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Es war einmal...

von

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Kapitel 1

Die Bibliothek war dunkel, nur in einer Ecke brannte eine Stehlampe. Daneben stand eine Chaiselongue, auf der eine junge Frau saß und in einem Buch las. Umgeben von großen Regalen, die gut gefüllt mit alten, aber auch neuen Büchern waren, war sie ganz versunken in die Lektüre, dass sie erst mitbekam, dass jemand den großen Raum betreten hatte, als sie angesprochen wurde.

„Wie kommt es eigentlich, dass ich dich jeden Abend hier antreffe?“

Sie sah auf. Georg, der stellvertretende Sicherheitschef des Schlosses, stand vor ihr.

„Was soll ich sagen, ich lese einfach gern und hier habe ich die entsprechende Atmosphäre und Ruhe dafür“, antwortete Leila. „Und außerdem bin ich nicht jeden Abend hier!“

„Ich weiß, manchmal begleitest du den König auf seinen abendlichen Spaziergängen“, meinte Georg und musste lächeln.

„Ganz genau.“

„Welches Buch ist es denn heute überhaupt?“

Er setzte sich neben sie und sah auf den Einband.

„Die Geschichte der Königsfamilie. Der König hatte mir neulich von seinen Vorfahren erzählt und da wollte ich noch mehr darüber erfahren. Von seinem Sohn hat er auch erzählt, er wurde dabei ganz traurig. Es ist sicherlich nicht einfach für ihn, dass sein einziger Sohn bei einem Attentat ums Leben kam. Wie lang ist das jetzt her?“

„Fast 19 Jahre.“

„Oh man, so lange wie ich lebe.“

Sie schwiegen einige Augenblicke, bevor Leila erneut das Wort ergriff.

„Sag mal Georg, wir sind ja eigentlich so etwas wie Freunde, oder? Ich meine, wir treffen uns fast jeden Abend und reden miteinander und das solange ich zurückdenken kann. Ja, früher war es eher spielen als reden, aber du weißt ja, was ich meine. … Sind wir Freunde?“

„Davon kannst du ausgehen.“

„Und würdest du mich als Freund zu meinem Abschlussball begleiten?“

„Du hast es tatsächlich geschafft, die Schule zu beenden?“, fragte er provozierend und musste grinsen, als sie ihn beleidigt ansah und einen Hieb in die Rippen verpasste.

„Kommst du also mit oder nicht?“

„Ich komme gern mit.“

„Sehr schön. Nächsten Samstag dann, halb sieben im Foyer.“

Sie blieben noch eine ganze Weile sitzen und sprachen über die Vorgänge im Schloss, bis Georg seinen Kontrollgang fortsetzen musste und Leila langsam ins Bett wollte.

 
 

***
 

 

„Sag mal, Mama, kanntest du den Sohn des Königs? Ich meine, du bist ja schon ziemlich lange seine Assistentin.“

Liljana verschluckte sich an dem Kaffee, von dem sie gerade einen Schluck genommen hatte.

„Warum möchtest du das wissen?“, fragte sie dann.

„Na ja, ich habe mich mit dem König unterhalten und er hat mir von seinen Vorfahren erzählt und eben auch ein bisschen von seinem Sohn. Mich interessiert nur, wie er so war.“

„Frederik war groß, schlank und doch kräftig. Er hatte braune Haare wie du und große grüne Augen. Er war sehr liebevoll und hilfsbereit, immer hat er sich für die Schwachen eingesetzt.“ Liljana lächelte, als sie von ihm erzählte. „Er schaffte es, alle zum Lachen zu bringen. Wenn die Atmosphäre angespannt war, auf Konferenzen oder bei Verhandlungen, dann hat er es jedes Mal geschafft, sie aufzulockern. Er war ein toller Mann.“

„Ich hätte ihn gern kennen gelernt.“

„Du hättest ihm gefallen. … Was hast du denn heute vor?“, brachte Liljana das Gespräch dann auf ein anderes Thema.

„Ich wollte in die Stadt.“

„Kannst du dann einige Briefe für mich mitnehmen und bei der Post abgeben?“

„Na klar.“

Einige Zeit nach dem Frühstück machte Leila sich auf den Weg. Es war ein schöner Sommertag, warm mit einer leichten Brise. Leila brachte die Briefe zur Post und bummelte danach durch die Einkaufsstraße in der Innenstadt, sie brauchte noch passende Schuhe für ihr Abschlussballkleid. Nach vier verschiedenen Schuhgeschäften hatte sie immer noch keinen Erfolg gehabt, weshalb sie sich ein Eis kaufte und vor dem Schaufenster des Buchladens die Auslage begutachtete.

„Wer bin ich?“

Jemand hatte ihr plötzlich die Augen zugehalten. Sie griff nach den Händen, sie fühlten sich groß und stark an.

„Was soll der Mist, Georg?“

Er nahm seine Hände von ihren Augen und sie drehte sich zu ihm um.

„Ich habe dich gesehen und konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen“, meinte er grinsend.

„Du bist so ein Spinner!“, erwiderte sie. „Was machst du überhaupt hier?“

„Ich habe heute meinen freien Tag und brauchte neue Hosen.“ Als Beweis hielt er die Einkaufstüte hoch. „Hast du schon etwas zum Mittag gegessen?“

„Nein.“

„Hast du Lust auf Italienisch?“

„Schon.“

„Na dann komm, ich lade dich ein!“, meinte Georg, legte seinen Arm um sie und schob sie sanft in Richtung Restaurant.

Georg wählte einen Tisch am Fenster. Sie wurden schnell bedient und bekamen ihre Getränke.

„Was möchtest du eigentlich nach dem Abschluss machen?“

„Ich habe mir schon Informationen über verschiedene Studiengänge rausgesucht. Ich würde gern studieren, aber so ganz sicher über den Studiengang bin ich noch nicht.“

„Was steht denn zur Auswahl?“

„Literaturwissenschaften oder was bodenständiger ist Betriebswirtschaftslehre oder Gastrowissenschaften“, antwortete Leila.

Sie unterhielten sich über die verschiedenen Studiengänge - die Vor- und Nachteile und die Jobchancen. Als das Essen serviert wurde, war das Gespräch über die Entscheidung Georgs für die Ausbildung zum Sicherheitsoffizier aber bereits zum Staatsbankett in der nächsten Woche übergegangen.

„Seid ihr gut vorbereitet? Gab es irgendwelche Drohungen?“

„Nein, bisher sind wir noch bei der Sicherheitsstufe grün. Die Vorbereitungen laufen gut, alle sind eingewiesen, aber wir werden uns zurückhalten“, berichtete Georg. „Es soll schließlich um Offenheit gehen, da würden zu viele offensichtliche Sicherheitskräfte nicht gut aussehen.“

 
 

***
 

 

Der Tag des Abschlussballs war herangekommen und Georg wartete im Foyer des Schlosses an der Treppe auf Leila und ihre Mutter. Warum brauchen Frauen nur immer so lange? Zum wiederholten Male sah er auf die Uhr.

„Georg, es tut mir leid. Aber bei einem solchen Anlass dauert das Fertig machen besonders lange.“ Liljana war zu ihm getreten, sie trug ein sommerliches Kleid, das trotzdem elegant wirkte. „Leila ist gleich soweit, sie wollte nur noch einen kurzen Blick in den Spiegel werfen.“

„Okay.“

Georg lehnte sich gegen das Geländer und als er das Klappern von Schuhabsätzen hörte, drehte er sich um. Leila lief langsam die Stufen herunter, sie trug ein langes, grünes Kleid. Der obere Teil war eng anliegend, doch nach unten hin wurde es weiter. Was er noch nicht sehen konnte, am Rücken war es tief ausgeschnitten. Kettchen mit kleinen grünen Perlen, die am Kleid festgemacht waren, verzierten den freien Teil des Rückens. Die braunen Haare waren hochgesteckt, nur einige zu Locken gedrehte Strähnen fielen in ihren Nacken.

Sie sieht wirklich aus wie eine Prinzessin. Georg verscheuchte mit einem kurzen Kopfschütteln seine Gedanken und reichte Leila dann seinen Arm.  

 

Lange Tafeln waren in dem großen Saal aufgebaut, in dem der Abschlussball stattfand. Weiße Tischdecken, Kerzenleuchter, Blumengedecke. Schüler aus den unteren Klassenstufen führten die Abschlussschüler und ihre Begleitung zu ihren Tischen. „Dies ist Ihr Tisch. Ich wünsche einen schönen Abend.“

Georg zog einen Stuhl zurück und ließ Leila sich setzen.

„Danke.“

„Wo möchtest du sitzen?“, wendete er sich an Liljana und sie wählte den Platz gegenüber ihrer Tochter, damit Georg neben Leila sitzen konnte.

 

„Ich freue mich, dass alle Schüler den Abschluss geschafft haben und ich kann euch nur gratulieren, denn ihr seid der beste Jahrgang seit 20 Jahren.“ Nach der Rede des Schulleiters wurde das üppige Büffet eröffnet. Während bei Unterhaltung und Musik gespeist wurde, zeigte man auf einer Leinwand Fotos und Filme der Abschlussklasse, es waren offizielle von Schulveranstaltungen, aber auch inoffizielle von diversen gemeinsamen Feiern. Der Eröffnungstanz fand nach dem Essen statt und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Leila hatte mit ihrem Partner aus der Tanzschule einige Lieder getanzt und gesellte sich danach zu ihren Freundinnen.

„Wer ist denn der Schnuckel, mit dem du hier bist?“

„Du meinst Georg?“

„Wenn er so heißt. … Wer ist er?“

„Ein alter Freund.“

„Alt sieht er ja weiß Gott nicht aus“, erwiderte Annemarie verschmitzt.

„Du schon wieder. Ich kenne ihn schon mein Leben lang, er arbeitet im Schloss als stellvertretender Sicherheitschef.“

„Wenn er nur ein Freund ist, dann kann ich ihn mir ja sicher schnappen.“

„Muss das wirklich sein?“, erwiderte Leila.

„Heißt das etwa…?“

„Das heißt gar nichts.“

„Na, wenn du das sagst…“, meinte Annemarie wissend. Hatte sie doch beobachtet, wie Leila ihn mit strahlenden Augen ansah und über seine Bemerkungen lachen musste.

 

Sie saß bei ihren Freunden, redete und lachte viel. Georg beobachtete sie aus der Ferne. Nichts durfte ihr passieren, niemand durfte ihr etwas zuleide tun, ihr durfte kein Leid geschehen. Sie sollte nicht weinen müssen. Er wusste nicht, warum, aber er war gern mit ihr zusammen. Er mochte es, wenn sie lachte. Er mochte es, wenn sie ihm erzählte, was sie am Tag erlebt hatte. Er mochte es, wenn sie einfach da saß und in einem Buch las. Im nächsten Augenblick stand er auf und lief zu ihr hinüber.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Leila sah auf. Sie lächelte, griff nach seiner ausgestreckten Hand und gemeinsam liefen sie zur Tanzfläche hinüber. Er legte seine Hand auf ihren Rücken, sein Griff war fest und doch liebevoll, dann setzte er seinen Fuß vor und der Tanz begann. Sie nutzten die gesamte Tanzfläche aus, wobei Georg sorgsam darauf achtete, nicht die anderen Tanzpaare zu touchieren. Als ein langsames Lied gespielt wurde, lehnte Leila sich an ihn, sie genoss die Geborgenheit. Es war schön mit Georg zu tanzen. Sie mochte ihn, er strahlte Stärke aus und war doch so voller Zärtlichkeit. Sie sah ihn direkt an und es gab nur noch eines, das sie tun wollte. Im nächsten Moment küsste sie ihn. Georg war überrascht, genoss den Kuss allerdings, bevor er sich von ihr abwandte.

„Leila, ich kann das nicht.“

„Was soll das heißen?“

Die beiden standen nun mitten auf der Tanzfläche, um sie herum wirbelten die anderen Paare im Takt der Musik.

„Wir beide… das geht einfach nicht.“

Leila starrte ihn fassungslos an.

„Dann geh! Ich will dich hier nicht mehr sehen!“, sie musste sich zusammenreißen, um nicht lauter zu werden. Doch noch bevor Georg gehen konnte, verließ Leila die Tanzfläche mit schnellen Schritten. Er blieb allein zurück, um ihn herum ein Gewirr aus Freude und Ausgelassenheit.

Kapitel 2

Leila saß in der Bibliothek. Und wie jeden Abend kam Georg bei seinem Rundgang in der Bibliothek vorbei. Doch dieses Mal blieb er nicht stehen, sondern lief ohne ein Wort weiter. Sie blickte aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber. Nichts konnte sie von ihrer Lektüre ablenken, doch er hatte es geschafft. Ich zeige ihm meine Gefühle und er weist mich zurück. Dabei hat er meinen Kuss doch zunächst erwidert. Ich verstehe das einfach nicht. Dabei dachte ich, dass aus Freundschaft Liebe werden kann und jetzt habe ich durch meine Liebe die Freundschaft kaputt gemacht. Ich bin so ein Idiot.

Sie wischte sich die Tränen weg, die sich in ihre Augen gestohlen haben, und verließ die Bibliothek.

 

Georg schloss die große Tür der Bibliothek und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Wie gern will ich zurück gehen, sie in den Arm nehmen und küssen. Er seufzte. Und doch kann ich es nicht tun. Wenn sie die Wahrheit kennt, wird sie alles anders sehen. Sie wird nicht mit mir zusammen sein wollen. Er schloss kurz die Augen, atmete tief ein und setzte seinen Rundgang fort. Er hatte keine Zeit, musste er doch noch die letzten Vorbereitungen für das große Staatsbankett am nächsten Abend treffen.

 
 

***
 

 

Das Staatsbankett war ein Erfolg. Viele einflussreiche Politiker aus allen Herren Ländern waren anwesend, amüsierten sich und sprachen über Politik. Nach Mitternacht erst hatte sich der parkähnliche Garten des Schlosses langsam geleert und die Kellner begannen aufzuräumen. Leila, die sich gern ein Taschengeld für Tätigkeiten im Schloss hinzu verdiente, sammelte die leeren Gläser von den Stehtischen, die um die große Freitreppe herum angeordnet waren, als sie jemand ansprach.

„Hey Süße!“

Sie drehte sich herum und bemühte sich trotz der unangemessenen Anrede, ruhig zu bleiben. „Ja, bitte.“

„Tust du mir einen Gefallen?“

„Worum handelt es sich?“, fragte sie und trat einen Schritt zurück, da der junge Mann immer näher kam.

„Begleite mich auf mein Zimmer.“

„Tut mir leid, das ist leider nicht möglich.“

Sie sah sich um, doch niemand war zu sehen. Anscheinend waren alle im Moment in der Küche oder einem anderen Teil des Gartens.

„Dir ist klar, wer vor dir steht? … Ich bin der Sohn eines Präsidenten.“

„Und du meinst, deshalb könntest du dir alles erlauben?“, erwiderte Leila.

„Wenn du so fragst, ja…“

Er zog sie an sich und küsste sie. Das Tablett fiel herunter und die Gläser gingen klirrend zu Bruch. Mit einem starken Griff drückte er sie an sich.

„Lass mich sofort los!“

„Das hättest du wohl gern.“ Seine Hand fuhr unter ihren Rock und griff an ihren Hintern. „Heißer Arsch“, meinte er nur und küsste sie erneut.

Leila wehrte sich, schlug mit der Faust auf ihn ein, doch es störte ihn überhaupt nicht. Er zerrte an ihrer Bluse und riss dabei die Knöpfe ab.

„Ich will dich!“

Er drückte sie gegen die Mauer der Treppe, begann ihren Körper an Stellen zu berühren, die er nie hätte berühren dürfen.

„Hör auf. … Bitte…“

Er erstickte ihre bettelnden Worte mit einem Kuss, während seine Hand an der Unterwäsche zog.

„Hey! Lass sie sofort los!“

Er sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Ich vergnüge mich doch nur etwas mit der süßen Kellnerin.“

„Lass sie sofort los!“

Als er nicht reagierte, packte Georg ihn an der Schulter und zog ihn von Leila weg.

„Was erlaubst du dir eigentlich? Ich bin William Dempsey!“

Er griff nach Leilas Handgelenk und wollte sie mit sich ziehen, doch in diesem Moment hatte er eine Faust im Gesicht.

„Was?“, er wischte sich das Blut von der Lippe.

„Verschwinde einfach, bevor ich mich nicht mehr zurückhalten kann und dich grün und blau schlage!“

Williams Augen funkelten noch einmal auf, doch dann ließ er Leila los und lief die Treppe hinauf.

„Ist alles okay bei dir?“, wandte sich Georg an Leila.

Sie versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen und sank an der Mauer zu Boden.

„Leila?“

Georg griff nach einer der Tischdecken, legte sie über ihre Schultern und zog sie um sie.

„Komm, ich bring dich in dein Zimmer.“

Er reichte ihr die Hand. Es dauerte eine Weile, doch dann griff sie danach und ließ sich aufhelfen. Georg legte seinen Arm um sie, Leila zog das Tuch enger um den Körper. Es war ein weiter Weg zu ihrem Zimmer, das im anderen Flügel des Schlosses lag, doch Georg wählte die Gänge, in denen sie niemandem begegneten. Sie öffnete die Tür, schaltete das Licht an. Im Zimmer war es ganz ruhig und friedlich.

„Leila…“

Sie drehte sich zu Georg um, Tränen waren in ihrem Gesicht. Ohne ein weiteres Wort nahm er sie in den Arm, drückte sie sanft an sich und spürte dabei, wie sie am ganzen Körper zitterte.

„Er ist weg und er wird dich hier nicht finden. Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist stark, Leila, du bist stark.“

„Bitte bleib heute Nacht bei mir.“

„Natürlich.“

Sie löste sich aus seiner Umarmung und Georg verschloss die Tür, während sie in das Badezimmer ging. Kurz darauf hörte Georg, wie das Wasser in der Dusche lief. Er überprüfte, ob die Fenster verschlossen waren und setzte sich dann in den Sessel neben dem Bücherregal, um seinen Mitarbeitern eine Nachricht mit Anweisungen zu schreiben. Das Wasser lief sehr lange, bevor es ausgestellt wurde. Im Bademantel kam Leila zurück ins Zimmer und lief zu ihrem Bett.

„Danke, dass du auf mich aufpasst.“

„Das ist doch selbstverständlich“, antwortete er.

Leila zog die Decke über sich, während Georg das Licht löschte und zurück zum Sessel ging. Er griff nach der Decke, die über der Lehne lag, und warf sie über sich.

„Gute Nacht, Leila.“

„Georg.“

„Ja?“

„Kannst du nicht herkommen?“

Er stand sofort auf und legte sich neben sie. Sie rutschte zu ihm heran und Georg legte seinen Arm um sie. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen. Wie konnte ich sie nur aus den Augen lassen? Ich bin doch für sie verantwortlich… Es verging einige Zeit, in dem dunklen Zimmer war es mucksmäuschenstill. Nur das leise Atmen der beiden war zu hören.

„Georg.“

„Alles in Ordnung?“, fragte er sofort besorgt.

„Warum willst du nicht mit mir zusammen sein?“

„So ist es doch gar nicht… Aber Leila, ich kann das nicht. Tut mir leid.“

„Bin ich nicht gut genug für dich? Hältst du dich für etwas Besseres?“, fragte sie.

„Nein, du bist etwas Besseres.“

„Was meinst du damit?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Das muss deine Mutter übernehmen.“

Er strich ihr über den Kopf, fühlte ihr weiches Haar, doch sie schloss die Augen und entzog sich seinem Griff. Sie war froh, dass er bei ihr war, dass sie seine Wärme spüren konnte, doch sie konnte seine Worte nicht verstehen.

 
 

***
 

 

Leila saß im Wohnzimmer ihrer Mutter. Sie hatten gemeinsam einen Film im Fernsehen geschaut.

„Leila, ist alles in Ordnung? Du wirkst so traurig.“

„Ich bin in Georg verliebt“, antwortete sie nach einigen Minuten und seufzte.

„Und was macht dich daran so traurig?“

„Ich habe das Gefühl, dass er mich auch mag, aber er meinte, ich bin etwas Besseres und er könne deshalb nicht mit mir zusammen sein. Wie meint er das nur?“

„Du musstest es ja irgendwann herausfinden…“

„Was meinst du denn damit, Mama? Warum sprechen in letzter Zeit alle in Rätseln?“, fragte Leila aufgebracht.

„Schatz, beruhige dich doch! Setz dich wieder und dann erzähle ich dir alles.“ Sie wartete, bis sich ihre Tochter gesetzt hatte und setzte sich ihr gegenüber. „Vor 25 Jahren habe ich als persönliche Assistentin des Königs angefangen. Ich weiß, das scheint nichts mit alldem zutun zu haben, aber ich muss von vorn beginnen“, sagte Liljana, als sie Leilas verwunderten Blick wahrnahm. „Im Zuge meiner Arbeit hatte ich selbstverständlich auch mit dem Sohn des Königs – Frederick – zu tun und wir verliebten uns ineinander. Zu dieser Zeit gab es einige Aufstände, weshalb wir die Hochzeit nur innerhalb der Familie feierten und nicht bekannt gaben. Kurze Zeit später wurde ich schwanger mit dir. Nach deiner Geburt warteten wir einige Tage, dann wollte dein Vater unsere Hochzeit und deine Geburt bekannt geben. Gute Nachrichten beruhigen die Situation meistens, doch gleich zu Beginn der Pressekonferenz wurde ein Anschlag auf ihn verübt. Er starb noch vor Ort.“ Sie hielt kurz inne und atmete tief ein. Es ging ihr immer noch nahe, wenn sie an ihren verstorbenen Ehemann dachte. „Um dich zu schützen, hielten wir geheim, dass es dich überhaupt gibt. Ich wollte es dir zu deinem 18.Geburtstag sagen, aber du hattest zu dieser Zeit so viel mit der Schule zu tun. Ich wollte dich nicht zusätzlich belasten.“

„Heißt das, dass ich so etwas wie eine Prinzessin bin?“

„Nicht nur so etwas wie, du bist eine Prinzessin, mein Schatz“, erwiderte Liljana.

„Und Georg weiß das?“

„Ja, er weiß es und es ist seine Aufgabe, auf dich aufzupassen. Er wollte sowieso in den Sicherheitsdienst und da er dein Geheimnis kennt, war er wie dafür gemacht.“

„Deshalb will er nicht mit mir zusammen sein? Weil er weiß, dass ich eine Prinzessin bin und er nur ein Sicherheitsbeamter?“

„Ich weiß es nicht, aber es ist möglich. Dabei hat er gemeint, er heiratet dich vielleicht, wenn du wie eine Prinzessin aussiehst und du siehst wirklich wie eine Prinzessin aus, mein Schatz.“

Liljana musste lächeln und erzählte ihrer Tochter die Geschichte, die sich nur wenige Tage nach ihrer Geburt zugetragen hatte.

 

„Das ist ja gar keine richtige Prinzessin!“

„Aber Georg!“, sagte seine Mutter empört, wohingegen Liljana laut lachte. Als sie sich wieder beruhigt hatte, fragte sie: „Warum ist Leila denn keine richtige Prinzessin?“

„Sie ist viel zu klein, hat keine langen Haare und auch kein schönes Kleid an. Die Prinzessinnen in meinen Märchenbüchern haben das alles“, erklärte er und kam sich dabei ganz klug vor.

„Na ja, noch ist Leila ein Baby. Du warst auch einmal so klein. Wenn sie groß ist, wird sie sicher lange Haare haben und schöne Kleider tragen. Dann wird sie eine richtige Prinzessin sein, wie in deinen Büchern.“

„Wenn du das sagst, dann glaube ich dir das.“

Er beugte sich über die Wiege und versuchte sich vorzustellen, wie dieses kleine Ding einmal eine richtige Prinzessin werden sollte. Leila lachte ihn an und streckte ihm ihre Ärmchen entgegen. Georg hielt ihr seine Hand hin und sie griff danach.

„Na ja, vielleicht heirate ich dich ja, wenn du aussiehst wie eine Prinzessin.“

 

„Das ist echt süß“, sagte Leila und musste lachen. „Aber jetzt ist er leider nicht mehr dieser Meinung.“

„Ach Schatz, das wird schon.“

„Was ist jetzt eigentlich mit mir?“, fragte Leila plötzlich. „Ich meine, wenn das alles stimmt, werde ich irgendwann Königin. Oh mein Gott!“

Liljana musste lachen.

„Lach mich doch nicht aus!“

„Aber du kannst doch schon alles. Du beherrscht die Etikette, das Hofprotokoll, kennst die Geschichte. Außerdem bist du gütig und liebevoll. Wenn das keine Eigenschaften für eine Königin sind.“

 
 

***
 

 

Leila trug ein weißes, mit silbernen Pailletten besetztes Abendkleid, das ihre schlanke Figur umspielte. Ein Teil ihrer Haare war hochgesteckt, der Rest fiel in leichten Locken auf ihren Rücken. Ein dezentes, silbernes Diadem schmückte ihren Kopf zusätzlich. Sie strahlte wahrlich die Würde und das Selbstbewusstsein eines Mitglieds der königlichen Familie aus. Sie schritt durch das Foyer und war sich der Aufmerksamkeit aller Anwesenden bewusst.

„Leila…“

Georg war ihr entgegen gekommen und war sprachlos bei ihrem Anblick.

„Was ist denn los, Georg? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

„Ich… Du siehst wunderschön aus.“

„Vielleicht so wunderschön wie die Prinzessinnen aus deinen Märchenbüchern?“, fragte Leila nach.

„Wie meinst du das?“

„Nun, ich habe gehört, dass du an meiner Wiege standest und sagtest, ich sehe nicht so aus wie die Prinzessinnen in deinen Büchern. Aber falls ich irgendwann einmal so aussehen sollte, würdest du mich heiraten.“

„Leila…“

„Nun, du hast es gesagt und ich habe das Gefühl, dass du mich magst. Du hast den Kuss erwidert, weil dein Herz es für richtig hielt und erst als dein Kopf sich einschaltete, hast du mich zurückgestoßen. Warum?“

„Du kennst die Wahrheit über deine Herkunft?“

Sie nickte nur stumm.

„Dann weißt du ja warum…“

„Du bist so ein Idiot!“ Sie hob die Hand, doch er fing ihren Schlag reflexartig ab und hielt ihr Handgelenk fest. „Meinst du, das macht irgendeinen Unterschied? Mein Gott, ich liebe dich!“ Die Spannung in ihrer Hand ließ nach und Georg ließ sie los, wodurch ihr Arm kraftlos nach unten fiel. „Ich liebe dich.“ Tränen sammelten sich in Leilas Augen, während sie ihren Kopf resigniert gegen seine Brust lehnte. „Ich liebe dich…“

„Leila.“

Seine Hände legten sich an ihren Kopf und zogen ihn nach oben, sie sollte ihn ansehen.

„Leila, ich liebe dich auch. Ich dachte nur… ich habe zu viel gedacht. Es tut mir leid. Das Letzte, das ich wollte, war dir weh zu tun und doch habe ich es getan.“ Behutsam lehnte er seine Stirn gegen ihre. „Ich liebe dich doch auch.“

 



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Shelling__Ford
2015-01-25T16:28:02+00:00 25.01.2015 17:28
Hi Antina,

Normalerweilse bekommt man mich ja nicht so schnell dazu irgendwas auserhalb von Conan zu lesen, schlicht und einfach weil ich mich in anderen Dingen nicht gut genug auskenn um groß etwas Kommentieren zu können, aber nachdem du so lieb gefragt hast will ich doch zu der kleinen Story meinen Senf dazu geben ;)

Der Einstieg ist dir gut gelungen, man kommt als Leser recht schnell rein (auch wenn man die Figuren nicht kenn) und auch die Atmosphäre konntest du gut und schnell aufbauen.
Was mir besonders Positiv aufgefallen ist sind deine Dialoge, sie lassen sich sehr flüssig lesen, wirken nicht gekünztelt oder ähnliches sondern sehr real und authentisch. Nur in den Passagen dazischen könntest du vielleicht noch das ein oder andere einfügen, damit man ein besseres Gespür für diene Charaktere bekommt, was sie denken, wie sie was sagen usw. Aber das nur so am Rade, denn meistens ist dir auch das sehr gut gelungen

Wenn ich was zu kritisieren hätte wäre das höchstens der Anfang als ich mich kurz gewundert hatte warum Georg meint das sie ihren Abschluss ja doch noch geschafft hat, obwohl es für mich als leser jetzt so aussah als wäre sie eine recht kluge Leseratte (Ironie?). Und das ihre Mum nen wenig schnell mit dem Gestännis raus gerückt ist, sowie das ich mir dann noch einen Auftritt von dem König gewünscht bzw. ihn erwartet hätte.

Allgemein hast du einen wirklich schönen Stil, und deine Umgebungsbeschreibungen und alles sind auch sehr angenehm zu lesen, manchmal könntest du auf das ein oder andere mehr eingehen bzw. dem ganzen mehr Zeit geben, aber gut, die hat man bei einem OS nunmal nicht immer.

Aber das sind echt nur kleinigkeiten, ich bin in so Kommis nur immer sher ehrlich deswegen wollt ich es dir ungern vor enthalten, aber du musst es dir auch nicht zu herzen nehmen.

Diese hin und her gerissenheit von George fand ich sehr gut! Da hätte ich mir vielleleicht sogar noch ein wenig mehr gewünscht, aber das liegt wohl auch dran das ich eine schwäche für so was hab ;)
Die Idee mit dem "Bild" von einer echten Prinzessin und der Rückblende die dann zum Happy End geführt hat ist dir wirklich sehr gut gelungen und hat mir gut gefallen, auch wenn irgendwie der große Altersunterschied der beiden an mir vorbei gegangen ist ^//^, das geht allerdings auf meine Kappe.

Alles in allem eine wirklich nette kleine Geschichte, die defintiv auf Animexx und glesen gehört, ich hoffe du findest noch ein paar Anhänger! ;)

Bis bald,
liebe Grüße,
deine Shelling
Von:  AnniinaAgricola
2015-01-19T09:42:40+00:00 19.01.2015 10:42
Schreib gaaaaaanz schnell weiter! !!! Bitte bitte! !!! ^-^


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