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Beauty vs. Beast

von

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Prolog

Mooooin! Da bin ich wieder! ^__^

Ich habe es tatsächlich noch geschafft, die kleine Adventsgeschichte hier für euch fertig zu bekommen. Eigentlich sollte sie schon letztes Jahr fertig werden, aber nun ja. Privat lief es bei mir zu der Zeit nicht so dolle. Aber inzwischen läuft es wieder. Von ein paar erzwungenen Stopps mal abgesehen.
 

Ganz so märchenhaft ist die folgende Geschichte zwar nicht (so viele Schimpfwörter gibt es wohl in keinen Märchen, wie hier Oo), und sie erinnert auch nur entfernt an das Vorbild, Die Schöne und das Biest, dafür ist sie aber die Sidestory zu 'Der Nerdkönig'.

In Beauty vs. Beast erfahrt ihr, wie es mit Gigi und Elijahs großen Bruder weitergeht. Und vor allem, wie es eigentlich erst dazu gekommen ist, dass die beiden, während Xander und Elijah sich wieder versöhnt haben, sich unterdessen im Wohnzimmer miteinander vergnügten.

Sie ist mit einem kleinen Augenzwinkern zu genießen, denn ich denke nicht, dass sie sehr realitätsnah ist. Aber das muss sie auch nicht. Ist schließlich ein Märchen xD

Wer 'Der Nerdkönig' noch nicht kennt, und ihn vielleicht vorher erst noch lesen möchte, um die Darsteller besser kennen zu lernen, kann das hier: https://ssl.animexx.de/fanfiction/autor/723837/342688/ tun.

Ansonsten wünsche ich euch viel Spaß mit der kleinen Advents-Sidestory und dem kleinen Ratespiel, wer von den beiden das Biest, und wer der Schöne ist. Oder sind sie hinterher beides? Wer weiß ... ^^

Eure Fara
 


 

Beauty vs. Beast
 


 

Prolog
 

"Ooch Mann … Wo bleibt der nur?" Mir wird doch immer so schnell langweilig!

Ungeduldig wippe ich mit einem Fuß und stütze mein Kinn auf die Hand, dessen Ellenbogen auf meinem übergeschlagenen Bein ruht. "Laaangweilig", puste ich gegen meinen Handballen ins leere Zimmer.

Ob ich doch mal nachschauen soll, wer da an der Haustür geklingelt hat? Ich glaube zwar nicht, dass es Elijah ist, das hofft mein Kumpel Xander nämlich, andererseits, so lange, wie Xander mich schon warten lässt, könnte er es eventuell doch sein.

Ich würde es Xander wirklich wünschen, dass der kleine Elijah wieder in seine Arme zurückgeflattert gekommen ist, und ihm das verzeiht, was auch immer Xander angestellt haben soll, denn dass mein Xanderlein unter Elijahs plötzlichem Untertauchen so sehr leidet, das hat er echt nicht verdient. Jedenfalls dieses Mal nicht. Denn diesmal war er nämlich ganz brav. Ein seltener Zustand, weshalb man diesen auch nicht bestrafen sollte.
 

Xander kann des Öfteren ein ziemliches Arschloch sein, sage ich euch. Ein vor kurzem noch sehr oberflächliches Arschloch, wohlgemerkt. Das scheint sich seit Elijahs Auftauchen allerdings geändert zu haben. Xander hat sich ohne Flachs um hundertachtzig Prozent gewandelt. Und 'Schuld' daran ist bloß das kleine Ding, das sich Liebe schimpft.

Gestern noch war er glücklich und schwebte auf Wolke sieben, doch dann passierte etwas. Xander beteuert, er habe nichts angestellt, doch Elijah war plötzlich weg. Bis zur jetzigen Stunde.

Ich schwöre, ich habe meinen Kumpel noch nie so fertig gesehen. Er hat sich tatsächlich in den kleinen, anfangs unscheinbaren Streber verliebt. Mit ein wenig Hilfe meinerseits, wenn ich das mal ganz bescheiden erwähnen darf. Aus dem Fröschlein mit Hornbrille Elijah wurde ein süßer junger Prinz mit einem recht ansehnlichen Knackpo. Ein Prinz, der Xander ganz schön zeigt, wo es lang geht. Genau das, was mein Kumpel braucht. Hoffentlich vertragen die beiden sich wieder ...

Ich seufze theatralisch und kaue auf dem Fingernagel meines kleinen Fingers herum.

Die Liebe. Die kann auch ein ganz schön großes Arschloch sein. Das weiß ich nur zu gut. ... Wirklich zu gut …
 

Schnell verjage ich die trübsinnigen Gedanken, die drohen, mich aus meiner Vergangenheit heimzusuchen und stelle mir stattdessen wieder Xander und Elijah vor. Schon breitet sich ein fettes Grinsen in meinem Gesicht aus. Vielleicht ist es ja doch Elijah, der an Xanders Pforte geklopft hat. Falls ja, dann kleben die beiden jetzt sicher fest aneinander, gegen den Türrahmen gedrückt und lecken sich das halbe Gesicht ab. Okay, das muss ich mir anschauen! Die zwei gäben wirklich ein so süßes Paar ab!
 

Voller Neugier und Entdeckerfreude erhebe ich mich und schleiche aus Xanders putzig-kleinem Jugendzimmer.

Auf Zehenspitzen gehe ich den Flur entlang, bis ich nahe des Treppenabsatzes stehen bleibe. Gaaaanz vorsichtig spähe ich um die Ecke und … erstarre. "Nein", hauche ich. "Das kann nicht sein!"

Fassungslos des Anblicks, der sich mir unten bietet, starre ich hinab in den Flur, an dem Rücken meines besten Freundes vorbei auf dessen Besucher. Das ist definitiv nicht der kleine Elijah! Ganz und gar nicht!

Mir wird erst wahnsinnig heiß, dann eiskalt, als ich gänzlich realisiere, WER da im Türrahmen steht. Ich bin so perplex und erschrocken darüber, dass ich alle Vorsicht vergesse, und die Treppe hinabtaumle. Gut, dass ich mich dabei am Handlauf festhalten kann, denn meine Beine fühlen sich an, als hätte sie jemand vor langer Zeit abmontiert und sie erst vor einigen Minuten wieder angeschraubt. Wie ein Fremdkörper bewege ich sie Stufe um Stufe. Unten angekommen, bleibe ich wie angewurzelt stehen und umklammere weiterhin fest das Geländer, damit mich der überkommene Schwindel nicht doch noch auf die Fresse befördert.

"Ach, soll mein Bruder sich das nur ausgedacht haben?", fragt der Besucher Xander aufgebracht. In meinem Kopf beginnt es zu arbeiten. Bruder? Doch noch bevor ich das ganze Ausmaß und der Bedeutung dieser Worte erfassen kann, bin ich wieder mit meinen aufgewühlten Gefühlen beschäftigt und starre das mir so bekannte Gesicht an.

"Nein", höre ich Xander brummen. "Ich weiß doch auch nicht, woher er das hat. Bring mich zu ihm. Ich kläre das." Xanders Stimme klingt flehend, doch mich will das nicht so recht erfreuen. Zu sehr nimmt mich der Anblick des Besuchers mit. Von seiner Stimme will ich mal gar nicht anfangen zu sprechen. Sie schafft es immer noch, mir heiß-kalte Schauer über den ganzen Körper prasseln zu lassen. Allerdings nicht nur die angenehmen Vertreter ihrer Art.

"Du machst Scherze?", zischt der Besucher spöttisch und mir wird ganz flau im Magen.

"Willst du, dass Elijah weiter traurig ist?", fragt Xander ihn.

"Nein, natürlich nicht."

"Dann lass mich mit ihm reden!"

"Unter einer Bedingung: Wenn du mit ihm redest, bin ich dabei."

"Kein Problem."
 

Ich bin im Allgemeinen nicht der Schnellste, wenn es darum geht, gewisse Situationen zu deuten, doch diesmal scheint mein Schaltzentrum im Kopf Hochleistungen zu vollbringen. Anscheinend hat es im Hintergrund die passenden Fäden ohne mein Zutun gezogen und präsentiert mir nur das Ergebnis seines Alleingangs.

'Bruder', hallt es in meinem Kopf nach. Auf der Stelle taucht Elijahs Konterfei vor meinen Augen auf und vergleicht es mit Xanders Besucher. Und auf einmal sehe ich die Ähnlichkeit. ER ist Elijahs Bruder!

Innerlich schimpfe ich mich einen blinden Vollidioten und frage mich, warum mir die Ähnlichkeit zu IHM nicht schon vorher Aufgefallen ist. Spätestens als ich Elijah für meinen armen, oberflächlichen Xander herausgeputzt habe, hätte es doch bei mir klingeln müssen. Aber ich finde keine Antwort darauf. Vielleicht wollte ich die Ähnlichkeit nicht sehen, nicht bewusst zumindest, obwohl ich mir gerade immer sicherer werde, dass gerade diese Ähnlichkeit mich dazu veranlasst hat, Elijah von einem unscheinbaren Laubfrosch in einen strahlenden Märchenprinzen zu verwandeln. Einem, der IHM so verdammt ähnlich sieht.
 

Oh Mann! Ich fasse es nicht! Ich habe, ohne es zu wissen, die ganze Zeit SEINEN Bruder vor meiner Nase gehabt! Eigentlich kann es doch gar nicht so einen Zufall geben, und es ist beinahe zu verrückt, um wahr zu sein, aber da steht er. ER, den ich seit so langer Zeit nicht mehr gesehen habe, und jetzt, wo ich ihn wiedersehe, kann ich ihn unter keinen Umständen wieder verschwinden lassen. Was auch immer hiernach geschehen wird. Egal, welche Konsequenzen das nach sich ziehen wird, ich muss handeln! Jetzt!
 

"Ich komme mit", sage ich mit fester Stimme, wobei ich die Aufmerksamkeit der beiden Männer vor mir auf mich ziehe.

Xander sieht mich kurz überrascht an, dann blickt er jedoch entschlossen. Er sagt etwas, aber das verstehe ich kaum, kann nur auf sein Gegenüber starren, der mich ebenso erschüttert anschaut, wie sicherlich ich ihn.

Kurz hoffe ich, ja ich ertappe mich sogar für eine Millisekunde dabei, wie ich stumm darum bete, dass er irgendwas sagt, etwas tut, das in irgendeiner Weise darauf hindeutet, dass er erfreut darüber ist, mich zu sehen, doch nichts. Der Hoffnung folgt Ernüchterung. 'Nichts hat sich verändert', schießt mir enttäuscht durch den Kopf. Sein erschütterter Gesichtsausdruck, als er mich unbestreitbar ebenfalls wiedererkannt hat, weicht seiner üblichen undurchdringlichen Miene aus Überheblichkeit und Unnahbarkeit. Meine Knie verwandeln sich in Gelee ...
 

Dann geht alles ganz schnell.

Xander winkt mich hastig zu sich, nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her. Draußen im Hof bekomme ich ein hartnäckiges Brodeln im Bauch, als ich den großen schwarzen Geländewagen sehe. 'Das ist mein Baby. Ich habe ihn schon seit ich meinen Führerschein habe, also wage es ja nicht, ihn so zickig zu behandeln, wie du mich ständig behandelst', hallt SEINE Stimme aus der Vergangenheit. Er hat sein Baby also immer noch ...

Es kostet mich einige Überwindung in den Geländewagen zu steigen. Erst recht, weil ich hinten auf der Rückbank sitzen muss, wo mein Platz damals doch vorn auf dem Beifahrersitz war. An seiner Seite, und doch immer so weit von ihm entfernt …

Wieder zwinge ich meine Gedanken in andere Bahnen. Offensichtlich ist es besser so, dass ich hier hinten sitze. Zu viele Erinnerungen da vorn. Leider sind die meisten davon negativer Natur ...
 

***
 

Die Fahrt dauerte allerhöchstens zwanzig Minuten, worüber ich froh war, denn ich vermied es peinlich genau, in Richtung Fahrer zu schauen oder gar in den Rückspiegel. Nur einmal habe ich es gewagt, sah SEINE stechenden Augen, die zurückschauten, und sah erschrocken wieder weg. Stattdessen habe ich mich abgelenkt, indem ich mir während der Fahrt jede Abzweigung, jeden Straßennamen eingeprägt habe. Das war auch nicht schwer, denn ich fasse es kaum, doch ER wohnt ganz in meiner Nähe. Oder zumindest Elijah, was für mich jedoch auf das Selbe rauskommt. Wenn ich weiß, wo sein Bruder wohnt, dann kann ich auch endlich herausfinden, wo ER wohnt. Dazu brauche ich nur den kleinen Elijah zu fragen. Vorausgesetzt, ich würde das irgendwann mal wissen wollen. Also ich will schon, aber … Ach Scheiße! Es ist einfach zu kompliziert! ER ist zu kompliziert. Das mit uns ist zu kompliziert. War es von Anfang an und trotzdem macht es mich glücklich zu wissen, dass ich endlich mehr über IHN herausfinden könnte, wenn ich es denn wollen würde.
 

Meine Freude darüber weiß ich gut vor Xander zu verstecken. Allzu schwer ist das allerdings auch nicht. Er steht gerade neben mir, in Elijahs Zuhause, und ist ein totales Nervenbündel und kann sicherlich nur an Elijah denken. "Ihr wartet hier", brummt ER, ehe ER im Flur verschwindet und Xander und mich im Wohnzimmer zurücklässt. Ich schlucke hart und versuche den Anblick SEINER Rückenansicht, die sich in meine Augen gebrannt hat, zu vergessen. Ebenfalls die damit verbundenen Erinnerungen, die mich immer wieder hinterlistig zu überfallen versuchen. Weg mit euch!

"Oh Mann! Wie lange müssen wir den noch warten?" Xander zieht eine beleidigte Schnute*.

Das bringt mich zum Lachen. "Er ist doch gerade erst aus dem Zimmer raus." Er ... Natürlich kenne ich seinen Namen, doch ich kann ihn noch nicht mal Denken, geschweige denn ihn aussprechen. Außerdem würde Xander dann vielleicht auffallen, dass ich ihn kenne, obwohl ER sich uns gar nicht vorgestellt hat. Zumindest mir nicht. Also heute meine ich. 'Du willst wissen, wie ich heiße? Rate doch mal. Kleiner Tipp: So dämlich wie Gigi ist er nicht.' Oh wie überheblich er damals dabei gelacht hat! Und wie seine Augen mich dabei ungeniert angestarrt haben. Richtig begutachtet hat er mich. Von oben bis unten und wieder zurück. Ich hätte ihm am liebsten einen Faustschlag mitten in sein dämlich-hübsches Gesicht gesetzt, während ich das Kribbeln und Pochen in meinem Körper hartnäckig verdrängt hatte.

"Ich meine ja nur. Ich will endlich mit Elijah reden. Ich hasse den Gedanken, dass er glaubt, ich würde ihn hintenrum verarschen", jammert ein total aufgelöster und nervöser Xander neben mir.

"Wie er bloß darauf kommt ..." Ich grinse schmal, was mir nach dem kleinen geistigen Ausflug in die Vergangenheit gar nicht leicht fällt.

"Was soll denn das heißen?"

Ich seufze, hauptsächlich, um endgültig vom Nachhall seines Lachens loszukommen, schüttle den Kopf und schnalze mit meiner Zunge. "Als ob du das nicht wüsstest. Du hast doch jeden Abend einen anderen Typen an der Angel." ER sicher auch. Meine Brust wird eng. ER und seine Freunde machen sich bestimmt jeden Abend über die Armen Loser lustig, die blind in SEIN Netz getappt sind. Warum alte Gewohnheiten ändern? Es sei denn, ER hätte jemanden gefunden … Mein Herz krampft.

Nein! Hör auf Gigi! Nicht weiter darüber nachdenken!

"Menschen ändern sich", höre ich Xander neben mir seufzen. "Außerdem wusste jeder von ihnen, dass es nur Spaß war. Aber das mit Elijah ist was anders. Vollkommen anders ..."

"Ich sehe schon", grinse ich und wundere mich erneut über Xanders plötzlich erwachtes Monogamiebedürfniss, freue mich aber unendlich darüber. Mein Kleiner wird erwachsen. "Du bist verknallt. Und zwar volle Kanne." Mein Kumpel mustert verlegen die Wand neben uns. "Keine Widerrede? Also gibst du es zu?"

"Warum stehe ich sonst hier und warte darauf, dass ich endlich zu ihm kann?" Wieder ist das enge Gefühl in meiner Brust. Wenn Xander bei Elijah ist, dann heißt das, dass ER sicher zu mir kommen wird, oder? Ich denke nicht, dass ER bei dem Gespräch der beiden dabei sein wird. Bei einer Aussprache zweier Liebender stört ein dritter doch nur.
 

Doch falls ER dann zu mir kommt, was dann? Was sage ich zu ihm? 'Hey! Lang nicht gesehen. Wie geht's wie steht's? War doch ulkig, wie wir uns damals kennengelernt haben, nicht?' Wohl kaum!

Besonders das Ende unserer kleinen Liaison war nicht gerade die feine englische Art. Und das ging hauptsächlich von meiner Seite aus. Weil ich zu stolz war, ihm nicht glauben wollte. Weil mein Ego einfach zu groß war und es noch immer ist, um meinen Fehler vor IHM einzugestehen. Weil mich alles, was ER tut oder sagt, rasend macht. Weil ich IHM am liebsten die Augen auskratzen, andererseits aber gleichzeitig voller Gier meine Zunge in den Hals stecken will.
 

Xander sieht mich mit einem merkwürdig besorgten Gesichtsausdruck an. "Dann leg dich ins Zeug und beweise ihm, dass du es ernst meinst", sage ich deshalb zu ihm. Ein: Ich weiß, wovon ich spreche, verkneife ich mir.

"Das habe ich vor", antwortet er mir überzeugt.

Ich setze wieder mein fröhliches Gigi-Grinsen auf, um damit von dem abzulenken, was in Wahrheit in mir vorgeht. Ich will nicht, dass Xander etwas von dem ganzen Drama mitbekommt. "Ich kann ja mal probieren, bei seinem netten Bruder ein gutes Wort für dich einzulegen ...", sage ich und hoffe, es kommt so rüber, wie ich es geplant habe.

"Mach das", grinst Xander zurück und zeigt mir damit, dass mein Plan aufgegangen ist. Jetzt denkt er, der gute alte Gigi will sich an den großen Bruder ranschmeißen. Das ist besser so. Er soll ja schön glauben, mit mir sei alles in Ordnung. Gigi reißt seine Späße. Der gutgelaunte, flippige Friseur eben.
 

Plötzlich geht die Tür auf. ER ist es. Ein Gesicht, wie drei Jahrhunderte andauerndes Regenwetter und er ist der einzige auf der Welt, der keinen Regenschirm besitzt. Falls es noch eine Möglichkeit zur Aussprache zwischen uns geben sollte, und diese, wider meines Erwarten, gut verläuft, kann er gern unter meinen Schirm.

"Du kannst zu ihm. Er will alleine mit dir reden, aber wehe, du tust ihm was an." Drohend baut ER sich vor Xander auf, aber meinen Freund interessiert das nicht. Xander würde es auch mit dem Fürsten der Hölle persönlich aufnehmen, um an sein Ziel zu gelangen. So war er schon immer, und ich gehe jede Wette ein, dass er dieses mal sogar noch entschlossener ist, und es zusätzlich zum Höllenfürsten noch mit sämtlichen Dämonen der Unterwelt aufnehmen würde, wenn er müsste. Schließlich kämpft er diesmal um etwas wichtiges.

Ich beneide ihn darum. Wieso konnte ich damals nicht kämpfen? 'Weil es leichter ist, gegen eine Horde Dämonen zu kämpfen, als gegen sich selbst.'

"Dazu wirst du keinen Grund haben", antwortet Xander IHM mit fester Stimme und drängelt sich an IHM vorbei hinaus in den Flur.

Noch ehe die Tür hinter ihm zuschlägt, ruft ER ihm noch zu, in welchem Zimmer sich sein Märchenprinz verbirgt. Dann sind wir alleine. Das erste mal seit langer Zeit ...
 

Ich schlucke hart, was ER zum Glück nicht mitbekommt, da er noch zur Tür schaut. Doch dann dreht sich sein Kopf in meine Richtung und in meinem Bauch bildet sich ein heißer, harter Klumpen. "Du", sagt ER emotionslos und sieht mich an, als wolle er mich auf der Stelle in Flammen aufgehen lassen.

"Ja ... Ich", antworte ich geistreich. Mein Herz rast. Obwohl ich am liebsten auf ihn zurennen würde, stehe ich da wie erstarrt. Mein Ego lässt mal wieder grüßen.

"War ja klar, dass so jemand wie der da", ER zeigt hinter sich zum Flur hinaus "nur mit dir befreundet sein kann." Okay, das habe ich verdient. Ein klitzekleines bisschen zumindest. Xander jedoch nicht.

"Xander ist ein guter Kerl", verteidige ich ihn. "Das mit ihm und deinem Bruder war nur ein Missverständnis. Die beiden klären das jetzt sicher." Ich bin froh, dass ich den Satz ganz ruhig und sachlich rüberbringen konnte. Abwarten, wie lange ich das noch aufrechterhalten kann. Lange wird es nicht dauern, bis ich in seiner Gegenwart explodiere. Das war schon immer so.

Seine Mundwinkel verziehen sich spöttisch. "Klärende Worte können manchmal nicht schaden. Vorausgesetzt, der eine glaubt dem anderen und verabschiedet sich nicht einfach mit einem festen Tritt in die Eier." Das Flaue Gefühl in meinem Bauch verstärkt sich. Diesen Seitenhieb habe ich wirklich verdient. Genau wie sein abwertendes Gehabe, das er mit gegenüber an den Tag legt. Nachdem, was zwischen uns vorgefallen ist, ist es auch nicht groß verwunderlich, dass er nicht mit Freudensprüngen auf mich reagiert. Ganz und gar nicht …
 

******
 

* Na also wirklich! Mein Rechtschreibprogramm mal wieder. Kennt das Wort Schnute nicht und will mir stattdessen das Wort Suchnute andrehen. Was soll'n das sein?! Oo

Runde I - Nimm mich für ihn

Runde I - Nimm mich für ihn
 

Aber auch wenn ER allen Grund hat, mir für damals Vorwürfe zu machen, ER ist beileibe auch kein Unschuldsengel gewesen.

Wenn ich nur daran denke, wie er mich behandelt hat, wie herablassend und besserwisserisch, er regelrecht auf mich nieder geschaut hat, fast genau so, wie er es jetzt tut, gerate ich wieder in Rage, und das zeige ich ihm auch.

Ich schicke vernichtende Blicke in seine Richtung, die er, wie immer, mit einem sarkastischen Lächeln beantwortet. Und da will ER mir einen Ratschlag in Sachen klärende Worte erteilen?! Tse! Das ich nicht lache!

Schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen hatte er rein gar nichts für klärende Worte übrig, hat mich nur mit diesem, für ihn so typischen, abwertenden Blick angeschaut, als wäre ich ein kleiner dummer Junge.

Für ihn war doch seit je her immer nur eins wichtig: ER selbst und dass ER seinen Spaß hatte. Wer dafür herhalten musste war ihm gleich, Hauptsache hübsch und willig. Das gab er mir bei unserem ersten Zusammentreffen auch ohne viel Federlesens zu verstehen.

Unser erstes Treffen ... Ich musste die letzten beide Jahre so oft daran denken. Besonders an das darauf folgende Wochenende, das wir miteinander verbracht hatten. Seit dem überlege ich immer wieder hin und her, ob ich nicht etwas anders machen hätte sollen, komme aber immer wieder zu dem Ergebnis, dass ich so oder so nicht über meinen eigenen Schatten hätte springen können. Wie auch? Allein an ihn zu denken macht mich immer noch rasend. Rasend vor Wut und rasend vor Sehnsucht. Leider überwiegt meist die Wut in mir und ich komme nicht aus meiner Haut, kann meinen Stolz nicht überwinden und nicht das kleinste bisschen nachgeben. Selbst heute bin dazu nicht in der Lage, fürchte ich ... Oder vielleicht doch? Kann ich meinen Stolz runterschrauben und den anderen Gefühle in mir endlich mehr Raum geben? Ein paar mal war ich kurz davor, doch ...

"Was ist denn Lui? Hat es dir bei meinem Anblick wieder die Sprache verschlagen?"

'Lui.' Oh ich könnte ihm …!

Ich schlucke und hasse mich dafür, denn ich weiß, dass er das mitbekommen hat, denn er sieht mich mit einem überheblich-siegreichen Grinsen an.

'Ja', würde ich, ungeachtet seines Verhaltens und dieses beschissenen 'Kosenamen', den er mir verpasst hat, so gern sagen. 'So, wie dein Anblick es schon immer getan hat', doch da ist sie wieder, die Wut und das heiße Gefühl im Bauch, ihn besiegen zu müssen und mir auf keinen Fall auch nur die kleinste Blöße vor ihm geben zu dürfen.
 

Aus diesem Grund gebe ich mich in seiner Gegenwart sofort genauso hochnäsig und abwertend wie er. Trotz der zwei Jahre die zwischen unserem letzten Treffen liegen, ist es noch genau so wie bei unserem letzten Wiedersehen zwischen uns. Wie zwei kampfeslustige Hirsche, die kurz davor sind, mit ihren Geweihen voran gegeneinander zu prallen, obwohl ich doch viel lieber mit ihm hinter den nächsten Baumstamm verschwinden würde, um ... Es ordentlich knallen zu lassen. Ihr versteht? Doch das einzige, das hier knallt, ist meine Sicherung, fürchte ich.

Ich verschränke also meine Arme vor der Brust und grinse ebenfalls überheblich zurück. Meine Nase dabei so hoch gen Himmel gerichtet, wie es nur geht, ohne komplett lächerlich zu wirken. Und da ist er wieder, der unausweichliche Trotz, den ich in seiner Gegenwart verspüre. "Na klar", lache ich sarkastisch. "Bei einem so geilen Hengst wie dir kann ich gar nicht anders, als in Ehrfurcht zu erstarren", speie ich ihm entgegen, und hasse mich sofort selbst dafür.

"Hab nichts anderes erwartet", kontert er und lässt seine Kiefermuskeln spielen.

Ich presse meine dagegen fest zusammen. Er hat immer noch diese verdammt starke Wirkung auf mich! Positiv wie negativ. Scheiße! Was soll das bringen? Er hat sich kein Stück verändert, wie ich insgeheim so sehr gehofft hatte.

In meiner Fantasie malte ich mir ständig aus, wie wir uns irgendwo unvorbereitet treffen, uns ansehen und uns ohne ein einziges Wort um den Hals fallen. Aber Pustekuchen. Das Leben ist eben kein watterosiges Märchen. Wäre es so, würden wir uns nun nicht gegenüberstehen wie zwei alt eingeschworene Erzfeinde, bereit, dem anderen einen Hieb nach dem nächsten zu verpassen.

Dabei hätte doch an unserem letzten Tag alles so einfach sein können, hätte ich nur einmal meinen Stolz und mein Ego runtergeschraubt, und ihm zugehört. Aber ich konnte nicht. Ich konnte einfach nicht nachgeben. Heute wie damals ...
 

***
 

Es war einmal ... Fangen so nicht alle Märchen an? Irgendwas mit: In einem weit entfernten Land lebte einmal ein junges, wunderschönes Mädchen, oder sowas in der Art. Tja, bei dem nun folgenden Märchen würde der Märchenerzähler ganz anders beginnen.

Zum Beispiel so:

Stickige Luft, geschwängert mit Testosteron. Kunstnebelschwaden, heiße Bodys, einige unbekleidet und glänzend, die sich im bassdröhnenden Takt der Musik zuckend bewegen. Willkommen in Gigis Märchenwelt: Einem umtriebigen Gay-Club.
 

"Ich bin ja so aufgeregt!" Kevin, oder wie ich ihn immer nenne, Kev, sieht mich mit seinen großen unschuldigen blauen Augen an. "Es ist so toll hier! Danke, dass du mich mitgenommen hast!"

"Kein Ding", erwidere ich grinsend. "Bist ja jetzt schließlich alt genug dafür." Großväterlich wuschle ich ihm durchs Haar, was ihn immer ganz wütend macht. Lachend richte ich es ihm wieder. Bin ja nicht umsonst einer der besten Hairstylisten der Stadt.

"Ich geh wieder auf die Tanzfläche. Kommst du mit?"

"Nee, lass mal", winke ich ab. "Ich bleibe hier und lasse mir meinen Drink schmecken." Kev lächelt mich vergnügungslustig an und verschwindet ohne Wiederwort wieder in der tanzenden Menge.

Soll er ruhig seinen Spaß haben. Zwar glaubt seine Mutter (meine Tante Carina), dass ich wie ein Adler über ihren einzigen Sprössling wache, aber was soll's. Kev ist schlau genug, um nicht auf diese windigen Typen reinzufallen, die ihm nur an den kleinen jungfräulichen Arsch wollen. Na ja, jungfräulich ist er schon seit einiger Zeit nicht mehr. Laut seiner Aussage nach jedenfalls. Ob ich ihm das glaube, das ist eine andere Frage.
 

Ich wende mich wieder dem süßen Barkeeper und meinem noch süßeren Cocktail zu (ich liebe dieses Wort. Cock-tail ... hrrr) und nippe am Strohalm. Mit dem Fuß wippe ich im Takt der elektronischen Musik und hänge meinen Gedanken nach.

Wie lange ich das tue, weiß ich nicht genau. Nur, dass ich schon an meinem vierten Drink hänge, als mir jemand von hinten an die Schulter tippt. Kev steht strahlend wie ein Glühwürmchen hinter mir. "Na? Gut amüsiert?", frage ich ihn mit watteweicher Zunge. Der Alkohol hat seine Wirkung nicht verfehlt. Betrunken bin ich noch lange nicht, aber schon recht gut angeheitert, wie ich bemerke. Der Barkeeper meinte es sehr gut mit mir, wie es scheint.

"Und wie!", quietscht Kev und klatscht in die Hände. "Ich habe jemanden kennengelernt."

"So so ..." Ich werde hellhörig. Gefahrenstufe eins ist angesagt. "Wen denn?"

"Einen superheißen Typen! Er hat mich, kurz nachdem ich auf die Tanzfläche bin, angesprochen. Wir haben die ganze Zeit über miteinander geknutscht!" Oh oh. Gefahrenstufe fünf leuchtet auf!

"Habt ihr das?", frage ich lauernd und rutsche vom Barhocker. Kev nickt. "Wo ist der superheiße Typ denn?"

"Ähm ..." Mein Cousin sieht sich um. "Da! Dort hinten bei der großen Gummi-Palme." Heute ist karibische Nacht im Club. Bloß falls Fragen aufkommen. "Er hat ein ockerfarbenes Oberteil an."

"Ich sehe ihn", knurre ich. Der Kerl ist doch viel zu alt für Kev! Eindeutig ein Aufreißer und eindeutig nichts für einen Jungen von gerade mal achtzehn Jahren.

"Ist er nicht heiß?" Ja, ist er. Doch das tut nichts zur Sache. "Er hat mich eingeladen, das Wochenende mit ihm zu verbringen." Soeben verdoppelt sich die Gefahrenstufe. All meine Alarmsirenen heulen auf. Da ist doch was gewaltig faul!

"Wofür?", möchte ich von meinem kleinen, anscheinend doch schnell herumzubekommenden, Cousin wissen.

"Ähm ... irgendeine Familiensache. Er will mich mitnehmen."

"Einfach so?", puste ich.

"Ja." Kleine Herzchen in Kevins Augen. Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht.

"Na das werde ich doch gleich mal überprüfen", schnaube ich und laufe los. Kev folgt mir wie ein aufgeregtes Huhn.

"Gigi! Was hast du vor?", gackert er erschrocken.

"Was wohl? Den Typen genaustens unter die Lupe nehmen." Ich höre, wie Kev einen entsetzen Laut von sich gibt und ich weiß, dass ich mich mit der Aktion sehr unbeliebt bei ihm mache, aber ich kann ich nicht einfach mit einem Fremden weggehen lassen. Carina bringt mich um! Und das zu recht.

"Bitte Gigi! Das musst du nicht tun!" Er zieht an meinem Arm, doch davon lasse ich mich nicht aufhalten. Ich halte geradewegs auf den Kerl im ockerfarbenen Oberteil zu und bremse erst, als ich genau vor ihm stehe.
 

Er ist mir seitlich abgewandt und tippt abwesend auf seinem sehr teuer aussehenden Handy herum. Sehr sympathisch. Muss man schon sagen. Snob! Hoffentlich klaut ihm jemand sein dämliches Handy. Widerlicher Kinderverführer!

"Gigi!", zischt Kev mir leise zu und fummelt immer noch an meinem Arm herum. Vergebens. Zudem wurde sein Sugardaddy dadurch auf uns aufmerksam.

Mit hochgezogener Augenbraue mustert er uns. "Hallo", sagt er. "Wen bringst du denn da mit?" Eine hart zuschlagende Faust, wenn du meinem Cousin auch nur ein Haar krümmst!

"Ähm ... Das ist Gigi", fiepst Kev peinlich berührt.

"Gigi?" Der Arsch lacht auf. "Wie süß." Ich knirsche mit den Zähnen und beginne vor Wut zu kochen.

Ich werde von oben bis unten genaustens gemustert. Wie das Urteil dieses Widerlings ausfällt, kann ich nicht sagen, und es ist mir auch relativ egal, auch wenn seine Blicke mir auf unerklärliche Weise eine Gänsehaut verursachen.

"Wie lautet denn dein Name?", will ich von ihm wissen und gebe mir gar keine Mühe, mir mein mehr als gereiztes Gemüt nicht anmerken zu lassen.

Wieder mustert er mich. Dieses mal mein Gesicht. Mir wird kurz heiß. Was soll das? "Du willst wissen, wie ich heiße?", lacht er schließlich auf. "Rate doch mal. Kleiner Tipp: So dämlich wie Gigi ist er nicht." Oh dieser …!

Ich balle meine Hände zu Fäusten. "Kevin? Hol deine Jacke", knurre ich.

"Was? Wieso?" Mein kleiner Cousin reagiert total panisch auf meinen Befehl.

"Wir gehen", antworte ich knapp, packe seinen Arm und ziehe ihn mit mir.

"Ich will aber nicht!", schreit er und versucht sich zu wehren. "Lass mich los!" Ich kassiere einen Schlag auf meinen Arm. Erschrocken lasse ich ihn los und muss dabei entsetzt zuschauen, wie er zu diesem verdammten Aufreißer zurückrennt und sich in seine Arme flüchtet. Überheblich grinsend sieht dieser Typ mich dabei an. Ich könnte platzen vor Zorn!

"Kev! Komm sofort her!"

"Nein! Du hast mir gar nichts zu sagen!" Und um noch eins drauf zu setzen, fängt Kev auch noch an, mit diesem Widerling herumzuknutschen. Das ist doch zum aus der Haut fahren!

Wutentbrannt laufe ich auf die beiden zu. Das Kinder verführende Schwein bemerkt das und schiebt Kevin hinter sich. "Fass ihn nicht an", zische ich ihm ins Gesicht. "Sonst ..."

"Sonst was?", fragt er belustigt. "Willst du mir sonst auch so eine kack Frisur verpassen, wie du sie trägst?" Ich explodiere. Niemand, aber auch niemand hat meine Arbeit zu kritisieren! Es sei denn, er ist mein Kunde und möchte etwas umgeändert haben, was ziemlich selten passiert.

"Du mieses Arschloch!", schnaube ich, hole aus und ... stoppe, noch ehe meine Faust Bekanntschaft mit seinem dämlichen Gesicht machen kann.

Stattdessen wir mein Handgelenk umfasst, mein Arm herumgezogen, sodass er auf meinem Rücken landet und ich mit meiner Kehrseite gegen den Kerl lande, der mich nun fest an sich drückt. "Loslassen!" Hilflos hänge ich in dem Klammergriff dieses Arschlochs.

Hinter mir ein Lachen. Warme Atemluft, die meinen Nacken berührt. Ich keuche unterdrückt auf. Scheiße! Wo kam das denn jetzt her? Das Lachen wird lauter. "Gut was? So fest gegen einen anderen Körper gepresst zu werden."

"Fick dich!", zische ich ungehalten.

Wieder ein Lachen. Diesmal noch näher an meinem Nacken. "Sicher, dass du nicht derjenige bist, der gefickt werden will?" AHHH!

Wütend zapple ich hilflos herum und könnte mich gleichzeitig selbst ohrfeigen, weil es in meinem Schritt anfängt zu pochen. Das kann doch nicht wahr sein! So gut sieht dieses Arschloch doch nun auch nicht aus! Und seit wann stehe ich auf solche unverschämten Äußerungen?

"Kevin, Süßer? Geh doch schon mal deine Jacke holen, solange ich deinen Freund hier von mir überzeuge, ja?"

"... Okay ..." Kev hört auf den Kerl, wenn auch nur zögernd, und verschwindet. Wenigstens etwas. So ist er vorerst aus der Reichweite dieses Widerlings.
 

"So", flüstert der Typ. "Und nun unterhalten wir uns. Ganz in Ruhe. Abgemacht?"

"Abgemacht", antworte ich durch meine zusammengepressten Zähne.

"Fein." Ich werde losgelassen. Ich drehe mich umgehend um, nicht, dass er mich wieder in den Schwitzkasten nimmt. "Ich bin Tayte." Eine Hand wird mir entgegengestreckt.

"Schön für dich Tayte. Finger weg von meinem Cousin, kapiert?" Seine kurze Verwirrung darüber, dass ich nicht seine Hand ergreife, koste ich voll und ganz aus.

Sie hält nur leider nicht lange an. Sein Arm senkt sich und sein Rücken streckt sich durch. Der Kerl ist größer als ich, was mich wieder zum Kochen bringt. Von unten herab schaut er mich an und verzieht spöttisch seinen Mund. "Warum sollte ich das tun?", fragt er mich. "Er ist scharf auf mich."

"Er ist noch ein halbes Kind!" Sieht er das denn nicht?

"Kevin hat gesagt, dass er volljährig ist. Also alles bestens."

"Bestens?"

"Ja, bestens."

"Ich geb dir gleich bestens, du ..." Ich bin nahe dran ihn erneut anzufallen, beherrsche mich jedoch.

"Wenn, dann gebe ich es dir, nur mal so nebenbei bemerkt", lacht er gehässig. "Dein Hintern eignet sich sicher viel besser zum hinhalten, als meiner."

"Du miese Ratte", grolle ich. "Wenn du Kevin auch nur noch einmal anfasst, dann drehe ich dir den Hals um." 'Warum bis dahin warten? Tue es jetzt!', höre ich das kleine Teufelchen auf meiner linken Schulter sagen. Selbst das Engelchen auf der anderen nickt beipflichtend und übt Luftboxen. Meine Finger kribbeln voller Tatendrang.

"Mann, bist du eine Zicke", grinst Tayte. "Komm mal runter." Er macht einen Schritt auf mich zu, was wohl einschüchternd wirken soll, doch ich bleibe unbeirrt stehen.

"Kevin wird nicht mit dir das Wochenende verbringen. Und das wirst du ihm gleich sagen, wenn er wieder hier ist. Ansonsten wirst du es bereuen."

"Ah ja. So gerne ich das würde, aber", meint dieser Mistsack sarkastisch, macht dann eine bedeutungsschwangere Pause, so glaubt er wahrscheinlich, schaut durch den Club und leckt sich dabei über die Lippen, bis er wieder mich anschaut und weiterspricht "dein kleiner Cousin hat mir schon versprochen, dass er mich begleiten wird. Und versprechen nehme ich sehr ernst."

"Mir scheiß egal! Sag ihm, dass du ihn, wohin auch immer, nicht mehr dabei haben willst!", keife ich ihn an.

"Hm ... Und wenn ich das tue, was bekomme ich dafür dann von dir?"

"Was?" Hat der sie noch alle?

"Was bietest du mir, was er mir nicht bieten kann?" Er will was dafür, dass er Kevin abserviert? Eigentlich keine Schlechte Idee. Besser, als dass sich ihm Kevin zum Fraß vorwirft.

"Eine gratis Frisur. Ganz nach deinen Wünschen." Verdattert starrt Tayte mich an, fängt dann urplötzlich an laut loszulachen. "Das war ernst gemeint! Ich bin Friseur. Einer der besten. Ich habe letzten Monat in Berlin den zweiten Platz in der Meisterschaft gemacht und ..."

"Du bist Friseur? ... Pfahhahaha! Wie passend!" Okay. Nun bin ich echt beleidigt.

"Hör auf zu lachen du widerlicher Snob!"

"Moment", japst er und wischt sich über die Augen. "Du bist ... also Friseur, ja?"

"Was dagegen?" Ich bin stinke sauer. Was bildet der sich eigentlich ein?

"Nein, aber ... egal." Er atmet einmal tief durch. "Auch wenn du der beste Friseur der Welt wärst, ich will keine neue Frisur."

"Was willst du dann?"

"Einen Ersatz für deinen kleinen schnuckeligen Cousin", antwortet er mit einem gehässigen Grinsen im Gesicht.

"Und woher soll ich den bekommen?"

"Keine Ahnung." Schulterzucken. "Wie wäre es mit dir?"

"Mit mir?!" Okay, nun ist es amtlich. Der Kerl ist durchgedreht!

"Ja."

"Du spinnst! Nie im Leben würde ich mit so jemanden wie dir das Wochenende verbringen."

"Gut." Noch ein Schulterzucken. "Dann nehme ich Kevin mit und mache all die verdorbenen Dinge mit ihm, die er mir vorhin lüstern versprochen hat." Mir fällt alles aus dem Gesicht.

"Du lügst", krächze ich. "Er hat dir gar nichts versprochen."

"Warum sollte ich lügen? Dein kleiner Cousin ist wirklich ein versautes Früchtchen. Was er da alles losgelassen hat ... Bin schon gespannt, was ihm sonst noch alles einfällt." Mir reißt die Hutschnur entzwei.

"Du wirst nichts von alle dem mit ihm machen! Nur über meine Leiche!" Drohend baue ich mich vor ihm auf. Es mag leicht lächerlich wirken, da er, wie schon erwähnt, größer ist als ich, doch scheiß drauf! Der Typ wird nicht mit Kev in die Kiste hüpfen!

"Dann komm du an seiner Stelle mit mir. Du hast die Wahl." Siegessicher werde ich angelächelt und ich bin kurz vorm Platzen. Meine Halsschlagader pulsiert schon wie wild. Sicher ist mein Kopf bereits knallrot vor Zorn. "Entscheide dich mal lieber schnell. Kevin kommt." Ich schaue hinter mich. Und tatsächlich. Gleich ist er bei uns.

"Wenn ich ja sage, dann servierst du Kevin jetzt ab?"

"Werde ich", bestätigt er mir. Bleibt mir eine andere Wahl? Ich muss doch meinen kleinen, unschuldigen Cousin beschützen. Ich kann mich gegen diesen Kerl zur Wehr setzen, doch er nicht, so blauäugig, wie er ist.

"Schön! Ich mache es. Nimm mich für ihn."

"Fein", sagt er mit einem so scheiß-arroganten Ausdruck im Gesicht, dass ich mich wieder arg zusammen nehmen muss, nicht meine Faust zu erheben. "Und apropos nehmen. Du wirst all das tun, was Kevin mir versprochen hat."

"Was?!" Mir rutscht das Herz in die Hose.

"Tust du es nicht, dann ... Hallo Kevin."

"Hey." Kev steht neben uns.

Was nun? Ich werde wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen. Aber eins verspreche ich, leicht werde ich es diesem Tayte nicht machen. "Deine Antwort?", fragt Tayte mich säuselnd und legt dabei seinen Arm um Kev. Das macht der doch extra!

"Abgemacht. Du hast mein Wort", knurre ich und sehe ihn eindringlich an. Er soll Kev loslassen!

"Hand drauf." Mir wird seine Rechte hingehalten, die ich widerstrebend ergreife. "Wunderbar! Kevin? War schön mit dir, aber meine Pläne für das Wochenende haben sich kurzfristig geändert."

"Was?" Mein Cousin schaut verwirrt aus der Wäsche.

"Ein schönes Leben noch", wünscht Tayte ihm und schiebt ihn von sich.

"Aber ..." Kev versteht die Welt nicht mehr. Ich muss hart schlucken, denn ich muss tatenlos zusehen, wie seine Augen feucht werden.

"Geh wo anders spielen", gibt sich dieses Arschloch Tayte unbeeindruckt von Kevs Gemütszustand und winkt ihn sogar von sich, während er endlich meine Hand wieder loslässt.

Kevs Schleusen öffnen sich und dann rennt er davon. Ich will ihm nach, werde aber festgehalten. Drei mal dürft ihr raten von wem. "Äh, äh, äh. Nicht abhauen. Erst will ich deine Handynummer und deine Adresse. Ich muss schließlich wissen, von wo ich dich abholen soll."

Meine Kiefer pressen sich hart aufeinander. "Hast du was zu schrieben?" Er reicht mir sein Handy.

"Aber wehe du gibst mir nicht deine richtigen Daten. Dann überlege ich es mir nochmal anders und versöhne mich wieder mit Kevin. Seine Adresse und Telefonnummer habe ich nämlich schon längst gespeichert." Oh dieser ...

"Keine Sorge", grolle ich. "Alles richtig." Mit diesen Worten gebe ich ihm sein dummes Handy zurück.

"Fein." Dieser Mistsack strahlt vom einen Ohr zum anderen. "Dann bis Freitag."

"Freitag? Da kann ich nicht! Ich muss arbeiten."

"Dann nimm dir frei, oder ..." Er dreht das Display seines Handys zu mir. Darauf er und Kev, wie sie in die Kamera lächeln und darunter unverkennbar Kevins Nummer.

"Schön", keife ich. "Ich lass mir was einfallen."

"Braver Gigi." Oh ich würde ihm am liebsten …!
 

******

Runde II - Gefangen

Runde II - Gefangen
 

Die Woche verging leider viel zu schnell. Es ist schon Donnerstag Abend und noch ein paar Minuten, bis ich Feierabend habe.

Unmotiviert kehre ich die Haarreste meines letzten Gastes zusammen. "Du hast es gut", schnauft Ivonne, eine meiner Kolleginnen. "Du musst morgen und am Samstag nicht arbeiten." Ich lächle dünn. Ich würde viel lieber bis nächste Woche durcharbeiten, als auch nur nochmal ein weiteres Mal auf dieses Widerling Tayte zu treffen.

Natürlich habe ich das nicht als Grund bei meinem Chef angegeben, weshalb ich dringend frei brauche. Familienangelegenheiten war meine Ausrede. Dass er mir frei gegeben hat, liegt vor allem daran, dass ich sonst niemals meinen Dienst verweigere und immer gute Arbeit mache. Doch meine Bonuspunkte bei ihm für diesen Arsch aufzubrauchen, ärgert mich. Ich will nicht mit ihm das Wochenende verbringen! Und ich will auch nicht mit ihm Dinge tun müssen, an die ich jetzt noch nicht mal im Traum denken möchte!

Ich muss unbedingt eine Möglichkeit finden, wie ich ihn davon abbringe, mich in die Kiste schleifen zu wollen. Am einfachsten wäre es, ich mache ihm von Anfang an klar, dass er mit mir kein leichtes Spiel hat. Ich werde so unausstehlich und zickig sein, wie nur irgend möglich.

"Gigi?" Mein Chef.

"Ja?"

"Du kannst dann gehen. Den Rest machen die Lehrlinge." Oh nein!

"Ist gut." Zögernd lasse ich mir von einem der Lehrlinge den Besen aus der Hand nehmen und schleiche mich danach von Dannen. Noch nie habe ich mich vor dem Heimweg so sehr drücken wollen wie heute.
 

Als ich dann jedoch zuhause bin, verkrümle ich mich sofort unter die Dusche. Alles läuft irgendwie automatisch ab. Die Dusche, das anschließende Zubereiten des Abendessens sowie das Essen selbst. Das Geschirr weggeräumt, bleibe ich unschlüssig im Flur stehen. Schlafen will ich noch nicht. Sonst kommt der Morgen umso schneller. Mal ganz abgesehen davon, dass ich sehr wahrscheinlich sowieso nicht einschlafen kann. Also haue ich mich vor die Glotze.

Es läuft nur Mist, aber ich schaue eh nicht richtig hin. Immer wieder schiele ich in den Flur, wo meine bereits gepackte Tasche steht. Das Pfefferspray, das ich mir gestern vorsorglich besorgt habe, liegt ganz oben. Man weiß ja nie.
 

Ich muss schlussendlich vor dem Fernseher eingeschlafen sein, denn ich schrecke auf, als plötzlich die Türklingel geht.

Noch etwas orientierungslos schäle ich mich von der Couch, schalte den Fernseher aus und ächze. Mir tun alle Muskeln weh. "Au!" Der Tag fängt ja gut an.

Apropos Tag. Wieder klingelt es. Ich muss nicht lange überlegen, wer das sein könnte. "Scheiße", stöhne ich und quäle mich auf die Beine. Dass ich noch total verschlafen aussehe, und meine Haare noch nicht gestylt sind, juckt mich nicht. Nicht bei ihm.

"Ja?", plärre ich krächzend in die Gegensprechanlage.

/Ihre Kutsche, my Lord/, dröhnt es aus den Lautsprechern.

"Bin noch nicht fertig." Soll er ruhig auf mich warten. Vielleicht kann ich extra lange trödeln.

/Dann lass mich rein./

"Ich denke ja nicht daran." Hehe.

/Gut, dann schaue ich nach, ob Kevin Zeit für mich hat. ... Tschaui./

"Warte!" Alles, nur das nicht! "Komm hoch."

/Geht doch/, lacht er gehässig, während ich den Türöffner drücke.

"Arsch!" Ich will ihn nicht in meiner Wohnung haben. Leider bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn rein zu lassen. Die Alternative wäre schlimmer.
 

Mit verschränkten Armen warte ich gegen den Türrahmen gelehnt auf meinen unwillkommenen Gast. Seine Schritte höre ich schon, da ist noch nicht mal die Haustür ins Schloss gefallen. Er hat es allem Anschein nach sehr eilig, zu mir zu kommen, denn er nimmt sich nicht die Zeit, auf den Aufzug zu warten, sondern steigt die vier Stockwerke zu Fuß nach oben.

Angekommen, wirkt er kaum aus der Puste, das muss man ihm neidvoll zugestehen.

"Hast du noch geschlafen?", ist seine erste Frage als er mich sieht.

"Nein. Ich dachte mir bloß, wozu sich für solch einen Idioten wie dich hübsch machen", kontere ich.

"Deine Entscheidung." Achselzuckend tritt er an mir vorbei, ohne, dass ich ihn dazu aufgefordert habe. Ungehobelter geht's echt nicht mehr!

Unweigerlich weht mir auf diesem Wege sein Duft nach Duschgel und Aftershave in die Nase. Doch noch etwas anderes mischt sich dazwischen. Etwas raues, männliches. Kurz gestatte ich mir, diesen Duft zu genießen, reiße mich aber umgehend wieder zusammen und folge Tayte in meine Wohnung. Laut knallt die Wohnungstür hinter mir zu. "Bin duschen", brumme ich knapp und mache mich auf zum Badezimmer. Eine lange, ausgiebige Dusche wäre doch jetzt was feines, oder?

"Gute Idee", flötet Tayte. "Ich bin ganz durchgefroren, vom Warten draußen."

"Und?" Der will doch nicht andeuten, dass ...

"Ich hoffe, deine Dusche ist groß genug für zwei?" Süffisantes Lachen.

"Weißt du wie groß meine Dusche ist?", frage ich ihn lauernd. "Genau so groß." Und mit diesen Worten zeige ich ihm meinen Mittelfinger.

"Das reicht. Viel Platz brauchen wir eh nicht, wenn wir ..."

"Halt deine Klappe! Ich dusche allein!" Sauer rausche ich davon und verbarrikadiere mich in meinem Badezimmer. "Der hat sie nicht mehr alle!", puste ich aufgebracht. "So ein Schwachmat! Was glaubt der eigentlich? So toll ist er nun auch nicht, dass er sich alles herausnehmen könnte!" Wütend steige ich aus meinen Klamotten und pfeffere sie in die Ecke, in der der Wäschekorb steht, stelle mich unter die Dusche und ziehe die Kabine zu. So fest, dass es einen lauten Rappel tut, als die Ziehharmonikatür gegen die Kabinenwand stößt. Als dann auch noch eiskaltes Wasser auf mich niederregnet, ist meine Laune komplett im Eimer.

"Wie soll ich dieses Wochenende bloß überstehen?"
 

***
 

Ein klein wenig schadenfroh bin ich schon, als ich nach einer Dreiviertelstunde wieder aus dem Badezimmer komme. Ich habe mir seeeehr viel Zeit gelassen. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch: Ich muss nur mit meinem Bademantel bekleidet in den Flur treten, denn bei aller Wut habe ich frische Kleidung vergessen.

Deswegen schiele ich erst vorsichtig in den Flur, bevor ich so schnell wie möglich rüber in mein Schlafzimmer husche. "Endlich fertig?" Ich erschrecke mich zu Tode. Tayte sitzt auf meinem Bett! "Mir wäre beinahe langweilig geworden. Das nächste Mal nimmst du mich mit, damit ich Beschäftigung habe."*

"Fick dich. Ich nehme dich nirgendwo mit hin."

"Stimmt", lacht Tayte. "Ich 'nehme' dich mit." Ich spare mir einen Kommentar. Diese bescheuerte Anspielung kann er sich sonst wo hinstecken. Und das wird auch das einzige sein, das an diesem Wochenende irgendwo hingesteckt wird. Das schwöre ich! Ansonsten fresse ich Haarbleiche.
 

Ich laufe rüber zu meinem Kleiderschrank und krame meine älteste Jeans und mein furchtbarsten Pullover raus. Wollsocken, die mir meine Oma vor ein paar Jahren mal gestrickt hat, und eine labberige Boxer runden das Bild ab. "Sexy ist anders", kommentiert Tayte meine Auswahl.

"Komisch. Das Gleiche muss ich jedes Mal denken, wenn ich dich anschaue." Ha! Nimm dies!

"Uh!", macht er, verzieht leidend das Gesicht und packt ich an die Brust. "Der hat gesessen."

"Ach sei ruhig." So ein Dummgelaber! "Raus jetzt. Ich will mich anziehen."

"Raus?"

"Ja, raus."

"Hm ... nö. Keine Lust." Ja gibt es denn die Möglichkeit?!

"Gut, dann werden wir das Wochenende hier verbringen, denn ich werde mich ganz sicher nicht vor dir anziehen." Der Kleiderhaufen in meiner Hand fällt zu Boden und meine Arme verschränken sich.

"Von mir aus", grinst er dreckig. "Dann verbringen wir das Wochenende eben in deinem Schlafzimmer. Ist mir auch recht." Lässig lehnt er sich nach hinten und wippt mit seinem Becken auf und ab. "Nicht schlecht. Deine Matratze macht die ganze Arbeit ja fast von selbst."

Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Wütend hebe ich meine Kleidung auf. "Dann gehe eben ich", zische ich und laufe auf die Tür zu, aber Tayte ist schneller.

"Äh äh", macht er, dreht den Schlüssel um und steckt ihn in sich in die Hosentasche. "Du verkriechst dich nicht mehr im Bad. Ich habe lange genug gewartet."

"Penner!", schreie ich ihn an.

"Ob das Kevin auch so sieht, wenn ich ihn anrufe und mich bei ihm entschuldige? Sicher wäre er damit einverstanden mich in sein Schlafzimmer zu lassen ..." Mit wachsender Panik schaue ich ihm dabei zu, wie er sein Handy zückt und darauf herumtippt. "Ah da haben wir ja seine Nummer."

"Ist ja schon gut!", stoppe ich ihn. "Wenn es dich glücklich macht." Perverses Arschloch!
 

Generell habe ich keine allzu große Scheu, mich vor anderen nackt zu machen. Trotzdem ist es mir vor ihm leicht unangenehm. Und das liegt nicht nur an seinem hundsmiserablen Charakter, denn trotz allem sieht er schon gut aus. Mit den dunkelbraunen Haaren und den blauen Augen entspricht er ganz meinem Beuteschema. Nur sein Charakter, seine Hochnäsigkeit und sein selbstgefälliges Gehabe passen nicht zu dem, was ich unter schön empfinde. Da kann er noch so gut aussehen. Wenn das Innere nicht stimmt, dann stimmt auch der Rest nicht.

Aber warum zerbreche ich mir eigentlich den Kopf darüber? Dieser Tayte ist eindeutig der Letzte, über den ich mir solcherlei Gedanken machen muss. Von perversen Widerlingen will ich nichts. Hundertachzigtausendprozentig nicht!
 

Ich gehe rüber zu meinem Bett, werfe meine Klamotten darauf und streife mit den Bademantel ab. Ich achte gar nicht auf Tayte, obwohl ich schwören könnte, seine prüfenden Blicke auf mir zu spüren. Egal. Soll er glotzen, wenn es ihn glücklich macht. Zumal ich mich weiß Gott nicht verstecken muss.

In aller Ruhe ziehe ich mich an, bis ich mir den Pullover zurecht ziehe und mich zu ihm drehe. "Fertig", verkünde ich. "Ich hoffe, du hattest deinen Spaß."

"Jo ... war nicht übel." Perversling!

"Können wir los?" Ich will es so schnell wie möglich hinter mich bringen.

"Warum so eilig? Kannst es wohl kaum noch erwarten."

"Genau. Du hast mich durchschaut", schnaube ich und begebe mich zur Zimmertür. Ich bin noch keine zwei Schritte gelaufen, da fällt mir ein, dass Tayte die Tür ja verschlossen, und sich den Schlüssel eingesteckt hat. "Gib mir den Zimmerschlüssel", fordere ich mit ausgestreckter Handfläche.

"Hol ihn dir."

"Ich soll dir in die Hosentasche greifen?"

"Erraten."

"Lieber hacke ich mir die Hand ab."

"Das wäre aber schade. Du hast so schöne Hände", säuselt er und sieht mich süßlich an.

"Lass diese Spielchen. Schließ schon auf."

"Nö, keine Lust." Himmel noch eins!

"Tayte!"

"Schön, dass du mich endlich mal beim Namen nennst", schmunzelt er vergnügt, was meinen Zorn nur noch mehr anstachelt.

"Arroganter Arsch!"

"Alte Zicke!" Wie bitte?! Nimm dich zusammen Gigi. Der will doch nur, dass du dich aufregst.

Drei mal tief durchatmen. Eins ... zwei ... drei ... "Gib mir endlich den Schlüssel", versuche ich es äußerlich gefasst. Innerlich bin ich immer noch am Kochen.

Wir starren uns für einige Sekunden an, dann greift er tatsächlich in seine Hosentasche. Doch alles was er tut, ist den Schlüssel ein klitzekleines Stückchen herauszuziehen, sodass ich nur den oberen Rand sehen kann. Er provoziert mich an einer Tour!

"Ach leck mich doch!", grante ich und strecke meine Hand aus. Bringe ich es eben schnell hinter mich. Allerdings geht mein Plan nach hinten los. Tayte hat anscheinend nur darauf gewartet, dass ich mich ihm annähere, denn plötzlich wird mein Handgelenk umfasst und ich werde nach vorn gezogen. Stolpernd pralle ich gegen seinen Oberkörper, und bevor ich mich versehe, klemme ich zwischen ihm und der Schlafzimmertür.

"Pfoten weg!", brülle ich und versuche ihn mit meiner freien Hand wegzuschieben. Lange bleibt sie jedoch nicht frei. Auch sie wird eingefangen und gegen meine Brust gedrückt. "Lass mich los!"

"Kannst du nicht endlich mal mit dem Gezicke aufhören?"

"Leck mich!" Dem geb ich gleich gezicke!

"Ach Gigi." Tayte schüttelt den Kopf, während ich weiter versuche, mich von ihm zu befreien. Klappt nur nicht, was mich nur noch wüdender macht.

"AHHH! Lass mich endlich lohmm ..." Geschockt erstarre ich. Meine Mund ist versiegelt, und nach ein, zwei Sekunden weiß ich auch, was mich unfähig macht, auch nur einen weiteren Ton von mir zu geben. Taytes Lippen!

Ich bin erst so erschrocken, dass ich gar nichts dagegen machen kann. Erst, als etwas raues, flinkes versucht zwischen meine Lippen zu schlüpfen, kann ich meinen Kopf wegdrehen. "HAST DU SIE NOCH ALLE?", brülle ich ihn an und platziere mein Knie genau zwischen seine Beine.

Ein dumpfes Keuchen, dann sackt Tayte nach unten weg und gibt mich wieder frei. Schnell weg hier!
 

Ich ziehe den Schlüssel aus seiner Hosentasche, schließe die Tür auf und renne ins Wohnzimmer, wo ich nach dem Telefonhörer greife und die ersten zwei Nummern wähle, ehe ich innehalte und auf die eckigen Drucktasten schaue. Ich müsste nur noch die Null drücken ...

"Gigi? ... uh!" Ein gebeugter Tayte erscheint im Türrahmen. Ich muss ihn wirklich hart getroffen haben. Gut ... sehr gut ...

"Hau ab, oder ich ruf die Bullen", drohe ich ihm.

Er lacht schmerzverzerrt auf. "Weil du mir in die Eier getreten hast?"

"Pha! Weil du mir deine Zunge in den Hals gesteckt hast, du perverses Schwein!"

Immer noch leicht vornübergebeugt, schaut er zu mir rüber und grinst lüstern. "Dafür hat es sich gelohnt", krächzt Tayte doch wahrhaftig und stößt sich von der Wand ab. Es ist nicht zu fassen, aber er richtet sich auf und kommt auf mich zu, als hätte ich ihm eben nicht seinen edelsten Teilen einen gehörigen Dämpfer verpasst.

"Bleib stehen!" Ich halte das Telefon nach oben.

"Dann ruf doch die Polizei, wenn du willst. Bis die hier sind, bin ich schon bei deinem süßen Cousin." Scheiße!

"Dann schicke ich sie dir hinterher", sage ich.

"Und dann? Ich würde ihnen erzählen, dass du mich verletzt hast, würde bei dem kleinen naiven Kevin Mitleidspunkte sammeln und schon landet er in meinen Armen. Willst du das?"

Ich knirsche mit den Zähnen. "Nein."

"Na also", schnauft Tayte und stellt sich vor mich. "Warum muss man dir immer drohen, damit du parierst?" Er nimmt mir das Telefon ab und wirft es hinter sich auf die Couch. Mit seinem miesen überheblichen Gesichtsausdruck lächelt er mich siegreich an. Ich könnte kotzen, aber ich kann nichts dagegen tun oder sagen. Er hat mich in der Hand. Noch … "Bekomme ich noch einen Kuss als Entschädigung für den Tritt?" Was?!

"Im Leben nicht!" Das geht zu weit! Sonst muss ich gleich wirklich noch kotzen.

"Schade", seufzt er. "Muss ich mir eben doch meine Küsse bei Kevin abholen ..." Er dreht sich um und schlendert Richtung Flur.

"Was hast du vor?", rufe ich ihm nach.

"Was habe ich denn gerade gesagt?" Ich balle meine Hände so fest zu Fäusten, dass mir die Fingernägel schmerzhaft in die Handfläche drücken.

'Augen zu und durch', sage ich mir und laufe ihm nach.

Ein paar Schritte vor der Wohnungstür hole ich Tayte ein, packe ihn an der Schulter und ziehe ich halb zu mir um. Mit fest zusammengekniffenen Augen presse ich ihm meinen Mund auf. Nur kurz. Ich hoffe das reicht.

"Das war alles?", kichert er daraufhin. War ja klar! "Das war doch Kindergarten."

"So küsse ich eben", zische ich.

"Glaube ich nicht. So wie du immer in die Luft gehst, bis du sicher ein leidenschaftlicher Küsser." Mir rasselt der Unterkiefer nach unten. So gern ich kontern würde, ich kann nicht. Mein Gesicht wird heiß, was er natürlich mitbekommt, sich einen abgrinst und sich mir wieder nähert. "Versuchen wir es nochmal", haucht er. "Diesmal mit ein bisschen mehr Gefühl, ja?"

Patsch! "Fick dich!" Die Ohrfeige hat er verdient.
 

Sauer stapfe ich auf meine Tasche zu, schnappe sie und drehe wieder um. "Lass uns losfahren, damit das hoffentlich endlich bald ein Ende hat!"

Ohne weitere Worte, und ohne auf ihn zu warten verlasse ich meine Wohnung und stelle mich in den Flur. Auch er sagt nichts, als er schließlich an mir vorbeigeht, ich die Tür abschließe und wir die Stufen nach unten gehen. Wieder bleibt er hinter mir, was mir spätestens im dritten Stockwerk unangenehm aufstößt. Ich kann seine Blicke regelrecht auf mir fühlen. Widerling!
 

Wir schweigen weiterhin. Auch draußen, als wir auf dem Gehweg stehen, ehe Tayte die Führung übernimmt, und auf eine Reihe parkender Autos zuläuft. Vor einem grauschwarzen Geländewagen bleibt er stehen. "Das ist mein Baby. Ich habe ihn schon seit ich meinen Führerschein habe, also wage es ja nicht, ihn so zickig zu behandeln, wie du mich ständig behandelst", ist das erste, das er nach dem Verlassen meiner Wohnung zu mir sagt.

"Gut zu wissen", schnaube ich. Wie wäre es, wenn ich mit meinem Schlüssel ein paar schicke Kratzer in den Lack mache? Hm ... Vielleicht hinterher. Nach 'unserem' Wochenende.

Ich bekomme die Tasche abgenommen, die hinten auf den Rücksitz wandert. Als ich ebenfalls hinten einsteigen will, hält er mich auf. "Auf den Beifahrersitz mit dir. Ich will dich gut im Auge behalten können." Wieder sein ekelhaftes Grinsen. Am liebsten würde ich ihm ins Gesicht spucken, tue es jedoch nicht. Wenigstens, mir vorzustellen, wie sein dämliches Gesicht dabei aussehen würde, erheitert mich etwas.

"Wohin fahren wir eigentlich?", frage ich ihn, als wir beide eingestiegen sind und Tayte den Motor startet.

"Nach Sylt."

"Wohin?" Fassungslos schaue ich rüber zum Fahrersitz.

"Sylt", wiederholt er gelassen und fährt los.

"Das sind doch mindestens ... 600 Kilometer!"

"624,3 Kilometer. Laut Navi." Oh Gott!

"Was wollen wir da?"

"Wir gehen auf eine Beerdigung."

"Ha ha. Dummer Witz." Beerdigung! Er ist nicht nur widerlich, pervers und selbstgefällig, nein, er ist auch noch makaber.

"Das ist kein Witz", erwidert er ruhig. "Mein Großonkel ist gestorben. Morgen ist die Beisetzung." Ich glaube, in diesem Moment schaue ich ziemlich fassungslos und ratlos aus der Wäsche.

"Das heißt, du willst mit mir auf eine Beerdigung und anschließend mit mir in die Kiste?"

"So lautet der Plan", sagt er grinsend.

"Du bist abartig", krächze ich.

"Reg dich ab. Ursprünglich wollte ich mit deinem kleinen Cousin dort hin. Schon vergessen?"

"Das ist genauso abartig!" Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Kerl noch mehr hassen könnte, als ich es ohnehin schon tue, aber hier habe ich den Beweis. "Hast du keine Freunde, mit denen du da hinkönntest, oder wieso nötigst du Fremde dazu?"

Tayte zuckt mit den Schultern. "Mit meinen Freunden steige ich nicht ins Bett."

"Ach so. Und da dachtest du dir: Nehme ich mir doch einen kleinen Jungen mit, den ich nach der Beerdigung, während der Trauerfeier ordentlich besteigen kann, oder was?"

Wir halten vor einer Ampel. Tayte sieht mich wütend an. Endlich ist dieser überhebliche Gesichtsausdruck mal verschwunden! "Kevin hat sich mir angeboten."

"Angeboten?" Ich sage es immer wieder: Der Arsch hat eine Vollmeise! "Du Lügst, wenn du nur den Mund aufmachst." Als ob Kev so etwas tun würde!

"Das ist keine Lüge. Kevin sagte, am liebsten würde er das gesamte Wochenende mit mir zusammen im Bett verbringen."

"Und da musst du ihn natürlich mit auf eine Beerdigung schleifen", lache ich freudlos auf.

"Hat sich halt ergeben." Erneut ein Schulterzucken, bevor wir wieder weiterfahren.

Ich schüttle den Kopf und schaue aus dem Fenster. "Krankes Arschloch."

Tayte sagt nichts, sondern schaltet das Radio an. Nach dem vierten oder fünften Lied, bricht er das Schweigen, das zwischen uns herrscht. "Ach übrigens", sagt er und dreht die Musik etwas leiser. "Wenn wir angekommen sind, musst du so tun, als wärst du mein Partner."

Mein Kopf ruckt zur Fahrerseite. "WAS?!"
 

******
 

* irgendwie erinnert mich das jetzt an den Froschkönig Oo

Runde III – Kussstimmung

Runde III – Kussstimmung
 

Gott, ist das langweilig!

Wie lange sind wir nun schon unterwegs? Keinen Plan. Hab nicht auf die Uhr geschaut, aber es kommt mir vor wie Tage, seit wir losgefahren sind, und ich mit diesem Widerling zusammen im Auto eingesperrt bin. Dabei sind es allerhöchstens 5 Stunden.

Zwar sitzen wir immer noch in Taytes dummen Geländewagen, fahren jedoch keinen Meter. Wir werden gefahren. Nämlich von einem Zug. Zusammen mit anderen Passagieren, die ebenfalls in ihren Autos hocken und darauf warten, dass die Überfahrt auf die Insel endlich vorbei ist.

Tayte blättert in einer Zeitschrift herum und beachtet mich nicht. Ich schaue hinaus und betrachte den Deich. Eine höchst aufregende Sache, sage ich euch. Sand und Wasser. Sand und Wasser.

'Wenn wir angekommen sind, musst du so tun, als wärst du mein Partner.' Ich verziehe das Gesicht. Allein mich an diesen Satz zu erinnern, bringt meinen Würgereflex zum zucken. Der Typ will allen ernstes, dass ich vor seiner Familie so tue, als sei ich sein beschissener Freund! Mehr noch: "Wir sind schon seit vier Jahren zusammen und verlobt, deshalb guck vorn ins Handschuhfach. Da liegt ein Kästchen mit einem Ring* drinnen. Steck ihn dir an den Finger."

"Du spinnst doch! Niemals!", habe ich aufgebracht gerufen. "Ich spiele doch nicht deinen Verlobten! Wie kommst du darauf?"

"Ist mir halt so eingefallen", hatte er gelacht.

"Da mache ich nicht mit. Vergiss es." Beschlossene Sache. Ich war doch nicht wahnsinnig!

"Das wirst du aber müssen", sagte er ruhig. "Ich habe meiner Familie schon gesagt, dass ich meinen Verlobten mitbringen werde."

Ich konnte es nicht glauben. "Du tust auch alles, um mich bloßzustellen, oder?"

"Ich gebe mein bestes." Ein überhebliches Lachen folgte. "Stell dich nicht so an. Was ist schon dabei?"

"Was dabei ist? Ich bin nicht dein beschissener Verlobter und ich werde ganz bestimmt nicht mit dir vor deiner Familie so tun, als wäre ich es!"

"Doch, das wirst du. Und du wirst ein ganz besonders verliebter Verlobter sein, denn sonst endet unser Wochenende damit, dass ich zu Kevin fahre und ihn zu einem zweiwöchigen Urlaub einlade, in dem wir beide ganz ungestört unsere Zweisamkeit genießen können." Ich wurde so wütend! Am liebsten hätte ich mich zur Seite gelehnt und das Lenkrad herumgerissen. Konnte ich selbstverständlich nicht, sonst wären wir beide draufgegangen, oder zumindest schwer verletzt. Mir blieb es daher nur wütend zu knurren und ihn mit weiteren, höchst einfallsreichen Schimpfwörtern zu beschimpfen.

Genutzt hatte es nicht viel. All meine Versuche, ihn zu beleidigen schlugen fehl, habe ihn sogar nur noch mehr amüsiert.

Und jetzt sind wir hier. Immer noch eingepfercht in dem miefigen Geländewagen und warten.
 

Seufzend schließe ich die Augen und donnere mit dem Hinterkopf gegen die Kopfstütze. "Mach meinen Wagen nicht kaputt", murmelt Tayte, der noch immer in seine Zeitung vertieft ist.

"Mir ist langweilig. Wie lange fahren wir noch?"

"Keine Ahnung. Bin schon lange nicht mehr hier oben gewesen." Ich brumme mürrisch. Tayte schmunzelt und legt die Zeitschrift weg. "Wir könnten uns das Warten gemeinsam versüßen. Was meinst du?"

"Nur über meine aufgedunsene Watt-Leiche."

Mein Nebenmann gibt einen genervten Laut von sich. "Bist du immer so gut drauf? Ist ja kaum auszuhalten mit dir." He he.

"Hättest mich ja nicht mitnehmen müssen."

"Und mir den ganzen Spaß verderben? Nur über meine aufgedunsene Watt-Leiche."

"Sprücheklauer."

"Sumpfzicke." Boah!

Ich werfe Tayte einen bösen Blick zu, doch er lacht bloß wieder. "In dir ist ja doch noch Leben drinnen."

"Ach leck mich doch", knurre ich und schließe meine Augen wieder. Ich darf mich nicht mehr von ihm provozieren lassen.

"Würde ich sofort machen, aber ich fürchte, dann kassiere ich von dir wieder einen Tritt in die Weichteile."

"Bingo." Wenigstens ist er lernfähig. Wenn auch in einem sehr begrenzten Rahmen.

"Aber mal im Ernst. Wenn wir ein überzeugendes verliebtes Pärchen mimen wollen, müssten wir das zumindest mal üben." Und dahin ist es mit meinem Vorsatz, mich nicht mehr von ihm provozieren zu lassen.

"Was heißt hier wir?", frage ich ihn und öffne meine Augen wieder. "Du willst das. Mir ist es scheißegal, ob uns das einer abkauft."

"Ach so? Tja, wenn das so ist, frage ich das nächste Mal Kevin, ob er mich begleitet. Wer weiß? Vielleicht sind wir ja bis dahin wirklich ein Paar." Uhh! Damit hat er mich wieder.

"Ich dachte, du willst mir nicht mehr drohen", murmle ich kleinlaut.

"Wollen und müssen sind zwei paar Schuhe."

"Falls du glaubst, ich würde mich dir jemals freiwillig an den Hals werfen, dann hast du dich geschnitten."

"Dann tut es mir leid. Ich werde dir weiterhin drohen müssen." Meine Finger krallen sich in den Stoff meiner Hose. Nur viel zu deutlich spüre ich dabei diesen beschissenen Ring, den ich mir vorhin an den Finger stecken musste. Allein, dass er mich dazu gebracht hat, beweist, wie sehr er mich in der Hand hat. Wenn ich nicht will, dass er Kev jemals wieder zwischen seine schmierigen Klauen bekommt, werde ich ihn wohl einigermaßen zufriedenstellen müssen. Scheiße!

"Und was genau willst du üben?", frage ich ihn nachdem ich innerlich von Zehn auf Null runtergezählt habe.

"Am liebsten wäre mir Küssen", antwortet er mit einem schäbigen Grinsen auf den Lippen.

"Verreck doch!"

"Mit deinen Lippen auf meinen wäre das sogar hinnehmbar, Gigilein." Oh dieser ...!

Das Grinsen auf Taytes Gesicht wird breiter. Meine Birne glüht heiß, was bedeutet, ich werde knallrot. Kein Wunder, dass er das lustig findet. "Schön! Üben wir eben. Aber deine Zunge bleibt in der Garage, kapiert?"

"In der Garage?", lacht er auf. "Okay. Von mir aus." Wenigstens ein kleiner Sieg für mich.
 

Tayte löst seinen Gurt und dreht sich ein Stück in meine Richtung. "Kommst du her zu mir? Du kannst dich auch auf meinen Schoß setzen."

"Ich kann dir auch nochmal den Sack eintreten, wenn du es nötig hast", knurre ich.

Eine von Taytes Augenbrauen wandert nach oben. "Wie kann jemand, der so süß aussieht wie du, nur ein so freches Mundwerk haben?" Äh ... süß?! Ich?!

"Hör auf mich zu foppen, du Idiot." Dämlicher Spacken!

"Gut", kichert Tayte und rutscht näher an mich heran, bis er dicht neben mir lehnt. "Keine Worte mehr." Ich schlucke hart.
 

Taytes Blick verhakt sich mit meinen, ohne dass ich es wirklich will, doch ich kann nicht weggucken. Wie ein in Panik erstarrtes Karnickel starre ich ihn ebenfalls an, bewundere beinahe seine blauen Augen und die dunklen Flecken darin, während er langsam immer näher kommt. Ich fasse es nicht, dass wir uns gleich küssen werden, und ich dies auch noch, mehr oder weniger, freiwillig zulasse.

Kurz, bevor er meinen Mund berührt, legt er seinen Kopf leicht schief und lässt eine seiner Hände in meinen Nacken gleiten. Erst will ich protestieren, lasse es dann jedoch. Am Ende würde das bloß wieder eine Drohung heraufbeschwören, mit dem Ergebnis, dass seine Hand am Ende doch wieder in meinem Nacken landet.

Als sich Taytes Lippen schließlich auf meine pressen, halte ich für ein paar schnelle Herzschläge die Luft an. Immer noch schaut er mich an, hält meinen Blick gefangen, bis sich seine Augenlider senken. Ich dagegen starre immer noch in sein Gesicht, fühle, wie sich sein Mund gegen meinen bewegt, meiner dagegen bewegungslos bleibt.

Seine Worte von heute Morgen fallen mir ein. Dass mit dem leidenschaftlichen Küsser, der ich sein soll. Klar küsse ich gern und bestimmt auch leidenschaftlich, aber bei ihm? Wie soll das gehen, bei so einem selbstverliebten Widerling, der nur an sich denkt, andere bedroht, damit sie das tun, was er will? Diesem arroganten Schnösel mit Geländewagen und einer Verwandtschaft auf Sylt, der anscheinend auch sie hinters Licht führt mit seinen Lügen und Behauptungen, einschließlich mir als angeblichen Verlobten und ... "Gigi?" Plötzlich sind Taytes Lippen verschwunden, was ich gar nicht mitbekommen habe. "Das geht doch noch besser, oder? Du sitzt einfach nur stocksteif da."

"Auch noch beschweren", schnaube ich.

"Hm", macht er und guckt nachdenklich drein. "Sieht aus, als wärst du doch kein so guter Küsser, wie ich anfangs dachte." Oh na warte …
 

Diesmal bin ich es, der seine Hand in den Nacken des anderen legt. Und ehe Tayte sich versieht, liegen auch schon meine Lippen auf seinen. Herausfordernd schaue ich ihm in die Augen, bis seine abermals zufallen. Gut. Ich schließe meine ebenfalls und versuche mir einen heißen Typen vorzustellen. Wie wäre es mit Georg Cloney? Oder den jungen Harrison Ford? Alles nicht schlecht, doch leider will meine Fantasie nicht so recht anspringen. Ich kann nur an diesen Widerling denken.

Also gut. Ich musste ja schon zugeben, dass Tayte kein allzu hässlicher Kerl ist. Vergessen wir für ein paar Minuten mal seinen widerwärtigen Charakter. Stellen wir uns eben vor, er wäre ein netter, zuvorkommender Mann, und tada! Es funktioniert. Ich entspanne mich und bringe mich in den Kuss mit ein. Alles ganz easy.
 

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und meine Haut prickelt erregt. Der Kuss ist wirklich nicht schlecht ... Ganz und gar nicht ...

Seufzend lehne ich mich nach hinten und ziehe Tayte dabei mit. Er landet halb auf mir und seine Hände umfassen meine Taille. Ich lege meine andere Hand ebenfalls um seinen Nacken und drücke ihn auf diese Weise noch näher an mich. Dabei vergesse ich tatsächlich, was für ein Arsch er ist und bevor ich auch nur genauer darüber nachdenken kann, öffne ich meinen Mund einen Spalt breit. Alle aufschreienden Alarmglocken verdränge ich auf der Stelle. Ich will sie nicht hören. Meine Libido hat das Ruder übernommen, und die kümmert es nicht, dass Tayte ein Arsch ist. Erst recht, wenn jemand so küssen kann ...

Meine Zunge stiehlt sich zwischen meine Lippen und stupst leicht gegen Taytes. Doch anders als erwartet zuckt dieser zurück. Wieso ...?

"Ich dachte, keine Zunge", sagt er rau. Ich brauche einige Sekunden, um meine Gedanken wieder auf Spur zu bekommen. Wollte ich eben wirklich ...?!
 

Prompt schießt mir das Blut, das sich zuvor weiter unten gesammelt hat, hoch in mein Gesicht. "Das war keine Absicht", krächze ich und drücke Tayte von mir.

"War mein Kuss so gut?" Wieder klebt dieses selbstgefällige Grinsen in seiner Visage. Ich könnte durchdrehen! Warum habe ich mich nur so gehen lassen?!

"Nein", zische ich und wische mir über den Mund. "Ich hatte mir jemand anderen vorgestellt. Meine Fantasie ist etwas mit mir durchgegangen." Ich bin froh darüber, dass ich eine so gute Ausrede parat habe.

"Du hast dir einen anderen vorgestellt?" Irre ich mich, oder ist Tayte jetzt geknickt. Das macht mich nun aber schadenfroh. Hehehe.

Gleich nochmal nachtreten. "Irgendwie muss ich ja in Kussstimmung kommen, wenn du deine Familie von mir als deinen Verlobten überzeugen willst."

"Kussstimmung?"

"Ja ... Kussstimmung", bestätige ich.

"Du bist wirklich der zickigste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe." Bitte?!

"Und du bist der widerlichste, den ich jemals kennengelernt habe, du perverser Kinderverführer!"

Er sieht mich schief an und rutscht zurück auf seinen Platz. "Wie wäre es mit einem Waffenstillstand?" Fragt er mich das jetzt ernsthaft?

"Und wie sähe der aus?", frage ich, denn ich bin ja kein Unmensch und unter normalen Umständen eigentlich ein recht umgänglich.

"Lass uns das Wochenende über etwas Spaß miteinander haben und gut ist."

"Spaß?", der veralbert mich doch wieder! "Während einer Beerdigung?"

"Na nicht währenddessen. Davor und danach. Wie ein längerer ONS. Wir müssen uns doch nicht die ganze Zeit über ankeifen."

"Du keifst mich doch die ganze Zeit über an!" Wieder ein schräger Blick der sagen soll, dass ich derjenige bin, der das tut. "Ich wehre mich bloß! Du hast doch angefangen."

"Lass gut sein", seufzt Tayte. "Dann eben nicht." Ich beiße mir auf die Zunge. Hat er recht? Bin ich derjenige, der ständig herumnörgelt?

Aber er hat doch angefangen! Er hat mich erpresst, wollte mich in meinem Schlafzimmer fast vergewaltigen und droht mir ständig damit, Kevin zu verführen, wenn ich nicht spure!

Grimmig verschränke ich meine Arme vor der Brust und sinke tiefer in den Sitz. Der kann mich mal!
 

***
 

Die Überfahrt hat zum Glück nicht mehr lange gedauert. Und laut Taytes kurzen Kommentar vor wenigen Minuten, sind wir auch gleich an unserem Ziel angelangt. "Schaffst du es wenigstens zu lächeln? Nicht dass sich alle fragen, was ich mit einem solchen Miesepeter wie dir will." Gar keine üble Idee. Ich blamiere Tayte vor seiner gesamten Familie. "Die Meisten von ihnen glauben sowieso schon, ich wäre krank."

"Womit sie recht haben", blaffe ich ihn an.

"Dann findest du Homosexualität krank?"

Mein Kopf ruckt zu Tayte herum. "Sehe ich so aus?"

"Eher nicht, aber du hast dem homophoben Teil meiner Familie gerade recht gegeben, also ..." Den Rest des Satzes lässt er offen stehen.

"So meinte ich das nicht", murmle ich verlegen und denke nach. Ich kann Tayte zwar nicht ausstehen, doch was ich noch viel weniger ausstehen kann ist Homophobie, Transphobie ect. "Von mir aus. Dann werde ich meine Rolle perfekt spielen."

"Okay. ... Danke." Danke? Der Typ kann auch danke sagen? Wunder gibt es anscheinend wirklich.

Wieder schweigen wir. Ich spiele das altbekannte aus-dem-Fenster-guck-Spiel und betrachte die Gegend. Null Plan, wo wir sind, oder wie das Kaff heißt, durch das wir momentan fahren. Ich war noch nie auf Sylt. "Wo sind wir eigentlich?", breche ich das Schweigen.

"In List", bekomme ich geantwortet.

"Kenne ich nicht." Ehrlich gesagt, Sylt hat mich als Reiseziel noch nie wirklich interessiert. Mich zieht es eher in wärmere Gefilde.

"Na jetzt wirst du es kennenlernen."

"Jippie", sage ich emotionslos. "Bin schon total gespannt darauf." Tayte gibt einen zischenden Laut von sich und setzt den Blinker. Wir biegen in eine Seitenstraße ein.

Die Häuser sehen teuer aus. Schicke Bauten mit gepflegten Vorgärten und die Autos, die hier und da an den Straßenrändern und vor den Garagen stehen, übersteigen bei weitem mein Jahresgehalt.

"Dein Onkel muss ja gut betucht gewesen sein."

"Großonkel", verbessert er mich, was mich wieder fast aus der Haut fahren lässt.

"Oh Verzeihung", töne ich hochnäsig. "Dann eben reicher Großonkel. Hoffst wohl auf ein üppiges Erbe." Das würde zu diesem Ekelpaket passen.

"Eher nicht. Mein Großonkel hat mich gehasst. Er fand es nicht so toll, dass ich auf Schwänze stehe." Oh.

"Und wieso gehst du dann auf seine Beerdigung?", frage ich vorsichtig nach.

"Weil meine Mutter darauf bestanden hat. Die guten alten Familienzwänge." Tayte lacht freudlos auf. "So. Da wären wir. Das Haus meiner Eltern." Er schaut rüber zu einem großen Haus mit langer Auffahrt und stellt den Motor aus.

"Willst du nicht hochfahren?"

"Nein. Mir ist es lieber, wenn mein Auto fluchtbereit auf der Straße stehen bleibt." Muss ich das jetzt verstehen?

Wir steigen aus und holen unsere Taschen aus dem Kofferraum. Als wir auf das Gebäude zugehen, wirkt Tayte angespannt. Fast bin ich versucht ihm ein paar beruhigende Worte zuzuflüstern, lasse es aber. Was geht es mich an? Jeder von uns hat mit Vorurteilen und Problemen zu kämpfen, die mit unserer Lebensweise einhergehen. Wir müssen damit klarkommen. Und so ein kaltschnäuziger Typ wie Tayte wird damit sicher spielend fertig.
 

In der Auffahrt stehen schon eine Menge Autos. Ein paar Leute stehen draußen, werfen uns verächtliche Blicke zu, während wir an ihnen vorbeigehen. Tayte beachtet sie gar nicht, sondern läuft mit versteinerter Miene an ihnen vorbei. "Die können dich ja echt nicht leiden", flüstere ich ihm zu.

"Jepp. Sogar noch mehr als du."

"Das bezweifle ich." Ich lächle ihn dünn an, weil ich ihn damit, trotz dem inneren Wiederstreben, etwas aufheitern will. Helfen tut es jedoch nicht. Dafür sinkt meine Laune noch ein Stück. Das hätte ich mir auch sparen können.

Ich beschließe, bevor ich mich wieder aufrege, einfach gar nichts mehr zu sagen. Das ist viel gesünder und schont mein sowieso schon arg beanspruchtes Nervenkostüm.
 

Vor der Eingangstür bleibe ich hinter Tayte stehen, doch er zieht mich an seine Seite und legt sogar seinen Arm um mich. "Muss das sein?", zische ich leise.

"Ja", nickt er. "Und denk daran: Wir sind ein glücklich verlobtes Liebespaar, denn sonst ..."

"Ist ja schon gut. Ich spiele mit." Er muss mich ständig daran erinnern, oder?

Er klingelt. Wir atmen gleichzeitig tief ein, was mich normalerweise zum Lachen gebracht hätte, doch mir ist momentan so gar nicht nach lachen zumute. Am liebsten würde ich wegrennen, als gleich Taytes Verlobten spielen zu müssen. Allein daran zu denken, ihn vor seiner Familie küssen zu müssen ... Na nu? Ich fasse mir an die Brust. Was war das denn eben? Ein Stolpern. Das ist ja eigenartig. Sicher, weil ich so nervös bin ...

Die Tür geht auf. "Tayte!"

"Hallo Mutti", tönt es neben mir. Mutti? Pfff... nicht lachen Gigi!

Tayte und seine 'Mutti' umarmen sich. "Und das ist er? Dein Verlobter?" Nein!

"Ja. Das ist Gigi. Mein Ein und alles." Würg, kotz, Atemnot!

Auch ich gelange in die Fänge von 'Mutti' und werde fest an ihren großen Busen gedrückt. Oh Gott! So eine Erfahrung wollte ich ganz sicher nicht machen! "Wie schön, dich endlich kennenzulernen. Tayte hat schon so viel über dich erzählt."

"Hat er das?", frage ich Mutti perplex.

"Aber ja! Ständig hat er nur von dir gere..."

"Ist ja schon gut", unterbricht Tayte den Redefluss seiner Mutter. "Gehen wir doch erstmal rein."

"Ach so. Ja natürlich. Dann kann dir gleich die andern vorstellen, Gigi." Ich kann es kaum erwarten ...

Tayte zerrt mich mit sich, während wir seiner Mutter folgen. "Was für einen außergewöhnlichen Namen du hast, Gigi. Woher kommt der?", möchte sie wissen und schaut kurz über ihre Schulter.

"Eigentlich heiße ich Luigi. Gigi ist mein Spitzname", erkläre ich leicht abgelenkt. Die Bude wirkt angsteinflößend. Alles hell und freundlich, doch irgendwie abgehoben und dekadent. Kein Wunder, dass Tayte so ist. Er ist in seiner Kindheit bestimmt total verzogen worden.

"Du bist Italiener?", geht Muttis Befragung weiter.

"Mein Vater", erwidere ich knapp. Tayte neben mir kichert leise. Was ist daran so lustig?

"Wie interessant", tönt Taytes Erzeugerin. "Apropos Vater ... Wo ist deiner bloß? ... Thorsten?!"

"Ist schon gut Mutti. Wir bringen schnell die Taschen hoch, machen uns frisch und kommen dann runter ja?" Endlich mal ein guter Vorschlag von Tayte. Nur weg von hier!

"Fein. Kommt danach ins Wohnzimmer. Da sind die anderen alle. Dein Vater sicher auch."

"Okay. Bis gleich." Wieder zerrt Tayte mich hinter sich her. Diesmal auf eine Treppe zu. Ich muss große Schritte machen, um mit ihm mithalten zu können.
 

"Sind wir auf der Flucht oder was?", frage ich ihn abgehetzt, nachdem wir unter uns sind und einen langen Flur entlang laufen. Eine Antwort bekomme ich nicht. Sehr freundlich.

Tayte zieht mich in einen Raum, schubst mich an sich vorbei und schließt die Tür. Ein leises Schnaufen seinerseits, danach das Klacken des Türschlosses. Den Schlüssel lässt er innen stecken. Sehr beruhigend. Ich möchte nicht nochmal um den scheiß Zimmerschlüssel kämpfen müssen.

"Willst du zuerst ins Bad und dich frisch machen?" Fragt er mich das gerade wirklich?

"Nur, wenn du hier solange wartest." Er nickt und geht an mir vorbei. Seine Tasche landet auf dem Bett, die er daraufhin öffnet und darin herumwühlt.

Ich hasse es, es zuzugeben aber sein Verhalten macht mir langsam Sorgen. "Alles okay mit dir?" Die Worte sind raus, noch bevor ich sie genau überdenken kann. Ich wollte mich doch nicht einmischen! Und mich erst recht nicht um seine Launen kümmern. Ich bin eben doch zu gut für diese Welt.

"Bin nur ein bisschen kaputt von der Fahrt", antwortet er mir. Glauben tue ich ihm das nicht. Vorhin ging es ihm noch hervorragend.

"Na gut. Dann werde ich mich mal frisch machen gehen." Argwöhnisch begutachte ich Tayte.

"Das Badezimmer ist gleich dort." Er zeigt auf eine Tür, die neben einem antik aussehenden Kleiderschrank liegt.

Ich nicke und laufe zum Badezimmer. Dort angekommen, verriegele ich die Tür hinter mir. Sofern er keinen Zweitschlüssel hat, oder es hier irgendwelche Geheimgänge gibt, bin ich fürs Erste sicher und ungestört.

"Dann machen wir uns mal frisch für die lieben Schwiegereltern", murmle ich seufzend zu mir selbst, werfe die Tasche in eins der beiden Waschbecken und krame frische Kleidung heraus. Dabei fällt mir das Pfefferspray entgegen. Irgendwie komme ich mir gerade ziemlich kindisch vor, weil ich es für diesen Trip extra gekauft habe. Andererseits ... Ich stelle die kleine Flasche auf die Ablage unter dem Spiegel. Ich sollte es mir nachher einstecken. Sicher ist sicher und wer weiß, wer mir hier noch alles begegnet. Schließlich laufen hier lauter Menschen herum, die Taytes Gene in sich tragen. Eine gruselige Vorstellung.
 

******
 

* xDDD Ich lach mich hier weg. Vor dem Korrekturlesen stand hier noch Rind, anstatt Ring. Tayte hat ein Kästchen in seinem Auto, in dem ein Rind steckt xDDDD

Warum zum Teufel bekomme ich jetzt Hunger auf einen Big Mac??? *lach*
 


 

Ob Gigilein das Pfefferspray noch brauchen wird? Ehrlich gesagt, ich weiß es selbst noch nicht xD
 

Euch allen und eurer Familie ein schönes Weihnachtsfest. Lasst es euch gut gehen ^^

Eure Fara

Runde IV - Schuldgefühle

So! Jetzt geht’s endlich weiter mit Beauty vs. Beast. Das Kapitel sollte eigentlich noch während der Feiertage kommen, aber ich habs vergessen >_< Zu meiner Verteidigung, mir geht es immer noch mies. Medis wirken nicht. Bis auf die Nebenwirkungen. Da hauen die voll rein *grummel*

Euch jedenfalls viel Spaß beim Lesen und danke für eure lieben Kommis. Beantworten kann ich sie wahrscheinlich erst nächstes Jahr ^^“

Eure Fara
 


 

Runde IV - Schuldgefühle
 

Nach der kurzen Dusche fühle ich mich ein klein wenig entspannter als bei unserer Ankunft. Dass dieses Gefühl nicht lange anhalten wird, wird mir spätestens klar, als ich das Zimmer wieder betrete und Tayte erblicke. "Endlich fertig?", grantet er mich an. In seinen Händen hält er eine Hose und ein Hemd.

"Ich war höchstens eine viertel Stunde im Bad. Schneller geht's kaum noch", blaffe ich zurück.

"Wenn du meinst", knurrt er und stürmt an mir vorbei.

"Ich stoppe die Zeit. Mal sehen, ob du schneller duschen kannst", rufe ich ihm nach, ehe die Tür laut ins Schloss fällt. "Arschloch!"

Sauer werfe ich meine Tasche neben das Bett und lasse mich drauf fallen. Mit geschlossenen Augen sitze ich da und versuche wieder zur Ruhe zu kommen. Es beleibt bei dem Versuch. Wieso ist Tayte so arschig zu mir? Seit wir hier eingetroffen sind, halte ich mich doch vornehm zurück, was meine spitzen Kommentare betrifft. Ich habe mir sogar Sorgen um diesen Idioten gemacht! "Pfff! Das war aber wirklich das letzte Mal, dass ich das getan hab." Ich schwöre!

Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich meine Tasche ausräumen soll, verwerfe die Idee jedoch wieder. Ich habe ganz sicher nicht vor, mich hier häuslich einzurichten. Noch nicht mal, um besser an meine Kleidung zu kommen. Deshalb schiebe ich meine noch gepackte Tasche mit den Füßen umständlich unter das Bett.

Ein Doppelbett. War ja klar! Insgeheim habe ich mir das schon gedacht, auch wenn ich gehofft hatte, dass ich eventuell eine eigene Schlafstädte bekommen würde. Leider hat sich meine Vermutung, dass dem nicht so sein wird, bestätigt. Sei es drum. Ich weiß mich zu wehren. Besonders mit meinem Pfefferspra... "Oh Kacke!" Das Spray! Es steht noch im Badezimmer!

Wie von der Tarantel gestochen springe ich vom Bett und spurte zum Badezimmer. Dort presse ich mein Ohr gegen die Tür und lausche. Die Dusche rauscht. Äußerst vorsichtig drücke ich die Türklinge runter und: Nicht abgeschlossen! Yes! So leise es geht, öffne ich sie und spähe hinein.

Ich muss schlucken, als ich zur Dusche rüber schaue. Zwar ist das Glas milchig, aber man kann genug erkennen. Taytes Kehrseite zeichnet sich hervorragend hinter der Glasscheibe ab. Doch deswegen bin ich nicht hier. Ich meine, wer bin ich denn, dass ich diesem Widerling auch nur mehr als eine Sekunde lang anschaue? So nötig habe ich es nicht. Ganz sicher nicht. Wirklich nicht ... Schau doch endlich weg Gigi!

Mein Kopf ruckt nach rechts zu den Waschbecken. Und da steht es. Mein kleines Döschen Selbstverteidigung. Nur ein paar Schritte ... Ganz vorsichtig ... Gleich habe ich es ...

Erleichtert greife ich es mir. Jetzt aber nichts wie raus!

Ich mache auf dem Absatz kehrt und Rumms! "Was tust du hier?"

"..." Ich bin gegen Tayte gedonnert! Wie kommt der denn so plötzlich von der Dusche hier her? "Ich hab ... ich hab hier was ... vergessen", stottere ich, wofür ich mich am liebsten Ohrfeigen könnte. Mein Gesicht wird zudem brennend heiß. Verdammter Mist!

"Und das musstest du unbedingt holen, während ich unter der Dusche stehe?" Ein dreckiges Grinsen schleicht sich auf seine Mundwinkel.

"Ja musste ich!", schreie ich unbeholfen und versuche mich an ihm vorbeizuschmuggeln, ohne weitere Blicke auf seinen nackten, feuchten Körper zu riskieren. Aber Tayte wäre nicht Tayte, wenn er mich einfach so gehen lassen würde.

Er schneidet mir den Weg ab und drängelt mich zu den Waschbecken, bis ich mit Rückgrat gegen eines davon stoße. Seine Arme kesseln mich ein, stützen sich an der Keramik ab. "Lass mich!", fauche ich ihn an.

"Ganz sicher nicht", sagt er mir rauer Stimme und presst sein gänzlich unbekleidetes Becken gegen meines. Das Blut rauscht laut in meinen Ohren und mein Gesicht fühlt sich immer heißer an. "Ich weiß, warum du hereingekommen bist."

"Ach ja?", fiepse ich schreckensstarr.

"Oh ja ..." Ich halte die Luft an. Täusche ich mich, oder nähert Tayte sich mir noch mehr an. So als ob er ... Mich küsst! Er küsst mich!

Meine Schockstarre löst sich binnen Sekunden. Ich reiße den Kopf herum, verpasse diesem dreisten Widerling eine Ohrfeige und danach einen kräftigen Stoß gegen die Brust. Er taumelt zurück und ich gebe Fersengeld.

"Warte!", keucht er hinter mit, erwischt meinen rechten Arm und zieht mich zurück.

"Lass mich los!"

"Warte doch."

"Das hättest du wohl gern", grolle ich und hebe meinen linken Arm in dessen Hand ich das Pfefferspray halte. Dass ich das schon so früh gebrauchen würde, hätte ich echt nicht gedacht. Ich hätte eher auf heute Abend getippt. "Bleib mir vom Leib, sonst bekommst du eine Ladung ab", drohe ich ihm.

Tayte guckt mich höchst eigenartig an. Die Fragezeichen stehen ihm ins Gesicht geschrieben. "Pfefferspray? Du hast Pfefferspray mitgenommen?"

"Was glaubst du denn? Meinst du, ich würde mich einfach von dir bespringen lassen?" Oh nein mein Lieber. So nicht!

"Das wolltest du aus dem Bad holen?"

Ich nicke. "Und ich habe auch vor es zu benutzen, falls nötig."

Irgendwie geknickt blickt Tayte von mir zum Pfefferspray und dann wieder zu mir. "Und ich dachte, du ..."

"Was ich?", frage ich nach, weil nichts mehr von ihm kommt.

"Nichts. Vergiss es." Tayte dreht sich um, läuft rüber zur noch rauschenden Dusche und schließt die Glastür hinter sich.

Jetzt bin ich derjenige, der Fragezeichen in der Luft herumschweben lässt. Was war denn das bitteschön?!
 

***
 

Ich werde einfach nicht schlau aus ihm. Was will der Kerl bloß von mir? Will er sich an mir rechen, dafür, dass ich ihm bei Kev in die Quere gekommen bin? Wollte er anfangs bloß seinen Spaß mit mir, und jetzt, wo ihm klar wird, dass er ihn nicht bekommen wird, meidet er mich? Was geht nur in diesem kranken Hirn vor sich?

Den ganzen Nachmittag schon stehe ich allein herum, muss zusehen, wie ich mit Taytes neugierig-aufdringlicher Familie klar komme. Ein Teil von ihnen bombardiert mich geradezu mit Fragen, die ich mit allesamt aus den Fingern saugen muss. Und die, die mich nicht mit ihren Fragen belästigen, scheinen mich mit ihren bösen Blicken töten zu wollen. Ich fühle mich höchst unwohl in meiner Haut und so ungern ich es zugebe, aber ich würde mich mit Tayte an meiner Seite eindeutig wohler und sicherer fühlen. Doch was tut er? Er meidet mich, sucht das Gespräch mit anderen und beachtet mich gar nicht. Vielleicht sollte ich mal zu ihm rüber gehen und ihn daran erinnern, dass er doch unbedingt wollte, dass ich seinen Verlobten mime, und dass es nicht gut rüberkommt, wenn wir nicht gemeinsam hier herumscharwenzeln.

Ich entschuldige mich bei meinem momentanen Gesprächspartner, irgendein Neffe von Tayte, und laufe zu ihm rüber. Auf dem Weg zu ihn überkommt mich die Frage, ob er mich extra meidet. Ob das nur eine neue hinterhältige Strategie ist, um mich wieder bloßzustellen. Kann ja sein, dass er es extra darauf abgesehen hat, dass ich zu ihm gekrochen komme. Bei dem Gedanken könnte ich kotzen, und ich überlege, ob ich wieder umdrehen soll, aber just in diesem Moment schaut Tayte zu mir rüber.

Ausdruckslos sieht er mich an, dann wieder weg, ehe er sich auch noch umdreht und regelrecht vor mir flüchtet. Ey! Was ist das denn nun wieder für ein Spiel?

Ich bleibe stehen. Der kann mich mal! Ganz bestimmt laufe ich ihm nicht noch nach! Das kann er sich abschminken!

Ich beschließe, mir die Beine zu vertreten. Draußen geht gerade die Sonne unter und vom hinteren Teil des Hauses hat man einen sagenhaften Blick bis zum Meer.

Taytes Mutter hat mir vorhin den Garten dort gezeigt und diese Aussicht extra betont. Angeben liegt definitiv in Taytes DNA. Das ist schon mal sicher. Trotz allem muss ich sagen, dass seine Mutter doch recht nett ist. Sie ist ständig nur am lächeln und verbreitet gute Laune mit ihrer leicht abgehobenen Art.
 

Draußen ist es beinahe ruhig. Bis auf das Rauschen des Meeres, das man bis hier her hören kann, und ein paar Möwen, die kreischend durch die angenehm frische Luft fliegen. Ich atme tief durch. Am besten, ich verstecke mich hier irgendwo und warte das Wochenende ab. Gar keine schlechte Idee eigentlich ...

"Hey du! Was tust du hier?" Ich zucke zusammen und drehe mich um. Drei junge Kerle kommen auf mich zu. Freundlich sehen sie nicht aus. Mir wird leicht flau in der Magengegend.

"Ich vertrete mir nur etwas die Beine", antworte ich lächelnd.

"So so ... die Beine ...", sagt einer der anderen beiden. Sein Tonfall gefällt mir gar nicht.

"Ja. Ich wollte auch gleich wieder rein." Ich nicke Richtung Terrassentür.

Einer der drei, derjenige, der mich zuerst angesprochen hat, schüttelt den Kopf. "Wir wollen dich nicht da drinnen", zischt er.

"Das sieht die Hausherrin aber anders", erwidere ich feindselig. Nicht nur die können die Krallen ausfahren.

"Die weiß nicht, was gut für sie ist", meint jetzt der Typ, der noch gar nichts geredet hat. Er sieht Tayte ziemlich ähnlich. "Außerdem gehört das Haus früher oder später mir, und ich will nicht, das solche Individuen wie du darin herumspazieren." Ah ja. Das muss Taytes älterer Bruder sein. Von ihm wurde schon viel gesprochen, aber gesehen habe ich ihn noch nicht. Bis jetzt. Ich hätte gut und gerne auf diese Begegnung verzichten können.
 

Die drei kommen immer näher. Ich hasse es, aber ich weiche ihnen langsam aus, gehe Schritt um Schritt zurück, obwohl ich weiß, dass es keinen Sinn haben wird.

In meinem Leben musste ich schon viel Dresche beziehen. Das letzte Mal ist zum Glück schon lange her, seit meiner Schulzeit nicht mehr, aber ich erkenne die untrüglichen Anzeichen, die auf das Unvermeidliche hinauslaufen.

Nur bin ich kein kleiner, schmalschultriger Junge mehr. Ich weiß mich inzwischen zur Wehr zu setzen. Und da fällt es mir wieder ein. Das Pfefferspray! Ich hatte es vorhin in meine Hosentasche gesteckt!

Ich fühle an meine Hose entlang und da ist es. Schnell hole ich es hervor. "Schaut mal. Die Schwuchtel hat was zur Selbstverteidigung dabei", lacht einer von denen.

"Is bestimmt nur Mundwasser", witzelt der andere. Taytes Bruder schweigt.

"Kommt näher, und ihr werdet es erfahren." Ich halte das Spray hoch. Einer von denen lockert seine Handgelenke und ich mache mich bereit.

Sie stürmen gleichzeitig los, rennen auf mich zu, als wären sie Kinder, die eine mittelalterliche Schlacht nachspielen wollen. Nur ist das hier kein harmloses Kinderspiel, sondern die Typen wollen mir wirklich ans Leder. Ans schwule Leder. Nichtsdestotrotz bin ich bereit abzudrücken, jedoch plötzlich werde ich von etwas getroffen. Nein, nicht etwas, von jemanden.
 

Jemand knallt seitlich auf meine linke Schulter, reißt mich um, noch bevor ich den Typen mein Pfefferspray in die Augen sprühen kann. Ich falle ziemlich unsanft, allerdings unverletzt, auf den Rasen. Dabei fällt mir die kleine Sprühflasche auch noch aus der Hand. Ich wurde hinterrücks unschädlich gemacht!
 

Hektisch suche ich nach meinem Spray. Zum Glück ist die Flasche leuchtend rot, sodass ich sie nach wenigen Augenblicken sehe und darauf zu robbe. Hinter mir bricht ein wahrer Tumult aus, aber ich verschwende keine Zeit damit nachzuschauen, was genau da abgeht. Zuerst brauche ich meine Waffe wieder!

Sie wieder in den Händen, fummle ich sie mir schnell zurecht, sodass ich im Notfall sofort abdrücken kann. Inzwischen hat der Tumult aufgehört. Hier und da ein leises Ächzen. Langsam kommt das Ganze mir doch recht komisch vor. Ich will nachsehen, aber bevor ich das kann, berührt mich jemand am rechten Oberarm. Ich wirble herum, ziele umgehend und drücke ab.

"AHH!" Mein Angreifer geht zu Boden, die Hände vor dem Gesicht.

"Doch kein Mundwasser, eh?", lache ich spitz.

"Scheiße!", ächzt das zusammengerollte Bündel vor mir und hustet.

Ich begutachte ihn genauer. Es ist keiner der drei Angreifer, also muss es derjenige gewesen sein, der mich zu Boden gestreckt hat. Große Statur, braune Haare, eine dunkle Hose und ein hässliches olivgrünes Hemd, dass ... Stopp mal! Hat Tayte nicht so eins getragen?

"Tayte?" Der Schock jagt mir betäubend durch alle Glieder. "Oh Scheiße! Tayte!" Das ist er! Eindeutig! Ich habe Tayte erwischt!

Mir fällt das Pfefferspray aus der Hand und ich rutsche eilig zu ihm rüber. Die drei Angreifer, die nicht weit von uns entfernt ihre Einzelteile zusammensuchen, schlurfen langsam von dannen. Tayte muss sie aufgehalten und verprügelt haben! Für mich ...

"Du Idiot", sage ich aufgebracht. "Es tut mir so leid! Ich wusste nicht, dass du es bist."

"Das hilft mir jetzt auch nicht weiter ... Au scheiße! Das brennt wie Feuer!"

Ich versuche meine Panik runterzuschrauben und erinnere mich an das, was ich gelesen habe. Natürlich habe ich mich vorher darüber informiert, was man tun muss, wenn man eine Ladung Pfefferspray abbekommt.

"Komm! Steh auf! Wir müssen dir die Augen ausspülen." Ich rapple mich auf und helfe Tayte beim Aufstehen. Es klappt unter großer Anstrengung, da er die ganze Zeit über seine Hände gegen die Augen presst. "Du darfst nicht reiben", sage ich. "Das macht es nur noch schlimmer."

"Das sagst du so einfach", keucht er.

"Gleich wird es besser. Versprochen." Ich hoffe es zumindest.
 

Ich marschiere mit ihm im Arm langsam auf die Terrassentür zu. "Warte", schnauft er. "Nicht da rein. Neben gibt es einen anderen Eingang. Da sieht uns keiner."

"Okay ..." Wenn er meint.

Ich schleppe Tayte also zum Eingang an der Seite, wo wir seitlich an der Treppe, die nach oben führt, eintreten. "Schafft du die Stufen?", frage ich ihn besorgt.

"Ich muss."
 

Es dauert, bis wir oben sind. Allein hätte Tayte das sicher nicht geschafft. Ich bekomme immer mehr Gewissensbisse. Hoffentlich bleibt von meiner Sprühattacke nichts Schlimmes zurück. Das würde ich mir niemals verzeihen. Warum konnte ich auch nicht eins dieser drei Arschlöcher treffen? Ausgerechnet Tayte, für den das Spray ja eigentlich vorgesehen war, der mich vor diesem Mob gerettet hat.

"Noch ein paar Schritte", sage ich, als wir in unserem Zimmer angekommen sind. "Gleich haben wir es."

Das Badezimmer ist in Reichweite. Darin angekommen, verfrachte ich ihn vor die Dusche. An Ermangelung einer Augendusche muss eben die normale Brause herhalten. Ich drehe das Wasser ganz leicht auf und sage Tayte, dass er sich vorbeugen soll. "Kannst du die Brause selbst halten? Ich hole dir schnell was zum draufsetzen." Ihm die Brause in die Hand gedrückt, flitze ich los und schnappe mir die schmale Bank, die vor dem Bett steht. "Hier." Ich nehme Tayte die Brause wieder ab und knie mich neben ihn. "Versuch mal die Augen aufzumachen."

"Geht nicht."

"Doch, das geht", sage ich ruhig und umfasse mit der freien Hand sein Gesicht. Vorsichtig ziehe ich mit dem Daumen an der Wagen, damit das untere Augenlid sich etwas nach unten zieht. "Geht doch."

"Das Wasser ist kalt."

"Das muss kalt sein, oder willst du, dass deine Augen noch zusätzlich mit heißem Wasser verbrüht werden?"

"Bloß nicht!"

"Na siehst du", grinse ich unbeholfen, weil ich nicht weiß, wie ich mich ihm gegenüber nun verhalten soll. Er tut mir richtig leid, wie er da mit krebsroten Augen über der Dusche hängt und immer noch leise stöhnt vor Schmerzen. Alles nur wegen diesen dämlichen homophoben Arschlöchern!

"Hätte ich gewusst, wie gemeingefährlich du bist, hätte ich doch Kevin mitgenommen", sagt Tayte nach einer Weile. Ich erwidere nichts. Dazu sind meine Schuldgefühle noch viel zu groß. "Keine Einwände?"

"Was soll ich schon sagen?" Ich drehe das Wasser ab. Eine Viertelstunde dürfte schon lange herum sein. "Wie geht es deinen Augen?"

"Brennen noch." Scheiße! "Aber es ist auszuhalten." Uff!

"Ich fahre dich lieber zu einem Augenarzt." Im Internet habe ich was über Hornhautschäden gelesen. Besser, wir lassen das kontrollieren.

"Ich will zu keinem Arzt."

"Aber Tayte!"

"Nichts aber", winkt er ab und setzt sich auf. "Gib mir mal ein Handtuch." Widerwillig folge ich seiner Aufforderung.

Nachdem er sein Gesicht abgetrocknet hat, schaue ich ihn neugierig an. "Sieht du was?"

"Ja. Noch leicht verschwommen, aber es geht."

Ich schrecke auf. "Verschwommen? Dann müssen wir zu einem Arzt!"

"Fahr du, wenn du willst, ich leg mich hin." Tayte steht auf und schlurft Richtung Schlafzimmer. "Für heute habe ich die Schnauze voll."

Ein beklemmendes Gefühl stellt sich in meiner Brust ein. Heißt das, er hat auch die Schnauze von mir voll? Verständlich, nicht? Ich würde mich auch nicht sehen wollen, hätte ich mir das Abwehrspray in die Augen gesprüht. Könnte ich wahrscheinlich auch nicht. Ha ha.
 

Meine Knie knacken laut, als ich ebenfalls aufstehe und hinter Tayte herlaufe. Doch ich gehe nicht rüber zum Bett, wo er sich, mit dem Handtuch im Gesicht, hingelegt hat, sondern gehe zur Zimmertür. Sie knarrt leise beim Öffnen. "Wo willst du hin?", höre ich ihn hinter mir fragen.

"Runter. Ich will fragen, ob noch irgendwo ein Schlafplatz für mich frei ist."

"Da wirst du Pech haben", meint er. "Alle freien Schlafstädten sind besetzt. Bis auf mein ehemaliges Zimmer, aber das ist verbotene Zone." Verbotene Zone? Na ja, sei es drum.

"Und wo soll ich sonst schlafen?", will ich wissen.

"Na hier. Dumme Frage."

"Aber ..."

"Muss ich erst wieder drohen?"

"Nein", antworte ich leise. "Willst du denn überhaupt, dass ich hier bleibe?"

"So war die Abmachung."

"Obwohl du Gefahr laufen könntest, wieder mit Pfefferspray besprüht zu werden?"

"Willst du mich denn wieder mit dem Zeug niederstrecken?"

"Nein."

"Dann ist doch alles gut." Er klopft mir einer Hand neben sich auf die Matratze. Ich gebe klein bei. Schuldgefühle lassen grüßen.
 

Zuerst sage ich nichts, liege bloß neben Tayte und starre die Wand an. Hin und wieder riskiere ich einen Blick, um zu sehen, wie es ihm geht, wobei ich nicht wirklich viel erkennen kann. Er hat immer noch das Handtuch über dem Gesicht.

Nach einer Weile wird mir das zu blöd. Leise drehe ich mich auf die Seite und warte. Ist er eingeschlafen? Ich strecke die Hand aus, um das Handtuch leicht zu lüpfen. Was ich darunter sehe, lässt mich zusammenzucken. Immer noch knall rot! Wir hätten doch zu einem Arzt fahren müssen.

"Sieht es sehr schlimm aus?" Wieder zucke ich. Tayte ist doch wach.

"Ja", krächze ich. "Wir müssen zu einem Arzt!"

"Keine Lust."

"Verdammt Tayte! Hör auf, dich so bockig zu stellen!" Ich brause schon wieder auf. Der Kerl macht mich wahnsinnig!

Und ich werde noch wütender, als er auch noch beginnt zu grinsen. "Jetzt weißt du, wie es mir immer geht. Du bist auch ständig bockig, du kleines Biest." Meine Kinnlade klappt nach unten.

"Was?!", empöre ich mich und setze mich auf. "Ich bin nicht bockig! Und falls doch, dann liegt das nur an dir!" Sein Grinsen wird breiter und er schlägt die Augen auf. Auf der Stelle verpufft meine Wut. "Oh fuck", hauche ich erschrocken. "Total rot."

"Und Schmerzen habe ich immer noch." Wieder will ich ihn versuchen zu überreden zu einem Arzt zu fahren, doch da könnte ich auch einem Ochsen ins Horn zwicken. Nutzlose Liebesmüh.

"Es tut mir wirklich leid. Hätte ich gewusst, dass du das bist, hätte ich ..."

"Auch abgedrückt", beendet er meinen Satz. Total falsch versteht sich!

"Hätte ich nicht! Schließlich hast du mich vor den dreien gerettet. ... Danke dafür."

"Schon gut."

Ich fühle mich scheiße. "Nichts schon gut", sage ich. "Du hättest allen Grund gehabt, mir nicht zu helfen. So, wie wir uns ständig in den Haaren liegen."

"Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich würde mich auf jede Seite schlagen, wenn es darum geht, Schwulenhass zu bekämpfen."

"Ach so ..." 'Dann hat er es nicht wegen mir getan.' Ich ringe das höchst verwirrende Gefühl der Enttäuschung darüber nieder. Warum überrascht mich das auch? Für ihn bin ich doch nur ein Spielzeug. Ein Austausch-Spielzeug, das er für Kevin bekommen hat.

"Dafür musst du mich jetzt aber auch entschädigen, das ist dir doch hoffentlich bewusst", reißt er mich aus den Gedanken.

"Entschädigen?" Er nickt. "Und wie?" Was hat sich dieser Perverse nun wieder ausgedacht?

"Schlaf mit mir." Was soll ich?! "Ich bin müde und habe Schmerzen. Kuschel ein wenig mit mir, bis ich eingeschlafen bin." Das ist doch ... also ...

Überrumpelt von Taytes Bitte, nicke ich schwach und lege mich wieder zu ihm. Ich weiß nicht so recht, was ich als nächstes tun soll, drehe mich hilflos in Seitenlage und lege unbeholfen meinen Arm auf seinen Oberkörper. Das findet Tayte ziemlich lustig. "Man könnte glauben, du hättest das noch nie gemacht", lacht er, dreht sich ebenfalls auf die Seite und zieht mich an sich. "So geht das." Ich halte die Luft an und versteife mich leicht, als er mich an sich zieht.

Logisch weiß ich, wie man kuschelt! Aber macht das mal mit jemanden, mit dem ihr das gar nicht wollt! Bei dem ihr euch komisch und schwach fühlt, aufgewühlt und aufgeregt. Bei dem euer Herz droht aus der Brust zu springen und ... oh, oh. Mein Herz springt raus? Habe ich das eben echt gedacht?

Ich horche in mich hinein. Wumm-wumm, wumm-wumm ... oh, oh.

"Kann ich dich was fragen?"

"Klar", antworte ich, nachdem ich meinen Klos im Hals hinuntergeschluckt habe.

"Wieso nennt dich jeder Gigi? Wäre bei einem Namen wie Luigi nicht Lui ein viel passenderer Spitzname?"

"Lui?" Mein schnell schlagendes Herz ist vergessen. "Lui ist ja wohl ein furchtbarer Spitzname!"

"Dich hat noch nie jemand so genannt?"

"Nein!" Und wäre dem so, hätte er von mir was zu hören bekommen!

"Dann nenne ich dich ab jetzt so."

"Das lässt du mal schön bleiben!" Ich versuche mich ein Stück von Tayte wegzuschieben, um ihn böse anfunkeln zu können, doch er presst mich wieder fest an sich.

"Mein Lui ...", kichert er in mein Haar. Eine Gänsehaut rast mir über die Schultern hinweg.

AHHH, dieser Arsch! Ich könnte platzen!
 

******
 

Hihi. Kleiner Lui ;-P

Runde V - Wetten?

Und es geht weiter mit unseren biestigen Buben ;-)

Ich will euch auch gar nicht lange aufhalten und nur noch allen Lesern einen guten Rutsch morgen wünschen. Wir lesen uns nächstes Jahr und dann werde ich auch eure Reviews beantworten können. Endlich Urlaub!

Bis dahin euch einen schönen Tag und feiert nicht zu heftig ;-)
 


 

Runde V - Wetten?
 

"Lui?"

"Nenn mich nicht so!"

"Lui, komm doch mal her."

"Leck mich!"

"Gern. Aber dazu musst du erstmal herkommen." Ahhhhrg! Ich bringe ihn um! Ich schwöre, heute wird noch eine zweite Beerdigung stattfinden, wenn er mich weiterhin Lui nennt und so einen Unsinn quasselt!

Den ganzen Tag über geht das jetzt schon so. Auch während der Beerdigung seines Großonkels, die, gelinde gesagt, eine ziemliche Schnarchnummer war. Keiner hat geheult oder wenigstens versucht eine Trauermiene zu ziehen. "Dein Großonkel muss aber sehr beliebt gewesen sein", flüsterte ich Tayte zu, nachdem der unbeliebte Großonkel verscharrt war, und wir alle langsam den Friedhof wieder verließen.

"So sehr wie eine Grippe im Urlaub", war Taytes Antwort gewesen. Wenn er nach seinem Großonkel kommt, kann ich die wenige Trauer verstehen ...

Als wir uns alle nach den Trauerfeierlichkeiten wieder in dem Haus von Taytes Eltern zusammengefunden hatten, ging das Geschnarche weiter. Einzig die drei Versager, die mich gestern übers Knie legen wollten, erheiterten mich ein wenig. Zwei von ihnen ziert nun je ein riesiges Veilchen, und der dritte, Taytes großer Bruder, hat eine dicke aufgeplatzte Lippe. Tayte hat gut zugelangt.

Sie gingen uns aus dem Weg, und das war auch gut so. Auf eine weitere Begegnung mit denen konnte und kann ich immer noch gern verzichten. Jedenfalls hatte das auch was Gutes. Zumindest aus Taytes Sicht. Seit dem Vorfall im Garten weiche ich ihm keine Sekunde mehr von der Seite. Sein gesamter Familienklan wird mir immer suspekter. Dann doch lieber bei Tayte bleiben, einer Gefahr, die ich besser einzuschätzen weiß.

"Luuuuhihiiiiii!" Ich verdrehe die Augen. Eine äußerst nervige Gefahr.

"Was verdammt?!"

"Bist du endlich fertig?"

"Gleich!", brülle ich durch die geschlossene Badezimmertür
 

Fühlte ich mich den ganzen Tag über in Taytes Nähe einigermaßen sicher, ist dem nun nicht mehr so.

Inzwischen ist es Abend und Tayte hat sich mit mir schon ziemlich früh vom Acker gemacht. Ihm ginge es nicht gut, und ich müsse ihn gesund pflegen. So seine Worte, bevor wir zurück auf unser Zimmer gegangen sind. Am liebsten hätte ich ihm auf der Stelle vor allen Leuten den Hals umgedreht!

Wenigstens muss ich ihm zu Gute halten, dass er mich heute weder zu irgendwelchen Küssen oder sonstigen Liebesbekundungen 'gezwungen' hat. Auch die letzte Nacht war er sehr zurückhaltend, was wohl am Pfefferspray lag. Den heutigen Tag über verhielt er sich recht sittlich, von den anzüglichen Sprüchen, die er mir immer mal wieder zugeflüstert hat, mal abgesehen.

Leider bringt mir das jetzt auch nicht viel. Durch die Pfefferspray-Attacke stehe ich immer noch in seiner Schuld. Das denkt er, und so empfinde ich blöderweise ebenfalls. Ich kann ihm ja schlecht nochmal eine Ladung verpassen, wenn er versucht mich anzugraben. Er hat immer noch leicht rote Augen. Ich muss ihm also mit Worten bezwingen. Und zur Not auch mit einer saftigen Ohrfeige. Außerdem habe ich ja noch sehr scharfe Fingernägel, die ich weiß einzusetzen.
 

Ich fühle mich, als würde ich zu meiner eigenen Hinrichtung schreiten, als ich das Badezimmer verlasse und ins Schlafzimmer gehe.

"Na endlich!", schnaubt Tayte, der auf dem Bett liegt und breit grinst. "Ich dachte schon, du willst da drin übernachten."

"Keine schlechte Idee", seufze ich, laufe allerdings auf das Bett zu. "Und? Wie soll der Abend nun weitergehen?" Besser ich weiß, was auf mich zukommt, als blindlings in seine Arme zu rennen.

"Das liegt ganz bei dir", sagt er achselzuckend. "Überzeuge mich, dass Kevin für mich uninteressant ist." Ärgerlich knirsche ich mit den Zähnen. Meinen kleinen Cousin musste er wohl unbedingt noch erwähnen, was? "Außerdem bist du mir noch was schuldig." Tayte klimpert mit den Wimpern. "Brennt immer noch leicht."

"Wir können gern in die Notaufnahme fahren", biete ich ihm an.

"Das hättest du gern, hm?"

"Einen Versuch war es wert", brumme ich. Tayte grinst noch breiter und klopft neben sich. Unter großem Zögern steige ich ins Bett und lege mich auf den Rücken. Mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer, solche Angst habe ich. Hm ... na ja. Angst wäre vielleicht zu viel gesagt. Eher aufgeregtes Unwohlsein, oder ... Ach, ich weiß doch auch nicht! Am liebsten würde ich weglaufen, dann aber auch wieder nicht, weil ... äh ... ja warum eigentlich nicht? Ganz sicher nicht, weil ich es will. Niemals! Never ever! ... Oder?

"Lui? Alles klar bei dir. Du bist kreidebleich."

"Was?"

Taytes Stirn legt sich in Falten, dann schließt er die Augen und seufzt. "Oh man Lui. Denkst du wirklich, ich würde dich zum Sex zwingen wollen?"

Unsicher drehe ich meinen Kopf zu ihm rüber. "Ich weiß nicht. Du drohst mir damit doch ständig."

Wieder ein Seufzen, dann richtet Tayte sich halb auf und sieht mich, den Kopf auf seinen Arm gestützt, eindringlich an. "Im Grunde will ich doch gar nichts Böses von dir." Das sehe ich etwas anders. "Ich habe dich das zwar schon mal gefragt, aber wie wäre es, wenn wir beide das Kriegsbeil begraben, und einfach bloß unseren Spaß miteinander haben?"

"Inwiefern?", frage ich lauernd nach.

"Das weißt du genau", lacht Tayte, womit er recht hat.

"Hm... Ich weiß nicht ..." Kann ich das? Alles vergessen und mit ihm 'Spaß haben'?
 

Tayte mustert mich. Mir wird heiß unter seinem Blick und ich schaue schnell wo anders hin. Die Matratze bewegt sich. Er rutscht näher an mich heran. Ich erstarre regelrecht, traue mich kaum zu Atmen, geschweige denn mich zu bewegen. Mein Herz schlägt so schnell, dass mir sogar im Liegen schwindelig wird. Das mit dem Wegsehen funktioniert nicht mehr so wie geplant, und meine Augen fliegen geradewegs zur Seite, treffen punktgenau Taytes blaue Augen. Ich versinke in ihnen.
 

Plötzlich sind all die negativen Gefühle und Zweifel verschwunden. Nur das aufgeregte Herzklopfen bleibt, außerdem noch etwas anderes: Neugier und die Frage, warum nicht? Ich hatte schon einige ONS. Diesmal würde es nicht anders laufen, und auch wenn Tayte ein vollkommen egoistischer Kerl ist, bedeutet das ja noch lange nicht, dass ich nicht doch eine tolle Nacht mit ihm verbringen könnte. Und ab morgen Nachmittag werden wir uns nie wieder sehen müssen, und falls ich Glück habe, vergisst er die Sache mit Kevin schnell wieder. Also nochmal: Wieso nicht?

Diesen Gedanken einmal gedacht, hält mich nichts mehr.
 

Ich strecke mich Tayte entgegen, der dies mit einem leisen Kichern kommentiert und sich ebenfalls auf mich stürzt. Ein gieriger Kuss folgt, lässt uns schon bald hektisch nach Luft schnappen, was uns jedoch nicht davon abhält, gleich wieder damit weiter zu machen.

Schon längst sind unsere Hände dabei, uns gegenseitig die wenige Kleidung vom Körper zu schälen, die wir tragen. Ich kann mich kaum noch zurückhalten, stöhne in Taytes Mund und verdränge seine Zunge aus meinem, um ihr in ihr eigenes Reich zu folgen. Von all unserem Saugen, beißen und lecken, fühlen sich meine Lippen bereits nach kurzer Zeit geschwollen und überbeansprucht an, doch scheiß drauf! Ich will diesen Spaß. Mehr als alles andere!
 

***
 

Ist er schon wach? Ich traue mich gar nicht nachzuschauen. Das beklemmende Gefühl in meiner Brust hindert mich daran.

Der Morgen danach. Wie ich ihn manchmal hasse! Nichts gegen einvernehmlichen, einmaligen und mehr als geilen Sex, aber den habe ich meist mit Kerlen, von denen ich weiß, was ich zu erwarten habe. 'Und vor allem mit Kerlen, in die ich mich nicht Hals über Kopf ... verliebt habe', denke ich bitter und spüre zum wiederholten Male das Brennen in meinen Eingeweiden, wenn ich mich der unumstößlichen Realität stelle.

Wie das so schnell passieren konnte, und vor allem, weshalb, das bleibt mir noch immer ein Rätsel, doch letzte Nacht ist es mir vollends bewusst geworden. Man kann seine Gefühle eben nicht mehr leugnen, wenn man in innig-leidenschaftlicher Umarmung zusammenliegt. Ich habe mich tatsächlich in diesen perversen, egozentrischen, nur an sich denkenden Widerling verguckt. Und das schon vor letzter Nacht, wenn ich es recht überdenke. Da war schon was auf der Hinfahrt zu spüren, bei unserem ersten Kuss, nur wollte ich es dort noch nicht wahr haben.

Oh Mann! Ist das zu fassen?! ICH! Mit diesem ungehobelten, hirnlosen ... Mir entkommt ein leises Seufzen.

'Was mache ich denn jetzt?' Mir will keine Antwort darauf einfallen. Einzig, dass ich erst einmal die heutige Lage checken sollte, bevor ich irgendwas unüberlegtes tue. Abwarten, was Tayte sagt und tut, ob es für ihn bloß Sex war, oder doch vielleicht mehr ...?

Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und presse die Augen zusammen. Von wegen mehr! Für ihn war das hundert pro nur ein Fick und das war's. Danke Gigi, ah nee! Danke Lui, dass du für mich deinen Arsch hingehalten hast. Auf nimmer Wiedersehen. Oh Gott! Das könnte ich nicht ertragen!

Versteht nun jeder, wieso ich Angst habe, nachzuschauen, ob Tayte schon wach ist? Dass ich Panik vor dem heutigen Morgen schiebe, vor dem Frühstück, wo wir das traute Pärchen spielen müssen und vor der vielleicht furchtbar peinlich-schweigsamen Heimfahrt, doch vor allem vor dem Lebewohl, wenn wir zuhause angekommen sind. Das Schlimmste ist aber, dass ich nicht weiß, wie ich mich nun Tayte gegenüber verhalten soll.

Auf Nummer sicher gehen und ihm gleich die kalte Schulter zeigen? Den Zickigen spielen, den ich die letzten beiden Tage so wundervoll dargestellt habe? Oder doch ehrlich zu ihm sein, ihm zeigen, dass die Nacht mehr für mich war? 'Ja, ganz genau!', sagt mein Gewissen. 'Und wenn er das dann bemerkt, lacht er dich aus, macht sich lustig über dich und hat alles bekommen was er wollte: Das Dummerchen, dass sich bereitwillig von ihm vögeln lässt und ihm daraufhin verfällt.' Das kann ich nicht zulassen! Lieber lasse ich mich von diesen dreien Idioten verprügeln, als dass Tayte sich vor mich stellt und auslacht! Wie gesagt: Das könnte ich nicht ertragen.

"Lui?" Oh nein! Tayte ist wach! "Schläfst du noch?" Aus Verzweiflung und Ermangelung eines besseren Plans, knurre ich verschlafen und drehe mich auf die Seite, weg von Tayte. Ich höre ihn leise lachen, dann wackelt die Matratze. Schritte von nackten Füßen über Parkett. Eine Tür schließt sich leise. Er muss im Badezimmer sein.

Erst jetzt wage ich es, meine Augen zu öffnen und starre auf die geschlossene Badezimmertür. "Was mach ich denn jetzt?"
 

Ich stehe erstmal auf, suche meine Unterhose und ziehe sie mir über. Ich will nicht unbedingt nackt vor ihm stehen, wenn er wieder das Zimmer betritt und mit seinem siegreichen Lächeln auf mich herabsieht. Danach packe ich meinen restlichen Kram ein, bis auf die Kleidung, die ich heute anziehe.

Während ich dies tue, beschließe ich, erstmal gar nicht zu reagieren. Ich werde abwarten was Tayte macht. Ich will versuchen ganz neutral zu bleiben, bis ich mir sicher sein kann, in welche Richtung das hier nun geht. Entweder, es geht weiter, wie bisher, oder … Keine Ahnung. Die große Liebe? 'Wohl kaum! Nicht mit so einem Typen wie ihn!' Da werde ich wohl realistisch bleiben müssen.

Ich seufze traurig. Kein Happy End für den lieben Gigi.
 

Ich schließe gerade den Koffer, als es plötzlich auf Taytes Seite des Bettes leise piepst. Sein Handy. Erst ignoriere ich es, doch dann piepst es wieder.

Nachdenklich lausche ich den Geräuschen im Bad. Er duscht noch. Ob ich einen Blick riskieren soll? Ich meine auf das Handy. Vielleicht ist es ja Kev. 'Oh bitte nicht!'

Ehe ich großartig weiter darüber nachdenken kann, stehe ich auch schon vor dem Nachttisch und halte Taytes Handy in meiner Hand. Display entsperrt, der Idiot hat doch tatsächlich keine Tastensperre drinnen, sehe ich schon die beiden Nachrichten blinken.

*Hey Tay-Boy. Na? Hast du das kleine, geile Biest schon flachgelegt? ]:-)* Was?! Ohne Luft zu holen lese ich die zweite Nachricht. Der gleiche Absender. *Denk dran. Heute Abend ist die Frist. Tick-tack. Du willst doch deine Wette nicht verlieren, oder?*
 

Mir rutscht das Handy aus der Hand. Mit einem dumpfen Laut plumpst es auf die zerwühlte Bettdecke. 'Hast du das kleine, geile Biest schon flachgelegt? … Du willst doch deine Wette nicht verlieren, oder?'

"Dieses Arschloch", hauche ich fassungslos und balle meine Hände zu Fäusten, während es eng in meiner Brust wird. "Dieses miese Arschloch!"

Am liebsten würde ich laut herumschreien. Stattdessen laufe ich ungehalten und aufgewühlt im Zimmer auf und ab. "Ich war nur eine dumme Wette?! Das war alles?!" Ich bin so sauer! Größtenteils auf mich selbst, weil ich so blöd war, und letzte Nacht schwach geworden bin und mir auch noch ganz, ganz wenig die Hoffnung gemacht habe, das mit uns könnte doch … Fuck! "Er hat das alles geplant! Dieser miese Betrüger!" Ich bleibe abrupt stehen und starre still das Bett vor mir an.
 

Eins meiner Talente besteht darin, völlig kontrolliert und fokussiert handeln zu können, auch wenn in meinem Kopf gerade das völlige Chaos herrscht. Deswegen bin ich auch so gut bei Friseurwettbewerben. Druck lässt mich sogar noch besser arbeiten.

Doch bin ich sauer, außer mir vor Wut und würde am liebsten die gesamte Welt unter meinem Zorn erschaudern lassen, werde ich in seltenen Fällen ganz ruhig. Solltet ihr mich mal so erleben, geht mir besser aus dem Weg, sage ich euch. Solange ich noch herumschreie, ist alles in Ordnung. Aber wenn ich ruhig werde, rennt. Rennt so schnell ihr könnt.

Also lauft. Jetzt.
 

Ich atme leise aus, habe aber immer noch das Bett im Blick. Das Handy. Ich sollte Kevins Nummer daraus löschen. Ja, das sollte ich tun. Für alle Fälle. Keine Ahnung, was gleich mit mir passieren wird, wenn dieser dreckige Hund aus dem Bad stolziert kommt. Hinterher reagiert er sich an meinem kleinen Cousin ab. Und das wollen wir ja nicht.

Nummer gelöscht und sicher gestellt, dass die beiden noch keinen SMS Kontakt hatten, oder miteinander telefoniert haben, behalte ich das kleine teure Teil in meiner Hand. Sicher ist es dort keinesfalls. Ich kann fest zupacken, sage ich euch. Vielleicht sollte ich es einfach zerquetschen und mir dabei SEINE Eier vorstellen. Ein Versuch wäre es wert …
 

"Du bist ja doch schon wach. Wie schön." ER steht plötzlich hinter mir! Ich habe ihn gar nicht kommen hören.

SEINE Arme schieben sich ungefragt von hinten um mich und legen sich um meinen Bauch. "Fass mich nicht an!", zische ich, reiße mich aus SEINER widerlichen Umarmung und drehe mich blitzschnell zu IHM um.

"Oh sorry. Hab ich dich erschreckt?", fragt ER mich doch tatsächlich.

"Du", grolle ich. "Du elendiger Bastard."

SEIN Kopf legt sich leicht schief und eine Augenbraue flippt nach oben. "Was habe ich denn jetzt angeblich wieder angestellt?", seufzt ER. "Jetzt sag nicht, du nimmst mir die letzte Nacht übel."

Irre ich mich, oder knackt das kleine Plastikteil in meiner Hand gerade? Wäre kein Wunder, so fest, wie ich es umfasst halte. Ich platze gleich!

"Meinen Glückwunsch", knurre ich und hebe die Hand mit SEINEM Handy nach oben, sodass ER es zu Gesicht bekommt. "Wette gewonnen." Ich hole aus. Das Handy fliegt. Krack! Oh sorry. War das die Wand, an die das Teil so eben geschlagen ist?* Hat sich recht ungesund angehört, der Aufprall.

ER schaut sich die Bescherung kurz an, reagiert jedoch kaum darauf, was mich ungemein stört. "Du warst an meinem Handy", stellt ER sehr fachmännisch fest. "Warte mal. Wette?" Nun bin ich wieder im Fokus SEINER Aufmerksamkeit.

"Ja, die Wette!", brülle ich, nun doch nicht mehr ganz so beherrscht, wie zuvor. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Steigerung zu meinem gefährlich-ruhigen Zorn. "Ich hoffe, mein Arsch konnte dir zu einem glorreichen Sieg verhelfen!"

Seine Augen weiten sich. Ha! Ertappt! "Lui! Ich …"

"Du bist für mich gestorben! Endgültig!"

"Lui, ich kann dir das …" PATSCH! Die Ohrfeige hat gesessen.

"Fick dich!" Und weg bin ich.
 

Mit meinem Koffer in der Hand rase ich die Treppe nach unten.

Dort wuseln schon einige von SEINEN Verwandten herum. Einer spricht mich an, doch ich strafe ihn bloß mit einem bösen Blick. Die können mich alle mal! Alle miteinander!

Draußen eile ich die Auffahrt entlang. "GIGI! Warte! Bitte!" SEINE Stimme.

Ich weiß nicht, wie ER es geschafft hat, mich einzuholen, wahrscheinlich, weil ER, so wie ich, nicht mit einem unhandlichen Rollkoffer bepackt ist. Nur deswegen kann ER kurz vor dem Tor meinen Arm erwischen und mich am weiterlaufen hindern.

Zischend versuche ich mich zu wehren. Vergebens. Der Mistsack ist stärker und sieht verdammt entschlossen aus, mich nicht gehen zu lassen. "Hör mir doch mal zu!", keift ER mich an und bringt mich endgültig unter Kontrolle. So wütend ich auch auf IHN bin, in seiner Nähe werden meine Gelenke weich wie Gummi und meine Gegenwehr nicht mal halb so erfolgreich, wie ich gerne hätte. ER soll dafür in der Hölle schmoren!

"Lass mich gehen", ist mein einziger Widerstand, den ich noch leisten kann.

"Ganz sicher nicht so", knurrt ER.

Ich vermeide es, IHN anzusehen. ER trägt dabei immer noch nichts weiter, als ein Handtuch, das ER um seine Hüften geschlungen hat. Fuck!

"Die Wette ist mir scheiß egal", versucht ER auf mich einzureden.

"Wers glaubt!"

"Nein, das stimmt! Ich habe an diese Wette gar nicht mehr gedacht. Meine Freunde haben die sich an dem Abend ausgedacht, als du dich gegen deinen Cousin eingetauscht hast. Sie machten Witze darüber ,weil du so kratzbürstig warst, und plötzlich kamen sie mit dieser dummen Wette an."

"Du du ja jetzt mit Bravour gewonnen hast! Meinen Glückwunsch!" Ich starte einen weiteren Versuch mich aus SEINER Umarmung zu befreien. Vergebens. Mein Körper will mir nicht so recht gehorchen. Verräter!

"Um die Wette geht es mir doch gar nicht. Ging es noch nie! Versteh das doch endlich!"

"Ach, und um was ging es dir dann? Dass du für die paar Tage hier was zum Ficken hast?"

"Verdammt Gigi! Mir geht es die ganze Zeit über nur um dich, zum Teufel nochmal!"

Ich gerate kurz ins Stocken und ich höre auf, meine Arme aus seinem Griff befreien zu wollen. "Um mich", krächze ich und könnte mir selbst in den Arsch beißen, dass diese kleinen Worte mein Herz schneller schlagen lassen.

"Ja, um dich", bestätigt ER mir abermals und sieht mich eindringlich an. Beinahe glaube ich ihm. Aber dann fällt mir ein, wie manipulativ ER ist. Und wie selbstgefällig.

"Du willst mich doch nur wieder verarschen."

"Nein will ich nicht!"

"Was springt denn für dich dabei raus, hm? Eine Doppelwette? Zwei Mal vögeln, doppelter Gewinn?"

ER grunzt verärgert. Dabei habe ich doch allen Grund dazu, verärgert zu sein. "Nochmal: Die Wette geht mir am Arsch vorbei. Und ich könnte dir das auch auf der Stelle beweisen, wenn du nicht mein Handy geschrottet hättest!"

"Pfff!", mache ich, schaue jedoch schuldbewusst zur Seite. Ich gerate ins schwanken. "Hätte, hätte. Wer es glaubt." Dennoch kann ich nicht nachgeben. Wenn ich es tue, dann dauert es sicher nicht lange, bis der nächste Seitenhieb aus seiner Richtung auf mich zukommt. Und selbst wenn. SEINE süßholzraspelnden Worte ändern auch nichts an der Tatsache, dass ER ursprünglich meinen armen, kleinen Kev an diesem Wochenende ausnutzen wollte. ER ist und bleibt ein Schwein!
 

"Gigi. Sieh mich an. … Bitte." Stoisch schaue ich weiter zur Seite. Schöne Hortensien-Büsche. So schön Lila. "Gigi! Sieh mich an!" Scheiße! Ich gebe ein mehr als genervtes Seufzen von mir, tue IHM aber schließlich den Gefallen. Am liebsten würde ich ihm mitten ins Gesicht spucken. Oder meine Lippen auf seine drücken … Ahrg! Weg mit diesen Gedanken!

"Dein Auftritt im Club hat mir wirklich imponiert", sagt ER leise.

"Ich Glücklicher." Meine Stimme trieft vor Sarkasmus.

ER ignoriert es. "Ich wollte dich sofort näher kennenlernen, aber da du mich gleich als hochnäsiger Kinderschänder abgestempelt hattest, war mir gleich klar, dass du dich niemals von dir aus mit mir treffen würdest, bevor du mich besser kennst. Also habe ich mir dieses kleine Spielchen hier ausgedacht."

"Wie nett. Womit du nur wieder bewiesen hast, dass Ehrlichkeit nicht dein Ding ist und du ein mieser Manipulator bist."

"Mensch Gigi! Verdreh mir doch nicht ständig die Worte im Mund!"

"Mit meinem Mund mache ich, was ich will!"

"Habs gemerkt." ER grinst anzüglich und in meinem Bauch fängt es heiß an zu kribbeln. Am liebsten würde ich IHM wieder eine scheuern, würde ich auch, wenn ER nicht meine Hände gefangen halten würde. "Die Nacht mir dir war sehr schön. Mehr als schön." Mein Herz schlägt einige Takte schneller. Doch davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Nicht von meinem Herzen oder von meinem immer noch in Flammen stehenden Bauch. Und erst recht nicht von seinen süßen Worten.

"Gott, kannst du gut lügen", lache ich höhnisch, wenn auch immer noch leicht verunsichert, ob es nicht doch stimmen könnte, was ER da sagt. Doch das Risiko kann ich nicht eingehen, denn: "Ich kenne so Typen wie dich zu genüge. Du nimmst dir was du willst, mit allen Mitteln und Lügen die dir zur Verfügung stehen, und wenn du keinen Spaß mehr mit deinem neuen Spielzeug hast, wirfst du es weg und suchst dir ein neues. Aber mit mir nicht." Ich bringe mich in Position. "Danke für den Fick letzte Nacht. Für mehr bist du nämlich nicht zu gebrauchen." Und Tritt. Genau zwischen das Handtuch.
 

ER sackt stöhnend zusammen und lässt mich endlich los.

Ich ergreife die Fluch. "Au verflucht! … Gigi! … Warte! … GIGI!"
 

******
 


 

* Wenn aus dem Handy nachher ein Prinz springt, fress ich nen Besen xDDD
 

Bringt ihr mich jetzt um?

Aber keine Panik. Es steht ja noch kein Ende darunter ;-) Erst gibt es noch den Epilog mit Happy End … ??? xP

Epilog

Endlich fertig geworden!

Ich habe das Ende nochmal überarbeitet, weil es mir nicht so gefallen hat. Ich bin immer noch leicht skeptisch, aber ganz zufrieden damit. Was ich erzählen wollte, ist erzählt. Mehr wollte ich gar nicht ;D
 

Viel Spaß hiermit und wir lesen uns ja vielleicht bald wieder bei Love bite. Da gibt es demnächst auch wieder ein Kapitel ;-)

Eure Fara
 


 

Epilog
 

Per Taxi und Zug kam ich damals wieder nach Hause. Fast ein gesamter Tag ging für die nervige Reise drauf.

Unterwegs kamen mir natürlich endgültig Zweifel.

Hatte ER wirklich die Wahrheit gesagt? Wollte ER mich wirklich von Anfang an einfach nur kennenlernen? Doch selbst wenn, hätte ER das doch auch anders regeln können, oder? Niemand hat IHN dazu gezwungen vor mir das Arschloch zu mimen. Trotzdem: Je öfter ich alles nochmal Review passieren ließ, das gesamte Wochenende und vor allem unsere letzten mehr als unschönen Worte, desto unsicherer wurde ich mir, ob ich nicht doch hätte nochmal mit ihm reden sollen.

Nach einer Weile des Nachgrübelns schrie mein Herz geradezu danach, wieder zurückzufahren, um dies nachzuholen, doch mein Verstand weigerte sich dagegen. Ich war mir nicht sicher. Mit gar nichts. Also wählte ich das kleinere Übel. Die Flucht.
 

Zuhause wuchsen die Bedenken allerdings immer mehr, und ich wurde mir immer sicherer, dass ich einen Fehler begangen hatte. Nicht der erste in meinem Leben, das könnt ihr mir glauben. Wenn ich verletzt bin, setzt bei mir der Selbsterhaltungstrieb ein und ich versuche unter allen Umständen, mich vor weiteren Verletzungen zu schützen. Doof nur, wenn man danach langsam realisiert, falsch gehandelt zu haben. Ich meine, es hätte wirklich nichts dagegen gesprochen, mich nach unserem Streit mit IHM zusammen zu setzen, abzuwarten, was ER noch zu sagen gehabt hätte, und dann zu entscheiden, ob ich weglaufen, oder doch bleiben soll.

Doch alles Grübeln half nichts. Ich hatte meine überstürzte Entscheidung getroffen und musste damit leben, obwohl ich IHM im Grunde sogar glaubte, dass IHM die Wette gar nicht wichtig war. Das lag vor allem an seinem Blick.

Immer wieder sah ich hin vor mir. Diese blauen Augen … So ehrlich und auch traurig. Ich bekam IHN einfach nicht aus meinem Kopf!
 

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, in meiner Bude zu hocken, so oft es meine Arbeit zuließ. Es hätte ja sein können, dass ER plötzlich vor meiner Tür steht. Schließlich wusste ER wo ich wohne. Ich dagegen wusste fast gar nichts über ihn. Noch nicht mal den Nachnamen seiner Eltern, geschweige denn die Adresse von ihnen.

Das Taxi hatte mich damals an einer Bushaltestelle eingesammelt, zu der ich geflüchtet war, weshalb keine Notwendigkeit dazu bestanden hatte, nach dem Straßennamen von SEINEM Elternhaus zu gucken.

Meine Verzweiflung wuchs. Sogar Kev fragte ich, ganz beiläufig natürlich, ob er von IHM wieder etwas gehört hatte. Doch er verneinte, schlug mir die Tür vor der Nase zu und war wegen der ganzen Sache mit IHM noch ein halbes Jahr später sauer auf mich. Bis er sich in jemanden verliebte. Mit diesem Jemand ist er immer noch zusammen. Wenigstens eine gute Sache, die daraus entstanden ist.
 

Nun, wir wissen inzwischen, dass ER niemals vor meiner Tür gestanden hat. Und wir sind uns in all der Zeit auch kein weiteres Mal über den Weg gelaufen. Selbst in dem Club, in dem wir uns das erste Mal begegnet sind, habe ich ihn nie wieder gesehen.

Das machte mich wieder wütend. Falls ER mir wirklich die Wahrheit gesagt hatte, wieso versuchte ER nicht ein weiteres Mal, mir alles zu erklären? Warum gab ER mich so schnell auf? So wichtig konnte ich IHM ja nicht gewesen sein ...

So schwankte ich lange Zeit zwischen warten und hoffen, und zwischen Liebeskummer und Wutattacken hin und her.

Vor meinen Freunden und Bekannten verschwieg ich die ganze Angelegenheit. Obwohl sie Anfangs schon mitbekamen, dass mit mir etwas nicht stimmte. Selbst Xander bemerkte etwas. Liebeskummer lässt sich schwer unterdrücken und somit auch kaum verbergen. Zugeben, dass mich etwas bedrückte, tat ich jedoch selbst vor ihm nicht.
 

Mit der Zeit wurde der Kummer und die Wut natürlich besser.

Ich dachte nicht mehr so oft an IHN. Hin und wieder, meist abends oder nachts, überkamen mich die Erinnerungen, aber ich konnte inzwischen damit umgehen. Mit dem Liebeskummer und den wütenden Phasen. Und falls es mal wieder arg schlimm wurde, wozu gibt es diese großen Eisbecher? Vorzugsweise Schokolade und dazu vieeeel Eierlikör. Mein Geheimtipp für Liebeskummer. Merkts euch Mädels und Buben.
 

So. Und nun sind wir hier. In einem mir unbekannten Wohnzimmer. ER in meiner unmittelbaren Nähe.

Xander redet und versöhnt sich hoffentlich mit dem kleinen Elijah und ich? Ja was mach ich denn jetzt nur? Mich mit IHM versöhnen? Geht das überhaupt noch? Nach alle dem, was ich ihm an diesem letzten Morgen an den Kopf geworfen habe?

Logisch habe ich oft darüber nachgedacht, was ich sagen würde, würden wir uns wieder begegnen. Aber all diese Überlegungen sind wie aus meinem Hirn gelöscht. Das liegt natürlich nur an IHM. An SEINER Art, die mich abermals rasend macht.

Wir stehen uns jetzt keine fünf Minuten gegenüber, und schon falle ich wieder vom einen Extrem ins nächste. Von Herzschmerz zur Wut und wieder zurück. Haben wir so überhaupt eine Chance? Hätten wir die überhaupt jemals gehabt?

"Was ist?", fragt ER mich plötzlich. "Immer noch sprachlos?"

Ich muss mich räuspern. "Ich überlege nur, was Xander und dein Bruder wohl gerade tun." Gut gerettet Gigi! Ich applaudiere meinem Verstand zu.

Das bringt IHN kurz aus der Fassung. "Hoffe mal für deinen Freund, dass er nichts tut, was meinem kleinen Bruder auch nur im Geringsten schadet."

"Das wird er schon nicht", antworte ich, wobei es in meinem Kopf anfängt zu rattern. "Elijah war damals nicht da."

"Hm?"

"Bei der Beerdigung. Ich hätte ihn wiedererkannt, wenn er damals dabei gewesen wäre." Ganz sicher!

"Elijah war damals in England. Bei seinem Vater." Und es macht klick in meinem Kopf.

"Seinem Vater? Dann seid ihr Stief…"

"Geschwister. Wir sind einfach Geschwister", ranzt ER mich an. "Also?"

"Was also?"

"Hast du mir sonst nichts zu sagen?"

"Was soll ich dir sagen?", frage ich trotzig zurück, obwohl ich ahne, was er damit meint. Ganz so schwer zu erraten ist das auch nicht.

"So etwas wie: Entschuldigung, dass ich dich damals einfach hab stehen lassen und dich beinahe kastriert hätte." ER verschränkt die Arme vor der Brust. Schuldbewusst senke ich den Blick. Treffer.

Klar tut mir der Tritt im Nachhinein leid. Aber der Schatten vor mir ist noch zu groß, um darüber hinwegspringen zu können. Ich bringe es einfach nicht über mich. Nicht beim IHM. "Mein linkes Ei hat erst Tage danach seinen angestammten Platz wiedergefunden." Autsch! Ich beiße mir auf die Unterlippe und visiere den Schatten vor mir an. So groß ist er gar nicht ...

"Das war vielleicht nicht ganz richtig von mir", gebe ich flüsternd zu. Mein Herz macht einen Freudensprung, dass ich mich dazu 'herablassen' konnte. Mein Ego dagegen protestiert aufs schärfste. "Aber dass du mich gegen meinen Willen festgehalten hast, war auch nicht ganz die feine englische Art." HA! Mein Ego reibt sich die Hände.

"Hm", macht ER und sieht nicht mehr halb so wütend aus, wie noch gerade eben. "Mehr kann ich von dir im Moment wohl noch nicht erwarten, was?" Was soll denn das nun wieder heißen? "Gut." ER zuckt mit den Schultern. "Dann kann ich es dir ja jetzt zeigen." Plötzlich macht ER Anstalten, seinen Gürtel zu öffnen.

"Was tust du da?", will ich panisch von IHM wissen.

"Habe ich dir doch gesagt. Ich will dir was zeigen."

"Das musst du nicht!"

"Oh doch. Und wie ich das muss."
 

Nervös schaue ich SEINEN Fingern dabei zu, wie sie Hosenstall und Knopf öffnen, und ER sich dann die Hose halb von der Hüfte streift. Danach ist der Bund seiner Shorts dran. Kurz vor seinem Schambereich, unterhalb der rechten Leiste, kommt ein Tattoo zum Vorschein. Eine … Zeichentrickfigur?

Sieht aus wie eine Teekanne. Mit passender Tasse dazu. Beide haben Gesichter. Kommt mir irgendwie bekannt vor … "Das durfte ich mir stechen lassen. Weil ich meinen Freunden gesagt habe, dass ich die Wette verloren habe." Entgeistert starre ich IHN an, dann wieder das Tattoo.

"Verloren? Aber das hast du doch gar nicht. Wieso …"

"Weil ich dich nicht zu irgendeinem Gegenstand einer dummen Wette machen wollte, verdammt! Und hättest du mir damals zugehört, und wärst nicht einfach abgehauen, sondern mit mir wieder zurückgefahren, hätte ich dir das auch beweisen können!"

Ich schlucke hart. Tayte hat recht. Ich weiß, dass ich nicht einfach hätte davonrennen sollen. Das wusste ich schon vor unserem Wiedersehen. Aber dass er wirklich vor seinen Freunden gesagt hat, er habe die Wette verloren, also mich nicht 'ins Bett bekommen hat', das überrascht mich wirklich. Und, ganz zum Ärger meines himmelhohen Egos, macht es mich auch unwahrscheinlich glücklich. "Du hast das wirklich wegen … mir gemacht?", frage ich ihn so leise, dass ich nicht sicher bin, ob er mich auch verstanden hat, und deute auf das lächerliche Tattoo.

Tayte atmet angestrengt aus. "Mensch Gigi. Du bist so ein Vollidiot!" Was?

Und da ist sie wieder. Die Wut über diesen ungehobelten Ochsen. "ICH?!", belle ich ihn ungehalten an. "Du bist doch derjenige, der von Anfang an mit gezinkten Karten gespielt hat!"

"Aber doch nur weil du …" Er hält inne, seufzt laut und wischt sich mit den Fingern über die Augen. "Schluss damit", flüstert er. "Hören wir einfach damit auf, ja?"

"Du hast doch angefangen", murmle ich und kassiere sofort einen bösen Blick, den ich wohl auch verdient habe. "Ist doch wahr." Gott! Wie kleinlaut ich klingen kann. Ekelhaft!

Aber noch schlimmer ist, dass ich, trotz der plötzlich versöhnlichen Worte Taytes, immer noch nicht aus meiner Haut kann.

Wieder seufzt mein Gegenüber. "Gut. Okay. Von mir aus. Habe ich halt damit angefangen, uns das Leben schwer zu machen. Dann habe ich jetzt auch jedes Recht dazu, es zu beenden, oder?" Äh … Ich nicke einfach mal. "Fein." Tayte grinst. Ist das jetzt gut, oder schlecht? "Gigi?"

"Ja?" Was kommt denn jetzt?

"Hättest du Lust, auf ein Date mit mir?" Hä?!

"Jetzt?"

Lachend zuckt er mit den Schultern. "Von mir aus. Aber erst, wenn dieser Kasper Xander meinen kleinen Bruder wieder glücklich gemacht hat." Äh …
 

Okay. Mal langsam. Bitte nochmal von vorn.

ER steht vor Xanders Tür, bringt uns zu seinem kleinen Stiefbruder, dem süßen Froschkönig, schnauzt mich an, zeigt mir sein Teetassen-Tattoo und jetzt will er mit mir ausgehen? Kann mir mal irgendjemand sagen, zu welchem Zeitpunkt ich etwas ganz entscheidend wichtiges nicht mehr mitbekommen habe?
 

"Nun?" Ich werde gespannt gemustert. Nein, nicht gespannt. Angespannt. Ist ER etwa nervös? ER? Mister Cool und selbstsicher?

Mein Ego freut sich wie Bolle und mein Herz macht glücklich einen Sprung. Die beiden scheinen sich einig zu sein. Das erste mal seit zwei Jahren.

"Ob ich Lust auf ein Date mit dir hätte?", überlege ich laut. "Was steht denn dieses Mal an? Ein unliebsamer Besuch bei irgendeiner grantigen Großmutter?" Ich grinse ihn breit an. Hoffentlich versteht er, dass das als Scherz gemeint ist. Falls nicht, liegen wir uns sicher gleich wieder in den Haaren.

"Fast", meint er und verzieht den Mund. "Ein Abendessen mit einer arg emotional schwankenden Zicke."

Meine Augenbrauen flippen nach oben. "Und da willst du mich dabeihaben?"

Tayte legt grinsend den Kopf schief. "Es gibt nur eine Zicke, mit der ich gern ausgehen würde." Er deutet auf mich.

Ich tue überrascht und zeige ebenfalls auf meine Wenigkeit. Tayte nickt. "Willst du wetten?", frage ich ihn und grinse ebenfalls.

"Worauf?"

"Ob ich ja sage, oder nicht."

"Ich habs nicht mehr so mit Wetten", lacht er. "Damit habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht."

"Schade. Ich hätte dir gern noch so ein Tattoo verpasst", grinse ich verschmitzt. Tayte schaut an sich hinunter. Er steht immer noch mit halb heruntergezogener Hose da. "Warum hast du es nicht covern lassen?" Mir wäre das Motiv wirklich zu peinlich. Comic-Teetassen an so einer brisanten Stelle sind doch höchst unpraktisch.

"Es hat mich an dich erinnert", sagt er achselzuckend und mir wird heiß. Dabei geht es weniger um das Motiv, wie ihr euch sicher denken könnt. Trotzdem ziehe ich ihn damit auf.

"Du denkst an mich, wenn du ein Teeservice siehst?"

Tayte lacht leise. Ich bekomme sofort eine Gänsehaut. "Erkennst du es nicht?"

"Was?"

"Aus welchem Märchen die Teekanne und die Tasse sind." Ich verneine. Sie kommen mir zwar bekannt vor, aber bei mir will es nicht klingeln. "Aus 'Die Schöne und das Biest'."

"…" Ich will was sagen, kann aber nicht. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, nicht laut loszulachen. Wie passend! "Das war die Wette?", kichere ich. "Dir die Teekanne aus 'Die Schöne und das Biest' stechen zu lassen?"

"Nicht direkt. Es sollte ein Motiv aus einem Disney Märchenfilm sein. Ich fand das ganz passend."

"Warum dann nicht gleich die Hauptfiguren?" Also echt! Eine Teekanne! Mit Gesicht!

"Ich durfte mir nur das Märchen aussuchen. Das Motiv hatten meine Freunde in der Hand."

"Ah ja", grinse ich breit. "Eine Teekanne …" Tayte, der ebenfalls nicht aufhören kann, vor sich hin zu grinsen, zieht sich seine Hose wieder hoch. Schade.

"Setzen wir uns?" Er deutet auf die Couch.
 

So dicht zusammen, wie schon seit unserer letzten Begegnung nicht mehr, sitzen wir nun auf der großzügigen Couch.

Tayte so nahe bei mir zu haben, weckt höchst prickelnde Gefühle in mir. Ich bin bis in die Haarspitzen nervös! Doch da ist noch was anderes, das ich fühle. Wissensdurst. "Warum bist du in all der Zeit nicht zu mir gekommen?" Ich muss es wissen!

Tayte betrachtet einen Moment lang seine Hände, dann mich, ehe er antwortet. "Damals auf Sylt, hast du mir beinahe ständig eine Abfuhr nach der nächsten erteilt. Und dann, nach unserer Nacht und dem Streit, konnte ich einfach keine weitere Abfuhr von dir ertragen. Du hast mich ziemlich heftig abserviert, weißt du?" Gewissensbisse. Da sind sie wieder.

"Nochmal: Es tut mir leid, aber ich war so wütend und verletzt wegen der SMS, weil ich mich …" Mir bleibt der Rest im Hals stecken. Fast hätte ich es gesagt!

"Weil du was?", hakt Tayte natürlich sofort nach und sieht mich durchdringend an.

Nervös zupfe ich an meinen Fingern herum. Ich kann es ihm noch nicht sagen. Wir haben uns so lange nicht gesehen, und eigentlich ist ja immer noch so vieles ungeklärt zwischen uns. "Nach unserer gemeinsamen Nacht, hatte ich gehofft, dass es zwischen uns anders weiterlaufen würde."

Tayte nickt. "Das hatte ich auch gedacht. Bis du mir mein Handy um die Ohren geworfen hast." Wieder fühle ich mich schlecht. Aber zu meiner Verteidigung, ich hatte auch allen Grund dazu, sauer auf ihn zu sein. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. "Ich könnte mich jetzt noch dafür in den Arsch treten, dass ich das Scheißteil nicht ausgeschaltet hatte", meint Tayte seufzend. "Dann wäre alles anders gekommen." Ich werde neugierig.

"Wie wäre es denn gekommen?", möchte ich von ihm wissen.

"Na ja. Eigentlich hatte ich vorgehabt, dir alles zu erklären. Dass ich niemals wirklich vorgehabt hatte, deinem Cousin irgendwas anzutun. Wollte dir erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass er mit mir nach Sylt wollte. Dass es mir wirklich leid tut, dass ich dich damit ständig erpresst habe. Und vor allem wollte ich dir sagen, dass ich dich, seit ich dich im Club gesehen habe, wie du mit diesem hinreißenden wütenden Gesichtsausdruck auf mich zugestürmt bist, gleich kennenlernen wollte", schmunzelt er und auch ich fange an zu lachen.

"Du findest es hinreißend, wenn ich wütend bin? Dann muss das Wochenende ja das reinste Paradies für dich gewesen sein."

"Anfangs fand ich das alles noch recht amüsant. Als eine Art Herausforderung. Aber als ich merkte, dass ich einfach nicht zu dir durchdringen konnte, war es schon frustrierend." Beschämt senke ich den Kopf. Ja, ich bin ein Vollarsch gewesen. Ein, auf seiner vorgefassten Meinung eingenommener, Vollarsch. "Nach unserer Nacht dachte ich wirklich, ich hätte endlich einen Zugang zu dir gefunden. Und dann kommen meine bescheuerten Freunde und vermasseln alles."

"Zu ihrer Verteidigung, ich hätte ja auch nicht an dein Handy gehen müssen." Mein Ego hat sich schon vor geraumer Zeit in die hinterste Ecke meines Körpers verzogen. Anscheinend hat es endlich eingesehen, dass es sich vor Tayte nicht mehr aufplustern braucht.

"Darf ich dich was fragen?" Tayte sieht mich fragend an.

"Klar", nicke ich.

"Hast du mich wirklich als ein so großes Arschloch empfunden, oder wolltest du einfach deine Fassade nicht fallen lassen? Ich meine, bevor wir miteinander geschlafen haben."

"Es war wohl eine Mischung aus beidem", gestehe ich. "Ich wusste einfach nicht, woran ich an dir war."

"Heißt das, du weißt es jetzt?"

"Vielleicht." Ich grinse Tayte an. "Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken."

"Über mich?"

Ich nicke. "Und auch über das, was hätte passieren können, wäre das mit der SMS nicht gewesen." Die Frage hat er ja schon beantwortet. Das 'Was wäre, wenn …?' "Also ja. Ich hätte Lust auf ein Date mit dir."

"Wirklich?" Tayte macht große Augen.

"Wirklich. Aber die Zicke werde ich zuhause lassen. Na ja. Ich versuche es zumindest."

Tayte lacht und beugt sich zu mir rüber. Mein Herz schlägt einen Purzelbaum. Noch bevor ich genau seine Hand, die sich auf meine Wange legt, realisieren kann, haben sich auch schon seine Lippen auf meine gelegt. Ich bin zu überrascht und zu aufgeregt, um auf den Kuss einzugehen. Besonders, weil er viel zu kurz anhält. "Wehe, du verpasst mir jetzt wieder eine Ohrfeige", flüstert Tayte mir anschließend gegen die Lippen. Anstatt zu antworten, reagiere ich mit einem weiteren Kuss auf seine Worte.
 

***
 

Bei diesem einen Kuss blieb es jedoch nicht. Soll ich euch davon auch noch erzählen? Ja? Hm ...

Na ja, sagen wir, Tayte und ich haben es uns danach noch etwas auf der Couch gemütlich gemacht. Die genaueren Details über unser restliches 'Zusammentreffen' überlasse ich mal eurer schmutzigen Fantasie.

Was ich euch aber verraten kann, bei diesem einen Zusammentreffen blieb es natürlich auch nicht. Schließlich hatten Tayte und ich ja noch eine Verabredung zum Date. Und danach kam noch eine. Und noch eine. Tja. Doch irgendwann gab es keine Verabredungen mehr. Ist auch überflüssig, wenn man sich eine Bude teil. Hab ich recht?
 

Also hier habt ihr es. Das Happy End. Das 'Und wenn sie nicht gestorben sind …' und auch das 'Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.'

Na gut. Bis ans Lebensende ist eventuell noch leicht verfrüht. Und auch das glücklich … Wir zoffen uns schon hin und wieder ganz schön. Es können richtig die Fetzen fliegen, sage ich euch. Aber das macht nichts, denn Tayte mag es ja, wenn ich zickig bin, gell?

"Nicht immer." Ja gibt's denn sowas?

"Lügner!", keife ich Tayte an, der sich einfach ungefragt in meinen Abspann drängelt.

"Was ich daran jedoch auf alle Fälle mag, ist unser Versöhnungssex danach", grinst er mich doch tatsächlich an.

Gut, zugegeben. Den mag ich auch. Aber darum geht es hier ja jetzt nicht. Ich wollte euch noch schnell grob erzählen, wie es danach mit uns weitergegangen ist.
 

Wie schon erwähnt, wir wohnen jetzt zusammen. Seit einiger Zeit schon.

Es klappt ganz gut. Kleinere Reibereien gehören eben dazu.

Auch an Taytes Haare darf ich mittlerweile ran. Da ist er, komischer weise, total exzentrisch drinnen. Aber jeder hat halt so seine Schrullen.

Mit meinem Cousin läuft es auch wieder besser, nachdem er spitz bekommen hat, mit wem ich jetzt zusammen bin. Trotz seiner glücklichen Beziehung, war er sauer deswegen. Vornehmlich deshalb, weil ich ihm nie etwas über das Wochenende auf Sylt erzählt habe.

Er und Tayte verstehen sich ziemlich gut. Was mich auch nicht mehr aufregt. Tayte hat mir damals alles erzählt, was zwischen ihm und meinem Cousin vorgefallen ist. War nicht sehr spektakulär. Tayte erzählte ihm von der Beerdigung, von dem homophoben Teil seiner Familie, und wie witzig es wäre, wenn er mit einem Freund da auftaucht. Eins führte zum anderen. Und schon steckte ich mitten in der Geschichte drinnen.

Natürlich schnauzte ich Tayte an, er hätte mir ja von Anfang an reinen Wein einschenken können, aber er zuckte bloß mit den Schultern und meinte, ich hätte ja nicht gleich so zickig reagieren müssen.

Seis drum. Es ist eben passiert. Genau wie meine Flucht nicht hätte sein müssen. Oder dass ich nicht heimlich in sein Handy schauen hätte müssen. Dann wären wir vielleicht viel früher zusammen gekommen. Aber hätte, hätte Fahrradkette. Egal.

Happy End.

Mehr wollen wir doch gar nicht, oder?
 

(Happy) Ende ^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  -Phenix-
2017-09-08T13:55:14+00:00 08.09.2017 15:55
Ich will wissen was er angestellt hat XD
UNBEDINGT!!!

Und ich weiß auch nicht was eine Suchnute ist :D
Von:  Yamasha
2017-02-09T16:58:18+00:00 09.02.2017 17:58
Oh Gott. So eine Wette ist das, was ich mir irgendwie immer vorgestellt habe. Und du machst sie wahr! Irgendwie danke ich dir dafür. Und auf der einen Seite tun mir beide grade so so unglaublich Leid! Denn ... die sind so süß zusammen!!!! *beinahe ausrast*
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 18:49
xD Als ob ich Gedanken lesen könnte *lach*
Na ja, aber irgendeinen Grund für Tayte musste es ja geben. Und was lag da näher als eine Wette?
Sie können einem wirklich beide leid tun. Aber sie sind auch beide Schuld an der ganzen Situation *lach*
Von:  Sheltr0n
2017-01-04T12:55:18+00:00 04.01.2017 13:55
Awwww
Haben es die beiden Dickköpfe doch noch geschafft sich zusammen zu raufen!
Schade das es schon zu Ende ist.. aber bei dir weiß man ja nie, ob es noch ein oder zwei Geschichten über die beiden gibt :)

(Ich hab übrigens von Nic und Meilo geträumt o.o')
Antwort von:  Fara_ThoRn
04.01.2017 14:35
Na mal sehen, ob ich nochmal was über die zwei schreibe. ^^

Echt? du hast von Nic und Meilo geträumt? Cool. Würde ich auch mal gern, aber das passiert mir total selten, dass ich mal von meinen Charas träume -___-
Antwort von:  Sheltr0n
04.01.2017 16:00
Ich träume relativ oft von sowas... kann manchmal echt nervig sein xD
Aber meistens vergess ich es wieder wenn ich aufwache. Oder es ist total komisch... manchmal frag ich mich, was in meinem Kopf losgeht xD
Von:  Sheltr0n
2016-12-30T18:34:26+00:00 30.12.2016 19:34
Damit hab ich nicht gerechnet!!
Ich hoffe Tayte kann das gut erklären und strengt sich ordentlich dabei an!
Ich kann Gigi gut verstehen.. Ich hätte wahrscheinlich auch so reagiert.. GUT GEMACHT GIGI!!

Wünscheint dir auch einen guten Rutsch morgen und komm gut ins neue Jahr!
Antwort von:  Fara_ThoRn
03.01.2017 18:52
Ganz schön verzwickt. Aber Tayte wird ihm noch alles erklären können. Und Gigi hat etwas Zeit, sich über alles Gedanken zu machen.

Ich wünsche dir auch ein gesundes und schönes neues Jahr ^^
Von:  Sheltr0n
2016-12-24T06:24:28+00:00 24.12.2016 07:24
He he. Und weiter gehts.
Gigi tut mir Leid. Was er alles ertragen muss xD

Ich glaube ich mag die beiden... Bin noch etwas unentschlossen ob ich Gigi bemitleiden soll, weil er da reingezogen worden ist oder ob ich Tayte bemitleiden soll, weil Gigi ihn immer so anzickt xD
Antwort von:  Fara_ThoRn
03.01.2017 18:49
xD Es ist diesmal wirklich nicht leicht, Partei zu ergreifen. Die geben sich beide nix.
Von:  Sheltr0n
2016-12-21T00:52:01+00:00 21.12.2016 01:52
Uiuiui Gigi hats nicht leicht mit dem lieben.
Eine Überraschung nach der anderen.. Da kann er einem ja nur Leid tun xD

Bin gespannt wies weiter geht!
Antwort von:  Fara_ThoRn
03.01.2017 18:48
Gigi macht es Tayte aber auch nicht wirklich leicht *ggg*


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