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Love Story

Midorima X Akashi
von

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Hanami

In zartem Rosa hoben sich die Kirschblüten vom wolkenlosen Himmel ab und zeichneten einen sanften Kontrast auf das helle Blau. Der Duft von frisch gebackenen Taiyaki wurde mit einer belebenden Brise von den Ständen herüber geweht. In einiger Entfernung spielten Musiker ein heiteres Lied. Unter den erblühenden Bäumen waren Decken ausgebreitet, auf denen Freunde oder Familien saßen, ihr mitgebrachtes oder gekauftes Bentô teilten und sich am Frühlingserwachen erfreuten.

Tief atmete Akashi ein. Seinen freien Tag wollte er genießen. Einen Tag kam sein Vater auch ohne ihn in der Firma zurecht, so wie früher vor der Beendigung seines Studiums. Viel zu selten hatte er die Möglichkeit, einen Tag mit dem jungen Arzt zu verbringen. Vor allem seit sie ins Berufsleben eingetreten waren. In unregelmäßigen Abständen trafen sie sich abends zu einer Partie Shogi oder einer Runde Basketball. Aber ein kompletter Tag ohne Verpflichtungen war bei Akashi eine Ausnahme. Zweifellos war er von Kindesbeinen an einen straffen Zeitplan gewöhnt, umso mehr kostete er die rar gesäte Freizeit aus.

Die roten Augen erfassten den Grünhaarigen, der sich ihm mit zwei Papptellern näherte. Der moosfarbene Yukata und der Haori in hellem Grün intensivierten die ruhige Ausstrahlung von Midorima. Traditionelle Kleidung stand ihm gut. Midorima reichte ihm einen der Pappteller und ließ sich wieder neben ihm auf die Decke sinken. Das silberne Glöckchen, das heutige Lucky Item, an seinem Obi klingelte leise. In vertrauter Manier richtete der Größere seine Brille.

„Vielen Dank.“ Akashi betrachtete das goldbraun gebackene Taiyaki. Es duftete herrlich. Durch die Pappe spürte er die Hitze, die von dem Teig ausging. So frisch schmeckte es am besten.

„Die Taiyaki sind mit Vanillepudding gefüllt“, erklärte Midorima knapp. Gewissenhaft pustete dieser, bevor er von der Süßigkeit abbiss. Ein Lächeln umspielte für wenige Herzschläge Akashis Lippen. Midorima war ein äußerst angenehmer Freund, gewissenhaft, in seinen Gewohnheiten beständig und ordentlich. Die Hartnäckigkeit, mit der er jedes Mal erneut versuchte, den Rotschopf zu übertrumpfen, amüsierte ihn. Und Midorima war darin äußerst geschickt, er forderte ihn intellektuell. Könnte er nur dasselbe von seiner Zukünftigen behaupten. Sein Vater hatte sie für ihn ausgesucht. Durch dessen traditionelle Einstellung hatte er selbst wenig Mitspracherecht. Yuuka mochte hübsch, kultiviert und als Tochter eines Pharmakonzerninhabers eine hervorragende Heiratskandidatin sein, aber er konnte mit ihr nichts anfangen. Sie reizte ihn nicht. Der jungen Frau fehlte diese gewisse Erhabenheit, die er schätzte. Vieles wäre einfacher, wäre Midorima eine Frau. Dann würde er ihn zur Frau nehmen.

Die roten Augen huschten zu dem Größeren, der einen weiteren Bissen von seinem Taiyaki nahm. Dieser Gedanke war so absurd wie interessant. Wie Midorima als Frau wohl aussehen würde? Er wäre deutlich kleiner, sein Haar vermutlich länger. Nein. An diesem gedanklichen Bild war etwas falsch. Dann wäre er nicht mehr der Midorima Shintarô, den Akashi kannte. Der Rothaarige schob seine kuriosen Gedanken beiseite und hob ebenfalls seine Leckerei, um genüsslich hineinzubeißen und sich an dem Geschmack von weichem Teig zusammen mit warmem Vanillepudding zu erfreuen.

Nachdem von den Taiyaki lediglich ein paar unscheinbare Krümel übrig geblieben waren, wanderte Akashis Blick zu den aufgebauten Ständen hinüber. „Lass uns mal schauen, was es dort gibt.“ Die meisten Stände verkauften verschiedenste Speisen, die typisch auf einem Hanami waren. Aber an anderen Ständen wurden auch andere Waren angeboten. Kleine Geschicklichkeitsspiele waren auch üblich. Midorima gab einen zustimmenden Laut von sich. Sie packten die mitgebrachte und inzwischen leere Bentôbox wieder zusammen. Zusammen mit der Decke wurde sie in der Tasche verstaut, die Midorima über der Schulter trug.

Gemütlich schlenderten sie zu den Ständen und zwischen ihnen entlang. Sie passierten die unterschiedlichsten Menschengruppen. Da gab es das verliebte Pärchen, das nur Augen füreinander hatte. Bei einem Stand versuchten ein paar Jugendliche die Fische aus dem aufgestellten Wasserbecken nur mit einem Papierkescher zu fangen. Etwas weiter entfernt quengelte ein kleiner Junge, weil er eine der geschnitzten Masken wollte.

„Das letzte Spiel von Kagami und Kuroko gegen die Amerikaner war äußerst knapp.“ Für Akashi kam diese Bemerkung nicht überraschend. Sie unterhielten sich immer über die aktuellsten Spiele der Basketball Profiliga. Einige der Kiseki no Sedai sowie Kagami hatten die Chance am Ende der Oberschule ergriffen und waren Profi geworden. Für ihn war das keine mögliche Option gewesen. Als einziger Sohn lag es in seiner Verantwortung, das Unternehmen seines Vaters eines Tages zu übernehmen. Darauf war er sein Leben lang vorbereitet worden. Manchmal fragte Akashi sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wäre er in einer weniger wohlhabenden Familie groß geworden. Midorima war in seiner Berufswahl völlig frei gewesen. Auch dieser hatte das Angebot erhalten, professionell Basketball zu spielen. Aber dessen Entscheidung, Arzt zu werden, hatte schon lange festgestanden. Basketball war für sie ein wichtiges Hobby, eine Gelegenheit, sich körperlich auszupowern. Außerdem mochte er an diesem Sport, dass er seine strategischen Fähigkeiten darin einsetzen konnte, um den Sieg zu erhalten. Es war wie Shogi mit einer anderen Anzahl von Spielfiguren mit individuellen Talenten. Kombinierte man sie passend und ging mit der richtigen Strategie vor, war der Triumph sicher.

Zustimmend nickte Akashi. „Sie hätten die Schwäche der Nummer 7 schneller durchschauen müssen. Sie war offensichtlich.“ In Gedanken ging Akashi bei den Spielen immer verschiedene Möglichkeiten durch, wie er reagieren würde in solch einem Fall. Diese amerikanische Mannschaft hätte man mit einem größeren Punkteabstand besiegen können.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er das kleine Lächeln des Größeren. „Kagami war schon immer dafür bekannt, mit seiner Kraft die Probleme aus dem Weg zu räumen.“ Akashi nickte. „Das ist wahr.“ Kagami gehörte nicht zu den großen Strategen. Er war vielmehr der Stürmer, den man Körbe schießen ließ und der mit seiner Kraft und Leidenschaft den Gegner möglichst demoralisierte.

Akashi diskutierte ein paar der Strategien des vergangenen Spiels mit Midorima durch, bis sich allmählich die Sonne dem Horizont entgegen neigte und den Park in abendlich weiches Licht tauchte. An einem Sake-Stand hielt Akashi inne. „Möchtest du auch Sake?“, fragte er den Grünhaarigen. Dieser richtete einmal mehr seine Brille. „Hm.“ Kaum hatte Akashi die Zustimmung, trat er an den Stand heran und verlangte ein Fläschchen Sake mit zwei Schälchen. Nachdem er den gewünschten Betrag gezahlt hatte, erhielt er von dem älteren Verkäufer ein kleines Tablett mit einem Sakefläschchen und für jeden eine kleine Schale.

Das Tablett brachte er zu einem der wenigen freien Tische, die rings um den Stand aufgestellt waren, und den Midorima bereits in Beschlag genommen hatte. Kleine dampfende Wölkchen erhoben sich aus der Keramikflasche. Der Rotschopf umfasste den Hals des Fläschchen. An dieser Stelle schmiegte sich das Material warm gegen seine Haut. Am Bauch der Flasche hätte er sich die Finger verbrannt. Akashi füllte die Schalen und stellte die zur Hälfte geleerte Flasche wieder ab. Viel war in diesen kleinen Keramikgefäßen nie drin, aber sie wollten sich auch nicht betrinken, sondern den angemessen Abend ausklingen lassen und auf das Feuerwerk warten. Der heiße Sake tat bei den sinkenden Temperaturen an einem Frühlingsabend gut und hielt den Körper innerlich warm.

Er hob sein Schälchen und sah zu Midorima. „Kanpai.“ Sie prosteten sich zu. Anschließend nippte der Rotschopf von dem heißen Getränk. Der Alkohol prickelte leicht auf der Zunge und hinterließ den typischen Geschmack nach Alkohol.

„Der Sake ist gut“, kommentierte Midorima. Natürlich war der Sake gut. Akashi hatte schließlich darauf geachtet, dass der Stand ein vertrauenserweckendes Bild präsentierte. Außerdem hielten sich viele Menschen an den Tischen des Standes auf, was bedeutete, dass der Sake eine gewisse Qualität haben musste. Menschen sammelten sich immer dort, wo die Waren ansprechend waren.

Während um sie herum ein reges Summen ungezählter Stimmen herrschte, breitete sich zwischen ihnen ein angenehmes Schweigen aus. Eines jener Art, das nicht als bedrückend empfunden wurde und den Wunsch auslöste, etwas zu sagen, nur um der Stille zu entkommen. Akashi nahm einen großzügigen Schluck und leerte sein Schälchen. Die roten Augen sahen hoch zum beinahe dunklen Himmel. Vereinzelt blitzten kleine Sterne auf, deren Helligkeit nicht einmal eine nächtliche Stadt überlagern konnte. Er fühlte sich wirklich wohl gerade. Sogar sein kleiner Bruder in ihm war ganz friedlich. In den letzten Jahren hatte er gelernt, flexibler mit ihm umzugehen. Akashi überließ ihm vor allem in der Firma das Feld. Als Juniorchef musste er sich Respekt verschaffen und die älteren Kollegen davon überzeugen, dass er aufgrund seiner Fähigkeiten das Recht hatte, Forderungen an sie heran zu tragen. Und er half ihm gegen Yuuka. Wenn sie seinen kleinen, berechnenden Bruder nicht mochte, überzeugte sie ihren Vater, die Vereinbarung ihrer Familien aufzulösen. Dann musste er sie nicht heiraten. Ihre Angst hatte er schon deutlich in ihren Augen gelesen. Warum sollte sie einen Mann heiraten wollen, vor dem sie sich fürchtete? Midorima fürchtete sich nicht vor seinem kleinen Bruder. Er war ihm mutig entgegen getreten, respektvoll, aber tapfer. Verloren hatte er trotzdem gegen ihn. Dennoch hinterließ ihre gemeinsame Vergangenheit bei Akashi das Gefühl, dass Midorima ihn respektierte, ohne dass er sich bewusst gegen ihn behaupten und auf seinen Platz verweisen musste. Der Grünhaarige provozierte seinen kleinen Bruder nicht, Besitz von ihm zu ergreifen.

Akashi fiel auf, dass Midorima seine Schale ebenfalls geleert hatte, sodass er nachfüllen konnte. Versonnen betrachtete er die klare Oberfläche des Sake. Könnte er nicht jemanden wie Midorima heiraten? Woher kamen nur diese Gedanken? Wahrscheinlich hatte sein Vater sie an die Oberfläche gedrängt mit der arrangierten Hochzeit. Leistung zu bringen war für ihn wie Atmen. Stets war er der tadellose Sohn, den Masaomi erzogen hatte. Doch in ihm sträubte sich alles gegen diese Hochzeit. Wenn er schon sein Leben mit einem Menschen teilen sollte, dann wollte er gern entscheiden, wer an seiner Seite bleiben durfte. Und diese Frau, Yuuka, durfte es nicht.

Ein Schluck des heißen Getränks fand den Weg in seinen Mund. Solange er die Leistung brachte, die sein Vater von ihm verlangte, konnte er doch selbst entscheiden, mit wem er eine Beziehung eingehen wollte… oder nicht? Doch, entschied er. Es ging nur um Leistung. Der Firma ging es gut. Sie machten hervorragende Umsätze dank ihm. Akashi wollte eigenständig entscheiden, welcher Mensch ihm nahe kommen durfte.

Entschlossen leerte er seine Schale und sah Midorima an. „Ich kenne eine Stelle, von der wir das Feuerwerk besser sehen können“, erklärte er. In dem Gesicht des Größeren wurde verhaltenes Interesse sichtbar. Akashi kannte die kleinen Anzeichen. Ein winziges Zucken der Augenlider, ein interessiertes Brummen.

„Dann zeig sie mir.“ Kurz huschte ein Lächeln über Akashis Lippen. Er brachte das Tablett mit dem Keramikfläschchen und den Schalen zurück zum Stand. „Komm mit.“ Er bedeutete Midorima mit einer Geste, ihm zu folgen. Geschickt schlängelte Akashi sich durch die Menschenmasse, die sich inzwischen in freudiger Erwartung auf das Feuerwerk angesammelt hatte. Midorimas lucky Item klingelte vor sich hin und obwohl das Glöckchen beinahe komplett zwischen den aufeinanderprallenden Gesprächsfetzen unterging, hörte er sie, weil er sich darauf konzentrierte. Akashi wollte sicher gehen, dass der Grünhaarige ihm folgte.

Die Menge der Menschen lichtete sich zunehmend. Die Stille einer zur Ruhe kommenden Stadt umhüllte sie. Leise knirschte der Sand unter ihren Zori. Nach einigen Minuten wichen die Bäume zurück und gaben den Blick auf eine hölzerne Brücke frei, die sich über einen schmalen Fluss wölbte. Auf jeder Seite des Ufers erleuchtete eine Laterne die Brücke. Zielstrebig hielt Akashi darauf zu. Midorima hielt sich hinter ihm. Erst auf der Brücke blieb er schließlich stehen und wandte sich ihm zu.

Midorima sah sich um und deutete schließlich ein Nicken an. „Das ist ein schöner Platz.“ Prüfend blickte er in die Richtung, wo die Feuerwerkskörper in den Himmel geschossen werden würden. „Man hat wirklich einen guten Blick von hier aus.“ Sie standen leicht erhöht, zwischen Ufer und den Bäumen des Parks waren einige Meter Wiese, sodass ein freier Blick zum Himmel möglich war. Ein wissendes Schmunzeln umspielte Akashis Lippen. „Ich weiß.“ Außerdem waren sie allein. Akashi schätzte Ruhe gerade nach anstrengenden Tagen sehr und der Größere hielt es ähnlich.

Ein erster Knall ertönte. Sie waren keine Sekunde zu spät. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich gänzlich auf den Himmel. Wenige Augenblicke später hallten weitere Detonationen zu ihnen herüber. Das nächtliche Firmament wandelte sich zu einer schwarzen Leinwand, auf der die Künstler ihre Werke präsentierten, die lediglich ein paar Herzschläge erstrahlten, um dann zu verlöschen. Funkelnde Blumen in allerlei Farben wechselten sich ab mit schillernden Fontänen und glitzerndem Goldregen. Als krönenden Abschluss nieselte es abertausende schimmernde Goldfunken, die wohlige Schauer in ihm auslösten.

Akashi sah zu Midorima. Auf dessen helle Haut hatte sich ein warmer Schein gelegt, hervorgerufen von dem Goldregen, der allmählich herab fiel und kurz über dem Boden verlosch. Der Grünhaarige sah unheimlich attraktiv aus. Seit wann er offensichtlich Interesse an Männern fand, war ihm schleierhaft, doch Akashi grübelte nicht lange darüber. Er war ein Mann der Taten. Entscheidungen wurden schnell und effizient gefällt. In diesem Moment wollte er nichts mehr, als Midorima an sich zu ziehen und ihn zu küssen.

Nur eine Frage spukte in seinem Kopf umher. Wenn Midorima nun sein Interesse nicht erwiderte? Aber er war Akashi. Er verlor nicht. Innerlich spürte er, dass sein kleiner Bruder sich regte. Er gab ihm einen Schubs und Akashi ließ sich von ihm leiten.

Midorima hatte seinen Blick bemerkt und erwiderte diesen ruhig. Der Rotschopf trat näher. Den Blickkontakt löste er nicht. Seinen Kopf musste er weiter heben, war Midorima größer als er. Der Intensität seines Blickes tat dies keinen Abbruch. In den grünen Augen erkannte er das Aufblitzen der unausgesprochenen Frage, was er vorhatte. Midorima fiel die Veränderung natürlich auf.

Akashi hob seine Hände. Die schlanken Finger gruben sich in die Blende des moosgrünen Yukata. Einen Moment ließ er Midorima noch, um zu realisieren, was sein Handeln bedeutete. Dann zog er ihn bestimmt zu sich hinab und verschmolz ihre Lippen miteinander. Seine Augen blieben jedoch noch halb geöffnet, um die Reaktion seines Gegenübers zu erfassen. Zuerst weiteten sich Midorimas Augen überrascht. Die Sekunden verstrichen, aber er stieß ihn nicht zurück. Schließlich spürte er, dass der Größere ihm nachgab. Die Spannung auf dem Yukata ließ nach und die Überraschung verblasste in den grünen Augen wie zuvor die Lichter am dunklen Himmel verloschen waren.

Innerlich zufrieden erlaubte Akashi seinen Lidern, sich zu senken. Er wollte mehr von Midorima spüren. Neugierig bewegte er seine Lippen gegen die des Größeren, der auf seine Berührungen einging. Seine Lippen waren schön weich und der Geschmack des anderen regte zu mehr an, zu intensiverem Kontakt.

Midorimas Hände suchten sich einen Weg über seine Taille in seinen Rücken und schoben ihn näher. Die Art, wie Midorima es tat, glich einer Einladung für ihn, sich ihm von selbst zu nähern. Hätte er ihn gedrängt, hätte Akashi sich vermutlich umentschieden. Aber seine Menschenkenntnis war gut. Auch auf dieser neuen Ebene verhielt Midorima sich vorhersehbar. Er respektierte ihn und forderte ihn nicht heraus.

Akashi kam dem Angebot nach und schmiegte sich an den größeren Körper, sodass kein Blatt mehr zwischen sie passte. Midorima so nah bei sich zu spüren, war aufregend. Er konnte dessen Wärme durch die Kleidung fühlen. Sein Herz schlug schneller in seiner Brust. Akashi öffnete seine Lippen und lockte den Grünhaarigen mit einem sanften Biss in die Unterlippe. Wie erwartet kam ihm Midorima entgegen. Ihre Zungen verflochten sich zu einem anregenden Spiel. Er schmeckte wirklich gut, der leichte Beigeschmack nach Sake schien die Empfindungen nur zu vertiefen. Ein heißes und äußerst wohltuendes Kribbeln setzte sich in seinem Inneren fest. Deutlich spürte Akashi jede Stelle seines Körpers, an der sie sich berührten. Die Hände in seinem Rücken, die ihn nahe bei Midorima hielten, den starken Körper, an dem er lehnte, die fremden Strähnen, die seine Stirn kitzelten. Akashis Finger lockerten ihren Griff und hielten den Yukata nur noch schwach fest. Sein Ziel hatte er erreicht. Midorima war ihm ins Netz gegangen.

Aus Luftmangel lösten sie den Kuss schließlich. Akashis Lider hoben sich wieder. Dieser Moment war an Midorima ebenfalls nicht spurlos vorbei gegangen. Zwei Smaragden gleich schimmerten seine Augen. Bewusst hielt der Rotschopf den Blickkontakt und blieb nahe bei dem Größeren.

„Was tun wir hier?“, murmelte dieser, konnte offenbar noch nicht ganz fassen, wie es zu diesem Kuss gekommen war.

„Zuneigung teilen“, schlug Akashi vor. Denn da Midorima sich nicht gegen ihn gesträubt hatte, musste gegenseitiges Interesse bestehen. Langsam glitt seine Zungenspitze über seine Oberlippe. Er konnte Midorima immer noch schmecken. Ein Lächeln umspielte für einen Herzschlag seine Lippen.

„Dein Vater hat eine Braut für dich ausgesucht.“ Midorima war gewissenhaft wie immer, aber seine Worte widersprachen seinen Taten. Er ließ ihn immer noch nicht los.

Ernst erwiderte Akashi den Blick. „Der Firma geht es gut. Solange ich der Beste bin, hat er kein Recht, sich einzumischen, mit wem ich mein Leben verbringen will.“ Es war ein großer Schritt für ihn, auf diese Weise seinem Vater den Gehorsam zu verweigern. Für dieses Vorhaben musste er viel Kraft aufbringen.

Midorimas rechte Hand zog sich zurück und hob sich zu seinem Gesicht. Sanft strichen dessen Finger über seine Wange. „Du wirst etwas Unterstützung benötigen“, hauchte Midorima. Der Grünhaarige kannte die Strenge seines Vaters. Nie zuvor hatte Akashi auch nur daran gedacht, sich ihm zu widersetzen. Aber er war erwachsen und wollte seine eigenen Entscheidungen für sein privates Leben treffen.

Akashi musste nicht bestätigen, was Midorima schon wusste. „Leih mir deine Stärke.“ Seine Worte waren leise, aber bestimmt wie man es von ihm gewohnt war. Sein Lächeln nahm der Aufforderung ein wenig die Schärfe. Midorima beugte sich mehr zu ihm herab und nun war er es, der ihre Lippen zu einem weiteren Kuss vereinte.

Date

Einige Wochen waren seit Hanami vergangen, seit ihrem ersten Kuss. Niemals hatte Midorima damit gerechnet, dass Akashi sich für einen Mann interessieren könnte oder gar für ihn. Bisher war er davon ausgegangen, der Rotschopf bevorzugte Frauen. Allerdings musste er zugeben, dass sie kaum über wirklich private Dinge sprachen. Wie Akashis Leben privat aussah, konnte er zu einem Großteil nur vermuten.

Akashi Masaomi war ein sehr strenger und traditionell veranlagter Mann. Sein Sohn war entsprechend erzogen. Nach dem Sieg von Seirin über Rakuzan hatte der Rotschopf sein Amt als Captain der Mannschaft niedergelegt und war aus dem Basketball-Team ausgetreten mit der Begründung, dass er versagt hatte, Rakuzan den Sieg zu bringen und somit nicht mehr geeignet war, das Team anzuführen. Der Schock war nicht nur bei der gesamten Kiseki no Sedai groß gewesen. Ihr stärkster Gegner zog sich zurück. Entsprachen Akashis Worte wirklich der Wahrheit? Früher hatte Midorima hingenommen, was Akashi ihm erzählen wollte und was nicht. Doch war noch mehr vorgefallen? Gab es einen weiteren Grund, warum ein Talent wie Akashi seiner großen Leidenschaft nicht mehr offiziell nachging, sondern nur noch mit ihm und den anderen Street Ball spielte, wenn die rar gesäte Freizeit es zuließ?

Die grünen Augen fixierten seinen Gegner. Konzentriert dribbelte er den Ball, ging die Handlungsmöglichkeiten des Rotschopfs gedanklich durch. Heute spielten sie lediglich zu zweit auf dem Basketballplatz. Von den anderen hatte niemand Zeit gefunden. Doch Midorima störte sich nicht daran. Bei einem One-on-One konnte er ganz allein mit seinen Fähigkeiten den Versuch unternehmen, Akashi zu übertrumpfen. Wie im Shogi hatte er ihn noch nie im Basketball besiegt. Aber das störte ihn nicht. Er trainierte schlichtweg weiter. Irgendwann würde er den kleinen Rotschopf besiegen. Seinen kleinen Rotschopf. Ein winziges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, dann nahm er den Ball in die Hände und bereitete seinen Wurf vor. Der Vorteil war, dass er nicht an Akashi vorbei kommen musste, um einen Korb zu erzielen. Midorima konnte von jeder Position auf dem Feld aus sicher treffen. Allerdings war Akashi unheimlich schnell. Noch bevor er vom Boden abgesprungen war, tauchte dieser wie ein roter Blitz vor ihm auf, schlug ihm den Ball aus den Händen und umging ihn mit einer eleganten Bewegung. Midorima wusste, welches Ziel Akashi hatte. Mit einem kurzen Schnaufen drehte er sich um und folgte Akashi.

In der Mittelschule hatte er beim Basketball selten Akashis Rücken gesehen. Dieser war meist im Hintergrund geblieben und hatte das Spiel koordiniert. Er war der perfekte Point Guard. Sein Emperor Eye hatte sich erst mit dem Switch seiner Persönlichkeiten gezeigt. Ab diesem Zeitpunkt hatte Akashi aufgehört, sein Team wie früher zu unterstützen, sondern sie auf eine absolute Art anzuführen. Dieser andere Akashi war furchteinflößend. Man widersetzte sich ihm nicht. Bis heute rätselte er, warum es ihn überhaupt gab. Aber er gehörte zu ihm dazu. So höflich und aufmerksam der wahre Akashi war, so kalt und berechnend konnte seine zweite Persönlichkeit werden. Offensichtlich gelang ihm die Interaktion mit dem Rotschopf gut, denn er wurde selten mit der kalten Seite konfrontiert. Schließlich war es auch der echte Akashi gewesen, der ihn zum ersten Mal in der Mittelschule mit seiner Sexualität in Kollision geraten ließ. Midorima hatte eine Schwäche für seinen Captain entwickelt. Jedoch war er damit nie an ihn herangetreten, wollte er ihre Freundschaft nicht zerstören.

In der Oberschule hatte er sich auf Takao eingelassen. Der Junge hatte ihn mit seiner fröhlichen, aufdringlichen Art hinter seiner kühlen Fassade hervor gelockt. Doch auf Dauer war diese Beziehung nicht gut gegangen. Während des ersten Semesters im Studium hatte er sie beendet, nachdem er zu der Feststellung gelangt war, dass sie keine gemeinsame Zukunft haben würden. Ihre Vorstellungen von einem Zusammenleben waren zu unterschiedlich. Midorima war ähnlich traditionell veranlagt wie Akashi, altmodisch hatte Takao diesen Charakterzug an ihm genannt. Was er beispielsweise unter einem guten Date verstand, war für Takao langweilig. Mit Akashi funktionierte dies problemlos. Für heute Abend hatte dieser Musical-Karten gekauft. Darauf freute sich der Grünhaarige schon.

Aber aktuell konnte er einmal mehr nicht verhindern, dass der Rotschopf einen Korb erzielte und damit das Spiel haushoch gewann, wie immer. Mit einem Lächeln nahm Akashi den Ball unter dem Arm, trat zu dem Größeren und deutete eine Verbeugung an. „Danke für das gute Spiel.“ Automatisch erwiderte Midorima diese Höflichkeit.

Gewohnheitsmäßig richtete er seine Brille. Sie traten zur Bank am Rande des Platzes. Der Ball fand seinen Platz in Akashis Sporttasche, anschließend nahm er das mitgebrachte Handtuch heraus und befreite sein Gesicht sowie den Nacken vom Schweiß. Während Midorima es ihm gleichtat, erhob sich dessen angenehme Stimme. „Kann ich bei dir duschen?“

Aus den Augenwinkeln sah er zu dem Rotschopf rüber. „Natürlich.“ Er war sowieso davon ausgegangen, dass Akashi plante, bei ihm zu duschen. Bevor sie zum Basketballplatz aufgebrochen waren, hatte er seinen weißen Anzug in Midorimas Wohnung an die Garderobe gehängt, damit er sich nach ihrem Spiel angemessene Kleidung für das Musical anziehen konnte. Sie gingen nicht zum ersten Mal auf diese Art vor.

Midorima fiel lediglich auf, dass Akashi immer zu ihm kam und nie vorschlug, sich mal in dessen Heim zu treffen. Er glaubte nicht, dass es nur an der günstigen Lage seiner Wohnung lag. Akashi wollte niemanden mit in sein Zuhause nehmen. Noch nie war jemand bei dem Rotschopf gewesen.
 

Der Weg in Midorimas Wohnung dauerte nicht lange. Während Akashi sich in sein Badezimmer zurückzog, suchte der Grünhaarige einen schwarzen Anzug und ein grünes Hemd aus seinem Schrank. Eine schwarze Krawatte würde sein Outfit abrunden.

Nachdem alles ordentlich an die offene Schranktür gehängt war, nahm er die Taschenuhr, das heutige Lucky Item, aus seiner Sporttasche und legte sie auf dem Tisch ab. Dann wandte er sich seinem Laptop zu, um sein Mailfach kurz zu überprüfen. Die Tür wurde geöffnet und leise Schritte näherten sich ihm. Midorima sah zu Akashi rüber. Schlagartig wurde sein Mund trocken. Der Rotschopf war nur mit einer Shorts bekleidet. Ein Handtuch lag um seine Schultern und fing letzte Wassertropfen ein, die sich aus seinem feuchten Haar lösten.

Er sah Akashi nicht zum ersten Mal beinahe nackt. Natürlich kannte Midorima auch den komplett unbekleideten Anblick, genau wie umgekehrt. In der Gemeinschaftsdusche der Teiko-Mittelschule war es unmöglich gewesen, den anderen von der Kiseki no Sedai aus dem Weg zu gehen. Allerdings waren sie damals noch halbe Kinder gewesen. Inzwischen war auch Akashis Körper zu dem eines Mannes herangereift. Und er sah verdammt attraktiv aus. Im Vergleich zu ihm selbst wirkte der Rotschopf regelrecht zierlich, aber das täuschte. Unter seiner hellen Haut zeichneten sich die wohl definierten Muskeln ab. Rein körperlich mochte Midorima stärker sein, aber er war sich sicher, dass Akashi dennoch gegen ihn bestehen konnte aufgrund seiner ausgeprägten Schnelligkeit und seines starken Willens.

Bei ihm angelangt, beugte Akashi sich hinab. Eine Hand legte sich unter sein Kinn und drängte es mit sanftem Druck näher. „Die Dusche ist frei“, hauchte er Midorima gegen die Lippen, ließ ihm aber keine Zeit, darauf zu antworten, sondern beschlagnahmte selbige. Seine Lider senkten sich, verbargen die grünen Augen. Mit einem leisen Seufzen ging er auf den Kuss ein. Midorima hob seinen Arm und strich mit den Fingern durch die feuchten Haare des Rotschopfs. Der Geruch von Duschgel kitzelte in seiner Nase.

Schließlich löste Akashi den Kuss. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Lass dir nicht zu viel Zeit“, fügte er an. Langsam wandte der rotschopf sich ab und verließ sein Schlafzimmer. Im Flur hörte er das Rascheln von Stoff, anschließend wurde die Tür zu seinem Wohnzimmer aufgeschoben. Akashi zog sich also dort um.

Midorima stemmte sich von seinem Stuhl hoch. Die Brille fand ihren Platz auf dem Tisch, neben der Taschenuhr, die er nachher nicht vergessen durfte. Er sollte sich wirklich fertig machen, sonst verspäteten sie sich womöglich noch und das wollte er nicht. Zum einen, weil er es sich gern das Musical ansehen wollte, zum anderen wollte er Akashi nicht verärgern. Dieser gab sich unheimlich viel Mühe in dieser jungen Beziehung. Fast ein bisschen zu viel. Von ihm sollte man ein solches Verhalten vermutlich erwarten. Für Akashi war Leistung normal, der Beste zu sein war wie Atmen für ihn. Midorima musste ihn definitiv darauf hinweisen, dass es in einer Partnerschaft nicht darauf ankam, der Beste zu sein, sondern sich gegenseitig Zuneigung und Liebe zu schenken. Sicherlich fiel Akashi seine Handlungsweise nicht einmal auf. Ob das seine erste Beziehung war? So lange währte ihre Freundschaft, doch eigentlich kannten sie wichtige Details ihres Lebens gar nicht voneinander. Das sollten sie ändern. Aber nicht sofort. Akashi war nicht der Mensch, der sich durchschauen ließ. Es würde Zeit brauchen, um hinter seine Fassade zu blicken.
 

Selbstverständlich hatte Akashi für das Musical hervorragende Plätze in der Loge reserviert. Obwohl er als junger Arzt nicht schlecht verdiente, spielte Akashi in einer ganz anderen Liga als Sohn eines großen Konzerninhabers. Das Geld war für Midorima jedoch zweitrangig. Er hatte den Rotschopf sehr gern und wenn es diesen glücklich machte, die besten Plätze im Musical zu reservieren, war das in Ordnung.

Anschließend suchten sie eine Nachtbar auf, um den Abend angemessen ausklingen zu lassen. Das Licht war gedimmt und im Hintergrund spielte leise Musik. Sie hatten sich an einem etwas abseits stehenden Tisch niedergelassen. Während der Kellner ihre bestellten Drinks zusammenstellte, unterhielten sie sich über das gesehene Stück und die Umsetzung durch die Schauspieler. Bei einem Musical von Takarazuka konnte man jedoch immer von einer sehr hohen Qualität ausgehen, die auch in dem aktuellen Stück gegeben war.

Der Kellner brachte ihre Getränke vor ihnen ab und zog sich wieder zurück. Akashi hob sein Glas. „Auf einen schönen Abend“, sagte er.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Auf einen schönen Abend“, wiederholte er und hob sein Glas ebenfalls. Er trank einen Schluck von seinem Drink. Der Mix war gut, ein wenig bitter, aber so mochte er es.

Nachdem er sein Glas abgestellt hatte, betrachtete er sein Gegenüber forschend. „Was möchtest du wissen?“, fragte Akashi. Es war für ihn nicht überraschend, wie schnell der Rotschopf wusste, was sein Verhalten zu bedeuten hatte.

„Ich frage mich, wie es weitergehen soll… mit uns.“

Akashi erwiderte den Blick fest. „Was genau meinst du?“

Midorima rückte seine Brille zurecht, ehe er seine Gedanken in Worte fasste. „Dein Vater hat eine Braut für dich ausgesucht. Er wird unsere Beziehung nicht gutheißen, wenn er davon erfährt.“ Er hatte gesagt, er wolle sich gegen die Entscheidung seines Vaters stellen. Er hoffte auf seine Unterstützung. Und Midorima würde ihn unterstützen. Aber dazu musste er auch wissen, was vor sich ging.

Leise seufzte Akashi. Seine Finger am dünnen Stiel des Glases zuckten leicht. „Er weiß es noch nicht. Ich werde ihn so lange im Ungewissen lassen, wie es mir möglich ist“, erklärte der Rotschopf. Das Gute daran war, dass sie mehr Zeit hatten, ihre Beziehung zu stabilisieren, bevor sie sich mit Masaomi auseinandersetzen mussten. „Yuuka hat Angst vor meinem kleinen Bruder. Sie wird ihren Vater davon überzeugen, mich nicht heiraten zu müssen. Und dann wird mein Vater auf mich zukommen.“

Dass Akashi sein zweites Ich als seinen kleinen Bruder bezeichnete, wusste er inzwischen. „Du zeigst ihr also nicht dein wahres Gesicht“, schlussfolgerte Midorima und trank einen Schluck von seinem Drink. Akashi nickte. Der Grünhaarige war sich sicher, dass er einen Plan verfolgte. Akashi tat nie etwas ohne ein Ziel vor Augen. Er wollte, dass Yuuka Angst vor ihm hatte. Er wollte, dass sie ihrem Vater die Hochzeit ausredete. Würde er einfach ablehnen, beleidigte er sie. Die Beziehungen zu Takeda Pharmaceutical, der Firma ihres Vaters, könnten ernsthaft Schaden nehmen. Also überließ er der Frau diesen Schritt, agierte jedoch passend, um sie zu dieser Entscheidung zu bewegen.

„Was denkst du, wie viel Zeit haben wir noch?“ Irgendwann erfuhr Masaomi von Yuukas Unwillen, seinen Sohn zu heiraten. Wie Akashis Vater darauf reagieren würde, konnte er nicht wissen. Er konnte sich lediglich auf das Schlimmste einstellen. Dass sein Vater die Beziehung zu einem Mann nicht akzeptieren würde, war eine sehr wahrscheinliche Option, falls er überhaupt davon erfahren würde.

„Ein paar Wochen“, antwortete der Rotschopf. „Vielleicht sogar ein paar Monate.“

Das war nicht viel. In ein paar Wochen war es schwer, eine Beziehung stabil genug aufzubauen, um gegen einen strengen Vater und Geschäftsführer zu bestehen.

Doch Akashi lächelte. „Mach dir keine Sorgen. Ich habe einen Plan.“ Trotz der ernsten Situation konnte er das Schmunzeln nicht verhindern. „Natürlich hast du den.“ Akashi hatte immer einen Plan. Danach fragen brachte allerdings nichts. Akashi zog die Fäden, aber er sprach nur darüber, wenn er es wollte. Und aus seinem Unterton hörte er heraus, dass er derzeit nicht bereit war, über seinen Plan zu sprechen.
 

Ein Taxi brachte sie zu Midorimas Wohnung zurück. Heute übernachtete Akashi erstmals bei ihm. Äußerlich mochte er ruhig wirken, doch innerlich freute er sich bereits sehr darauf. Es war einfach schön, mit der Person, die man gern hatte, einzuschlafen und neben dieser am nächsten Morgen zu erwachen.

Er überließ Akashi zuerst das Badezimmer und machte sich anschließend bettfertig. Als er sein Bad in einem grün-beige gemusterten Pyjama verließ, fand er den Rotschopf auf der Couch im Wohnzimmer vor. Der Fernseher lief und ein Nachrichtensprecher berichtete von dem Skandal eines Ministers. Nichts, was ihn sonderlich interessierte. Akashi war allerdings anders. Dieser sog Informationen in sich auf wie ein Schwamm. Selbst wenn sie im ersten Moment unwichtig schienen, wurden sie irgendwann vielleicht brauchbar.

Midorima wollte ihn nicht stören. Also nahm er sich eine seiner medizinischen Fachzeitschriften und ließ sich neben dem Kleineren auf der Couch nieder. Recht zügig versank er komplett in einem der spannenden Artikel. Dass der Fernseher ausgeschaltet wurde, bemerkte er gar nicht. Erst das Gewicht auf seinen Oberschenkeln holte ihn zurück in die Gegenwart. Bevor er reagieren konnte, nahm Akashi ihm bereits das Fachmagazin aus der Hand und legte es auf den flachen Tisch.

Grüne Augen wanderten über den Rotschopf. Akashi hatte sich auf der Couch ausgestreckt. Die Beine waren leicht angewinkelt und sein Kopf ruhte in Midorimas Schoß. Die roten Augen des anderen bohrten sich in ihn hinein.

Ein Lächeln tanzte um seine Mundwinkel. Midorima wusste, was Akashi wollte. Seine Hände senkten sich. Eine legte sich locker über seinen Oberkörper, die andere glitt in das kurze Haar und begann zu kraulen. Nur wenige Augenblicke später senkten sich Akashis Lider. Tief atmete er aus und entspannte sich spürbar.

Konzentriert strichen Midorimas Finger weiter durch die roten Strähnen. Akashi hatte schönes weiches Haar. Sein Blick wanderte weiter über das friedliche Gesicht und an dem schlanken Körper hinab, der von einem weißen, kurzen Pyjama verhüllt wurde. Midorima kam nicht umhin, Akashi mit einer Katze zu vergleichen. Seinen Willen sollte man respektieren, aber wenn er ihn kraulte, wurde er regelrecht handzahm. Es fehlte nur noch das Schnurren. Allerdings war Katze eine gehörige Untertreibung. Gepard traf eher zu. Er bewegte sich elegant, zielstrebig und war unglaublich schnell.

Wann Akashi ihm wohl erlaubte, mit ihm zu schlafen? Bisher war der Rotschopf nicht auf seine dezent gesetzten, nonverbalen Einladungen eingegangen und er achtete diese Grenzen. Akashi würde ihm zeigen, wenn er mit ihm weiter gehen wollte. Midorima war nicht die Sorte Mann, die seinen Partner bedrängte. Ob er sich von ihm überzeugen ließ, den passiven Part zu übernehmen? Nur zähneknirschend würde Midorima seinen aktiven Part abgeben. Er fühlte sich aktiv einfach wohler.

Ihm fiel die zunehmend tiefere Atmung Akashis auf. Midorima hielt in seiner Kraulbewegung inne. „Akashi“, sprach er ihn leise an. „Wir sollten ins Bett gehen.“ Sonst schlief der Rotschopf noch auf der Couch ein. Das Bett war jedoch deutlich bequemer.

Nach wenigen Herzschlägen regte Akashi sich. „Seijûrô“, murmelte er. Überrascht weiteten sich seine Augen. Akashi bot ihm an, ihn bei seinem Vornamen zu nennen. Wohlige Wärme breitete sich in Midorima aus. „Seijûrô“, wiederholte er leise. Es war ein kleiner Schritt, dem Rotschopf näher zu kommen.

Jetzt hatte er allerdings ein anderes Problem. Denn Akashi hatte nicht einmal die Augen geöffnet. Er lag nach wie vor mit dem Kopf auf seinem Schoß und machte keine Anstalten, sich zu erheben. Midorima seufzte. „Dann trage ich dich eben ins Bett“, kommentierte der Größere ruhig. Ließ der andere das mit sich machen?

„Ist gut“, war die kaum hörbare Antwort. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer vor Freude. Das war ein großer Vertrauensbeweis bei Akashi. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass dieser sich überhaupt von irgendjemandem durch die Gegend tragen ließ. Doch er gestattete es ihm.

Bedächtig schob er seine Arme unter Akashis Schultern und Kniekehlen und stemmte sich mit seiner Last von der Couch hoch. Akashi war schwerer als vermutet, aber immer noch leicht im Vergleich zu einem durchschnittlichen Basketballspieler. Midorima sah in das Gesicht des Rotschopfs, welches an seiner Schulter lehnte. Er musste ziemlich müde sein.

Der junge Arzt trug Akashi aus dem Wohnraum und in sein Schlafzimmer. Auf dem Doppelbett legte er ihn ab, nachdem er die Decke mit dem Fuß etwas beiseitegeschoben hatte. Träge rollte Akashi sich auf die Seite. Während der gemeinsamen Klassenfahrten hatte er Akashi schon schlafen sehen, aber heute erschien er ihm besonders fesselnd, ihn derart entspannt zu sehen.

Midorima schritt auf die andere Seite seines Bettes. Die Brille legte er auf dem Nachttschränkchen ab. Der Wecker wurde eingeschaltet, das Licht gelöscht. Anschließend legte er sich zu seinem Partner ins Bett und zog die Decke sorgfältig über sie.

„Gute Nacht“, hauchte er. Es folgte keine Antwort. Akashi war also eingeschlafen. Midorima schnaufte. Behutsam, um ihn nicht zu wecken, rutschte er näher und legte seinen Arm in dessen Seite. Zufrieden schloss er seine Augen. Akashis vertrauter Geruch stieg in seine Nase und bescherte ihm zusammen mit dessen Wärme ein behagliches Gefühl. So wollte er öfter einschlafen.

Geburtstagsgeschenk

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Der Weg

Es klingelte an der Tür. Midorima sah von seinem Bericht auf. Einen Herzschlag verharrten die grünen Augen der Uhr. Der Stundenzeiger hatte die elf beinahe erreicht. Um diese späte Stunde konnte nur einer vor seiner Tür stehen. Aber Akashi kündigte sich für gewöhnlich an. Der junge Arzt ahnte, dass etwas geschehen sein musste. Die letzten Monate waren harmonisch verlaufen. Die Ruhe vor dem Sturm war nun vermutlich vorbei.

Midorima legte den Stift beiseite und erhob sich vom Stuhl, verließ seinen Arbeitsplatz, um durch den Flur zur Tür zu gehen. Ein Blick durch den Spion bestätigte seinen Verdacht. Akashi wartete auf der anderen Seite der Tür. Der Grünhaarige schloss auf und öffnete. „Guten Abend, Seijûrô“, begrüßte er den Rotschopf. Zunehmend besorgt musterte er sein Gegenüber. Bereits an der Haltung und bei einem Blick in seine Augen erkannte er, dass sein kleiner Bruder aktiv war, wie Akashi die andere Seite in sich nannte. Das linke Auge glomm dann orange und er strahlte eine stählerne Kälte aus, die jeden vor ihm zurückweichen ließ. Midorima war vertraut mit dieser Seite, daher ließ er sich nicht wie die meisten anderen abschrecken. Jedoch war dieser Akashi mit Vorsicht zu behandeln.

Aber nicht nur, dass Akashis Bruder die Gewalt über dessen Körper hatte, er musste überstürzt aufgebrochen sein. Draußen regnete es und seine Kleidung war durchnässt. Das rote Haar klebte an seiner Stirn und wirkte im Kontrast zu der nun bleichen Haut wie dunkles, frisches Blut. Regentropfen rannen gemächlich über seine Wangen hinab, an seinem Hals entlang und versanken im Mantelkragen.

„Guten Abend, Shintarô“, erwiderte Akashi die Begrüßung knapp und trat an ihm vorbei in seinen Flur. Midorima schloss die Tür, beobachtete, wie der Rotschopf sich die Schuhe auszog. Auf dem Boden hinterließ er feuchte Spuren. Er musste bis auf die Unterwäsche durchnässt sein.

„Du solltest duschen gehen. Ich gebe dir Kleidung von mir. Du musst aus den nassen Sachen raus und dich aufwärmen“, sagte Midorima ruhig, aber bestimmt. Hoffentlich erkältete sich Akashi nicht.

Der kleine Rotschopf streifte den triefenden Mantel von den Schultern und legte ihn über seinen Unterarm. „Wir gehen baden“, entschied er. Ein auffordernder Blick traf Midorima, dann wandte Akashi sich ab und schritt zu seinem Badezimmer. Grüne Augen verharrten auf dem Rotschopf. Diese Ansicht war ihm vertraut. Akashis kleiner Bruder ging immer voran und führte. Leise seufzte er und folgte den feuchten Fußspuren in sein Bad.

Akashi hängte dort seine nasse Kleidung fein säuberlich zum Trocknen auf. In die Wanne lief bereits Wasser ein. Sein Freund verlor wie so oft keine Zeit. Midorima begann sich schweigend auszuziehen. Nach dem Grund für sein plötzliches Erscheinen zu fragen, war sinnlos. Akashi würde schon von selbst sprechen, wenn er es für angebracht hielt.

Midorimas Kleidung wurde ordentlich zusammengelegt auf einem Hocker platziert. Anschließend trat er zur Wanne und gab etwas Badesalz hinein. Aus dem hüfthohen Badschrank nahm er das Feuerzeug und entzündete die dicken Kerzen, die am Wannenrand aufgestellt waren. Das warme Licht besänftigte die aufgewühlten Nerven seines Freundes hoffentlich zusammen mit dem heißen Bad. Denn Akashis kleiner Bruder regte sich nur, wenn Akashi selbst nicht mehr weiter kam und Unterstützung benötigte. Wenn es Probleme gab, mit denen die berechnende, andere Seite weitaus besser umgehen konnte.

Das Feuerzeug fand seinen ursprünglichen Platz. Nach einem Blick zu Akashi löschte er das elektrische Licht. Der flackernde Schein der Kerzen war nun die einzige Lichtquelle. Midorima drehte den Hahn zu. Zu zweit benötigten sie weniger Wasser. Zu zweit war die Wasserverdrängung größer und er wollte schließlich sein Bad nicht fluten.

Die Brille legte Midorima auf dem Badezimmerschränkchen ab, störte sie beim Baden eh nur. Er begab sich zuerst in die Wanne und zog die Beine an, wartete, bis Akashi zu ihm gestiegen war, ehe er seine Beine langsam zu beiden Seiten des Rotschopfes ausstreckte. Prompt lehnte sein Freund sich mit dem Rücken gegen seine Brust. Den Kopf bettete er an Midorimas Schulter.

Locker legte der junge Arzt seine Arme um den schlanken Leib. Akashi fühlte sich noch etwas kühl an, wärmte sich nun durch das heiße Wasser aber schnell auf. Es gefiel dem Grünhaarigen, dass auch Akashis kleiner Bruder seine Nähe suchte. Immerhin bedeutete diese Handlung, dass er ihn auch als Partner akzeptierte. Midorima sah hinunter in Akashis Gesicht. Dessen Augen waren geschlossen und seine Gesichtszüge entspannten sich allmählich etwas.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass es seinem Freund zumindest ein bisschen besser ging, senkten sich nun auch seine Lider und er legte seinen Kopf auf dem Wannenrand ab. Gedankenversunken strich eine Hand über den flachen Bauch Akashis.

In den nächsten Minuten war nur ab und an das leise Plätschern von Wasser im Badezimmer zu hören und ihr leiser Atem. Einmal knisterte die Flamme einer Kerze. Midorimas Welt beschränkte sich zunehmend auf Akashi, die Badewanne und ihre unmittelbare Umgebung. Alles andere blendete sein Geist aus. Als wären sie in einer anderen, kleinen Welt.

Endlich entschied Akashi sich, ihm zu erzählen, was geschehen war. „Mein Vater weiß, dass ich mit einem Mann liiert bin.“ Die melodische Stimme war gedämpft, passte sich in das Ambiente ein.

Midorima sah wieder auf und zu seinem Rotschopf hinab. Etwas dergleichen hatte er geahnt. Aber sie hatten mehrere Monate Zeit gehabt. Ihre Beziehung war stabil. Er fühlte sich durchaus in der Lage, es gemeinsam mit Akashi mit dessen strengen Vater aufzunehmen. Denn Akzeptanz würden sie von ihm nicht erhalten.

„Wie hat er es erfahren?“, fragte Midorima.

„Von mir.“ Nach einer kurzen Pause fügte Akashi hinzu: „Es gibt keinen Grund, uns zu verbergen. Er wünschte, dass ich mich mit Yuuka verlobe. Ich habe abgelehnt.“

Midorima ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. Akashi war stets ein aufrechter Mensch, der seine Ansichten vertrat und seinen Weg konsequent verfolgte. Hätte dessen Vater gefragt, ob er eine Beziehung hatte, hätte er nicht gelogen. Der Rotschopf wäre nicht in der Lage, ein falsches Leben zu führen, um für die Gesellschaft ein passendes Bild zu präsentieren. Akashi war in allem, was er anfasste, hervorragend, aber eins war er nicht, ein Mensch, der mit den Konventionen der Gesellschaft schwamm und in ihnen versank. Der Rotschopf fiel auf, immer. Nun wohl zum ersten Mal wirklich negativ, denn ein Mann an seiner Seite war nicht das, was gewünscht wurde von seinem Vater und was ein Großteil der Menschen auch nicht verstehen konnte.

„Seine Reaktion?“, hakte Midorima nach.

Akashi ließ sich mit der Antwort Zeit. Er beobachtete, wie sich dessen Lider hoben und der Blick aus den katzenartigen Augen auf eine der ruhig brennenden Kerzen fiel.

„Er war schockiert und hielt meine Worte für einen geschmacklosen Scherz. Als ihm sein Irrtum bewusst wurde, verlangte er den sofortigen Kontaktabbruch. Nachdem ich mich weigerte, wollte er den Namen des Mannes erfahren, der mich verdorben hat, um es mit seinen Worten zu formulieren.“ Der Gedanke, dass er Akashi verdorben hatte, war ihm unangenehm. Liebe war nichts Verwerfliches, egal ob man nun einen Mann liebte oder eine Frau.

Akashi hob seinen Kopf. Die Mischung aus dem schimmernden Rot und Orange bohrte sich in ihn hinein. Ein berechnendes Lächeln umspielte die wohlgeformten Lippen. Unwillkürlich verspürte Midorima einen leichten Schauer des Unbehagens. Man wollte Akashi nicht zum Feind haben.

„Aber um deinen Namen zu erfahren, wird er sich selbst bemühen müssen. Von mir erfährt er ihn nicht.“

Midorima glaubte zu verstehen. „Du willst uns mehr Zeit verschaffen.“ Wusste sein Vater nicht, mit wem Akashi eine Beziehung führte, war er blind und konnte lediglich auf seinen Sohn einreden. Und er hoffte, dass Akashi nicht doch noch einknickte. Bisher war er immer ein folgsamer Sohn gewesen.

Seine Gedanken musste man ihm wohl ansehen. „Du brauchst dir keine Sorgen machen. Niemand stellt sich mir in den Weg, auch nicht mein Vater. Ich weiß, was ich tue“, sagte Akashi mit einem Unterton, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Rotschopf hatte einen Plan, dessen war er sich sicher.

„Ich weiß“, hauchte Midorima. „Es wäre nur schön, würdest du mich in deine Pläne einweihen.“

Gemächlich hob Akashi eine Hand und strich durch sein feuchtes Haar. „Wenn die Zeit reif ist.“

Und der passende Fall eintrat, dachte Midorima. Er war sich im Klaren darüber, dass Akashi bereits mehrere Möglichkeiten im Kopf durchgegangen war und sich für jede verschiedene mögliche Reaktionen und Handlungswege zurecht gelegt hatte. Er würde die Aktionen seines Vaters beobachten und dann entscheiden.
 

Akashi lehnte sich wieder komplett gegen Midorima. Für ihn war das Gespräch beendet. Müde senkten sich seine Lider. Der Tag war aufreibend gewesen. Nach dem Gespräch mit seinem Vater war er sofort in seinen Wagen gestiegen und zu Midorima gefahren. In diesem Moment hatte er es keine Sekunde länger in dem Anwesen seiner Familie ausgehalten. Unglücklicherweise hatte er erst drei Straßen entfernt von Midorimas Wohnung einen freien Parkplatz gefunden. Der Fußmarsch durch den strömenden Regen war ihm nicht erspart geblieben, weil unglücklicherweise kein Schirm im Wagen gelegen hatte.

Das heiße Bad war dringend nötig, um zu verhindern, dass er krank wurde. Gerade jetzt wäre eine Erkältung nicht akzeptabel. Hinzu kam, dass Midorima es schaffte, seine wie Gitarrensaiten gespannten Nerven zu lockern. Er bedrängte ihn nicht mit Fragen, sondern wartete geduldig. Außerdem verstand er es, eine beschauliche Atmosphäre zu erschaffen.

Vor seinem inneren Auge ließ er die Situation mit seinem Vater noch einmal Revue passieren. Seine Mimik war hart gewesen, wie immer. Doch die sonst so stolz aufrecht erhaltene stoische Miene war nach seiner Offenbarung aufgesprungen wie vertrocknete Erde. Sein Vater würde um keinen Preis der Welt seine Verbindung zu einem Mann akzeptieren. Masaomi wollte, dass die Blutlinie der Familie Akashi ehrenvoll weitergeführt wurde. Dazu gehörte eine geeignete Frau an seine Seite. Eine Frau wie Yuuka. „Yuukas Vater hat mir besorgt mitgeteilt, dass sie einer Hochzeit mit dir abgeneigt ist, Seijûrô. Wie kann es sein, dass du versagst?“ Diese Worte hallten in seinem Kopf wider. Er hatte nicht zulassen können, dass man so mit ihm sprach. Er hatte seine andere Seite, die ihn erschaffen hatte, in den Hintergrund gedrängt und das Gespräch übernommen. Denn versagt hatte er nicht. Sein Plan war aufgegangen. Yuuka wollte ihn nicht zum Mann nehmen. Masaomi jedoch war der Ansicht, es sei noch nicht zu spät, sie umzustimmen.

In den nächsten Wochen beabsichtigte er, alles zu tun, damit seinem Vater nicht der Name seines Liebsten in die Hände fiel. Denn der Unternehmer würde nichts unversucht lassen, um seinen Sohn von dem Mann zu trennen, der ihn um den planmäßigen Fortbestand seiner Familie brachte.

Auch darauf war Akashi vorbereitet. Er hatte bereits einige sehr wichtige Kunden der Firma an sich gebunden. Verließ er das Akashi Unternehmen, gingen sie mit ihm. Er besaß ein Druckmittel, mit dem er den Status und das Ansehen der Firma umkippen konnte wie eine Vase, die man versehentlich anstieß. Darüber hinaus nahm ihn jedes andere Unternehmen gern bei sich auf, erhielten sie einen äußerst fähigen Manager und Junior Geschäftsführer. Der Name Akashi war in der Welt der Unternehmer weithin bekannt und geschätzt. Masaomi sollte ihn besser nicht unnötig herausfordern. Akashi konnte alles zerstören, was sein Vater sich aufgebaut hatte, wenn er es nur wollte.

Weiche Lippen drückten sich gegen seine Schläfe. „Wir sollten langsam raus.“ Leise drang Midorimas Stimme an sein Ohr. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich das Wasser allmählich abkühlte.

„Ja“, erwiderte Akashi. Er drehte sich in der Wanne, war Midorima nun zugewandt. Der Rotschopf beugte sich vor, vereinte ihre Lippen zu einem Kuss. Sein Freund ging auf ihn ein, öffnete seine Lippen, lud ihn zu intimeren Berührungen ein. Akashis Zunge glitt hinter seinen Zähnen hervor und umspielte das fremde, samtige Organ. Er ließ sich allerdings nicht von ihm dominieren wie sein älterer Bruder es zuließ. Das konnte er nicht. Es lag einfach nicht in seiner Natur, die Macht einem anderen zu überlassen, selbst wenn es sich dabei um seinen Partner handelte. Midorima akzeptierte dies. Und dieses Vertrauen in ihn tat ihm sehr gut.

‚Danke‘, flüsterte die Stimme des anderen in seinem Kopf. ‚Du hast mir sehr geholfen. Jetzt möchte ich wieder übernehmen.‘ Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Ältere sich bemerkbar machte. Bei Midorima wurde er einfach nicht gebraucht. Trotzdem genoss auch er dessen Nähe. Akashi hatte sich einen guten Partner ausgesucht. Schon in der Schulzeit war er stets gut mit dem Grünhaarigen ausgekommen. Er respektierte ihn. ‚In Ordnung.‘

Veränderungen

Niemand sollte es wagen, sich Akashi in den Weg zu stellen. Sein Vater konnte ihn nicht aufhalten. Heute war ein Tag der Veränderungen. Die erste Veränderung lag bereits hinter ihm, die nächste folgte. Aber bei dieser Entscheidung hatte Midorima Mitspracherecht. Aus diesem Grund hatte er seinen Freund in dessen Mittagspause in das kleine Café nahe seines Krankenhauses eingeladen.

Das Café war im europäischen Stil eingerichtet. Dunkle Holzbalken durchbrachen die mit Stein verkleideten Wände. Runde Tische mit grünen Deckchen und einer frischen Blume luden zum Verweilen ein. Durch die großen Fenster drang helles Tageslicht und man konnte von jedem Tisch aus bequem hinaus schauen und Passanten beobachten. Im Hintergrund spielte klassische Musik von Mozart.

Doch Akashi hatte heute kein Interesse an der entspannenden Atmosphäre. Konzentriert richtete sich sein Blick auf die Eingangstür. Er wartete.

Pünktlich, wie er es gewohnt war, trat Midorima durch die Eingangstür. Sein Freund sah sich um und fand ihn. Midorima näherte sich. Sie tauschten eine kurze Begrüßung aus, dann ließ der junge Arzt sich auf dem Stuhl ihm gegenüber nieder.

Forschend lag der Blick seines Freundes auf ihm. Midorima erkannte sofort, wenn irgendwas nicht in Ordnung war. „Was gibt es?“, fragte er ruhig.

Bevor Akashi antwortete, winkte er die Kellnerin zu ihrem Tisch. Mit einem freundlichen Lächeln fragte sie nach ihren Wünschen. Die kurze Zeit, bis ihre Getränke und die Mahlzeit vor ihnen abgestellt wurden, verbrachten sie mit allgemeinen Fragen nach dem Tag.

Akashi blickte der Kellnerin nach, während er die Teetasse an die Lippen führte und behutsam pustete. Kaum fühlte Akashi sich nicht mehr von ihr gestört, richtete sich seine gesamte Aufmerksamkeit auf seinen Freund. „Mein Vater hat offensichtlich einen Detektiv auf mich angesetzt“, erklärte der Rotschopf sachlich. Er nahm einen Schluck von dem heißen Tee. Ein süßlich-herber Geschmack legte sich auf seine Zunge. „Er weiß jetzt, dass du mein Freund bist.“

Midorima nahm die Nachricht gefasst auf. Sie hatten mit derlei rechnen müssen. Sein Vater setzte alles daran, ihm vorzuschreiben, wie er zu leben hatte. Es stand nie zur Debatte, ob sein Vater von Midorima erfuhr, sondern nur wann.

Langsam stellte Midorima das Glas Wasser ab und seufzte. „Und was hat er jetzt vor?“

Ein berechnendes Lächeln umspielte Akashis Lippen. „Er sollte sich aktuell mehr Sorgen um sein Unternehmen machen als um meine Beziehung.“

Midorimas Augenbrauen zogen sich zusammen. „Was hast du getan?“

Akashi aß ein Stück von seinem Kuchen, ehe er auf die Frage einging.

„Ich habe gekündigt und werde bei der Bank von Tôkyô Manager.“ Die Bank war zum einen ein großer Konzern mit Einfluss, zum anderen ein Konkurrent des Akashi-Konzerns.

Verblüfft weiteten sich die Augen seines Freundes. „Du hast was?“ Midorima wirkte, als könne er nicht glauben, was er gerade hörte. „Wie kommst du darauf, dass dein Vater sich auf diese Weise von unserer Beziehung ablenken lässt?“

Akashis Lächeln wurde eine Spur kälter. „Ich nehme die meisten Großkunden mit mir mit.“ Midorima musste sich im Klaren sein, was das bedeutete. Akashi raubte dem Familien-Unternehmen einen Großteil seiner Einnahmequellen. Sein Vater war ein guter Stratege und Chef. Wenn er sich geschickt anstellte, konnte er sein Unternehmen retten. Aber dazu musste er seine Kräfte bündeln und konnte sich nicht noch um seinen Sohn kümmern.

Die grünen Augen seines Freundes lagen beschwörend auf ihm. „Seijûrô, du weißt, ich vertraue dir. Ich bete, dass dein Plan aufgeht.“

Akashi machte eine verneinende Kopfbewegung. „Er hat die Wahl. Er kann sein Unternehmen retten oder es ruinieren.“ Und selbst wenn sein Vater es schaffte, ihm zu schaden, so hatte er immer noch Ausweichmöglichkeiten, auf die er zugreifen konnte bei Bedarf.
 

Midorima ließ sich das Gesagte in Ruhe durch den Kopf gehen, während er seine Suppe aß. Das war also Akashis Plan gewesen. Er musste ihn seit Monaten vorbereitet haben, wenn er so sicher war, dass er die meisten Großkunden zu seinem neuen Arbeitgeber mitnehmen konnte. Mit diesem Vorgehen versetzte er seinem Vater einen schweren Schlag. Der junge Arzt war erstaunt, wie konsequent sich sein sonst so familienbewusster Freund, der immer ein braver Sohn gewesen war, gegen seinen Vater zur Wehr setzte. Einerseits beruhigte ihn, dass Akashi zu ihm stand, andererseits machte er sich Sorgen um ihn. Was würde dessen Vater jetzt tun? Dieser Mann war ein brillanter Stratege, wie sein Sohn. Der Kampf war noch lange nicht vorbei. Und er saß daneben und konnte nur zuschauen, seinem Freund den Rücken freihalten.

Midorima sah wieder auf, in die roten Augen. Das linke glomm orange, wie immer, wenn Akashis kleiner Bruder aktiv war. In den letzten Wochen hatte dieser vermehrt in seiner Gegenwart agiert. Diese Tatsache verriet ihm, wie angespannt sein Freund im Inneren sein musste.

„Ich stehe hinter dir“, versicherte Midorima.

Akashi neigte dankend den Kopf.

„Und ich bin ausgezogen.“

Verblüfft starrte Midorima den kleinen Rotschopf an. Akashi war aus seinem Elternhaus ausgezogen? „Wo… wohnst du jetzt?“ Warum hatte sein Freund ihm von diesem Plan nicht erzählt? Für ihre Beziehung war eine solche Entscheidung wichtig.

„Darüber möchte ich mit dir sprechen. Aktuell habe ich keine Bleibe. Ich würde mich in einem Hotel einmieten…“, begann Akashi die näheren Umstände zu erläutern.

War sein Auszug eine kurzfristige Entscheidung? Andernfalls hätte Akashi zweifellos eine Wohnung.

„Aber ich möchte mit dir zusammen wohnen.“ Sein Freund formulierte den Wunsch gerade heraus. Bisher hatten sie noch nicht über das Thema Zusammenziehen gesprochen. Aber so plötzlich es kam, Midorimas Herz schlug vor Freude schneller. Er hatte sich manchmal ausgemalt, wie es wohl war, mit Akashi zusammen zu wohnen, ihn jeden Tag sehen zu können. Der Gedanke war wunderbar.

Ein warmes Lächeln breitete sich auf Midorimas Lippen aus. „Ich würde mich freuen, wenn du zu mir ziehst.“ Seine Wohnung war zwar klein, aber das würde gehen. Er war zuversichtlich, dass sie sich aneinander gewöhnen würden. Midorima kannte Akashi besser als jeder andere. Mit seinen Eigenheiten kam er zurecht. Und sein Freund ging auch auf ihn ein. Sie konnten das schaffen.

„Vielleicht können wir uns auch eine größere Wohnung nehmen“, fügte Midorima hinzu. Aber darüber konnten sie sich Gedanken machen, wenn sie sich daran gewöhnt hatten, zusammen zu leben. Aufgeregtes Kribbeln machte sich in seinem Bauch breit.

Zufrieden lächelte Akashi. Dessen kleiner Bruder hatte einmal mehr seinen Willen durchgesetzt. Midorima störte sich nicht daran, denn dessen Wunsch entsprach seinem eigenen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr erinnerte ihn daran, dass seine Mittagspause gleich vorbei war. Midorima leerte sein Glas. „Ich muss zurück.“

Akashi nickte verstehend. „Ich zahle.“

Der junge Arzt holte sein Schlüsselbund aus der Tasche. Den Zweitschlüssel zu seiner Wohnung löste er vom Ring und schob ihn über den Tisch zu Akashi. „Bis heute Abend.“ Ein liebevolles Lächeln begleitete seine Verabschiedung.

„Bis heute Abend, Shintarô.“

Midorima erhob sich, blickte seinen Freund noch einmal an. Dann wandte er sich um und verließ das Café. Die Freude sprudelte in seinem Körper wie die Fontäne eines Springbrunnens. Sein Freund wohnte ab heute bei ihm. Der Gedanke beflügelte ihn.

Ausweichen

Midorima wendete die Spieße in der Pfanne. Die ordentlich aneinander gereihten Hühnchenstücke sollten von allen Seiten gleichmäßig durchgebraten werden. Während das Fleisch briet, verteilte er die kalten Soba Nudeln in zwei Schalen und stellte sie auf den Esstisch. In kleine Schälchen gab er Tsuyu Soße. Anschließend kontrollierte er die Yakitori Spieße und wendete sie erneut.

Die Beschäftigung lenkte ihn von der Hiobsbotschaft ab, die er heute erhalten hatte, und sie half ihm, zu seiner üblichen Ruhe zurück zu finden. Akashi würde bald von der Arbeit Heim kommen. Dann konnten sie gemeinsam zu Abend essen. Darauf freute er sich. Je nach Schicht wechselten sie zwischen gemeinsamem Frühstück oder Abendbrot. Die Reste standen immer im Kühlschrank für Akashi. Sein Liebster war der klassische Sohn aus gutem Hause. Er konnte überhaupt nicht kochen. Es war regelrecht niedlich, wie unbeholfen er sich in der Küche anstellte, wenn er Midorima zur Hand gehen wollte. Ähnlich verhielt es sich mit alltäglichen Haushaltsaufgaben wie Putzen und Waschen. Bei der Erinnerung, wie ratlos Akashi erstmals vor der Waschmaschine mit dem Waschgel in der Hand gestanden hatte, musste er unweigerlich lächeln. Midorima wusste, wie schwer die Umstellung für seinen Freund war, auch wenn er das nicht aussprach. Und er gab sich wirklich Mühe. Akashi wollte in allem, was er machte, tadellos sein. Allerdings war Hausarbeit nicht seine Stärke.

Das Geräusch der sich öffnenden und wieder schließenden Tür drang zu Midorima in die Küche. Akashi war von der Arbeit zurück. Der Grünhaarige prüfte die Yakitori und drehte den Herd ab.

Schritte näherten sich. Sein Freund trat neben ihn. „Guten Abend, Shintarô.“ Akashi stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Guten Abend, Seijûrô. Setz dich. Das Essen ist fertig.“ Der junge Arzt nahm die Spieße aus der Pfanne und schichtete sie auf einen flachen Teller. Dieser fand seinen Platz in der Mitte des Tisches. Er legte Essstäbchen dazu, dann setzte er sich zu seinem Freund.

Nur leises Klacken von Stäbchen, Atmen und gelegentliches Abbeißen waren zu hören. Während des Essens sprachen sie selten. Erst, als Akashi die Stäbchen ordentlich auf dem Stäbchenhalter ablegte und sich zurücklehnte, fragte er Midorima nach seinem Tag.

Der junge Arzt legte den letzten abgeknabberten Spieß beiseite. Tief seufzte er. „Mir wurde gekündigt.“ Die Tatsache auszusprechen schmerzte. Er verstand nicht, warum ihm so unerwartet eine Kündigung vorgelegt wurde. Sein Chefarzt war sehr zufrieden mit ihm. Er hatte Midorima als talentierten, gewissenhaften Nachwuchs bezeichnet.

Akashi blickte ihn ernst an. „Warum?“

„Der Personalleiter erklärte, das Krankenhaus habe wirtschaftliche Probleme und müsse Personal abbauen.“ Midorima glaubte das nicht. Er hätte bemerkt, würde es dem Krankenhaus nicht gut gehen. Oder? Sie hatten stets ein gut belegtes Bettenhaus, es waren genügend OPs geplant und durchgeführt. Das Krankenhaus besaß einen guten Ruf. Kein Kollege hatte über seine Sorge geklagt, gekündigt zu werden. Aber warum kündigte man ausgerechnet ihm?

Sein Freund reagierte nicht sofort, sondern dachte über die Informationen gründlich nach. Aber er ließ ihn nicht an seinen Gedanken teilhaben. „Was hast du jetzt vor?“

Midorima könnte die Entscheidung anfechten oder sie akzeptieren. „Ich suche mir eine neue Anstellung.“ Er empfand es als zwecklos, mit aller Macht in dem Krankenhaus bleiben zu wollen, das ihn nicht mehr haben wollte. Vielmehr sollte er seine Kraft auf eine neue Arbeit verwenden. Midorimas Blick fiel auf den kleinen Kaktus, der heute sein Lucky Item war. Es hatte ihm kein Glück gebracht. War der Kaktus zu klein gewesen? Offensichtlich.

„Brauchst du Unterstützung?“

Midorima musste lächeln. Sein Freund kümmerte sich stets um die, die ihm wichtig waren. „Danke, aber das schaffe ich.“ Sein Studium hatte er mit Bestnoten abgeschlossen. Er besaß ein hervorragendes Arbeitszeugnis und erledigte seine Arbeit einwandfrei. Ein anderes Krankenhaus würde sich doch sicher über einen jungen Arzt wie ihn freuen. Damals hatte er auch die Wahl gehabt, bei welchem Krankenhaus er anfangen wollte.

„Ich übernehme bis dahin alle privaten Ausgaben“, erklärte Akashi. Sein Tonfall verriet, dass er nicht über seine Entscheidung diskutieren wollte. Bisher hatten sie die anfallenden Kosten geteilt. Aber mit dem Managergehalt war die Wohnung samt Nebenkosten für Akashi keine finanzielle Belastung. Und er half Midorima auf diese Weise. Der junge Arzt musste sich keine Sorgen um den Verlust der Wohnung machen und konnte sich ganz auf die Bewerbungen konzentrieren.

Der junge Arzt griff über den Tisch und umfasste Akashis Hand. Sanft strich er mit dem Daumen über dessen Handrücken. „Danke.“
 

Akashi saß auf der hölzernen Parkbank, auf dem Schoß stand die geöffnete Bentôbox. Seit Midorima Zuhause war, gab er ihm jeden Tag ein liebevoll zurechtgemachtes Bentô mit auf Arbeit. Dafür stand er sicher mehrere Stunden täglich in der Küche. Akashi vermutete, dass es eine Art Beschäftigung für seinen Liebsten war, eine Ablenkung von seinen Problemen.

Nachdenklich schob er sich ein Stück von dem saftigen Lachs in den Mund. Während er kaute, schweifte sein Blick über den in einem perfekten Kreis angelegten Teich. Kindskopfgroße Steine rahmten ihn ein. Knorrige Sakurabäume umgaben den Teich. Zum Hanami verwandelten die Bäume den kleinen Park in ein Meer aus rosanen Blüten. Jetzt färbte der nahende Herbst die grünen Blätter in die schönsten Gelb- und Rottöne. Auf der ruhigen Wasseroberfläche spiegelten sich die Baumkronen, verschmolzen darin zu einem flammenden Teppich. Es sah aus, als sei im Wasser ein Feuer gefangen, das nicht ausbrechen konnte.

Akashi aß etwas vom Reis. In der Oberschule waren Midorimas Kochkünste fraglich gewesen. Niemand wollte essen, was der Grünhaarige zubereitet hatte. Wie lange hatte Midorima wohl geübt, um ein solch leckeres Bentô herstellen zu können? Akashi kannte die Stärken seines Freundes. Eine war sein Durchhaltevermögen. Er blieb solange an einer Sache dran, von der er wusste, dass sie ihn voran brachte, bis er es perfekt beherrschte. Zweifellos war sein Liebster ein guter Arzt.

Warum also fand er seit einem halben Jahr keine neue Anstellung? Midorima war auf jedes Krankenhaus in Tôkyô zugegangen und hatte sich beworben. Die meisten suchten Ärzte, doch es war nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch gekommen. Akashi glaubte nicht an eine Pechsträhne. Sein Freund versteckte sich hinter seinem Aberglauben. Aber Akashi konnte riechen, dass etwas faul war.

In dem letzten dreiviertel Jahr hatte sein Vater alle Hände voll zu tun, seine Firma durch die Krise zu steuern, die er heraufbeschworen hatte. Akashi verfolgte jeden Schritt aufmerksam und schleuderte seinem Vater hin und wieder einen besonders schmerzhaften Stein in den Weg. Erhielt er über seine Informanten Kenntnis von einem lohnenden Neukunden, erstellte er ein Gegenangebot und warb den Kunden ab. Konnte sein Vater wirklich genug Zeit erübrigen, seinen Freund in den Ruin zu treiben?

Je länger Akashi darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab dieser Schachzug. Sein Vater hatte keinen weiteren Versuch unternommen, ihn zur Rückkehr oder Trennung von Midorima zu bewegen. Er hatte sich für einen anderen Weg entschieden. Der Rotschopf konnte sich denken, wie sein Vater vorging.

Sein alter Herr hatte jemandem den Auftrag gegeben, Midorimas Ruf in der Tôktyôter Ärzte-Szene zu ruinieren. Schlechte Nachrichten und Gerüchte verbreiteten sich bekanntlich schneller als positive. Gerüchte an den richtigen Stellen gestreut, erreichten ein zerstörerisches Ausmaß. Erst sollte Midorima seinen Job verlieren und anschließend wollte sein Vater ihn in den Ruin treiben, indem er keine neue Anstellung fand. Midorima sollte abrutschen, damit Akashi sich von ihm abwandte und einsah, dass er einen Fehler gemacht hatte.

Sein Vater bedachte ein wichtiges Detail nicht. Akashi tat alles für seinen Freund. Er liebte ihn und würde ihre Beziehung mit jedem Mittel schützen. Allmählich machte der Rotschopf sich ernsthaft Sorgen um seinen Liebsten. Je länger er seinen Beruf nicht ausüben konnte, desto ruheloser schien Midorima zu werden. Ihm fehlte die Praxis, die er dringend benötigte, um auf dem Laufenden zu bleiben. Theoretische Abhandlungen und Fachbücher konnten keine praktischen Erfahrungen ersetzen.

Der Weg, den sein Vater eingeschlagen hatte, konnte er nicht einfach durchbrechen. Akashi könnte den Ruf seines Vaters völlig zerstören, aber das rettete Midorima nicht mehr. Es war Zeitverschwendung. Vielmehr mussten sie einen Weg finden, wie Midorima seinen Beruf ohne Einmischung ausüben konnte.
 

Midorima saß an seinem PC. Konzentriert las er einen Bericht. Er bemerkte gar nicht, was Akashi tat. Der Rotschopf nutzte dies, um in dem kleinen Wohnzimmer ein paar Kerzen aufzustellen und zu entzünden. Auf einen hellgrünen Teller setzte er kleine Pralinen. Zusammen mit zwei Weingläsern platzierte er den Teller auf dem flachen Wohnzimmertisch. In der Küche entkorkte der Rotschopf die Flasche. Er roch an dem Wein. Zufrieden lächelte er. Der Inhalt hielt, was das Etikett versprach. Akashi kehrte ins Wohnzimmer zurück und füllte die beiden Gläser mit der roten Flüssigkeit.

Sein Blick fiel auf Midorimas starken Rücken. Er bekam wirklich nichts mit. Akashi löschte das Deckenlicht. Der sanfte Kerzenschein tauchte das Wohnzimmer in orangenes Zwielicht. Midorima reagierte nicht. Er nahm die Fernbedienung zur Hand und startete den CD-Player. Klassische Musik erfüllte angenehm umschmeichelnd den Raum.

Akashi trat hinter ihn. Zielsicher streckte er seine Hand aus und drückte den Schalter am Bildschirm. Das Bild verlosch. Midorima zuckte. Verstimmt blickte er zu ihm auf. „Ich wollte das lesen.“

Ein sanfter Kuss als Entschuldigung musste reichen. „Du kannst morgen weiterlesen. Heute Abend möchte ich dich ganz für mich haben.“ Seine Worte waren nur ein zarter Hauch gegen Midorimas Lippen.

Seinem Freund fiel die Veränderung erst jetzt auf. Er blickte sich überrascht um. „Gibt es etwas zu feiern?“

Akashi umfasste Midorimas Hand und zog ihn vom Stuhl hoch, hinüber zur Couch. Der Grünhaarige setzte sich zu ihm und ließ sich das Weinglas in die Hand drücken.

„Uns.“ Akashi lächelte und hielt ihm sein Glas entgegen. Fürs Erste gab Midorima sich geschlagen, auch wenn er nicht verstand, was Akashi vorhatte. Er konnte es an der Verwirrung erkennen, die in den grünen Augen waberte. Die Gläser stießen leicht gegeneinander. Akashi nahm einen Schluck vom Wein. Das feine Aroma benetzte seine Zunge. Ein wirklich guter Tropfen.

Midorima trank nicht, sondern sah ihn fragend an. Es wurde Zeit, ihm von seiner Erkenntnis und seiner Idee zu erzählen.

Akashi stellte das Glas beiseite. „Ich denke, mein Vater steckt hinter deinen beruflichen Schwierigkeiten. Er ist für die Kündigung verantwortlich und dafür, dass du keinen Job findest.“

Frustriert zogen sich Midorimas Augenbrauen zusammen. „Das ergibt Sinn.“ Sie wussten beide, dass Akashis Vater gegen ihre Verbindung war. Aufmerksam beobachtete der Rotschopf seinen Freund. Dieser starrte in das Weinglas. Er meinte, Zweifel in seinen Augen zu sehen. Das durfte nicht passieren! Es war völlig gleichgültig, woran Midorima zweifelte, ob an ihrer Beziehung oder an seiner Karriere, Akashi ließ nicht zu, dass sein Vater auf diese Weise einen Keil zwischen sie trieb.

Entschlossen nahm er Midorimas Hand und hielt sie fest. „Ich weiß, wie wir seinem Netz entgehen können.“ Sein Liebster blickte auf. „Wir müssen aus seinem Einflussbereich raus, damit du deinen Beruf ohne Einmischung ausüben kannst.“

Der junge Arzt blinzelte überrascht. Nachdenklich schwenkte er das Glas in seiner Hand. Akashi wollte, dass Midorima selbst auf die Lösung kam. Er war intelligent. Mit diesem kleinen Schubs würde er es selbst erkennen.

„Du meinst, ich soll mich außerhalb von Tôkyô bewerben. Aber was ist mit dir?“

Über sich selbst machte Akashi sich keine Gedanken. Die Bank von Tôkyô hatte in den verschiedenen Großstädten weitere Filialen, die zwar den Namen der Stadt trugen, jedoch stand dahinter ein einziger Konzern. „Ich kann die Filiale wechseln.“

Erneut huschten Zweifel wie ein Schatten durch Midorimas Augen. „Geben wir damit nicht auf?“

Entschieden schüttelte Akashi den Kopf. „Wir weichen aus, wie ein Fluss.“ Er nahm eine Praline und betrachtete das filigran verzierte Naschwerk. „Mein Vater hat nicht überall die Macht, das Leben eines einzelnen zu zerstören. Solange wir zusammenhalten, wird er sein Ziel nicht erreichen.“ Akashi aß die die Praline. Der zarte Geschmack von Karamell und feiner Schokolade breitete sich in seinem Mund aus.

Je verbissener sein Vater versuchte, ihn von Midorima zu trennen, desto weiter trieb er seinen Sohn von sich weg und umso weniger Einfluss konnte er ausüben. Vorerst würden sie seiner Taktik ausweichen, bis sich der richtige Moment für einen Vernichtungsschlag anbot.

Ein Lächeln zeigte sich auf Midorimas Lippen. Akashi strich ihm über die Wange. Endlich sah er seinen Freund wieder besser gelaunt. In den letzten Wochen hatten die Belastungen der ständigen Absagen sein Gemüt verdunkelt. Akashi hatte beunruhigt zugesehen, wie er sich an seine Lucky Items klammerte, als könnten diese ihm helfen.

Endlich hob Midorima das Glas und trank von dem Wein. Anschließend zog er Akashi zu sich heran und vereinte ihre Lippen zu einem liebevollen Kuss. Der aromatische Geschmack des Weines veredelte die innige Berührung.

Arbeit

Midorima trat durch die Glastür hinaus auf die Straße. Zielstrebig wandte er sich nach links und schritt den Gehweg entlang. Das beständige Rauschen der vorbeifahrenden Autos begleitete ihn auf dem kurzen Fußmarsch von seinem neuen Arbeitsplatz zur angemieteten Wohnung.

In den letzten Monaten hatte sich einiges geändert. Kaum waren seine Bewerbungen an Krankenhäuser außerhalb von Tôkyô gegangen, hatte man ihn zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Gemeinsam mit Akashi hatte er entschieden, die Arztstelle in einem Krankenhaus in Ôsaka anzunehmen. Der Bank-Konzern, für den sein Liebster tätig war, besaß in der Stadt eine große Filiale, in die er versetzt worden war.

Inzwischen hatte Midorima sich an die Veränderungen gewöhnt. Er kam gut mit den neuen Kollegen zurecht, sein Chefarzt verfügte über umfangreiches Wissen, das er an die jüngeren Mitarbeiter weitergab und die Menschen in dem Krankenhaus waren offensichtlich nicht bestechlich wie bei seiner früheren Arbeitsstelle. Vor zwei Monaten hatte der Chefarzt ihn zu einem vertraulichen Gespräch gebeten. Der ergraute Mann wollte seine Position zu den Gerüchten erfahren, die man ihm zugetragen hatte. Midorima war weitestgehend bei der Wahrheit geblieben. Jemand war bestrebt, seine Karriere zu zerstören. Akashi und dessen Vater verschwieg er. Dafür stellte er die Vermutung auf, dass jemand neidisch sein müsse und unfaire Methoden anwandte, anstatt sich darauf zu konzentrieren, ein fähiger Arzt zu werden, dem das Wohl der Patienten am Herzen lag. Der Chefarzt glaubte ihm. Das Vertrauen in ihn erfreute den Grünhaarigen.

Midorima hatte den roten Faden seines Lebens zurückgefunden, dank Akashi. Doch seit einigen Wochen machte er sich um seinen Freund Sorgen. Der Leiter der Bank von Ôsaka hatte mit einem löchrigen Wirtschaftskonzept beträchtliche Schulden angehäuft. Der Mann war zurückgetreten und Akashi hatte seinen Platz als Filialleiter eingenommen. Midorima vertraute auf Akashis Fähigkeiten. Für eine solche Position war sein Liebster genau der Richtige. Aber er hatte nicht nur die täglichen Aufgaben übernommen, sondern auch die Probleme, in die sein Vorgänger die Filiale gestürzt hatte. Der Rotschopf arbeitete hart, um den Berg an Widrigkeiten zu einzuebnen.

Allmählich befürchtete Midorima, dass sein Freund sich überarbeitete. In den letzten Wochen brachte er zunehmend Arbeit mit nach Hause und arbeitete bis spät in die Nacht. Der kleine Bruder zeigte sich mit steigender Tendenz. Sogar bis ins Bett begleitete dieser ihn. Es kam höchst selten vor, dass Akashis kleiner Bruder mit ihm das Bett teilte oder sogar Sex wollte. Mit ihm war der Akt anders. Er beanspruchte den aktiven Part für sich. Intimität mit ihm war intensiv und energisch. Midorima vermisste die Zärtlichkeit. Akashis kleiner Bruder zeigte ihm seine Dominanz auf allen Ebenen, als wolle er seinen Besitzanspruch klarstellen. Sex mit Akashis kleinem Bruder fühlte sich so bitter wie die Niederlage an, die Rakuzan damals Shûtoku beigebracht hatte. Der junge Arzt duldete diese Tatsache. Akashi trug zwei Seiten in sich und er arrangierte sich mit beiden. Er liebte den kleinen Rotschopf. Dazu gehörte, seine Schwächen zu akzeptieren. Glücklicherweise war Akashis kleiner Bruder selten in der Stimmung für Sex.

Diese Vorkommnisse blitzten auf wie ein nur für Midorima sichtbares Warnsignal. Sein Liebster benötigte Unterstützung und wenn er der Meinung war, dass niemand ihm helfen konnte, überließ er seinem kleinen Bruder das Feld. Bisher hatte Midorima dessen Entscheidungen nicht angezweifelt. Aber auch diese Seite von Akashi war nicht immer fehlerlos. Die Erkältung, die er sich eingefangen hatte, sollte er auskurieren. Statt sich Ruhe zu gönnen, damit sein Körper sich erholte, unterdrückte Akashis kleiner Bruder mit Medikamenten die Symptome und arbeitete weiter. Midorimas Warnungen ignorierte er. Keinen Tag länger wollte sich der junge Arzt das ansehen. Wenn er seinen Liebsten heute wieder mit dem Laptop vorfand, würde er sich erstmals gegen Akashis Wünsche stellen.
 

Midorima verharrte in der Tür zum Wohnzimmer. Missbilligend betrachtete er das Bild, welches sich ihm bot. Akashi saß auf der Couch mit dem Laptop auf dem Schoß. Aufgeschlagene Aktenordner stapelten sich auf dem Couchtisch. Neben dem Rotschopf lagen einzelne Dokumente. Ein Blatt Papier hielt er in der Hand. Seine Augen flogen zwischen dem Bildschirm und dem Blatt hin und her.

Akashi sah bleich aus. Um die Schultern hatte er eine Tagesdecke geschlungen. Zwischen den Ordnern verschwand eine Tasse, vermutlich Tee. Ein paar benutzte Taschentücher lagen daneben.

Entschlossen näherte Midorima sich der Couch. Er beugte sich hinab und klappte den Laptop zu. Zügig brachte er das Gerät außerhalb von Akashis Reichweite.

Shintarô, was soll das?“ Ein rotes und ein orange glimmendes Auge bohrten sich in ihn. Er hörte den rauen Tonfall und die Erschöpfung in seiner Stimme. Midorima legte den Laptop auf dem Schreibtisch ab. Die Dokumente auf der Couch schob er beiseite. Der junge Arzt setzte sich neben Akashi und analysierte, was er sah. Die fahle Haut glänzte leicht. Akashi atmete schwer.

Shintarô.“ Von dem drohenden Tonfall ließ er sich nicht einschüchtern.

„Du wirst dich von mir untersuchen lassen“, erwiderte Midorima. Wenn die frei verkäuflichen Medikamente die Symptome nicht mehr unterdrückten, hatte sich die Erkältung deutlich verschlimmert.

Midorimas Finger legten sich prüfend auf Akashis Stirn. Hitze strahlte gegen seine Haut.

Es ist nur eine Erkältung.“ Ein heftiges Zittern packte den Rotschopf und servierte ihm die Untertreibung auf dem Silbertablett. Trockener Husten bahnte sich einen Weg über die spröden Lippen. Midorima griff nach der Tasse und reichte sie Akashi. Die letzten zwei, drei Schlucke trank er. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich gegen die Lehne.

„Das ist nicht mehr nur eine einfache Erkältung. Ich hatte dir gesagt, du sollst dich ausruhen.“

Akashis Finger verkrampften sich um die leere Tasse in seinem Schoß. „Ich bin Zuhause, das reicht.

„Das reicht nicht. Ausruhen bedeutet, dass du dich hinlegst und schläfst. Zuhause weiter zu arbeiten hilft deinem Körper nicht, sich zu erholen.“

Akashis Lider flogen auf. Ein kalter Schauer durchlief ihm bei dem Blick, der ihn erfasste. „Ich habe alles unter Kontrolle.“ Ein weiterer Hustenanfall schüttelte seinen Freund.

„Seijûrô, ich werde dich jetzt richtig untersuchen und wenn ich dich dafür ans Bett fesseln muss, dann tue ich das.“ Midorima sprach beruhigend wie mit jedem seiner Patienten. Nur anderen Patienten drohte er nicht, sie ans Bett zu fesseln. Zurechnungsfähige Erwachsene waren für sich selbst verantwortlich. Die Entscheidung, sich untersuchen zu lassen, traf jeder für sich. Bei Akashi machte er eine Ausnahme. Der Rotschopf war sein Freund und er ließ sich nicht länger von ihm abweisen. Er war Arzt und wenn sein Liebster nicht vernünftig genug war, sich freiwillig auszuruhen, würde er ihn dazu zwingen.

Das wagst du nicht.

Midorima hielt dem warnenden Blick aus den glimmenden Augen stand. „Willst du es herausfinden?“

In seinem Kopf wälzte er verschiedene Szenarien, da war Midorima sich sicher. Jede Möglichkeit, in der Akashi sich ihm widersetzen wollte, würde er verlieren. Rein körperlich war Midorima der Stärkere.

Je länger ihr Blick verwoben blieb, desto mehr dehnte sich die Zeit und umfing sie wie eine Blase, die beim kleinsten Blinzeln platzte. Das Rot verschwamm mit dem glimmenden Orange. Akashis Augen loderten, einem verzweifeltem Feuer kurz vor dem Verlöschen gleich.

Das unheilvolle Glühen erstickte. Akashi senkte seine Lider. In diesem Moment sprang die Blase auf und Midorima nahm ihre Umgebung wieder wahr. Die autoritäre Ausstrahlung seines Freundes verblasste. Tief atmete Akashi ein und hustete prompt.

Erleichterung durchdrang Midorima. Der kleine Bruder hatte sich zurückgezogen, wie damals, als er gegen Seirin nichts auszurichten vermochte. Sanft strich er durch das rote Haar. „Lässt du dich jetzt von mir untersuchen?“, fragte er leise.

„Ja.“ Die Einwilligung huschte wie ein verkümmerter Windhauch über Akashis Lippen.

Zufrieden nickte Midorima und stemmte sich von der Couch hoch. Aus dem Badezimmer holte er den Medizinkoffer. Darin bewahrte er neben dem Erste-Hilfe-Set einige Ersatzinstrumente auf, die er für seine Arbeit benötigte.
 

Midorima legte sein Stethoskop auf den Tisch neben den offenen Koffer. Der Rotschopf nutzte dies, um sein Shirt zu richten und sich die Decke wieder um den Körper zu legen. Sein Freund war nur vernünftig, das wusste Akashi. Er fühlte sich schrecklich erschöpft, ihm war mal bitterkalt, dann so heiß, dass er sich am liebsten nackt ausziehen würde. Die Medikamente unterdrückten den Hustenreiz nicht mehr und selbst bei einem kurzen Gang in die Küche war er sofort außer Atem.

Akashi konnte sich keine Ausfälle leisten. Der vorige Filialleiter hatte eine Halde aus falschen Zahlen, inkorrekt ausgefüllten Dokumenten und kümmerlichen Konzepten hinterlassen, die er schnellstmöglich beheben musste. Man hatte ihm die Chance gewährt, die kurz vor dem Ruin stehende Filiale zu retten. Der Chef des Konzerns hatte ihm zwei Jahre gegeben. Dabei war die Aufgabe in einem Jahr zu bewältigen.

„Seijûrô.“ Midorima unterbrach seine Gedanken. „Ich habe den Verdacht, dass dein Husten sich zu einer Lungenentzündung entwickelt hat. Morgen früh nehme ich dich mit ins Krankenhaus und werde dich röntgen, um sicher zu gehen.“

Müde lehnte Akashi den Kopf wieder gegen die Lehne der Couch. Eine Lungenentzündung passte so gar nicht in seine Pläne. „Willst du mich im Krankenhaus behalten?“

„Das kommt auf den Schweregrad an. Aktuell denke ich, dass du Zuhause bleiben kannst. Aber genaues kann ich erst morgen sagen.“ Der junge Arzt griff in seine Hosentasche und zog ein Brillenputztuch hervor. Während er die Brille abnahm, um die Gläser zu reinigen, sprach er weiter. „Die nächsten drei Wochen gilt für dich Bettruhe. Keine Arbeit. Du wirst dich hinlegen und ausruhen. Fernsehen kannst du meinetwegen.“ Midorima setzte die Brille wieder auf. Ernst blickte er ihn an.

„Drei Wochen?“ Das war nicht akzeptabel.

Sein Freund nickte bekräftigend. „Sie werden drei Wochen ohne dich zurecht kommen müssen. Eine Lungenentzündung ist die häufigste tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Tot kannst du ihnen nicht mehr helfen. Und wenn du dich auskuriert hast, unterhalten wir uns über die Balance zwischen Arbeit und Erholung.“

Akashis Blick schweifte über die ausgebreiteten Ordner auf dem Tisch. In drei Wochen könnte er so viel erreichen. Der Gedanke, fast einen Monat lang nichts zu tun, erschreckte ihn zutiefst. Was sollte er in der Zeit machen?

Midorima seufzte. „Tu es für mich, wenn du es schon nicht für dich tun willst.“ Liebevoll strichen seine Finger über Akashis Wange. „Ich mache mir Sorgen um dich“, hauchte er. Akashis Lider schlossen sich. Er gab sich geschlagen. Midorima hatte seinen Schwachpunkt getroffen. Der Rotschopf wollte seinem Liebsten keine Sorge bereiten.

„Gut.“

Ein Lächeln huschte über Midorimas Lippen. „Dann bringe ich dich jetzt ins Bett und koche dir Tee. Du musst viel trinken.“ Sein Freund ließ ihm keine Chance, allein von der Couch ins Bett zu wechseln. Arme wurden unter seinen Körper geschoben und schon erhob Midorima sich mit ihm. Wahrscheinlich sollte er dankbar sein, dass Midorima ihn ins Bett trug. Der kurze Weg hätte ihm wieder den Atem geraubt.

Behutsam legte er Akashi auf dem Bett ab und deckte ihn sorgfältig zu. „Ich bin gleich wieder da.“ Midorimas Schritte entfernten sich.

Zu liegen fühlte sich herrlich an. Seine Muskeln entspannten sich endlich. Mit jedem vorbeiziehenden Augenblick wurde sein Körper schwerer. Akashi war so müde...

Fehlschuss

„Die Ôsaka-Filiale stand kurz vor dem Aus. Die gestandenen Filialleiter wagten das Risiko nicht, unsere Kollegen in Ôsaka durch die Krise zu führen. Akashi Seijûrô, unser junger Manager, der erst ein Jahr für den Konzern tätig war, bewältigte diese spezielle Herausforderung in nur einem Jahr, obwohl ich ihm zwei Jahre Zeit ließ. Mit seinem überwältigenden Einsatz rettete er die Filiale und hunderte Arbeitsplätze. Die Bank von Ôsaka gelangte dank Akashi zu ihrem sicheren Stand und alten Glanz zurück. Diesen Sieg wollen wir heute feiern.“ Der Konzernchef blickte ihn wohlwollend an. Mit einer würdevollen Geste bedeutete er Akashi, zu ihm auf die Bühne zu treten.

Applaus brandete durch den Festsaal wie eine große Welle. Der Rotschopf erhob sich und richtete sein weißes Jackett. Mit bedächtigen Schritten überwand er den kurzen Weg zur Bühne. Er erklomm die wenigen Stufen. Sein Chef bat ihn zu sich. Der Mann war kleiner als er. Fältchen zeichneten sein Gesicht. Silberne Strähnen durchzogen das kurze Haar. Hinter der runden Brille schauten ihm wache Augen entgegen.

Der Konzernchef ergriff seine Hand. „Sie sind ein Segen für unseren Konzern. Ich danke Ihnen für Ihre harte Arbeit, Filialleiter.“

Er entließ Akashis Hand. „Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen in mich.“ Respektvoll neigte Akashi den Kopf vor seinem Chef.

Ein Kellner überreichte ihnen je ein Champagnerglas und zog sich unauffällig zurück.

Andächtig erhob sein Chef das Glas. „Weiterhin auf eine ausgezeichnete Zusammenarbeit.“ Er nahm den ersten Schluck Champagner. Akashi tat es ihm nach, setzte sein Glas an die Lippen und trank. Sein Blick schweifte durch den Saal. Überall wurden Gläser in die Luft erhoben. Viele riefen ihm Glückwünsche zu.

Diese Feier hatte der Konzernchef veranlasst. Alle Mitarbeiter in bedeutenden Positionen waren zusätzlich zu der Belegschaft der Ôsaka-Filiale eingeladen. Er beabsichtigte, mit der öffentlichen Würdigung von Akashis Arbeit zu zeigen, dass Engagement entsprechend anerkannt wurde. Vermutlich erhoffte er sich mehr Motivation von den anderen Filialleitern und Managern.

Der Rotschopf verließ die Bühne. Zurück an seinem Tisch lächelte sein Liebster ihm zu. „Meinen Glückwunsch.“

Midorima war als sein persönlicher Gast hier. Mit den Strategien zur Work-Life-Balance hatte sein Freund ihm geholfen. Sein kleiner Bruder sah das ungern ein. Anfangs war die Umstellung für Akashi anstrengend gewesen. Die Arbeit machte ihm Spaß. Bewusst Pausen einzuhalten, obwohl unerledigte Aufgaben auf ihn warteten, war eine größere Herausforderung, als sie fertigzustellen. Aber er spürte, dass ihm durch diese Unterbrechungen mehr Energie für eben jene Aufgaben zur Verfügung standen. Sein Ziel, die Probleme der Filiale in nur einem Jahr zu bewältigen, hatte er trotz der Umstellung erreicht.

„Das ist nicht allein mein Verdienst. Du hast mir sehr geholfen“ Akashi sprach leise. Seine Worte waren nur für Midorima vorgesehen.

Der Konzernchef trat zu ihnen. „Ich störe nur ungern. Die anderen Filialleite möchten gern mit Ihnen über Ihren Erfolg sprechen.“

Verstehend nickte Akashi. „Bis später.“

Bestätigend neigte sein Liebster den Kopf. Akashi wandte sich ab und folgte seinem Chef zu den interessierten Kollegen. Die nächste Stunde verbrachte der Rotschopf mit einer Gratwanderung zwischen der Offenbarung seiner Strategie und der Wahrung von Erfolgsgeheimnissen. Ihm lag nichts daran, all seine Konzepte preiszugeben. Mit dem Wissen könnten sich andere auf seine Kosten einen Vorteil erwirtschaften. Die besten Strategien behielt er für sich. Sie waren sein Preis für die Strapazen.

Nach und nach verschwammen die nutzbringenden Diskussionen zu einer ausgelassenen Unterhaltung. Akashi entschuldigte sich und verließ die Runde. Konzentriert sah er sich um, suchte nach dem grünen Haarschopf seines Freundes. Vom Tablett einer Kellnerin nahm er sich eines der geschmackvoll angerichteten Häppchen. Langsam schritt er zwischen den locker beieinanderstehenden oder zur Musik tanzenden Gästen hindurch. Bei einer der Säulen am Rand der großen Freifläche schwebte ein grüner Farbklecks. Zielstrebig näherte er sich Midorima. Dieser war in ein Gespräch mit seiner Sekretärin vertieft.

Ein roter Punkt blitzte auf. Wie ein Glühwürmchen im Wald tanzte er auf dem tannengrünen Jackett seines Freundes. Die zuckenden Bewegungen des Punktes fanden ein Ende, auf Brusthöhe.

Die Erkenntnis durchfuhr Akashi einem Stromstoß gleich. „Shintarô!“ Während er Midorima rief, stieß er sich kraftvoll vom Boden ab und sprang ihm entgegen. Sein Freund sah in seine Richtung. Verwirrt weiteten sich die grünen Augen. Akashi stieß ihn hart zurück. Das Champagnerglas fiel Midorima aus der Hand. Sie stürzten dem Boden entgegen.

Ein Ruck ging durch Akashis Körper. Heißer Schmerz fraß sich in seine linke Schulter, als triebe jemand einen glühenden Nagel mit einem einzigen, schweren Schlag hinein. Akashi japste. Sein Fall endete abrupt. Der steinerne Boden presste ihm die Luft aus den Lungen. Erschrockene Schreie und aufgeregte Stimmen sirrten wie aufgescheuchte Fliegen um seine Ohren. Gesichter verwischten zu einer wirren Masse Beige, Braun und Schwarz, die ein expressionistischer Maler auf seine Leinwand klatschte.

Zwischen dem Einheitsbrei schoben sich grüne Spritzer in Akashis Sichtfeld. Der Anblick löste einen Blizzard der Erleichterung in ihm aus. Er betäubte den glühenden Schmerz in seiner Schulter. Midorima lebte.
 

Midorima stützte sich auf die Hände. Warum nur hatte Akashi ihn umgestoßen? Sein Freund lag neben ihm und rührte sich nicht. Der junge Arzt beugte sich über ihn. „Seijûrô?“ Automatisch filterte er Veränderungen. Akashi atmete abgehackt und flach. Die roten Augen flirrten ruhelos. Nur langsam fokussierte Akashis Blick ihn. „Shin...“ Sein Name war nicht mehr als ein atemloser Hauch. Ein Loch im Jackett lenkte seine Aufmerksamkeit auf die linke Schulter. Der aufgerissene Stoff sog sich zusehends mit Blut voll.

Die umstehenden Gäste störten seine Konzentration und verhinderten einen besseren Lichteinfall. „Treten Sie zurück. Ich bin Arzt!“, rief er durchdringend.

Eilig zog Midorima sein Messer aus der Hosentasche und klappte es auf. Der Stoff gab unter der scharfen Klinge nach. Mit dosierter Kraft riss er Jackett samt Hemd auseinander, um die Verletzung zu sehen. Aus einem kleinen Loch trat beständig Blut. Es suchte sich einen Weg über die helle Haut und versickerte im weißen Stoff. Eine Schusswunde.

Midorima durchfuhr ein eisiger Schauer. Tief atmete er durch. Er war Arzt. Es war sein Beruf, sich um Kranke und Verletzte zu kümmern. Aber es war ein Unterschied, ob ein Fremder angeschossen worden war oder sein Freund. Diese Kugel hatte ihm gegolten. Deshalb hatte Akashi ihn zur Seite gestoßen.

Der junge Arzt presste seine Hände auf die Wunde, damit sein Liebster nicht unnötig Blut verlor. Dann sah er sich um. Allgemeine Angst und Verwirrung schlugen ihm entgegen. Sie waren hier nicht sicher. Der Schütze versuchte möglicherweise, das eigentliche Ziel anzuvisieren.

Akashi musste raus aus dieser Menschenmasse. Notgedrungen nahm Midorima seine Hände von der Wunde. Er schob die Arme unter Akashis Körper und stemmte sich mit ihm hoch. Eilig schaute er sich nach einer Tür um, die ihn vom Festsaal wegführte. Hier waren sie ein zu leichtes Ziel. Security-Männer drängten sich zwischen den verängstigten Gästen hindurch. Midorima ließ ihnen keine Zeit, Fragen zu stellen. „Er wurde angeschossen. Der Schütze muss von der Galerie gezielt haben. Finden Sie ihn!“

Midorima wartete nicht auf Reaktionen, sondern wandte sich ab und strebte auf eine Tür nahe der aufgebauten Bühne zu. Der Konzernchef gesellte sich zu ihm. „Was ist passiert?“

„Schussverletzung. Machen Sie die Tür auf.“

Der ältere Mann eilte ihm voraus und öffnete die Tür. Das eingeschaltete Licht offenbarte einen kleinen Konferenzraum. Der runde Tisch in der Mitte wurde von einer Reihe sorgfältig rangeschobener Stühle eingerahmt.

„Tür zu!“, befahl Midorima. Der Grünhaarige legte seinen Freund auf dem teppichbedeckten Boden ab und presste die Hände sogleich auf die Verletzung.

„Rufen Sie einen Krankenwagen. Beschaffen Sie mir einen Erste-Hilfe-Koffer und schließen Sie die Jalousien.“ Falls der Schütze einen Komplizen außerhalb des Gebäudes hatte, versperrte er ihm die Sicht in den kleinen Raum.

Midorima musste schnellstmöglich einen Druckverband anlegen, damit er seine Hände frei hatte.

Der Chef des Bankkonzern stellte vorerst keine weiteren Fragen. Er schob sich durch die Tür und zog sie hinter sich zu. Für ein paar Augenblicke waren sie allein.

„Seijûrô. Rede mit mir“, beschwor Midorima seinen Freund. Akashi musste bei Bewusstsein bleiben. Und er konnte sich einen Überblick über dessen Zustand verschaffen. „Was ist passiert?“

Akashis Augen ruckten nervös umher, als suche er etwas oder jemanden. Sein Blick verharrte nur kurz auf Midorimas Gesicht. „Da war ...ein roter... Punkt. Genau... über deinem... Herz“, brachte der Rotschopf mühsam über die Lippen. „Er wollte... dich umbringen.“ Akashi wollte sich hochstemmen, aber ihm fehlte die Kraft. In seinen Augen erkannte Midorima Angst. „Bleib liegen. Du bist an der Schulter verwundet.“ Es kostete ihn alle Willensstärke, den beruhigenden Tonfall beizubehalten. „Wo hast du Schmerzen?“

Sein Freund reagierte nur langsam. „Es... tut nicht... mehr weh“, murmelte er konfus. Akashis Haut verlor mehr und mehr an Farbe. „Seijûrô. Welcher Tag ist heute?“ Verwirrung durchdrang die Angst in den roten Augen. „Welcher... Tag? Ich... weiß nicht. Montag? ...oder Dienstag? ...Samstag?“

Sein Freund hatte einen Schock erlitten. Bei einer Schussverletzung war das nicht überraschend.

Akashis Chef kehrte mit zwei Security-Männern und seinem Assistenten in den Konferenzraum zurück. „Schließen Sie die Jalousien und achten Sie darauf, dass niemand den Raum betritt.“ Die Männer folgten den Anweisungen des Konzernchefs umgehend. Der Assistent stellte den Erste-Hilfe-Koffer neben ihm ab.

„Ich kümmere mich um alles andere draußen“, erklärte der kleine Mann und verließ den Raum.

Dessen Assistent kniete sich neben ihn. „Kann ich helfen?“

Midorima nickte. „Heben Sie seinen Oberkörper an und drücken sie fest auf die Wunde.“ Der junge Arzt beobachtete, wie viel Blut während des Wechsels austrat. Die große Arterie schien nicht verletzt zu sein, die durch die Schulter lief. Sonst würde die Wunde deutlich stärker bluten. Behutsam richtete der Assistent Akashis Oberkörper auf. Midorima wischte sich das Blut grob am Jackett von den Händen. Fachkundig tastete er Akashis Schulterblatt und die darum liegenden Bereiche ab. Midorima fand kein Austrittsloch. Die Kugel steckte folglich in der Wunde, vermutlich im Knochen.

Der junge Arzt öffnete den Koffer und entnahm diesem zielstrebig eine Kompresse, Verbandsmaterial, Tape und die beiliegende Schere. Dazu legte er das silberne Brillenetui, sein heutiges Lucky Item. Hoffentlich brachte es genug Glück. Akashi durfte nicht sterben.

„Machen Sie genau, was ich sage“, forderte er von seinem Helfer. Midorima öffnete die Verpackungen des benötigten Materials. Zuerst deckte er die Wunde mit der Kompresse ab und wickelte zügig den Verband zwei mal darüber. Der Assistent sorgte auf seine Anweisung dafür, dass die Kompresse nicht wegrutschte und drückte zwischendurch weiter die Wunde zu.

Die Schulter war zum Verbinden eine ungünstige Stelle. Er musste unter der gegenüberliegenden Achsel durch. Nach zwei Lagen drückte Midorima das Brillenetui über die Wunde und zog den Verband mit Druck darüber. Kreuzförmig wickelte er mehrere Lagen fest um die Schulter, während der Assistent das Etui an Ort und Stelle hielt. Das Ende des Verbandes klebte er mit dem Tape fest.

Der Druckverband saß, jetzt konnte er sich um den Schock kümmern.

„So bleiben.“ Akashis Oberkörper musste in erhöhter Position bleiben, damit weniger Blut Richtung Wunde floss. Außerdem sollte er so wenig wie möglich bewegt werden. Eine unbedachte Bewegung könnte innere Verletzungen verschlimmern.

Zielgerichtet durchsuchte Midorima den Erste-Hilfe-Koffer. „Wo ist die Rettungsdecke?“ Das konnte doch nicht wahr sein.

„Besorgen Sie mir eine Decke.“ Midorima zog sein Jackett aus und breitete es am Boden neben der Wand aus. Umsichtig legte er seinen Arm um Akashis Rücken. Der Mann erhob sich. Ohne Zeit zu verlieren, verließ er den Raum.

Midorima beugte sich zu Akashis Ohr. Die Worte waren nur für seinen Liebsten bestimmt. „Seijûrô. Mach dir keine Sorgen. Du schaffst das. Ich bin bei dir“, flüsterte er. Äußerst vorsichtig hob er Akashi vom Boden und setzte ihn auf dem Jackett ab, lehnte ihn gegen die Wand.

Die roten Iriden zuckten wieder hektisch umher, als erwarte Akashi einen erneuten Angriff. „Du... musst ...aufpassen.“

Sanft strich Midorima durch das Haar seines Liebsten. Es war ihm aktuell völlig egal, was andere von ihnen dachten. Er stand seinem Freund zur Seite und wollte ihn beruhigen. „Die Security passt auf. Wir sind sicher.“

Solange Akashi die Augen offen hielt und mit ihm sprach, war der Schock nicht fortgeschritten. Es war einerlei, worüber sie redeten. Wichtig war nur, Akashi zu beruhigen. „Erzähl mir von deinem letzten Ausritt“, bat Midorima.

„Aus...ritt?“

Midorima tastete am Hals nach der großen Ader. Dem flüchtigen Flügelschlag eines kleinen Vogels gleich pochte der Puls unter seinen Fingern. „Ja, mit Yukimaru“, fügte der junge Arzt bestätigend hinzu. Akashi hatte sein Pferd nach Ôsaka mitgenommen und in einem Reitstall nahe der Stadt untergebracht.

„Wir... sind am ...Bach entlang... geritten. Die... Sträucher... sind voll mit ...Beeren...“

Zufrieden bemerkte Midorima, dass sein Freund nicht mehr krampfhaft seine Umgebung im Auge behielt, sondern ihn anschaute.

Die Tür schwang auf. Der Assistent des Chefs hielt eine Decke im Arm. Er trat zu Ihnen und überreichte sie dem jungen Arzt. Dankbar nickend nahm Midorima die Decke und faltete sie auseinander. „Erzähl weiter“, forderte er Akashi sanft auf. Er kannte die Erzählung. Es ging ihm darum, dass Akashi sich an etwas Schönes erinnerte. Die Erinnerungen waren friedlich und halfen ihm, zur Ruhe zurückzufinden. Während der Rotschopf mühsam weitersprach, breitete er die Decke über ihm aus und schob die Enden dicht an seinen Körper. Midorima fiel auf, dass Akashi den Ausritt mit früheren vermischte. Aber der Grünhaarige verbesserte ihn nicht. Bei einem Schockpatienten war die Orientierungslosigkeit normal.

Midorima nahm seine Aufmerksamkeit kurz von seinem Freund und richtete sie auf den Assistenten. „Sorgen Sie bitte dafür, dass der Notarzt sofort hierher geführt werden kann, wenn er ankommt.“

Der Assistent ließ sie mit den Security-Männern und seinen Gedanken allein. Es frustrierte Midorima, nicht mehr für seinen Liebsten tun zu können. Im Krankenhaus hätte er das benötigte Equipment und die professionelle Unterstützung. Bis der Notarzt und der Krankenwagen eintrafen, blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und Akashis Zustand möglichst stabil zu halten.

Die Hilfe müsste bald eintreffen. Das Gebäude lag gegenüber vom Stadtpark und war aus jeder Richtung der Stadt relativ schnell zu erreichen. Midorima würde Akashi die höllischen Schmerzen gern ersparen, die bald einsetzten. Das unterdrückte Schmerzempfinden hielt nie lange vor.

Der junge Arzt griff nach Akashis Hand. Versonnen strich sein Daumen über dessen Handrücken. „Wenn du das überstanden hast, fliegen wir nach Hokkaidô. An Neujahr soll es dort wunderschön sein. Überall liegt weißer Schnee. Erinnerst du dich an die Fotos im Internet? Die kleine Holzhütte, die wir gemietet haben? Wir haben dort einen Kamin und können Feuer machen. Das wird gemütlich. Und weit und breit ist kein anderer Mensch. Niemand stört uns dort.“ Midorima sprach leise vor sich hin. Das Warten höhlte seine aufgesetzte Ruhe aus. Er brauchte irgendeine Beschäftigung, um die Tatsache zu verdrängen, dass er Akashi hier nicht besser versorgen konnte.

Die Tür öffnete sich. Der Assistent des Konzernchefs trat ein, gab den Weg frei und deutete auf sie. Eine Frau mittleren Alters folgte ihm. Sie trug die typische Kleidung eines Notarztes. Erleichtert atmete Midorima durch.

Die Frau stellte sich knapp als Dr. Sanada vor und fragte, was passiert war. Midorima gab ihr einen Überblick über die Geschehnisse. Er fasste Akashis Zustand und seine bisherigen Maßnahmen zusammen.

„Sie sind Arzt“, stellte Dr. Sanada fest, während sie sich routiniert selbst ein Bild vom Patienten verschaffte. Midorima nickte. „Sie können mich unterstützen.“
 

Vornübergebeugt saß Midorima auf einem der Stühle des Wartebereichs. Mit den Ellenbogen stützte er sich auf den Oberschenkeln ab. Seine Hände vergruben sich in den Haaren. Jedes Mal, wenn ein Geräusch an seine Ohren drang, sah er auf, in der Hoffnung, einen Arzt zu sehen, der ihm etwas über Akashis Zustand berichtete. Sie operierten seit zwei Stunden. Je weiter der kleine Zeiger der Uhr vorrückte, desto mehr schien eine unsichtbare Hand sein Herz zu umklammern und seine Lunge einzuschnüren.

Eine Krankenschwester hatte ihm vorhin geraten, nach Hause zu fahren und sich auszuruhen. Das war undenkbar. Wie könnte er sich ausruhen, solange er nicht wusste, wie es seinem Liebsten ging. Er wollte bei ihm sein, wenn er aufwachte. Akashi schwebte nur wegen ihm in Gefahr. Die Kugel hätte ihn treffen und töten sollen. In den letzten Stunden hatte er die Situation wieder und wieder im Kopf umgewälzt. Hätte Akashi sich nicht dazwischen geworfen und ihn weggestoßen, die Kugel hätte sein Herz durchdrungen. Sein Liebster hatte ihm das Leben gerettet. Aber um welchen Preis?

Zumindest hatte die Polizei den Schützen in Gewahrsam genommen. Wäre es damit nur vorbei. Der Attentäter war ein Werkzeug. Hinter diesem versuchten Mord konnte nur Akashis Vater stecken. Durch die vorigen Aktionen war ihm dessen Skrupellosigkeit bekannt. Aber dass er bereit war, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen, erschreckte ihn zutiefst. Wachte Masaomi endlich auf, wenn er erfuhr, dass sein eigener Sohn aufgrund seines Plans angeschossen worden war?

Midorima musste um jeden Preis verhindern, dass er seinem Freund zu nahe kam. Glücklicherweise hatte Akashi für alle Eventualitäten Vorkehrungen getroffen. Mit Antritt der neuen Stelle in Ôsaka hatten sie sich gegenseitig Vollmachten erteilt. Der junge Arzt war unendlich dankbar für Akashis Voraussicht. Ohne die Vollmacht würde ihn weder ein Arzt, noch eine Schwester über Akashis Zustand informieren, geschweige denn seine Entscheidungen umsetzen. Er wäre ein Niemand. Die Vollmacht gewährte ihm komplette Einsicht und die Entscheidungsgewalt, sobald Akashi seine Wünsche nicht mehr selbst vertreten konnte.

Midorimas Hände ballten sich zu Fäusten. Er tat alles, um zu verhindern, dass Masaomi seinem Liebsten zu nahe kam. Was ging im Kopf eines Menschen vor, um einen Mörder zu beauftragen?

Federnde Schritte hallten durch den breiten Flur. „Shin-chan!“ Midorima sah auf. Seine kleine Schwester hastete zu ihm. Der Grünhaarige erhob sich. Fest schloss er Momoko in die Arme. Er war ihr unendlich dankbar, dass sie für ihn mitten in der Nacht von Tôkyô nach Ôsaka reiste. Seine Familie wusste von der Beziehung zu Akashi. Sie kannten seine Neigung und hatten gelernt, sie zu akzeptieren. Midorima brauchte jetzt familiären Rückhalt. Innerlich balancierte er am Abgrund entlang und befürchtete, bei einem falschen Schritt abzurutschen.

„Ist ja gut“, flüsterte Momoko. Sie nahm seine Hände und zog ihn zu den Stühlen. „Erzähl, was ist passiert und wie geht es Akashi?“

Tief atmete Midorima durch. „Ein Attentäter hat Akashi angeschossen. Die Kugel sollte eigentlich mich treffen. Ich denke, sein Vater steckt dahinter.“

Entsetzt japste Momoko. Prüfend blickte sie den Flur entlang. „Wurde er gefasst? Wieso hast du keinen Polizeischutz?“

„Der Attentäter wurde gefasst. Die Polizei geht meinem Hinweis bereits nach. Alles Weitere wollen sie morgen besprechen.“ Bisher hatte er der Polizei gegenüber nur erklärt, dass sie enge Freunde waren und in einer Wohngemeinschaft lebten. Aber Masaomi hatte andere Pläne für seinen Sohn. Midorima hielt es noch für vermeidbar, der Polizei von ihrer wahren Beziehung zueinander zu berichten.

„Wie geht es Akashi?“, wiederholte Momoko behutsam.

Der junge Arzt biss sich auf die Unterlippe. Fahrig glitt eine Hand durch sein Haar. „Sie operieren seit zwei Stunden. Ich hoffe, es gibt keine Komplikationen...“

Sanft strich Momoko über seinen Rücken. „Kommt er durch?“

Midorima wünschte, er könnte die Frage bestätigen. Aber als Arzt wusste er besser als jeder andere, wie leicht ein Leben verlosch, wie viele unerwartete Komplikationen auftreten konnten und wie vorsichtig man mit eindeutigen Aussagen sein musste.

„Er war die ganze Zeit bei Bewusstsein. Ich vermute, dass die große Schulterarterie nicht verletzt wurde. Die Chancen stehen gut, dass er überlebt.“ Midorimas Stimme brach. Da er nicht in diesem Krankenhaus tätig war, durfte er nicht zusehen. Ihm blieb nur, abzuwarten und dem Team im OP-Saal zu vertrauen. Das war schrecklich. Ohne Fokus baute sein Vorstellungsvermögen ein Horrorszenario nach dem anderen auf, als spiele es wie ein Kind mit Bauklötzen. Der Turm an Alternativen wuchs mit jeder Minute und drohte ihn unter sich zu begraben.

„Shin-chan, Akashi ist stark. Er schafft das schon.“ Die aufmunternden Worte seiner Schwester entfernten ihn ein Stück von dem grauenhaften Turm. Midorima umfasste ihre Hände. „Danke, Momo.“

Entscheidungen

Midorima blinzelte. Der Mann in der Polizeiuniform war ihr alter Teamkollege und Rivale, Aomine Daiki. Nie wäre er auf die Idee gekommen, dass Aomine ausgerechnet eine Ausbildung zum Polizisten erfolgreich abschließen würde. Der Blauhaarige hatte regelmäßig Trainings geschwänzt, auf dem Schuldach geschlafen, Mädchen unter den Rock geschaut und Regeln gebrochen.

Dreist grinste Aomine. „Tach, Möhre. So sieht man sich wieder.“ Aomine schien gar nicht überrascht. Natürlich nicht, dachte Midorima. Bevor man ihn ins Krankenhaus zur Befragung geschickt hatte, musste er über den bisherigen Stand des Geschehenen informiert worden sein.

Der Blauhaarige trat an das Krankenbett heran und betrachtete Akashi. „Morgen, Dornröschen. Aus dem Schönheitsschlaf erwacht?“

Midorimas Augenbrauen zogen sich zusammen. „Er wurde angeschossen. Lass die blöden Witze.“ Akashi war erst vor wenigen Stunden aufgewacht.

Daiki“, murmelte der Rotschopf. Midorima hörte am Unterton in Akashis Stimme, dass er nicht vollständig in der Gegenwart war.

Gemütlich setzte Aomine sich ans untere Ende des Krankenbettes. Die dunkelblauen Augen taxierten seinen Liebsten. Lässig lehnte der junge Polizist sich zurück und zog Notizblock samt Stift. „Auf die Story bin ich gespannt. Wen hast du denn diesmal in die Schranken gewiesen, Captain? Da war wohl jemand ziemlich sauer, was?“

Genervt seufzte Midorima. „Ruf einen echten Polizisten“, forderte er.

Gespielt gekränkt knurrte Aomine. „Ey! Ich bin ein echter Polizist.“ Er zog an seiner Dienstmarke, die über der Brust im Hemd steckte. „Siehst du?Ich hab eine Dienstmarke, Handschellen und eine Waffe. Ich hab schon viele böse Jungs hinter Gitter gebracht.“

„Dann benimm dich auch so“, forderte der junge Arzt. Er war gegen die Befragung gewesen, aber die Polizei bestand darauf. Akashi war nicht aussagefähig. Der Rotschopf stand unter Medikamenteneinfluss aufgrund der Schmerzmittel, die ihm verabreicht worden waren.

„Wie ein böser Junge? Das wäre sehr unangebracht, Möhre. Akashi ist traumatisiert.“

Midorima starrte Aomine fassungslos an. „Das... das meine ich nicht!“ Der Blauhaarige verdrehte seine Worte. Wie hatte der Idiot nur die Polizeiprüfung bestanden?

Das dämliche Grinsen verschwand von Aomines Lippen. „Ist ja gut. Entspann dich. Ich weiß, was ich tue.“ Sein Blick richtete sich auf Akashi. „Akashi, erzähl mir genau, was gestern vorgefallen ist.“

Kurz glomm das Orange in dessen Auge auf, dann verlosch es. Midorima war in den letzten Stunden aufgefallen, dass Akashis Persönlichkeiten willkürlich den Platz wechselten. Vermutlich war das eine Nebenwirkung der Schmerzmittel.

„Er wollte meinen Liebsten erschießen.“ Akashi sprach leise und vermochte offensichtlich nicht einzuschätzen, was er besser für sich behielt. „Ich konnte das nicht zulassen.“

Interessiert hob sich Aomines Augenbraue. Er schaute schmunzelnd zu Midorima. Seine Wangen prickelten. Himmel! Akashi merkte doch gar nicht, was er alles erzählte. Der junge Arzt kannte die Wirkung von sämtlichen Schmerzmitteln. Die Patienten erinnerten sich bei hohen Dosen meist nicht einmal daran, was unter deren Einfluss geschehen war. Und sie neigten dazu, die Wahrheit munter auszuplaudern.

„Dein Liebster?“

Ein weiches Lächeln umspielte Akashis Lippen. „Shintarô.“

Aomine grinste dreckig. Am liebsten würde Midorima im Boden versinken. Er kannte Aomine gut genug, um zu wissen, dass die perversen Sprüche nicht lange auf sich warten ließen.

„Wer ist er?“, hakte Aomine nach.

„Mein Vater... er will, dass ich eine Frau eheliche.“

Aomine notierte etwas. „Und du bist dir sicher, dass niemand anderes scharf drauf ist, Midorima umlegen zu lassen?“

Akashi verneinte schwerfällig.

Eine weitere Notiz folgte auf dem Block. „Wie lang geht das schon?“

Die Frage war missverständlich geäußert. Midorima wettete darauf, dass Aomine das absichtlich so formulierte.

„Zwei Jahre... nein, mehr als zwei Jahre. Zweieinhalb Jahre.“

Midorima rechnete nach. Sein Freund zählte die ersten Monate nach Hanami dazu, bevor sein Vater von ihren erfahren hatte.

„Wie hat sich das entwickelt?“

Diese Frage hatte einen genauso unbestimmten Charakter wie die davor. „Aomine.“ In Midorimas Tonfall lag eine klare Warnung.

Angesprochener hob abweisend die Hand. „Ich befrage jetzt Akashi.“

Der Rotschopf reagierte verzögert. Die roten Augen fixierten einen weit entfernten Punkt hinter dem Fenster. „Shintarô kann mir das... geben, was sonst kein... anderer kann. ...Wenn ich bei ihm bin, ...fühlt es sich richtig an. Er ist fürsorglich... und kann so unnachgiebig sein...“ Akashis Stimme senkte sich.

Diesen Tonfall kannte er. Sein Liebster benutzte ihn bei intimen Situationen.

„Seijûrô.“ Eine stumme Bitte lag in Midorimas Unterton.

Akashi sah weiterhin aus dem Fenster, als höre er ihn überhaupt nicht.

„Unnachgiebig?“ Aomine ließ den Stift sinken.

Der Rotschopf deutete ein Nicken an. „Wenn er in mir ist... und sich bewegt, ganz tief... und dieser starke Körper... Shintarôs Stimme klingt beim Stöhnen so heiß. ...Und wenn er mich fesselt, kann ich... alles vergessen... dann ist mein Kopf komplett leer... da ist nur noch Lust.“

Mit jedem weiteren Wort, das seicht über Akashis Lippen perlte, brannten Midorimas Wangen stärker. Sein Liebster gab intimste Geheimnisse aus ihrem Schlafzimmer preis. An Aomine! In diesem Moment wünschte der junge Arzt sich ein schwarzes Loch, das ihn auf der Stelle verschlang.

„Bondage oder richtig BDSM?“ Wissbegierig lag Aomines Blick auf dem jungen Arzt.

„Nur Bondage!“ Bevor ihm bewusst wurde, dass er gar nicht darauf antworten musste, waren die Worte ausgesprochen.

Aomine presste sich eine Hand auf den Mund. Sein Körper bebte. Abgehackt schnaufte er. Der Dummkopf lachte! Midorima fand das alles andere als amüsant. Seine Finger gruben sich in die Hose.

„Aomine, das hat nichts mit deiner Arbeit zu tun“, knurrte Midorima.

Der Blauhaarige atmete tief ein und senkte die Hand. „Ja ja.“ Das Grinsen setzte sich hartnäckig in Aomines Mundwinkeln fest.

In Akashis linkem Auge glomm es Orange. Der kleine Bruder übernahm wieder.

„Schon mal Doktorspiele ausprobiert?“, fragte Aomine und prustete. Zwar legte sich ihr ehemaliges Teammitglied erneut die Hand über den Mund, um das laute Lachen zu unterdrücken, doch verhindern konnte er es nicht.

Der Blick seines Liebsten richtete sich auf den jungen Polizisten. „Daiki, ich habe immer noch eine Schere.“ Innerlich überkam Midorima Erleichterung. Der gebieterische Tonfall löste den erotischen Beiklang ab.

Langsam, aber zielstrebig tastete Akashis Hand über die Decke. Ruckartig nahm Aomine Haltung an. Das Lachen wich einer besorgten Miene.

„Hat er?“ Fragend sah er Midorima an.

Genüsslich beobachtete der junge Arzt die wachsende Unruhe in Aomines Augen. Das geschah ihm Recht.

„Nicht hier“, antwortete er bemüht besonnen. Seine Hand legte sich über Akashis, beendete die Suche nach der nicht vorhandenen Schere.

Tief atmete der Blauhaarige durch. „Bedrohung eines Polizeibeamten.“ Aomine nahm den Stift wieder zur Hand. Die Spitze des Stiftes näherte sich seinem Notizblock.

Empört sprang Midorima vom Stuhl und riss Aomine den Block weg. „Er steht unter Medikamenteneinfluss.“

Ein langer Blick traf ihn. „Das hätte er auch nüchtern getan.“ Der junge Polizist griff nach seinem Notizblock und zog daran.

Widerwillig gab Midorima nach. „...ja“, stimmte er notgedrungen zu. Der Grünhaarige straffte sich. „Komm mit raus.“ Er trat aus dem Krankenzimmer. Schritte erklangen hinter ihm. Zur Abwechslung leistete Aomine seiner Forderung Folge.

Kaum hatte der Blauhaarige die Tür zum Krankenzimmer verschlossen, klopfte er ihm hart auf den Rücken. „Dass du den Captain bumst... hätt ich nie gedacht.“ Aomine lachte.

Frustriert schnaubte Midorima. Er konnte den Kerl nicht leiden. Die meiste Zeit hatte er in der Schule irgendwo herum gelegen. Verantwortungsgefühl war dem doch fremd.

„Dir hab ich nicht zugetraut, dass du im Bett experimentierst.“ Aomine lehnte sich gegen die Flurwand und verschränkte die Arme. „Was macht ihr noch alles? Rimjob ist ja so Standard...“

Midorima blinzelte. „Was ist ein Rimjob?“

Aomines Kiefer klappte runter. Ein paar Herzschläge glotzte er den jungen Arzt an, ehe er zu einer Reaktion fähig war. „Wie kommst du zum Bondage, wenn du nicht mal weißt, was ein Rimjob ist?“

Unbehaglich rieb Midorima sich den Nacken. „Das war Akashi“, gab er leise zu.

Sein ehemaliger Teamkollege schüttelte fassungslos den Kopf. „Oh, mein armer, kleiner, naiver Midorima.“ Aomine seufzte theatralisch.

„Es reicht“, fuhr der junge Arzt Aomine an. Er wollte sich nicht länger über sein Sexleben mit Akashi unterhalten. Aomine gab ihm mit seinem Verhalten das Gefühl, er wäre eine unerfahrene Jungfrau. Und deswegen war der Polizist nicht hier.

„Dachtest du echt, es bringt was, Akashi in diesem Zustand zu befragen?“

Ein schräges Grinsen spannte sich über Aomines Lippen. „Mir hat es was gebracht.“ Wie gern würde Midorima seine Faust in dieses Gesicht rammen.

Aomine stieß sich von der Wand ab. „Aber für den Fall bringt es nichts.“ Endlich wurde der Blauhaarige ernst. Er deutete auf den Wartebereich am Ende des Flures. „Setzen wir uns und du erzählst mir deine Version. Akashi befrage ich dann nochmal, wenn er von seinem Schmerzmitteltrip runter ist.“
 

Gemeinsam mit seinem Liebsten und Aomine betrat Akashi den Bankett-Saal. Der Rotschopf hielt inne. Forschend schweifte sein Blick umher. Viele Gäste kannte er. Dazwischen erschienen ein paar neue Gesichter. Lockere Gruppen standen beisammen oder hatten es sich an den runden Tischen gemütlich gemacht. Ausnahmslos jeder in diesem Saal zeigte mit teurer Kleidung und ausgefallenem Schmuck seinen Status. Klassische Musik spielte.

Sein Vater lenkte mit diesem Bankett von der Krise ab, in der seine Firma steckte. Masaomi gab sich größte Mühe, möglichst wenige Missstände an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Aber Akashi kannte den Umfang der Probleme dank seiner Spitzel in der Nähe Masaomis. Ohne interne Unterstützung wären er und seine Begleiter nicht heimlich auf die Gästeliste gelangt. Nach Akashis Ausscheiden aus dem Konzern war sein Vater noch strenger geworden. Die Angestellten fürchteten ihn. Furcht war keine Basis, um treue Mitarbeiter an sich zu binden. Mit Akashis Erscheinen auf dem Bankett erhofften sie sich eine Wende.

Eine Veränderung trat definitiv ein. Für seinen Plan benötigte er sowohl Midorima als auch Aomine und einen bestechlichen Kellner.

„Seijûrô, ich halte das nach wie vor für keine gute Idee“, flüsterte sein Liebster.

„Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue.“ Entschlossen schritt er voran. Midorima war nicht in den Plan eingeweiht. Er hätte versucht, ihn aufzuhalten. Obwohl Akashi Aomines rebellische Art nicht leiden konnte, war sein ehemaliger Teamkamerad perfekt für diesen Plan. Der junge Polizist hatte ihm mit einigen Tipps und Informationen geholfen, den Plan auszuarbeiten. Unter Einfluss einer Droge würde ein Geständnis seines Vaters vor Gericht nicht anerkannt werden. Doch ein Bekenntnis auf diesem Bankett vor allen Anwesenden, das Anheuern eines Profikillers, reichte, um eine Ermittlung einzuleiten. Und sein Ruf war endgültig ruiniert. Masaomi hatte sich mit dem Falschen angelegt. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Auf das Niveau seines Vaters wollte Akashi sich nicht herab begeben. Er würde dafür sorgen, dass Masaomi alles verlor und hinter Gitter landete, wo er für diese Tat hingehörte.

Aomine schnaubte. „Was für eine Spießerparty. Hier haben alle viel zu viel an. Und diese Musik, zum Sterben langweilig.“

„Wir sind nicht hier, um uns zu amüsieren“, erinnerte Akashi den Blauhaarigen.

Der Sekretär seines Vaters kam mit einem Lächeln auf ihn zu. „Junger Herr, es ist eine Freude, Sie wohlauf zu sehen. Wie geht es Ihrer Schulter?“

Der Rotschopf kannte den Mann, seit er denken konnte. Er arbeitete äußerst gewissenhaft und schien immer gut gelaunt. Er war Akashis Schlüssel zur Gästeliste des Banketts gewesen.

„Es ist alles gut verheilt, Danke der Nachfrage“, antwortete Akashi routiniert. Wenn er seine Schulter zu sehr belastete, schmerzte die Narbe noch und die Beweglichkeit beim Basketball hatte unter der Schussverletzung gelitten.

„Ich danke Ihnen auch für Ihre Unterstützung.“ Der Sekretär wusste, was gemeint war.

Der ältere Mann deutete eine Verbeugung an. „Ich hoffe sehr, Sie bald wieder bei uns zu sehen.“ Er glaubte, Akashi wolle sich mit Masaomi versöhnen und in den Konzern zurückkehren. Das war nicht möglich. Der Rotschopf konnte für die Mitarbeiter, die nach seinem Ausscheiden treu zu ihm gehalten hatten, neue Arbeitsplätze bei seinem aktuellen Arbeitgeber beschaffen.

Der Rotschopf lächelte.

„Du! Wie kannst du es wagen, dein Gesicht hier zu zeigen?“ Masaomis kräftige Stimme schallte durch den Saal. Mit einem Ruck wandte Akashi sich um. Wutschnaubend stapfte sein Vater zwischen den Tischen hindurch auf Midorima zu. Gäste schauten ihm verwirrt nach. Sein Liebster hob abwehrend die Hände. „Das war nicht meine Idee.“

Zufrieden betrachtete Akashi das hochrote Gesicht seines Vaters. Nie zuvor hatte er signifikante Emotionen darin gesehen. Bisher lief der Plan perfekt. Der Kellner hatte eine Stunde vor ihrer Ankunft die Droge in Masaomis Getränk geschüttet. Diese entfaltete ihre Wirkung.

Die Hände von Akashis Vater schnellten vor. Zielsicher legten sie sich um Midorimas Hals und drückten zu. Sein Liebster japste. Er taumelte nach hinten und fiel. Masaomi, aufgeputscht von der Droge, folgte der Bewegung. Den Griff um Midorimas Hals behielt er eisern bei. Der junge Arzt stemmte sich gegen den Angriff, brachte aber aus dieser ungünstigen Position nicht genug Kraft auf.

Alle Blicke richteten sich auf sie. Abrupt verstummten die Gespräche. Unbeeindruckt spielte die sanfte Klaviermelodie im Hintergrund weiter.

„Du bist Schuld, dass mein Sohn nicht die Frau geheiratet hat, die ich für ihn ausgesucht habe. Du hast ihn verdorben. Du hast ihn mir weggenommen. Du hast ihn als Schutzschild missbraucht. Du hättest sterben sollen!“ Wie Messer flogen die Anschuldigen Midorima entgegen.

Akashi ballte seine Hände zu Fäusten. Er blickte zu Aomine und deutete ein Nicken an. Und schon kam Bewegung in den Blauhaarigen. Mit einem Grinsen auf den Lippen stieß er Masaomi von seinem Liebsten runter. Geschickt drehte Aomine einen Arm auf den Rücken und presste Akashis Vater auf den Boden.

„Tätlicher Angriff auf einen Menschen“, sprach Aomine genüsslich. „Ich verhafte Sie.“ Der junge Polizist zog unter seinem dunkelblauen Jackett die Handschellen hervor. „Er hat es verdient! Er sollte tot sein!“, schrie Masaomi außer sich. Unnachgiebig hielt Aomine den Mann fest und legte ihm Handschellen an.

Langsam beugte Aomine sich herunter. „Wir leiten Ermittlungen gegen Sie ein wegen versuchten Mordes an Midorima Shintarô.“ Die leisen Worte versanken in dem aufgebrachten Stimmengewirr fast.

„Bitte, beruhigen Sie sich“, rief Akashi laut. „Mein Begleiter ist Polizist. Es ist alles unter Kontrolle.“ Der Sekretär seines Vaters schob sich zu ihm durch. In den Augen des Mannes stand blanker Schrecken.

Aomine setzte sich lässig auf den am Boden liegenden Masaomi und zog sein Funkgerät aus der Tasche. Während ihr ehemaliger Teamkollege Verstärkung rief, kniete Akashi sich zu seinem Liebsten.

Midorima setzte sich keuchend auf und rieb sich vorsichtig über den Hals. „Wie geht es dir?“, fragte Akashi leise. Er hätte gern vermieden, seinen Freund als Köder einzusetzen. Aber ohne ihn hätten sie niemals eine starke Reaktion von seinem Vater erhalten, mit der er sich selbst verriet.

Der Grünhaarige war weiß wie eine Kalkwand. Akashi griff nach dessen Hand und zog ihn auf die Beine. Er führte ihn zu den Toiletten. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Stille umfing sie.

Der Rotschopf wandte sich zu Midorima. Sein Freund lehnte sich gegen Waschbeckenzeile. Sein Atem beruhigte sich nur langsam. Am Hals zeichneten sich rote Würgemale ab. „Das war geplant. Du hast mich als Köder eingesetzt.“ Die Stimme seines Freundes war kratzig, als habe er sich bei einem langen Karaokeabend die Seele aus dem Leib gesungen.

Akashi trat dicht vor ihn und strich liebevoll über seine Wange. „Es tut mir leid, Shintarô. Ich hatte keine andere Wahl.“

Midorima griff nach seiner Hand und schob sie hinab. „Du hättest mich einweihen können.“

Leise seufzte der Rotschopf. „Hättest du zugestimmt?“ Midorima wäre niemals mit dem Plan einverstanden gewesen.

„Nein.“ Ernst sahen die grünen Augen auf ihn hinab. „Du hast deinem Vater irgendwas untermischen lassen. Er war nicht er selbst. Und Aomine wusste, was passieren wird. Deswegen war er überhaupt dabei.“ Nach einer kurzen Atempause fragte er: „Warum?“

„Mein Vater sollte vor allen Gästen gestehen, dass er dich umbringen lassen wollte. Jetzt können endlich Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden.“ Akashi löste seine Hand aus Midorimas. Ganz nah trat er an den Größeren heran. Ihre Körper berührten sich. Akashi legte die Arme locker auf Midorimas Schultern. „Er muss dafür bestraft werden. Sonst wird er weiter versuchen, dich umzubringen. Das lasse ich nicht zu.“ Die Worte waren nur ein Flüstern, aber in seiner Stimme lag gnadenlose Entschlossenheit.

Midorima schwieg und sah ihn an. Die Empörung in dessen Blick wich tropfend Nachdenklichkeit. Der junge Arzt seufzte. Langsam umschlangen seine Arme Akashis Taille. „Du hättest mich trotzdem einweihen sollen.“

Der Rotschopf stellte sich auf die Zehenspitzen und vereinte ihre Lippen zu einem sanften Kuss. „Entschuldige“, hauchte er.
 

Akashi sog tief die kalte Luft ein. Hier auf dem Land drängten sich nicht die vielfältigen, bisweilen unangenehmen Gerüche der Stadt auf. Leichter Wind trug den Duft von Tannen und frischem Schnee mit sich.

Gemütlich spazierte er neben seinem Liebsten den verschneiten Weg entlang. In der Nähe beugten sich Tannen unter der weißen Last. Sanfte Schatten ruhten an den langen Stämmen. Die Felder waren mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Der unberührte Schnee schimmerte hell im Licht des vollen Mondes. Der silbrige Schein brachte den Schnee zum Funkeln, als wären tausende kleine Diamanten vom Himmel gefallen. Akashi konnte in einiger Entfernung ihre gemietete Holzhütte mit dem spitzen Dach. Wie eine kleine Insel in einem weißen See erhob sie sich. Eiszapfen klammerten sich an das überhängende Dach.

Bis auf ein paar Spuren im Schnee von Hasen und Rehen wies nichts auf andere lebende Wesen hin. Akashi genoss die Abgeschiedenheit. Er konnte die Hand seines Freundes halten, ohne befürchten zu müssen, gesehen zu werden.

Sie erreichten ihre Hütte. Akashi zog den Schlüssel aus der Manteltasche und sperrte die Tür auf. Wohlige Wärme empfing sie. Die Winterschuhe fanden ihren Platz unter der Garderobe. Akashi hängte seinen Mantel zu Midorimas Jacke. Mützen und Schals gesellten sich dazu.

Akashis Wangen kribbelten von dem starken Temperaturunterschied. Sie traten in den Wohnbereich. Die Hütte war in einem rustikalen Stil erbaut. Dicke Holzbohlen verkleideten die Wände, nur von kleinen Fenstern durchbrochen. Ein paar verirrte Schneeflocken hockten außen am Rahmen. In der schmalen Küchenecke stand ein Tisch für zwei Personen an die Wand. Daneben führte eine steile Treppe hinauf zum Schlafzimmer. Vor dem steinernen Kamin lag ein dickes Schaffell. Schräg gegenüber lud eine gemütliche Couch zum Ausruhen ein. In der Feuerstelle glühten die Überreste vom letzten Feuer.

Midorima kniete sich vor den Kamin und legte Holzscheite nach, entzündete die Flammen wieder. Leises Knistern drang an Akashis Ohren.

Der Rotschopf setzte derweil in der Küche Teewasser auf. Wenig später kam er mit zwei dampfenden Tassen zu seinem Liebsten. Er reichte ihm ein Gefäß und ließ sich neben ihm auf dem flauschigen Fell nieder. Akashi seufzte gelassen. Er hob die Tasse an die Lippen und pustete behutsam. Dann nahm er einen Schluck von dem Tee. Winterlicher Zimtgeschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Das heiße Getränk entspannte nach dem Spaziergang in der prickelnden Kälte ungemein.

Sein Blick verharrte auf den züngelnden Flammen im Kamin. Sie vollführten einem regen Tanz, der erst endete, wenn die Holzscheite ihre gesamte Kraft an das Feuer abgegeben hatte. Akashi mochte diese lebendige Wärme. Sie drang bis in die Knochen und vertrieb jegliche Kälte. Dabei hinterließ sie völlige Entspannung, wie ein heißes Bad.

„Das ist der schönste Jahreswechsel, seit ich denken kann.“ Akashi stellte die Teetasse auf den kleinen Beistelltisch und streckte sich auf dem Fell aus. Den Kopf legte er in den Schoß seines Liebsten. Midorimas Hand glitt in sein Haar und streichelte hindurch. Akashis Lider senkten sich.

„Finde ich auch“, sagte Midorima. Die tiefe Stimme war weich und offenbarte ihm, dass sein Liebster sich ähnlich gelöst fühlte.

„Wie weit ist es bis zum Tempel?“ Der Rotschopf hatte Midorima die gesamte Planung des Urlaubs überlassen, obwohl es ihn bisweilen in den Fingern gekribbelt hatte, seinen Freund nach Details zu fragen.

„Fünf Kilometer.“

Akashi sah auf in das Gesicht des jungen Arztes. „Das wird ein langer Spaziergang.“

Midorima nickte. „Der Tempel ist auf dem Berg. Die Aussicht soll bei schönem Wetter herrlich sein.“ Traditionsgemäß war Akashi an den ersten Tempelbesuch im Jahr gewöhnt, um für Glück im neuen Jahr zu beten. Aber er glaubte nicht wie sein Freund an diese Rituale. Midorima zuliebe wollte er morgen vor Morgengrauen aufstehen, damit sie gemeinsam den ersten Sonnenaufgang im neuen Jahr vom Tempel aus erleben konnten. Sein Liebster war felsenfest davon überzeugt, dass es ihnen Glück brachte. Nach den vergangenen Geschehnissen brauchten sie das dringend.

Akashi hingegen schätzte das strategische und praktische Handeln. Denn ihre Zukunft lag allein in ihren Händen. Wie sie diese formten, entschieden sie selbst. Der Rotschopf setzte sich auf. Seine Hand schob sich in die Hosentasche und umfasste die kleine Schachtel.

„Midorima Shintarô.“ Ein hartnäckiges Kribbeln setzte sich im Nacken fest.

Die Augen seines Liebsten richteten sich verwirrt auf ihn.

Langsam zog Akashi die Schachtel aus der Tasche. Bedächtig öffnete er sie und gewährte Midorima einen Blick auf den kostbaren Inhalt. Im Inneren steckte ein schlichter, weißgoldener Ring. „Möchtest du mich heiraten?“ Akashis Herz schlug schneller vor Aufregung. Fest sah er in die grünen Augen, die sich überrascht weiteten. Auf Midorimas Wangen breitete sich ein roter Schimmer aus.

Vor Monaten hatte Akashi entschieden, seinen Freund zu heiraten. Zuerst sollte jedoch sein Vater in die Schranken verwiesen werden. Und das geschah aktuell. Sein Ruf war zerstört. Der Skandal hatte in allen großen Nachrichtenblättern auf der Titelseite geprangt. Die Polizei war Beweisen auf der Spur, die eindeutig belegten, dass Masaomi den gefassten Auftragsmörder angeheuert hatte, um seinen Liebsten zu töten. Die Gefängnisstrafe war ihm sicher. Akashi musste nicht länger um Midorimas Leben fürchten.

Wahrscheinlich sollte er seinem Vater sogar dankbar sein. Dessen Versuche, sie zu trennen, hatten sie nur stärker zusammen gebracht. Akashi konnte sich ein Leben ohne Midorima nicht vorstellen. Da war eine Hochzeit der nächste logische Schritt. Warum war er dann jetzt so aufgeregt? Es bestand kein Grund zur Angst. Midorima sagte gewiss nicht nein. Oder? Akashi hasste Unsicherheiten.

„Aber... wir können doch gar nicht heiraten“, brachte Midorima konfus über die Lippen.

Unwillkürlich lächelte Akashi. Das war die einzige Sorge seines Liebsten? Innerlich erfasste ihn Erleichterung. „Nicht in Japan. Aber in anderen Ländern.“

Fragend sah Midorima ihn an. „Was genau meinst du?“

„Wir können das Land verlassen und woanders neu anfangen, weit weg von meinem Vater.“ Akashi hatte gründlich über ihre Situation nachgedacht und hielt es für das Beste, fernab von Japan einen Neuanfang zu wagen. Einige andere Länder gewährten homosexuellen Paaren dieselben Rechte wie heterosexuellen. Sie mussten sich dort nicht verstecken und konnten sich endgültig von dem Einfluss seines Vaters befreien.

Midorima öffnete den Mund, schloss ihn nach ein paar Herzschlägen wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Sein Liebster brauchte Zeit, um sich der Tragweite der Entscheidung bewusst zu werden.

„Ja, ich will“, hauchte Midorima. Seine Hand legte sich in Akashis Nacken und er zog ihn zu einem liebevollen Kuss heran. Der Rotschopf war überrascht. So wie er Midorima kannte, überdachte dieser alle großen Entscheidungen genau, bevor er sich entschied. Akashi war davon ausgegangen, dass Midorima sich Bedenkzeit erbat. Umso stärker flutete die Freude jetzt durch seinen Körper.

Langsam löste Midorima den Kuss und sah ihn mit einem weichen Lächeln an. Akashi nahm den Ring aus der kleinen Schachtel. Zärtlich umfasste er die rechte Hand seines Liebsten und schob den Verlobungsring auf den Ringfinger. Sanft verschränkte Midorima ihre Hände ineinander.

„Wo möchtest du denn hin?“, hauchte er gegen Akashis Lippen.

„Lass uns das zusammen entscheiden.“ Beschwingt zog Akashi seinen Liebsten zu sich heran. Er ließ sich auf das Fell sinken. Midorima stützte sich über ihm ab, um ihn nicht unter sich zu begraben. Die Arme legte Akashi in den Nacken seines Verlobten und vereinte ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe zum ersten Mal ernsthaft etwas anderes als Naruto geschrieben. Daher bitte ich um Nachsicht bei der ic-ness. Ich muss mich erst in die Charaktere einfinden ^^" Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und hier folgt schon das zweite Kapitel :3 Ich bin extrem geflasht von diesem Pair, da musste ich einfach weiter schreiben <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach einiger Zeit habe ich endlich wieder Lust verspürt, ein Kapitel von Love Story zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt euch :) Ich denke, ich werde hier so langsam - je nach Lust und Zeit - weiter schreiben. Eigentlich sollte es ja nur ein One Shot werden, dann eine Sammlung von ein paar Szenen zu Midorima und Akashi... naja, jetzt wird es wohl doch eine richtige, zusammenhängende Story XD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, eigentlich kann Midorima nicht kochen, aber seit der Oberschulzeit sind ein paar Jahre vergangen und er kann es inzwischen ja durchaus gelernt haben. Außerdem fand ich den Fakt passender, dass Akashi als Reichensohn keine Ahnung von Hausarbeiten hat, weil seine Familie garantiert Personal für derlei hat. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da ich keinen offiziellen Namen für Midorimas Schwester finden konnte, habe ich ihr einen gegeben :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Bei der Erstellung des letztens Kapitels habe ich ein „professionelles Aomine“ zu Rate gezogen, damit er so glaubwürdig wie möglich rüberkommt :3 Daher hier mein Dank an Goldi_XD für die Unterstützung ^.^

Die Story ist mit diesem Kapitel beendet und ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen. Lasst mir doch ein kurzes Feedback da, damit ich weiß, wie es euch gefallen hat :3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (27)
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Von:  Feuchen
2018-02-16T18:26:18+00:00 16.02.2018 19:26
Hach ja, ich mag die Story total! <3
Und jup, die beiden haben es verdient, endlich ein normales Leben zu Zweit zu führen! :3
(Aomines Auftritt war auch gut x3 passt total xd)

auf jeden fall echt schöner MidoAka Fluff <3
Antwort von:  Bambusbesen
19.02.2018 22:44
Da ist man ein paar Tage nicht da und so viele tolle neue Kommentare erwarten einen <3
Ich antworte jetzt mal nur auf den letzten, weil ich sonst das Gefühl habe, dass ich mich zig mal wiederholen werde^^"
Es war sehr schön zu lesen, wie du mitgefiebert hast und deine Gedanken zu lesen. Vielen Dank dafür, dass du mich daran hast teilhaben lassen. Ich bin immer sehr glücklich, wenn meinen Lesern gefällt, was ich schreibe ^.^
Daher noch mal ein ganz dicker, fetter Dank für deine lieben Kommentare <3
Von:  Feuchen
2018-02-16T16:45:57+00:00 16.02.2018 17:45
;___; So viel Herzschmerz... ><
Man kann so gut mit den beiden fühlen und alles ;;
Irgendwie kann man sich schon vorstellen, dass Akashis Vater soweit gehen würde, auch wenn's grausam ist (mh,wie reagiert er wohl auf die Nachricht?)
und ja, hoffentlich haben die demnächst endlich mal ein wenig Zeit für sich ohne sich Sorgen machen zu müssen, sie haben es verdient ^^
Von:  Feuchen
2018-02-16T16:19:23+00:00 16.02.2018 17:19
Ich weiß gerade echt nicht, was ich sagen soll, weil das gerade alles so süß ist >//<
Hach ja und zwischendurch muss Midorima Akashi halt wirklich mal leicht zwingen, wenn's die einzige Möglichkeit ist :3
(es wird Akashi bestimmt nicht leicht fallen sich -auch nur ein paar Tage- mehrere Wochen zu erholen XD)

Ich komme gerade so derbe wieder in ein KnB Feeling rein... *___*
Von:  Feuchen
2018-02-16T13:04:29+00:00 16.02.2018 14:04
Ich finde, es passt so, dass Midorima sich das inzwischen angelernt hat (und das Akashi so unbeholfen ist) :3
Es ist so herzzerreißend zu sehen, wie Midorima leidet ;;
aber irgendwie musste es ja so kommen ... ><
Schnuffig, wie Akashi ihn von seinen Grübeleien und Negativdenken wegholt und was er für ihn tun würde <3
Von:  Feuchen
2018-02-16T12:43:31+00:00 16.02.2018 13:43
Zu süß, dass sie zusammenziehen, auch, wenn es doch etwas härtere Gründe hat
und irgendwie ist es ein wenig merkwürdig, dass selbst Akashi etwas macht ohne es vorher durchzuplanen xD -auch wenn er vermutlich davon ausging, dass Midorima nicht nein sagt, aber ... ^^

(Ich kenne das mit Storys, die sich plötzlich länger entwickeln xD aber ich mag das! <3)
Von:  Feuchen
2018-02-16T12:22:44+00:00 16.02.2018 13:22
Uh, schöner Stimmungsumschwung und auch sehr gut, wie du das mit Akashis Wechsel geschrieben hast ^^
und so süß, wie die danach zusammen baden *-*
Es dauert vermutlich, bis Akashi Midorima so vertraut, dass er sich von ihm wirklich helfen lassen würde, aber es passt auch einfach :3
Von:  Feuchen
2018-02-15T16:50:10+00:00 15.02.2018 17:50
Wieder ein echt schönes Kapitel und auch gut rübergebracht :)
Awww ... zu süß, dass Akashi sich ihm so hingibt :3
und das er einfach alles so komplett geplant hat X3 (ach ja, ich mag es <3)
(und ganz nebenbei: ich finde die Idee gut, dass MidoTaka vorher was miteinander hatten und Midorima daraus bereits Erfahrung hat (das ist auch zu offensichtlich in der Oberschulzeit? xD))
Antwort von:  Bambusbesen
15.02.2018 22:10
So viel Feedback, du machst mich glücklich :D
Es ist Akashi, natürlich plant der XD
(MidoTaka ist ja eigentlich beliebter, wobei ich finde, sie würden sich auf Dauer nicht verstehen. Das würde eher auseinandergehen. MidoAka passt da irgendwie mehr, weil die beiden so herrlich traditionell und spießig sind XD)
Von:  Feuchen
2018-02-15T15:11:56+00:00 15.02.2018 16:11
Bin zwar heute sehr im Halbschlaf, aber awww? <3
Ich mag es total, wie du die beiden schreibst ^^
(ich will Akashi gerade irgendwie knuddeln? warum kann er so niedlich sein? :3)
ein erster Schritt in die richtige Richtung für unsere beiden Schnuffis! <3
Antwort von:  Bambusbesen
15.02.2018 22:09
Freut mich sehr, dass du meine Versionen von den beiden magst :D
(Ja, es gibt Momente, da kann Akashi niedlich sein, auch wenn sie selten sind XD)
Von:  Hyperkreativitaet
2018-02-15T14:06:21+00:00 15.02.2018 15:06
So, ich habe das Kapitel zwar schon gestern gelesen, aber ich wollte mir noch in Ruhe Zeit nehmen dir einen Kommentar zu schreiben und das mach ich jetzt auch hiermit xD
Also zum ersten Teil des Kapitels: Aomine war zum schießen xD (vor allem „Wie ein böser Junge? Das wäre sehr unangebracht, Möhre. Akashi ist traumatisiert.“ xDD) man merkt Goldis Einfluss und es war höchst amüsant wie Akashi auf seinem Schmerzmitteltrip aus dem Nähkästen geplaudert hat. Auch wenn ich sehr mit Mido mit gelitten habe xD Man hat aber noch einen schönen Einblick in ihre Beziehung bekommen, die anscheinend im Schlafzimmer auch etwas experimentierfreudiger geworden ist xD Kann mir gut vorstellen, dass Akashi eines Tages mit der Idee vom Fesseln um die Ecke kam. Mido wäre alleine niemals darauf gekommen, dafür ist er zu unschuldig, aber ich glaube dennoch, dass er hinter geschlossenen Türen trotzdem sehr leidenschaftlich werden kann xD
Bei dem mittleren Teil hattest du mich ja auch schon ein bisschen gespoilert, aber die Umsetzung nun zu lesen war sehr interessant. Alles genau geplant, wie von Akashi zu erwarten, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass ihm die Entscheidung Mido als Köder zu missbrauchen sicherlich nicht leicht viel. Aber es endete ja alles gut.
Jetzt zum Ende <3 Furchtbar schön harmonisch, wie die Beiden eben einfach sind xD Ein sehr schöner Beweis des Vertrauens, dass Akashi Mido die gesamte Planung des Trips überlassen hatte. Ihre Beziehung und Liebe hat sich realistisch entwickelt und durch die ganzen Umstände nur noch mehr gefestigt, dennoch fand ich Akashis Unsicherheit beim Antrag sehr glaubhaft. Das zeig wie sehr ihm Mido etwas bedeutet. Ich bin ehrlich, ich habe mit dem Antrag nicht gerechnet, aber im Nachhinein ist es nur logisch, dass Akashi keine halben Sachen machen würde, selbst wenn er dafür das Land verlassen müsste und das Midorima bei der Antwort dann auch nicht mehr lange nachdenken musste, zeigte auch sehr gut seine Vertrauen darauf, dass ihre Beziehung auch auf Dauer funktionieren wird.
Deine gesamte Geschichte war wirklich ein schöner Einblick in die Entstehung ihrer Beziehung, die sicherlich auch viel Potenzial hat auch in Zukunft zu bestehen. Ich hatte sehr viel Freude beim Lesen <3
Antwort von:  Bambusbesen
15.02.2018 22:08
So ein ausführlicher Kommentar, ich bin begeistert <3 Aber das hab ich dir ja schon gesagt :3
Ich musste bei Aomine auch die ganze Zeit an Goldi denken, wie sie reagieren würde XD So viel musste sie ja auch nicht mehr verbessern deswegen XD
Ja, Mido ist eher so der klassische Typ, aber dafür sicher sehr leidenschaftlich :3
Leicht ist Akashi das nicht gefallen, aber anders ging es ja auch nicht, seinen Vater aus der Reserve zu locken, da hat mir Möhrchen etwas Leid getan XD
Das hatte ich dir noch nicht erzählt, dass ich da ne Verlobung machen will? Dabei war erst sogar ne kleine, private Hochzeit geplantXD Ich habs etwas abgespeckt, weil die sich ja erst mal verloben müssen, bevor Hochzeit geht und du kennst ja Akashi, der will es richtig XD
Es macht mich glücklich, dass du so viel Freude beim Lesen hattest <3 Ziel erreicht, würd ich sagen ^.^
Von:  Feuchen
2018-02-14T19:00:05+00:00 14.02.2018 20:00
Bin jetzt auch mal endlich dazu gekommen deine Ff anzufangen und ja, ich mag es schonmal für den Anfang :3
(und yay, etwas zu AkaMido <3)
Werde demnächst so Stück für Stück weiterlesen ^^
bye
Feu~ :3
Antwort von:  Bambusbesen
14.02.2018 20:15
Hallo, freut mich, dass du her gefunden hast ^^
MidoAka gibs einfach viel zu wenig, einer der Gründe, wieso ich was geschrieben hab dazu ^.^
Freu mich schon, wieder von dir zu lesen :)


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