicke dir wie immer die Einkaufsliste“, winkte er ab und begleitete den Brünetten zur Haustür. Sie verabredeten sich auf den morgigen Abend und verabschiedeten sich schließlich kurz und knapp voneinander.

 

„Ich freue mich jetzt schon darauf, in der nächsten Woche mehrfach in den Genuss des kaibanischen Currys zu kommen", belächelte der Weißhaarige das heutige Abenteuer, als Yuugi die Küche wieder betrat.

„Er wird das schon noch hinbekommen. Ganz bestimmt." 

„Du glaubst auch an alles, was unmöglich scheint, du kleiner Träumer", stupste er ihn an die Nase und erntete dafür ein Grummeln. „Auf das Abendessen mussten wir zwar verzichten, aber vielleicht hast du Lust auf einen süßen Nachtisch?" 

„An was hast du dabei gedacht?" 

„Nun", tippte Ryou demonstrativ auf seine Lippen. 

„So ein Nachtisch also. Ein Häppchen würde ich mir genehmigen." 

„Nur ein Häppchen also?" 

„Du weißt doch: Es bleibt nie bei nur einem."
 

 

Die Tage vergingen wie im Flug und sorgten vor allem beim Blonden für Unmut. Er wusste natürlich, dass Seto aufgrund der Firma generell zeitlich sehr eingespannt war, jedoch sahen sie sich inzwischen fast gar nicht mehr. Zwar hatte der Brünette bereits vor einer Woche erwähnt, dass die nächste Zeit stressig werden würde und er einige wichtige Termine wahrnehmen müsse. Aber dass er ihn gar nicht mehr zu Gesicht bekam, wurmte Katsuya dann doch mehr als gedacht. Also beschloss er, sich mal wieder mit einem kleinen Mitbringsel selbst einzuladen. Direkt nach seiner Arbeit machte er daher noch einen kurzen Abstecher in den nahegelegenen Konbini, bevor er den Heimweg antrat und sein Vorhaben in die Tat umsetzte. Mit einer gewissen Vorfreude betrat er die Kaiba Corporation, ging wie immer mit einem beschwingten Schritt zu den Fahrstühlen und fuhr nach oben zum Büro des CEO, um ihn zu überraschen. Doch zu seiner Enttäuschung war nur Kaibas Sekretärin zugegen.

 

„Es tut mir leid. Er hat vor einer halben Stunde das Haus verlassen“, teilte sie dem Blonden auf Nachfrage mit. Doch wohin er genau gegangen war, konnte sie ihm nicht sagen. Ein offizieller Termin war es jedenfalls nicht, da sie als seine Sekretärin darüber bestens informiert gewesen wäre. Dabei hätte Jonouchi schwören können, dass Seto ihm erst gestern gesagt hatte, dass es heute wieder spät werden würde, da er einen wichtigen Termin wahrnehmen müsse. Oder hatte er das vielleicht verwechselt? Ja, das würde es sicher sein. Wäre ja nicht das erste Mal, dass der Blonde nur mit einem halben Ohr zuhörte. Außerdem hatte Seto ihm ja bereits gesagt, dass er derzeit viel zu tun hatte und er deswegen nicht vorbeizukommen brauchte. Also zog er unverrichteter Dinge wieder ab und wollte sich zu Hause das Bentō einverleiben. Dann würde der verschollene Geheimniskrämer eben nicht in den Genuss seiner Kochkünste kommen. Tja, Pech gehabt, selber Schuld, Ätsch. 

 

Doch auch wenn sich der Verschmähte innerlich über Kaiba aufregte und beleidigt mit Schimpftiraden um sich warf, half es ihm aktuell nicht wirklich weiter. Unwohlsein breitet sich in ihm aus mit dem trügerischen Gefühl, etwas Essentielles verpasst zu haben. Kurz überlegte er, ob es sinnvoll sein würde, ihn anzurufen und einfach nachzufragen. Sicher gab es eine einfache Erklärung und der Ältere würde ihn dann wie immer wieder tagelang damit aufziehen, dass er so vergesslich war wie ein Eichhörnchen, dass seinen eigenen Bau nicht mehr fand. Glücklicherweise war das bisher noch nie vorgekommen, auch wenn er sich manchmal unverhofft in einen anderen, ihm wohlbekannten Unterschlupf verlaufen hatte oder mit süßen Versprechungen dorthin gelockt wurde. Für heute beließ er es erstmal dabei und wollte morgen sein Glück erneut probieren.

 

So stand er pünktlich um 18 Uhr im Büro des CEO und stattete seinem Liebsten damit unverhofft einen Besuch ab. Doch leider währte die Freude über den spontanen Überfall nicht lang, denn der Firmenchef war äußerst geschäftig und wortkarg. 

„Heute wieder viel zu tun?“, fragte der Blonde neugierig und trat einen Schritt an den dunklen Schreibtisch heran.

„Ich habe nachher noch einen sehr wichtigen Termin, der viel Zeit in Anspruch nehmen wird“, war die wenigsagende Antwort von Seto, der in seinen Laptop versunken zu sein schien. Im selben Moment klingelte zusätzlich noch sein Smartphone, sodass er das Gespräch genervt entgegen nahm und mit den harschen Worten „Ich rufe zurück“ direkt abwürgte. Katsuya sah ihr Gespräch ebenfalls als beendet an, denn bisher hatte der andere ihn kaum eines Blickes gewürdigt. Viel zu vertieft war er in seine Arbeit und der Zeitdruck trug wohl sein Übriges dazu bei. Also wandte er sich wieder ab, während ein leises Seufzen seinen Mund verließ, in dem eine gewisse Enttäuschung über diesen überflüssigen Besuch mitschwang. Das wiederum entging auch Kaiba nicht und er konnte die Sache so einfach nicht stehen lassen.

 

„Katsuya“, sprach er den Namen des anderen in einem vertrauten Tonfall aus und ließ ihn damit kurz innehalten, bevor er sich wieder zu ihm wandte. „Ich ruf dich morgen an“, war die kurze prägnante Aussage, woraufhin der CEO ein Nicken gepaart mit einem schiefen Schmunzeln als Antwort erhielt. Somit war der kurze Ausflug beendet und der Blonde im Begriff, das Büro zu verlassen, als der Brünette bereits den Rückruf tätigte. Das Gespräch interessierte ihn nicht sonderlich, denn Setos Firmengeschichten waren in den seltensten Fällen spannend. Die Tür war noch nicht ganz ins Schloss gefallen, als Katsuya den anderen jedoch plötzlich Dinge sagen hörte, die ihm nicht gefallen wollten.

 

„Eine halbe Stunde früher? Ja, das sollte kein Problem darstellen. Ich habe heute keine weiteren Termine.“ Da horchte der Blonde auf, das klang doch eben noch ganz anders. 

„Und komm mir bloß nicht wieder mit diesem billigen Fummel. Da bevorzuge ich lieber gar nichts, ungeachtet aller Konsequenzen.“

‘Was für ein Fummel? Bei welcher Aktivität? Und welche Alternative ist bitte "gar nichts”?’, schallte es durch Jonouchis Kopf. Zweideutiger ging es ja wohl nicht mehr!

„Übertreib es nicht, Yuugi. Außerdem kann ich Bakura im Hintergrund lachen hören“, echauffierte sich der Firmenchef und beendete das Telefonat, sodass der Blonde jetzt gänzlich verwirrt war. Er ließ daraufhin die Bürotür so unauffällig wie möglich ins Schloss fallen und nahm seine Gedanken mit auf den Weg zum Fahrstuhl. Seto hatte eindeutig gerade Yuugi und Bakura gesagt. War das Treffen mit den beiden etwa dieser wichtige Termin, der so viel Zeit in Anspruch nahm, dass er keine Zeit mehr für ihn haben würde? Es wäre Jonouchi leicht möglich, das herauszufinden. Also zückte er sein Handy und tippte ein paar Zeilen an seinen besten Freund, ob er nicht spontan Lust hätte, heute etwas mit ihm zu unternehmen. Das letzte Treffen war offen gestanden auch schon eine ganze Weile her. Prompt wurden die kurzen Zeilen gelesen und beantwortet. Doch die Nachricht wollte ihm nicht gefallen:

>Tut mir leid, aber wir bekommen heute Abend Besuch. Da kann ich leider nicht absagen. Gern ein anderes Mal!<

 

Sein Verdacht bestätigte sich. Irgendwas ging da still und heimlich vor sich, von dem er offenbar nichts wissen sollte. Was hatte Seto bloß mit den beiden zu schaffen, wo er sie doch sonst immer so offensichtlich mied? Natürlich könnte es um eine Überraschung für seinen baldigen Geburtstag gehen, aber das Kaiba dazu unbedingt die anderen beiden benötigte, kam ihm schon ziemlich spanisch vor. Was hätte man da außerdem nicht per Messenger besprechen können. Er wollte der Sache so schnell wie möglich auf den Grund gehen und bog, als er die Kaiba Corporation verließ, direkt in Richtung der WG ab. Die Neugier begleitete ihn bei jedem Schritt, sodass er schneller als gedacht an besagtem Ort eintraf. Als erstes fiel ihm natürlich das Fahrzeug des Firmenchefs auf, dass nur wenige Meter weiter geparkt war. 

 

Seto war also definitiv bei Yuugi und Bakura und diese Information war schön und gut, nur was wollte er jetzt hier tun? Einfach klingeln und einen auf unwissend machen? Allerdings hatte Yuugi ihm ja bereits gesagt, dass sie heute keine Zeit haben würden. Folglich würden sie ihn einfach nur vertrösten und wieder abtreten lassen. Vielleicht sollte er die Sache auch erstmal aus der Ferne beobachten und sich die Zeit solange mit der Zockerei auf dem Handy vertreiben, bis sich etwas Aufschlussreiches ergab? Sein Akku war jedenfalls voll geladen. Oder er tat das Erstbeste, das er auch sonst immer in seinem impulsiven Wesen getan hatte: Die gottverdammte Tür eintreten und fragen, was zum Donner nochmal hier eigentlich abging! Doch auch das schien keine sehr diplomatische Lösung zu sein. Sollte es nämlich tatsächlich um seinen Ehrentag gehen, würde er sich “Baka” wohl als zweiten Vornamen wählen müssen, denn die anderen würden ihn ein Leben lang damit aufziehen. Also beschloss er, heute mal erwachsener an die Sache heranzugehen und legte sich detektivisch auf die Lauer.

 

Doch es passierte nichts, absolut gar nichts. Aus fünf Minuten wurde eine halbe Stunde, aus der halben Stunde schließlich eine ganze und der Akku seines Smartphones leerte sich mit jeder Minute mehr. Als er schließlich noch stolze 5% auf dem Display stehen hatte, trat Seto nach sagenhaften 1 ½ Stunden tatsächlich mit Bakura zusammen aus der Eingangstür heraus. Hatte er ihn also bei, was auch immer er dort tat, auf frischer Tat ertappt. Der Blonde freute sich, dass sein Spürsinn nach wie vor noch immer allererste Sahne war. Nichts und niemand konnte ihm zu keiner Zeit entgehen! Das dachte er zumindest noch so lange, bis Bakura seinem Liebsten den Satz „Übermorgen zur selben Zeit, Tiger!“ zurief und ihm einen Luftkuss zuwarf, während ein verschmitztes Grinsen das Gesicht des Weißhaarigen zierte. Kaibas Reaktion konnte er nicht sehen, jedoch beschäftigte den Hobbydetektiv in diesem Moment auch etwas völlig anderes. 

 

'Wow. Was genau war das gerade?' 

Er musste sich verhört haben und seine Augen waren wohl auch nicht mehr die Besten. Warum taten die beiden so befremdlich vertraut? Wobei diese Art der Gefühlsregung bei Seto ja immer eher schwierig herauszufiltern und für ihn auch im Moment leider nicht ersichtlich war. Bei dem Weißhaarigen jedoch war es wiederum mehr als offensichtlich, dass da etwas unanständiges vor sich ging, und sein Drache war ganz bestimmt nicht Bakuras Tiger! Von wegen bis übermorgen! Was sollte der Quatsch? Und Yuugi? Der war zu allem Überfluss natürlich auch noch darin involviert und verschwieg seinem besten Freund bewusst diese geheimen Treffen. Aber warum? Das, was er da gerade miterlebt hatte, war so absurd, dass er es gar nicht glauben konnte. Und noch im selben Moment, in dem er sich innerlich fürchterlich darüber aufregte, zog ihn ein ganz anderer Gedanke direkt wieder runter auf den harten kalten Boden der Tatsachen. 

 

‘Kann es sein, dass er… er wird doch nicht etwa… fremdgehen?’ Doch es schien mehr als eindeutig und ließ keinen anderen Schluss zu: Seto betrog ihn und das offensichtlich schon seit dem Jahreswechsel. Diese Erkenntnis wäre alleine schon bitter genug gewesen, vor allem so kurz vor seinem Geburtstag, aber dass es ausgerechnet mit Bakura… und zu allem Überfluss auch noch Yuugi war, versetzte ihm gleich einen doppelt so harten Schlag in die Magengrube und ließ ihn an sich zweifeln. Das zu verdauen schien ihm im ersten Moment beinahe unmöglich. Allerdings hatte er dahingehend keine Wahl und trat missmutig den Heimweg an, der deutlich länger als sonst schien.

 

Der Tag danach begann schleppend für den Blonden und er konnte sich nicht wirklich zu etwas aufraffen. Heute hatte er Ganztagsschicht. Also versucht er, sich auf der Arbeit abzulenken, was leider nicht gelingen wollte, obwohl seine Kollegen sich mit freundlichen Worten und bester Laune die größte Mühe gaben. Doch seine Gedanken schweiften immer wieder zu dem gestrigen Szenario ab und ließen ihn mit vielen Seufzern Trübsal blasen. So verstrichen die Stunden quälend langsam und der Tag zog sich wie ein klebriger alter Kaugummi. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden als der Blonde wieder zu Hause eintraf, sich zu seinem Bett schleppte und einfach darauf fallen ließ. Die vielen Gedanken ließen seinen Kopf noch schwerer als Stein werden und wollten ihn nicht mehr aufstehen lassen. 

 

Doch lang blieb er nicht in dieser Position, denn der versprochene Anruf von Seto kam natürlich wie angekündigt nach Feierabend und Jonouchi überlegte, ihn einfach wegzudrücken, konnte es jedoch nicht. Zu gern hätte er seine Stimme gehört, die ihm sagen würde, dass das, was gestern geschehen war, nur ein dummes Missverständnis war und alles beim Alten blieb. Allerdings konnte er das Telefonat aus Angst vor der unschönen Wahrheit auch nicht annehmen, sodass der markante Klingelton, den er nur für Setos Nummer ausgewählt hatte, schließlich verstummte. Was sollte er auch sagen? 

„Hi Schatz, schön, dass du anrufst. Wie war dein Stelldichein mit meinem Freunden gestern? Ich hab euch gestern gesehen und hoffe ihr hattet viel Spaß.“ 

Nein, sicher nicht. 

 

Sein Gedankenkarussell nahm wieder Fahrt auf und er war sich nicht sicher, wie es jetzt mit ihnen weitergehen sollte. Er besaß nie viel in seinem Leben. Dennoch hatte er dem Firmenchef in den letzten drei Jahren alles davon geschenkt, ihm bedingungslos seine tiefsten Gefühle offenbart, ihn geliebt. Und das tat er noch immer, auch wenn der Vertrauensbruch enorm war und ihn schmerzte. Es war zermürbend und er wusste, dass er etwas tun musste. So einfach konnte und wollte er sich nicht damit abfinden. Also rappelte er sich auf, nahm sein Telefon in die Hand und tätigte den Rückruf. Kampflos würde er den beiden seinen Drachen keinesfalls überlassen und er überlegte kurz, wie er die Sache angehen konnte, während der Ton des Freizeichens erklang. Was würde wohl passieren, wenn sich der Brünette ad hoc für einen von ihnen entscheiden müsste? Morgen wollten sie sich wieder treffen. Also würde er jetzt versuchen Seto davon zu überzeugen, stattdessen etwas mit ihm zu unternehmen. Doch dafür müsste dieser das Telefonat auch annehmen. Elends lang erschien ihm die Zeit, in der die Sekunden einfach verstrichen, bis der Anruf schließlich entgegengenommen wurde.

 

„Seto!“, sprach er mit einer piepsigen Stimme aufgeregt in den Hörer und rügte sich im gleichen Moment selbst für diesen Tonfall.

„Was ist mit deiner Stimme los? Klingt befremdlich“, scherzte der Brünette auf Kosten des anderen.

„Was? Nein, nichts. Alles okay“, war die zerstreute Antwort.

„Hör mal. Das gestern…“, begann der Firmenchef seinen Satz und wurde jäh von seinem Gesprächspartner mit einem „Ist schon gut“ unterbrochen. Katsuya wollte keine Ausreden oder Lügen über den gestrigen Tag von ihm hören. Es war so schon unerträglich genug und es schnürte ihm beinahe die Kehle zu, dass Seto so tat, als wäre alles in bester Ordnung. Doch das war es nicht. Zumindest nicht mehr.

„Anderes Thema“, schwenkte er schließlich um und tat sein Anliegen kund: „Ich hab morgen zeitig Schluss und wollte dich zum Abendessen einladen. Ich koche dein Lieblingsessen“, versuchte er ihn zu ködern und wartete gespannt auf seine Antwort.

„Das klingt äußerst verlockend“, erwiderte  Seto auf seinen Vorschlag und versetzte den Blonden in eine positive Stimmung, „aber ich bin morgen Abend bereits verplant”, die sofort wieder zunichte gemacht wurde.

 

„Ist doch kein Problem, dann sag halt ab oder verschieb es auf einen anderen Tag. Deine Sekretärin wird schon was Passendes finden“, lieferte er dem Firmenchef die wohl einfachste Lösung und hoffte, dass er einlenken würde. Doch das tat er nicht.

„In den kommenden Tagen quillt mein Kalender beinahe über. Nächste Woche passt es besser.“

„Achso. Natürlich. Deine 'Termine' sind dir natürlich wichtiger als ich“, hörte er Katsuya resigniert sagen, während eine hörbare Enttäuschung darin mitschwang.

„Du verstehst das nicht. Ich kann diese Termine nicht verschieben“, sagte er schließlich in einem bestimmten Ton und Stille kehrte für einen kurzen Moment ein.

 

„Na gut. Wenn du unbedingt ein Tiger werden willst, bitte!“, schimpfte der Blonde daraufhin frustriert in den Hörer und beendete das Telefonat abrupt. Am anderen Ende der Leitung blieb ein vor den Kopf gestoßener Firmenchef zurück. Was hatte den anderen plötzlich so derart aufgeregt? Sicher, er wusste um dessen impulsive Art und er konnte auch durchaus verstehen, dass es den Jüngeren wurmte, dass er momentan zeitlich so eingespannt war, aber das eben war sogar für ihn etwas übertrieben. Jedoch konnte Kaiba sich nicht lange mit diesen Gedanken aufhalten. Immerhin musste er noch eine Menge Dinge erledigen, wenn er morgen pünktlich wieder zum WG-Kochkurs erscheinen wollte. Katsuya würde sich in den nächsten Tagen sicher auch wieder fangen, so wie es immer war, und spätestens an seinem Geburtstag würde dieses Schauspiel und der zusätzliche zeitliche Stress endlich ein Ende finden. Wie sehr sehnte er diesen Tag herbei.

 

Der Blonde wiederum pfefferte sein Handy wutentbrannt auf sein Bett und vergrub sein Gesicht in den weichen Kissen.

„Du blöder Idiot!“, brüllte er in das Polster und trocknete die aufkommenden Tränen darin. Er hätte es besser wissen müssen, denn was sich der Firmenchef einmal in den Kopf gesetzt hatte, wurde auch genau so und ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen. Und er war wohl inzwischen einer dieser Verluste, die der Ältere dafür in Kauf nahm. Doch er hatte es wenigstens versucht. Leider entschädigte ihn der Gedanke nicht für das Desaster, das daraus resultierte. Und auf kurz oder lang würde er mit der harten Realität irgendwann sowieso konfrontiert werden. In dem Moment leuchtete sein Handy auf und signalisierte eine eingehende Nachricht von dem Brünetten. Katsuya war sich nicht sicher, ob er sie wirklich lesen wollte, angelte jedoch kurz darauf sein Smartphone von der anderen Seite des Bettes und holte noch einmal tief Luft, bevor er die wenigen Zeilen las.

>Komm Samstagabend zu mir nach Hause. Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.<

 

Am Samstag war sein Geburtstag. Wie passend. Ein besseres Datum hätte er nicht wählen können, um es zu beenden. Vielleicht hatte er auch gar nicht auf dem Schirm, dass es sein Ehrentag war. Passierte ja schonmal, wenn man sich anderweitig amüsierte. Da es keine Frage war, musste er dementsprechend auch nicht darauf antworten. Also legte er das Handy wieder beiseite und zog die Decke über den Kopf, um dieses Chaos auszublenden. In drei Tagen begann das Wochenende und er würde sich am liebsten bis dahin hier verkriechen. Dass dies keine Option war, wusste er nur zu gut, doch für den Moment war es das Einzige, das ihm übrig blieb.

 

Die wenigen Tage vergingen, ohne dass beide noch einmal miteinander gesprochen oder sich gesehen hatten. Katsuya machte gerade Feierabend und verließ betrübt das Café. Sein Herz war schwerer als Blei und zog ihn zusammen mit seinem niedergeschlagenen Gemüt in tiefe Abgründe hinein. Heute war der Tag, an dem ihn der Firmenchef zu sich bestellt hatte, sein Geburtstag, und heute würde er ihm garantiert den Laufpass geben. Vielleicht sollte er noch einen kurzen Abstecher nach Hause machen und gleich eine Tasche holen, um seine wenigen Sachen von dort mitnehmen zu können. Allerdings hatte er keine wirkliche Lust, jetzt noch quer durch die Stadt zu gondeln. Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen und nahm den direkten Weg zum Anwesen der Familie Kaiba. Dort empfing ihn Mokuba mit einem freudigen Grinsen und gratulierte ihm überschwänglich zum Geburtstag, bevor er ihn mit in die Wohnstube nahm. Seine gute Laune überfiel den Blonden regelrecht und ließ ihn für einen kurzen Moment vergessen, weshalb er eigentlich hier war. Jedoch währte die Ablenkung nicht lang und er verlor sich erneut in den negativen Gedanken, bis Mokuba ihn schließlich direkt ansprach.

 

„Jonouchi, stimmt etwas nicht? Du siehst nicht sehr fröhlich aus. Hat Seto wieder irgendwas angestellt?“, wollte er in einem tadelnden Tonfall wissen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ihn sein Bruder mit irgendeiner banalen Kleinigkeit ärgerte und sie dann wie früher in der Schule im Clinch lagen. Meist währte diese Situation nicht sehr lange und sie rauften sich wieder zusammen. Gerade am Anfang dieser holprigen Beziehung passierte das noch sehr oft, wurde jedoch bald zur Seltenheit. Dass sie ausgerechnet zu Katsuyas Geburtstag mal wieder zankten, war auch nicht die feine, englische Art.

„Was bitte soll ich 'angestellt' haben?“, durchdrang die dunkle Stimme des Firmenchefs den Raum und der Blonde zuckte unwillkürlich zusammen. Mit verschränkten Armen stand der Hausherr im Türrahmen und bedachte seinen jüngeren Bruder mit einem tadelnden Blick. Schuldbewusstsein suchte man bei ihm wie so oft vergebens. 

 

Katsuya hatte sich zwar bereits mental auf die Situation eingestellt, ihn jedoch jetzt tatsächlich vor sich zu haben, versetzte ihm einen Stich. Dennoch atmete er einmal tief durch, schüttelte die negativen Gedanken regelrecht ab und straffte sich. Wenn er jetzt schon vor den Trümmern seiner Beziehung stand, dann wollte er sich wenigstens nicht die Blöße geben und weinerlich vor Kaiba auftreten. Das Paar tauschte einen kurzen Blick aus und Seto hatte das untrügliche Gefühl, irgendwas nicht mitbekommen zu haben, als sein Freund den Blickkontakt harsch unterbrach und betroffen zu Boden blickte. Was auch immer hier gerade schief lief, sollte er so schnell wie möglich aufklären. Daher räusperte er sich kurz und meinte: „Wie dem auch sei, wolltest du nicht einen Freund besuchen, Mokuba?", ehe er einen weiteren Schritt auf dem trübsalblasenden Blonden zuging, „Gut, dass du es einrichten konntest. Folge mir bitte!" Ohne Umschweife drehte sich der Firmenchef um und verließ den Raum. Jonouchi zögerte einen Moment, bis er schließlich von dem jüngeren Kaiba in seinen Gedanken unterbrochen wurde: „Worauf wartest du noch? Na los geh schon! Wir sehen uns dann morgen", sprach er dem Älteren Mut zu und ließ ihn ebenfalls zurück.

 

Nun, eine Wahl hatte er offenbar nicht und er musste sich der Sache jetzt wohl oder übel stellen. Also trat er den Weg, der ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen drohte, an und folgte seinem Liebsten, der ihm bald das Herz brechen würde. Nach einigen Schritten nahm er einen bekannten Geruch wahr und ließ sich kurz davon ablenken. Wenn ihn seine Nase nicht täuschte, gab es im Hause Kaiba heute Curry und sein Magen machte sich sogleich grummelnd bemerkbar. Sein Abendessen musste leider noch etwas auf ihn warten und es war eine kleine weitere Qual, dass es hier so verlockend duftete. Zudem wusste er, dass Setos 300-Sterne-Koch immer etwas Leckeres auf den Tisch zauberte. Als er endlich zu dem Hausherrn aufschloss, blieb dieser unvermittelt stehen und richtete das Wort an ihn: „Willst du mir nicht sagen, was los ist?“ 

„Ich glaube eher, dass du mir was sagen willst“, entgegnete der Blonde darauf in einem missmutigen Ton.

„Du hast recht. Da gibt es tatsächlich etwas“, sagte er schließlich in einem neutralen Tonfall und setzte seinen Weg fort. Offenbar sollte Jonouchis Leiden heute kein Ende nehmen, denn als sie schließlich beim Esszimmer ankamen, wurde dieser verführerische Geruch noch stärker und der Blonde musste hörbar seufzen. Ein ungewöhnlicher Ort, um Schluss zu machen, das musste er zugeben.

 

„Ich habe eine ganze Weile überlegt, wie der heutige Abend ablaufen soll“, begann der Brünette seine Erklärung und ließ Katsuya die Luft anhalten, „und es tut mir leid, dass ich in den letzten Tagen kaum Zeit hatte. Aber es war nicht anders zu bewerkstelligen, damit es eine Überraschung wird.“ Überraschung nannte man das jetzt also? Obwohl es ja durchaus der Wahrheit entsprach. Jonouchi war definitiv überrascht gewesen und er wollte es jetzt endlich hinter sich bringen.

„Sag doch endlich, was du mir sagen willst“, forderte er mit brüchiger Stimme von dem Firmenchef und blieb mit gesenktem Kopf im Türrahmen stehen. Kaibas Gefühl, dass hier etwas gründlich schief lief, bestätigte sich erneut und er musste der Sache jetzt auf den Grund gehen.

„Du wirkst heute ungewöhnlich schwermütig. Ich wusste ja nicht, dass dich das Älterwerden dermaßen mitnimmt. Oder was beschäftigt dich so sehr, dass ich noch nicht mal ein Lächeln von dir bekomme?“, sprach der Brünette seine Gedanken laut aus und sah den Jüngeren auffordernd an. Dieser seufzte resignierend und holte noch einmal tief Luft. Wenn Seto es ihm nicht sagen wollte, dann würde er eben den ersten Schritt zum Ende ihrer Beziehung tun.

 

„Ich weiß von dieser Sache mit Yuugi und Bakura…“, ließ er schließlich verlauten und sein Gegenüber wurde hellhörig.

„Wie bitte? Haben sie es etwa verraten? Man kann sich wahrlich auf niemanden mehr verlassen, wenn es darum geht ein Geheimnis zu bewahren.”

„Du streitest es also noch nicht einmal ab?"

„Es gibt keinen vernünftigen Grund, es jetzt noch geheim zu halten. Allerdings hätte ich dir schon gern die Details dazu verschweigen wollen." 

„Die Details dazu will ich auch gar nicht wissen! Du bist echt grausam!" 

„Jetzt übertreib es mal nicht gleich. So schlimm war es nun auch wieder nicht." 

„Doch natürlich ist das schlimm! Schlimmer geht's ja wohl kaum noch!" 

„Was ist bitteschön so schlimm daran, nicht kochen zu können? Es ist leider nicht mein Metier, da musste ich eben Abhilfe schaffen”, rechtfertigte er sich vor seinem Freund, der wiederum irritiert aufschaute, und ging direkt auf ihn zu.  

 

„Moment, was?“ Jetzt wurde es ganz verzwickt. Konnte es sein, dass sie hier aneinander vorbei redeten und die Geschichte doch ein klitzeklein wenig anders war, als es schien? Könnte es vielleicht doch nur ein ganz, ganz dummes Missverständnis gewesen sein?

„Ich wollte dich mit einem gemeinsamen Abendessen zu deinem Geburtstag überraschen. Was hast du denn gedacht, weswegen ich dich heute herbestellt habe?“ Kurz ratterte es in dem blonden Köpfchen, bis die Information schließlich durchsickerte.

„Was? Ich meine, ernsthaft? Du willst nicht Schluss machen?“

„Das überlege ich mir gerade noch einmal. Aber eigentlich hatte ich das nicht geplant", erwiderte Seto ruhig. 

„Waaaassss?! Ich wusste es! Du bist ein riesiges A...", wäre Katsuya nicht ohnehin schon verwirrt gewesen, hätte er den sarkastischen Ton in Setos Stimme sicherlich bemerkt.

„Überleg dir gut, ob du deinen Satz beenden willst, Bonkotsu", wurde er drohend unterbrochen, „Das war ein Scherz! Wächst der Grad deiner Verrücktheit etwa linear mit deiner Alterskurve oder was ist ansonsten in dich gefahren, dass du mir solch ein surreales Vorhaben unterstellst?" Kaiba hatte sich schon vor Jahren an die impulsive Art des Blonden gewöhnt, aber manchmal musste man dem Hündchen einen Maulkorb verpassen, damit es die sprichwörtliche Hand, die es fütterte, nicht beißen konnte. 

 

„Aber das Telefonat und ich hab dich doch an dem Abend gesehen und Bakura hat dich Tiger genannt und du hattest gar keine Termine in der Firma, obwohl du es gesagt hast, und hab ich das grade richtig verstanden, dass du gekocht hast?“, überschlugen sich Jonouchis Gedanken und sprudelten ohne Unterlass aus seinem Mund heraus, bis ihm die Luft ausging. Diesen Moment nutzte der Hausherr, um zur endgültigen Klärung der Situation beizutragen.

„Wenn ich richtig schlussfolgere, hast du dir da etwas ganz anderes zusammengereimt. Wie ich bereits sagte: Sie haben mir beim Kochen geholfen. Deswegen konnte ich diese Termine auch nicht verschieben, da es nach wie vor eine Überraschung werden sollte.“ Ja, da hatte Katsuya etwas ganz gewaltig falsch verstanden und im selben Moment, als er die kurze und einfache Erklärung hörte, fiel ihm ein Stein so groß wie eine ganze Gebirgslandschaft vom Herzen. Der ganze Stress und die Aufregung umsonst. Und dann war Kaiba auch noch über seinen Schatten gesprungen und hatte ausgerechnet Yuugi um Hilfe gebeten, damit er Katsuya mit seinem Lieblingsessen überraschen konnte, wie es ihm sein gourmehafter Spürsinn bereits seit geraumer Zeit verriet. 

 

„Die Überraschung ist dir definitiv gelungen“, sagte er schließlich deutlich erleichtert und lehnte seinen Kopf an die Schulter seines Liebsten, während ein tiefer Seufzer seinen Mund verließ.

„Das ist noch nicht alles“, sagte dieser daraufhin und überreichte ihm mit einem „Happy Birthday“ auf den Lippen eine kleine blaue Geschenktüte, auf der viele braune Pfotenabdrücke aufgedruckt waren. Die Anspielung auf seinen Kosenamen kam dabei mal wieder deutlich zum Tragen. Irgendwann würde Seto die Geschenke für ihn sicher in einem Tierbedarfsladen ordern. Er sah sich schon mit einem diamantenen Halsband auf dem Sofa sitzen. Der Gedanke daran, dass es zu dem Halsband natürlich auch eine Leine geben würde, ließ ihn etwas verlegen drein schauen, sodass er sich von dem anderen abwandte. 

 

Er benötigte einen kurzen Moment, um sich wieder zu sammeln und den unnatürlichen Rotschimmer aufgrund dieser unanständigen Hirngespinste aus seinem Gesicht zu bekommen, bevor er den Inhalt der Tüte herausnahm. Offenbar beschenkte ihn Seto in diesem Jahr mit etwas Nettem zum Anziehen, wie ihm der Stoff in seinen Händen verriet. Er breitete das Kleidungsstück aus und staunte nicht schlecht, als eine Kochschürze zum Vorschein kam. Als Motiv hatte er seinen geliebten schwarzen Rotaugendrachen gewählt, der sich über den roten Stoff schlängelte. Und das typische Halsband um den Nacken hatte sie auch, sodass der Blonde unwillkürlich schmunzeln musste. Da war sein vorangegangener Gedanke mit dem Hundehalsband ja gar nicht mal so abwegig.

 

„Offenbar gefällt dir dein Geschenk“, drang die tiefe Stimme des Brünetten an sein Ohr. 

„Mir gefällt alles, was ich von dir bekomme“, lächelte der Angesprochene fröhlich zurück.

„Das freut mich zu hören. Zwar habe ich von deiner Berufswahl keinen kulinarischen Vorteil, aber deinen Kochkünsten kann ich leider nicht widerstehen. Zukünftig werde ich dir dabei wohl auch öfter Gesellschaft leisten“, sagte er schließlich und überreichte ihm einen kleinen Anhänger in Form eines weißen Drachen mit eiskaltem Blick. Doch das war nicht alles. An dem metallenen Ring war noch ein einzelner Schlüssel angebracht. Ungläubig besah sich Katsuya das glänzende Metall in seinen Händen. Bedeutete das jetzt das, was er dachte? Sein fragender Blick suchte den des anderen. Bestätigend nickte ihm dieser zu, während sich ein Lächeln in sein Gesicht schlich.

„Willkommen zu Hause, Hündchen.“

 

Ohne ein Wort zu sagen, ließ Katsuya die Schürze in seinen Händen fallen und fiel seinem Liebsten ungestüm um den Hals, sodass sie beide polternd zu Boden gingen. Es war einfach unglaublich. Er war heute mit der Erwartung hergekommen, dass Seto ihm eine unschöne Wahrheit präsentieren und sich von ihm trennen würde. Doch letztendlich endete es in einem mit Liebe zubereiteten Essen, einem einzigartigen Geschenk für sein kulinarisches Hobby und dem Wunsch, dass sie von nun an zusammen wohnten. Eine Wende, mit welcher der Blonde im Leben nicht gerechnet hätte und die ihn in diesem Moment unsagbar glücklich machte. 

 

Nach dieser Erleichterung meldete sich auch sein Appetit sofort wieder zu Wort und sein Bauch knurrte wie ein ausgehungerter Löwe. Etwas verlegen wandte er sich ab und stand schließlich auf, damit sich auch der Brünette, den er so schwungvoll auf den Boden befördert hatte, wieder erheben konnte. 

„Nachdem nun alle Missverständnisse aus der Welt geschafft sind, schlage ich vor, dass wir mit dem Essen beginnen“, schmunzelte dieser, als er wieder senkrecht stand, und servierte dem Blonden kurz darauf seinen ersten eigenen Versuch eines Currys. Dass dieses etwas scharf geraten war, zeigte Katsuya mal wieder die feurige Seite seines Drachen. Ein genüssliches Grinsen schlich sich in sein Gesicht, denn es schmeckte auch mit der gut gemeinten Würze einfach lecker.
 

 

Eine Woche zog ins Land und der Blonde war, direkt nachdem er den Schlüssel erhalten hatte, im Hause Kaiba eingezogen. Die Tage waren noch immer frostig und der Schnee bedeckte ein paar Zentimeter des Bodens. Tatsächlich hatte es Seto sogar einmal geschafft, unter der Woche auf seine Firma zu verzichten, wenn man einen freien Nachmittag so nennen wollte, und unternahm etwas mit seinem blonden Chaoten. Es kam selten genug vor und natürlich ließ Katsuya sich das nicht entgehen, zumal sein Liebster in den Wochen davor bekanntlich mit Abwesenheit geglänzt hatte. Zusammen schlenderten sie gerade die Straße entlang auf dem Weg zu einem kleinen Café im Park, als der Blonde eine bekannte Stimme vernahm.

„Hey Tiger!“, waren die Worte von Ryou, der ihnen zusammen mit Yuugi entgegen kam. Unwillkürlich wurde Katsuyas Griff um den Arm des anderen fester und seine Miene verfinsterte sich, als sie sich schließlich gegenüber standen. Das fiel natürlich auch dem Firmenchef auf, sodass er das Wort an den Weißhaarigen richtete. 

 

„Wenn ich du wäre, würde ich meine Wortwahl noch einmal überdenken, sonst fällt dich der tollwütige Kampfhund neben mir noch an und beißt zu“, ließ der Brünette ermahnend verlauten und deutete auf den Blonden neben sich, der bereits bedrohlich knurrte. Das er diese Szene vor einigen Tagen so krass falsch verstanden hatte, rührte nicht weniger daher, dass Bakura eben jenen Kosenamen an SEINEN Drachen vergeben hatte. Sicher, wild konnte er schon in der ein oder anderen Beziehung sein, aber das war eine andere Geschichte, die sie in trauter Zweisamkeit genossen. 

„Mensch, Ryou“, schalt Yuugi den Weißhaarigen, der darauf nur ein verschmitztes Lächeln parat hatte. „Sorry, Jonouchi-kun. Das war nicht böse gemeint“, versuchte der Kleinste weiterhin die Wogen zu glätten, sodass sich der zähnefletschende Retriever wieder beruhigte. Allerdings weckte es auch seine Neugier.

 

„Was sollte diese Sache mit dem Tiger eigentlich?“, fragte er angesäuert nach und bekam prompt die Antwort von Bakura serviert: “Weil er so wild im Bett ist."

Interessiert sah der Brünette zu seinem Hündchen, dem die Antwort nicht zu gefallen schien, wie er an dem nicht mehr fließenden Blut in seinem Arm deutlich merkte. 

„Jetzt hör schon auf!", rügte ihn Yuugi erneut dafür, dass er so dreiste Lügenmärchen verbreitete und den Blonden weiter ärgerte. Dabei legte sich ein deutlicher Rotschimmer in sein Gesicht. Allein die Vorstellung, dass da etwas zu dritt zwischen ihnen gelaufen sein könnte, ließ ihn wohl in Verlegenheit geraten. 

„Schon gut, schon gut. Ich bin jetzt brav“, winkte Bakura schließlich ab und zog seinen Mitbewohner entschuldigend näher an sich heran. Etwas zu nah, wie es Katsuya schien. Kurz darauf verabschiedeten sie sich voneinander nach unzähligen weiteren Entschuldigungen von Yuugi und gingen ihrer Wege. 

 

Doch den Blonden beschäftigte diese eben gesehene Szene dann doch noch ein paar Gedanken länger. Die beiden wirkten so seltsam vertraut miteinander. Lag das jetzt an Ryous Art oder sponn er sich da schon wieder irgendeinen Unsinn zurecht? Als sie einige Schritte gegangen und somit außer Reichweite der beiden waren, verschaffte er sich Gewissheit bei seinem Liebsten.

„Sag mal, sind die beiden…?“, begann er den Satz nachdenklich. 

„Sind sie“, war die kurze Antwort darauf.

„Woher weißt du…“

„Es ist offensichtlich. Sogar für mich", unterbrach der Brünette ihn mitten im Satz, während der Jüngere aufgrund der Wortwahl schmunzeln musste. 

 

Im selben Moment erklang der Benachrichtigungston von Jonouchis Handy, welches er sogleich neugierig aus der Tasche fummelte. 

„Eine Nachricht von Yuugi. >Als Wiedergutmachung für das Missverständnis<“, sprach er seine Gedanken sowie den Text der Nachricht laut aus und erhaschte damit die Aufmerksamkeit des anderen.

„Er hat mir ein Bild mitgeschickt."

Neugierig öffnete er die Datei und brach direkt in schallendes Gelächter aus. Kaibas Intuition sagte ihm, dass das nichts Gutes bedeuten konnte, woraufhin er sich an den Jüngeren wandte. 

„Was ist los?" Doch der Blonde fand vor lauter Lachen keine Worte und unzählige Tränen liefen ihm über die Wangen, während er sich schmerzlich den Bauch hielt. 

 

Auf dem Bild waren Yuugi und Seto zu sehen, wie sie gerade in der Küche geschäftig waren. Allerdings nicht mit Kochen, sondern mit aufräumen. Denn überall, wo man hinsah, klebte Reis: auf der Küchenzeile, auf dem Fußboden, an den Schränken und an ihnen selbst. Er stammte wohl aus dem Reiskocher, der inmitten dieses ganzen Durcheinanders stand. Welches Ereignis dieses Chaos ausgelöst hatte, wusste Katsuya zwar nicht, aber das Gesicht des Brünetten in dem haufenweise Reis klebte, war unbezahlbar. Er hatte sich wirklich extrem viel Mühe gegeben, um den Blonden zum Geburtstag mit seinem Lieblingsessen zu überraschen und das freute ihn, nachdem er dieses Bild gesehen hatte, gleich noch mehr. Außerdem war darauf noch etwas anderes zu sehen, was seine vorhin gestellte Frage beantwortete.

 

„Sie steht dir übrigens ausgezeichnet, Tiger“, wischte sich der Blonde die Tränen aus dem Gesicht und zeigte dem Firmenchef schließlich das Foto, dass ihm Yuugi geschickt hatte. Jetzt verstand er auch, warum Bakura seinen Liebsten so betitelte, denn auf der Kochschürze, die er trug, war ein buntes Tigermotiv aufgedruckt. Als Seto es sah, verzogen sich seine Mundwinkel automatisch nach unten und er verwünschte innerlich den Fotografen. 

„Diese dämlich Kochschürze. So ein grässlicher synthetischer Fummel! Nicht vergleichbar mit meinem Geschenk für dich“, echauffierte sich der Firmenchef, da er nicht wusste, dass überhaupt Bilder von diesen Kochkatastrophen existierten. 

 

„Lösch das, sofort!", befahl er in einem resoluten Ton und wollte dem Blonden das Handy aus der Hand stehlen. 

„Niemals!", protestierte dieser und nahm es schützend an seine Brust, „Ich lasse es vergrößern und hänge es in die Küche, damit ich beim Kochen immer dein hübsches Gesicht sehen und diese äußerst entzückende Schürze an dir bewundern kann. “

„Auf gar keinen Fall wirst du das tun. Eher verschaffe ich mir unerlaubt Zugang zu deinem Handy und lasse es selbst verschwinden!“

„Selbst wenn du es löschst. Gesehen ist gesehen und kann nicht wieder vergessen werden", freute sich der Blonde über diesen kleinen Freundschaftsdienst und akzeptierte die Entschädigung für das Missverständnis. 
 

 

Letztendlich behielt Jonouchi das Foto unter Einhaltung gewisser Auflagen und es landete folglich auch nicht an der Wand in der Küche. Dass dieses Bild jedoch nicht das einzige seiner Art war, fand der Blonde nur wenig später heraus, als er mal wieder bei Yuugi zu Gast war. Doch das verschwieg er seinem Liebsten besser und vielleicht kämen zu diesen Momentaufnahmen ja später noch mehr hinzu, wenn sie zusammen etwas in ihrem Zuhause kochten.
 

 

Ende

Süße Versuchung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Honey Puppy

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nächtliche Eskapaden - Erste Nacht

Unverhofftes Geständnis 

 

„Der Hauptgewinn!“, rief der ältere Herr mit dem schütteren Haar hinter seinem Tresen, während er Yuugis Los in der Hand hielt, „Meinen Glückwunsch junger Mann, zur Golden Week geht es für dich und deine Freunde für vier Tage in die Berge der Präfektur Gunma zum Takaragawa Onsen Osenkaku!“

Sofort sprangen dem König der Spiele die Freunde um den Hals und jubelten ausgelassen. Es waren nur noch wenige Wochen bis zum sehnsüchtig erwarteten, verlängerten Wochenende und das würden sie nach langer Zeit mal wieder gemeinsam und noch dazu in einem Onsen-Hotel verbringen. Besser konnte es beinahe nicht mehr werden und die Tage konnten gar nicht schnell genug vergehen, bis es endlich Koffer packen hieß. 

 

An einem Samstagmorgen trafen sie sich daher zeitig am Bahnhof und starteten gemeinsam in die Golden Week. Anzu studierte noch immer im Ausland, sodass sie diesmal als reine Männerrunde reisten. Mit an Bord waren nebst Yuugi natürlich noch Jonouchi, Honda und Bakura, die die nächsten vier Tage zusammen verbringen würden. Die Zugfahrt war wie immer kurzweilig und die Freunde erzählten von den Ereignissen der letzten Wochen und Monaten, in denen sie sich nicht sahen, denn die Schule war längst vorbei und die Jungs inzwischen beruflich tätig. Am Hotel angekommen wurde ihnen an der Rezeption mitgeteilt, dass sie sich die beiden bereitgestellten Zimmer teilen würden. Schnell war die Belegung geklärt und die Schlüsselkarten ausgehändigt. Dass Jonouchi sich mit Honda über die gemeinsame Zimmernummer amüsierte, ließ die anderen beiden direkt die Augen verdrehen. Manchmal konnte man gar nicht glauben, dass sie bereits 22 Jahre alt waren, wenn sie sich noch immer über solch banale Themen amüsierten. Es hatte sich zumindest dahingehend kaum etwas nach Ende der Schulzeit geändert. 

 

Vor den Räumen, in denen sie die nächsten freien Tage nächtigen würden, verabredeten Sie sich dazu, gleich nach dem auspacken die Gegend unsicher zu machen und natürlich dem hiesigen Onsen einen ersten Besuch abzustatten. Die noch viel bessere Idee kam natürlich von Honda, der am Abend die hauseigene Bar sowie die weiblichen Gäste des Hotels genauer unter die Lupe nehmen wollte. Bereits beim Abendessen im Saal sondierte er die Lage und erspähte einige passende Optionen. Direkt im Anschluss nahm er sich Jonouchi als Flügelmann zur Unterstützung mit, während sich die anderen beiden zum Onsen absetzten. Der Blonde selbst hatte weniger Interesse an einem Urlaubsflirt und unterstützte seinen Kumpel daher bei dessen Vorhaben. Dass sie dabei im Vorfeld bereits mit einigen Gläsern Bier auf alte Zeiten angestoßen hatten, ließ zahlreiche Erinnerungen wiederkehren, sodass sie sich auch bestens ohne weibliche Gesellschaft amüsierten. Nach einer Weile gesellte sich eine dunkelhaarige Schönheit an die Bar und Honda nutzte den günstigen Moment. Jonouchi hatte derweil die Gelegenheit, gewisse Örtlichkeiten aufzusuchen, um sich um das ein oder andere Bier zu erleichtern. Sicher würde er seinen Kumpel nach dem kurzen Abstecher noch genau dort vorfinden, wo er ihn gerade zurückgelassen hatte, ob mit oder ohne Flirt.

 

Leicht schwankend bewegte er sich auf dem Rückweg durch den Flur des Hotels und stolperte ein paar Schritte nach vorne, sodass er sich am Rahmen einer offen stehenden Tür abfangen musste. Kurz sah er nochmal zurück und musste im selben Moment über sich und sein Ungeschick schmunzeln, da sich natürlich kein Hindernis auf dem zurückgelegten Weg befunden hatte. Als er sich wieder diesem äußerst gut platzierten Türrahmen widmen wollte, der ihn freundlicherweise eine nützliche Stütze bot, fiel sein Blick in den dahinterliegenden Raum. Drinnen am Tisch saß ein junger Mann mit kurzem brünetten Haar und durchdringenden blauen Augen, der ihn ein wenig überrascht ansah. Jonouchi musste ein paar Mal auffällig blinzeln, da er es beinahe nicht glauben konnte. 

„Nanu, wen haben wir denn da?“

'Oh, bitte nicht', wäre die passendste Antwort darauf gewesen, die der Angesprochene jedoch für sich behielt.

„Tatsächlich! Mensch Kaiba, was machst du denn hier?“, grinste er den Älteren an, der nur genervt die Augen verdrehte. 

„Das könnte ich dich genauso fragen. Nirgends ist man vor dir sicher.“

„Tja, weißt du, Yuugi hat zufällig diese Reise gewonnen“, begann Jonouchi euphorisch zu erzählen, ”Und du bist geschäftlich hier? Wenn das mal nicht Schicksal ist. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen…”, plapperte er munter drauf los und schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Redselig war der Blonde ja schon immer gewesen, nur eben nicht bei Kaiba. Auch fiel zu dessen Verwunderung kein Wort, das wie sonst einen Streit heraufbeschwören würde und er grinste dabei auch noch so unbeschwert ehrlich bis über beide Ohren. Er benahm sich für seine Verhältnisse wahrlich ungewöhnlich. 

 

Doch des Rätsels Lösung ließ nicht lang auf sich warten. Denn während Jonouchi mit Händen und Füßen erzählte, verlagerte er sein Gewicht dabei so ungünstig, dass ihm der Türrahmen nicht mehr den nötigen Halt geben konnte. Also stolperte er ungewollt in den Raum hinein, drehte eine äußerst unelegante Pirouette und landete, weicher als gedacht, in Kaibas Schoß. Die Freunde darüber tat der Überfallene ihm postwendend kund.

„Bonkotsu, wenn du nicht augenblicklich zusiehst, dass du Land gewinnst, passiert ein Unglück“, funkelte er ihn wütend an und traf dabei auf ein strahlendes Paar bernsteinfarbener Augen, die sich wie immer von seinen Worten nicht beeindrucken ließen. Stattdessen antwortet er ausgelassen: „Welch glückliche Fügung, dass du meinen Sturz abgefangen hast, sonst hätte das echt schmerzhaft für mich werden können“, strahlte er ihn mit einem fröhlichen Tausendwattgrinsen an und offenbarte Kaiba damit sogleich das vermeintliche Geheimnis seiner übertrieben guten Laune. Sein Atem stank fürchterlich nach Alkohol und wäre wohl die logischste Erklärung für dieses völlig untypische Verhalten. Als unerwünschter kleiner Bonus lockerte der Schnaps dabei wohl sein so schon loses Mundwerk gleich noch mehr als üblich. Kurz überlegte der Firmenchef, ob sich daraus ein Nutzen für ihn ziehen ließe, tat den Gedanken dann jedoch wieder ab. Obwohl es da schon einige Dinge gab, die er nur zu gern in Erfahrung gebracht hätte. Andererseits wäre alles, was aus Jonouchis Mund kommen würde, sicher nur kontraproduktiv für sie beide. Also wollte er den Blonden schnellstmöglich wieder loswerden, notfalls half er dabei auch nach.

 

„Wo hast du deinen Saufkumpanen gelassen?“

„Honda? Der sitzt sicher noch an der Bar und flirtet, was das Zeug hält“, lachte er auf Kosten seines Kumpels und legte dabei einen Arm um Kaibas Schultern, wohl um nicht nach hinten zu kippen. Auch das blieb nicht unbemerkt vom Älteren und er beschloss, sein spontan geplantes Vorhaben schnellstmöglich in die Tat umsetzen. 

„Dann werde ich dich dort umgehend wieder abliefern.“

„Oho, was für ein ausgesprochen zuvorkommender Gentleman der große Seto Kaiba doch ist“, bewertete Jonouchi die Hilfsbereitschaft des Brünetten mit einem deutlichen Unterton in der Stimme, der sogleich von einem breiten Grinsen abgelöst wurde. Daraufhin schubste Kaiba den blonden Chaoten von seinem Schoß, sodass dieser etwas ungelenkig nach vorn stolperte, und erhob sich selbst von seiner Sitzgelegenheit. Direkt darauf packte er den Jüngeren am Arm, damit er ihn nicht gleich wieder vom Boden aufkratzen musste, und konnte sich ein „So volltrunken wie du bist, kommst du da ohne Hilfe heute ohnehin nicht mehr an“ nicht verkneifen. 

„Pffft, so ein Quatsch. Als würde ich von dem bisschen schon sturzbetrunken sein“, blaffte Jonouchi ihn empört von der Seite an und befreite sich aus dem Griff seines Gegenübers, nur um im selben Augenblick erneut ins Schlingern zu geraten und sogleich wieder in den Armen des Firmenchefs zu landen. 

 

„Spar dir deinen Kommentar“, murrte der Blonde daraufhin über seine eigene Unfähigkeit und ließ sich von dem Älteren wieder zurück in die Bar bringen. Dort angekommen fanden Sie zu Kaibas Leidwesen jedoch keinen Hiroto Honda vor, sondern nur leere Barhocker an der Theke.

„Der hat doch wohl nicht wirklich diese Dunkelhaarige abgeschleppt?“, warf Jonouchi verwundert ein, während er seinen Blick durch die verbliebenen Personen schweifen ließ. Jedoch konnte er weder die dunkelhaarige Schönheit von vorhin, noch seinen Kumpel im Raum ausmachen. Vielleicht war er auch schon auf dem Zimmer? Oder noch in guter Gesellschaft? 

„Auf jeden Fall ist er ohne mich gegangen“, ließ sich der Blonde auf einen der Barhocker fallen und seufzte hörbar. Er schien etwas müde zu sein und schon einen Augenblick später konnte Kaiba ein lautes Gähnen vernehmen, was seine Theorie sogleich bestätigte. Gut, er war ganz sicher kein Babysitter und Jonouchi war alt genug, um auch allein klar zu kommen. Doch aus einem unerfindlichen Grund, konnte er sich nicht dazu durchringen, auf dem Absatz kehrt zu machen und ihn hier einfach sitzen zu lassen. Dass er sich um ihn sorgte, war wohl ausgeschlossen. Eventuell war es der Drang, etwas Begonnenes zu Ende bringen zu müssen. Er wollte ihn zu seinem Saufkumpanen bringen. Dieser glänzte jedoch mit Abwesenheit, also war sein Soll genau genommen noch nicht erfüllt, bis er ihn tatsächlich ordnungsgemäß abgeliefert hatte. Alternativ würde es ihm auch ausreichen, den Trunkenbold einfach zu seinem Zimmer zu verfrachten, wo sein Kumpel sicherlich bereits rumlungerte.

 

„Welche Zimmernummer hast du?“

„Aber Kaiba“, lächelte Jonouchi ihn verschmitzt von der Seite an, während seine Müdigkeit mit einem Mal verflogen zu sein schien, "Du gehst ja ganz schön ran. Fragst einfach so, ob ich dich mit auf mein Zimmer nehme. Das hätte ich nicht von dir erwartet.” Ein deutliches Schnauben war zu hören und der unfreiwillige Babysitter überlegte kurz, warum er sich diesen Irrsinn eigentlich antat. Er holte tief Luft und antwortete so sachlich wie möglich darauf: „Ich habe nicht gefragt, ob du mich mit auf dein Zimmer nimmst. Ich wollte wissen, welche Nummer es ist, damit ich dich dort abliefern kann. Und das am besten schnellstmöglich, bevor wirklich noch ein Unglück geschieht.“ Mit Betrunkenen konnte man einfach nicht vernünftig reden. Alles, was aus ihren Mündern kam, war schlichtweg Unsinn. 

 

„69“, war die kurze Antwort gepaart mit einem breiten Grinsen auf das von Kaiba ein ungläubiges „Dein Ernst?“ folgte.

„Jaaaa“, zog Jonouchi den letzten Buchstaben unnötig in die Länge und sein Grinsen wurde noch breiter. „Ich fasse es nicht, dass ich das tue“, sprach der Brünette daraufhin seine Gedanken resigniert aus und schnappte sich seinen ehemaligen Klassenkameraden, um ihn zu dem genannten Raum zu bringen. 

„Was für ein Service“, kicherte der Blonde und konnte sich sein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen, „Das Hotel bekommt auf jeden Fall eine sehr gute Bewertung von mir.“ Was genau das zu bedeuten hatte, wollte Kaiba lieber gar nicht erst wissen. Zielstrebig zog er den Jüngeren durch die Flure, um schlussendlich vor der Tür mit der Nummer 69 zu stoppen. 

 

„Da wären wir. Sieh zu, dass du rein kommst und deinen Rausch ausschläfst, Bonkotsu“, mahnte er Jonouchi und sah zu, wie dieser etwas hölzern eine Karte aus seiner Jeans zog. Einer Schlüsselkarte sah sie nicht ansatzweise ähnlich, aber der Blonde versuchte dennoch sein Glück. Wie erwartet tat sich jedoch nichts und die Tür blieb verschlossen. Kaiba erkannte wiederum sofort, wo das Problem lag und fiel bald vom Glauben ab. So unbeholfen konnte man doch gar nicht sein. Alkohol machte wohl tatsächlich dumm und hilflos. Zwei von vielen guten Gründen, wieso er sich selbst beim Alkoholkonsum größtenteils beherrschte. Nicht, dass sich noch unerwünschte Abgründe auftaten, wie man sie aus diversen Daily Soaps kannte und auf die er gern verzichten konnte. Glücklicherweise blieb er aufgrund seiner resoluten Einstellung bislang verschont von solchen Eskapaden, wie sie sich hier gerade eindrucksvoll in Form eines zerstreuten Streuners bot. Dass ausgerechnet der blonde Chaot ihm volltrunken über den Weg laufen musste und seine Handlungen sowie sein loses Mundwerk offenbar nicht unter Kontrolle hatte, bestätigte ihm seine Gedanken nur noch deutlicher. Auch erinnerte er sich in diesem Zusammenhang an vergangene Tage sowie damit verbundene befremdliche Gefühle dem Jüngeren gegenüber, die er sogleich wieder abtat, um sich dessen Ursprung alsbald vom Hals zu schaffen und seine Mission erfolgreich zu beenden. Somit half er also erneut bei der schwerwiegenden Problemlösung.

 

„Vermutlich gefällt der Tür dein Foto nicht“, spottete er wie zu Schulzeiten und deutete auf die Karte in Jonouchis Hand, die ihm eindeutig keine Tür dieses Hauses öffnen würde. Verdutzt besah der Blonde sich die Karte genauer und musste unwillkürlich lachen. Sein Personalausweis würde hier wahrlich weder Tür noch Tor öffnen, sondern lediglich eine weitere Flasche Bier an der Bar, auf die er besser verzichtete. 

„Hm, aber wo hab ich die Schlüsselkarte dann hingetan?“, murmelte der Blonde vor sich hin und wollte gerade seine hinteren Hosentaschen durchsuchen als er ins Straucheln kam. Vermutlich war das letzte Bier doch schlecht, denn seit er sich in Bewegung gesetzt hatte, drehte er einige ungeplante Extrarunden auf seinem Hochgeschwindigkeitskopfkarussellpferdchen. Zu seiner Freude musste er jedoch nicht Bekanntschaft mit dem harten Boden machen, da ihn Kaiba im Affekt abermals auffing. „Wer hätte gedacht, dass ich dir mal so oft um den Hals fallen würde”, kicherte Jonouchi unbefangen, als wären sie sich heute ausnahmsweise nicht spinnefeind, und lehnte sich an den Firmenchef: „Ich gönne mir mal eine ganz kurze Pause an deiner starken Schulter.“ 

 

Kaiba wiederum fühlte sich, als wäre er im falschen Film. Zank und Streit bestimmten stets ihren Umgang miteinander. Doch jetzt war es anders. Er war anders. Der Alkohol schien Jonouchi nebst einiger Entgleisungen zudem auch ungewöhnlich handzahm zu machen. Besonders auffallend war dabei, dass er plötzlich so unbedarft Kaibas Nähe suchte, obwohl der Blonde ihn gegen Ende der Schulzeit deutlich auf Abstand gehalten hatte. Nicht die kleinste, unwillkürliche Berührung hatte er damals noch zugelassen. Zumindest wenn es um den Firmenchef gegangen war. Bei seinen Freunden, ja eigentlich auch bei allen anderen hatte er wiederum keine Ausnahme gemacht. Es war nur Kaiba, dem er nicht zu nahe kommen wollte. Doch auch wenn er sich körperlich von ihm distanziert hatte, hieß das noch lange nicht, dass er das auch verbal getan hatte. Dass es den Firmenchef damals wie heute zum Grübeln brachte, konnte dieser nicht verhindern. Doch viel mehr Zeit, um gedanklich darüber zu philosophieren, ließ der Blonde ihm wiederum nicht, denn seine Suche war noch nicht erfolgreich beendet.

 

„Ich bin mir sicher, dass ich sie in meine Hosentasche gesteckt habe“, sinnierte er vor sich hin, schien jedoch nicht in der Lage zu sein, sie dort herauszubekommen. Kaiba schnaubte hörbar und verdrehte erneut die Augen. Betrunkene benahmen sich wahrlich wie kleine Kinder. Rationales Denken und Handeln war dabei gerade beim Bonkotsu wohl vollkommen ausgeschlossen. Gut, dass wenigsten einer von ihnen sich im Griff hatte. Also erbarmte er sich seiner und fasste beherzt in Jonouchis Gesäßtasche auf der Suche nach der verschollenen Karte, was natürlich nicht unkommentiert blieb.

„Kaiba, Kaiba, Kaiba, was sind das nur für unsittliche Berührungen?“, grinste der vermeintlich Volltrunkene ihn aufreizend an, „Hast du denn gar keinen Anstand?“

„Erzähl keinen Unsinn. Ich suche deine Schlüsselkarte, damit ich dich, wie ich bereits mehrfach sagte, endlich loswerde“, antwortete er mürrisch auf die gestellte Frage, „Doch offenbar ist hier nichts zu finden, was dem auch nur ansatzweise gleichkommt.“

Er zog seine Hand wieder zurück und erntete einen verstimmten Ton vom Jüngeren.

„Ein sehr kurzes Vergnügen, schade.“

„Wie meinen?“, sah er den Blonden auffordern an, da dieser seine Worte nur gedankenverloren und kaum hörbar vor sich hin gemurmelt hatte. Doch Jonouchi antwortete nicht sofort darauf und seufzte stattdessen herzhaft. Direkt darauf lehnte er sich erneut sehr nah an Kaiba, sodass dieser den warmen Atem des anderen deutlich auf seiner Haut spüren konnte. Ein seltsames Gefühl breitete sich im Körper des Brünetten aus und jagte ihm unverhofft einen Schauer über den Rücken, als der Blonde mit einem süßen Tonfall das Wort an ihn richtete.

 

„Weißt du Kaiba, ich stand schon immer total auf dich“, säuselte er ihm verführerisch ins Ohr, während ein verheißungsvolles Lächeln seine Mundwinkel zierte. Jonouchis anzüglicher Blick schien eindeutig und das unausgesprochene Angebot war verlockend. Auch wenn er definitiv ordentlich einen gehoben hatte, entsprachen seine Worte wohl den Tatsachen, wenn er die vergangenen Geschehnisse richtig deutete, und die Situation war zudem günstig. Ein Moment der Stille folgte, in dem sich der Firmenchef über allerlei Dinge zu diesem überraschenden Geständnis Gedanken machte, bis der Blonde diese schließlich unterbrach: „Haha, ohje, vielleicht war es doch ein Glas zu viel“, bewertete Jonouchi seine körperliche und wohl aktuell auch geistige Schwäche, die ihn zu den vorangegangenen Worten verleitet hatten, und vergrub sein Gesicht an der Schulter des Älteren. 

 

Da die Schlüsselkarte bis zuletzt verschollen blieb, beschloss der Firmenchef den blonden Chaoten entgegen aller Vernunft mit auf sein Zimmer zu nehmen. Wohin die Sache führen würde, könnte er dabei zeitnah noch in Erfahrung bringen. Gegenwehr hatte er von Jonouchi dabei jedenfalls keine zu erwarten, da er bereits im Vorfeld sein Interesse bekundet hatte und sich wortwörtlich von dem Brünetten abschleppen ließ. Nur wenig später begrüßte der Jüngere diese sehr gute Entscheidung, als er sich auf einen kuscheligen Futon fallen lassen konnte, der noch ein ganz klein wenig nach Kaiba roch. Der Firmenchef war offenbar bereits länger hier zu Gast als er und seine Freunde. Es war so unglaublich gemütlich, dass er sich auf die Seite rollte, das weiche Kopfkissen schnappte und es mit einem zufriedenen Seufzer fest an sich drückte. 

 

Kurz erhaschte er damit die Aufmerksamkeit des Älteren, der ihn interessiert bei seinem persönlichen Wohlgefallen zusah. Was genau der Grund dafür war, konnte er dabei nicht ausmachen. Das Schauspiel währte auch nicht sonderlich lang, denn nur wenig später verstummten die Geräusche und ein leises Schnarchen war zu hören. Da lag er nun quer auf dem Kopfende des ausgebreiteten Futons und schlief den Schlaf der Gerechten, während er friedlich vor sich hin sabberte und mit seinen Armen fest Kaibas Kissen umklammerte. Ein Bild für die Götter, wie der Brünette zugeben musste, aber für ihn gab es dabei leider keinen Platz mehr auf der Schlafgelegenheit und das unausgesprochene Angebot löste sich mit einem Mal in Luft auf. 

 

Mit einem belustigten Schnauben wandte sich der Firmenchef ungesehen von dem eben präsentierten Schauspiel ab, ging zum naheliegenden Schrank, zog dort einen weiteren vorbereiteten Futon heraus und breitete ihn neben dem friedlich schlafenden Dornröschen aus. Sein Blick glitt dabei noch einmal über den Körper des anderen und stoppte an dessen Jeanshose. Die wenigen Male, an die er sich in seiner Kindheit erinnern konnte, diesen Stoff getragen zu haben, assoziierte er keineswegs mit Vergnügen. Das Material war allenfalls zu steif, viel zu unbequem und bei der billigen Verarbeitung wäre es sicher keine Freude, damit zu schlafen. Doch dem konnte er leicht Abhilfe schaffen. So wurden aus Gedanken schließlich Taten und die grässliche Jeans, die Jonouchis Beine bedeckte, war bald Geschichte. Ein interessanter Nebeneffekt des Hosendiebstahls war, dass auch die Unterhose dabei ein ganz kleines Stück mit nach unten rutschte und die helle Haut an seinen Beckenknochen freilegte. Eine verlockende Tatsache, die der Brünette gern genutzt hätte. Doch nachdem er sich gerade wieder auf seine Prinzipien besonnen hatte, sollte er auch daran festhalten, sodass sein Blick wieder auf die Hose in seiner Hand fiel. Wie erwartet war der Stoff schwer und grauenhaft kratzig, eben genau das, was man vom Bonkotsu erwarten würde und ihm bestätigte, dass sich seit der Schulzeit wohl nicht wirklich etwas geändert hatte. 

 

Kaiba hatte ihm definitiv damit einen Gefallen getan und Jonouchi sollte ihm doch gerne Anerkennung dafür leisten, wenn er wieder aus seinem Traumland erwachte. Generell könnte er dann etwas Dankbarkeit an den Tag legen, so rührend wie sich der Firmenchef um ihn gekümmert hatte und diese Situation trotz dieses verwegenen Geständnisses letztendlich nicht ausgenutzt hatte. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das jemals passierte, war schwindend gering. Nichtsdestotrotz faltete er die Hose zweimal sorgsam und legte sie zusammen mit dem Smartphone neben dem Schlafenden ab. Danach warf er ihm noch die Decke über und ging ins Bad, um sich ebenfalls bettfertig zu machen. Als er kurz darauf wieder den Raum betrat, hatte sich der Blonde bereits wie ein Stück Sushi zusammengerollt und schlief selig auf Kaibas Schlafplatz. Es hatte schon etwas absolut Niedliches an sich, wie er da so eingemummelt vor sich hin sabberte, das musste der Brünette durchaus zugeben. Schlussendlich legte sich auch Seto schlafen, während die Erlebnisse des Abends ihn noch bis in seine Traumwelt begleiteten. 

 

Einige Stunden zogen ins Land. Der Mond stand bereits hoch am sternenklaren Himmel und spendete ein kleines Licht in der Nacht. Verschlafen blinzelte ein Paar bernsteinfarbene Augen in den Raum hinein und versuchte, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Mit einem deutlichen Gähnen rappelte sich Jonouchi widerwillig auf, stapfte trunken in den Raum hinein und verschwand kurz im angrenzenden Badezimmer, um die vielen Gläser Bier, die er feuchtfröhlich mit Honda gehoben hatte, ihrer Bestimmung zuzuführen. Zurück im Raum steuerte er direkt wieder seinen kuschelig warmen Schlafplatz an. Als er jedoch direkt vor dem ausgebreiteten Futon stand, bemerkte er, dass sich direkt neben diesem noch eine weitere Schlafgelegenheit befand, in welcher ebenfalls jemand anderes als erwartet schlief. Auch das Zimmer, in dem er hier offenbar seit geraumer Zeit geschlafen hatte, war ein anderes. Er besah sich die Person, die unter der Decke neben ihm lag, genauer und eine verschwommene Erinnerung schlich sich in seine Gedankenwelt, sodass er kurz inne hielt und darüber schmunzelte. 

 

Es war eine Chance, die sich wohl zu keiner Zeit wieder ergeben würde, und Gelegenheit schaffte bekanntlich Triebe oder wie das Sprichwort hieß. Also musste er sie hier und jetzt nutzen. Seine Finger wanderten beinahe automatisch zu Kaibas Lippen, die sich ihm so einladend darboten. Dabei betrachtete der Blonde stillschweigend dieses absolut perfekte Gesicht, das auch im Schlaf nichts von seiner Schönheit einzubüßen schien und ihn magisch anzog, sodass er nicht widerstehen konnte und sich langsam nach unten beugte. Hauchzart legte er seine Lippen auf die des anderen und hielt für einen kurzen Moment seinen Atem an, als wollte er den Schlafenden unter keinen Umständen aus seinen süßen Träumen wecken. Stille beherrschte den Raum und ließ ihn langsam seine Augen schließen, um den flüchtigen Augenblick vollends zu genießen. Wie lange musste er darauf warten, auf diesen einen ersehnten Kuss, den er sich ungesehen aller heimlich des Nachts von den süßen Lippen stahl. Nur ungern löste er wenige Sekunden später die zärtliche Berührung wieder, konnte sich jedoch nicht von dem Anblick des selig schlafenden Firmenchefs losreißen. Er wirkte so wehrlos und angreifbar. Wie gern würde er ihn noch mehr berühren, ihm betörende Seufzer entlocken und noch so vieles mehr. 

 

„Was glaubst du eigentlich, was du da tust?“, durchdrang eine dunkle Stimme sogleich die Stille der Nacht und zwei wunderbar blaue Augen funkelten den Blonden verheißungsvoll an.

„Wonach sieht es denn aus?“, stellte der Angesprochene frech eine Gegenfrage.

„Das wollte ich gerade von dir in Erfahrung bringen“, richtete sich der Brünette auf und besah den Jüngeren mit einem eindringlichen Blick.

„Tja, was könnte wohl der Grund sein?", sinnierte Jonouchi auffällig gespielt. „Eventuell liegt es daran, dass ich zu viel Alkohol getrunken habe. Vielleicht schlafwandle ich ja auch oder es ist doch nur ein Traum. Das wahrscheinlichste wäre jedoch, dass ich dich einfach unglaublich anziehend finde", sagte er in einem verführerischen Ton, während seine Hand sanft über Kaibas Wange strich und eine Strähne wieder an ihren wohlbekannten Platz legte. „Da wären beispielsweise dein ausgesprochen hübsches Gesicht und das seidig weiche Haar, unter dem deine tiefblauen Augen immer so angriffslustig funkeln, ganz zu schweigen von diesem äußerst begehrenswerten Körper." 

 

Langsam fuhren seine Finger an Kaibas Hals entlang immer weiter nach unten und hakten sich beim ersten Knopf seines Pyjamas ein, um ihn näher an sich heran zu ziehen. „Es fällt mir schwer, all dem zu widerstehen, wenn wir hier so ganz allein mitten in der Nacht direkt nebeneinander liegen. An deiner liebreizenden Art müsstest du allerdings noch ein wenig feilen", fügte Jonouchi mit einem Schmunzeln auf den Lippen noch hinzu.

„Äußerst schmeichelhaft, was du da von dir gibst, du Trunkenbold", erhielt er daraufhin die ironisch klingende Antwort des Firmenchefs, der sogleich wieder auf Abstand ging und ihn hochmütig ansah, „Aber ich wollte eigentlich wissen, was genau diese ungebührliche Berührung eben darstellen sollte. Für einen Kuss war es jedenfalls viel zu lasch. Das solltest du definitiv noch einmal üben."

„Hmh. Eigentlich war es ja auch nicht geplant, dass du aufwachst. Ich wollte mir nur ein kleines Urlaubssouvenir stehlen", war die ehrliche Antwort des Blonden, der erneut kein Geheimnis daraus zu machen schien, dass er nach wie vor an dem Älteren interessiert war.

 

„Wenn du schon etwas stehlen willst, dann mach es gefälligst richtig. Dafür würde nicht einmal Dornröschen ihren hundertjährigen Schlaf aufgeben wollen." 

„Dabei würde ich so einen passablen Prinzen abgeben", grinste der Blonde zufrieden über diesen Vergleich, denn soweit war auch Kaiba gar nicht von einer unnahbaren verwöhnten Prinzessin entfernt, wenn man sein Verhalten anderen Menschen gegenüber genauer betrachtete: stets von oben herab, stolz und ach so unfehlbar, damit ihm jeder ergeben zu Kreuze kriechen konnte. Dennoch sollte dabei nicht vergessen werden, dass auch er schon mal Feuer spie und unerbittlich seine Klauen einsetzte. Somit war er Drache und Prinzessin in einem. Es galt folglich das Monster zu bezwingen und gleichzeitig die holde Maid zu erobern. Wie gut, dass der tapfere junge Prinz, der das in Angriff nehmen würde, bereits zugegen war. Ob der Brünette ihn mit seinen Worten wiederum bewusst provozieren wollte, wusste Jonouchi nicht. Jedoch würde er es umgehend in Erfahrung bringen.

 

„Ich könnte mich irren, aber das ganze klingt für mich immer mehr nach einer Herausforderung. Kaiba, dir ist schon klar, dass wir längst nicht mehr in der Schule sind und sich in der Zwischenzeit einige Dinge geändert haben." 

„Was sollte sich im Vergleich mit damals bitte geändert haben? Du bist noch immer der gleiche Chaot, verlierst deine Schlüsselkarte sowie deinen Saufkumpanen, sodass ich genötigt werde, etwas von meiner kostbaren Zeit zu opfern und dir zu helfen, damit du mir als Dank dafür tierisch mit deinem Gebell auf den Geist gehen kannst", fasste Kaiba die wesentlichen Tatsachen der letzten Stunden kurz von seinem Standpunkt aus zusammen, „Das einzige, das sich geändert hat ist, dass du heute volltrunken nur noch mehr Unsinn von dir gibst." Mit diesen Worten nahm er seine Bettdecke und wandte sich von Jonouchi ab, um sich wieder schlafen zu legen. Eine Verhandlungsbasis würde er mit einem Betrunkenen eh nicht finden und bevor er noch Dinge tat, deren Vorstellung ihm bereits seit geraumer Zeit seine Gedanken vernebelte, wählte er lieber den taktisch klügeren Rückzug.

 

„Verstehe. Du glaubst also, dass gerade nur der Alkohol aus mir spricht. Tja, vermutlich sind meine Worte auch nicht ausreichend und deine Beschwerde scheint durchaus gerechtfertigt. Da du allerdings darauf zu bestehen scheinst, zeige ich dir nur zu gern, was sich alles seit damals geändert hat. Ich mache nämlich keine halben Sachen mehr", schmunzelte Jonouchi süffisant. Ja, es war definitiv angebracht mit der längst überfälligen Drachenbezwingung zu beginnen, bevor er sich die Prinzessin zu eigen machen konnte. Auch wenn er übertrieben gut gelaunt am Abend war, lag das weniger an der Vielzahl seiner hochprozentigen Getränke, sondern eher an der Tatsache, dass er zufällig ausgerechnet hier auf den Firmenchef traf. Dass der Ältere fälschlicherweise annahm, dass sein offenherziges Verhalten allein von seinem Barausflug rührte, verschaffte ihm dabei einen kleinen Vorteil und erleichterte die Interaktion erheblich. Da er nun einmal in dieser günstigen Lage war, würde er die Gelegenheit definitiv nicht verstreichen lassen. 

 

Also näherte er sich dem Firmenchef mit verheißungsvollen Absichten, was nicht unbemerkt blieb. „Bemüh dich nicht. Mit Betrunkenen verhandle ich generell nicht“, ließ Kaiba mahnend verlauten. „Das wollen wir doch mal sehen“, raunte der Blonde in einem verführerischen Ton in das Ohr des Älteren und fuhr mit seinen sündigen Lippen sanft über die dünne Haut. Offenbar fand er damit eine empfindliche Stelle des Brünetten, denn im selben Augenblick zuckte dieser zusammen, schnellte nach oben und legte schützend seine Hand über das Ohr, welches Jonouchi eben noch liebkost hatte.

„Bonkotsu, ich warne dich. Übertreib es nicht!“, wollte er den Jüngeren verscheuchen, hatte damit jedoch wenig Erfolg. Für Jonouchi war es wiederum eine äußerst erfreuliche Reaktion, die er mit einem ebenso erfreuten Schmunzeln zur Kenntnis nahm und die ihn dazu motivierte, noch weitere solcher aufreizenden Stellen zu finden. Also drängte er ihn kurzerhand zurück, ließ seine Finger neugierig unter Kaibas Pyjamaoberteil wandern und bahnte sich seinen Weg über die definierten Muskeln des anderen weiter nach oben auf der Suche nach weiteren erogenen Zonen, die ihn aus der Reserve locken würden. 

 

Überrumpelt von dem ungewohnt forschen Verhalten des Blonden, ließ er ihn für einen Moment gewähren und fand sich plötzlich auf dem Futon wieder. Gerade als er aufbegehren und den dreisten Chaoten harsch in seine Schranken weisen wollte, trafen ihre Blicke aufeinander und er konnte in den bernsteinfarbenen Augen eine bislang unbekannte aufflammende Begierde erkennen, die ihm kurz den Atem stocken ließ. Der Anblick nahm ihn gefangen und fesselte ihn so sehr, dass er selbst mehr als erstaunt darüber war, dass er diese Dreistigkeiten so einfach mit sich machen ließ. Der Jüngere wollte sich darüber natürlich keinesfalls beschweren und war hocherfreut über den wenigen Widerstand, den er ihm entgegen brachte. So erhielt er die Gelegenheit all das nachzuholen, was er in der Schulzeit so sehnlichst von dem CEO begehrt hatte. Auf seiner Erkundungsreise streifte er flüchtig Kaibas Brustwarze, umkreiste spielerisch die umliegende empfindliche Haut, neckte ihn weiter mit sanften Berührungen unter denen sich sein Nippel aufrichtete und hart wurde. Eine weitere Reaktion, die Katsuya die Bestätigung verschaffte, dass es dem Älteren offenbar zu gefallen schien, auch wenn dieser es nicht offen zeigte. Doch das änderte sich bereits wenige Sekunden später, denn mit einer schwungvollen Bewegung richtete sich der Firmenchef wieder auf und befreite sich aus dem verführerischen Griff des anderen. Er hatte sich leider schneller wieder gefangen, als es seinem Verführer lieb war.

 

„Was soll das werden, Trunkenbold? Schlaf deinen Rausch aus und fang hier nichts an, was du nicht unter Kontrolle hast“, mahnte Kaiba den Blonden erneut deutlich. Sollte er sich darauf einlassen, würde Jonouchi auch die entsprechende Antwort auf seine dreisten Handlungen erhalten, und es fehlte nicht mehr viel dazu.

„Du verstehst da etwas falsch. Ich habe dir bereits gesagt, dass ich nicht so betrunken bin, wie du glaubst. Also fühle ich mich natürlich auch nicht angesprochen“, entgegnete Jonouchi unbeeindruckt und überwand die geringe Distanz zwischen ihnen, indem er den Älteren näher an sich heran zog. Federleicht platzierte er einen hauchzarten Kuss auf der blassen Haut oberhalb von dessen Brustbein, die er schon hunderte Male in seinen Phantasien aufreizend berührt hatte, und öffnete gekonnt die Knopfreihe des Pyjamas. Es war ein weiterer von vielen unerfüllten Wünschen, den er jetzt endlich wahr werden lassen konnte und der sein Herz sogleich höher schlagen ließ. 

 

Zielsicher bahnte sich Jonouchi seinen Weg über die warme Haut, fuhr die Konturen der straffen Muskeln bedächtig mit seinen Lippen nach und stoppte an dem Stoff, der noch unangetastet teilweise Kaibas Brust bedeckte. Auch wenn es das Einfachste gewesen wäre, den Brünetten einfach seiner Schlafsachen zu berauben, kam dem Blonden ein anderer unanständiger Gedanke. Langsam fuhr er mit seinen neugierigen Fingern über das seidige Stück Stoff und umkreiste erneut die darunterliegende Brustwarze. Um ihn noch intensiver zu reizen, ließ Jonouchi seine sündigen Lippen darüber wandern, befeuchtete mit seiner frechen Zunge den teuren Stoff und leckte provokativ über die Stelle, unter der sich dessen Nippel immer deutlicher abzeichnete. Eine Tatsache, die den Blonden direkt dazu verführte, frech hinein zu beißen, sodass Kaiba hörbar aufbegehrte. Der zauberhafte Ton, der da an die Ohren des Jüngeren drang, ließ ihn sogleich einen weiteren Teil seiner Wunschliste abhaken. Und diese Liste hatte noch einige aufregende Punkte zu bieten, die es abzuarbeiten galt, um dabei erneut in den Genuss dieser betörenden Stimme zu kommen. 

 

Kaiba wiederum ließ sich die Sache bereits deutlich zu lange gefallen, denn er musste leider zugeben, dass ihn die frivolen Berührungen durchaus reizten. Außerdem hatte er den Jüngeren mehrmals deutlich darauf hingewiesen, dass er es nicht übertreiben sollte. Offenbar wollte sein Gegenüber jedoch nicht hören, sodass der Brünette keinen weiteren Sinn darin sah, seinen Widerstand und die guten Vorsätze aufrecht zu erhalten, und letztendlich machten auch ihn die Bekundungen seines ehemaligen Klassenkameraden neugierig. Denn mit jedem Mal, wenn Jonouchi ihm in der Vergangenheit auch nur die kleinste Berührung so deutlich verwehrt hatte, spürte der CEO im Gegenzug dazu ein immer größer werdendes Verlangen danach es zu tun. Früher war es ihm nie so bewusst in den Sinn gekommen, aber jetzt wurde diese Neugier zu einer unaushaltbaren Qual. Er wollte wissen, wie sich der Blonde anfühlte und auf intimste Weise jeden Zentimeter seines Körpers erkunden. 

 

Natürlich war er bereits mehrfach am heutigen Abend mit ihm in Berührung gekommen. Doch diese Art und Weise verschaffte dem Brünetten nicht einmal ansatzweise Genugtuung. Auch wenn er es sich nur ungern eingestand: Er konnte Jonouchi damals nicht haben und wollte ihn nun dafür umso mehr. Dass sich die Sache so zu seinen Gunsten wenden würde, hätte er jedoch nicht geglaubt, zumal sie die Schule längst abgeschlossen und sich einige Jahre nicht gesehen hatten. Also nutzte auch er diese Chance und ließ seine Finger über den Rücken des anderen nach oben in dessen Nacken wandern, vergrub sie in dem wirren blonden Haar und schloss für einen Moment genießerisch seine Augen, während Jonouchi ihn zu dieser süßen Sünde verführte. Selbst wenn es nur dieses eine Mal war, in der er seiner Schwäche für diesen Chaoten nachgab. 

 

Eine Wendung, die der Jüngere ebenfalls sehr begrüßte. Um sich direkt noch weitere Bestätigungen zu holen, fuhr er unter den hauchdünnen Stoff des Pyjamas und berührte ihn direkt, während er sich zugleich näher an den Körper des Älteren drängte. Dass dieser plötzlich so wortkarg war, machte die Sache nur noch interessanter, sodass sich Katsuya mit seinem Mund nach oben über die dünne Haut am Schlüsselbein schlich, weiter zum Hals wanderte und dem Älteren damit eine deutliche Gänsehaut verschaffte. Die Hand des Brünetten, die sich in seine wilde Mähne verirrt hatte, verleitete Jonouchi kurz zum Schmunzeln und ließ seine frechen Gedanken zu Taten werden. Verheißungsvoll öffnete er seinen Mund und ließ seine Lippen über die helle Haut wandern nur, um direkt darauf seine Zähne darin zu versenken und sich kurz daran festzusaugen. Sofort reagierte der Firmenchef auf den Schmerzreiz und zog im Affekt an den blonden Haaren, sodass sein Peiniger von ihm ablassen musste. Jedoch zu spät, denn es war bereits eine deutliche Rötung zu erkennen, die ihm für einige Tage ein Liebesmal bescheren würde.

 

„Was erlaubst du dir?“, fuhr der Brünette ihn harsch an, da er dieser Art von Markierungen nichts abgewinnen konnte. Doch statt einer Antwort, bekam er nur ein verschwörerisches Grinsen von seinem Gegenüber, was ihm nicht so ganz gefallen wollte. Zufrieden besah sich Jonouchi wiederum die dunkle Stelle an Kaibas Hals, die auch der Kragen seines heißgeliebten schwarzen Oberteils in den kommenden Tagen nicht mehr verdecken konnte. 

„Dir gefällt mein kleines Souvenir nicht?“, grinste er ihn überlegen an und erntete dafür ein unerfreutes Grummeln von seinem Gegenüber, der diese Tatsache nicht mehr ungeschehen machen konnte. „Zu schade, es steht dir nämlich ausgezeichnet. Leider ist es in ein paar Tagen schon wieder verschwunden. Also sei nicht so stur und nimm es wie ein Mann“, zog er den Brünetten auf, da er insgeheim wieder an die pikierte stolze Prinzessin denken musste, die Kaiba gerade erneut mimte. 

 

Der Griff in seiner blonden Mähne lockerte sich wieder und gab ihm seine Bewegungsfreiheit zurück. Diese nutzte er sofort, um sich abermals zu der gerade malträtierten Stelle zu lehnen, mit seiner Zunge entschuldigend darüber zu fahren und einen zarten Kuss darauf zu platzieren, der den Drachen wieder beschwichtigen sollte. Es war wahrlich eine ungewöhnliche Art der Drachenzähmung, aber sie zeigte dennoch Wirkung, denn selbst der Firmenchef wusste, dass es keinen Gewinn brachte, sich über Vergangenes zu echauffieren. Mit einem verzückten Grinsen auf den Lippen schmiegte sich Jonouchi enger an den Körper des anderen und ließ seine Hand auf dessen Brust verweilen. Dass auch Kaibas Herz einige Takte schneller schlug als üblich, verbuchte er dabei als kleinen Sieg für sich. Als er kurz darauf wieder die kühle Hand des anderen in seinem Haar spürte, ließ er sich zu einem kleinen Seufzer hinreißen und genoss diesen Moment der Ruhe. Kurz darauf wanderte Jonouchis Hand flüchtig über den Körper des Älteren und fand ihr Ziel dabei am Bund von dessen Pyjamahose, unter dem die flinken Finger teilweise verschwanden. Damit hatte er die Aufmerksamkeit des anderen wieder zielsicher auf sich gelenkt, der ihn dafür direkt ermahnte.

 

„Ganz schön dreist, was du hier veranstaltest, Bonkotsu. Pass lieber auf, dass du dir nicht die Finger verbrennst“, drohte er dem Jüngeren, erhielt darauf jedoch keine Reaktion. Gut, keine Antwort war ja bekanntlich auch eine Form der Kommunikation. Allerdings war es etwas zu wenig in Anbetracht ihrer vorangegangenen Handlungen. Dafür bemerkte der Brünette den gleichmäßigen Atem an seinem Hals, wo es sich der Blonde offenbar sehr gemütlich gemacht hatte. „Jonouchi?“, hakte er erneut nach, doch wieder folgte keine Reaktion. „Das darf doch nicht wahr sein. Von wegen keine halben Sachen“, resignierte Kaiba, nachdem er einen flüchtigen Blick zum Blonden riskiert hatte. Dieser war doch tatsächlich mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen in einem Moment der absoluten Glückseligkeit ungeniert eingeschlafen und das zu allem Überfluss auch noch auf dem CEO der Kaiba Corporation. Wie sorglos konnte man eigentlich sein und dann auch noch in so einer pikanten Situation? 

 

Zugegeben, die Avancen, die er ihm gemacht hatte, waren ein unverhoffter Genuss und nur zu gern hätte er herausgefunden, was der Blonde noch alles aufgefahren hätte. Jedoch würde er das heute Nacht wohl nicht mehr in Erfahrung bringen können, denn die Versuche, den Schlafenden doch noch wach zu bekommen, scheiterten allesamt. Der einzige Vorteil lag darin, dass der Brünette so seine Neugier ausgiebig befriedigen und den begehrlichen Körper des anderen in aller Seelenruhe erkunden konnte. Ohne Umschweife fuhr er direkt zu dessen Lendengegend und verirrte sich zu der Stelle, die ihn bereits beim Diebstahl der Jeans gereizt hatte. Als er über Jonouchis Beckenknochen wanderte und gerade die Fingerspitzen unter den Bund seiner Unterhose bewegte, suchte sich der Jüngere jedoch eine neue Schlafposition und schob sein Bein zwischen die des Firmenchefs, um sich näher an den warmen Körper unter der Decke kuscheln zu können. Dass auch dieser nun einige Dinge deutlicher spüren konnte, bescherte ihm eine leichte Röte um die Ohren, die größtenteils daher rührte, dass die Handlungen des Blonden so unbedarft von statten gingen, während er selig schlummerte. Es hatte wohl einfach nicht sein sollen.

 

Kurzum beendete er seinen nächtlichen Streifzug, um weiteren Überraschungen aus dem Weg zu gehen, und legte seine ruhelose Hand zurück in die blonde Mähne, durch die er einige Male streichelte. Einen wohligen Seufzer erhielt er daraufhin als Bestätigung des Gefallens. 

„Was habe ich mir da nur eingebrockt“, resignierte der Firmenchef aufgrund der momentanen Situation, konnte sich ein kurzes Schmunzeln jedoch trotzdem nicht verkneifen. Interessant würde es auf jeden Fall am nächsten Morgen werden, wenn der Jüngere in seinen Armen die verträumten Augen aufschlagen würde. Spätestens dann würde Kaiba die Möglichkeit zu einer Revenge erhalten und er hatte noch die ganze Nacht Zeit, diese haargenau zu planen.
 

 

To Be Continued…

Nächtliche Eskapaden - Zweite Nacht

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nächtliche Eskapaden - Letzte Nacht

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Stille Wasser sind tief

„Köter!“ fauchte der eine aufgebracht, „Arroganter Geldsack!“ bellte der andere sogleich lautstark zurück. Es war ein Streit, den alle Anwesenden nur zu gut kannten und schon hundertfach zwischen den beiden Kontrahenten miterlebt hatten, sei es nun zu Schulzeiten oder in den Jahren danach. Inzwischen war es eines dieser Dinge, die wie Zähneputzen oder Schuheanziehen automatisiert vonstattengingen, wann immer die beiden sich sahen. Die Tatsache, dass sie sich mit solch einer unbändigen Leidenschaft immer wieder aufs Neue aus den verschiedensten und ebenso belanglosesten Gründen stritten, verwunderte niemanden mehr. Jedoch machten sich sowohl Shizuka als auch Mokuba seit geraumer Zeit ganz andere Gedanken über das Schauspiel der Streithähne, das sie auch heute zu Mokubas Geburtstagsfeier wieder gemeinsam miterlebten, und tauschten ihre langjährigen Beobachtungen aus.

 

„Shizuka, siehst du das auch?“, fragte Mokuba die Ältere ungläubig, während er mit dem Kuchenstück auf seiner Gabel zu den beiden Zankenden hinüber starrte.

„Es ist eindeutig, Mokuba“, verstand die Angesprochene sofort.

„Sie merken es nicht.“

„Tun sie nicht.“

„Wir sollten was tun.“

„Unbedingt.“

 

Kurz besahen sich die beiden noch das Wortgefecht, bis Shizuka ein interessanter Gedanke in den Sinn kam. Vielleicht musste man nur die Ausgangssituation ein wenig verändern, um die Lage etwas zu entschärfen, damit sie sich auf das Wesentliche konzentrieren konnten. Diese definitiv erotische Anspannung zwischen den beiden war ja kaum mehr auszuhalten. Dass sie es in den letzten vier Jahren nicht auf die Reihe bekommen hatten, diese Tatsache ebenfalls zu erkennen, lag wohl zum einen an Setos unverbesserlichen Stolz und der damit verknüpften Unfähigkeit, einfach zuzugeben, dass da etwas zwischen ihnen war, und zum anderen an Jonouchis Beharrlichkeit, es schlichtweg zu ignorieren. Und so wurde eine Idee, besser gesagt ein perfider Plan geboren, der die beiden Sturschädel vor eine neue Herausforderung stellen würde. 

 

Inzwischen waren einige Wochen vergangen und die Sommerferien neigten sich langsam dem Ende zu. In dieser Jahreszeit fanden in den verschiedenen Präfekturen allerlei Feuerwerke statt, die den Nachthimmel in bunten Farben hell erstrahlen ließen. Besonders Shizuka war von diesen Lichtspielen schon immer begeistert gewesen und lud in diesem Jahr ihren Bruder zu sich auf die Insel Miyajima nach ein, wo am 26. August eines der wohl schönsten und eindrucksvollsten Hanabis in Hatsukaichi, einer Stadt in der Präfektur Hiroshimas, stattfand. Da sie sich leider nur selten sahen, konnte Katsuya ihr diese Bitte natürlich nicht abschlagen und versprach ihr, sie zu begleiten. Sie verabredeten sich für den frühen Nachmittag, sodass Katsuya an diesem Mittwoch direkt nach seiner Frühschicht zu ihr fahren würde. Wie erwartet, war es auch heute wieder elend heiß draußen und die ein oder andere Wolke war mehr als willkommen. 

 

Damit sich der Blonde direkt nach Schichtende auf den Weg machen konnte, hatte er vorsorglich seine Reisetasche am Abend zuvor gepackt und sie gleich mit auf die Arbeit genommen. So sparte er sich den nochmaligen Weg nach Hause durch die brütende Hitze und konnte etwas mehr Zeit mit seiner Schwester verbringen. Sie hatten sich letztmalig zu Mokubas Geburtstag im Juli gesehen und auch in den Sommerferien hatte sich bislang kein Treffen ergeben, obwohl bereits fünf Wochen vergangen waren. Einmal kam der zehntägige Urlaub mit ihrer Mutter dazwischen, den sie wohlgemerkt jedes Jahr zusammen im Ausland verbrachten, dann passte es wieder nicht mit Jonouchis Schichten zusammen und zwischenzeitlich hatte ihn auch noch eine kleine Sommergrippe niedergestreckt. Heute wäre somit der erste und wohl auch einzige Tag, an dem sie sich treffen konnten, denn die nächste Spätschicht stand bereits morgen an und Shizukas Ferien waren ebenfalls bald vorbei. 

 

Umso größer war die Freude, dass Katsuya heute ein paar Minuten eher in den Feierabend entlassen wurde. So schaffte er es noch gerade so, die Zugverbindung eine Stunde früher zu nehmen und gewann damit noch etwas mehr Zeit mit seinem Schwesterherz. Als er am Bahnhof nahe des Itsukushima-Schreins angekommen war, begrüßte Shizuka ihn freudestrahlend und beide fielen sich in die Arme, als hätten sie sich eine kleine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Sie war eben nach wie vor sein Ein und Alles und das ließ er sie deutlich spüren. Doch dass das auch einen kleinen, nicht unwesentlichen Nachteil mit sich brachte, wurde dem Älteren im späteren Verlauf des Nachmittags überdeutlich bewusst. Denn da präsentierte ihm Shizuka eine Idee, die sich wohl spontan und äußerst hartnäckig in ihrem Kopf festgesetzt hatte. 

 

„Das ist nicht dein Ernst", starrte Katsuya mit einem ungläubigen Blick in ihr fröhlich grinsendes Gesicht.

„Warum nicht? Hier wird es wohl kaum jemanden geben, der dich damit sieht. Immerhin bist du hier in Hatsukaichi, weit entfernt von allen Freunden aus Domino“, entgegnete sie mit einem hinreißenden Lächeln auf den Lippen. 

„Aber… das geht doch nicht“, warf der große Bruder seine Bedenken ein und merkte bereits, wie das Lächeln seiner Schwester breiter wurde und er in einer verzwickten Lage steckte.

„Nii-chan“, sah sie ihn mit ihren großen, vollen Augen an und setzte diesen unschuldigen Blick auf, der den Blonden in der Vergangenheit bereits des Öfteren in die Knie gezwungen hatte, „Ich würde mich wirklich wahnsinnig darüber freuen, wenn du mir diese kleine Bitte erfüllst. Außerdem habe ich noch einen Wunsch bei dir frei, wenn du dich erinnerst.“ Sie wussten beide nur allzu gut, dass Katsuya ihr nur schwer einen Wunsch abschlagen konnte und er ihr tatsächlich noch etwas schuldig war. Doch dieses Anliegen hatte es wahrlich in sich. 

 

Shizuka hatte beim Heraussuchen ihres Kimonos für das bevorstehende Hanabi auch den ihrer Mutter gefunden und sofort hatte sich ein interessanter Gedanke in ihrem Kopf festgesetzt. Schon immer hatte sie sich gefragt, wie es wohl wäre, wenn sie eine ältere Schwester hätte. Nicht, dass sie mit Katsuya als großen Bruder irgendwelche Probleme gehabt hätte. Das war definitiv nicht der Fall! Aber der Gedanke hatte sie nicht losgelassen, weshalb sie ihrem geliebten Bruder direkt nach dem Eintreffen bei ihr zu Hause davon berichtet und ihm gegenüber eine ungewöhnliche Bitte geäußert hatte. Der Ältere hatte erst gar nicht verstanden, worauf sie hinaus wollte, bis sie schließlich die Karten offen auf den Tisch gelegt hatte: Er sollte mit ihr zusammen zu dem Hanabi gehen, verkleidet als Frau in einem Kimono. Seine Begeisterung dafür hielt sich durchaus in Grenzen, weshalb sie noch immer darüber verhandelten. Doch Katsuyas Aussichten sahen schlecht aus und er hatte ihren Argumenten leider nicht viel entgegenzusetzen. Er konnte ihr die Schwester, die sie sich offenbar manchmal wünschte, nicht ersetzen und natürlich wäre es nur eine Verkleidung für ein paar Stunden, quasi wie Halloween oder Fasching, wie es in den westlichen Ländern üblich war. Vermutlich würde ihn auch niemand erkennen. Immerhin hatte er außer den beiden dorthin keinerlei Verbindungen und da ihre Mutter oft auf Geschäftsreise war und Shizukas Klassenkameraden noch in den Ferien waren, hatte sie dementsprechend auch keine Begleitung für das Fest. 

 

Katsuya haderte mit sich. Seine Schwester äußerte nicht oft Begehre und selbst wenn, waren sie meist nicht der Rede wert. Außerdem war er ihr noch ein Geschenk zum letzten Geburtstag schuldig geblieben, dass er aufgrund des fehlenden Kleingelds leider nicht rechtzeitig besorgen konnte und ihr daher stattdessen versprochen hatte, dass sie sich bei Gelegenheit etwas von ihm wünschen könnte. Das war demnach diese Gelegenheit und Shizuka nutzte sie. Also gab er sich einen Ruck und willigte schließlich in dieses ungewöhnliche Ansinnen ein. Shizukas dunkelbraune Augen begannen zu leuchten, während ihr Bruderherz resigniert den Kopf hängen ließ. Wie schaffte er es nur immer wieder, in solche irrwitzigen Situationen zu geraten, als würde er sie magisch anziehen. Ehe er es sich versah, fand er sich auch schon in dem roten Kimono wieder, der mit einem größtenteils in weiß und gelb gehaltenen Blumenmuster reichlich verziert war. Als Kontrast dazu band sie ihm einen weißen Obi um, auf dessen Stoff ein rotes Muster in Form eines Astes mit einigen Blättern aufgedruckt war. Darüber hatte sie eine dunkelrote, geflochtene Obijime gelegt und sie mit einer kleinen Schleife verknotet. Zusammen mit den Tabi, den typischen, knöchelhohen Zehensocken, sah er tatsächlich beinahe wie eine Frau aus. Das musste sogar Katsuya zugeben, als er von seiner Schwester direkt vor den großen Spiegel im Flur geschoben wurde und sich selbst im Ganzen betrachten konnte.

 

„Er steht dir“, bestätigte Shizuka es sogleich und konnte sich ein zufriedenes Schmunzeln nicht verkneifen. „Jetzt fehlt nur noch etwas Make-up und eine niedliche Frisur, damit es perfekt aussieht, Nee-chan“, betonte sie gerade die letzten beiden Silben überdeutlich, sodass Katsuya kleinlaut grummelte. Das wäre definitiv das erste und auch letzte Mal, dass er sowas mit sich machen ließ! Und Shizuka war in ihrem Tun äußerst gründlich. Eine gute halbe Stunde war sie mit der Typveränderung ihres Bruders beschäftigt. Sie schminkte gekonnt sein Gesicht und verlieh ihm damit ein paar weiblichere Züge. Als sie sich den Haaren widmete, entkam ihr ein leises Kichern, das Katsuyas Interesse weckte. „Was ist bitte so lustig?“, grummelte er etwas genervt, sodass seine Schwester ihn sofort ins Bild setzte: „Ich musste nur gerade an unser Gespräch an Mokubas Geburtstag denken, als ich dir gesagt hatte, dass du unbedingt mal wieder zum Friseur gehen musst. Jetzt hat es doch einen Vorteil, dass deine Haare noch so lang sind, denn jetzt kann ich eine richtige Frisur daraus zaubern."

 

Das war eine Antwort, die der Ältere wiederum nicht hören wollte. Doch es war ohnehin zu spät, also sollte sie sich gern an seiner blonden Mähne austoben. Sobald er jedoch wieder in Domino war, würde er einen Termin beim Haarkünstler seines Vertrauens vereinbaren. Vielleicht sollte er das auch gleich hier und jetzt in Angriff nehmen, um zeitnah einen passenderen Haarschnitt zu bekommen. Shizuka nahm derweil ihr Glätteisen zur Hand und begann damit, Katsuyas Haare in eine etwas andere Form als das altbekannte Durcheinander zu bringen. Geziepe und Gezerre folgten und er konnte definitiv nicht verstehen, wie sich die Mädels das nur jeden Tag selbst antun konnten. Aber gut, er hatte es versprochen, also würde er auch diese Tortur einmalig ertragen. Immerhin tat er es für seine kleine Schwester. 

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde er endlich von seinem Leid erlöst, während Shizuka mit ihrem Werk sichtlich zufrieden war. Vor ihr stand nun eine “junge Frau“ in einem zinnoberroten Kimono mit einem hellen Blumenmuster darauf. Die Haare waren zu einem Seitenscheitel linksseitig gelegt und wurden durch ein kleines, unscheinbares Haargummi so fixiert, dass ein kleiner angedeuteter Dutt entstand. Auf der anderen Seite, hatte sie einen weißen Haarschmuck in Form einer künstlichen Blume befestigt, die an ihren Blütenrändern eine leicht rötliche Färbung besaßen und das strenge, traditionelle Gewand etwas auflockerte. Als Schuhwerk wählte sie einfache Zori statt Geta, da sie ihrem Bruder den Absatz aufgrund der ungewohnten Kleidung ersparen wollte. Außerdem würde so der Größenunterschied nicht ganz so stark auffallen, wenn sie wiederum ihre eigenen Geta trug. 

 

Katsuya traute wiederum seinen Augen nicht, als er sein Spiegelbild erblickte. Es war tatsächlich nicht mehr viel von dem blonden Chaoten, der grazil wie eine Gazelle im Sandsturm durchs Leben schritt, zu erkennen, mit Ausnahme der Haarfarbe verstand sich. 

„Du bist wirklich nicht wiederzuerkennen“, gluckste die Jüngere verzückt und gab sich damit selbst ein kleines Lob für ihre Arbeit.

„Da muss ich dir wohl recht geben“, schmunzelte der Blonde daraufhin etwas verlegen und hätte nicht gedacht, dass er so eine passable Frau abgeben würde. Zumindest optisch gesehen, denn sobald er seinen Mund aufmachte, flog der Schwindel wohl sofort wieder auf. Doch unter den 300.000 Menschen, die sich bei diesem Fest alljährlich tummelten, würde das gar nicht weiter auffallen. Zumindest dachte der Blonde das zu diesem Zeitpunkt noch. 

 

Als sich die Sonne langsam gen Westen neigte und die Stadt in ein schönes Abendrot tauchte, machten sich die Geschwister auf den Weg zum Itsukushima-Schrein. Je mehr sie sich dem Veranstaltungsgelände näherten, desto mehr Leute kamen ihnen auf den Straßen von Hatsukaichi entgegen, an denen die vielen kleinen Buden aufgestellt waren, die allerlei Speisen und Getränke anboten. Katsuya liebäugelte bereits mit diesem äußerst köstlich aussehenden Ikayaki, einem gegrillten Tintenfisch mit Sojasauce, den er bei solchen Veranstaltungen standardmäßig als sein Lieblingsfastfood auserkoren hatte. Noch während er diesem verführerischen Duft nachhing und sich schwer zusammenreißen musste, um nicht auch noch zu sabbern, drang eine ihm bekannte Stimme an seine Ohren, die den Namen seiner Schwester rief, sodass er sich von seinem Futterparadies losriss und sich in einer ruckartigen Bewegung zu ihr umwandte.

 

„Shizuka?“, tippte der Schwarzhaarige auf die Schulter von Katsuyas jüngerer Schwester und erstaunt betrachtete der Blonde die Szene, die sich gerade direkt vor ihm abspielte. Stand da doch gerade nicht wirklich Mokuba zusammen mit seinem Lieblingsstreithammel und ehemaligen Klassenkameraden Seto Kaiba. Katsuya blieb beinahe das Herz stehen, als sich die Jüngere zu ihnen umdrehte und die Brüder überrascht begrüßte: „Hallo Mokuba und Kaiba-kun. Was für ein Zufall. Was macht ihr denn hier?“, freute sie sich über die Anwesenheit der beiden und ein kleines Gespräch kam zustande, dem weder der Blonde noch der Brünette aktiv beiwohnten. Wobei bei Katsuya wohl eher eine Art Lähmung verhinderte, dass er nicht sofort überstürzt die Flucht ergriffen hatte. Jedoch hätte er dann auch das Versprechen gegenüber Shizuka gebrochen und sie folglich einfach so hier stehengelassen. Das war bei näherer Betrachtung somit keine zufriedenstellende Option. Also stand er weiter stumm hinter ihr und hoffte, dass sie sich bald wieder voneinander verabschieden würden. Doch natürlich kam es anders.

 

„Ich habe Seto die neue Attraktion am Ende der Straße gezeigt, die sie extra für das Fest heute aufgebaut haben. Vom Design her wäre vielleicht was für unseren Freizeitpark in Domino. Die Arbeit ruht eben nie.“ Ein Schmunzeln legte sich auf Mokubas Lippen, bevor ihm offenbar ein interessanter Gedanke kam, den er sofort aussprach: „Wenn ihr Lust habt, können wir uns ja noch gemeinsam das Feuerwerk ansehen, das bald beginnen wird. Immerhin ist die Stadt für ihre herausragende Pyrotechnik berühmt“, schlug der Jüngste vor und sowohl Seto als auch Katsuya wurden hellhörig. Shizukas Augen begannen wiederum zu leuchten und ihr älterer Bruder konnte direkt beobachten, wie sie dieses kleine Problemchen, in dem er gerade steckte und das definitiv nicht einfach so aufgelöst werden konnte, kurzzeitig vergaß. Im Affekt antwortete sie mit einem „Das klingt super. Wir leisten euch gern Gesellschaft“, als ihr im selben Augenblick wieder diese Sache mit der “großen Schwester“ in den Sinn zu kommen schien. Kurz wandte sie sich ihrem Nii-chan zu und bedachte diesen mit einem entschuldigenden Blick, während diesem wiederum kurzzeitig alle Gesichtszüge entglitten. 

Jetzt hatte sie einfach so zugesagt und Katsuya damit in eine missliche Lage gebracht. Dieser schwitzte bereits Blut und Wasser und wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn der andere seine Verkleidung durchschaute. Zum Glück bot dieser Kimono einen einzigartigen Vorteil, da er den markanten männlichen Körperbau gut verstecken konnte, wodurch nicht direkt ersichtlich war, ob ihn ein Mann oder eine Frau trug. Eine glückliche Fügung, die den Blonden diesmal wohl vor einer peinlichen Konfrontation retten würde. 

 

Stumm sah er dem Firmenchef in die blauen Augen, während dieser ihn bereits einige Momente musterte. Kein Ton kam über Katsuyas Lippen und er war wie erstarrt. Von allen nur erdenklichen Menschen musste er natürlich ausgerechnet Kaiba hier treffen, während er in dieser Aufmachung durch die Menschenmengen lief, die sich inzwischen bereits dicht an dicht drängten. Das Feuerwerk würde bald beginnen und ihre jüngeren Geschwister schienen sich derweil sehr gut zu amüsieren, während er und der Brünette kein Wort miteinander wechselten. Wie sollte er auch. Sobald er zu sprechen beginnen würde, wäre seine Verkleidung sofort aufgeflogen. Wobei er nicht einmal genau wusste, ob der Brünette ihn nicht längst mit seinem wohl angeborenen, detektivischen Spürsinn durchschaut hatte und nur darauf wartete, dass er sich selbst verriet. Im gleichen Moment wandte sich Shizuka zu ihm und lenkte die ungeteilte Aufmerksamkeit damit auf ihren gedankenverlorenen Bruder. Auch Mokuba und Seto starrten ihn an, während Katsuya selbst nicht wusste, warum die Blicke aller auf ihm ruhten und seine Gedanken weiterhin Purzelbäume schlugen. 

 

„Ja, ich habe kurzfristig noch eine Begleitung für das Hanabi heute gefunden“, begann die Jüngere zu sprechen, „Leider sind alle Freunde noch in den Ferien und allein macht es einfach keinen Spaß, ein Feuerwerk anzuschauen.“

„Stimmt, deswegen habe ich auch Seto mitgenommen und es gleich mit etwas Nützlichem verbunden. Wer hätte gedacht, dass wir hier ausgerechnet dir begegnen bei den vielen Besuchern", schmunzelte der Schwarzhaarige zurück, woraufhin auch Shizukas Lächeln noch breiter wurde. Daraufhin fiel Mokuba auf, dass sie sich noch gar nicht richtig vorgestellt hatten bei ihrer Begleitung. Sofort holte er dieses Versäumnis nach und verbeugte sich leicht, während er sich mit seinem vollständigen Namen höflich vorstellte. Katsuya wusste im ersten Moment nicht, wie er reagieren sollte und verbeugte sich ebenfalls kurz vor dem jungen Mann. Natürlich brachte er dabei keinen einzigen Ton heraus und ein kurzer Moment der Stille trat ein, woraufhin seine jüngere Schwester das Wort ergriff: „Oh, tut mir leid. Nee-chan ist Fremden gegenüber extrem schüchtern. Sie ist meine ältere Cousine, also Verwandtschaft mütterlicherseits aus Osaka, ihr Name ist Kisara, Kawai Kisara. Seid ihr bitte nicht böse, wenn sie eher verschwiegen ist.“ 

 

Mit diesen Worten half sie ihrem Nii-chan kurzweilig aus der Klemme, in die sie ihn kurz vorher noch selbst gebracht hatte, und die Brüder akzeptieren es. Auch Seto holte nun die längst überfällige Begrüßung nach und der Blonde hätte schwören können, dass da ein ganz besonderer Glanz in den endlos erscheinenden, blauen Augen lag, als dieser ihm tief in die Seinen sah. Es war etwas, das er noch nie zuvor bei dem anderen wahrgenommen hatte, sodass er sich kaum von diesem lösen konnte. Als er wiederum realisierte, dass er den anderen bereits einige Sekunden lang anstarrte, zuckte er innerlich zusammen und eine gewisse, unerwartete Verlegenheit schlich sich in sein Gesicht. Eiligst nahm er seinen Fächer zur Hand und versuchte, den deutlichen Rotschimmer auf den Wangen dahinter zu verstecken. Doch es war bereits zu spät, denn auch dem jungen Firmenchef entging diese Reaktion nicht und er begann, sich mehr für Shizukas Cousine zu interessieren. 

 

Zwar hatte Seto keine Probleme damit, die Interaktionen in seinem Umfeld auf ein Minimum zu beschränken, vor allem dann, wenn es seine Mitmenschen betraf. Jedoch beschäftigte ihn diese Person in dem zinnoberroten Kimono bereits seit dem Moment, als sie hier aufeinandergetroffen waren. Irgendwas an ihr brachte ihn zum Grübeln, doch er konnte nicht ausmachen, was genau es war. Lag es an dem seltenen, blonden Haar, das von dem weißen Blumenschmuck fixiert wurde, sodass ein kleiner Teil ihres Nackens frei lag, oder an dem verlegenen Blick, der wohl von ihrer Schüchternheit herrührte? Es war ihm ein Rätsel, von dessen Lösung er noch einige Gedanken entfernt war. Doch er war sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis er hinter dieses Geheimnis käme. Dieses unverhoffte Treffen mit der kleinen Schwester des Bonkotsus, nahm immer interessantere Züge an und weckte den Ehrgeiz des Firmenchefs. Passenderweise spielten ihm die jüngeren Geschwister dabei unverhofft in die Karten.

 

„Das Feuerwerk beginnt in zirka einer Stunde“, sagte Mokuba, während er auf die Uhr seines Smartphones schaute, „Wir haben also noch ein bisschen Zeit. Was haltet ihr davon, wenn wir vorher noch etwas essen und uns dann einen guten Platz suchen?“ Bei dem Wort “Essen“ horchte Katsuya auf und seine  Gedanken schweiften erneut zu den äußerst schmackhaft aussehenden Ikayaki, die er vor wenigen Minuten noch begutachtet hatte, sodass auch sein Magen wieder an diese Köstlichkeit erinnert wurde und deutliche Geräusche von sich gab.

„Offenbar eine gute Idee“, grinste Shizuka zu ihrem verkleideten Bruderherz und warf ihm direkt danach einen verschmitzten Blick zu. 

 

„Wie wäre es, wenn Mokuba und ich schonmal einen Platz suchen und ihr beide“, sie deutete auf Seto und Katsuya, „etwas zu Essen besorgt?“ Der Blonde blickte erschrocken zu der jüngeren Schwester, als sie ganz unverblümt diesen Vorschlag machte und glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte Shizuka da gerade wirklich vorgeschlagen, dass er ausgerechnet mit Kaiba zusammen losziehen sollte, um an den hiesigen Ständen etwas  Essbares zu besorgen? Wie sollte das bitte funktionieren? Allein ein Wort würde genügen und der andere bekäme sofort heraus, dass sich Katsuya in seiner Freizeit in Frauenkleidern auf einem Hanabi herumtrieb. Nein, das war eine Sache, die der Firmenchef niemals erfahren durfte! Als er sie jedoch mit einem flehenden Blick bedachte, grinste sie nur freudestrahlend zurück und antwortete auf das stumme Flehen nach Erlösung: „Ich hätte dann gern Yakisoba, bitte.“ Das hatte sie jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Und noch dazu grinste sie so überfreundlich, als wäre ihre kleine, perfide eingefädelte Falle zugeschnappt. 

 

Jedoch bemerkte das offenbar nur der Blonde, denn Kaiba reagierte ganz gelassen darauf, schien es sogar zu begrüßen und fragte Mokuba, welche Speise er bevorzugen würde. „Ich nehme Okonomiyaki“, war die kurze Antwort darauf und im nächsten Moment, verschwand er auch schon mit Shizuka in dem Pulk von Menschen, die ebenfalls eine gute Sicht ergattern wollten. Katsuya fiel beinahe vom Glauben ab. Seine über alles geliebte, kleine Schwester ließ ihn einfach so allein mit Kaiba hier zurück, obwohl sie genau wusste, in welch prekärer Lage er doch war, in die sie ihn wohlgemerkt gebracht hatte. Es beschlich ihn das untrügliche Gefühl, dass es doch ein abgekartetes Spiel war, das ihre beiden Geschwister hier trieben, und ein verstohlener Blick glitt zu dem Firmenchef, der noch immer neben ihm stand und ihn abwartend ansah. Gut, wenn sie Essen holen sollten, dann wollte Katsuya das schnellstmöglich erledigen und zu ihren jüngeren Geschwistern zurückkehren. Also unterbrach er abrupt den Blickkontakt und wollte sich sogleich durch die Menschenmassen zum nächstgelegenen Stand schlängeln, als ihn Kaiba plötzlich am Handgelenk packte und vom Gehen abhielt. Kurz zuckte der Blonde aufgrund der unerwarteten Berührung zusammen und blickte fragend über seine Schulter hinweg zurück.

 

„Wenn du einfach so drauf losstürmst, gehst du nur in der Menge verloren“, begann der Brünette in einem ruhigen, belehrenden Tonfall zu sprechen. „Wir sollten uns nicht zu weit voneinander entfernen“, erklärte er weiter, während er seiner Begleitung eindringlich in die Augen sah und langsam seine Hand ein Stück weiter nach unten wandern ließ, sodass er ihre nun in seiner hielt. Es war eine eigenartige Geste, die unerwartet und so völlig untypisch für den unnahbaren Firmenchef erschien. 

 

Katsuyas Blick fiel auf seine Hand, die nun in Kaibas lag und sie sicher umfasste. Ein seltsam wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus, als er ihre Verbindung betrachtete. Warum war ihm das so gar nicht unangenehm? Bei diesem Gedanken legte sich ein leichter Rotschimmer auf die Wangen des Blonden und er wollte seine Hand aus dem Griff befreien, aber der andere ließ ihn nicht gehen. Irritiert suchte er nach einer Lösung für dieses offensichtliche Problem, denn er konnte mit Kaiba definitiv nicht händchenhaltend über dieses Fest schlendern, als wäre er tatsächlich ein hilfloses, kleines Mädchen, das beschützt werden müsste. Nein, das kam keinesfalls in Frage, denn dann müsste er sich ja Gedanken über diese seltsam fremden Gefühle machen, die aufgrund dieser sanften Berührung des anderen gerade in ihm aufkamen. Jedoch wusste er nur zu gut, dass Kaiba genauso wie er selbst ein absoluter Sturschädel war und sein Vorhaben, so wie er es geplant hatte, rigoros durchziehen würde. Verdammt, es wäre so viel einfacher, wenn er ihn einfach wie immer anbrüllen und mit passenden Worten die Distanz zwischen ihrer viel zu engen Verbindung wieder herstellen könnte. Und plötzlich kam ihm ein spontaner, rettender Gedanke. 

 

Es ging dem Brünetten darum, eine Verbindung zwischen ihnen zu schaffen, damit er ihn nicht in der Menge verlor. Doch das hieß nicht, dass er dafür extra seine Hand halten müsste. Also beendete er seinen vergeblichen Versuch, dem anderen entfliehen zu wollen, ging einen Schritt auf Kaiba zu und öffnete dann mit seiner freien Hand etwas unbeholfen den Knoten seiner Obijime, die über den weißen Stoff seines Obi gebunden war. Dabei lockerte der Brünette den festen Griff ein Stück weit, sodass Katsuya seine Hand nun problemlos aus der des anderen ziehen konnte. Direkt darauf nahm der Blonde die geflochtene, rote Schnur und band sie um das Handgelenk des Älteren, bevor er diesem seine eigene Hand hinhielt und seinen Blick beschämt zur Seite wandte. Kaiba besah sich den verlegenen Gesichtsausdruck und die relativ kurze Obijime, die ihm soeben umgebunden worden war, und verstand, worauf sie hinaus wollte. Er nahm das andere Ende der Schnur und knotete sie ebenfalls um das Handgelenk von Shizukas vermeintlicher Cousine. Somit war der Verkleidete nicht gezwungen, die Hand des Älteren ergreifen zu müssen, während der Firmenchef sich mit dieser Notlösung offenbar zufrieden gab. 

 

Allerdings war es wahrlich eine absurde Situation, in die ihn seine Schwester da gebracht hatte. Wäre er nicht zum Schweigen gezwungen, hätte er Kaiba bereits mit deutlichen Worten zu verstehen gegeben, was er von ihm und dieser Aktion hier hielt. Doch die Möglichkeit, ihn wie sonst bei jeder Begegnung anzubrüllen und damit einen klassischen Streit vom Zaun zu brechen, war in diesem Fall definitiv keine zielführende Option. Er konnte sich und seine Emotionen somit nicht mehr hinter den ständigen Sticheleien, die sie stets miteinander ausfochten, verstecken. Zudem legte der Firmenchef ein äußerst untypisches Verhalten ihm bzw. Kisara gegenüber an den Tag, sodass sich statt der unliebsamen Worte eine verräterische Röte in das verlegene Gesicht des Blonden schlich. Dass dieses ungewöhnliche Auftreten seiner geschlechtsspezifischen Verkleidung geschuldet war, wusste der Blonde natürlich, doch es irritierte ihn enorm, dass er selbst so extrem anders darauf reagierte. Auch jetzt, wo sie durch diese einfache, geflochtene Schnur miteinander verbunden waren und sich ihre Haut dennoch immer wieder kurzzeitig berührte, spürte er bei jedem noch so flüchtigen Kontakt ein regelrechtes Glühen an ebendiesen Stellen. Zum Glück war der Weg zum auserkorenen Stand, mit dem der Blonde bereits vorhin geliebäugelt hatte, nicht sonderlich weit entfernt, sodass sie bald wieder einen gebührenden Abstand zueinander haben würden.

 

Ein prüfender Blick glitt zu dem Firmenchef, der sich flüchtig noch einmal ihrer sonderbaren Verbindung in Form der Obijime besah und dann sein Augenmerk wieder auf seine Begleitung richtete. Auch für ihn war es eine äußerst befremdliche Situation mit Kisara, die er bis vor wenigen Augenblicken noch nie gesehen hatte und ihr dennoch so offenkundig entgegen seiner sonstigen Manier eine besondere Form der Aufmerksamkeit schenkte. Irgendetwas lag in ihrem Blick, in diesen funkelnden goldbraunen Augen, dass ihn beschäftigte, ihn beinahe magisch anzog, sodass er, wenn auch nur subtil, ein ungewöhnliches Interesse an ihr bekundete. Denn bisher hatte sie noch kein einziges Wort über ihre Lippen gebracht, was jedoch nicht hieß, dass er das kritisierte. Doch bei den meisten Menschen, die gut aussahen oder auf andere Weise sein Interesse weckten, waren spätestens die Worte, die ihre Münder verließen, oder die Art wie sie sprachen nicht das, was der Firmenchef hatte hören wollen. Der Einzige, nebst Mokuba versteht sich, dessen Worte ihm stets, wenn auch meist nur für eine kleine Stichelei, willkommen waren, waren die des Bonkotsus. Gedanklich rügte er sich für diesen Exkurs zu Kisaras Verwandtschaft und wandte sich stattdessen wieder ihr zu: „Ladies first“, sagte er mit einem angedeuteten, verschmitzten Lächeln auf den Lippen und überließ ihr damit den Vortritt. 

 

Eine Situation, mit der Katsuya irgendwie überfordert war. Kaiba schien plötzlich so ungewohnt charmant und zuvorkommend, dass es ihn beinahe schon gruselte. Also tat er, wie ihm geheißen, um der Situation schnellstmöglich zu entfliehen. Er bahnte sich seinen Weg durch die Gruppen von Menschen, die sich inzwischen immer weiter in die Richtung des Itsukushima-Schreins bewegten, um sich einen guten Platz nahe des Torii zu sichern. Auch die Schlangen an den Ständen wurden kürzer, sodass sie nur noch ein Pärchen vor sich stehen hatten, als sie schließlich nach wenigen Schritten dort ankamen. Während der vermeintlich kurzen Wartezeit wandte sich Kaiba dabei erneut an seine Begleitung und erkundigte sich, welche Speise er für die vermeintlich junge Frau ordern sollte. Sie setzte zu einigen Worten an, brach dann jedoch direkt wieder ab, sodass eine verbale Antwort schlussendlich ausblieb. Daraufhin machte die junge Dame einige unkontrolliert wirkende Handbewegungen, die man eher als Fuchtelei bezeichnen konnte. Offenbar war sie äußerst unentschlossen bei der Wahl ihres Wunschgerichtes. Zumindest interpretierte das der Firmenchef in dieses seltsame Verhalten hinein, bis sie ihre Hand schließlich hob und richtungweisend auf den Tintenfisch am Spieß deutete. „Ikayaki?“, fragte Seto nach und erhielt ein eifriges Nicken als nonverbale Antwort. „Du magst also Meeresfrüchte?“, stellte der Firmenchef fest, woraufhin sich Kisara ein wenig abwandte und sich verlegen am Hinterkopf kratzte, wie es Jonouchi so oft tat. 

 

Kaiba entgegnete darauf wiederum ein knappes „Ich verstehe“, während so ein seltsam argwöhnischer Blick in seinen Augen lag, der den Blonden etwas mulmig stimmte. Ungläubig sah Katsuya ihn an und hätte nur zu gern gewusst, was gerade im Kopf des anderen vor sich ging. Doch wie schon erwähnt, war Fragen leider keine Möglichkeit, es herauszufinden, und da sich der Brünette bereits abgewandt hatte, halfen auch keine fragenden Seitenblicke. Da er seine Neugier so leider nicht befriedigen konnte, wandte auch er sich nach vorn, wo das Pärchen gerade seine Gerichte entgegennahm und Kaiba nun ihre Bestellung aufgab. Doch die Antwort des Betreibers darauf gefiel diesem in keiner Weise: „Tut mir wirklich leid, aber ich habe die letzten Portionen Okonomiyaki und Yakisoba vor einigen Minuten verkauft. Nachschub ist schon unterwegs. Wenn ihr also in ungefähr einer halben Stunde wiederkommen wollt…“, sagte er und zuckte mit den Schultern, „Ikayaki-Spieße habe ich jedoch noch genügend vorrätig.“ Das erklärte wiederum sofort die kurze Schlange an diesem Stand und natürlich brachte Seto Kaiba als gewissenhafter Geschäftsmann und Firmenchef der KC sein Missfallen darüber deutlich zum Ausdruck.

„Eine schwache Leistung, dass bereits vor Beginn des eigentlichen Höhepunktes die beliebtesten Speisen ausverkauft sind. Sie sollten die Person, die dafür verantwortlich ist, schnellstmöglich entlassen“, sprach er in einem strengen, abwertenden Ton, während seine Augen eiskalt aufblitzten. Es stellte sich die Frage, ob es auch bei den anderen Ständen ein ähnlicher Fall wäre oder ob sie dort schneller zu ihren Wunschgerichten kämen. 

 

Der Brünette wägte ab, während seine Begleitung neben ihm bereits eifrig auf dem Handy herumtippte. Gerade hatte Katsuya eine Line an seine freche, kleine Schwester abgesetzt, als sie ihm auch schon prompt antwortete. Wenige Sekunden später ertönte der Benachrichtigungston und löste das entstandene Problem der Essenswahl. Während Kaiba ebenfalls bereits sein Handy in der Hand hielt und gerade die Nummer seines Bruders anwählen wollte, zupfte der Blonde an dessen dunkelblauem Yukata, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Direkt im nächsten Augenblick wandte sich Seto um und schaute auf die Hand, die zaghaft den Stoff an seinem Ärmel berührte. Fragend sah er in die goldbraunen Augen, die ihn etwas zurückhaltend anschauten, während deren Besitzer ihm den Nachrichtenverlauf auf dem Smartphone zeigte. Offensichtlich hatte sie Shizuka die Problematik erklärt, woraufhin diese ihnen eine einfache und unkomplizierte Lösung präsentierte:

» Kein Problem. Wir haben eh keinen Hunger und essen dann nach dem Feuerwerk eine Kleinigkeit. Iss du ruhig dein geliebtes Ikayaki. Darauf hast du dich ja schon den ganzen Tag gefreut :) « 

 

Der Brünette las die kurzen Zeilen und noch im selben Moment ertönte der typische Ton einer weiteren eingegangenen Nachricht im Chat, woraufhin sich ein verschmitztes Lächeln auf Kaibas Lippen schlich. „Interessant“, bewertete er den Inhalt der Nachricht und sah mit einem verschmitzten Ausdruck in die fragenden Augen seines Gegenübers. Da Katsuya ihm sein Handy noch immer vor die Nase hielt, konnte er die Nachricht erst im Nachhinein lesen und lief direkt rot an.

» Und sei nicht so schüchtern! Sonst muss dich Kaiba-kun zu deinem Glück zwingen x3 «

Wie kam sie nur auf diese irrwitzige Idee, ausgerechnet sowas zu schreiben und was genau interpretierte Kaiba da im ersten Verdacht bloß hinein? Wenn sie wieder unter vier Augen waren, musste er dringend mal ein Wörtchen mit Shizuka reden. Diese dreiste, hinterhältige Art kannte er gar nicht von ihr und dann noch diese haltlosen Anspielungen. Ihre Fantasie ging eindeutig mit ihr durch, ebenso wie bei Mokuba, der offenbar in die Sache involviert war! Es schien beinahe wie eine Verschwörung, bei der sogar Kaiba unwissentlich mitspielte. Hin- und hergerissen zwischen Ärger und diesen seltsam befremdlichen Gefühlen bemerkte er nicht, wie der Brünette auf die Nachricht Shizukas hin schließlich den Tintenfisch geordert hatte und nun amüsiert beobachtete, wie seine Begleitung erneut in deutliche Verlegenheit geriet. 

 

Es war schon erstaunlich, dass die schüchterne Blondine so extrem verschwiegen war, ganz im Gegensatz zu ihrem streitsüchtigen Cousin, mit dem sie tatsächlich eine frappierende Ähnlichkeit besaß. Dass ihm schon wieder der Bonkotsu ins Gedächtnis kam, hatte wohl mehrere Gründe und er kam nicht umhin, sich darüber weiterführende Gedanken zu machen. „Dieser blonde Spinner…“, sprach er etwas gedankenverloren, als der Budenbetreiber ihm den Tintenfisch am Spieß übergab, und ließ damit seine Begleitung aufhorchen, als sie die kleine Köstlichkeit entgegennahm. Neugierig zupfte sie am Ärmel seines Yukata, sodass sich ihre Blicke trafen. Den Kopf etwas schief gelegt sahen Kaiba zwei goldbraune Augen fragend an. Doch der Firmenchef verstand im ersten Moment nicht, worauf sie hinaus wollte und fragte nach: „Was möchtest du mir sagen? Ist es wegen meiner Aussage eben?“, versuchte der Brünette, die nonverbale Kommunikation zu deuten und erhielt ein deutliches Nicken als Bestätigung. 

 

„Es ist nicht weiter von Bedeutung", war schließlich die knappe, abschmetternde Antwort. Doch diesmal ließ sie nicht locker und sah ihn mit einem auffordernden Blick an, der ihn gepaart mit einem angedeuteten Nicken dazu animieren sollte, mehr über die eben genannte Person zu erzählen. Zugegeben, ihre Verschwiegenheit war eine Sache, die der Firmenchef äußerst begrüßte, die ihn reizte und die sie so deutlich von dem aufbrausenden Chaoten unterschied, der sich ihr Cousin schimpfte. Es war verwunderlich, dass seine Gedanken ein weiteres Mal auf diesen blonden Irrwisch gelenkt wurden. Doch vermutlich lag es, abgesehen von der Ähnlichkeit der beiden, schlichtweg an dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis, sodass er wiederholt diese Parallele zog. „Du siehst deinem Cousin sehr ähnlich“, entschied er sich schließlich doch noch wahrheitsgemäß auf die stumme Frage zu antworten.

 

Katsuya fühlte sich direkt ertappt. Natürlich sah er “ihm“ ähnlich, er war es schließlich auch! Innerlich hoffte er, dass Kaiba nicht noch mehr Gemeinsamkeiten auffallen würden. Zum Glück hatte Shizuka ihm Zori als Schuhwerk ausgewählt, die entgegen den Geta, die Kaiba unter seinem dunklen Yukata trug, keinen Absatz besaßen und ihn somit etwas kleiner als üblich erscheinen ließen. Das hatte wiederum den Vorteil, dass er durch den Größenunterschied gleich noch etwas femininer für den Größeren wirken müsste, wobei er sich innerlich für diesen Gedanken, gerade das als Vorteil zu bezeichnen, sogleich selbst ohrfeigte. Doch wenn er brav seinen Mund hielt, was ihm gerade bei Kaiba weniger leicht fiel, und sich zurückhaltend gab, würde der andere seine Verkleidung schon nicht durchschauen. Dennoch machte sich bei der eben getätigten Aussage des Firmenchefs eine gewisse Nervosität in ihm breit, die er unauffällig zu verstecken versuchte und mit einem schiefen Grinsen im Gesicht nur mit den Schultern zuckte. Jedoch war Kaiba aufmerksamer, als es ihm lieb war und brachte ihn nur wenige Sekunden später weiter in Bedrängnis.

 

„Eure Haarfarbe ist annähernd die gleiche“, sagte er, während er eine Strähne, die aus ihrem zur Seite gelegten Pony herausgefallen war, wieder an ihrem Platz legte, „ebenso wie diese markante, bernsteinähnliche Farbe eurer Augen.“ Der Brünette näherte sich dem Gesicht seines Gegenübers und sah in die leuchtend großen Augen, die jede seiner Bewegungen genauestens zu beobachten schienen. Gefangen in diesem eindringlichen Blick des anderen, der ihm mit einem Mal so beträchtlich nahe kam, schlug dem Blonden wiederum sein Herz plötzlich bis zum Hals und er verlor sich für einen flüchtigen Moment in diesen endlos erscheinenden, tiefblauen Augen, die ihn von Sekunde zu Sekunde mehr in ihren Bann zogen. Es war seltsam, dass er noch nie bemerkt hatte, wie schön und klar der Blick des anderen doch war, mit dem er ihn schon so oft verächtlich angesehen hatte. Diesmal schien jedoch etwas Magisches in diesen sonst so kalten Augen verborgen zu sein, was erneut ein wohliges Gefühl in Katsuya aufkommen ließ. Seine Augenlider senkten sich und beinahe hätte er sich im Rausch dieser sonderbaren Emotionen zu einer kleinen Dummheit hinreißen lassen, als Kaiba direkt vor ihm innehielt. Es wirkte, als würde er überlegen oder abwägen, wie er in dieser Situation weiter verfahren wollte. 

 

Währenddessen fand der Blonde mit mehreren kleinen Blinzlern wieder zu sich und wandte sich sofort mit einem deutlichen Rotschimmer auf den Wangen von dem Älteren ab, um der misslichen Lage umgehend zu entkommen. Das amüsierte Schmunzeln, das sich derweil aufgrund dieser eindeutigen Reaktion auf dem Gesicht des Firmenchefs abzeichnete, blieb ihm dabei wiederum verborgen. Doch die vermeintliche Flucht wurde jäh unterbrochen, als sich die geflochtene, rote Schnur zwischen ihren Handgelenken leicht spannte und Kaiba nach kurzer Überlegung darauf das Wort an seine Begleitung richtete: „Gehen wir ein Stück, bevor wir uns auf den Weg zu den anderen machen.“ Noch immer von dem Brünetten abgewandt, gab Katsuya mit einem angedeuteten Nicken seine Zustimmung, sodass der Brünette zu ihm aufschloss und sie gemeinsam über das Fest liefen. Währenddessen hatte der Blonde seinen Blick nach unten gesenkt und nagte an dem Ikayaki, dass ihm der Ältere vor wenigen Minuten gekauft hatte. 

 

Was hatte er da nur gerade für seltsam abwegige Gedanken? Kaiba war ihm so fürchterlich nahe gekommen, dass er beinahe dessen Atem auf seiner Haut spüren hatte können. Hätte er ihre Distanz zueinander noch weiter verringert, hätte der Blonde Dinge getan, die er nicht mehr hätte rückgängig machen können. Dass dem Firmenchef diese vielen Gemeinsamkeiten auffielen, beunruhigte Katsuya zudem immer mehr und innerlich sandte er ein Stoßgebet an Fortuna, die ihn bereits oft genug aus misslichen Lagen errettet hatte. Er hätte nicht gewusst, wie er diese Situation oder gar seine Reaktionen auf die Handlungen des Älteren jemals erklären hätte sollen, sollte Kaiba jemals herausfinden, wer in diesem Kimono steckte. Zudem wäre klar, dass er ihn ganz schön hinters Licht geführt hatte und er war sich sicher, dass der Brünette ihn dafür leiden lassen würde, denn dieser ließ sich bekanntlich von niemandem vorführen und schon gar nicht von dem Bonkotsu, wie er Katsuya immer so “liebevoll“ im Streit betitelte. Während die Gedanken des Blonden sich immer weiter in den vielen Wenns und Abers verstrickten, drang plötzlich die tiefe Stimme des Firmenchefs an sein Ohr und unterbrach sein innerliches Durcheinander.

 

„Ihr seht euch häufiger, du und dein Cousin?“ Dass er diese Frage ausgerechnet Katsuya stellte, war an Ironie kaum mehr zu übertreffen. Sie sahen sich tatsächlich jeden Tag und zwar immer dann, wenn er vor dem Spiegel stand. Doch das konnte er aus mehreren Gründen wohl kaum sagen. Dennoch brachte die Neugier des Älteren den Blonden kurz zum Schmunzeln, sodass er seine wirren Gedanken zur Seite schob und kurz über die Frage sinnierte. Dabei legte er seinen Zeigefinger an seine Wange, nahm den Kopf leicht schief, während er die Augen antwortsuchend nach oben verzog und sein Mund eine kleine Schnute zog. Nach vermeintlich reiflicher Überlegung stimmte er schließlich zu und biss das letzte Stück des Tintenfischs von seinem Spieß ab, ehe er das Holzstückchen im nahegelegenen Mülleimer entsorgte. 

 

"Du stehst ihm scheinbar sehr nahe”, bemerkte der Brünette daraufhin, woraufhin Katsuya mit einem Mal zwei interessante Dinge auffielen, die er so nicht vom Älteren kannte. Zum einen war der Firmenchef heute wohl extrem redselig und das, obwohl er sonst mit keinem Menschen mehr als nötig interagierte. Kisara schien jedoch aus irgendeinem Grund sein Interesse geweckt zu haben, was Katsuya sogleich zum zweiten Punkt brachte: Galt sein Interesse tatsächlich Kisara oder doch ihm selbst. Denn die Fragen, die der andere stellte, bezogen sich im Endeffekt alle auf ihn. Vielleicht konnte er ihm bei der Gelegenheit ja noch ein paar geheime Worte entlocken, um herauszufinden, was Kaiba wohl tatsächlich über ihn dachte. Sicher würde dieser einer entzückenden, jungen Dame eher wahrheitsgemäß antworten, als ihm selbst in einem ihrer ständigen Streitgespräche und da er ihm noch eine Antwort schuldig war, folgte ein weiteres Nicken gepaart mit einem zufriedenen Lächeln. 

 

Noch im selben Moment wandelte sich dieses unschuldige Schmunzeln und nahm verschmitzte Züge an, während sie sich ein Stück nach vorn beugte und ihr fragender Blick zu dem Firmenchef glitt. Ein Zeichen dafür, dass Kaiba nun ebenfalls auf diese Frage antworten sollte und das vorzugsweise mit Worten.

„Du möchtest wissen, ob wir uns nahe stehen?”' Ein energisches Nicken folgte. „Schon möglich“, antwortete er überraschenderweise, während er kurz gedankenverloren in den sternenklaren Abendhimmel schaute. Nach zwei Schritten bemerkte Kaiba jedoch, wie sich die Obijime zwischen ihnen plötzlich wieder spannte und sah zu seiner Begleitung hinüber, die wenige Schritte hinter ihm stehen geblieben war. Beinahe geschockt sah sie den Firmenchef an, als hätte sie niemals auch nur im Entferntesten mit solch einer Antwort gerechnet. Dieser etwas sonderbare Blick erinnerte den Brünetten direkt wieder an den Bonkotsu. Auch dieser hatte das unglaubliche Talent, mit leicht geöffnetem Mund und einem etwas dümmlichen Ausdruck dreinzuschauen. Wieder eine Sache, die ihn an den Blonden erinnerte, während er Kisara betrachtete, und es drängte sich ihm ein leiser Verdacht auf, den er seit geraumer Zeit im Hinterkopf hatte. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, würde das einige Dinge plausibel erklären. Tatsächlich würde sich des Rätsels Lösung relativ leicht herbeiführen lassen. Er müsste nur die richtigen Worte wählen.

 

Derweil löste sich Katsuya wieder aus seiner Starre und wusste nicht so recht wohin mit seinen Gedanken, sodass er aus seiner Verzweiflung heraus einfach den nächstgelegenen Stand anpeilte. Das war eindeutig zu viel Wahrheit für diesen Moment und Jonouchi war beim besten Willen nicht auf solche Worte vorbereitet gewesen. Was genau bedeutete dieses “schon möglich"? War das jetzt ein Ja oder doch eher ein Nein und wie konnte er das in Erfahrung bringen, ohne seine Stimme zu benutzen? Das konnte Kaiba doch nicht wirklich ernst meinen? Seine Gedanken überschlugen sich beinahe und ließen ihn keinen klaren Gedanken fassen. Verbissen suchte er nach einer Ablenkung und blieb schließlich beim Kingyo-sukui, dem Goldfischschöpfen hängen, das nur wenige Schritte entfernt war. Ein typisches Spiel auf Sommerfestivals, das vor allem bei Kindern, jungen Frauen oder Pärchen beliebt war. 

„Willst du eine Runde spielen?“, hörte er Kaiba sagen, der nun direkt hinter ihm stand und über seine Schulter in das Goldfischbecken schaute. Sofort lief ein wohliger Schauer Jonouchis Rücken herunter, da er den Atem des Älteren auf seinem freigelegten Nacken spüren konnte, und er bekam eine leichte Gänsehaut. Ein süßer Rotschimmer legte sich auf seine Wangen, während er kurz bestätigend nickte. Danach löste er das Band um Kaibas Handgelenk, um etwas mehr Bewegungsfreiheit beim Goldfischschöpfen zu erhalten, brachte jedoch sofort wieder eine gewisse Distanz zwischen ihre Körper und ließ sich von dem Budenbetreiber für 100 Yen einen Poi geben. 

 

Der Brünette musste abermals ob der deutlichen Verlegenheit seiner Begleitung schmunzeln und langsam fand er Gefallen daran, sie in diese genierlichen Situationen zu bringen. So würde er auch alsbald seinen Verdacht bestätigt bekommen, denn es gab ja bekanntlich viele Wege, die nach Rom führten. Er beobachtete sie bei dem Versuch, einen der goldenen Fische in die weiße Schale zu bugsieren. Doch die flinken, kleinen Tierchen waren wendiger als erwartet und der Poi bald vollständig zerstört. Das freche, spöttische Grinsen auf Kaibas Lippen wurde ein klein wenig breiter, als er auf den blonden Schopf blickte und Kisara betrübt den Kopf hängen ließ. „Noch ein Versuch?“, fragte er amüsiert und hielt ihr einen neuen Poi hin, den er soeben von dem Betreiber erworben hatte. Das Angebot nahm sie nur zu gern an und als sich ihre Hände kurz bei der Übergabe berührten, strich der Firmenchef mit seinem Finger flüchtig über ihre Hand. Wieder erntete er dafür eine deutlich verlegene Reaktion seiner Begleitung, die sich sogleich mit einem Rotschimmer abwandte. Wahrlich ein äußerst reizvolles Spiel und Kaiba spielte bekanntlich sehr gerne, auch wenn es diesmal nicht Duel Monsters sein würde.

 

Katsuya versuchte wiederum, sich genauestens auf die Herausforderung am Goldfischbecken direkt vor sich zu konzentrieren. Aber wie auch schon beim ersten Versuch, war er viel zu aufgewühlt, um auch nur ansatzweise einen Fisch fangen zu können. So wurde auch der zweite Poi restlos zerstört und der Blonde war nervlich wohl bald am Ende, wenn Kaiba weiterhin solche vermeintlich unbedarften Handlungen an den Tag legte und ihm dabei so beträchtlich nahe kam. Oder machte er das etwa mit Absicht? Kaum war der Gedanke da, vernahm er die Stimme des Ladenbesitzers, der sich direkt an sie wandte: „Das war wohl leider nichts, junge Dame. Aber vielleicht möchte es Ihre nette Begleitung einmal probieren?“, deutete er auf Kaiba, der den vorherigen Poi geordert hatte. Offenbar witterte der Mann mit dem schütteren Haar ein Geschäft mit diesem vermeintlichen Pärchen und animierte sie zum Kauf eines weiteren Poi.

„Was meinst du?“, wandte er sich schmunzelnd an Kisara, „Soll ich es einmal versuchen?“ Ein Nicken folgte, während sie betreten zu Boden schaute, um ja nicht den Blick des anderen zu kreuzen. 

 

Da Kaiba quasi die Schuld für Jonouchis Unkonzentriertheit trug, sollte er gern sein Glück versuchen. Immerhin war er auch der Grund, wieso der Blonde dieses Spiel überhaupt begonnen hatte, auch wenn er diese kleinen goldenen Fischchen ehrlich gesagt gar nicht haben wollte. Es diente lediglich dem Zweck der Ablenkung, was leider mehr schlecht als recht gelang mit dem Brünetten hinter sich, der ihm so verführerisch in den Nacken hauchte und sich jetzt direkt neben ihn hockte. Er schlug die Ärmel seines dunkelblauen Yukata ein Stück zurück und positionierte sich über dem Becken. Danach ging alles ganz schnell. Ehe es sich der Blonde versah, hatte Kaiba bereits den ersten goldenen Fisch gefangen und in die kleine, weiße Schüssel getan. Der Poi war dabei noch nicht einmal eingerissen, sodass er einen weiteren Versuch startete. Auch diesmal fing er schnell und präzise eines der kleinen Tierchen und legte es zu dem anderen. Der Poi wiederum war halb eingerissen. Kaiba besah sich den kleinen Papierschaufler und überlegte offenbar, ob es noch ein weiteres und vermutlich letztes Mal gelingen würde, bis plötzlich etwas anderes seine Aufmerksamkeit erhielt.

 

Zaghaft hatten sich zwei Hände auf seinen Arm gelegt, sodass er zur Seite und somit in die honigbraunen Augen seiner Begleitung sah. Diese waren auf den zur Hälfte zerstörten Poi gerichtet und der Blonde schien hochkonzentriert. Solange das Papier nicht vollständig kaputt war, konnte der Spieler sein Glück weiter versuchen. Und auch wenn Katsuya diese blöden Goldfische gar nicht haben wollte, so wollte er dennoch aus irgendeinem Grund, den er jetzt besser nicht hinterfragte, dass Kaiba sie für ihn fing, als wäre es ein unumstößlicher Beweis dafür, dass sie dieses Hanabi gemeinsam miteinander verbracht hatten. 

"Einen Versuch ist es wert”, sagte der Firmenchef schließlich und wandte sich erneut dem Wasserbecken zu. Ein letztes Mal tauchte er den Poi hinein und versuchte, gleich zwei Fische auf einmal zu fangen. Doch dabei riss das Papier leider gänzlich, sodass er mit einer gekonnten Bewegung lediglich einen der beiden Fische in die weiße Schüssel bugsieren konnte, während der andere einfach durch den nun leeren Ring durchfiel und wieder im Wasserbecken landete. Es gab wohl wirklich nichts, was der CEO der KC nicht konnte und Katsuya war begeistert, dass der Ältere tatsächlich noch einen der beiden Fische gefangen hatte. So begeistert, dass ihm beinahe ein verräterischer Ton entkommen wäre, hätte er sich nicht sogleich selbst den Mund verboten.

 

„Meinen Glückwunsch, die Dame!“, posaunte der Betreiber lautstark und nahm die Schüssel von dem Brünetten entgegen, um die Fische in einem kleinen, durchsichtigen Beutel zu verpacken. „Sie haben einen sehr geschickten jungen Mann an ihrer Seite“, grinste der Betreiber und überreichte Katsuya die gefangenen Goldfische. Bei dieser Aussage glitt ein flüchtiger Blick zu dem Firmenchef hinüber, der gerade wieder dabei war, seinen Yukata zu richten, und ein verlegenes Schmunzeln huschte über das leicht gebräunte Gesicht. Im selben Moment begann ein Kind neben ihm bitterlich zu weinen, während die Mutter versuchte, es wieder zu beruhigen. In der Hand hielt es einen völlig zerfetzten Poi, während die Tränen unaufhörlich über die geröteten Wangen liefen. Es erinnerte den Blonden direkt an seine eigenen missglückten Versuche und daran, dass er für die Fische eigentlich gar keine Verwendung hatte. Also ging er die drei Schritte auf die junge Familie zu, beugte sich zu dem Jungen nach unten und hielt ihm den kleinen Beutel mit den drei Goldfischen darin vor die Nase. 

 

„Wenn du möchtest, kannst du gern meine haben“, flüsterte er dem Jungen zu, während er einen Finger auf seine Lippen legte und ihm geheimniskrämerisch zuzwinkerte, „Aber verrate es keinem. Das bleibt unser kleines Geheimnis.“ Etwas perplex schaute das Kind die Person vor sich an, die einfach so bereit war, ihm die glänzenden Fischchen zu überlassen, und ein breites, freudiges Lächeln kam zum Vorschein. „Vielen Dank!“, strahlten ihn zwei braune Augen an, die wie Knöpfe in dem Kindergesicht wirkten. Auch Katsuya war keinesfalls betrübt, als er die kleinen Tierchen aus der Hand gab, denn die Freunde über das unverhoffte Geschenk in den Augen des Jungen brachte ihn ebenfalls zum Lächeln. Und auch, wenn die Fische nun ein anderes Zuhause bekommen sollten, so blieb ihm doch noch immer die Erinnerung an den Moment, als Kaiba ihm die Goldfische gefangen hatte, und daran, wie viel Mühe sich der Brünette dabei nur für ihn gegeben hatte. 

 

„Bedanke dich bei der jungen Dame, Kenta“, hörte er daraufhin die Mutter sagen und er hätte nicht gedacht, dass ihm das fröhliche Grinsen sogleich wieder vergehen würde, als der Junge etwas verwirrt drein schaute und seiner Mama antwortete: ”Aber Mama, das ist doch ein Mann”, plapperte er in seinem kindlichen Eifer einfach so seine Gedanken aus und sowohl die Mutter als auch der Blonde schauten perplex zu dem Vierjährigen, der seine Feststellung soeben unverblümt mit ihnen geteilt hatte. Sofort entschuldigte sich die Frau mit einer tiefen Verbeugung für ihren frechen Sohnemann, der gar nicht verstand, warum sie so reagierte. Direkt darauf stahlen sie sich aus dieser peinlichen Situation und natürlich beschlich Jonouchi sofort das untrügliche Gefühl, dass er aufgeflogen war, sodass er es nicht wagte, sich zu dem anderen umzudrehen. Genau in diesem Moment drang die tiefe Stimme von Kaiba wieder an sein Ohr, der erneut direkt hinter ihm stand.

„Da dreht man sich einmal weg und schon wird meine hart erkämpfte Beute einfach so verschenkt. Dabei habe ich sie extra für dich gefangen, Kisara-chan“, sagte er gespielt pikiert und betonte gerade den Namen noch einmal seltsam auffällig. Augenblicklich wurde Katsuya nervös, als der Brünette wieder vor ihn trat und sich ihre Blicke zwangsweise trafen. 

 

Einen Moment lang passierte gar nichts und sie schauten einander nur stillschweigend an, bis Katsuya plötzlich von einem jungen Mann angerempelt wurde, der es sehr eilig zu haben schien. Da der Blonde sich in dem engen Outfit nicht sonderlich gut bewegen konnte, fiel er unkontrolliert nach vorn, ohne die Möglichkeit, sich abzufangen. Der Brünette wiederum reagierte sofort und fing den Sturz kurzerhand ab, sodass der Jüngere unverhofft direkt in dessen Armen landete. Überrascht aufgrund der unerwarteten Verkettung von Ereignissen, verharrte er in dieser Position und nahm zum ersten Mal in seinem Leben bewusst den Geruch des anderen, zusammen mit einer orientalisch duftenden Parfümnote wahr. Eine Mischung aus Lavendel und Vanille. Seine Hand ruhte nun auf der Brust des leicht Älteren und er spürte deutlich dessen gleichmäßigen Herzschlag, der irgendwie eine leicht beruhigende Wirkung auf ihn hatte, und sah mit einem ungläubigen Blick zu seinem Retter auf, der ihn sicher in seinen Armen hielt. In dessen Augen konnte er jedoch nicht ablesen, was genau in diesem seltsam magischen Augenblick wohl in ihm vorging und das, obwohl er direkt vor ihm stand. Erst als Kaibas dunkle, tiefe Stimme erklang, besann er sich wieder der Situation.

„Das ging gerade nochmal gut. Du solltest vorsichtiger sein bei diesen Menschenmengen. Ich möchte deiner Cousine später nicht erklären müssen, warum ich dich verletzt zu ihr zurückgebracht habe.“ Es waren wohl gewählte Worte, die unterschwellig eine gewisse Sorge transportierten. Kaum waren sie ausgesprochen, löste sich Katsuya umgehend wieder aus der unfreiwilligen Umarmung und stimmte mit einem kurzen, verlegenen Nicken zu. Dass sich durch den unverhofften Körperkontakt in dieser seltsam befremdlichen Situation ein leichter Rotschimmer um seine Ohren legte, konnte er jedoch abermals nicht verhindern. 

 

Das Gedränge auf der festlichen Straße verlagerte sich langsam aber stetig in die dunkleren Bereiche abseits der Buden und ein überlegenes Schmunzeln schlich sich auf Kaibas Lippen. „Wie es scheint, werden wir Mokuba und Shizuka in diesem Gedränge von Menschen wohl nicht rechtzeitig wiederfinden. Wie wäre es, wenn wir uns stattdessen ein Kakigori genehmigen? Ich lade dich ein.“ Seine Begleitung nickte und wollte bereits zum nahegelegenen Eisstand gehen, als erneut Kaibas Stimme an ihr Ohr drang. „Hast du nicht etwas vergessen?“, sagte er und hielt sie sanft am Handgelenk fest. Als sie sich zu ihm wandte, entließ er sie aus dem leichten Griff und hielt ihr auffordernd sein Handgelenk entgegen. Der Rotschimmer lag noch immer auf den zarten Wangen, als sie auf die Hand blickte und kurz darauf ihre eigene betrachtete. Am Handgelenk hing noch immer die Obijime, die er ihr vorhin umgebunden hatte, nachdem sie ihm das andere Ende zuvor an seinem Handgelenk verknotet hatte, und die er nur für das Schöpfen der Goldfische abgelegt hatte. Der Rotton in ihrem Gesicht wurde noch eine Nuance dunkler und breitete sich nun wieder bis über ihre Ohren aus, als sie begann, die geflochtene Schnur neuerlich um das Handgelenk des anderen zu knoten und damit ihr Band erneut knüpfte. Zufrieden besah sich der Firmenchef die wiederhergestellte Verbindung sowie das verlegene Gesicht seiner Begleitung. „Dann können wir jetzt gehen. Ladies first“, sagte er diesmal mit einem anzüglich ironischen Unterton in der Stimme und ließ ihr erneut den Vortritt.

 

Zielstrebig gingen sie zu dem Stand, an dem das begehrte Eis verkauft wurde, und ließen sich eins mit Erdbeersirup sowie eines mit grünem Tee aushändigen, ehe sie sich auf einer Bank niederließen, die ein Stück entfernt vom Trubel des Fests stand. Noch immer beschämt saß Katsuya neben dem Firmenchef und naschte gedankenverloren an dem spendierten Eis, während ihm dabei immer wieder die Obijime auffiel, die aufgrund der Nascherei und der geringen Länge der Schnur nur noch um sein Handgelenk gebunden war.

„Ich bin dir übrigens noch eine Antwort schuldig“, wurde die bedrückende Stille zwischen ihnen durch die ruhige Stimme des Brünetten gelöst. Er hatte sein Eis bereits aufgegessen und stellte gerade die leere Schale neben sich auf der Bank ab. „Du wolltest wissen, wie ich zu deinem Cousin stehe. Nun, ich kann dir sagen, dass er eine fürchterliche Nervensäge ist. Er ist übertrieben impulsiv, dazu noch schrecklich vorlaut und seine Fähigkeiten im Duel Monsters lassen deutlich zu wünschen übrig.“

 

Man konnte direkt sehen, wie sich Kisaras, besser gesagt Katsuyas Gesichtsausdruck verfinsterte. Das waren definitiv nicht die Worte, die er hören wollte. Er zog eine verärgerte Schnute, während Kaiba keine Anstalten machte, mit der Aufzählung von Jonochis Unzulänglichkeiten aufzuhören. Immer mehr unliebsame Worte verließen dessen Mund und es kam dem Blonden so vor, als würden sie sich in einer ihrer typischen Streitereien befinden, bei der er umgehend aktiv werden musste. Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang er auf und unterbrach den Älteren in seinem Monolog.

„Verdammt Kaiba, du selbstgefälliger, arroganter, versnobter Idiot. Jetzt reicht es aber langsam…“, begann der Blonde wutentbrannt seinen Satz und verschluckte sich beinahe an seinen eigenen Worten, als er bemerkte, dass er damit offensichtlich sein kleines Geheimnis preisgegeben hatte. Währenddessen schlich sich ein freches, wissendes Grinsen in das Gesicht des anderen, der wenig verwundert über diese Enthüllung war.

„Welch Überraschung. Anscheinend bist du doch nicht so schüchtern, wie deine 'Cousine' gesagt hat“, sprach der Firmenchef gelassen mit einem ironischen Tonfall und erhob sich elegant von der Bank. Er ging die wenigen Schritte auf den Blonden zu und kam ihm dabei beträchtlich nahe, „Oder sollte ich sie wohl eher deine Schwester nennen, Jonouchi Katsuya?“ Das letzte Wort hauchte er nur noch ganz leise gegen die Lippen des anderen und jagte diesem damit einen deutlichen Schauer durch den Körper. Mit einem Mal war die Maskerade, die der Blonde so beschwerlich aufrechterhalten hatte, vorbei und er war restlos aufgeflogen. 

 

Fernab von ihnen beiden war ein kurzer dumpfer Ton zu hören und ein kleines, flackerndes Licht stieg in den nachtschwarzen Himmel hinauf, erreichte seinen höchsten Punkt und zersprang zu einem rot-blauen Funkenmeer, das wie ein goldener Vorhang nach unten schwebte und dabei eine Vielzahl bunter Explosionen nach sich zog. Dieser einen folgten weitere zahllose Detonationen, große, die den Horizont in Flammen setzten, und auch kleine, die Feuerblumen oder Schirmflieger einer Pusteblume in die Dunkelheit schossen. Musik spielte im Hintergrund und ein Zischen und Knallen war neben den erstaunten Bewunderungsrufen der Menschen noch kilometerweit zu hören, während farbenfrohe Fontänen empor stiegen, sich im klaren Wasser widerspiegelten und die Nacht mit ihren leuchtenden Funken taghell erstrahlen ließen. Doch von all dem bekamen die beiden einstigen Rivalen kaum mehr etwas mit, denn die sehnsuchtsvollen Augen waren längst geschlossen, während sie sich einem aufregenden ersten Kuss hingaben, in dem vor allem Jonouchi langsam zu versinken drohte.

 

Die Berührung währte jedoch nicht lange und als sich der Firmenchef wieder von dem Blonden löste, sahen ihn zwei bernsteinfarbene Augen, die einen leicht verklärten Ausdruck innehatten, verwirrt und gleichzeitig verlegen an. Katsuya hatte alles erwartet, doch ganz sicher nicht das, was gerade passiert war. Zudem zeigte Kaibas Aussage deutlich, dass er kaum überrascht war über diese Enthüllung, was nur bedeuten konnte, dass er bereits wusste, wer tatsächlich in diesem Kimono steckte. Diese Tatsache warf auch noch einige andere Fragen auf, deren Antworten keinen Aufschub duldeten. Schon alleine deswegen, um die peinliche Stille zu überbrücken, die durch Kaibas Aktion entstanden war.

„Du wusstest, dass ich es bin? Seit wann?, sprach er etwas kleinlaut und mit einem deutlichen Rotschimmer auf den Wangen, was den Brünetten zu einem verschmitzten Grinsen verführte.

 

„Bonkotsu, hast du wirklich geglaubt, dass ich dich nicht erkennen würde? Der Gedanke, dass hier etwas nicht stimmig ist, kam mir bereits, als Mokuba mich darum bat, ihn unbedingt zu diesem Fest zu begleiten. Zudem benahm er sich seit dem Morgen so untypisch ruhelos, besonders in dem Moment, als er hier auf deine Schwester traf und sogar du musst zugeben, dass die Aussage des Jungen, dem du die Goldfische geschenkt hast, unmissverständlich war.“ Natürlich musste er das mitbekommen haben. Was hatte der Blonde auch anderes erwartet? Immerhin stand er nur wenige Schritte entfernt und trotzdem sagte er nichts dazu und ließ Jonouchi sein Schauspiel einfach weiterspielen.

„Ausschlaggebend für diese Überlegung war letztendlich jedoch etwas völlig anderes”, fügte Seto noch mit an, während er nah an den anderen herantrat, ihm diese eine verlorengegangene Strähne, die bereits vorhin ihren zugewiesenen Platz verlassen hatte, aus dem Gesicht strich, und in die warmen, honigbraunen Augen schaute, die durch das bunte Feuerwerk einen außergewöhnlichen Schimmer erhielten, „Nämlich dieser besondere, nahezu einzigartige Glanz in diesen bernsteinfarbenen Augen, die mich so oft schon herausfordernd angefunkelt haben.“ Eine kurze Pause folgte, in der Kaiba seinem Gegenüber tief in die Augen schaute, während der Blonde eher gedankenverloren seinen Blick erwiderte.

 

„Außerdem ist dein Verhalten so auffällig und markant, dass es keine Zweifel geben konnte, dass du es bist. Dein wildes Gestikulieren, das typische Kratzen am Hinterkopf, deine unverbesserliche Hilfsbereitschaft gegenüber anderen und das damit verbundene Talent, in absurde Situationen zu geraten, nicht zu vergessen deine Unfähigkeit, dich vernünftig auszudrücken und natürlich dieser empörte Blick, den du bei unseren anhaltenden Disputen immer auflegst. Es war mehr als eindeutig.“

Abgesehen von den letztgenannten Sachen, bei denen der Blonde seinen Mund wieder zu dieser kleinen, süßen Schnute verzog, konnte Jonouchi die wohl offensichtlichen Parallelen nicht abstreiten. Kaiba kannte ihn erstaunlich gut, kannte seine Eigenheiten, seine Fehler und Vorzüge, die er jedoch stets als Nachteile deklarierte. Vielleicht kannte er ihn auf eine andere Art sogar noch besser als Yuugi. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit, denn auch Jonouchi fielen derlei Dinge auf, die für jeden anderen wohl keine Besonderheiten darstellten außer für sie beide. Sie interessierten sich für einander, schon lange taten sie das, und spätestens nach diesem seltsam willkommenen Kuss verstand es auch Jonouchi. Dennoch musste der Blonde sichergehen, sich Gewissheit verschaffen.

 

„Aber warum hast du dann trotzdem mitgespielt? Ich meine, müsstest du nicht eigentlich wütend sein oder mich wegen der Klamotten aufziehen?“

„Ehrlich gesagt, war es äußerst amüsant mit anzusehen, wie du verzweifelt versucht hast, dein vorlautes Mundwerk zu zügeln, und dieser zinnoberrote Kimono mit diesem lieblichen Blumenmuster steht dir übrigens ausgezeichnet. Außerdem…”, verfiel er eine kleine theatralische Pause, als er sah, wie der Blonde erneut pikiert drein schaute, „… konnte ich doch das erste gemeinsame Date mit dieser liebreizenden jungen Dame nicht einfach mittendrin abbrechen. Immerhin stehen wir uns doch nahe.“ Ein verschmitztes, zweideutiges Grinsen zierte die schmalen Lippen und ein verwegener Blick traf auf einen verlegenen. 

 

„Weil wir gerade dabei sind: Möchte ich denn überhaupt wissen, wieso du diesen Kimono trägst und als Frau verkleidet mit deiner Schwester dieses Hanabi besuchst?“

„Möchtest du nicht“, war die kurze Antwort darauf, während Katsyua schwer seufzte.

„Das dachte ich mir.“

„Gegenfrage:”, sagte der Blonde wiederum und trat mit einem frechen Schmunzeln im Gesicht wieder näher an seinen Gegenüber heran, „Küsst du immer gleich fremde Frauen auf solchen Festen?" Ein amüsiertes Grinsen schlich sich nun auch in Setos Gesicht, bevor er die Distanz auf ein Minimum verringerte und sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. „Nur solche, die mir nach Millionen von Streitgesprächen nicht mehr aus dem Kopf gehen.“ Mit diesen Worten ließ sich diesmal der Brünette von Katsuya in einen zweiten, magischen Kuss ziehen, während im Hintergrund noch immer die Feuerwerkskörper den dunklen Nachthimmel mit lauten Explosionen hell erleuchteten, fernab von den begeisterten Rufen der Menschen, deren Augen allein auf dieses bunte Farbenspektakel gerichtet waren, ohne dass sie Notiz von den beiden nahmen.

 

Andernorts, ganz in der Nähe des Torii-Schreins, saßen derweil die jüngeren Geschwister der beiden und bestaunten zusammen das bunte Feuerwerk, als Mokuba ein wenig gedankenverloren zu sprechen begann: „Meinst du, dass es geklappt hat?“

„Ich denke schon“, antwortete Shizuka darauf, während erneut eine Fontäne am Horizont aufleuchtete, „Immerhin haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Das ist doch ein gutes Zeichen.“

„Vermutlich hast du recht und die Erkenntnis trifft sie gerade wie ein Schlag ins Gesicht“, witzelte der Schwarzhaarige, als ihm ein spontaner Gedanke dazu kam. „Dann können wir ja demnächst mal zu viert ausgehen. Essen, Kino oder sowas?“

„Meinst du wie bei einem Date?“, wandte sich die Dunkelhaarige fragend an den Jüngeren und brachte ihn damit in eine deutliche Verlegenheit.

„Äh naja… weißt du… ich meine… du… wir… also…“, begann Mokuba daraufhin zu stottern und schien nicht die richtigen Worte zu finden, um seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Währenddessen zog Shizuka ihre Beine ein Stück an ihren Körper heran, umfasste sie mit ihren Armen und lehnte sich nach vorn. Mit einem verschmitzten Blick sah sie zu dem Jüngeren, der sich gerade um Kopf und Kragen redete und dessen Wangen dabei einen dunkelroten Ton angenommen hatten.

„Du willst also auf ein Doppeldate gehen?“, schmunzelte Shizuka den Schwarzhaarigen mit einem zuckersüßen Lächeln an, „Warum nicht? Ich mag die Idee. Lass uns am Wochenende was zusammen unternehmen, dann übernachte ich bei Katsuya."

„Aber wir wissen doch noch gar nicht, ob Seto und Jonouchi überhaupt Zeit haben oder Lust oder…“

„Dann gehen wir eben allein, oder nicht?“, unterbrach sie seine Einwände einfach und bedachte ihn mit einem Blick, als würde sie erneut einen perfiden Plan aushecken.

„Ja, okay, dann machen wir es so.“

„Sehr gut. Samstag um 7 Uhr vorm Kino?“

„Ich zahle.“

„Gut.“

 

So endete der perfide eingefädelte Plan der jüngeren Geschwister, dessen Ausgang auch für die Rädelsführer ein etwas unerwartetes Ende nahm. Dass diese Sache zumindest eine kleine Strafe für die beiden nach sich ziehen würde, konnten sie bis dato noch nicht ahnen. Doch die Zeit zu zweit, die sie am Wochenende im Kino verbringen würden, würden sie zukünftig wohl noch des Öfteren gemeinsam genießen dürfen und an manchen Tagen würden sie dabei sogar von Katsuya und Seto begleitet werden. 

 

 

Ende

Im Bann der Backwaren

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Missverständnis

Regen, Regen und noch mehr Regen. Gelangweilt besah sich ein gewisser Blondschopf von seinem Sitzplatz im Klassenzimmer aus das Sauwetter draußen, dessen verhangene Wolkendecke bereits in den frühen Morgenstunden den gesamten Himmel verdunkelt hatte. Jonouchi hatte es vorhin in einem olympiareifen Sprint gerade noch geschafft, diesem inzwischen nicht enden wollenden Wolkenbruch zu entgehen. Ärgerlicherweise war er dennoch zu spät zur ersten Stunde gekommen, sodass er diese auch direkt auf dem Flur verbringen hatte dürfen. Natürlich wäre er sowohl dem Marathonlauf als auch der Strafe des Lehrers entgangen, wäre er zur Abwechslung einfach einmal früher aus dem Haus gegangen. Doch das war schlicht unmöglich für ihn, denn dafür hätte er entsprechend eher oder wenigstens pünktlich aufstehen müssen, was unter keinen Umständen verhandelbar gewesen wäre. 

 

Da der Verweis aus der Klasse jedoch vielmehr einer Belohnung als einer Strafe gleichkam, beschloss sein Klassenlehrer, ihn an der zweiten Stunde wieder teilnehmen zu lassen, sodass er die Gelegenheit hatte, sich mit dem tristen Wetter zu beschäftigen, statt dem noch tristeren Unterricht zu folgen. Es kam einem Wunder gleich, dass schließlich die Erlösung in Form der Schulglocke ertönte. Der Blonde riss sich von seinem Tagtraum los und wandte sich nach vorne, um Yuugi zu einem kurzen Gespräch zu animieren, als sich von der Seite plötzlich eine weiße Papiertüte in sein Sichtfeld schob. Direkt dahinter stand Anzu, die ihm die besagte Verpackung vor die Nase geschoben hatte. Darauf waren groß die Worte „Welttag des Buches“ in oranger Schrift zu lesen und der Blonde blickte etwas irritiert zu seiner langjährigen Klassenkameradin auf. 

 

„Guten Morgen, Jonouchi“, grinste sie ihn freundlich an, „Ich habe hier ein paar Bücher für Shizuka zusammengepackt. Sei so gut und gib sie ihr, wenn ihr euch am Wochenende bei deiner Mutter seht.“ Auf ihre Bitte hin schlich sich ein verschwörerisches Lächeln auf Katsuyas Gesicht, während er die Arme vor der Brust verschränkte.

„Und was bekomme ich dafür?“, wollte der Angesprochene direkt eine Gegenleistung einfordern und grinste keck zurück. Kurz überlegte die Braunhaarige, ob es überhaupt einer Gegenleistung bedurfte, da es ja immerhin um seine über alles geliebte Schwester ging und er weder Umwege noch andere Unannehmlichkeiten dabei auszustehen hatte.

 

„Okay, hier mein Angebot: ich bringe dir nachher ein Sandwich aus der Mesa mit“, schlug sie kurzerhand vor, während bei Katsuya bereits die Augen zu leuchten begannen, „wenn du mir das Geld dafür gibst.“ Und schon verflog das eben noch so freudige Strahlen aus dem Gesicht des Blonden wieder. 

„Und was genau ist mein Vorteil daran?“, fragte er mit enttäuschter Miene. 

„Du hast genau den gleichen Vorteil wie ich: einen Botengang umsonst“, grinste Anzu überlegen und schob die Tüte erwartungsvoll weiter in Jonouchis Richtung. 

„Immerhin besser als nichts“, gab sich der blonde Chaot schließlich geschlagen und nahm die Bücherlieferung an sich. 

„Sehr schön“, freute sich Anzu wiederum über die eingeforderte Hilfsbereitschaft, während sich nun auch Yuugi in das Gespräch mit einbrachte und der Braunhaarigen für die Besorgungen in der Mittagspause seine Begleitung anbot. Das breite Schmunzeln auf ihren Lippen, gepaart mit einer deutlichen Freude, war daraufhin unübersehbar, sodass Katsuya die Augen verdrehte. Wie lange konnte das noch dauern, bis sie endlich offiziell ein Paar werden würden? Es war schließlich nicht zu übersehen, dass sie beide einander anhimmelten, wie in einem schlechten Liebesroman.

 

Kurz darauf war Anzu im Begriff, wieder zu ihrem Platz zurückzukehren, als sie sich doch noch einmal umdrehte und den Blonden eingehend und ernst in die Augen schaute. „Jonouchi“, begann sie mahnend zu sprechen, „du sollst die Bücher nur übergeben, nicht lesen!“

„Als wenn ich Interesse an euren Magical Girl Lovestories hätte, in denen alles im Drama versinkt und der tapfere Ritter auf einem weißen Pferd angeritten kommt, um die Prinzessin mit dem Kuss der einzig wahren Liebe zu retten. Nee, danke. Ich verzichte“, winkte dieser nur ab und gab Anzu damit sein Desinteresse zu verstehen, während er die Papiertüte neben seinem Platz abstellte. 

 

Jetzt durfte er sich die nächsten Stunden erstmal mit Kalligrafie vergnügen, bis ihm das Essen aus der Kantine frei Haus direkt vor die Nase getragen wurde. Da der Kalligrafieunterricht zum Glück nicht aus den grässlich langweiligen Erzählungen ihres Lehrers bestand, wie es in den meisten anderen Fächern der Fall war, sondern eher mit handwerklich künstlerischen Tätigkeiten einherging, verflog die Zeit bis zur ersehnten Pause doch schneller als geglaubt. Hin und wieder machte sich gegen Ende der vierten Stunde jedoch ein leises Bauchgrummeln bemerkbar, da der Toast, den er sich am Morgen noch schnell zwischen Tür und Angel in den Mund geschoben hatte, definitiv nicht ausreichend gewesen war. Umso größer war die Freude, als Yuugi mit Anzu wenige Sekunden nach dem Pausenklingeln den Raum verließ und dieses unangenehme Hungergefühl bald der Vergangenheit angehören würde. 

 

Bis es dazu kam, ließ er sich noch einmal kurz von der Schlechtwetterfront ablenken, die Domino City weiterhin im Regen zu ertränken versuchte. Seine stille Hoffnung, dass der Regen doch noch aufhören würde, schwand mit jeder weiteren Minute mehr. Seine Laune schloss sich diesen tristen Gedanken sogleich an und sank parallel dazu ebenfalls. Eigentlich würde er sich die Zeit mit Honda vertreiben und das Sauwetter so gut es ging ignorieren, bis sie beide fluchend nach dem Unterricht unten standen, um den Regen griesgrämig anzuknurren. Doch sein langjähriger Kumpel glänzte bereits die ganze Woche mit Abwesenheit, da er mit einer Erkältung das Bett hüten musste.

Ein Seufzen verließ seinen Mund, als im selben Moment ein Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Gerade war einer seiner Klassenkameraden wohl etwas zu nah an seinem Tisch vorbeigegangen und hatte dabei die Büchertüte von Anzu umgerissen, sodass sie umfiel und die Bücher über den Boden verstreut wurden. 

 

„Kannst du nicht aufpassen, Hanasaki?“, grummelte der Blonde etwas genervt zu dem Schuldigen, der sich direkt mit einem „Sorry“ aus der Affäre zog und es sehr eilig zu haben schien, weshalb er auch nicht beim Einsammeln half. Also bequemte sich Jonouchi von seinem Platz und suchte die Bücher wieder zusammen. Ein wertendes Schmunzeln schlich dabei über seine Lippen, da ihm die Cover durchaus bekannt vorkamen und seine vorhin getätigte Aussage Anzu gegenüber bestätigte. Er hielt die ersten Bände von altbekannten Serien in den Händen: Sailor Moon, Inu Yasha, Chobits sowie einen Manga, den er bislang noch nicht kannte. Auf dem Cover waren zwei Männer abgebildet, von denen einer eine Waffe in den Händen hielt und vermeintlich auf den Betrachter des Bildes zielte. 

 

Er drehte den Manga um und las die wenigen Zeilen zur Inhaltsangabe. Er handelte von einem Fotografen, der sich wohl zu weit in die Unterwelt gewagt hatte und sogar mit der chinesischen Mafia in Berührung kam. Vom Inhalt her klang es recht interessant, als er jedoch die erste Seite des Buches aufschlug, fielen ihm beinahe die Augen raus, bei dem, was er dort sah. Räkelte sich da doch nicht gerade wirklich der Kerl, der die Waffe auf dem Cover in der Hand hielt, nackt und gefesselt auf dem Schoß des anderen? Sofort klappte er das Buch mit Lichtgeschwindigkeit wieder zu, während sich ein deutlicher Rotschimmer auf seinen Wangen niederschlug. War das etwa einer dieser besagten Boys Love Manga, von denen er bereits aus aufgeschnappten Wortfetzen von den Mädels gehört hatte? Die Altersempfehlung 18+ war daher wohl keine Einstufung aufgrund von ausufernder Gewalt der Mafiosi, sondern eher wegen den vermeintlich mehr als ausschweifenden sexuellen Handlungen. 

 

Tausend Gedanken schossen ihm dazu durch den Kopf, unter anderem auch dieser eine, der ihm sagte, dass seine wohlgemerkt jüngere Schwester noch VIEL zu jung für solche Freizügigkeiten war. Was hatte sich Anzu nur dabei gedacht, ihr solch einen Schmuddelkram zwischen diese Schmusibusi-Comics zu packen? Woher hatte sie diese Bücher überhaupt? Denn auch, wenn in Japan inzwischen das Erwachsenenalter mit 18 Jahren erreicht wurde, war Anzu noch immer zu jung, um derlei Literatur zu besitzen. Außerdem beschäftigte ihn die Frage, wie oft solche pikanten Übergaben ohne sein Wissen bereits stattgefunden hatten. Immerhin hatte er nicht das erste Mal eine Bücherlieferung von Anzu entgegengenommen. 

 

Argwöhnisch betrachtete er das Cover des Buches, das er noch immer teilweise mit seinen Händen verdeckte. Noch nie zuvor hatte er solch einen Manga in den Händen gehalten und würde wohl auch in Zukunft niemals wieder in diese zweifelhafte Situation geraten. Mit diesem Gedanken ließ er seinen Blick einmal kurz prüfend durch den Klassenraum wandern, um zu sehen, ob jemand von seinem Tun Notiz genommen hatte. Doch keiner seiner Klassenkameraden schien sich für ihn zu interessieren. Die wenigen Mitschüler, die nicht in die Mensa oder nach draußen gegangen waren, unterhielten sich einige Tische weiter sorglos mit ihren Freunden beim Mittagessen. 

 

Jonouchi überlegte. Er hatte noch ein paar Minuten Zeit, bis auch Anzu zusammen mit Yuugi wieder in den Klassenraum zurückkehren würde, und irgendwie weckte dieses pikante Büchlein ein klitzeklein wenig sein Interesse. Auch wenn er das niemals jemand anderem gegenüber zugeben würde. Doch die Neugier schien ein unerbittlicher Feind zu sein, der nur beschwerlich zu überwinden war und ihn zu einer abersinnigen Entscheidung verführen wollte. Nun, Gelegenheit schaffte bekanntlich Diebe, sodass der Blonde beschloss, diesen kurzen, unbeobachteten Moment zu nutzen. Ein weiteres Mal sah er sich im Raum um und vergewisserte sich, dass die wenigen Anwesenden anderweitig beschäftigt waren, als er den Manga erneut aufschlug, um weiter darin zu blättern. 

 

Tatsächlich war die Geschichte auf den ersten Seiten unerwartet spannend aufgebaut, während die Zeichnungen ebenfalls sehr ansehnlich waren. Außerdem war er positiv überrascht, dass der Fotograf so episch aus der ersten Auseinandersetzung mit dem mutmaßlichen Bösewicht entkam, sodass er neugierig weiter las, bis die Geschichte relativ schnell die erwartete Wendung nahm. Denn von einer Seite auf die andere trug der vermeintliche Protagonist wie im ersten Bild keinerlei Kleidung mehr und war dem anderen gefesselt in einer eindeutigen Pose hilflos ausgeliefert. Jonouchi schluckte, während sein Herz mit einem Mal deutlich schneller schlug. Dass sein Interesse nicht unbedingt nur dem weiblichen Geschlecht galt, ahnte er schon länger. Denn während Honda beinahe jedem Mädchen hinterher pfiff, drehte sich der Blonde ab und an auch schon mal nach einer Person des männlichen Geschlechts um. Allen voran waren dies große, dunkelhaarige Typen mit einer schlanken, jedoch muskulösen Figur und einem leicht unnahbaren Ausdruck, die seine Aufmerksamkeit erregten. 

 

Dieser Tatsache war er bisher nie weiter nachgegangen, um sich nicht mit unliebsamen Gedankengängen auseinandersetzen zu müssen. Doch nun spielte ihm Fortuna diese kleine Versuchung in die Hände, der er nicht widerstehen konnte, obwohl ihn Anzu deutlich gemahnt hatte, keinen Blick in diese Lektüre zu werfen. Dennoch blätterte er auch die nachfolgenden Seiten um, in denen das Treiben immer wilder und ungezügelter wurde. Seine Umgebung hatte er in diesem kleinen Moment komplett ausgeblendet, während er die wenigen Sprechblasen eine nach der anderen gedanklich durchging und dabei unverhofft unterbrochen wurde.

 

„Was liest du denn da Feines?“, hörte er die ungewöhnlich dunkle Stimme Bakuras hinter sich und fühlte sich sofort ertappt, sodass er auf den Schreck hin das Buch sofort schloss und sich umwandte.

„Bakura, hey, sag mal, bist du schon länger hier?“, fragte der Angesprochene nervös und wirkte erschrocken, während er versuchte, das Buch unauffällig verschwinden zu lassen. Das entging auch dem Besitzer des Millenniumsrings nicht, sodass er sich einfach über den Blonden hinweg beugte und ihm den Manga mit der gefühlten Leichtigkeit eines Diebes unter den Fingern weg stahl, um das verräterische Material genauer zu beäugen. Die für Jonouchi unerwartete Reaktion kam so plötzlich, dass er etwas verspätet auf den Diebstahl reagierte und sofort versuchte, das Buch wieder zu bekommen, jedoch dabei mehrfach ins Leere griff. Derweil blätterte Bakura bereits interessiert durch die ersten Seiten und staunte nicht schlecht über den einschlägigen Inhalt, den er nicht unkommentiert lassen konnte. 

 

„Mein lieber Jonouchi-kun. Ich bin doch äußerst überrascht, dass du dich für derlei aufreizende Dinge interessierst.“ Sofort lief Katsuya verlegen an und musste feststellen, dass die eben genannte Fortuna sich sogleich als das schöne Übel namens Pandora entpuppte, die ihre Büchse heute ausnahmsweise nur für ihn großzügig geöffnet hatte. 

„Was? Nein, du verstehst das ganz falsch, ich…ähm…ja, weißt du…öhm….“, versuchte der Blonde sich sogleich stotternd zu verteidigen, während er definitiv nicht die passenden Worte fand. 

„Oh, ich denke, ich habe das schon richtig verstanden. Jeder hat schließlich andere Vorlieben“, grinste der Weißhaarige verwegen, als er den Manga an Jonouchi zurückgab, woraufhin dieser sogleich noch dunkler auf den Wangen wurde und versuchte, die Sache zu erklären. „Ganz bestimmt nicht! Das ist nicht mein Manga. Der gehört Anzu! Ich soll ihn nur an Shizuka weitergeben.“

„Moment. Reden wir hier etwa von deiner jüngeren, minderjährigen Schwester, Shizuka? Sowas gibst du ihr also zu lesen? Du solltest dich schämen, Jonouchi Katsuya”, tadelte Bakura ihn sogleich gespielt besorgt und schien dabei eine gewisse diabolische Freude an den Tag zu legen. 

„Quatsch! Anzu hat ihn einfach ohne mein Wissen mit dazu gepackt“, verteidigte dieser sich sogleich und packte das Buch wieder ganz nach unten in die Papiertüte.

 

„Anzu soll also die Schuldige sein? Interessant“, grübelte der Weißhaarige einen Moment. „Und dennoch packst du das Buch wieder ganz sorgsam ein, damit du es deiner unschuldigen Schwester bei nächster Gelegenheit übergeben kannst?” Der Unterton war deutlich herauszuhören, während Bakuras Blick eine wertende Mimik annahm. Konnte es sein, dass sein Gegenüber ihm nicht glaubte, was er gerade gesagt hatte? Allerdings konnte er der Sache jetzt nicht weiter auf den Grund gehen, da Anzu und Yuugi sich nur einen Augenblick später wieder im Klassenraum einfanden und sich sogleich zu den beiden gesellten, um gemeinsam mit ihnen zu Mittag zu essen. Um nicht noch mehr Aufmerksamkeit, im schlimmsten Fall von der gesamten Klasse, auf sich zu ziehen, beschloss der Blonde, sich erst einmal über diese Sache auszuschweigen. Dass zwischenzeitlich ein weiteres Augenpaar auf die eben präsentierte Szene gerichtet war, bekam dieser durch das freche Verhalten des Weißhaarigen und der damit verbundenen Ablenkung gar nicht mit.

 

Während der restlichen Mittagspause besah Bakura den Blonden mit einem seltsam argwöhnischen und zugleich auffällig wissenden Blick, der diesem wiederum gar nicht gefallen wollte. Um sich sowie seinen Klassenkameraden und Freund davon abzulenken, begann er, nachdem das Sandwich vertilgt war, unauffällig ein Gespräch über die weitere Tagesplanung: „Leute, wie siehts aus, machen wir heut noch was nach der Schule? GameCenter oder so?“ Doch die euphorische Ablenkung wurde jäh ausgebremst, als die Freunde antworteten.

„Sorry, ich muss heut meinem Großvater im Laden helfen“, zuckte der König der Spiele mit den Schultern und sah Katsuya entschuldigend an, während sich auch Anzu zu Wort meldete: „Und ich hab direkt nach der Schule Tanzunterricht.“ 

 

Sein Blick wanderte weiter zu Bakura, der ihn bereits verheißungsvoll anfunkelte. „Ich würde dir sehr gern Gesellschaft leisten, Herzchen. Aber leider bin ich bereits verplant.“ Erneut schwang dabei so ein seltsam verheißungsvoller Unterton mit und das Wort “Herzchen“ schien auch bei Anzu und Yuugi für Verwirrung zu sorgen. Kurz schauten sie sich fragend an, bis die Braunhaarige schließlich die entscheidende Frage stellte: „Sagt mal ihr beiden. Haben wir vorhin vielleicht etwas verpasst?“ Sogleich schlich sich ein breites Grinsen auf Bakuras Lippen und sein Blick glitt zu dem Blonden hinüber, auf dessen Wangen sich erneut ein charmanter Rotschimmer widerspiegelte. Es war einfach zu verführerisch, sodass der Weißhaarige nicht widerstehen konnte und direkt weiter stichelte. 

 

„Wisst ihr, unser lieber Blondschopf hier hat ein kleines Geheimnis, dass er uns bislang nicht verraten hat“, grinste er verwegen vielsagend und Katsuya erkannte direkt, worauf er hinaus wollte. 

„Und was soll das für ein Geheimnis sein?“, hakte Yuugi sogleich nach, da er der Auffassung war, dass Jonouchi ihm stets alles, was ihn beschäftigte, erzählte, wie es bei besten Freunden eben üblich war. 

„Nun, ich weiß nicht, ob ich das einfach so ausplaudern sollte, aber…“, begann der Besitzer des Millenniumsrings zu sprechen, als er mitten im Satz unterbrochen wurde. „Bakura, hör auf Anzu und Yuugi zu verarschen! Am Ende glauben sie dir diesen Mist noch.“ Dabei wurde er etwas lauter, sodass die Vierergruppe die Aufmerksamkeit einiger Mitschüler auf sich zog. Auch Jonouchi bemerkte die neugierigen Blicke der Klassenkameraden, als er sich kurz umsah, und blieb für einen flüchtigen Moment an einem blauen Augenpaar hängen, das ihn seltsam argwöhnisch betrachtete. 

 

„Jonouchi? Ist alles in Ordnung?“, holte Yuugi seinen besten Freund wieder aus seiner geistigen Abwesenheit heraus und sah ihn fragend an. Der Angesprochene fing sich sogleich wieder, als er seinen Namen hörte und war mehr als dankbar darüber, dass das Läuten der Schulglocke die Freunde bald darauf wieder auf ihre Plätze verwies. So wurde die Sache erst einmal unfreiwillig ad acta gelegt, wobei Anzu definitiv mehr hinter dieser für Jonouchi unwillkommenen Offenbarung vermutete. Doch die Aufklärung sollte erst einige Wochen später folgen und den Blonden auf unangenehme Weise bei Anzu in Missgunst bringen. 

 

Die letzten Schulstunden, in denen sich der Blonde des Öfteren beobachtet fühlte, schlichen langsam dahin. Ein prüfender Blick in die Nachbarreihe bestätigte ihm seinen Verdacht, dass jemand ein Auge auf ihn geworfen hatte. Denn jedes Mal, wenn er hinüber sah, traf er auf ein braunes Augenpaar, welches von weißem Haar umrahmt wurde. Bakura schien die Sache nicht auf sich beruhen lassen zu können und schmunzelte verwegen über diese pikante Erkenntnis, die aus Jonouchis Sicht jedoch keine war. Da hielt er das erste Mal ein etwas anstößiges Buch in der Hand, welches er in seinem Alter wohlgemerkt noch nicht einmal käuflich erwerben, geschweige denn lesen durfte, und schon wurde er einfach abgestempelt. Bei nächster Gelegenheit, am liebsten direkt nach dem Unterricht, musste Katsuya dahingehend unbedingt Aufklärungsarbeit leisten. 

 

Als es schließlich zum Schulschluss läutete und die Schülerschaft in ihre Freizeit- bzw. Clubaktivitäten entlassen wurde, verabschiedeten sich Anzu und Yuugi gemeinsam und verschwanden schnellen Schrittes aus dem Raum. Derweil stand der Zurückgelassene ebenfalls von seinem Platz auf und schaute nach draußen, wo noch immer der unaufhörliche Regenguss aus dem grauen Wolkenmeer herabfiel und den Schulhof mit dem kühlen Nass flutete. Bei diesem grässlichen Wetter würde er auf seinem Heimweg keine Freude haben. Wenig später konnte er den himmelblauen Schirm mit den rosafarbenen Kirschblüten draußen erkennen, den Anzu stets benutzte, während neben ihr ein dunkelvioletter aufgespannt wurde, der eindeutig Yuugi zuzuordnen war. Jonouchi hatte leider keinen Regenschirm parat, sodass die nächste Grippe quasi schon vorprogrammiert war, würde er jetzt so nach draußen gehen. Vielleicht würde es sich lohnen, noch ein wenig zu warten, in der stillen Hoffnung, dass der Wolkenbruch etwas nachlassen würde und er lediglich mit einem Schnupfen davonkäme. Bei diesem Gedanken fiel ihm wieder die einschlägige Lektüre ein, die ihn vorhin bei den Freunden beinahe in Teufels Küche gebracht hatte, sodass er sich von den tristen Witterungsverhältnissen abwandte und unvermittelt Bakura in die Arme stolperte, der direkt hinter ihm stand. 

 

Mit einem verschmitzten Grinsen sah er den blonden Irrwisch prüfend an und konnte sich den nachfolgenden, spitzfindigen Kommentar nicht sparen: „Du gehst ja ganz schön ran. Ich hätte nicht gedacht, dass du so direkt bist.“ Doch Jonouchi sah das etwas anders und wand sich sofort aus der unfreiwilligen Umarmung. 

„Jetzt hör endlich auf, Bakura. Das ist nicht mehr witzig. Ich hab dir vorhin schon gesagt, dass du das falsch verstanden hast“, sprach er die eindeutigen Worte klar und deutlich aus und funkelte seinen Gegenüber verärgert an, woraufhin der Weißhaarige gespielt verstimmt antwortete: „Wie schade, habe ich denn gar keine Chancen bei dir? Sag mir, auf welchen Typ Mann stehst du?“, wurde der Träger des Millenniumsrings neugierig, während seine Augen einen gewissen Glanz innehatten. Gerade als Jonouchi zu einer Antwort ansetzen wollte, bemerkte er den Blick des brünetten Firmenchefs, der am anderen Ende des Klassenzimmers stand und im Begriff war, den Raum zu verlassen, weshalb er Bakura fürs erste eine Antwort schuldig blieb. Dieser war aufgrund der plötzlichen Sprachlosigkeit des anderen, der sonst überall für seine Impulsivität bekannt war, ein wenig verwundert und wandte sich zu dem, was ihn so enorm abzulenken schien. 

 

Auch sein Blick fiel auf Kaiba, der sich direkt darauf von dem Geschehen abwandte und den Raum schließlich endgültig verließ. „So ist das also“, murmelte er wissend zu sich selbst und legte ein verschwörerisches Grinsen auf. "Man muss wissen, wann man verloren hat”, sagte er resigniert zu dem Blonden und legte seine Hand auf dessen Schulter. „Viel Erfolg, Jonouchi“, waren die finalen Worte des Weißhaarigen, als er sich abwandte, seine Tasche nahm und Richtung Ausgang ging. „Sollte es nicht klappen, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung“, sagte er zwinkernd und in einem sehr merkwürdigen Tonfall, ehe auch er verschwand. Zurück blieb ein verdatterter Jonouchi, der sich keinen Reim auf Bakuras Worte machen konnte. Wofür zum Geier wünschte er ihm denn auf einmal viel Erfolg? Und wofür stünde er alternativ zur Verfügung? Es schien, als würde der Weißhaarige mehr wissen, als er preisgab. Was auch immer dahinter stecken mochte, etwas anderes war dem Blonden umso klarer, nämlich dass er bei diesem Sauwetter nicht nach draußen gehen wollte. 

 

So setzte er sich wenige Minuten später, nachdem auch die letzten Schüler den Raum verlassen hatten, kurzentschlossen wieder an seinen Tisch, sah sich noch einmal prüfend um und angelte den verheißungsvollen Manga mit dem einschlägigen Genre wieder aus der Tüte, dessen Inhalt eigentlich für seine jüngere Schwester gedacht war. Erneut blätterte er zu dieser pikanten Szene, bei der ihn Bakura vorhin unerwartet unterbrochen hatte, und spürte, wie sich sein Puls sogleich erhöhte. Ob es wirklich so ein unvergleichlicher Genuss war, sich einem anderen Mann hinzugeben und ihm zu Willen zu sein? Im Endeffekt waren das doch auch nur die unanständigen Wunschträume von sabbernden Fujoshis, die sich an fiktiven Charakteren vergingen. Allerdings wollte er nur zu gern wissen, wie diese Geschichte weiterging und ob auch aus solch einer ungünstigen Verkettung von Ereignissen ein positives Ende hervorgehen würde, als er erneut unverhofft dabei unterbrochen wurde.

 

„Und ich glaubte schon, mich verhört zu haben, als Bakura mir soeben diverse pikante Dinge über dein Privatleben offenbarte. Augenscheinlich entspricht es unversehens doch den Tatsachen.“ Bei diesen beinahe geflüsterten Worten, die der Firmenchef der Kaiba Corporation so seltsamen verheißungsvoll in sein Ohr hauchte, lief dem Blonden ein eiskalter Schauer über den Rücken, sodass ihm die Seiten den Buches aus den Fingern glitten und es sich automatisch schloss, als es auf den Tisch fiel. Die Anspannung war deutlich bei Jonouchi zu erkennen, woraufhin sich ein amüsiertes Schmunzeln im Gesicht des Älteren abzeichnete. Was Bakura zu Kaiba gesagt hatte, wusste Katsuya natürlich nicht. Jedoch konnte er nicht leugnen, dass er gerade eine einschlägige Lektüre in den Händen gehalten hatte und die aufgeblätterte Szene keinesfalls als jugendfrei zu bezeichnen gewesen war. Wobei der Schein auch nur teilweise trügte, denn ein gewisses Interesse hegte er insgeheim schon daran, auch wenn es nur aus reiner Neugier entstanden war. 

 

Jonouchi überlegte fieberhaft, wie er sich aus dieser ungünstigen Ausgangssituation wieder herausmanövrieren und das Missverständnis, das Bakura wieder befeuert hatte, aufklären konnte, als er erneut die Stimme des Brünetten vernahm: „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Bonkotsu solch eklatanten Freizeitaktivitäten nachgeht. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Lesen bildet den Geist und formt den Charakter. Ob dir allerdings gerade dieses Thema in deinem Leben weiterhelfen wird, wage ich doch zu bezweifeln. Insbesondere, wenn es lediglich auf theoretischer Basis beruht und einem zugegeben äußerst detailreichen Comic entstammt. Allerdings kenne ich deine Qualitäten dahingehend natürlich nicht und kann daher nur mutmaßen." Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht wartete er gespannt auf die Reaktion des anderen, der seinen Stuhl abrupt nach hinten schob, aufstand und sich mit einer leichten, jedoch unübersehbaren Röte im Gesicht zu dem Firmenchef umwandte.

 

„Was auch immer dir Bakura erzählt hat, ist definitiv eine glatte Lüge! Der Manga stammt von Anzu und ist für Shizuka gedacht…“

„Deine minderjährige Schwester, Shizuka?“, warf der Brünette direkt ein und hatte dabei ebenso wie auch Bakura einige Stunden zuvor diesen gewissen Unterton in der Stimme, während er ihn mit einem argwöhnischen Blick bedachte. Anscheinend war Anzu wohl die einzige, die diese Sache mit dem Alter nicht zu interessieren schien, was den Blonden letztendlich in diese verquere Situation gebracht hatte. „Wie kommt es dann, dass ich ausgerechnet dich noch dazu in der Schule mit dieser nicht jugendfreien Lektüre in der Hand erwische?“

„Ich hab doch schon gesagt, dass du das falsch verstanden hast.“

„Ich wüsste nicht, was es daran falsch zu verstehen gäbe. Aber gut, da du so vehement darauf bestehst. Offenbar ist Bakura als Informant weniger vertrauenswürdig als anfangs gedacht, sodass man seinen mehrdeutigen Worten keinen Glauben schenken kann“, sagte der Brünette schließlich und trat einen Schritt zurück. 

 

Okay. Das war wahrlich etwas Neues, ein Verhalten, das er bei dem Firmenchef zu keiner Zeit erlebt hatte. Er schien mit einem Mal überraschend schnell desinteressiert und akzeptierte ungewohnt streitlos diese in seinen Augen grob fahrlässige Lüge. Eine Reaktion, die den Blonden zusehends verwunderte und ihn dazu verleitete, noch einmal im Detail nachzuhaken.

„Was genau hat Bakura dir denn erzählt? Nicht, dass es mich irgendwie interessiert oder so“, wollte er sogleich sein merkliches Interesse an der hoffentlich umgehend folgenden Antwort herunterspielen. Die Neugier stand ihm dabei jedoch deutlich ins Gesicht geschrieben, sodass sich ein überlegenes Schmunzeln auf Kaibas Lippen schlich und er beschloss, den blonden Chaoten ins Bild zu setzen und dabei gleich ein wenig zu foppen. 

 

„Nun, er sagte sinngemäß, dass mich ein pikantes Abenteuer hier im Klassenraum erwarten würde, welches definitiv von äußerst befriedigender Natur sein würde“, raunte der Brünette verheißungsvoll und trat wieder etwas näher an seinen Gegenüber heran. In den eisblauen Augen war ein seltenes Funkeln zu erkennen und hinter dem anrüchigen Schmunzeln verbarg sich eine kleine Täuschung. Sein freies Zitat seinem Lieblingsstreithammel gegenüber war nicht ganz ehrlich, denn in Wahrheit hatte Bakura andere Worte benutzt:  „Du hast etwas Wichtiges im Klassenzimmer vergessen. Geh lieber schnell zurück und hol es dir, bevor noch jemand wie ich auf die Idee kommt, Ansprüche darauf zu erheben und es sich zu eigen zu machen.“ Neben der Tatsache, dass er die Aussage des Weißhaarigen sehr großzügig abänderte, unterschlug Kaiba ebenfalls, dass wohl auch Bakura ein gewisses Begehren an dem Bonkotsu zu haben schien, was dieser jedoch nicht zwingend zu erfahren brauchte. Nun würde er seine eigenen Interessen durchsetzen und wollte der Sache noch etwas mehr Nachdruck verleihen. 

 

Er lehnte sich nach vorn, griff an dem Blonden vorbei und nahm den Manga vom Tisch, um flüchtig durch die Seiten zu blättern. „Wenn ich mir deinen offenherzigen Lesestoff so anschaue, habe ich auch eine vage Vermutung, um was es sich dabei handelt.“ Als er wieder zu seinem Klassenkameraden schaute, hatte dessen Gesichtsfarbe bereits einen dunkelroten Ton angenommen. Die gerade gehörten Worte geisterten in seinen Gedanken umher und verschafften ihm eine Gänsehaut, während er sich fragte, ob er den Firmenchef gerade wirklich richtig verstanden hatte oder ob es wieder eine seiner fiesen Sticheleien war. Jedoch war die Art, wie er diese pikanten Worte so ruchlos aussprach, sowie der Ausdruck in seinem Gesicht diesmal nicht von spöttischer Natur. Zudem war niemand außer ihnen anwesend, der seine Überlegenheit gegenüber Jonouchi hätte hören können. Was allerdings am faszinierendsten dabei war, und das war das größte Problem für den Blonden, war die Tatsache, dass etwas so Schmutziges, Pikantes gleichzeitig auch so aufregend verführerisch aus dem Mund dieses sonst so kalten und unnahbar wirkenden Menschen klingen konnte.

 

Natürlich musste er irgendwie auf diese Aussage reagieren und das am besten so, dass der Brünette es nicht falsch verstehen würde. Also rief er sich selbst zur Raison und versuchte die wirren und durchaus unanständigen Gedanken einstweilen zu unterdrücken, denn so genau konnte er gar nicht ausmachen, wie viel Wahrheit tatsächlich in Kaibas Aussage steckte. 

„Nein, ganz sicher nicht! Ich steh doch gar nicht auf sowas!“, fuhr er seinen Gegenüber überreizt an, nur um ein geflüstertes „…glaube ich zumindest“ anzuhängen. Letztere Worte murmelte er wiederum so leise vor sich hin, dass der Ältere ihn wohl nicht verstehen konnte, und schien selbst mehr als verwirrt über diese gesamte Situation zu sein, während er nachdenklich mit seinem Blick zur Seite auswich. Was er da eben gelesen hatte, war für ihn neu, doch er konnte sich selbst gegenüber nicht leugnen, dass die Vorstellung, das Bett mit einem Mann zu teilen, sein Blut zum Pulsieren brachte. Ein Gedanke, den er weder Bakura noch Kaiba gegenüber zugeben konnte. Mit einem Schlucken starrte er auf die Stuhllehne neben sich und sah daher nicht, wie sich ein immer breiter werdendes Grinsen in das Gesicht des Brünetten schlich. Jedoch bemerkte er, wie sich der Firmenchef erneut näherte und ihm das Buch auffordernd hinhielt, sodass er es nur noch annehmen musste. 

 

Als er der stummen Aufforderung nachkam, lehnte sich der Brünette sehr nah an den Jüngeren, sodass dieser den Atem des anderen beinahe schon auf seiner Haut spüren konnte, und presste dabei den pikanten Manga fest an seine Brust. „Jammerschade Bonkotsu“, raunte der Firmenchef in einem verlockenden Tonfall, „Ich hätte dir durchaus wertvolle Praxiserfahrung zu deinen theoretischen Recherchen geben können.“ Mit diesen Worten stieß er sich langsam vom Körper des Blonden ab und betrachtete einen Moment lang das irritierte Gesicht seines Gegenübers, der die Worte offenbar noch verarbeiten musste. Hatte Jonouchi ihn gerade richtig verstanden und, was noch viel wichtiger war, sollte er das etwa wörtlich nehmen? Erneut trat in diesem gedanklichen Chaos diese grässliche Neugier in den Vordergrund, denn als Kaiba sich zum Gehen wandte, war es Katsuya, der im Affekt nach seinem Handgelenk griff und ihn daran hinderte. 

 

„Warte mal. Was hast du da gerade gesagt?“, wollte er es nun doch genau wissen und sah Kaiba antwortsuchend mit seinen honigbraunen Augen an. Der Blick war zweifeld, unruhig und es wirkte beinahe so, als würde die Auflösung dieses Missverständnisses von immenser Bedeutung für den sonst so sorglos wirkenden Blondschopf sein. Dieser Ausdruck war dem Brünetten nicht unbekannt, jedoch war es das erste Mal, dass er in diesem speziellen Zusammenhang allein ihm galt. Was im ersten Augenblick eine positive Überraschung darstellte, wandelte sich sogleich in eine Möglichkeit, eine Chance, die er nutzen würde. Nur zu gern ließ er sich von diesem Blick zu einer Antwort verführen und stellte erfreut fest, dass sein Plan, den blonden Irrwisch mit seinen verheißungsvollen Aussagen zu locken, vollends aufgegangen war.

 

„Ich bin mir sicher, dass du mich genau verstanden hast, und ja, ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe”, sprach der Brünette die Worte erneut so vielsagend verführerisch aus und näherte sich mit unverkennbaren Absichten, „Doch vielleicht wäre unter Anbetracht der Umstände eine Kostprobe eher nach deinem Geschmack.” In einer fließenden Bewegung legte er seine Hand in das blonde Haar, glitt mit seinen Fingerspitzen langsam durch die wirren Strähnen und wanderte streichelnd über die erhitzte Haut der geröteten Ohren weiter zu den Wangen, die ebenfalls einen deutlichen Rotton annahmen. Der Blonde schien wiederum wie paralysiert und war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Sein Körper versagte ihm jede noch so kleine Regung, während sein Blick von den verheißungsvoll leuchtenden Augen des anderen eingefangen wurde. Eine Reaktion, die der Firmenchef durchaus begrüßte, hatte er den Blonden doch selten so sprachlos erlebt. Also beschloss er, diesen günstigen Moment von Jonouchis Unachtsamkeit zu nutzen und verführte selbigen zu einer kleinen Sünde, die alles zwischen ihnen verändern könnte. 

 

Im Bruchteil einer Sekunde überwand Kaiba die letzten Zentimeter zwischen ihnen und berührte hauchzart die Lippen des anderen mit seinen. Und auch wenn die Absichten des Brünetten klar abzusehen waren, traf es Jonouchi dennoch unerwartet und jagte ihm einen aufregenden Schauer durch den angespannten Körper. Sein Puls wurde schlagartig in ungeahnte Höhen getrieben, während sein Herzklopfen immer heftiger wurde, dass es beinahe zu zerspringen drohte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu Kaiba hinüber, der seine Eisblauen bereits geschlossen hatte. Jonouchis Verstand begehrte aufgrund dieses dreisten Übergriffs auf und schrie nach einer sofortigen Abwehrreaktion. Doch sein Körper versagte ihm unerklärlicherweise noch immer jedweden Dienst, sodass er sich dieser ungeahnt zärtlichen Berührung nicht entziehen konnte. 

 

Nur einen Augenblick später bemerkte der Blonde, wie sich die Lippen des anderen bewegten, sich leicht öffneten und ihn dazu nötigten, es ihm gleich zu tun. Das Blut rauschte in seinen Ohren und überdeckte die Stimme in seinem Kopf mit diesem ungeahnten Glücksgefühl immer mehr, sodass er nach kurzem Zögern der Versuchung aus einem angenehmen Impuls heraus schließlich nachgab. Langsam öffnete auch Jonouchi seinen Mund einen Spalt breit und bemerkte, wie Kaibas Zunge spielerisch über seine Oberlippe fuhr und schließlich in die unbekannte Mundhöhle hinein glitt, um seine unverhohlen zu berühren. Die honigbraunen Augen, die bis eben noch weit aufgerissen waren, schlossen sich beinahe automatisch, während er den Manga, den er noch immer in seinen Händen hielt, deutlich fester umklammerte und an die Stelle presse, an dem sein unbändiger Herzschlag deutlich zu spüren war. Er gab sich diesem verführerischen Lippenbekenntnis hin und versank immer mehr in dieser völlig neuen Emotion, die ihn zu dieser süßen Dummheit verführte, von der nur sie beide wussten. Und noch bevor es richtig begonnen hatte, war dieser flüchtige Moment auch schon wieder vorüber. 

 

Der Brünette löste sich wieder von den vollen Lippen, die vom Speichel benetzt leicht glänzten und ein wenig geschwollen waren, und fasste hinter den Blonden in dessen Federtasche, um einen beliebigen Stift herauszufischen. Mit einem Kugelschreiber in der Hand lehnte er sich wieder zurück und suchte den Blick des Jüngeren, der inzwischen realisiert hatte, was gerade vonstatten gegangen war. Dessen Wangen waren noch immer deutlich gerötet, während sein Gesicht einen entzückend verunsicherten Ausdruck innehatte. Die Atmosphäre schien seltsam aufgeladen zu sein, während Kaibas sonst so kalte, eisblaue Augen einen etwas dunkleren und deutlich weicheren Ton angenommen hatten als sonst. Dennoch wirkte sein Blick verwegen, als er nach dem Manga in Jonouchi Händen griff und diesen an sich nahm. 

 

Er schlug die erste Seite mit dem pikant colorierten Bild auf und nahm den Stift zur Hand, den er sich zuvor ungefragt ausgeliehen hatte, um etwas hineinzuschreiben. Direkt darauf klappte der Brünette das Buch wieder zu und gab es mit den verheißungsvollen Worten „Falls du deine Meinung ändern solltest, lass es mich wissen“ wieder zurück an den aktuellen Besitzer, der ihn fragend ansah. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sich der Firmenchef von dem Blonden ab, nahm seine Tasche und verschwand aus dem Raum. Dies war eine durchaus interessante Begegnung gewesen, für die er Bakura wohl letztendlich doch so etwas wie einen Dank oder eine etwaige Gegenleistung schuldete. Obwohl seine Handlungen der Situation geschuldet und aus einem Impuls heraus entstanden waren, bereute er jedoch keine Sekunde davon. Denn dieses deutlich verlegene Gesicht des immer frechen, blonden Chaoten über den Diebstahl dieses verlockenden Kusses war definitiv unbezahlbar gewesen und nötigte den Brünetten dazu, zukünftig weitere Schandtaten dieser Art zu begehen. Doch für dieses Mal wollte er es bei diesem einfachen Lippenbekenntnis belassen und genoss die Erinnerung an die verwirrte Verlegenheit, die Jonouchi überdeutlich ins Gesicht geschrieben gestanden hatte.

 

Der besagte Irrwisch starrte derweil noch immer zur Tür, durch die Kaiba soeben verschwunden war und konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Bedächtig legte er seine Finger auf die Lippen, die vor wenigen Minuten noch die des anderen berührt hatten, fuhr gedankenverloren über die weiche Haut und spürte erneut die Hitze in seinem Körper aufsteigen. In was für eine absurde Situation war er da nur geraten? Morgen würde er definitiv sehr früh, oder wenigstens pünktlich, aufstehen und Anzu noch vor der ersten Unterrichtsstunde zur Rede stellen. Denn streng genommen war es ihre Schuld, dass all das passiert war und sowohl Kaiba als auch Bakura nun annahmen, dass er ein gewisses Interesse am gleichen Geschlecht hegte. Sein Blick fiel auf den Manga in seinen Händen, in den der Brünette eben noch etwas hineingeschrieben hatte. Vermutlich würde er Anzu nun zu allem Übel auch noch einen neuen besorgen müssen. 

 

Neugierig öffnete er das Buch und sah eine Zahlenfolge sowie eine kleine verräterische Zeichnung in Form eines Herzchens daneben. War das eine Telefonnummer? Etwa Seto Kaibas private Handynummer? Sofort zückte er sein Smartphone und tippte hektisch alle Ziffern ein, um zu sehen, ob sie vergeben war und welches Profilbild angezeigt werden würde. Erfahrungsgemäß dauerte es einige Sekunden, bis das Foto geladen wurde und jede einzelne davon fühlte sich wie eine kleine Ewigkeit an. Als das Bild schließlich erschien, fühlte er sich in seiner Annahme bestätigt, während er in die blauen Augen des weißen Drachen sah. Kaiba hatte ihm offenbar wirklich einfach so seine Nummer überlassen. Sofort hallten dessen letzte Worte in seinem Kopf wider und zauberten ihm einen verlegenen Rotschimmer zurück auf die Wangen. „Falls du deine Meinung ändern solltest…“ War das etwa sein Ernst? Dafür hatte er ihm seine Nummer gegeben? Sofort wurde er noch eine Spur dunkler im Gesicht und überlegte, ob er die Kontaktdaten längerfristig speichern oder direkt wieder löschen sollte. Nach einem kurzen Hin und Her schloss er schließlich sein Telefonbuch und vertagte diese Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt. Derweil ließ auch der strömende Regen langsam nach, sodass der verwirrte Blondschopf seine Sachen packen und endlich den Heimweg antreten konnte.

 

Am nächsten Morgen war er wie geplant pünktlichst in der Schule angekommen und konfrontierte Anzu im Klassenraum mit seinem gestrigen, unerfreulichen Fund in Form dieses anstößigen Lesestoffs. Wie konnte sie nur so ein Buch an seine jüngere Schwester weitergeben? Doch die braunhaarige Klassenkameradin ließ sich davon nicht beeindrucken, das wäre eine Sache zwischen ihr und Shizuka. Wenn er nicht bereit wäre, seiner Schwester das Buch zu überbringen, wollte sie es wieder zurück haben. Jetzt war Katsuya in die zweifelhafte Lage geraten, die sein Herz unangenehm höher schlagen ließ, und er musste Anzu gestehen, dass er ihr ebendiesen Manga aufgrund einer ungünstigen Verkettungen von Ereignissen leider nicht aushändigen konnte. Natürlich war seine langjährige, gute Freundin nicht sonderlich erfreut über diese Beichte und warf ihm wütend erneut die Tatsache vor, dass der Blonde sein Versprechen gebrochen hatte und die Bücher, vor allem dieses eine spezielle, offenbar gelesen hatte. 

 

Verlegen suchte Jonouchi nach einem Ausweg, denn er konnte ihr ja schlecht sagen, dass Kaiba ihr Buch mit seiner privaten Telefonnummer und diesem verräterischen Herzchen entweiht hatte. Eher würde er die Schule wechseln, als dieser Furie etwas erklären zu müssen, das er selbst noch nicht ganz verstand. Es war Anzu, die ihm das Gestammel ersparte und klare Forderungen stellte: Wenn er das Buch so unbedingt behalten wollte, müsste er auch für Ersatz sorgen. Also versprach er der jungen Frau, ihr den Manga zu ersetzen, sodass sie sich vorerst damit zufrieden gab und er weiteren Wutanfällen entkam. Die Frage, ob es nicht das erste pikante Buch war, das er unwissend an Shizuka weitergeben hatte, verkniff er sich, als sie noch einmal darauf hinwies, dass es unbedingt die Erstauflage sein müsse. Schließlich war es Yuugi, der die Aufmerksamkeit wieder auf sich zog, sodass sie sich lieber diesen fröhlicheren Ereignissen mit ihrem Geliebten widmete, statt sich über den blonden Chaoten zu ärgern.

 

Derweil nahm Jonouchi mit einem resignierten Ausdruck sein Handy zur Hand, welches er vor sich auf dem Tisch liegen hatte, und begann mit der Suche nach besagtem Boys Love Manga. Da Honda noch immer krank im Bett lag und seine beiden anderen Freunde mit ihrer offensichtlichen Liebelei beschäftigt waren, konnte er sich an seinem Platz dieser pikanten Recherche widmen, bevor der Unterricht begann. Mit mäßigem Erfolg, wie er wenig später bestätigt bekam. Denn wie sich herausstellte, konnte der Manga nicht so einfach ausgetauscht werden wie anfangs erhofft. Hierbei handelte es sich nämlich um eine seltene Erstauflage, die aufgrund der späteren Indexierung nur sehr schwer zu beschaffen war. Ein weiteres Problem war, dass er mit einer Alterseinstufung ab 18 Jahren gekennzeichnet war, wodurch Jonouchi ihn aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht ordern konnte, selbst wenn er ihn im World Wide Web finden würde. Die gute Pandora hatte offenbar ganze Arbeit geleistet und noch keinerlei Anstalten gemacht, ihre unheilbringende Büchse wieder zu schließen. Mit einem Seufzen gab er vorerst auf, denn das Erscheinen des Lehrers rief ihm in Erinnerung, wo er sich befand. Dieses Buch hatte ihn schon gestern in Verlegenheit gebracht. Da er aber auf keinen Fall Anzus Zorn auf sich ziehen wollte und ärgerlicherweise eine gewisse Mitschuld nicht leugnen konnte, musste er später eine Lösung dafür finden. Dringend!

 

Nachdenklich legte er den Kopf auf seiner Handfläche ab und ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen, bis er schließlich an einem leuchtend blauen Augenpaar hängen blieb, dessen Besitzer ein wissendes Schmunzeln aufgelegt hatte. Bei diesem Anblick schlich sich sofort ein sichtbarer Rotschimmer auf Jonouchis Wangen, woraufhin sein Herz einen kleinen Satz machte und er den Blickkontakt abrupt unterbrach. Dass diese Verlegenheit von dem gestrigen Vorfall herrührte, war ihm natürlich glasklar. Jedoch, wenn er es recht bedachte, entsprach Kaiba genau dem Typ Mann, dem er schon des Öfteren hinterher gesehen hatte. Außerdem war der Firmenchef vor gut einer Woche volljährig geworden und hatte sicher einige hilfreiche Beziehungen, die ihm die Suche deutlich erleichtern würden. 

 

Abgelenkt von der Frage des Lehrers, ob er denn heute noch Interesse an dessen Unterricht hatte, gab er reflexartig von sich, dass er dann beim spannenden Teil zuhören würde und verdiente sich dafür glatt eine Strafe. Mit hochrotem Kopf verkrümelte er sich nach draußen, denn auch seine Entschuldigungen halfen nicht. Trocken bekam er die Antwort, dass er zum spannenden Teil wieder hinein gerufen würde. Zerknirscht stand er mit glühenden Wangen vor dem Klassenraum und grübelte. Kaiba hatte ihm seine Nummer gegeben und konnte die Lösung für sein Problem mit Anzu sein. Aber dafür würde der Firmenchef sicher etwas fordern und irgendwie ahnte er bereits, in welche Richtung das gehen würde. 

Falls du deine Meinung ändern solltest… Mit einem Schlucken begannen seine Gedanken die Frage zu stellen, ob das auch nur im Entferntesten Ähnlichkeiten mit dem hatte, was in dem Manga zu sehen war. Die Hitze stieg in seine Wangen und zwei Gefühle brachten sein Blut gleichermaßen zum Kochen: Angst und Erregung. 

 

Den restlichen Tag versuchte er zu verarbeiten, dass die vagen Anzeichen, die er bisher gekonnt ignoriert hatte, und seine Reaktion auf den Kuss nur einen Schluss zuließen. Er stand auf Männer, Männer wie Kaiba! Und er war im Besitz dieser Handynummer, die ihm gleich mehrere Probleme zu lösen versprach. 

Erst am Nachmittag, als er sich müde streckte und einen Blick aus dem Fenster warf, schlug eine weitere Erkenntnis in seinen Verstand ein. Er hatte den Brünetten gerade unten auf dem Schulhof gesehen, wie er in seine schwarze Limousine einstieg und begriff: Er stand nicht nur auf Kaiba, sondern der offenbar auch auf ihn! 

 

Diese Erleuchtung erleichterte ihm die vorher noch so schwierig fragwürdige Entscheidung. Er würde ihn anschreiben. Die Nachricht selbst zu senden, war jedoch eine ganz andere Herausforderung. Mit klopfendem Herzen, zitternden Händen und nahe einem Nervenzusammenbruch sendete er noch am selben Abend die vorher millionenfach editierte Anfrage, ob der Brünette ihm bei einem Problem helfen könnte, für das er eigens verantwortlich war. 

Und tatsächlich erhielt er schon am nächsten Tag eine positive Antwort darauf, die, wie zu erwarten, nicht ohne Forderungen daherkam. Doch so konnte er Anzu in der darauffolgenden Woche den Manga gegen ein gleichwertiges Exemplar in Erstauflage ersetzen und damit wenigstens ihrem Zorn entgehen. Die noch ungeklärte Sache mit ihr und Shizuka würde er ein andermal angehen, denn natürlich forderte der brünette Firmenchef nur wenig später eine entsprechende Entlohnung für diesen nicht erwähnenswerten Gefallen ein. Ob es dieses Mal auch bei einem einfachen Kuss bleiben würde, stand dabei auf einem ganz anderen Blatt. 
 

 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und mit Unterstützung von meiner hochgeschätzten empress_sissi wird noch in diesem Jahr eine Weihnachtsgeschichte folgen 🎄 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und zum Schluss, weil es so schön ist, möchte ich noch sagen:
Liebe empress_sissi, hab allerliebsten Dank dafür, dass du mir deine Gedanken für diese kleine süße Weihnachtsromanze geliehen hast und natürlich für die wunderbare, wertvolle Unterstützung beim Schreibprozess :3 Es macht wirklich unglaublich viel Spaß mit dir zu schreiben und ich freue mich bereits darauf, mit dir weitere ultrafreche, superlustige, tottraurige und extrem anzügliche Schandtaten zu begehen (*___*/) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das Beste kommt natürlich zum Schluss: Liebste empress_sissi, es war mir wie immer eine äußerste Freude, mit dir zu arbeiten und ich bin allzeit bereit für die nächste Schandtat -^^-/) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Sooo und als kleine Wiedergutmachung habe ich diesmal sogar gleich zwei Lippenbekenntnisse mit eingebaut und hoffe, damit das verpasste bei Setos Geburtstag ausgeglichen zu haben ^^

Außerdem wird wohl nochmal eine Pause hier folgen, weil ich momentan vorrangig an den finalen Kapiteln von Are You Coming Home? arbeite und nebenher Crescent gern weiterschreiben möchte. Wir lesen uns also entweder dort oder einfach später hier wieder. Auf dann ^^/) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach einem dezenten Hinweis meiner lieben empress_sissi, dass dieses unbeschriebene Blatt vielleicht keines sein sollte, bin ich nochmal in mich gegangen und habe überlegt, ob es nicht eine Side Story mit der entsprechenden Entlohnung oder alternativ eine neue Little Sweet And Indecent Episode mit Bakura im Frightshipping geben sollte. Sollte man diese fixen Ideen noch umsetzen? Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  Lunata79
2022-08-16T13:06:40+00:00 16.08.2022 15:06
LOL Ich hab richtiggehend gewusst, das Seto Jou anbieten wird, zu ihm zu ziehen, während ich die Szene bei Yuugi und Ryou gelesen hab. Es war so offensichtlich, dass er darüber nachdachte, während er die beiden beobachtet hat. Ein weiterer Wink waren auch Jous Gedanken. So super eingebaut, wirklich. LOL

Ein Glück, dass das Missverständnis aus der Welt geräumt werden konnte.

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 13:32
Oh, war es tatsächlich so offensichtlich? Mir wurde es erst am Ende der Geschichte klar xD Aber das ist wohl einer dieser Momente, wenn die Story plötzlich ihren eigenen Weg geht und man es gar nicht verhindern kann... die Machtlosigkeit eines Autors ^^
Abschließend muss ich noch sagen: Es ist wirklich schön, die Geschichten alle nochmal mit den wunderbaren Kommentaren aufleben zu lassen. Hab allerliebsten Dank dafür, liebe Grüße und auf dann ^^/)
Von:  Lunata79
2022-08-16T11:04:55+00:00 16.08.2022 13:04
Hab mir das schönste Kapi bis fast zum Schluss aufgehoben.
Echt schöne Neuzusammenführung der beiden. *aus Rührung heul*

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 13:24
Die kleine Weihnachtsgeschichte, die eine große, etwas gemeine und freizügige Schwester besitzt ^^ Es ist selten, dass ich etwas schreibe, bei dem die beiden bereits eine Beziehung haben/hatten. Umso mehr freut es mich, dass du sie dir aufgehoben hast und sie zudem noch gefallen hat *Tatü-Box reicht*
Von:  Lunata79
2022-08-16T09:39:07+00:00 16.08.2022 11:39
Oh! Hätte nie gedacht, dass Jou sich traut, Kaiba sogar mit seiner Krawatte zu fesseln.
Dass er Kaiba dann auch noch reinlegt und ihn im Glauben lässt, dass er seinen Hintern herhalten muss ... LOL
Ich vermute mal, dass sich Kaiba in der Dusche bei Jou rächt, wegen dem Fesseln. *g*

Hat mir wirklich gut gefallen. Bin schon gespannt auf kommende Kapitel.

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 13:15
Eine Wendung, mit der unser lieber Firmenchef wohl nicht gerechnet hätte: Zack, wird er vermeintlich zum Bottom degradiert. Da jedoch die Umfrage im Vorgängerkapitel kein zufriedenstellendes Ergebnis erbrachte, hatte er grade so nochmal Glück gehabt, dass sich Jonouchi seiner erbarmt ;) Beim nächsten Mal, voraussichtlich an Halloween, kann das jedoch schon wieder ganz anders aussehen :P
Der nächste Streich wird jedoch erstmal das Hanabi sein, welches beinahe fertig geschrieben ist. Ich freu mich darauf, wenn wir uns vielleicht dort wieder lesen werden! Auf dann ^^/)
Von:  Lunata79
2022-08-16T09:22:24+00:00 16.08.2022 11:22
Joey wirkt ja richtig dominant und weiß scheinbar ganz genau, was er will.
Kaiba scheint sich aber auch nicht alles gefallen lassen zu wollen.
Die Tricks, mit denen sie die 'Wette' zu gewinnen versuchen, ist auch sehr gelungen.
Ich finde es schön, dass zum Schluss kein Sieger hervorgeht.

Freu mich schon auf den letzten Teil.

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 13:06
Nun, es war der Geschichte äußerst dienlich, dass ich mich diesmal nicht entscheiden konnte, wer hier das Zepter in die Hand bekommt... wobei Jonouchi tatsächlich kurzzeitig mein Favorit war, denn Zeit vergeht und Dinge ändern sich. Auch Kaiba dürfte diese Sache erkannt haben und muss sich um einen Sieg bemühen ^^ Wo sollte das nur enden?
Von:  Lunata79
2022-08-16T09:11:52+00:00 16.08.2022 11:11
Interessant. Da fragt man sich doch, inwiefern sich Jou verändert hat.
Witzig, dass Kaiba gar nicht abcheckt, dass Jou gar nicht volltrunken ist, hat man doch mitbekommen, dass er nicht wirklich gelallt hat. *g*

Bin gespannt, wie es weitergeht.

Lg
Lunata79

Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 12:50
Hallo Lunata, anscheinend habe ich dich mit dem 5. Kapitel nicht zu sehr abgeschreckt ^^ Hab ganz lieben Dank für jeden einzelnen dieser tollen Kommis, die du mir in den Happy Holidays hinterlassen hast *___* das musste mal gesagt werden!

Tatsächlich haben sich die beiden lang nicht mehr gesehen und jeder hat seine Erfahrungen gemacht und sich weiterentwickelt. Diesen kleinen Vorteil, so möchte ich es mal ausdrücken, gönne ich Jonouchi in der Golden Week einfach mal ^^
Von:  Lunata79
2022-08-15T20:59:05+00:00 15.08.2022 22:59
O...K..., das fand ich bissi heftig. Grade so, dass Kaiba Joey nicht vergewaltigt hat, weil er ihm doch noch die Freiheit zur Entscheidung gelassen hat.
Männer reagieren nämlich grundsätzlich sehr empfindlich. Da wäre es sogar egal, ob Joey nur hetero, bi oder schwul ist, denn er hätte auf jeden Fall auf diese Berührungen reagiert.
Außerdem finde ich es blöd, dass sie miteinander geschlafen haben, Joey gezwungen war, seine Jungfräulichkeit zu opfern, obwohl keine Gefühle vorhanden waren. Weil Eifersucht setzt nicht grundsätzlich Liebe voraus (In Kaibas Augen war immerhin nur Verlangen und Gier (ernsthaft?) zu erkennen). Was war denn in Joeys Augen zu sehen?
Außerdem geht auch nicht richtig hervor, ob Kaiba noch Jungfrau war oder schon Erfahrung hat, so, wie die Gefühle für den jeweils anderen.
Mir kam das Ganze schon fast vor, wie Freiheitsberaubung.
In diesem Kapi hast du Kaiba eindeutig zu viele Freiheiten erlaubt. Schlimm finde ich aber auch, dass Mokuba auch noch in seine Hände spielt. Armer Joey! *kopf tätschel*

Ich hoffe, die nächsten Kapitel sind weniger leidend für Joey/Jou.
Bin gespannt auf die nachfolgenden Kapitel.

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
16.08.2022 09:02
Liebe Lunata, für diese einmalige Fortsetzung habe ich wohl berechtigt bereits mehrfach Kritik kassiert. Es hat einen Grund, warum es das Kapitel mit den meisten Korrekturen ist und kurioserweise habe ich darüber auch am längsten gegrübelt. Einige gut platzierte Sätze zur Sache, wären dabei wohl hilfreich gewesen. Ich nehme mir deine Kritik sehr gern zu Herzen und in der Golden Week wirst du dich sicher wieder wohler fühlen ^^ Lieben Dank für dein Feedback, ich habe mich sehr darüber gefreut, und auf dann^^/)
Antwort von:  Lunata79
16.08.2022 11:09
Kann sein, dass ich vielleicht bissi zu empfindlich auf dieses Kapi reagiere, weil ich zuvor einige Stories gelesen habe, wo das Thema die Verarbeitung von Vergewaltigungen und Gewalt war, von den Alpträumen davon ganz zu schweigen.
Antwort von:  Tiaiel
17.08.2022 12:45
Durchaus möglich, wenn du dich vorher mit solchen Inhalten befasst hast. Für mich ist wiederum interessant, diese Thematik aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und nochmals darüber nachzudenken. Davon abgesehen, weiß ich ja bereits, dass dieses Kapitel das "Schwächste" in den HH ist ^^ Lieben Dank für deine Gedanken dazu, denn auch Kritik ist wichtig
Von:  Lunata79
2022-08-15T18:23:41+00:00 15.08.2022 20:23
Tztztz. Da muss ich Seto leider recht geben. Jou sollte die Finger von Süßigkeiten lassen, von denen er nicht weiß, von wem sie sind. Echt nett von Seto, dass er Jou behilflich war, wenn auch nicht ganz uneigennützig. *ggg*
Tolle Story.

Lg
Lunata79
Antwort von:  Tiaiel
16.08.2022 08:54
Liebe Lunata, dass ist eine Erfahrung, die Jonouchi erst schmerzlich lernen musste und dennoch irgendwie dafür belohnt wurde, auch wenn er das mit Sicherheit anders sehen wird x3
Danke für deinen Kommi und auf dann ^^/)
Von:  Lunata79
2022-08-15T18:20:13+00:00 15.08.2022 20:20
Sehr schöne Geschichte. Nur schade, dass es zu keinem Kuss kam. *ggg*

Lg
Lunata79

Antwort von:  Tiaiel
16.08.2022 08:52
Hallo Lunata, lieben Dank für deinen Kommi. Seltsamerweise wünscht sich jeder in dieser Geschichte diesen einen, magischen Kuss. Doch ich finde es so viel besser, dass gerade Kaiba ihn sich diesmal eben nicht einfach so stehlen kann ^^ Doch sicher bekommt er ihn nach dem Essen der Torte doch noch von Katsuya geschenkt :3
Liebe Grüße und auf dann ^^/)
Von:  Gwenya
2022-05-13T09:15:54+00:00 13.05.2022 11:15
Super Kapitel :). Ich wäre ja dafür, das beide mal "oben" sein dürfen.^^
Antwort von:  Tiaiel
13.05.2022 13:33
Danke liebe Gwenya =D heute bekomme ich wohl mal wieder hier den Kommi ^^ Wie ich sehe gönnst du es beiden. Mir schwebt da ein unanständiger Gedanke vor und ich freue mich schon sehr darauf, diese Umfrage auszuwerten *___* Sonnige Grüße und auf dann ^^/)
Von:  Wuwufan
2022-05-06T19:54:00+00:00 06.05.2022 21:54
Toll, dass du weitergeschrieben hast. Bin schon gespannt auf den nächsten Morgen :)
Antwort von:  Tiaiel
07.05.2022 09:31
Guten Morgen Wuwufan, ich freue mich, wieder von dir zu lesen. Tatsächlich hat sich unerwartet Zeit ergeben, nur überleg ich noch, wie die Sache zwischen den beiden enden wird,sonst wäre es wohl schon fertig^^; Wie wäre es mit einer Bottom-Top Umfrage, um dieses schwerwiegende Problem zu klären? XD
Lieben Dank für den Kommi und auf dann ^^/)


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