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Er will mich, er will mich nicht ...

von

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Prolog

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Prolog (Ohne Adult)

Ich weiß, ich habs schon vor einer Ewigkeit versprochen, die Geschichte hier endlich hochzuladen. Aber wie das so ist, sind meine Storys noch lange nicht fertig, auch wenn ich unten drunter schon ein fettes Ende geschrieben habe. Um ehrlich zu sein, nachdem ich das letzte Kapitel geschrieben hatte, dachte ich: Nääh! Da fehlt was! Also habe ich mich nochmal hingesetzt und nochmal drei ganze Kapitel geschrieben. Dann noch die ganzen Korrekturen und Logikfehler ausgemerzt (hoffentlich!) … Eben all das, was mich mehr aufhält, als das Schreiben an sich.

Da das aber nun geschafft ist, lade ich hiermit den Anfang meiner Kennenlernstory von Chase und Sean hoch! Viel Spaß dabei!!! ^^
 

Ach ja! Aaron kommt hier auch oft vor. Allerdings zeigt er sich nicht gerade von seiner besten Seite.

Und nur nochmal zum allgemeinen Verständnis: Das hier spielt vor 'Manchmal ist es einfach Schicksal'. Aaron und Leon kannten sich hier also noch gar nicht.
 

Leider notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 


 

Prolog
 

Ich bringe den Körper unter mir zum beben und dazu, hektisch zu atmen. Und trotzdem: Die Kleine ist steif wie ein Brett! Was soll's? Ihr Problem. Ich komme so oder so auf meine Kosten. Soll sie halt weiter Brett spielen. Nur noch einen kleinen Moment und ich bin endlich soweit.

Ich höre sie unter mir japsen und meinem Namen stöhnen, doch noch immer rührt sie sich nicht. Egal! Ich bin verdammt nahe, keuche leise und unterdrückt, und komme auch schon und fühle mich für einen winzig kleinen Moment befriedigt. Doch es hält wie immer nicht lange an.

Noch bevor ich mich erschöpft von ihr runter auf die Seite rolle, ist das Hochgefühl verschwunden. Keine Ahnung ob sie auch auf ihre Kosten kam, aber ihrem Lächeln nach zu urteilen, tat sie es.

"War echt klasse. Aber ich muss dann mal wieder", rassle ich meinen Standartspruch hinunter.

"Jetzt schon Chase? Morgen ist doch Samstag. Ich dachte, du bleibst über Nacht. Wir könnten morgen früh weiter machen ..." Sie versucht mich mit ihrer Stimme zu umgarnen und ihr Zeigefinger tanzt auf meiner Brust herum. Doch das interessiert mich nicht mehr. Das was ich von ihr wollte, habe ich bekommen. Sie reizt mich kein Stück mehr.

"Sorry. Ich habe noch andere Termine.", wimmle ich ihre Versuche ab und steige in meine Jeans. Das ist noch nicht mal gelogen. Denn gleicht treffe ich mich mit Peter. Meinem besten Freund seit dem Kindergarten. Er will mir unbedingt jemanden vorstellen.

Ich überhöre ihr Gerede, mit Sicherheit wüste Beschimpfungen oder weitere süße Worte um mich zum bleiben zu überreden, und verlasse unbeeindruckt davon ihre Wohnung. Ihren Namen weiß jetzt schon nicht mehr. Das Feuer ist erloschen und alles ist nur noch Schall und Rauch. Wie jedes mal.
 

******

Kapitel 1 - Willige Weiber und Potente Männer für verkorkste Kerle

Kapitel 1 - Willige Weiber und Potente Männer für verkorkste Kerle
 

~Chase~

So verlaufen diese 'Treffen' immer. Dabei habe ich nicht immer bewusst vor, die Weiber, in dessen Bett ich lande, so zu behandeln. Es ist einfach mal Fakt, dass sie mir nichts mehr bedeuten, sobald ich meine Munition verschossen habe. Ich weiß nicht woran es liegt. Zusammen mit meinem Sperma verlassen mich auch die Gefühle, die ich vorher für die Frauen hegte. Punkt. Betitelt mich ruhig als Arschloch. Das bin ich ja auch. Dessen bin ich mir mehr als bewusst.
 

Ich fahre mir mit einer Hand durch meine Haare und klingle anschließend an der Tür meines Freundes. Prompt wird sie aufgerissen, als habe er nur darauf gewartet, dass ich komme. "Chase! Endlich bist du da!" Peter zieht mich in seine Arme. "Komm schnell rein. Ich kann es kaum erwarten, dass ihr euch kennenlernt!" Peters Augen leuchten richtig. Wer auch immer meinen besten Freund so zum strahlen bringt. Ich mag ihn jetzt schon. Endlich mal was positives an diesem Abend.

"Sascha? Das ist Chase. Mein Fels in der Brandung."

"Übertreibe mal nicht so!", lache ich und begrüße diesen Sascha, der meinen lieben Peter so zum Glückskeks mutieren lässt. Das ist also sein Neuer. Groß, braunes, kurzes Haar und grüne Augen. "Hallo. Schön dich kennen zu lernen."

"Ebenfalls. Ich habe schon viel von dir gehört." Dazu kommt ein nettes Lächeln, ehrliche Augen und eine angenehme Stimme. Ja, den könnte ich wirklich mögen. Nicht alle Freunde von Peter habe ich gemocht. Einige waren so wie ich. Nur hinter einem schnellen Fick her und dann nichts wie weg. Aber zum Glück hat Peter ja mich. Ich habe ihn schon vor so einigen Arschlöchern bewahrt und dank mir, steigt er auch nicht gleich mit jedem ins Bett. Peter ist schon immer zu gutgläubig gewesen. Das konnte ich ihm wenigstens austreiben. Mit mir als schlechten Vorbild, sozusagen.
 

"Ich hole uns was zu Trinken." Peter schaut mich an und ich verstehe sofort. Ich soll Sascha abchecken. Bis jetzt kann ich nichts Negatives entdecken, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Auch wenn ich Peter wirklich wünsche, dass er endlich jemanden findet, der ihn aufrichtig liebt.

Ich setze mich also diesem Sascha gegenüber, direkt an den großen Esstisch. Peter legt viel wert auf große, alte Möbel. Ich weniger. Bei mir muss alles praktisch und platzsparend sein. Nicht, weil meine Wohnung klein ist, sondern weil ich zugestellte Wohnungen hasse. Doch hier, in Peters Wohnung fühle ich mich wohl. Hier haben wir schon viele lustige und schöne Stunden verbracht. Peter ist die Familie, die ich niemals hatte. Vielleicht liegt es daran.

"Darf ich dich was fragen?", beginnt Sascha. Ich nicke. Dann frag mal schön, mein Lieber. "Wieso sagte Peter eben, du seist sein Fels in der Brandung?"

Ich fange an zu grinsen. Diese Frage musste ja kommen. "Weil ich ihm damals Halt gab und als Einziger zu ihm hielt. Sein Outing rief einige hässliche Seiten bei unseren damaligen Freunden hervor. Den Scherz macht er deswegen manchmal und nennt mich dann so." Und weil ich knapp zwei Meter groß bin. Aber das erwähne ich jetzt nicht noch extra.

Manche von Peters Bekanntschaften verunsichere ich damit meist. Oder sie werden eifersüchtig auf mich und verbringen mehr Zeit damit, ein skeptisches Auge auf mich zu werfen, als sich um meinem Freund Peter zu kümmern. Beides eher suboptimal für eine Beziehung. "Und du? Peter scheint dich ja ganz schön zu mögen, wenn er dich mir schon vorstellt", plaudere ich weiter, versuche dabei ein wenig herauszufordernd zu klingen und schaue ihn leicht herablassend an. Davon unbeeindruckt lacht Sascha nur und schüttelt den Kopf.

"Du willst ihn beschützen, was?", fragt er.

"Ich will es nicht nur. Ich tue es auch." Stummes Blickduell. Sascha scheint sich von mir nicht einschüchtern zu lassen. Das macht ihn mir gleich sympathischer. "Wie lange kennt ihr euch schon?", unterbreche ich unseren kleinen Kampf.

Jetzt überlegt Sascha kurz. "Kennen tun wir uns schon länger. Also flüchtig. Und näher gekommen sind wir uns vor drei Wochen." Drei Wochen. Okay.

"Wie nah?"

"Beschützerinstinkt und neugierig? Dann frag lieber Peter darüber aus. Über sowas schweige ich." Hmmm. Sascha ist schlagfertig und kommt mir nicht so vor, als wolle er nur Sex. Und vor allem: Er respektiert Peters Privatsphäre und plappert nicht über Bettgeschichten.

Man sollte ja meinen, sowas erzählt man nicht dem besten Freund seines Liebsten. Erst recht nicht beim ersten Kennenlernen. Aber ich habe da schon so einiges mitgemacht. Und es ist wirklich nicht schön zu wissen, was mein Kumpel so alles im Bett macht. Ausgerechnet auch noch mit einem anderen Mann. Nicht, dass ich seine sexuelle Orientierung verurteilen würde. Nein. Aber es gibt eben Dinge, die man auch als beste Freunde nicht unbedingt voneinander wissen muss. Tja. Doch solche Plappermäuler gibt es auch. Mehr als ich mir vorstellen mag. Männer sind eben Schweine und ich bin der beste Beweis dafür. Egal ob Homo oder Hetero. Und nicht nur Peter kann davon ein Lied singen, denke ich.
 

"Dann ist es dir ernst mit Peter?", frage ich weiter nach.

Herausfordernd funkeln mich seine Augen an. "Sehr ernst. Ich liebe ihn." Wow!

Ich grinse. Ja, diesem Sascha kann man vertrauen, denke ich. Er ist nicht so einer wie ich. Das spüre ich. "Das ist gut", sage ich und stehe auf. "Mal sehen wo Peter überhaupt bleibt."

"Ja. Tu das mal." Sascha grinst ebenfalls und ich weiß sofort, dass er Peter und mein kleines Spiel durchschaut hat. Mal sehen, ob er es uns auch übel nimmt.

"Er scheint nett zu sein", flüstere ich Peter zu, der in der Küche auf mich wartet. "Ich mag ihn. Irgendwie."

"Habe auch nichts anderes erwartet." Er lächelt glücklich und schaut mich dann schief an.

"Das hier ist gar kein Besuch, um Sascha auf den Zahn zu fühlen, habe ich recht?"

"Was hat mich verraten?"

"Deine Glückshormone, die mir hier schon seit dem Eintreffen um die Ohren fliegen. Außerdem habe ich dich schon lange nicht mehr so glücklich gesehen."

Peter lacht leise und errötet sogar ein wenig. Wenn da mal jemand nicht bis über beide Ohren verknallt ist.

"Und du? Warst heute auch schon glücklich, was?" Peter wackelt mit seinen Augenbrauen auf und ab.

"Es geht. Sie war mittelmäßig." Peter schüttelt dem Kopf, sagt aber nichts weiter. Er hat sich mit meiner Art abgefunden. Er sucht die große Liebe, ich den nächsten Fick. Wobei ... Als ob ich eine andere Wahl hätte.

"Meinst du, es wird nicht mal Zeit, endlich sesshaft zu werden? Du hast doch wirklich genug 'gespielt'. Findest du nicht?"

Ich lache leise und verschränke meine Arme vor der Brust. "Ich bin nicht hier, um mir wieder deine Moralpredigten anzuhören. Erzähl mir lieber ein wenig über deinen Neuen. Ist er es? Dein Mr. Right?"

Mir werden zwei Flaschen in die Hand gedrückt. Wasser und Wein. "Ich denke ja. Ich habe endlich das Gefühl, angekommen zu sein."

Peter ist also angekommen. Wie auch immer sich das anfühlt. "Schön. Ich freue mich wirklich für dich."

"Na, das hoffe ich doch! Und weißt du was?" Ich verneine. "Sascha ist Arzt", lächelt Peter und holt drei Weingläser aus dem Schrank.

"Oho! Wir heiraten in eine angesehene Familie ein?"

"Neidisch?"

"Ganz doll", grinse ich und folge meinem besten Freund zurück ins Wohnzimmer.

"Wollen wir uns was bestellen?", fragt Peter in die Runde.

"Gerne. Wie immer?", will Sascha wissen und zückt sein Handy.

"Klar." Peter lächelt ihn verliebt an und ich fühle mich leicht übergangen. "Chase nimmt immer die 132 mit extra Käse und Oliven."

"Nett, dass du auch an mich denkst", brumme ich. Allerdings lässt mich die Aussicht auf ein Essen von unserem Lieblingsitaliener wieder milde stimmen.
 

Peter setzt sich neben Sascha, während dieser bestellt. Meinen Freund hast es echt ganz schön erwischt. So dämlich grinsend habe ich ihn noch nie gesehen. Doch wenn sich die Zwei schon seit drei Wochen treffen, wieso hat er mir vorher nichts von ihnen erzählt? Nun, auf die Antwort auf diese Frage muss ich wohl noch warten, bis ich mal allein mit Peter bin. Und das wird er heute ganz sicher nicht mehr sein. Die fressen sich ja jetzt schon auf!

Lautstark räuspere ich mich und die Beiden lösen sich grinsend voneinander. "Danke", murre ich.

"Eifersüchtig?", fragt mich Sascha und schaut mich eindringlich an. Denkt er etwa, ihr Rumgeturtel würde mir etwas ausmachen, oder gar eifersüchtig werden lassen?

"Nicht wirklich. Ich stehe nur nicht auf Männergeknutsche."

"Chase ist Hetero", klärt Peter seinen Liebsten auf.

"Dann ist ja gut." Saschas Blick wird sanfter und wieder fangen die beiden an sich abzulecken. Ich verdrehe die Augen. Das wird bestimmt ein feuchtfröhlicher Abend!
 

***
 

~Chase~

Nach dem wirklich unglaublich guten Essen, bringt uns Peter noch einen leckeren Nachtisch. Eis in allen Geschmacksrichtungen. Mein Freund ist verrückt nach Eiscreme. Wobei es mir nicht anders geht.

"Ich wollte dich noch was fragen Chase", unterbricht Peter unser gefräßiges Schweigen. Ich schaue ihn neugierig an, gespannt was jetzt kommt. "Wir wollen nächstes Wochenende ausgehen und sozusagen unser Zusammensein feiern. Mit unseren engsten Freunden. Und du gehörst da unbedingt dazu."

"Das will ich ja hoffen!"

"Ja! Nur ... Es ist in einem Schwulenclub." Bitte nicht! Peter deutet meinen geschockten Blick richtig. "Bitte Chase! Es ist mir wichtig, dass du dabei bist. Wir passen auch alle auf dich auf."

Gut das ich das Eis schon heruntergeschluckt hatte, als er diese Bombe platzen lies. "Du weißt, dass ich nie wieder in so einen Schuppen gehen werde. Du warst das letzte Mal dabei. Tu mir das nicht nochmal an!" Ich will gar nicht erst daran denken, was dort damals passiert war!

Sascha lacht leise. "Was war den beim letzten Mal?"

"Nichts!", fahre ich ihn an. Im laufe des Abends habe ich ihn richtig gern gewonnen, doch im Angesicht dieser neugierigen Frage könnte sich das auch wieder schlagartig ändern.

"Er begleitete mich das erste Mal in eine Schwulenbar, weil ich so große Angst alleine hatte. Da wurde er, ... So ein Kerl ..."

"Sei ruhig Peter!" Er lacht! Peter kann sich nur schwer zurückhalten nicht gleich laut loszubrüllen! Einen tollen Freund habe ich da!

"Es war harmlos!", lacht er.

"Du findest es harmlos, wenn ein Kerl dir seinen Schwengel zeigt?" Ich glaube, da frage ich gerade den Falschen.

"Du warst auf der Toilette! Außerdem hat er sich doch entschuldigt, nachdem du gesagt hast, dass du eine Hete bist."

"Und? Die ständigen Anmachversuche waren fast noch schlimmer!" Ich wurde von allen Seiten umschwärmt. Es war der Horror!

"Keine Angst Chase. Wir halten die bösen Männer von dir fern."

"Danke Sascha! Sehr lustig!"

Also wollte Peter mir nicht nur seinen tollen Sascha vorstellen. Er wollte mich zudem rumbekommen, damit ich mit ihnen in diesen Männerclub komme.
 

"Ehrlich. Wir würden uns beide freuen, wenn du mit uns kommst zum feiern", meint Sascha ruhig.

"Das war eine ganz linke Nummer heute! Das ist dir hoffentlich klar!", knurre ich Peter an und zeige mit dem Finger auf ihn. "Mich mit einem Essen von meinem Lieblingsitaliener zu bestechen!"

"Ich weiß. Tut mir leid." Blaue Kulleräugelein schmachten mich verzeihend an.

Ich seufze laut. "Gut. Ich komme mit. Aber wenn nur ein Typ mich anbaggert, oder mir auch nur einer einen mehrdeutigen Blick zuwirft, dann bin ich da weg!"

Peter lacht und rauscht mir in die Arme. "Du bist wirklich der beste und mutigste Hetero-Freund auf Erden."

"Danke." Auf was lasse ich mich da nur wieder wegen ihm ein?
 

***
 

~Sean~

"Los Aaron! Gib Gas! Wir kommen sonst noch zu spät!"

"Ich kann nichts dafür! Bedank dich bei den ganzen scheiß-verdammten, roten Ampeln!", schnaubt Aaron mich an.

"Du hast vorhin total getrödelt! Also ist alles hier deine Schuld! Schieb's nicht auf die Ampelregelung."

"Kannst du mir mal verraten, wieso du heute so motzig bist?" Na, das fragt mich ja jetzt genau der Richtige!

Aber irgendwie hat er auch recht. Ich bin wirklich etwas launisch. Obwohl ich eigentlich gar keinen Grund dazu habe. "Tut mir leid." Seufzend schaue ich aus dem Fenster. "Ich freue mich wirklich auf die Party. Ich will einfach nicht zu spät kommen. ... Sascha hat so ein Glück. Endlich hat er jemanden." Letzteres ist wahrscheinlich der Grund meiner miesen Laune. Ich bin neidisch auf sein Glück und es wurmt mich, dass ich so empfinde.

"Hm", brummt Aaron.

"Du magst ihn nicht. Stimmt's?" Peter war ihm von Anfang an ein Dorn im Auge. Wieso auch immer.

"Er passt nicht zu Sascha."

"Machst du Witze? Die Beiden sind verliebt. Mehr braucht man nicht."

"Ach? Da bist du wohl der große Experte?"

"Fang jetzt nicht damit an! Damit tust du uns beiden keinen Gefallen!" Falls er jetzt von Andy anfängt, dann werfe ich mich aus dem fahrenden Wagen! Obwohl die Wahrscheinlichkeit dazu nicht sehr hoch ist. Er redet kaum über ihn.

"Ich will damit ja nur sagen, dass wir beide da keine großen Experten sind."

"Stimmt. Aber im Gegensatz zu dir will ich das dringend ändern!" Ich kann das alles nicht mehr. Ich möchte keine dämlichen Dates mehr, die nur aufs vögeln hinauslaufen. Und ich mag auch nicht mehr um Andy trauern. Aaron ist da anders. Er vergräbt sich immer noch in seinem Schneckenhaus und lässt niemanden von uns wirklich an sich ran. Doch so sehr ich das hasse, so sehr verstehe ich ihn auch. Ich habe Andy geliebt, tue es noch, genauso wie Aaron. Eine unglückliche Liebe, da Andy nur eins wollte: Sex, Sex und noch mehr Sex. Und das hat ihn das Leben gekostet.

"Da sind wir", unterbricht Aaron meine trüben Gedanken. Gerade noch rechtzeitig. Unvorstellbar, wenn ich jetzt in eins meiner 'Andy-Löcher' fallen würde.

"Dann Beeilung! Die anderen warten schon." Aufmunternd klopfe ich Aaron aufs Knie und versuche zu lächeln.
 

~Chase~

Ich hasse es hier! Laute Musik, schwitzende Körper, aber keine einzige Frau in Sicht. Ich hasse Schwulenclubs!

Eingekeilt zwischen Peter und Sascha stehe ich mit dem Rücken dicht an den Tresen gedrängt. Wehe einer fasst mir an den Hintern!

"Jetzt schau doch nicht so verkniffen!", brüllt mir Peter ins Ohr. "Außerdem würden wir ganz gerne auch mal tanzen!"

"Ihr könnt jetzt nicht gehen!", schreie ich panisch.

"Da vorn kommen Aaron und Sean. Die lösen uns sicher ab!" Wie bitte? Die wollen mich allein mit zwei ihrer schwulen Freunde lassen? Ich kenne die doch noch nicht mal!

"Hey! Aaron!", ruft Peter und fällt einem Kerl mit schwarzem Haaren um den Hals. Der lächelt nur schmal und klopft Peter auf die Schulter.

Das Selbe passiert mit einem kleinen blonden Kerl, welcher sich aber sichtlich mehr über Peters Begrüßung freut als dieser Aaron. "Ich freue mich so für euch!", quietscht der Blonde. "Endlich ist mal jemand von uns unter der Haube."

Dann sind die Beiden also nicht zusammen? Mist! Mein Alarm geht an. Der große Schwarzhaarige könnte mir gefährlich werden! Automatisch kneife ich meinen Hintern fester zusammen.

"Chase? Das sind Aaron und Sean. Wärt ihr so lieb, auf ihn aufzupassen? Er hat Angst, vernascht zu werden." Danke Peter! Dafür bekommst du nachher eine Tracht Prügel!

"Klar passen wir auf ihn auf", meint der kleine Blonde, Sean ist sein Name, und grinst mich breit an. "Schön dich kennenzulernen Chase. Du bist also der weltberühmte, beste Freund von Peter?" Weltberühmt? Was hat Peter ihnen nur alles von mir erzählt?

"Ja."

"Wie lange kennt ihr euch schon?"

"Lange." Oh Kleiner nerve nicht!

Misstrauisch beäuge ich Aaron. Er hat sich neben mich gestellt und was zu trinken beim Barkeeper geordert. Er beachtet mich zum Glück nicht. "Wieso schaust du so mürrisch?", zieht der Blonde seine Fragerunde an mich weiter durch.

"Tue ich gar nicht." Man Kleiner! Hör auf mich zu nerven!

Er stellt sich neben mich an die andere Seite, sodass ich von ihm und Aaron umzingelt bin, und sein Grinsen wächst zu einem Lächeln heran. Anscheinend bemerkt er meine leicht ansteigende Panik. "Wenn du nicht willst, dass dich hier einer anmacht, dann sag einfach, du bist vergeben. Das klapp meistens."

"Aber nicht immer", knurre ich.

"Nein. Dazu bräuchtest du auch einen Beweis, dass du vergeben bist." Na toll! Das nächste Mal schleppe ich eine Freundin mit! Das wäre gar keine schlechte Idee gewesen ... Wieso hat Peter eigentlich Steff nicht eingeladen? Ich hätte sie auch bestimmt einfach mitbringen können. Darauf hätte ich auch mal kommen können.

"Ich kann deinen Freund spielen. Wird sicher lustig."

"Du?! Meinen Freund?!" Ich schaue auf Sean herab. Diese halbe Portion soll meinen Freund geben?! Der reicht mir ja gerade mal bis zur Brust! Wer soll uns denn das abkaufen?

"Klar! Ich beweise es dir! Komm mit!" Mit einer erstaunlichen Kraft, die ich dem Kleinen gar nicht zugetraut hätte, packt er meine Hand und zerrt mich vom sicheren Tresen weg. "Und was ist mit Aaron?!"

"Der kommt allein klar." Klasse!

Hilfe!!!
 

~Sean~

Woll'n doch mal sehen, ob ich Chase nicht dazu bringen kann, etwas aufzutauen. Seine verkniffene Miene ist ja kaum zum aushalten! Ohne große Umschweife schleife ich ihn unter das tanzende Volk und drehe mich zu ihm um. "Hopp! Beweg dich!", lache ich und tanze um ihn herum.

"Was soll der Mist?" Er fühlt sich sichtlich unwohl, was mich aber nicht davon abhält weiter zu machen.

Seine Augen irren umher und er scheint wirklich Angst vor Baggerversuchen zu haben. "Dir zeigen, dass du vor nichts Angst haben musst."

"Sag das nicht mir. Sag das denen!" Lachend greife ich nach seinen Händen. "Hey!" Er zieht sie energisch weg. "Was wird das bitte schön?"

"Und was bitte schön, bist du den für eine Mimose? Sehe ich etwa so aus, als könnte ich dir was antun? Nein! Also Hände her jetzt! Wie sollen wir sonst hier alle überzeugen, dass wir ein Paar sind?" Ich erobere mir seine Hände zurück und diesmal hält er sogar still. "Na geht doch! Ist es so schlimm?"

"Nein ...", gibt er leise zu. Lachend schüttle ich meinen Kopf. So groß und so viel Schiss! Ich bewege mich zur Musik und endlich bewegt sich Chase ebenfalls. Allerdings sieht Tanzen normalerweise ganz anders aus. Aber ich will mal nicht so sein und bin überhaupt schon zufrieden, dass er mir eben nicht einfach abgehauen ist, als ich seine Hände gepackt hatte. Und wie er sich so unbeholfen bewegt, komme ich nicht umhin, Peters besten Freund ausgiebig zu mustern. Chase hat mir auf Anhieb gefallen. Er ist groß, hat braune Haare, die ihm bis zum Ohr reichen, einen leichten Bartschatten und dunkle Augen. Bestimmt sind sie braun, was ich aber in dem schummrigen Licht hier nicht genau sagen kann. Kurzum: Chase ist genau mein Typ. Nur leider Hetero. Ein Hetero mit einer merkwürdigen Homophobie, wie uns Peter letztens vorgewarnt hatte. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass er mir nicht gefallen kann, oder wir uns nicht miteinander anfreunden können.
 

So langsam taut er wirklich auf, bewegt sich jetzt sogar viel begeisterter im Takt der Musik und schaut nicht mehr ganz so muffig drein wie noch vor wenigen Minuten.

"Und? Schlimm?", frage ich ihn und schiebe mich ganz vorsichtig etwas näher an ihn ran.

"Nein. Es ist nur ungewohnt mit einem Kerl zu tanzen."

"Ich glaube, hier stört das niemanden!", zwinkere ich ihm zu.

Er lacht! Chase fängt tatsächlich an zu lachen! Und mein dummes, kleines Herz macht einen Sprung. Da ist er wieder! Mein ganz persönlicher Fluch, genau den Falschen ins Auge zu fassen. Es ist zwar nur ein kleiner Funken, der da gerade in mir aufgeflammt ist, doch ich muss aufpassen, dass daraus kein Flächenbrand wird. Noch kann ich die Reißleine ziehen! Ich muss mir nur immer wieder klarmachen, dass er eine Hete ist und jeder Baggerversuch bei ihm im Sande verlaufen wird! Oder im Krankenhaus ... Ich schüttle den Gedanken schnell ab. Das würde er nicht tun! Oder ...?

Egal! Ich darf es einfach nicht soweit kommen lassen. Such dir einen Anderen Sean! An so jemanden verbrennst du dir nur wieder die Finger. Und darin habe ich wirklich genug Erfahrungen gemacht.
 

~Chase~

Dieser Sean ist ein kleiner Giftzwerg, wie mir scheint. Dafür aber hält er sein Versprechen. Er verjagt jeden, der mir auch nur schöne Augen machen will. Wirklich praktisch. Der blonde Sean ist eine echt wirksame Homo-Abwehrvorrichtung. So schnell weiche ich ihm heute Abend sicher nicht von der Seite. "Hast du auch so einen Durst wie? Hier ist es ganz schön stickig", frage ich ihn und er nickt mir zu.

"Wir können uns auch etwas ausruhen und uns setzen", schlägt Sean vor und zeigt auf eine Reihe von flauschigen Sofas. Wer's mag.

"Okay."

Zusammen bahnen wir uns einen Weg zur Bar, als mich eine fremde Hand am Hintern tätschelt. "HEY! Lass deine dreckigen Griffel von mir!", brülle ich und drehe mich um, bereit zuzuschlagen. Ein frech grinsender Peter steht vor mir. "Mensch Peter!"

"Pfoten weg! Der ist mir!" Sean kichert und hängt sich an mich.

"Ach? Wie lange waren wir denn tanzen?"

"Sehr lustig Sascha", maule ich. "Sean verjagt mir alle Grapscher."

"Nach dir will jemand grapschen? Manche leiden eben echt an Geschmacksverirrung." Aaron! Was ist das denn für ein Arsch?!

"Nur damit du es weißt: Die Mädels fliegen auf mich."

"Die zählen nicht!", zischt er und greift nach Sean. "Sean? Wir fahren!" Was? Der kann doch jetzt nicht mit Sean abdampfen! Wer hilft mir den jetzt hier?

"Du fährst nirgendwo hin Aaron. Du bist wieder ja stockbesoffen! Musste das jetzt wieder sein?!" Der kleine Sean kann ja richtig zornig werden. Sag ich doch! Er ist ein kleiner Giftzwerg. Langsam kann ich das Blondchen echt gut leiden.

"Ich fahre dich Aaron." Sascha nimmt ihn fest am Arm.

"Nein!"

"Zick nicht rum Aaron! Wir fahren! Bevor du wieder irgendwelche Dummheiten anstellst." Beherrscht zieht Sascha den besoffen-schwankenden Aaron mit sich.

"Aber Sean! Wie kommt er jetzt nach Hause?", lallt Aaron und fuchtelt wild in der Luft herum.

"Ich fahre ihn." Kam das eben von mir? Ja! Das war meine Stimme!

"Du?! Du rührst ihn nicht an!" Huh! Der sollte definitiv weniger trinken.

"Nur die Ruhe! Ich bespringe nur weibliche Blondinen", versuche ich ihn zu beruhigen. "Sean ist bei mir sicher."

Aarons finsterer Blick trifft mich, sagen tut er aber nichts mehr, sondern lässt sich endlich von Sascha mitschleifen.

"Du willst mich also nach Hause fahren?", fragt Sean. Seine Fröhlichkeit allerdings ist verschwunden.

"Als Dank für deine Hilfe hier."

"Danke." Es macht mich richtig unruhig, dass er auf einmal so ernst ist. Liegt das an Aaron?

"Trinken! Wir wollten doch ..."

"Ach so. Ja." Jetzt lächelt er wieder, was aber nicht bei seinen Augen ankommt.

"Ich gebe dir einen aus", versuche ich ihn abzulenken. Mit mäßigen Erfolg. Er nickt nur, lächelt schmal und schielt zum Ausgang, wo Sascha gerade mit Aaron verschwindet. Ich bezahle inzwischen die Drinks. Damit bewaffnet, suchen wir uns ein bequemes Plätzchen. Hoffentlich hält die bedrückende Stimmung nicht den Rest des Abends an. Mache ich mir gerade etwa tatsächlich Sorgen um den Kleinen? Sieht ganz danach aus.
 

~Sean~

Und wieder mache ich mir einen Kopf um Aaron. Es läuft doch jedes mal aufs Selbe hinaus. Er besäuft sich, um seine Trauer zu betäuben und zettelt Ärger an. Zum Glück ist Sascha jetzt bei ihm. Der wäscht ihm hoffentlich den Kopf. Nutzen tut das zwar wie immer nichts, aber schaden tut es ganz sicher auch nicht.

Trotzdem macht er damit Saschas und Peters Feier kaputt. Alles nur wegen Andy ... Andere Gedanken Sean!

Etwas verlegen blicke ich rüber zu Chase, der neben mir sitzt. Der scheint mich die ganze Zeit über beobachtet zu haben. "Sag mal, darf ich dich was fragen, ohne das ich dir zu nahe trete?", unterbricht er die vergangenen schweigsamen Minuten.

"Klar." Chase wird ja plötzlich richtig umgänglich und gesprächig! Das hebt doch meine Laune gleich wieder ein kleines bisschen.

"Kann es sein, dass Aaron was von dir will?"

Ich verschlucke mich fast an meinem Getränk. "Was?! Oh Gott nein!" *

"Sicher? Er sah eifersüchtig aus."

Aaron und eifersüchtig! Das ist echt zu lustig! "Aaron und mich verbindet einfach viel. Obwohl wir uns noch nicht lange kennen. Aber nur als Freunde. Mehr ist da nicht und wir beide wollen da auch nicht mehr."

"Was für ein Glück!" Verdutzt sehe ich zu Chase auf. Er empfindet es als Glück, dass bei Aaron und mir nichts läuft? Schweig still, mein dummes, kleines Herz! Hektisch versuche ich den hartnäckig auflodernden Funken zu löschen und trinke das halbe Glas mit einem Zug leer.

"Ich hatte schon die Befürchtung, dass er mir die Birne einschlagen will."

"Ach so ..." Herzstillstand. Der Funken erlischt. "Ich glaube, Aaron sucht auch gar nichts Festes. Im Gegensatz zu mir."

"Also ist Aaron auch nur auf den nächsten Fick aus, wie die Meisten hier."

"Früher war das wohl mal so. Aber jetzt nicht mehr." Wieder komme ich an den Punkt, an den ich heute nicht wollte. Die Trauer um meine verstorbene Liebe schwemmt hoch. Wäre es besser gewesen, doch mit Aaron zu fahren?

"Liebst du ihn?"

"Was?"

"Aaron. Ob du ihn liebst?" Ich verneine leise. "Du wirkst gerade so. Also ob ..."

"Aaron und ich haben den selben Mann geliebt", unterbreche ich ihn. Das habe ich noch nie einem mir fast Unbekannten erzählt. Es platzte einfach aus mir heraus. 'Toll! Und das bei so einem Traumtypen! Einem Hetero-Traumtypen.' Irgendwie hat er sogar etwas Ähnlichkeit mit Andy ...
 

~Chase~

"Wow! Und wer hat ihn bekommen?" Ich schließe meine Augen. Ich Idiot! Sofort bereue ich diese dämliche Frage! "Tut mir lei... Sean?!" Shit! Er weint.

"Sorry ... Ich ... Es ist nur ..." Ohne groß nachzudenken ziehe ich den Kleinen in meine Arme. Sanft tätschle ich ihm den Rücken und bin mehr als überrascht über die ganze Situation. Nicht nur das Sean sich in meinen Armen mehr als nur vertraut anfühlt, nein! Am meisten überrascht es mich, dass ich ihn so nahe an mich lassen kann. Bestimmt weil er keine Gefahr für meinen Hintern darstellt. Außerdem mag ich ihn. Irgendwie.

Sean beruhigt sich relativ schnell wieder, bleibt aber an meinem Oberkörper gelehnt. Und nun? Soll ich ihn von mir schieben? Das wäre etwas gemein, oder? Aber lange brauche ich nicht drüber nachzugrübeln, denn Sean setzt sich nach einem kleinen Schniefer wieder auf.

"Danke", murmelt er. "Man ist mir das peinlich."

"Muss es nicht."

"Es ist einfach nur ... Andy wollte uns beide nicht. Mich nicht, da ich für ihn nur eine schnelle Nummer war, und Aaron nicht, weil die zwei beste Freunde waren. Na ja. Dann ist was passiert und ... Andy hat sich entschieden, sich ... Er ging weg und ich vermisse ihn einfach. Genau wie Aaron."

"Ach so. Dann habt ihr beide Liebeskummer und tröstet euch einfach nur gegenseitig?" Oh nein! Kamm das gerade aus meinem Mund? Was rede ich heute nur für einen Schwachsinn?!

"Trösten ist gut!", lacht der Kleine und senkt seinen Blick. "Wir reden viel miteinander und sind mit der Zeit Freunde geworden. Aaron passt einfach auf mich auf. Und das er dich augenscheinlich nicht leiden kann, liegt wohl an deiner Ausstrahlung."

Wie soll ich denn das verstehen? Das frage ich ihn auch. "Was strahle ich denn deiner Meinung nach aus?"

"Du bist ein Weiberheld. Nicht wahr? Abstreiten bringt nichts." Das bringt nun auch mich zum lachen. Sean ist echt eine Nummer!

"Ja. Das bin ich wohl."

"Freiwillig? Oder bist du auf der Suche nach der Richtigen?"

"Irgendwie beides. Ich weiß nicht woran es liegt. Einmal gevögelt ist mir jede egal. Das war schon immer so. Auch als ich nach Jahren mit einer meiner engsten Freundinnen im Bett gelandet war. Dabei dachte ich, dass könnte wirklich klappen. Ich mochte sie." Isabelle ... Ich hatte sie wirklich gern.

"Und danach nicht mehr?"

Ich schüttle mein Haupt. "Keine Gefühle. Nichts. Wir haben uns schließlich aus den Augen verloren. Die gemeinsame Nacht stand ab da an immer zwischen uns."

"Tut mir leid", murmelt Sean.

"Muss es nicht. Es ist gut so wie es ist." Wieso höre ich mich nicht halb so überzeugt an, wie ich es gerne würde?

"Man kann eben nichts erzwingen. Auch wenn man es gerne möchte."

"Hört sich an, als weißt du wovon du redest."

"Leider ja. Ich glaube aber manchmal, dass es einfach nur an mir liegt, dass ich nichts hinbekomme. Die Sache damals hat mich ganz schön verkorkst. Genau wie Aaron." Seine Stimme ist immer leise geworden und ich hatte eben echt Mühe, ihn richtig zu verstehen.

"Verkorkst ... Ja. Das bin ich auch", gebe ich zu.

"Oh man! Wir sitzen hier wie zwei alte, verbitterte Weiter!", lacht Sean plötzlich. "Aber sei's drum! Auf uns!" Sean stößt sein Glas an meins. "Auf willige Weiber und potente Männer die uns verkorkste Kerle über Wasser halten! Prösterchen!"

"Deine Worte in allen Ehren!" Dieser kleine Blondschopf ist wirklich eine Nummer! Ich werde immer neugieriger, was der Abend noch so für mich bereit hält. Hauptsache, Sean hält mir weiterhin die ganzen schwulen Typen hier vom Hals.
 

******
 

* Aaron: Wieso reagieren alle so geschockt auf diese Frage? (Siehe Manchmal ist es einfach Schicksal)

Kapitel 2 - Wochenend und Sonnenschein

Kapitel 2 - Wochenend und Sonnenschein
 

~Chase~

"Keine Sorge Sascha. Ich habe Sean ganz brav zuhause abgesetzt. ... Dann schläft er vielleicht noch. ... Keine Ahnung. Er wird sich schon melden. ... Ja, du auch. Grüß mir Peter." Lächelnd lege ich auf. Das sich Sascha solche Gedanken um den kleinen Giftzwerg macht. Irgendwie putzig. Macht so ein Aufstand, nur weil das Blondchen nicht ans Handy geht. Ist aber auch echt kein Wunder um diese Uhrzeit. Halb acht Uhr morgens und der klingelt schon alle aus ihren Betten. Hat er nichts besseres zu tun? Aber sei's drum. Soll ich jetzt aufstehen? Jetzt, wo ich schon mal wach bin ...

Mit auffällig mehr Schwung als normal, fliege ich beinahe elegant aus meinem Bett und latsche ins Bad. Sonntags halb acht, nach einer durchzechten Nacht. Das muss man mir erstmal nachmachen! Aber so kann ich den Tag perfekt nutzen und mir für heute vielleicht ein kleines, nettes Date organisieren. Vor einigen Tagen hatte ich eine überaus erfolgreiche Begegnung in der Innenstadt. Lisa hieß die Begegnung, die mir nach einem kleinen Flirt vor der Eisdiele ihre Nummer zugesteckt hatte. Ich könnte sie heute mal anrufen und nachfragen, wie es heute so bei ihr aussieht. Vielleicht darf ich ja bei ihr kommen. Also vorbeikommen meine ich. Was ja das Andere nicht ausschließt.
 

Die blonde Lisa vor meinem geistigen Auge stelle ich mich unter die Dusche. Sie war schon ein süßes Ding gewesen. Wie sie verwegen lächelnd in der Sonne stand und ihr der Wind durch das Haar wehre. Durch das blonde, schimmernde Haar ... Unwillkürlich muss ich an Sean denken. Das irritiert mich jetzt aber. Jedoch nicht sehr. Er hat einen wirklich großen Eindruck bei mir hinterlassen. Und das, obwohl er eine so kleine Gestalt ist. Das macht er aber tausendfach mit seiner Frechheit und seiner Fröhlichkeit wett. Nachdem er sich von Aarons Auftritt erholt hatte, begann der Abend erst richtig. Wir tranken und tanzten, wobei Sean mir jeden Kerl so vehement vom Leib gehalten hatte, dass ich mir wirklich keine Sorgen um eventuelle Grabscher machen musste. Ich genoss es ganz ehrlich mit ihm zusammen zu sein. Der Kleine ist nett und hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Und je später der Abend, umso lockerer wurden wir. Um ehrlich zu sein, wir haben uns ganz schön die Lichter ausgeschossen. Am Ende musste ich uns ein Taxi rufen, denn fahrtüchtig war ich definitiv nicht mehr. Nur was mich gerade ein kleines bisschen wundert, ist: Trotz der ganzen Sauferei habe ich keinen Kater. Mir geht es richtig gut. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich gar behaupten, dass ich glücklich bin. Entspannt wie schon lange nicht mehr, lasse ich das warme Wasser über mein Gesicht laufen.

Wie dem auch sei, der Sonntag hat begonnen und ich habe nicht vor, mir weitere Gedanken um Saschas kleinen Freund zu machen. Es gibt gerade Wichtigeres für mich. Ich werde meine gute Laune heute ausnutzen und wenn ich Glück habe, und das habe ich auch meist, den Tag im Bett verbringen. Lisa! Mach dich auf was gefasst. Heute lernst du mich kennen.
 

~Sean~

Autsch! Mein Kopf brummt! Das macht auch das laute Schellen meiner Türklingel nicht besser. Welcher Depp ist das? Ich will doch nur die Augen zugedrückt lassen und irgendwie meinen Kater verjagen. Und das macht man am besten im Bett mit viel Schlaf und Flüssigkeit. Das weiß mein Besucher aber anscheinend nicht, oder es ist ihm egal. Jedenfalls klingelt er immer noch wie bescheuert, weshalb ich mich gezwungen sehe, doch aufzustehen. Danke auch, du Arsch! "Ja, ja. Ich komme doch schon", krächze ich und falle aus meinem Bett. Nur in Unterhose schlurfe ich zur Wohnungstür und spähe durch den kleinen Spion. Es ist Sascha. Schnell mache ich auf, damit endlich das Gebimmel aufhört.

"Du bist ja doch da! Ich hab schon gedacht, Chase hätte dich gar nicht nach Hause gebracht. ... Oha. Zu viel gesoffen, was?"

"Du Blitzmerker", fahre ich ihn an. "Komm schon rein." Ich lasse ihn voran gehen und tapse ihm langsam hinterher in mein kleines Wohnzimmer.

"Brauchst du eine Aspirin?"

"Nee. Schlaf hilft am besten. Wenn man ihn den auch bekommt." Der Spruch musste jetzt sein.

"Habe ich dich etwa geweckt?! Sorry, Kleiner."

"Hör auf so dreckig zu grinsen." Einen tollen Kumpel habe ich da.

"Schmoll nicht. Wer säuft, muss auch mit den Konsequenzen leben." Da werde ich hellhörig.

"Was hat er gemacht?" Sascha kann ja nur von einem reden. Aaron.

"Erst hat er noch rumgewütet, dann gejammert und zum Schluss musste ich ihn quasi in seine Wohnung schleppen, weil er wieder voll von Gewissensbissen war. Es tut ihm leid, soll ich dir sagen."

"Also wie immer", stelle ich betrübt fest.

"Lass dich davon nicht wieder runterziehen. Du weißt wie er ist. Und es ist doch schon viel besser mit ihm geworden."

"Ja. Du hast recht. Trotzdem schafft er es immer wieder, dass ich mich zum kotzen fühle." Leider.

"Jetzt sag bitte nicht, dass du jetzt auch noch mit dem Kummersaufen anfängst!"

"Quatsch! Chase und ich hatten noch ein wenig Spaß zusammen." Als ich an den vergangenen Abend denke, besänftigt das sogar meinen fauchenden Kater. Chase ...
 

"Oh nein! Sean, bitte nicht! Den Blick kenne ich!", sagt Sascha lauter als mir lieb ist.

"Was für einen Blick?"

"Den, der sagt: Ich habe mich tierisch in den Heterofreund des Freundes meines Kumpels verguckt. Sean! Du verbrennst dir nur die zarten Fingerchen an ihm."

"Das weißt du doch gar nicht!"

"Und ob ich das weiß", predigt er mir und greift meine linke Hand. "Vergiss ihn! Such dir einen netten Kerl, der auch auf Männer steht."

Ich lache sarkastisch auf, was meinem Brummschädel überhaupt nicht gefällt. "Diese netten, schwulen Kerle sind aber verdammt schwer zu finden."

"Ich weiß. Aber es gibt sie. Peter ist der Beweis." Oh ja! Reib mir dein Glück noch unter die Nase! ... Das war jetzt gemein von mir und es geht mir noch ein Stück beschissener. "Aber Chase ist ein Weiberheld. Ganz sicher nichts für dich."

"Du warst gestern nicht dabei. Er war nett, hat sich nur um mich gekümmert, jeden anderen ignoriert ..."

"Weil er kein Interesse an Schwänzen hat und weil du ihm die Aufdringlichsten dieser Art vom Hals gehalten hast. Wäre dort eine Frau gewesen, was glaubst du, hätte er gemacht?" Er hätte gesehen, dass ihn die Frau kein Stück interessiert, hätte mir seine ewige Liebe geschworen und mich dann in seine Wohnung geschleppt um mich ordentlich ... Ich bin untervögelt!

"Bist du nur deswegen hier her gekommen? Um mir den Tag zu versauen?" Ich hätte mir Ohropax in die Gehörgänge schieben sollen, anstatt Sascha die Türe zu öffnen. Ich will weder in diese viel zu schöne unreale Traumwelt verfallen (die Realität holt einen dort meistens sehr schmerzhaft heraus), noch mich von Sascha anrüffeln lassen.

"Nicht nur deshalb. Hast du nächstes Wochenende schon was vor?"

"Nein."

Sascha grinst bis über beide Ohren. "Gut! Das passt doch wie die Faust aufs Auge." Was hat der Spinner jetzt schon wieder vor?
 

~Chase~

"Du veräppelst mich!"

/Nein. Tue ich nicht. ... Also, was sagst du? Kommst du mit?/

"Mensch Peter! Das meinst du nicht ernsthaft. In einen Vergnügungspark?" Hat der sie noch alle?!

/Ja. Toni hatte die Karten für sich und seine Familie besorgt, kann jetzt aber doch nicht hin. Er hat mich gefragt, und ich habe dankend angenommen. Wir waren schon ewig nicht mehr in so einem Park! Bitte Chase! Es ist schon alles bezahlt. Das wird sicher lustig./

"Lustig?", frage ich und schaue auf meine Uhr. Lisa kommt sicher gleich. "Wollt ihr mich da sicher dabeihaben? Du und Sascha seid doch bestimmt viel lieber alleine. Da bin ich doch nur das dritte Rad am Wagen."

/Bist du nicht. Sean hat auch schon zugesagt. Womit wir vier Räder wären./ Sean kommt auch mit. Meine Mundwinkel zucken nach oben, als ich an den blonden Giftzwerg denke. Der schreit bestimmt wie am Spieß, wenn er in einem der Fahrgeschäfte durch die Gegend geschleudert wird. Dennoch. Ein Wochenende mit denen drei? Da passe ich so gut rein wie ein Schnitzel in einem Veganertreffen.

"Dann lade doch lieber Aaron ein. Der passt viel besser in euer Quartett."

/Erzähl nicht so einen Schwachsinn! Oder bist du etwa eifersüchtig?/ Peter lacht leise.

Ich weiß zwar nicht, auf was oder wen ich eifersüchtig sein soll, aber egal. "Ich bin nicht eifersüchtig. Nur ..."

/Du bist mein bester Freund und ich will dich mitnehmen. Basta! Überlege es dir und sag mir schnell Bescheid./

"Gut. Ich denke drüber nach", gebe ich mich geschlagen. Keinen Moment zu früh. Lisa betritt das Restaurant. "Du, ich muss auflegen. Mein Daten kommt."

/Date? An einem Sonntag? Ach Chase!" Peter pustet in den Hörer. "... Na gut. Bis später dann. Und nutze die Kleine nicht zu sehr aus. Du Herzensbrecher./

"Ha ha. Tschau." Ich lege auf und begrüße mein süßes Date, welches gerade strahlend wie die Sonne auf meinen Tisch zusteuert.

"Hi! Schön das du mich angerufen hast." Sie lächelt mich noch ein Stückchen breiter an und ich rücke ihren Stuhl zurecht, damit sie sich setzten kann. Ganz Gentlemanlike eben.

"War doch klar! Seit ich dich in der Eisdiele gesehen habe, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf", plappere ich meinen Standartspruch herunter. Eigentlich habe ich nur Standartsprüche. Ich weiß, was Frauen hören wollen.

"Du mir auch nicht." Sie errötet leicht. Ich hab sie so gut wie im Sack!
 

Wir bestellen uns was zu Essen, reden, wobei ich ihr kaum zuhöre. Heute bin ich extrem abgelenkt. So ganz genau weiß ich nicht woher das plötzlich kommt, aber ich muss ihr auch gar nicht richtig zuhören, um zu wissen, was sie mir so alles zu erzählen hat. Es ist meinst immer das Selbe. Über ihre Arbeit, ihre Hobbys, ihr Lieblingsessen, meist haben sie ein niedliches Haustier, von dem sie schwärmen oder sie heulen mich voll, dass sie einfach noch nicht den Richtigen Mann gefunden haben, und schauen mich dabei so hoffnungsvoll an, dass sie mir schon fast leidtun. So auch Lisa.

"Wir waren erst drei Monate zusammen, aber trotzdem tat es weh. Und bei dir? Bist du schon lange Single?"

"Ja. Die Richtige war noch nicht dabei."

"Das kenne ich. Es ist aber auch schwer."

"Was meinst du?" Eigentlich interessiert es mich nicht.

Lisa atmet tief ein und lächelt nervös. "Da war mal so ein Kerl ... Ich dachte wirklich, dass er was für mich empfindet, doch ... Er wollte mich nur fürs Bett und mit mir angeben. Sowas tut weh und ich ärgere mich noch immer, dass ich so blind war, und nichts davon mitbekommen habe. Erst als es zu spät war. Aber wie heißt es so schön? Hinterher ist man immer schlauer."

"Du hast ihn geliebt?" Ich bin selbst überrascht von mir. Unterhalte ich mich gerade wirklich mit einer Frau und interessiere mich für das, was sie sagt?

"Ja. Habe ich." Ich sehe Sean auf einmal vor mir. Hatte er nicht das Gleiche erlebt? Einen Kerl geliebt, der ihn nur fürs Bett wollte? Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Werde ich auf meine alten Tage etwa sentimental? Oder liegt es an dem, was Sean mir gestern erzählt hatte? Seinen Gesichtsausdruck dabei und das komische Gefühl, ihn deswegen trösten zu müssen?

Ich versuche mir einzureden, dass es bei Sean etwas ganz anderes war. Das es den Frauen nicht so ergeht wie ihm. Doch gleichzeitig weiß ich, dass ich mir das nur einrede. Ich verletze mit meinem Verhalten die Frauen, mit denen ich schlafe. Genauso wie Sean sich immer noch von diesem Andy verletzt fühlt. Ich tue ihnen weh und vielleicht gibt es da draußen einige von meinen Verflossenen, die mir immer noch nachtrauern, die an mich denken und mir nach heulen, während sie mir gleichzeitig die Pest an den Hals wünschen. Ich aber, ich würde mich sicher noch nicht mal mehr an sie erinnern, wenn sie direkt vor mir stehen würden, oder erst, wenn sie mir eine Ohrfeige vor lauter Zorn verpassen. Peter hat recht. Ich nutze die Frauen nur aus und habe es schon wieder mit der Nächsten vor. "Ich kann das nicht ..."
 

"Was?" Ich schaue Lisa an. Sie lächelt immer noch. So vertrauensvoll.

"Ich kann dir das nicht auch noch antun. Nicht dir."

Sie runzelt die Stirn. "Was meinst du ...?"

"Hier." Ich lege ihr siebzig Euro neben den Teller. "Das ist für das Essen. Lass es dir schmecken. Ich muss gehen."

"Chase? Moment mal!"

"Glaub mir. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Bevor ich dich auch nur ausnutze."

Sie ruft mir noch etwas nach, doch ich überhöre es. Ich will nur noch hier weg. Bevor ich es mir anders überlege und sie doch nur verarsche. Wie all die Frauen vor ihr. Es wird vielleicht doch mal an der Zeit, dass ich was in meinem Leben verändere. Jedenfalls möchte ich nicht mehr so weiter machen. Ich will nicht schuld daran sein, dass es den Frauen so mies geht wie Sean. Ich will nicht, dass sie mit dem selben verletzten Blick in den Augen durch die Welt rennen und jedem anderen Mann wegen mir misstrauen.

Ich sollte mir an Peter ein Beispiel nehmen und wirklich versuchen sesshaft zu werden. Oder zumindest mit Frauen ausgehen, die von vornherein wissen, dass unsere Bekanntschaft nur für eine Nacht anhalten wird. Und davon gibt es glücklicherweise auch einige auf dieser Welt.
 

Mein Weg führt mich nicht nach Hause, sondern direkt zu Peter. Ich werde seinem Wunsch zustimmen und mit in diesen Freizeitpark fahren. Wir hatten dort früher wirklich eine gute Zeit und viel Spaß zusammen. Auf jeden Fall bekomme ich so mal ein klein wenig Abwechslung und es ist ein kleiner Anfang, mein Leben in neue Bahnen zu lenken.

Ich klingle bei ihm und warte, bis mir geöffnet wird. Es dauert auch nicht lange und ein verblüffter Peter steht vor mir. "Hey! Hast du nicht gerade ein Date?"

"Sie war mir zu ... tugendhaft", sage ich und lache verschmitzt. "Das wäre viel zu viel Arbeit geworden, sie in mein Bett zu locken. Sie war die Mühe nicht wert."

"Och, du Armer. Komm rein." Peter wirft mir einen das-hast-du-verdient-Blick zu, den ich lässig weggrinse. Soll er eben denken was er will. Ich werde einen Teufel tun, und ihm die Wahrheit sagen.
 

"Tagchen Sascha."

"Chase? Hast du nicht ein Date?" Peter ist schlimmer als jede Klatschzeitschrift.

"War ein Reinfall", erkläre ich ihm schlicht und setze mich neben Peter. Ich mache gleich Nägel mit Köpfen und sage, weshalb ich hier bin. "Wenn dein Angebot noch gilt, dann komme ich am Wochenende gerne mit."

"Du hast ihn gefragt?!" Sascha schaut zu Peter, an den die Frage gerichtet ist.

"Ja. Was dagegen?"

"Küche", sagt Sascha nur, steht auf und stampft voran.

"Habe ich was falsch gemacht?" Total überrumpelt mit den unvorhergesehenen Gefühlsausbruch, bleibe ich sitzen, während Peter schon hinter Sascha herhechtet.

"Nein", ruft er mir zu. "Warte kurz." Habe ich gerade einen Streit ausgelöst? Und wenn ja: Womit genau? Verdammt noch mal! Bin ich heute in einem falschen Film gelandet?! Irgendwie läuft heute alles komplett verkehrt herum.

Ich lausche angestrengt und versuche von dem Gespräch der beiden was aufzuschnappen. Aber ich kann nur verstehen, wie sie versuchen leise miteinander zu Streiten. Augenscheinlich um den geplanten Wochenendausflug und um meine Wenigkeit. Was hat das nur zu bedeuten? Kann es sein, dass Sascha eifersüchtig ist? Kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Sascha kam mir bis jetzt immer ganz vernünftig vor. Dann muss es um den Ausflug an sich gehen. Sascha wollte ihn vielleicht nur mit Peter antreten. Doch hatte Sean nicht schon zuvor zugesagt? Ich verstehe hier nur noch Bahnhof.

Ich atme tief ein und stehe auf. Wenn sie schon über mich streiten, muss ich auch wenigstens wissen, wieso gerade ich sie dazu bringe, sich in der Küche im Flüsterton anzubrüllen.
 

Vorsichtig klopfe ich an die geschlossene Küchentür. "Peter? Sascha? Kann ich reinkommen?" Ich warte erst gar nicht darauf, dass ich eine Antwort bekomme und trete einfach ein. "Streitet ihr wegen mir?"

Die zwei stehen sich recht angriffslustig gegenüber und schauen mich wie verschreckte Eichhörnchen an. Peter findet als erster seine Stimme wieder. "Nein ... Ja. Nicht direkt." Was denn nun?

"Hört mal. Ich muss nicht mitfahren. Wieso fahrt ihr da nicht alleine hin und verhökert die anderen Karten nicht einfach im Internet? Macht euch einen schönen Tag. Ganz ohne nervige Freunde, die euch vom rumknutschen in der Achterbahn abhalten."

"Darum geht es doch gar nicht! Es geht um Sean", poltert Sascha los.

"Sascha!" Peter läuft zornesrot an.

"Um Sean?" Ich überlege einen Moment. Weshalb geht es um ... "Ach so! Darum braucht ihr euch keine Gedanken zu machen. Ich fühle mich nicht unangenehm in seiner Nähe. Er ist nett. Ich verstehe mich ganz gut mit ihm."

"Echt? Schön!" Peter redet mit einer ungewöhnlich hohen Stimme. Bei mir läuten alle Alarmglocken. Hier ist was faul!

"Sag schon. Was ist los?", frage ich ihn daher.

Sascha und Peter fechten ein stummes Duell aus. Keine Ahnung, was das jetzt schon wieder soll. "Weil ... Also ... Wir haben dort angerufen und nach drei Zimmern gefragt, aber sie hatten nur noch zwei Doppelzimmer. Das heißt demnach ..."

"Das ich mit Sean in einem Zimmer schlafen muss", beende ich Peters Satz.

"Ja." Wieder tauschen die Beiden vielsagende Blicke aus, die aber nur sie zu verstehen scheinen.

"Es gibt Schlimmeres", sage ich achselzuckend und meine es ausnahmsweise auch so. Bei Sean muss ich keine Angst haben, dass er mir plötzlich an die Wäsche will. Da bin ich mir ziemlich sicher. Und falls er doch etwas in der Richtung versucht, schaffe es schon den schmächtigen Kerl in die Schranken zu weisen.

"Schön! Dann ist doch alles geklärt." Peter scheint noch immer nervös zu sein und auch Sascha sieht noch leicht angepisst aus. Aber was stört es mich? Wenn so etwas ihre Beziehung nicht verträgt, dann wird das mit Sicherheit keine besonders langanhaltende. Was auch immer noch unausgesprochen hier in der Küche rumschwebt, sie wollen es mir ganz offensichtlich nicht sagen. Auch gut. Selbst schuld, wenn sie ihren Mund nicht aufbekommen.

"Sagt mir Bescheid, wann und wo es losgeht. Ich werde da sein. Es sei denn, ihr wollt euch doch alleine unsittlich im Kettenkarussell verhalten."

"Das machen wir auch wenn du dabei bist. Nur keine Sorge", schießt Sascha mit entgegen und grinst süffisant.

"Wunderbar! Und ich dachte schon, ihr setzt deswegen eure Beziehung in den Sand."

"Quatsch! Sag doch das nicht!" Besitzergreifend umarmt Peter seinen Sascha. So gefällt mir das schon viel besser! Das ist mein Zeichen, nun von hier zu verschwinden und ihnen etwas Zweisamkeit zum 'aussprechen' zu geben.
 

***
 

~Sean~

Hektisch verteile ich den gesamten Inhalt meines Kleiderschranks auf meinem Bett, durchwühle alles und weiß beim besten Willen nicht, was ich alles mitnehmen soll. Trotz Saschas Rumgezeters, ich soll mir nicht zu viel Hoffnung machen was Chase betrifft, möchte ich es doch wenigstens meine Fühler weiter in seine Richtung ausstrecken, habe ich insgeheim beschlossen. Und dabei muss ich natürlich so gut wie möglich aussehen. Schließlich isst das Auge mit, nicht wahr?

Ich schaue auf meinen Wecker. In einer halben Stunde werde ich schon abgeholt! Ich bekomme gleich eine Krise! Was soll ich nur einpacken?! Und wieso habe ich mit dem Packen bis kurz vor der Abfahrt gewartet? Ich hatte eine ganze Woche dafür Zeit! Ach, was soll's? Es ist zu spät, um sich darüber noch aufzuregen. Auf jeden Fall brauche ich Unterwäsche, meine engsten Jeans, T-Shirts ... Am besten, ich packe so viel wie möglich ein! Ich brauch einen größeren Koffer!
 

Schlussendlich bekam ich alles in meiner kleinen Reisetasche unter, auch wenn sie ganz schön spannt und ich nur mit viel Kraft den Reißverschluss zubekommen habe. Nur stehe ich nun vor dem Problem, was ich denn jetzt auf der Fahrt anziehe. Chase wird genau neben mir sitzen. Drei Stunden lang! "Oh man!" Ich muss mich beruhigen! Wie soll ich da die Nacht mit ihm überstehen?!

Tief einatmen, Sean! Ganz ruhig. Es bringt nichts, sich hier so einen Kopf zu machen. Chase ist eine Hete! Das bete ich einige Male runter und schnappe mir dann irgendwas, das ich schnell anziehe und dann meine Reisetasche in den Flur schiebe. Ich bin bereit. Das Wochenende mit Chase kann kommen!
 

~Chase~

Halb fünf Uhr morgens! Und das an einem Samstag! Ich muss echt eine Meise haben. Wenigstens kann ich während der Fahrt noch ein bisschen schlafen und teste das auch gleich mal aus. Bequem ist anders, aber ich schlafe tatsächlich kurz ein, werde dann doch wieder wach, als wir vor Seans Wohnung halten. "Ich hole ihn schnell", brummelt Sascha und steigt aus. Der scheint auch noch müde zu sein. Ich kann es ihm nachfühlen. Hoffentlich pennt er beim Autofahren nicht ein.

Mit müden, kleinen Augen schiele ich vor zu Peter, der recht wortlos auf dem Beifahrersitz hockt. "Und? Habt ihr euch wieder vertragen?", frage ich ihn und rücke mich auf dem Rückbank zurecht. Hab gar nicht gemerkt, dass ich so tief runtergerutscht war.

"Ja. Es ist wieder alles okay."

"Da bin ich aber froh." Peter lächelt mich ein klein bisschen zu gezwungen an, wie ich finde. "Sag schon was los ist."

"Weiß nicht was du meinst."

"Ach komm schon! Bei eurem Streit ging es doch nicht nur darum, dass ich mit Sean in einem Zimmer schlafen muss."

"Stimmt. Aber wenn ich es dir sage, ist Sascha wieder sauer auf mich und Sean reißt mir den Kopf ab."

"Also geht es um Sean. Nicht um mich", zähle ich eins und eins zusammen.

"Auch. Aber ich bin ruhig. Aus mir bekommst du keinen weiteren Ton diesbezüglich heraus." Sturkopf!

"Furzt er im Schlaf?", frage ich aus Spaß nach, doch Peter sagt nichts, kann sich aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen. "Von mir aus schweige eben. Ich bekomme es schon noch raus." Dessen mehr als sicher sehe ich gerade Sascha mit dem kleinen Giftzwerg im Schlepptau aus der Haustür treten.

Während Sascha die große Tasche im Kofferraum verstaut, setzt sich Sean neben mich. "Morgen ihr beiden." Da ist aber einer gut gelaunt. "Möchtet ihr Brote? Ich habe schnell ein paar gemacht." Schon kramst er in dem kleinen Stoffbeutel herum, den er eben noch zwischen mir und ihm auf den Sitz geworfen hatte.

"Um die Uhrzeit?", frage ich und gähne provokativ. "Kaffee wäre mir lieber."

"Habe ich auch dabei", lächelt er und zaubert eine Thermoskanne hervor. Dazu vier Plastiktassen.

"Wow. Ich bin beeindruckt." Ich nehme mir einen der Becher und lasse ihn mir von Sean mit dampfend heißen Kaffee füllen. Danach schenkt er sich selbst auch einen Schluck ein und stößt mir mir an. "Auf ein schönes Wochenende", proste ich ihm zu. "Auf eine wundervolle Nacht. ... Also ... Nachts dann." Eine wundervolle Nacht?

Ich werde das dumpfe Gefühl nicht los, dass hier etwas gewaltig nicht stimmt. Was ist nur los mit den Dreien? Muss ich jetzt doch Angst haben?
 

~Sean~

Ich könnte mich umbringen! Warum sage ich so einen Scheiß? Chase guckt aus der Wäsche, als wolle er sich am liebsten aus dem Auto werfen. "War nur so ein dummer Spruch", brabble ich in meinen Kaffee und blicke entschuldigend zu ihm auf.

"Doch noch nicht so wach, wie?" Chase lacht bloß und trinkt weiter seinen Kaffee.

"Ja ... Kann sein." Wie peinlich! Zum Glück nimmt er mich offensichtlich nicht für voll. Da bin ich nochmal davon gekommen. Ich muss mich wirklich zusammenreißen. Ein falsches Wort, oder eine falsche Berührung, und ich kann die neuentstandene Freundschaft zu Chase vergessen.

Freundschaft ... Dabei will ich doch viel mehr! Der Abend war so schön gewesen und entschädigte sogar den schlimmen Kater am Sonntag. Chase war im Club so nett zu mir, hat sich mit mir unterhalten, ganz ohne Hintergedanken. Ja, ja. Ich weiß. Sean spult wieder die gleiche Leier ab und verrennt sich in eine unerfüllbare Fantasie. Ich kann aber nicht anders! Ich mag diesen Riesenkerl einfach! Ich kann nichts dagegen machen. Er ist das Licht und ich die dumme Motte. Wenn ich nicht aufpasse, verbrennt mich das Licht noch. Dann wäre ich aber selbst schuld. Normalerweise müsste ich es ja besser wissen. Aber was ist schon normal?
 

***
 

~Sean~

"Aufwachen ihr Faulpelze! Wir sind gleich da!" Aufgeregt drücke ich mir die Nase an der Fensterscheibe platt. Schon von der Autobahnabfahrt kann ich die vielen Achterbahnen sehen und das große Willkommensschild des Parks.

"Wie riesig", staune ich.

"Warst du noch nie in einem Freizeitpark?" Amüsiert dreht sich Chase zu mir.

"Nein."

"Dann ist das ja dein erstes Mal", witzelt Peter.

"Ha ha." Ich verpasse ihm einen leichten Schlag auf die Schulter.

"Fährst du auch alles?", fragt mich Chase und ich lehne mich wieder in den Sitz zurück, um besser mit ihm reden zu können.

"Mal sehen. Keine Ahnung. Das sehe ich dann, wenn ich davor stehe."

"Du musst. Alleine fahr ich nämlich nicht."

"Angst?"

"Nö. Aber alleine macht das keinen Spaß."

"Du hast ja noch uns", flötet Peter.

"Meinst du, ich latsche euch Turteltäubchen das ganze Wochenende über hinterher? Da verziehe ich mich lieber mit Sean in irgendein Fahrgeschäft." Mir wird heiß. Dann werden Chase und ich nicht nur im Zimmer allein sein? Oh Gott! Ich bekomme Hitzewallungen und taube Finger. Das ist gar nicht gut!

Unsre Fahrt endet abrupt, denn wir sind nicht die Einzigen, die sich hier her verirrt haben. "Was für eine Schlange!" So viele Autos auf einem Haufen habe ich selten gesehen.

"Das ist noch gar nichts. Warte bis wir drinnen sind und vor einer Achterbahn anstehen."

"Echt?" Chase nickt. "Ich mag keine Menschenmassen."

"Da musst du jetzt durch", kichert Chase und kramt sich ein weiteres meiner Brote aus der Tasche. Die scheinen ihm echt zu schmecken, was mich besonders freut. 'Liebe geht durch den Magen!', schallt es durch meinen Kopf. 'Klappe da oben!' An sowas mag ich gerade gar nicht denken.

"Klingt ja fast so, als müsste diesmal Chase Sean beschützen." Peter lacht und Sascha brummt angepisst. Ich kann mir schon denken, weshalb er die ganze Zeit den Miesepeter mimt. Es passt ihm nicht, dass Chase mitfährt und wir beide somit zwei Tage lang beieinanderhocken werden. Sein Pech. Von ihm lasse ich mir das gemeinsame Wochenende nicht vermiesen.
 

Wir reihen uns in eine zweireihige Schlange von Autos ein und tuckern Stück für Stück dem riesigen Parkplatz des Parks entgegen. Überall rennen Leute in orangenen Westen rum, die den Verkehr regeln. Was für ein Aufwand! Ich blinzle erneut rüber zu Chase, der gerade gelangweilt in das Auto neben uns schaut. Dort sitzt eine merklich genervte Familie. Vater und Mutter vorn, die zwei Kinder quengeln hinten auf ihren Kindersitzen herum. Mit ihnen will ich auf keinen Fall tauschen müssen. Chase scheint genauso zu denken. "Die armen Schweine", meint er.

"Dachte ich auch gerade. Sieht echt fies aus, so eingepfercht mit zwei Kindern und einer grantigen Frau zu sein."

"Jau! ... Würde mich mal interessieren, was die anderen von uns denken, wenn sie in unser Auto schauen."

"Ich nicht", mischt sich Sascha ein. "Beistimmt nix Gutes."

"Mein alter Pessimist." Peter tätschelt das Knie meines Kumpels. Wehmut macht sich in mir breit. Ich möchte auch geliebt werden!

Chase kichert leise und zieht so meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. "So ein kleiner Scheißer", lacht er und scheidet für den Jungen gegenüber im Auto Grimassen. Dieser macht große Augen und grinst dann breit.

Fasziniert schaue ich dem Treiben zu, grinse mittlerweile selbst vergnügt, da Chase mit vollem Körpereinsatz den Kleinen gegenüber zum lachen bringt. Der freut sich echt wie Bolle und auch seine kleinere Schwester drängelt sich nun ans Fenster und will wissen, was ihren Bruder so zum lachen bringt.

Kurzentschlossen mache ich mit und schnalle mich ab, um ganz nah an Chase heran zu rutschen. Jetzt fangen beide an sich totzulachen, was die Eltern allerdings weniger zu freuen scheint. Sie sehen noch genervter aus, als vorhin. "Das gibt's nicht! Peter? Das nächste Mal lassen wir die Kinder bei deinen Eltern." Sascha greift sich an den Kopf.

"Och nee! Wir wollen nicht zu Oma und Opa! Bitte Papa!", rufe ich und kugle mich dabei fast vor lachen.

"Hört lieber mal auf da hinten. Die Eltern der Zwei gucken schon ganz böse zu uns rüber." Peter hat recht. Wenn Blicke töten könnten ...

"Die sollen sich nicht so anstellen. Dann hätten sie keine Kinder in die Welt setzen sollen", meint Chase und streckt den Kleinen hin und wieder die Zunge raus. Was sie jedes mal dazu bringt, vergnügt zu jubeln. Das Geschrei kann man sogar in unserem Auto hören. Das bringt den Vater nun vollends zum explodieren. Er dreht sich zu seinen Sprösslingen um, poltert sauer los und gleich darauf sind die zwei Zwerge still und brav. "Tolle Eltern." Chase schüttelt seinen Kopf.

"Hm. Wer weiß, wie lange die schon unterwegs sind und ihre quengelnden Kinder schon rumzetern."

"Das ist trotzdem keine Entschuldigung!", empört sich mein Sitznachbar, woraufhin ich wieder auf meinen Sitz zurückrutsche.

"Soll es ja auch gar nicht sein! Ich meine ja nur." Habe ich ihn jetzt etwa sauer gemacht?
 

~Chase~

Sean sitzt da, wie ein verängstigtes Kaninchen. "Sorry", nuschle ich. "Ich wollte dich nicht so anfahren."

"Schon okay. Hast ja recht." Der kleine Giftzwerg nun ganz kleinlaut, lächelt mich nervös an und schaut dann nach vorn. Ich würde noch gern was sagen, tue es aber nicht, da ich schlicht und einfach nicht weiß was ich sagen soll. Weshalb habe ich ihn überhaupt so angeraunzt? Es kann mir doch egal sein, ob die Kleinen da von ihrem Vater zurechtgewiesen werden. Solange er sie nicht vor meinen Augen verprügelt, jedenfalls. Da wäre ich schneller da drüben, als der Alte seine Hand heben könnte.

Endlich geht es in der Schlange weiter und wir kommen sogar ein gutes Stück voran, bevor wir wieder warten müssen. Diesmal ist ein anderes Auto neben uns, dem ich aber keine Aufmerksamkeit schenke. Sicher hockt da wieder irgendeine eingepferchte Familie drinnen und zickt sich an. Das bringt mich zum grinsen. Wir könnten wirklich selbst so eine Familie abgeben. Nur das wir uns nicht die Köpfe einschlagen. Obwohl ... So schlecht gelaunt, wie Sascha schon den ganzen Morgen über ist, wundert es mich, dass wir es noch nicht getan haben. Die ganze Fahrt über hatte ich das Gefühl, dass er mich im Blick hatte. Es war schon recht merkwürdig. Doch wie gesagt, wenn keiner der Beiden mal die Klappe aufbekommt, und mir sagt was Sache ist, dann ist es ihr Problem. Nicht meins. Wenigstens Sean scheint sich zu freuen. Der hampelt schon wieder auf seinen vier Buchstaben rum, rutscht nach links und nach rechts, beugt sich vor und schielt aufgeregt in Richtung Park. Der kann es wohl kaum abwarten. "Wie lange stehen wir hier noch?" Was habe ich gesagt?

"Keine Ahnung Sean." Sascha seufzt.

"Wollen wir dann erstmal was zu Futtern besorgen? Oder müssen wir erst in dem Hotel einchecken?", frage ich, um uns das Warten zu erleichtern.

"Erst einchecken", brummt der gute Sascha.

"Okay." Wenn er weiter so ein miesgelaunter Arsch ist, werde ich ihn mir nachher nochmal schnappen müssen. Der versaut uns, und vor allem Peter noch das ganze Wochenende.
 

Während die Uhr weiter voranschreitet, klopft jemand an unser Fenster und schiebt uns einen Stapel Prospekte zu. "Was ist das?" Sean ist Feuer und Flamme, grapscht sich einen der Prospekte.

"Sicher ein Plan vom Park und Beschreibungen der einzelnen Highlights", erkläre ich ihm. "Ist immer das Selbe."

Sean klappt den Prospekt auf und ich hatte Recht. "Riesig!" Seine Augen funkeln ja richtig. Jetzt erst fällt mir auf, wie blau sie sind. "Das dauert doch ewig, bis wir da überall mal waren."

"Wir haben ja auch zwei Tage dafür Zeit."

"Das wird toll!" Der blonde Giftzwerg grinst mich an und für einen winzigen Moment halte ich die Luft an. So blau ...

"Ja. Toll." Ich zwinge mich wie der aus dem Fenster zu schauen und schüttle innerlich den Kopf. Was war denn das eben bitteschön?!

"Na endlich!" Sascha gibt mit einem Mal Gas und rast an einer Reihe parkender Autos vorbei. "Gleich haben wir es geschafft!", verkündet er und bremst scharf, um noch schnell in eine freie Parklücke zu donnern.

"Punktlandung, würde ich mal sagen." Ehre, dem Ehre gebührt. Und er hat dabei noch nicht mal eins der Kinder umgefahren, die hier überall rumhüpfen.

"Alle Mann aussteigen! Wir haben es geschafft!" Peter hebt seine Arme und klatsch zwei mal. Dann kann es ja losgehen.
 

******
 

Leute, ich bin neidisch! Ich will auch mit den vier Chaoten in den Freizeitpark!!!! *schrei*

Kapitel 3 - Nervige Plüschviecher

Sorry Leute, dass ich jetzt erst das nächste Kapitel hochlade, aber ich hatte so viel auf der Arbeit zu tun. *schnauf*

Deswegen rede ich jetzt nicht lange rum, und wünsche euch viel Spaß mit meinen 4 Chaoten vom Dienst! ^^

Und Danke für die lieben Kommis! ♥ ♥ ♥
 


 

Kapitel 3 - Nervige Plüschviecher
 

~Sean~

"Was soll denn das sein?!" Mit zusammengekniffenen Augenbrauen zeige ich verstohlen auf ein dickes, plüschiges Etwas.

"Das ist das Maskottchen des Parks", klärt mich Peter auf.

"Und was soll das sein? Eine Ratte?"

"Schwachsinn! Das ist ein Bär."

"Das ist doch kein Bär Sascha. Ein Hund soll das sein. Bist du blind?"

Jetzt bin ich es, der Chase dumm anblöckt. "Ein Hund? Seit wann hat ein Hund einen so langen Schwanz?"

Sascha fängt tatsächlich an zu kichern. "Ich kenne da einen, der gerne mal auf Hund macht und einen langen ..."

"Ach bitte!" Chase verzieht sein Gesicht. "Ein Wort mehr, und ich löse die Verlobung zwischen dir und Peter."

"Verlobung?!" Peter verschluckt sich fast an dem Softeis, das wir uns eben gekauft haben. "Wir sind doch gar nicht verlobt! Und auch wenn wir es wären, könntest du dagegen nichts machen."

"Denkst auch nur du!"

"Ach ja?!"

"Ja!" Giftig schielen sich Peter und Chase an.

Bevor sich die zwei noch anfangen zu duellieren, schnappe ich mir Chases Hand. "Fragen wir das Plüschvieh doch einfach." Und schon schleife ich ihn hinter mir her, ohne auf sein Gezeter zu achten.

"Vergiss es! Die reden nicht", sagt er hektisch und stolpert fast, da so ein Gör unkontrolliert durch die Menge flitzt.

"Ach nein?"

"Nein. Das dürfen die gar nicht."

"Das wollen wir ja mal sehen!" Zielsicher erfasse ich das dicke Plüschdingens und bleibe direkt vor ihm stehen. Dabei rennt mich Chase fast über den Haufen, drängelt seinen sexy Körper an meinen Rücken und ich vergesse doch glatt für einen Moment, was ich von der Möchtegernratte wollte. Ich besinne mich aber recht schnell wieder und starre in die riesigen, unechten Augen vor mir. "Hey! Was willst'n du darstellen?" Das Vieh legt den Kopf schief und klatscht die Plüschpfoten auf seine Wange. "Du sprichst echt nicht, was?" Ein hektisches Nicken. "Ich will aber wissen was du für ein Tierchen bist." Übertriebenes Schulterzucken. "Flüstere es mir doch." Ich tippe auf mein Ohr und stelle mich auf die Zehnspitzen, während ich es ihm zudrehe. "Ganz leise", flüstere ich. Doch das Plüschvieh will nicht. Chase hinter mir kichert unter vorgehaltener Hand, was mich wieder zu sehr aus dem Konzept bringt und dem Plüschvieh die Chance gibt, sich davon zu stehlen. Klasse!
 

"Danke Chase!"

"Was denn?" Er fängt an lauter zu lachen und greift diesmal nach meiner Hand. "Gehen wir lieber zu den anderen. Ich hab hunger."

"Ja ... Ich auch." Doch nicht auf Essen. Das, auf was ich hunger habe, läuft gerade neben mir her und kichert immer noch hin und wieder.

Ich kann es nicht fassen! Chase und ich laufen händchenhaltend durch einen Freizeitpark! Einen mehr als übervollen Freizeitpark! Weiß er denn überhaupt, was er mir damit antut? Bestimmt nicht. Denn wenn er um die Gefühle wüsste, die ich mit mir rumschleppe, dann würde er das ganz sicher nicht tun. Ich versuche diesen Umstand zu ignorieren, versuche auch das Händchenhalten als einfache Geste der Freundschaft abzutun, kann ich aber nicht. Seine Hand liegt so schwer in meiner, bringt mich damit echt ins schwitzen und treibt meinen Blutdruck in die Höhe. Mein ganzes Vermögen zu Fühlen scheint sich nur auf meine Hand zu beschränken, denn all meine anderen Körperteile fühlen sich auf einen Schlag total Taub und leblos an. Das war doch vorhin noch nicht so! Weshalb dann jetzt! Weil er es war, der nach meiner Hand gegriffen hat! Ganz klarer Fall.

Scheiße! Wäre er kein Hetero, könnte alles so schön sein! Warum sucht sich mein dummes Herz immer die Falschen aus?! Ich muss unbedingt etwas dagegen unternehmen. Bevor es wirklich zu spät für einen Rückzug ist.
 

~Chase~

Was für Menschenmassen! Wie soll ich da nur Peter und Sascha wiederfinden? Ich bin ja bekanntlich nicht der Kleinste, nicht so wie Sean, den ich vorsorglich an die Hand genommen habe, wie ein kleines Kind, damit es nicht verloren geht, aber dennoch muss ich mich strecken, um die beiden ausfindig machen zu können. "Da!" Ich winke ihnen zu, damit sie auch ja dort stehen bleiben wo sie gerade sind.

"Und? Habt ihr das Rätsel lösen können?"

"Nein", antworte ich. "Der Bärenhund hat uns nichts verraten. Wie ich es vorhergesagt habe." Triumphierend hebe ich mein Kinn an und schaue zu Sean hinab. Der hat meinen Kommentar leider nicht mitbekommen. Er lässt den Kopf hängen und inspiziert den Asphalt. "So schlimm, dass wir nichts herausgefunden haben? ... Sean?"

"Wie?" Er hebt den Kopf und sieht irgendwie ertappt aus.

"Dieses Ratten-Bären-Vieh. Du bläst doch etwa kein Trübsal deswegen?"

"Nein. Ich war nur in Gedanken."

"Ah so." Sehr komisch. Eben war er noch ganz der alte, großmäulige Giftzwerg und auf einmal scheint er eher das genaue Gegenteil davon zu sein.

"Darf ich mal was fragen?" Sascha mustert uns. "Wieso haltet ihr Händchen?" Tun wir das? Da war was, wie ich mich nun entsinne ...

"Sonst geht der Kleine mir doch verloren, bei all den Leuten hier", erkläre ich und lasse ihn wieder los. Saschas rechte Augenbraue wandert nach oben, doch er verkneift sich jeden Kommentar. Dafür flutscht mir was über die Lippen, dass jetzt unbedingt raus muss. "Eifersüchtig? Oder hast du was dagegen, wenn zwei Männer Händchen halten?"

"Jetzt hört aber mal auf!" Peter klatscht in die Hände. "Ihr zickt ja schlimmer rum, als meine beiden Schwestern." Das ist unmöglich! Keiner zickt so schlimm, wie die beiden!

"Ich zicke nicht. Dein Lover hat doch schon die ganze Zeit eine Laune zum reintreten!" Das musste jetzt auch noch raus. Wenn Zoff, dann muss auch alles auf den Tisch. "Ich hatte euch angeboten zuhause zu bleiben. Aber ihr wolltet ja nicht."

Peter seufzt und zeigt auf eins der überfüllten Restaurants hier. "Gehen wir essen." Super! Dieses Aas geht dem Thema mal wieder aus dem Weg.

Na gut. Wenn sie es unbedingt so wollen. Dann werde ich mir aber bestimmt nicht den ganzen Tag lang Saschas Fresse anschauen. "Sean?" Der Kleine dreht sich zu mir. "Wollen wir wo anders essen gehen?"

"Was? Wieso?"

"Keinen Bock auf Stress."

"Ähm ..." Er schaut Peter und Sascha nach, die just in dieser Sekunde im Restaurant verschwinden. "Okay. Und wohin?"

"Such du was aus." Ich zücke mein Handy und tippe Peter schnell eine SMS, dass Sean und ich uns alleine auf den Weg machen, und sie doch bitte den Tag zu zweit genießen sollen. "Komm. Laufen wir da lang." Wieder schnappe ich mir Seans Hand und los geht's. Wir können auch allein Spaß haben. Vor allem, da ich den vorlauten Giftzwerg immer lieber gewinne und ich es echt spaßig finde, wie er, wie ein kleiner Junge, ganz große leuchtende Augen bekommt, wenn er etwas Neues entdeckt. Echt zum schießen, der Kleine!
 

***
 

~Chase~

Der Magen ist endlich zufriedengestellt und nun scheint mir noch die Sonne herrlich wärmend aufs Haupt, als wir aus dem kleinen Imbiss treten. Mir geht's gut! Ich bleibe neben Sean stehen, der den Lageplan des Parks studiert. "Wohin zuerst?", frage ich ihn.

"Hier gibt's ein Labyrinth. Für den Anfang nicht schlecht, oder?"

"Für unsre vollgegessenen Bäuche auf jeden Fall." Ich reibe mir über meine Wampe.

"Dann nach links, der Herr! Ich führe Sie sicher ins und wieder aus dem Labyrinth!" Da bin ich aber mal gespannt.

Wir schlängeln uns durch die anderen Besucher, wobei ich Sean sicherheitshalber wieder an der Hand nehme. So voll habe selbst ich noch nie einen Freizeitpark erlebt. Muss am Wetter liegen, denn die Ferienzeit hat noch längst nicht begonnen. Der kleine Giftzwerg geleitet uns trotz des Gedränges sicher zum Eingang des Labyrinths, wovor sich schon eine lange Schlange gebildet hat. Das Schild nicht unweit von uns entfernt, kündigt eine Wartezeit von einer dreiviertel Stunde an. Ich atme tief ein und lasse Seans Hand wieder los. "Jetzt heißt es warten und warten und warten." Das ist das Ärgerlichste daran. Die vielen Leute, die alle das Selbe wollen. Eine Stunde anstehen für fünf Minuten Spaß.

"Wir könnten uns die Zeit mit was anderem vertreiben."

"Und was?" Hat er etwa ein Kartenspiel dabei?

"Siehst du die zwei Frauen da vorn? Die sich so angeregt unterhalten?" Ich bejahe. "Du sprichst die Rechte und ich die Linke."

Mir entkommt ein hicksendes Lachen. "Und über was könnten die sich unterhalten?"

Sean räuspert sich und beobachtet die linke Frau aufmerksam. "Das letzte Mal war sowas von geil! Er hat sich die Schuhe ausgezogen, mich gepackt und verkündet: Du musst nie wieder staubsaugen mein Schatz!", kichert er mit hoher Stimme.

Mit erhobener Augenbraue schaue ich auf Sean runter. "Was soll denn das für ein Unsinn sein?"

"Na ja. Es muss doch unsinnig und lustig sein."

"Das nennst du lustig?"

"Ähm ..."

"Das geht besser. Ich beweise es dir!" Ich warte, bis Seans Frau endlich mal die Klappe hält und meine das Wort ergreift. Auch ich verstelle meine Stimme. "Meine Liebe! Wie sehr es mich doch erfreut, dass du das elendige saugen des vermaledeiten Staubs, welchen du besonders hasst, endlich an deinen Gatten abwälzen konntest. Doch sag mir: Was musst du stattdessen saugen?" Passend hört meine Frau auf zu quasseln und Seans fängt an. Doch der hält sich die Hand vor den Mund. "Bekommst du noch genügend Luft?"

"Pffft." Anscheinend verliert er welche.

"Sean?" So lustig war's ja nun auch nicht. "Ich glaube, wir lassen das mit dem nachsprechen." Er nickt bloß. Irgendwie komme ich mir gerade ziemlich verarscht vor.
 

~Sean~

Ich kack gleich ab! Chase mit Frauenstimme, oder wie man das nennen soll! Er hörte sich eher wie ein fiependes Wahlross an. Du meine Güte! Beherrsch dich Sean! Nicht laut loslachen! Mir treten schon die Tränen in die Augen. "Langsam wird es unangenehm, Sean."

"Sorry ... Kann nicht ... Pfff ..." Fest halte ich mir erneut den Mund zu. Ich zittere schon und mir schmerzen die Bauchmuskeln.

"Wäre es nicht leichter, du lachst einfach drauf los? Dein Gejapse kann man ja nicht mitansehen."

"Geht gleich ... wieder ..." Ich atme tief durch und versuche nicht an Chases verstellte Stimme zu denken. "Rede nie wieder ... mir dieser Stimme in meiner ... Gegenwart", sage ich und grinse noch immer leicht.

"Du lachst wegen meiner Stimme?"

"Jepp."

"Du lachst mich also aus?"

Ich ziehe einen kleinen Schmollmund. "Nicht sauer werden, aber du hörst dich wirklich, wie sage ich es am nettesten? ... Du hörst dich an, wie ein rostiger Blecheimer mit Magenverstimmung." Wieder unterdrücke ich ein Lachen. "Nimm es mir nicht übel. Als Transe kannst du damit keinen Blumentopf gewinnen."

"Na danke auch." Chase verschränkt seine Arme und lehnt sich an das Holzgeländer, der den Wartebereich kennzeichnet.

"Wir suchen uns besser einen Mann für dich aus", probiere ich es.

"Keine Lust mehr. Ich muss meine Blecheimerstimme schonen. Deren Magen steht kurz vorm übergeben." Ich glaube, jetzt habe ich ihn verärgert. Ich halte lieber die Klappe und warte, bis er fertig ist mit verstimmt sein.

So schaue ich mich hier etwas um, mustere die verschiedenen Menschen hier, deren teilweise furchtbaren Kleidungsstile (manchmal erkennt man daran sogar die Nationalität) und tapse immer mal wieder einige Schritte vor, wenn sich die Schlange in Bewegung setzt. Hin und wieder schiele ich zu Chase, der immer noch muffig dreinschaut. Ich ringe mich gerade dazu durch, mich ordentlich bei ihm zu entschuldigen, da fällt mir auf, wie er beginnt zu grinsen. "Was ist denn?", will ich wissen und kann nicht anders, als auch zu grinsen. Chase ist eben ansteckend.

"Die Kleine da vorn flirtet mit mir." Meine Mundwinkel senken sich. "Die Braunhaarige. Dort an der dreißig Minuten Markierung." Unauffällig folge ich seinem Blick.Die kleine Brünette gafft tatsächlich zu uns. Eher zu Chase. Ganz billig wirft sie ihm heiße Blicke zu, klimpert mit ihren billigen Discounter-Aufklebewimpern und ihrem aufdringlichen Lipgloss-Lippen. Auf sowas steht Chase also?! Auf solche Tussis mit Aufblastitten?!

Ich schaue an mir herunter. Natürlich sehe ich kein Stück weiblich aus. Meine Figur ist durch und durch die eines Mannes, auch wenn ich eher schmal bin und nur einen leichten Muskelansatz habe. Meine verwaschenen Jeans, meine grellgrünen Sneakers und mein graues Shirt rufen eindeutig Kerl. Den meisten wird auffallen, dass sie nicht nur Kerl, sondern auch schwuler Kerl rufen, was aber aufs Selbe hinausläuft. Jedenfalls was Chase betrifft. Und er? Er zieht alle Blicke auf sich. Männliche, wie auch weibliche. Kein Wunder also, dass schon nach so kurzer Zeit eine Tusse auf ihn anspringt.
 

"Falls du vorhast sie im Labyrinth ins Gebüsch zu ziehen, sag mir vorher Bescheid. Damit ich zu Sascha und Peter kann", sage ich leise.

"Was? Quatsch! Die fasse ich nicht an. Dieses Wochenende habe ich mir strengstes Flirt- und Aufreißverbot erteilt."

Bumm bumm bumm. Ruhe auf den billigen Plätzen! Einen Herzkasper bei der Hitze kann ich mir nicht gebrauchen. "Darf ich fragen warum?" Ich zerkaue mir fast die Unterlippe vor Aufregung.

Wegen mir wird er doch nicht ...? "Keinen Bock auf Stress und Rumgeheule", erwidert er schlicht und zuckt mit den Schultern.

"Ach so. Ist auch, glaube ich, besser so. Man weiß ja nie, wohin das führt. Gerade hier. Nie weiß man, wen man trifft und da kann man schon mal ins Fettnäpfchen treten." War rede ich denn da? Habe ich sie nicht mehr alle? Klappe jetzt Sean!

"Kann sein. Aber gucken schadet ja niemanden. ... Und du? Schon was Leckeres ausfindig gemacht?" Hat der eine Ahnung!

"So hier und da ..."

Chase legt ein Lächeln auf. "Sag mir Bescheid, wenn ich störe. Falls du einen gefunden hast, mit dem du gern alleine wärst."

"Mach ich." Gefunden hätte ich schon einen. Nur möchte der ganz sicher nicht mit mir 'alleine sein'.
 

***
 

~Chase~

Mir bricht fast das Kreuz auseinander vom langen Anstehen. "Stehen ist nichts für mich. Meine Füße werden schon taub."

"Kannst du laut sagen." Sean hat sich neben mich ans Geländer gelehnt. "Aber wir müssten gleich dran sein, wenn ich richtig gezählt habe."

"Hoffentlich!", stöhne ich.

Klein Sean behält recht und wir dürfen nach weiteren fünf Minuten Anstehen endlich durch das Tor des Irrgartens treten. Sean ist schon wieder gleich auf Hundertachzig und studiert die uns gereichte Karte. "Wir nehmen den Gang rechts", verkündet er und stürmt ins Labyrinth.

"Wollen wir nicht erstmal warten und uns die Karte genauer anschauen?"

"Nöö! Keine Lust!", ruft er mir zu und ich zockle gelassen hinterher.

Zusammen irren wir durch das Labyrinth aus Wänden und Büschen, landen in Sackgassen und stoßen ein paar mal fast mit anderen Umherirrenden zusammen. Sean lacht dann jedes Mal ausgelassen, studiert dann wieder die Karte, runzelt seine Stirn, was mich dann immer zum grinsen bringt, und bestimmt einen neuen Weg. So auch jetzt. "Wenn wir nach rechts gehen und dann den dritten Gang links, müssten wir bald zum Ausgang finden."

"Nichts gegen deine Navikünste, aber langsam bekomme ich Durst."

"Keine Panik! Ich finde den Weg schneller als du verdursten sagen kannst."

"Verdursten", sage ich und lege den Kopf schief. "Wir sind immer noch hier."

"Witzbold!" Sean geht an mir vorbei und macht sich auf den sicheren Weg nach draußen, wie er meint. Fast bin ich versucht, ihm Giftzwerg hinterher zu rufen, lasse es aber. Hinterher versteht er es falsch. Deshalb eiere ich ihm brav hinterher und überlasse es ihm, mich an die herbeigesehnte Wasserstelle zu rotzen. Meine Kehle ist schon staubtrocken! "Chase?!"

"Ja?"

"Wo bleibst du?!" Sklaventreiber!
 

Ein paar Meter vor mir sehe ich Sean in einen der Gänge nach links abbiegen, will ihm nach, da packt mich jemand am Arm. Die kleine Brünette aus der Schlange vor uns! "Hallo. Endlich habe ich dich gefunden. Das kann kein Zufall sein." Sie spielt sich in den Haaren rum und präsentiert mir ihre Möpse. Nicht schlecht ... Aber nicht das, was ich jetzt brauche oder will.

"Ich muss weiter", wimmle ich sie daher ab und laufe in den Gang, in dem Sean verschwunden ist. "Na klasse! ... SEAN?!" Angestrengt lausche ich nach einer Antwort.

"Chase?!"

"Ich habe dich verloren! Wo bist du denn?!"

"Hier!" Das hilft mir jetzt aber echt weiter!

"Wo ist hier?"

"Na hier eben ... Warte! Ich laufe zurück! Nicht bewegen!" Bleibt mir eine andere Wahl?

"Gute Idee. Bleib schön bei mir." Ich drehe ich um und die Brünette ist schon wieder an mich rangerückt.

"Tut mir leid, wenn du vorhin was falsches verstanden hast, aber ich will nichts von dir." Aufdringliche Ziege! Glaubt die wirklich, ich würde sie hier im Labyrinth ...?

"Du hast mich fast mit deinen Augen ausgezogen, mein Süßer. Meinst du, dass habe ich nicht gemerkt? Komm mit. Dort hinten habe ich ein abgeschiedenes Plätzchen entdeckt." Für eine Sekunde lasse ich mir tatsächlich ihr Angebot durch den Kopf gehen. Ich muss bescheuert sein! Oder schwanzgesteuert.

"Da bist du ja!" Ich drehe mich um. Sean! Endlich! Meine Rettung!

"Gehen wir!" Ich schnappe seine Hand und zerre ihn mit mir. Nur weg von dieser Ziege! Bevor mein Schwanz doch noch die Oberhand gewinnt!
 

~Sean~

Hoppla! Chase ist aber mehr als auffällig darum bemüht, sich und mich von dieser Kuh wegzubringen. Hatten die etwa eben ...? Ich drehe meinen Kopf zu der Brünetten. Glücklich sieht die Gute nicht gerade aus. Ein gehässiges Grinsen legt sich auf meine Lippen. Ja schau nur! Der Traumtyp hier geht mit der kleinen, blonden Schwuchtel weg. HA! Na schön. Er will mich nicht ins nächste Gebüsch zerren. Aber das weiß die Tusse ja nicht. Vielleicht ist sie ja so schlau und hat bemerkt, dass ich auf Kerle stehe. Und vielleicht ärgert sie sich gerade zu Tode, dass Chase lieber mit mir verschwindet, als länger ihre Anwesenheit zu genießen. Wie auch immer, ich habe gewonnen!

"Du bist genau im richtigen Moment gekommen!", sagt er.

"Ich komme immer im richtigen Moment." Der Satz ist raus und ich werde rot. "Sorry." Chase lacht und lässt meine Hand los. Mist! "Ähm. Da lang. ... Was wollte sie eigentlich von dir?" Und habt ihr unanständige Sachen gemacht? Bestimmt doch nicht in so kurzer Zeit. Oder?

Neugierig und ängstlich drehe ich mich zu Chase. "Sie wollte mich entführen."

"Entführen? Und wohin?"

"Keine Ahnung. Ist mir auch egal. ... Gib mal den Plan. Normal müssten wir gleich am Ausgang sein." Er schnappt sich meine Karte und studiert sie, während mir fünftausend Kilo Geröll vom Herzen stürzen. Da war nicht zwischen ihnen und es ist ihm sogar egal! Ich weiß, es dürfte mich nicht so sehr freuen, dass er kein großes Interesse an der Brünetten hat. Tut es aber. Ich glaube, langsam verliebe ich mich doch in den großen Hetero neben mir. Was mache ich denn jetzt? "Hab ihn! Hier her Sean!" Chase steht an einer Biegung und winkt mir freudig zu. Mein Herz macht einen Sprung, als ich ihn so strahlen sehe und ich werde mir immer sicherer, dass meine Gefühle mehr als nur freundschaftlich zu ihm sind.

Ich atme tief durch, lächle zurück und klatsche ihn ab, da er mir die Hand hinhält. "Jetzt gehen wir was trinken! Meine Kehle schnurrt schon zusammen."

"Dann geh vor." Dann kann ich mich erstmal sammeln und aufhören zu sabbern. Ob der Anblick von Chases Knackarsch dabei sehr hilfreich ist, bezweifle ich.
 

***
 

~Chase~

"Mir tun echt die Füße weh", jammre ich und hänge wie ein Schluck Wasser auf einer der unzähligen Bänke, die hier überall rumstehen.

"Mir auch." Sean hockt neben mir und hat die Augen geschlossen.

Ich schaue auf meine Armbanduhr. Kurz vor zwanzig Uhr. Die Tagesbesucher sind schon längst verschwunden. Nur die hier übernachten können sich noch eine Weile auf dem Parkgelände austoben. "Magst du noch irgendwo rein? Die Schlangen sind jetzt wesentlich kürzer als Tagsüber. Das sollten wir ausnutzen."

"Dann in die Wildwasserbahn!" Sofort funkeln die blauen Augen unternehmungslustig.

"Alles klar!" Wir stehen auf und wer taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf? Peter und Sascha. "Hey."

"Hey."

"Viel Spaß gehabt?", frage ich und unterliege der Versuchung, nach Seans Hand zu greifen, nur um damit Sascha fuchsig zu machen.

"Oh ja! ... Und ihr?"

"Jepp. Wir wollen nochmal in die Wildwasserbahn. Bock? Da können immer vier Personen rein." Die Frage richte ich an Sascha. Ein kleines Friedensangebot meinerseits.

"Klasse. Da waren wir noch nicht." Er lächelt mich tatsächlich an! Wow!

"Zu viel rumgemacht, was?" Lachend machen wir uns auf den Weg zur Wildwasserbahn und Saschas miese Laune scheint endlich verflogen zu sein. Wurde auch mal Zeit!
 

Die Schlange ist wirklich viel kürzer und wir werden gleich zu den riesigen Reifen durchgewunken. Ich klettere als erster hinein, um den anderen beim Einsteigen zu helfen. Als wir alle drinsitzen geht es auch schon los. Erst noch recht ruhig, aber das dauert nicht lange an. Der Reifen bekommt immer mehr Seegang und prompt fängt Sean an wie am Spieß zu quietschen, was er schon den ganzen Tag lang macht, und drängelt sich an mich, damit er nicht aus dem Reifen kippt. So rauschen wir in dem künstlichen Pappmasche-Canyon dahin, werden durchgeschüttelt und nassgespritzt. Natürlich bekomme ich wieder das meiste Wasser ab, während klein Sean sich perfekt unter dem Wasserstrahl ducken kann. Das hat er auch schon bei der Wasserbahn gemacht. Ich Trottel durfte ganz vorn sitzen, wurde bis auf die Unterhose nass und hinter mir blieben alle relativ trocken. Manchmal hasse ich es, so groß zu sein!

"Ich bin nass!", piepst Sean, als wie wieder trockenen Boden unter den Füße haben.

"Wo denn? Du Zwerg duckst dich ja immer. Nur ich darf duschen gehen." Sean streckt mir wirklich die Zunge raus! "Ey! Ich hab dir gesagt, wenn du das nochmal machst, setzt es Prügel!"

"Traust du dich doch sowieso nicht." Giftzwerg!

"Warte nur." Düster verenge ich meine Augen zu schmalen Schlitzen. "Im Hotelzimmer wird dich niemand schreien hören." Seans Grinsen weicht einem erschrockenen Gesichtsausdruck. Wie in Zeitlupe segeln seine Mundwinkel herunter. Hoppla! "Das habe ich nicht so gemeint!", beschwichtige ich ihn.

Sean räuspert sich, zwinkert ein paar mal und ... streckt mir erneut die Zunge raus! Schauspielender, schlechtes Gewissen machender Giftzwerg!

"Das reicht jetzt Kinder! Gehen wir was essen und danach noch ein wenig im Park herum." Wir stimmen Peter geschlossen zu und suchen uns ein nettes Plätzchen in einem Restaurant, das noch offen hat. Das sind nicht mehr viele, daher ist hier auch wieder etwas mehr Gedränge, aber es ist erträglich. Stille kehrt ein und jeder blättert für sich die Speisekarte durch.
 

Eine Kellnerin ist es, die unser Schweigen bricht, und wir bestellen schön nacheinander unser Essen. "Du isst also kein Fleisch? Kein Bisschen?", richte ich mich an Sean, der schon wieder ein Nudelgericht bestellt hat.

"Kein Bisschen. Schon seit der Grundschule nicht."

"Wie kommt's?" Ob er deshalb so klein geblieben ist? Ei ei ei. Das war jetzt ein mieser Gedanke von mir!

Ich schäme mich gebührend dafür und höre dem kleinen Giftzwerg weiter interessiert zu. "Unsere Lehrerin war schuld. Sie schleppte uns zu einem Metzger und der veranstaltete ein wahres Massaker an einer toten Schweinehälfte. Keiner hatte mir vorher gesagt, dass die Wurst auf meinem Brot von einem lebenden Tier stammt. Ich fing also an zu heulen, wollte mein Pausenbrot nicht mehr anfassen und durfte früher nach Hause."

"Ganz schön harter Tobak, eine Grundschulklasse in eine Metzgerei zu schleppen." Das finde ich jedenfalls.

"Dafür lebe ich jetzt aber viel gesünder", meint Sean frech und grinst Spitzbübisch.

"So? Meinst du?" Er nickt und ich kann einfach nicht anders und lächle zurück. Für einen Kerl hat er ganz schön feine Gesichtszüge, fällt mir gerade auf. Lange, dichte Wimpern und eine kleine Stupsnase. Dazu der volle Mund, mit dem er so hervorragend schmollen kann. Trotzdem wirkt er nicht weibisch. Man erkennt, dass er ein Mann ist, ein wirklich schöner Mann. Aber eben auch, dass er ...

Ich schlucke hart und wende den Blick von ihm ab. Woher kamen diese Gedanken denn auf einmal? Ich finde Sean schön? Habe ich das jemals von einem anderen Mann gedacht? Das er gut aussieht, oder gar attraktiv ist? Klar schaue ich auch mal dem ein oder anderen Kerl nach, wenn er mir besonders ins Auge fällt, aber das ist was völlig anderes! Dabei denke ich eher an Peter und überlege, ob der diesen oder jenen Typen auch gut finden würde. Stopp mal! Was denke ich den hier die ganze Zeit? Ich finde Männer nicht schön! Keinesfalls!

Es widerstrebt mir, jetzt darüber nachzudenken. Dabei muss ich nur an Vergangenes denken. Und das will ich nicht. Jugendsünden, die ich aus Neugierde fast begangen hätte und die ich niemals wiederholen werde! Ich habe keine Ahnung, wieso sie jetzt wieder hochkommen, aber ich verdränge sie so schnell es geht und fixiere meine Aufmerksamkeit auf Peter. Nur ob das gerade besser ist, wage ich zu bezweifeln. Er und Sascha befummeln sich heimlich unter dem Tisch, was natürlich jeder mitbekommt, der auch nur in unsere Richtung schielt, und spielen frisch verliebtes Paar. Hoffentlich räumen sie nicht gleich den ganzen Tisch ab, um darauf zu ... "Ihr Abendessen!" Die Kellnerin stolziert herbei mit zwei Tellern in der Hand und unterbindet zum Glück weiteres Turtelgehabe an unsrem Tisch. Peter räuspert sich und presst ein Danke heraus, nachdem er seinen Teller vorgesetzt bekommen hat. Natürlich kommt meiner als letzter.

Als wir dann endlich anfangen können zu essen, vermeide ich immer noch jeden Blickkontakt zu Sean. Total kindisch, aber höchst effektiv. Dennoch wandern meine Gedanken immer noch unstet umher und wollen sich von mir partout nicht in eine andere Richtung drängen lassen. So ein Mist!
 

~Sean~

Neugierig mustere ich Chases Profil. Mit dem stimmt doch was nicht! Mit einem Mal ist er verdammt schweigsam, schaut mich nicht mehr an und stochert lustlos in seinem Essen rum. Was hat er denn nur? Gern würde ich ihn fragen, traue mich aber nicht. Dabei war der Tag doch so schön gewesen! Wir haben uns mehr als nur gut verstanden, haben viel gelacht, uns noch über einige dieser Plüschviecher lustig gemacht und eben ... Eben war ein so perfekter Moment, dass ich schon beinahe dachte, dass ...

Ich schließe die Augen. Wunschdenken, Sean! Das habe ich mir nur wieder alles eingebildet, es mir schöngeredet. Der lange Augenkontakt vorhin war nichts anderes als Freundlichkeit. Was soll es auch sonst gewesen sein? Liebe?! Guter Scherz! Ich fange gleich an zu lachen, damit er mich vollends für bekloppt hält. Mir könnte es echt nicht mieser gehen, hätten wir da nicht noch Sascha und Peter, denen man genau ansieht, dass die beiden gedanklich schon in ihrem Hotelbett liegen und miteinander heiße Dinge anstellen. Zu meinem Frust gesellt sich natürlich auch noch Neid. Das muss aufhören! Ich muss ihn mit abschminken! Doch ein Blick in Chases Richtung genügt, und ich vergesse alle guten Vorsätze. Dagegen muss doch was zu machen sein! Nachdenklich drehe ich mir meine Spagetti auf die Gabel und überlege fieberhaft, was mich an diesem Mann stören könnte.

Punkt eins: Er ist ein Weiberheld.

Punkt zwei: Ein Hetero, der Angst davor hat, von einem Schwulen angefasst zu werden, aber keine Angst davor hat, dass ihn einer seiner schwulen Freunde anfasst.

Punkt drei: ... Mir fällt nichts mehr ein. Das war's! Mehr Gegenargumente habe ich nicht. Und das mich Punkt eins nicht stört und Punkt zwei mich eher verwirrt, als stört, bringt mir am Ende gar nichts. Was mache ich denn jetzt? Wie bekomme ich Chase aus meinem Kopf, der schon viel zu nahe an mein Herz gekommen ist?

"Wie wäre es mit was Süßem?" Verdutzt schaue ich zu Sascha, der mich das gerade gefragt hat. "Möchtest du auch einen Nachtisch?", setzt er nach, da ich immer noch dumm aus der Wäsche glotze.

"Ja, lass mal sehen." Oh man! Es geht nur um einen dummen Nachtisch. Und ich dachte schon, sie hätten meine Überlegungen gehört!
 

Also lassen wir uns noch einen Nachtisch kommen und bezahlen danach, um noch eine Runde im mittlerweile dunklen Park zu drehen. Peter und Sascha laufen vor, halten dabei Händchen und kuscheln sich verliebt aneinander. Schmerz! "Ist doof mitanzusehen, was?"

Ich drehe meinen Kopf zu Chase, der neben mir herläuft. "Ja", nicke ich. "Besonders wenn man sich das Gleiche wünscht."

"Hm. Soll ich dir etwas verraten?"

"Was denn?" Mein Herz schlägt sofort schneller. Dieser riesige Hetero hat es vollkommen in seinem Griff.

"Ich weiß gar nicht, ob ich es dir überhaupt sagen soll."

"Erst anlocken und dann nicht zuschlagen? Das ist gemein!" Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. "Erzähl schon."

"Du darfst es aber weder Sascha noch Peter erzählen."

"Ist gut. Versprochen." Schlag langsamer, du verräterisches Herz!

"Letzten Sonntag hatte ich ein Date." Schlag weiter! Nicht aufhören! "Hab's aber abgebrochen." Oh danke! Das bewahrt mich vor einem Herzstillstand!

"Weshalb?" Ganz langsam rücke ich immer näher an ihn ran. Ich kann sein Rasierwasser riechen.

"Wegen dir." Wie angewurzelt bleibe ich stehen, sehe, wie Chase noch einen Schritt weiter geht und sich dann zu mir dreht. "Sean?"

"Wegen ... mir?"

"Ja." Herzkammerflimmern! Gleich kippe ich um! Mir wird schon ganz schwummrig. "Ich wollte ihr nicht wehtun."

"Wehtun?" Wieso wollte er IHR nicht wehtun?!

"Sie suchte auch den Mann fürs Leben und ich, na ja. Ich wollte sie nur ins Bett bekommen. Wie immer. Aber da dachte ich an dich, und wie sehr dich die Sache mit deinem und Aarons Freund fertig gemacht hat, und da konnte ich es nicht mehr. Ich bezahlte das Essen und ging einfach. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich ... Ich bin fast dreißig und ich denke, es wird Zeit, dass ich etwas verändere. Verstehst du?"

"Ja. Klar." Ich verstehe gar nichts! Er hat diese Uschi also nicht gebumst, weil er an mich denken musste? Das ist doch gut, oder? Aber auch irgendwie nicht. Schließlich ging es ihm ja dabei nicht richtig um mich. Ach, ich weiß doch auch nicht! Was soll das alles?!

"Gehen wir weiter? Sonst turteln uns die beiden noch davon." Chase lächelt mich herzerweichend an und will meine Hand greifen, doch das kann ich gerade echt nicht ab!

Ich nicke und laufe selbst mit festen Schritten voran und fühle mich mit einem Mal vollkommen leer. Ich hab keine Ahnung was ich mit der Info anfangen soll. Warum hat er mir das erzählt? Denkt er etwa, ich würde es als Kompliment auffassen, dass er nicht mehr blind durch die Gegend vögelt? Will er mir damit etwas beweisen? Oder gar sich selbst?

Was auch immer es ist. Ich muss das erstmal verdauen und mich selbst dafür hassen, dass ich für einen winzigen Moment so etwas wie Hoffnung gespürt hatte. Ich Idiot! Jedes mal falle ich drauf rein! Jedes, verfluchte Mal!
 

***
 

~Sean~

"Ich geh schnell duschen. Oder willst du zuerst?"

"Nö. Geh ruhig."

Erleichtert schließe ich die Badezimmertür hinter mir. Endlich etwas Abstand zwischen mir und Chase. Der Spaziergang artete zu einem wahren Wandertrip aus, wobei er nicht aufhören wollte zu reden. Ich kann noch nicht mal mehr sagen, über was er alles geredet hat. Ich war nur so froh, wie ich in der Ferne unser Hotel ausmachen konnte und bin automatisch ein Schritt schneller gegangen.

Innerlich immer noch wie betäubt, lege ich meinen Pyjama auf den Toilettendeckel und ziehe mich aus. Unter der Dusche schließe ich einfach nur meine Augen, versuche an nichts und vor allem an niemanden zu denken und bete insgeheim, dass all dieses Chaos in mit mit dem Wasser in Abfluss verschwindet. Das klappt natürlich nicht, aber ich fühle mich doch etwas besser, nachdem ich aus der Dusche trete und mich abtrockne. Jetzt habe ich zumindest die nötige Bettschwere, um hoffentlich auch gleich einschlafen zu können.

Ich trotte aus dem Bad, in dem Chase auch dankbarerweise gleich verschwindet und schlüpfe unter die Decke. Ich muss auf jeden Fall eingeschlafen sein, bevor er wieder rauskommt! Sonst bekomme ich heute Nacht garantiert kein einziges Auge zu.
 

~Chase~

Was auch immer mit Sean los ist, er verrät es mir nicht. Seit ich ihm gebeichtet hatte, dass er der Grund meines Sinneswandels ist, ist er richtig Wortkarg geworden. Das bringt mich echt aus dem Konzept. Ich dachte, es sei was Gutes, und er würde sich darüber freuen, weshalb ich es ihm auch eigentlich erzählt hatte. Doch dem scheint nicht so. Könnte ich ihn damit irgendwie verletzt haben? Ich wüsste nicht wie. Und das Schlimme ist, ich kann darüber auch nicht mit Peter reden, denn sonst wüste er sofort über alles Bescheid.

Ich steige aus der Dusche und wische über den Spiegel. Wäre das eigentlich so schlimm?'Ja', sage ich mir selbst. 'Das würde mir Peter ein Leben lang vorhalten.' Eins der wenigen Dinge, die ich nicht leiden kann. Jemand, der sagt: Ich hab's dir doch gesagt, aber du wolltest nicht auf mich hören. Das haben mir meine Eltern ständig vorgehalten. Immer wenn ich Scheiße gebaut habe oder etwas passiert war, wofür ich noch nicht mal etwas konnte. Ich höre meinen Vater noch heute ganz genau seine Predigt runterbeten. 'Habe ich es dir nicht gesagt? Irgendwann landest du im Knast! Aber wundere dich nicht, wenn wir dich da nicht mehr rausboxen! Du benimmst dich ab jetzt. Haben wir uns verstanden?' Wie ich es gehasst habe! Diesen hochnäsigen Blick, das versteckte Grinsen. Einfach alles an ihm hat mich auf die Palme gebracht.

Doch das alles ist zum Glück Schnee von gestern, was mich aber nicht weniger aufregen lässt. Alles endete damit, dass sich meine Mutter scheiden lies. Da war ich schon siebzehn. Sie gestand mir, dass er nicht mein richtiger Vater ist, was ich allerdings schon von ganz allein auf die Kette gebracht hatte. Ich überragte beide schon damals fast um zwei Köpfe. Außerdem sind beide blond, ich eben nicht. Dazu noch mein extremes Wachstum und meine Alarmglocken schrillten auf. Wer mein richtiger Vater ist, weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Er war nicht für mich da. Punkt. Der Einzige, der jemals für mich da war, war Peter. Bei ihm heulte ich mich aus, verstecke mich in seinem Zimmer, bis ich ängstlich und kleinlaut nach Hause schlich. Deshalb konnte ich ihn auch nicht verurteilen, wie alle anderen, als er sich outete. Er war, ist und bleibt mein bester Freund.
 

Ich greife nach meiner Zahnbürste. Genug der trüben Vergangenheit. Die Gegenwart hält gerade genügend Rätsel parat, die mich beschäftigen. Zum Beispiel, wie ich mich Sean gegenüber verhalten soll. Vielleicht ist es ihm auch schlicht und einfach nur peinlich, dass er sich letztens bei mir ausgeheult hatte. Das muss es sein. Morgen früh rede ich mal mit ihm. Er braucht sich darüber nicht zu schämen. Nicht er und bestimmt nicht vor mir.
 

***
 

~Sean~

Alles um mich herum ist dunkel. Chase scheint fest zu pennen, weshalb ich mich leise aus dem Bett strample und ins Bad marschiere. Scheiß Konfirmandenblase!

Endlich erleichtert, lösche ich zuerst das Licht im Bad, bevor ich die Tür aufmache. Ich will Chase nicht unnötig wecken. Leise öffne ich die Tür, stehle mich wieder ins angrenzende Schlafzimmer und werde plötzlich gegen die Wand links neben mir gedrückt. Erschrocken ziehe ich die Luft in meine Lunge und versuche was zu erkennen. "Chase?!"

"Psst", macht er nur und drängelt sich an mich. "Sei einfach still. Sonst hört dich noch jemand." Mich hören? Was hat er vor?

Auf die Antwort darauf muss ich nicht lange warten. Ohne Vorwarnung küsst er mich verlangend und dreht mich einmal herum, sodass ich mit meiner Vorderseite gegen die Wand gedrückt werde. Hektisch zieht er mir die Pyjamahose von den Hüften und drückt mir seine Härte gegen die Pobacken. Ich keuche auf, weiß gar nicht wo mir der Kopf steht. Nur noch meinem Instinkt folgend lehne ich mich an ihn, spüre, wie er mich mit einem Stoß in Besitz nimmt. Ich stöhne laut und lege meinen Kopf zurück, wobei er gleich beginnt mir über den Hals zu lecken, während er mich heftig nimmt. Ich bin so benebelt vor Lust, dass ich mich noch nicht mal darüber wundere, was hier gerade geschieht. Auch das ich keine Schmerzen habe, vergesse ich mit Freuden ganz schnell.

Chase Hände wandern nach vorn, eine schleicht sich unter mein Oberteil, die Andere umfasst meinen Schwanz. Ich werde immer lauter und drängle mich ihm ungeduldig entgegen. Mir ist so heiß! "Oh Sean ... Sean ..."

"Chase!" Ich will ihn küssen, finde aber seine Lippen nicht. "Chase?"

"Sean! ... Sean!" Etwas verwirrt öffne ich meine Augen, sehe ihn aber nicht. Es ist alles dunkel. "Sean! ... Du träumst ... Sean!" Ich träume?

Ich erstarre und lausche. "Sean?" Das ist eindeutig Chases Stimme.

"Chase?"

"Wach schon auf!" Shit!
 

Als hätte ich eine Feder im Rücken, setzte ich mich aufrecht. Ich bin wirklich im Bett! Und Chase? Er hat die kleine Lampe auf seiner Seite des Bettes angeschaltet und glotzt mich wie ein Fisch an. "Endlich bist du wach!", seufzt er und fällt zurück ins Bett.

"Was war denn?"

"Du hast geschrien."

"Ach so ..."

"Hattest du einen Albtraum?"

"Ja", lüge ich. "Danke, dass du mich geweckt hast."

"Kein Ding. Bei deinem Rumgequietsche und Gestrampel hätte ich sowieso kein Auge zumachen können." Ganz toll! "Soll ich das Licht noch anlassen, oder ...?"

"Mach aus. Bin ja kein Kind mehr." Fuck!

"Gute Nacht."

"Nacht", brumme ich und drehe Chase den Rücken zu. In Fötusstellung bleibe ich liegen und ignoriere das Pochen in meinem Schritt. Das war ja wieder mal so klar! Klasse Sean! Gut gemacht! Die heutige Fettnäpfchen-Trophäe geht hiermit an dich!
 

******

Kapitel 3 - Nervige Plüschviecher (Ohne Adult)

Kapitel 3 - Nervige Plüschviecher (Ohne Adult)
 

~Sean~

"Was soll denn das sein?!" Mit zusammengekniffenen Augenbrauen zeige ich verstohlen auf ein dickes, plüschiges Etwas.

"Das ist das Maskottchen des Parks", klärt mich Peter auf.

"Und was soll das sein? Eine Ratte?"

"Schwachsinn! Das ist ein Bär."

"Das ist doch kein Bär Sascha. Ein Hund soll das sein. Bist du blind?"

Jetzt bin ich es, der Chase dumm anblöckt. "Ein Hund? Seit wann hat ein Hund einen so langen Schwanz?"

Sascha fängt tatsächlich an zu kichern. "Ich kenne da einen, der gerne mal auf Hund macht und einen langen ..."

"Ach bitte!" Chase verzieht sein Gesicht. "Ein Wort mehr, und ich löse die Verlobung zwischen dir und Peter."

"Verlobung?!" Peter verschluckt sich fast an dem Softeis, das wir uns eben gekauft haben. "Wir sind doch gar nicht verlobt! Und auch wenn wir es wären, könntest du dagegen nichts machen."

"Denkst auch nur du!"

"Ach ja?!"

"Ja!" Giftig schielen sich Peter und Chase an.

Bevor sich die zwei noch anfangen zu duellieren, schnappe ich mir Chases Hand. "Fragen wir das Plüschvieh doch einfach." Und schon schleife ich ihn hinter mir her, ohne auf sein Gezeter zu achten.

"Vergiss es! Die reden nicht", sagt er hektisch und stolpert fast, da so ein Gör unkontrolliert durch die Menge flitzt.

"Ach nein?"

"Nein. Das dürfen die gar nicht."

"Das wollen wir ja mal sehen!" Zielsicher erfasse ich das dicke Plüschdingens und bleibe direkt vor ihm stehen. Dabei rennt mich Chase fast über den Haufen, drängelt seinen sexy Körper an meinen Rücken und ich vergesse doch glatt für einen Moment, was ich von der Möchtegernratte wollte. Ich besinne mich aber recht schnell wieder und starre in die riesigen, unechten Augen vor mir. "Hey! Was willst'n du darstellen?" Das Vieh legt den Kopf schief und klatscht die Plüschpfoten auf seine Wange. "Du sprichst echt nicht, was?" Ein hektisches Nicken. "Ich will aber wissen was du für ein Tierchen bist." Übertriebenes Schulterzucken. "Flüstere es mir doch." Ich tippe auf mein Ohr und stelle mich auf die Zehnspitzen, während ich es ihm zudrehe. "Ganz leise", flüstere ich. Doch das Plüschvieh will nicht. Chase hinter mir kichert unter vorgehaltener Hand, was mich wieder zu sehr aus dem Konzept bringt und dem Plüschvieh die Chance gibt, sich davon zu stehlen. Klasse!
 

"Danke Chase!"

"Was denn?" Er fängt an lauter zu lachen und greift diesmal nach meiner Hand. "Gehen wir lieber zu den anderen. Ich hab hunger."

"Ja ... Ich auch." Doch nicht auf Essen. Das, auf was ich hunger habe, läuft gerade neben mir her und kichert immer noch hin und wieder.

Ich kann es nicht fassen! Chase und ich laufen händchenhaltend durch einen Freizeitpark! Einen mehr als übervollen Freizeitpark! Weiß er denn überhaupt, was er mir damit antut? Bestimmt nicht. Denn wenn er um die Gefühle wüsste, die ich mit mir rumschleppe, dann würde er das ganz sicher nicht tun. Ich versuche diesen Umstand zu ignorieren, versuche auch das Händchenhalten als einfache Geste der Freundschaft abzutun, kann ich aber nicht. Seine Hand liegt so schwer in meiner, bringt mich damit echt ins schwitzen und treibt meinen Blutdruck in die Höhe. Mein ganzes Vermögen zu Fühlen scheint sich nur auf meine Hand zu beschränken, denn all meine anderen Körperteile fühlen sich auf einen Schlag total Taub und leblos an. Das war doch vorhin noch nicht so! Weshalb dann jetzt! Weil er es war, der nach meiner Hand gegriffen hat! Ganz klarer Fall.

Scheiße! Wäre er kein Hetero, könnte alles so schön sein! Warum sucht sich mein dummes Herz immer die Falschen aus?! Ich muss unbedingt etwas dagegen unternehmen. Bevor es wirklich zu spät für einen Rückzug ist.
 

~Chase~

Was für Menschenmassen! Wie soll ich da nur Peter und Sascha wiederfinden? Ich bin ja bekanntlich nicht der Kleinste, nicht so wie Sean, den ich vorsorglich an die Hand genommen habe, wie ein kleines Kind, damit es nicht verloren geht, aber dennoch muss ich mich strecken, um die beiden ausfindig machen zu können. "Da!" Ich winke ihnen zu, damit sie auch ja dort stehen bleiben wo sie gerade sind.

"Und? Habt ihr das Rätsel lösen können?"

"Nein", antworte ich. "Der Bärenhund hat uns nichts verraten. Wie ich es vorhergesagt habe." Triumphierend hebe ich mein Kinn an und schaue zu Sean hinab. Der hat meinen Kommentar leider nicht mitbekommen. Er lässt den Kopf hängen und inspiziert den Asphalt. "So schlimm, dass wir nichts herausgefunden haben? ... Sean?"

"Wie?" Er hebt den Kopf und sieht irgendwie ertappt aus.

"Dieses Ratten-Bären-Vieh. Du bläst doch etwa kein Trübsal deswegen?"

"Nein. Ich war nur in Gedanken."

"Ah so." Sehr komisch. Eben war er noch ganz der alte, großmäulige Giftzwerg und auf einmal scheint er eher das genaue Gegenteil davon zu sein.

"Darf ich mal was fragen?" Sascha mustert uns. "Wieso haltet ihr Händchen?" Tun wir das? Da war was, wie ich mich nun entsinne ...

"Sonst geht der Kleine mir doch verloren, bei all den Leuten hier", erkläre ich und lasse ihn wieder los. Saschas rechte Augenbraue wandert nach oben, doch er verkneift sich jeden Kommentar. Dafür flutscht mir was über die Lippen, dass jetzt unbedingt raus muss. "Eifersüchtig? Oder hast du was dagegen, wenn zwei Männer Händchen halten?"

"Jetzt hört aber mal auf!" Peter klatscht in die Hände. "Ihr zickt ja schlimmer rum, als meine beiden Schwestern." Das ist unmöglich! Keiner zickt so schlimm, wie die beiden!

"Ich zicke nicht. Dein Lover hat doch schon die ganze Zeit eine Laune zum reintreten!" Das musste jetzt auch noch raus. Wenn Zoff, dann muss auch alles auf den Tisch. "Ich hatte euch angeboten zuhause zu bleiben. Aber ihr wolltet ja nicht."

Peter seufzt und zeigt auf eins der überfüllten Restaurants hier. "Gehen wir essen." Super! Dieses Aas geht dem Thema mal wieder aus dem Weg.

Na gut. Wenn sie es unbedingt so wollen. Dann werde ich mir aber bestimmt nicht den ganzen Tag lang Saschas Fresse anschauen. "Sean?" Der Kleine dreht sich zu mir. "Wollen wir wo anders essen gehen?"

"Was? Wieso?"

"Keinen Bock auf Stress."

"Ähm ..." Er schaut Peter und Sascha nach, die just in dieser Sekunde im Restaurant verschwinden. "Okay. Und wohin?"

"Such du was aus." Ich zücke mein Handy und tippe Peter schnell eine SMS, dass Sean und ich uns alleine auf den Weg machen, und sie doch bitte den Tag zu zweit genießen sollen. "Komm. Laufen wir da lang." Wieder schnappe ich mir Seans Hand und los geht's. Wir können auch allein Spaß haben. Vor allem, da ich den vorlauten Giftzwerg immer lieber gewinne und ich es echt spaßig finde, wie er, wie ein kleiner Junge, ganz große leuchtende Augen bekommt, wenn er etwas Neues entdeckt. Echt zum schießen, der Kleine!
 

***
 

~Chase~

Der Magen ist endlich zufriedengestellt und nun scheint mir noch die Sonne herrlich wärmend aufs Haupt, als wir aus dem kleinen Imbiss treten. Mir geht's gut! Ich bleibe neben Sean stehen, der den Lageplan des Parks studiert. "Wohin zuerst?", frage ich ihn.

"Hier gibt's ein Labyrinth. Für den Anfang nicht schlecht, oder?"

"Für unsre vollgegessenen Bäuche auf jeden Fall." Ich reibe mir über meine Wampe.

"Dann nach links, der Herr! Ich führe Sie sicher ins und wieder aus dem Labyrinth!" Da bin ich aber mal gespannt.

Wir schlängeln uns durch die anderen Besucher, wobei ich Sean sicherheitshalber wieder an der Hand nehme. So voll habe selbst ich noch nie einen Freizeitpark erlebt. Muss am Wetter liegen, denn die Ferienzeit hat noch längst nicht begonnen. Der kleine Giftzwerg geleitet uns trotz des Gedränges sicher zum Eingang des Labyrinths, wovor sich schon eine lange Schlange gebildet hat. Das Schild nicht unweit von uns entfernt, kündigt eine Wartezeit von einer dreiviertel Stunde an. Ich atme tief ein und lasse Seans Hand wieder los. "Jetzt heißt es warten und warten und warten." Das ist das Ärgerlichste daran. Die vielen Leute, die alle das Selbe wollen. Eine Stunde anstehen für fünf Minuten Spaß.

"Wir könnten uns die Zeit mit was anderem vertreiben."

"Und was?" Hat er etwa ein Kartenspiel dabei?

"Siehst du die zwei Frauen da vorn? Die sich so angeregt unterhalten?" Ich bejahe. "Du sprichst die Rechte und ich die Linke."

Mir entkommt ein hicksendes Lachen. "Und über was könnten die sich unterhalten?"

Sean räuspert sich und beobachtet die linke Frau aufmerksam. "Das letzte Mal war sowas von geil! Er hat sich die Schuhe ausgezogen, mich gepackt und verkündet: Du musst nie wieder staubsaugen mein Schatz!", kichert er mit hoher Stimme.

Mit erhobener Augenbraue schaue ich auf Sean runter. "Was soll denn das für ein Unsinn sein?"

"Na ja. Es muss doch unsinnig und lustig sein."

"Das nennst du lustig?"

"Ähm ..."

"Das geht besser. Ich beweise es dir!" Ich warte, bis Seans Frau endlich mal die Klappe hält und meine das Wort ergreift. Auch ich verstelle meine Stimme. "Meine Liebe! Wie sehr es mich doch erfreut, dass du das elendige saugen des vermaledeiten Staubs, welchen du besonders hasst, endlich an deinen Gatten abwälzen konntest. Doch sag mir: Was musst du stattdessen saugen?" Passend hört meine Frau auf zu quasseln und Seans fängt an. Doch der hält sich die Hand vor den Mund. "Bekommst du noch genügend Luft?"

"Pffft." Anscheinend verliert er welche.

"Sean?" So lustig war's ja nun auch nicht. "Ich glaube, wir lassen das mit dem nachsprechen." Er nickt bloß. Irgendwie komme ich mir gerade ziemlich verarscht vor.
 

~Sean~

Ich kack gleich ab! Chase mit Frauenstimme, oder wie man das nennen soll! Er hörte sich eher wie ein fiependes Wahlross an. Du meine Güte! Beherrsch dich Sean! Nicht laut loslachen! Mir treten schon die Tränen in die Augen. "Langsam wird es unangenehm, Sean."

"Sorry ... Kann nicht ... Pfff ..." Fest halte ich mir erneut den Mund zu. Ich zittere schon und mir schmerzen die Bauchmuskeln.

"Wäre es nicht leichter, du lachst einfach drauf los? Dein Gejapse kann man ja nicht mitansehen."

"Geht gleich ... wieder ..." Ich atme tief durch und versuche nicht an Chases verstellte Stimme zu denken. "Rede nie wieder ... mir dieser Stimme in meiner ... Gegenwart", sage ich und grinse noch immer leicht.

"Du lachst wegen meiner Stimme?"

"Jepp."

"Du lachst mich also aus?"

Ich ziehe einen kleinen Schmollmund. "Nicht sauer werden, aber du hörst dich wirklich, wie sage ich es am nettesten? ... Du hörst dich an, wie ein rostiger Blecheimer mit Magenverstimmung." Wieder unterdrücke ich ein Lachen. "Nimm es mir nicht übel. Als Transe kannst du damit keinen Blumentopf gewinnen."

"Na danke auch." Chase verschränkt seine Arme und lehnt sich an das Holzgeländer, der den Wartebereich kennzeichnet.

"Wir suchen uns besser einen Mann für dich aus", probiere ich es.

"Keine Lust mehr. Ich muss meine Blecheimerstimme schonen. Deren Magen steht kurz vorm übergeben." Ich glaube, jetzt habe ich ihn verärgert. Ich halte lieber die Klappe und warte, bis er fertig ist mit verstimmt sein.

So schaue ich mich hier etwas um, mustere die verschiedenen Menschen hier, deren teilweise furchtbaren Kleidungsstile (manchmal erkennt man daran sogar die Nationalität) und tapse immer mal wieder einige Schritte vor, wenn sich die Schlange in Bewegung setzt. Hin und wieder schiele ich zu Chase, der immer noch muffig dreinschaut. Ich ringe mich gerade dazu durch, mich ordentlich bei ihm zu entschuldigen, da fällt mir auf, wie er beginnt zu grinsen. "Was ist denn?", will ich wissen und kann nicht anders, als auch zu grinsen. Chase ist eben ansteckend.

"Die Kleine da vorn flirtet mit mir." Meine Mundwinkel senken sich. "Die Braunhaarige. Dort an der dreißig Minuten Markierung." Unauffällig folge ich seinem Blick.Die kleine Brünette gafft tatsächlich zu uns. Eher zu Chase. Ganz billig wirft sie ihm heiße Blicke zu, klimpert mit ihren billigen Discounter-Aufklebewimpern und ihrem aufdringlichen Lipgloss-Lippen. Auf sowas steht Chase also?! Auf solche Tussis mit Aufblastitten?!

Ich schaue an mir herunter. Natürlich sehe ich kein Stück weiblich aus. Meine Figur ist durch und durch die eines Mannes, auch wenn ich eher schmal bin und nur einen leichten Muskelansatz habe. Meine verwaschenen Jeans, meine grellgrünen Sneakers und mein graues Shirt rufen eindeutig Kerl. Den meisten wird auffallen, dass sie nicht nur Kerl, sondern auch schwuler Kerl rufen, was aber aufs Selbe hinausläuft. Jedenfalls was Chase betrifft. Und er? Er zieht alle Blicke auf sich. Männliche, wie auch weibliche. Kein Wunder also, dass schon nach so kurzer Zeit eine Tusse auf ihn anspringt.
 

"Falls du vorhast sie im Labyrinth ins Gebüsch zu ziehen, sag mir vorher Bescheid. Damit ich zu Sascha und Peter kann", sage ich leise.

"Was? Quatsch! Die fasse ich nicht an. Dieses Wochenende habe ich mir strengstes Flirt- und Aufreißverbot erteilt."

Bumm bumm bumm. Ruhe auf den billigen Plätzen! Einen Herzkasper bei der Hitze kann ich mir nicht gebrauchen. "Darf ich fragen warum?" Ich zerkaue mir fast die Unterlippe vor Aufregung.

Wegen mir wird er doch nicht ...? "Keinen Bock auf Stress und Rumgeheule", erwidert er schlicht und zuckt mit den Schultern.

"Ach so. Ist auch, glaube ich, besser so. Man weiß ja nie, wohin das führt. Gerade hier. Nie weiß man, wen man trifft und da kann man schon mal ins Fettnäpfchen treten." War rede ich denn da? Habe ich sie nicht mehr alle? Klappe jetzt Sean!

"Kann sein. Aber gucken schadet ja niemanden. ... Und du? Schon was Leckeres ausfindig gemacht?" Hat der eine Ahnung!

"So hier und da ..."

Chase legt ein Lächeln auf. "Sag mir Bescheid, wenn ich störe. Falls du einen gefunden hast, mit dem du gern alleine wärst."

"Mach ich." Gefunden hätte ich schon einen. Nur möchte der ganz sicher nicht mit mir 'alleine sein'.
 

***
 

~Chase~

Mir bricht fast das Kreuz auseinander vom langen Anstehen. "Stehen ist nichts für mich. Meine Füße werden schon taub."

"Kannst du laut sagen." Sean hat sich neben mich ans Geländer gelehnt. "Aber wir müssten gleich dran sein, wenn ich richtig gezählt habe."

"Hoffentlich!", stöhne ich.

Klein Sean behält recht und wir dürfen nach weiteren fünf Minuten Anstehen endlich durch das Tor des Irrgartens treten. Sean ist schon wieder gleich auf Hundertachzig und studiert die uns gereichte Karte. "Wir nehmen den Gang rechts", verkündet er und stürmt ins Labyrinth.

"Wollen wir nicht erstmal warten und uns die Karte genauer anschauen?"

"Nöö! Keine Lust!", ruft er mir zu und ich zockle gelassen hinterher.

Zusammen irren wir durch das Labyrinth aus Wänden und Büschen, landen in Sackgassen und stoßen ein paar mal fast mit anderen Umherirrenden zusammen. Sean lacht dann jedes Mal ausgelassen, studiert dann wieder die Karte, runzelt seine Stirn, was mich dann immer zum grinsen bringt, und bestimmt einen neuen Weg. So auch jetzt. "Wenn wir nach rechts gehen und dann den dritten Gang links, müssten wir bald zum Ausgang finden."

"Nichts gegen deine Navikünste, aber langsam bekomme ich Durst."

"Keine Panik! Ich finde den Weg schneller als du verdursten sagen kannst."

"Verdursten", sage ich und lege den Kopf schief. "Wir sind immer noch hier."

"Witzbold!" Sean geht an mir vorbei und macht sich auf den sicheren Weg nach draußen, wie er meint. Fast bin ich versucht, ihm Giftzwerg hinterher zu rufen, lasse es aber. Hinterher versteht er es falsch. Deshalb eiere ich ihm brav hinterher und überlasse es ihm, mich an die herbeigesehnte Wasserstelle zu rotzen. Meine Kehle ist schon staubtrocken! "Chase?!"

"Ja?"

"Wo bleibst du?!" Sklaventreiber!
 

Ein paar Meter vor mir sehe ich Sean in einen der Gänge nach links abbiegen, will ihm nach, da packt mich jemand am Arm. Die kleine Brünette aus der Schlange vor uns! "Hallo. Endlich habe ich dich gefunden. Das kann kein Zufall sein." Sie spielt sich in den Haaren rum und präsentiert mir ihre Möpse. Nicht schlecht ... Aber nicht das, was ich jetzt brauche oder will.

"Ich muss weiter", wimmle ich sie daher ab und laufe in den Gang, in dem Sean verschwunden ist. "Na klasse! ... SEAN?!" Angestrengt lausche ich nach einer Antwort.

"Chase?!"

"Ich habe dich verloren! Wo bist du denn?!"

"Hier!" Das hilft mir jetzt aber echt weiter!

"Wo ist hier?"

"Na hier eben ... Warte! Ich laufe zurück! Nicht bewegen!" Bleibt mir eine andere Wahl?

"Gute Idee. Bleib schön bei mir." Ich drehe ich um und die Brünette ist schon wieder an mich rangerückt.

"Tut mir leid, wenn du vorhin was falsches verstanden hast, aber ich will nichts von dir." Aufdringliche Ziege! Glaubt die wirklich, ich würde sie hier im Labyrinth ...?

"Du hast mich fast mit deinen Augen ausgezogen, mein Süßer. Meinst du, dass habe ich nicht gemerkt? Komm mit. Dort hinten habe ich ein abgeschiedenes Plätzchen entdeckt." Für eine Sekunde lasse ich mir tatsächlich ihr Angebot durch den Kopf gehen. Ich muss bescheuert sein! Oder schwanzgesteuert.

"Da bist du ja!" Ich drehe mich um. Sean! Endlich! Meine Rettung!

"Gehen wir!" Ich schnappe seine Hand und zerre ihn mit mir. Nur weg von dieser Ziege! Bevor mein Schwanz doch noch die Oberhand gewinnt!
 

~Sean~

Hoppla! Chase ist aber mehr als auffällig darum bemüht, sich und mich von dieser Kuh wegzubringen. Hatten die etwa eben ...? Ich drehe meinen Kopf zu der Brünetten. Glücklich sieht die Gute nicht gerade aus. Ein gehässiges Grinsen legt sich auf meine Lippen. Ja schau nur! Der Traumtyp hier geht mit der kleinen, blonden Schwuchtel weg. HA! Na schön. Er will mich nicht ins nächste Gebüsch zerren. Aber das weiß die Tusse ja nicht. Vielleicht ist sie ja so schlau und hat bemerkt, dass ich auf Kerle stehe. Und vielleicht ärgert sie sich gerade zu Tode, dass Chase lieber mit mir verschwindet, als länger ihre Anwesenheit zu genießen. Wie auch immer, ich habe gewonnen!

"Du bist genau im richtigen Moment gekommen!", sagt er.

"Ich komme immer im richtigen Moment." Der Satz ist raus und ich werde rot. "Sorry." Chase lacht und lässt meine Hand los. Mist! "Ähm. Da lang. ... Was wollte sie eigentlich von dir?" Und habt ihr unanständige Sachen gemacht? Bestimmt doch nicht in so kurzer Zeit. Oder?

Neugierig und ängstlich drehe ich mich zu Chase. "Sie wollte mich entführen."

"Entführen? Und wohin?"

"Keine Ahnung. Ist mir auch egal. ... Gib mal den Plan. Normal müssten wir gleich am Ausgang sein." Er schnappt sich meine Karte und studiert sie, während mir fünftausend Kilo Geröll vom Herzen stürzen. Da war nicht zwischen ihnen und es ist ihm sogar egal! Ich weiß, es dürfte mich nicht so sehr freuen, dass er kein großes Interesse an der Brünetten hat. Tut es aber. Ich glaube, langsam verliebe ich mich doch in den großen Hetero neben mir. Was mache ich denn jetzt? "Hab ihn! Hier her Sean!" Chase steht an einer Biegung und winkt mir freudig zu. Mein Herz macht einen Sprung, als ich ihn so strahlen sehe und ich werde mir immer sicherer, dass meine Gefühle mehr als nur freundschaftlich zu ihm sind.

Ich atme tief durch, lächle zurück und klatsche ihn ab, da er mir die Hand hinhält. "Jetzt gehen wir was trinken! Meine Kehle schnurrt schon zusammen."

"Dann geh vor." Dann kann ich mich erstmal sammeln und aufhören zu sabbern. Ob der Anblick von Chases Knackarsch dabei sehr hilfreich ist, bezweifle ich.
 

***
 

~Chase~

"Mir tun echt die Füße weh", jammre ich und hänge wie ein Schluck Wasser auf einer der unzähligen Bänke, die hier überall rumstehen.

"Mir auch." Sean hockt neben mir und hat die Augen geschlossen.

Ich schaue auf meine Armbanduhr. Kurz vor zwanzig Uhr. Die Tagesbesucher sind schon längst verschwunden. Nur die hier übernachten können sich noch eine Weile auf dem Parkgelände austoben. "Magst du noch irgendwo rein? Die Schlangen sind jetzt wesentlich kürzer als Tagsüber. Das sollten wir ausnutzen."

"Dann in die Wildwasserbahn!" Sofort funkeln die blauen Augen unternehmungslustig.

"Alles klar!" Wir stehen auf und wer taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf? Peter und Sascha. "Hey."

"Hey."

"Viel Spaß gehabt?", frage ich und unterliege der Versuchung, nach Seans Hand zu greifen, nur um damit Sascha fuchsig zu machen.

"Oh ja! ... Und ihr?"

"Jepp. Wir wollen nochmal in die Wildwasserbahn. Bock? Da können immer vier Personen rein." Die Frage richte ich an Sascha. Ein kleines Friedensangebot meinerseits.

"Klasse. Da waren wir noch nicht." Er lächelt mich tatsächlich an! Wow!

"Zu viel rumgemacht, was?" Lachend machen wir uns auf den Weg zur Wildwasserbahn und Saschas miese Laune scheint endlich verflogen zu sein. Wurde auch mal Zeit!
 

Die Schlange ist wirklich viel kürzer und wir werden gleich zu den riesigen Reifen durchgewunken. Ich klettere als erster hinein, um den anderen beim Einsteigen zu helfen. Als wir alle drinsitzen geht es auch schon los. Erst noch recht ruhig, aber das dauert nicht lange an. Der Reifen bekommt immer mehr Seegang und prompt fängt Sean an wie am Spieß zu quietschen, was er schon den ganzen Tag lang macht, und drängelt sich an mich, damit er nicht aus dem Reifen kippt. So rauschen wir in dem künstlichen Pappmasche-Canyon dahin, werden durchgeschüttelt und nassgespritzt. Natürlich bekomme ich wieder das meiste Wasser ab, während klein Sean sich perfekt unter dem Wasserstrahl ducken kann. Das hat er auch schon bei der Wasserbahn gemacht. Ich Trottel durfte ganz vorn sitzen, wurde bis auf die Unterhose nass und hinter mir blieben alle relativ trocken. Manchmal hasse ich es, so groß zu sein!

"Ich bin nass!", piepst Sean, als wie wieder trockenen Boden unter den Füße haben.

"Wo denn? Du Zwerg duckst dich ja immer. Nur ich darf duschen gehen." Sean streckt mir wirklich die Zunge raus! "Ey! Ich hab dir gesagt, wenn du das nochmal machst, setzt es Prügel!"

"Traust du dich doch sowieso nicht." Giftzwerg!

"Warte nur." Düster verenge ich meine Augen zu schmalen Schlitzen. "Im Hotelzimmer wird dich niemand schreien hören." Seans Grinsen weicht einem erschrockenen Gesichtsausdruck. Wie in Zeitlupe segeln seine Mundwinkel herunter. Hoppla! "Das habe ich nicht so gemeint!", beschwichtige ich ihn.

Sean räuspert sich, zwinkert ein paar mal und ... streckt mir erneut die Zunge raus! Schauspielender, schlechtes Gewissen machender Giftzwerg!

"Das reicht jetzt Kinder! Gehen wir was essen und danach noch ein wenig im Park herum." Wir stimmen Peter geschlossen zu und suchen uns ein nettes Plätzchen in einem Restaurant, das noch offen hat. Das sind nicht mehr viele, daher ist hier auch wieder etwas mehr Gedränge, aber es ist erträglich. Stille kehrt ein und jeder blättert für sich die Speisekarte durch.
 

Eine Kellnerin ist es, die unser Schweigen bricht, und wir bestellen schön nacheinander unser Essen. "Du isst also kein Fleisch? Kein Bisschen?", richte ich mich an Sean, der schon wieder ein Nudelgericht bestellt hat.

"Kein Bisschen. Schon seit der Grundschule nicht."

"Wie kommt's?" Ob er deshalb so klein geblieben ist? Ei ei ei. Das war jetzt ein mieser Gedanke von mir!

Ich schäme mich gebührend dafür und höre dem kleinen Giftzwerg weiter interessiert zu. "Unsere Lehrerin war schuld. Sie schleppte uns zu einem Metzger und der veranstaltete ein wahres Massaker an einer toten Schweinehälfte. Keiner hatte mir vorher gesagt, dass die Wurst auf meinem Brot von einem lebenden Tier stammt. Ich fing also an zu heulen, wollte mein Pausenbrot nicht mehr anfassen und durfte früher nach Hause."

"Ganz schön harter Tobak, eine Grundschulklasse in eine Metzgerei zu schleppen." Das finde ich jedenfalls.

"Dafür lebe ich jetzt aber viel gesünder", meint Sean frech und grinst Spitzbübisch.

"So? Meinst du?" Er nickt und ich kann einfach nicht anders und lächle zurück. Für einen Kerl hat er ganz schön feine Gesichtszüge, fällt mir gerade auf. Lange, dichte Wimpern und eine kleine Stupsnase. Dazu der volle Mund, mit dem er so hervorragend schmollen kann. Trotzdem wirkt er nicht weibisch. Man erkennt, dass er ein Mann ist, ein wirklich schöner Mann. Aber eben auch, dass er ...

Ich schlucke hart und wende den Blick von ihm ab. Woher kamen diese Gedanken denn auf einmal? Ich finde Sean schön? Habe ich das jemals von einem anderen Mann gedacht? Das er gut aussieht, oder gar attraktiv ist? Klar schaue ich auch mal dem ein oder anderen Kerl nach, wenn er mir besonders ins Auge fällt, aber das ist was völlig anderes! Dabei denke ich eher an Peter und überlege, ob der diesen oder jenen Typen auch gut finden würde. Stopp mal! Was denke ich den hier die ganze Zeit? Ich finde Männer nicht schön! Keinesfalls!

Es widerstrebt mir, jetzt darüber nachzudenken. Dabei muss ich nur an Vergangenes denken. Und das will ich nicht. Jugendsünden, die ich aus Neugierde fast begangen hätte und die ich niemals wiederholen werde! Ich habe keine Ahnung, wieso sie jetzt wieder hochkommen, aber ich verdränge sie so schnell es geht und fixiere meine Aufmerksamkeit auf Peter. Nur ob das gerade besser ist, wage ich zu bezweifeln. Er und Sascha befummeln sich heimlich unter dem Tisch, was natürlich jeder mitbekommt, der auch nur in unsere Richtung schielt, und spielen frisch verliebtes Paar. Hoffentlich räumen sie nicht gleich den ganzen Tisch ab, um darauf zu ... "Ihr Abendessen!" Die Kellnerin stolziert herbei mit zwei Tellern in der Hand und unterbindet zum Glück weiteres Turtelgehabe an unsrem Tisch. Peter räuspert sich und presst ein Danke heraus, nachdem er seinen Teller vorgesetzt bekommen hat. Natürlich kommt meiner als letzter.

Als wir dann endlich anfangen können zu essen, vermeide ich immer noch jeden Blickkontakt zu Sean. Total kindisch, aber höchst effektiv. Dennoch wandern meine Gedanken immer noch unstet umher und wollen sich von mir partout nicht in eine andere Richtung drängen lassen. So ein Mist!
 

~Sean~

Neugierig mustere ich Chases Profil. Mit dem stimmt doch was nicht! Mit einem Mal ist er verdammt schweigsam, schaut mich nicht mehr an und stochert lustlos in seinem Essen rum. Was hat er denn nur? Gern würde ich ihn fragen, traue mich aber nicht. Dabei war der Tag doch so schön gewesen! Wir haben uns mehr als nur gut verstanden, haben viel gelacht, uns noch über einige dieser Plüschviecher lustig gemacht und eben ... Eben war ein so perfekter Moment, dass ich schon beinahe dachte, dass ...

Ich schließe die Augen. Wunschdenken, Sean! Das habe ich mir nur wieder alles eingebildet, es mir schöngeredet. Der lange Augenkontakt vorhin war nichts anderes als Freundlichkeit. Was soll es auch sonst gewesen sein? Liebe?! Guter Scherz! Ich fange gleich an zu lachen, damit er mich vollends für bekloppt hält. Mir könnte es echt nicht mieser gehen, hätten wir da nicht noch Sascha und Peter, denen man genau ansieht, dass die beiden gedanklich schon in ihrem Hotelbett liegen und miteinander heiße Dinge anstellen. Zu meinem Frust gesellt sich natürlich auch noch Neid. Das muss aufhören! Ich muss ihn mit abschminken! Doch ein Blick in Chases Richtung genügt, und ich vergesse alle guten Vorsätze. Dagegen muss doch was zu machen sein! Nachdenklich drehe ich mir meine Spagetti auf die Gabel und überlege fieberhaft, was mich an diesem Mann stören könnte.

Punkt eins: Er ist ein Weiberheld.

Punkt zwei: Ein Hetero, der Angst davor hat, von einem Schwulen angefasst zu werden, aber keine Angst davor hat, dass ihn einer seiner schwulen Freunde anfasst.

Punkt drei: ... Mir fällt nichts mehr ein. Das war's! Mehr Gegenargumente habe ich nicht. Und das mich Punkt eins nicht stört und Punkt zwei mich eher verwirrt, als stört, bringt mir am Ende gar nichts. Was mache ich denn jetzt? Wie bekomme ich Chase aus meinem Kopf, der schon viel zu nahe an mein Herz gekommen ist?

"Wie wäre es mit was Süßem?" Verdutzt schaue ich zu Sascha, der mich das gerade gefragt hat. "Möchtest du auch einen Nachtisch?", setzt er nach, da ich immer noch dumm aus der Wäsche glotze.

"Ja, lass mal sehen." Oh man! Es geht nur um einen dummen Nachtisch. Und ich dachte schon, sie hätten meine Überlegungen gehört!
 

Also lassen wir uns noch einen Nachtisch kommen und bezahlen danach, um noch eine Runde im mittlerweile dunklen Park zu drehen. Peter und Sascha laufen vor, halten dabei Händchen und kuscheln sich verliebt aneinander. Schmerz! "Ist doof mitanzusehen, was?"

Ich drehe meinen Kopf zu Chase, der neben mir herläuft. "Ja", nicke ich. "Besonders wenn man sich das Gleiche wünscht."

"Hm. Soll ich dir etwas verraten?"

"Was denn?" Mein Herz schlägt sofort schneller. Dieser riesige Hetero hat es vollkommen in seinem Griff.

"Ich weiß gar nicht, ob ich es dir überhaupt sagen soll."

"Erst anlocken und dann nicht zuschlagen? Das ist gemein!" Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. "Erzähl schon."

"Du darfst es aber weder Sascha noch Peter erzählen."

"Ist gut. Versprochen." Schlag langsamer, du verräterisches Herz!

"Letzten Sonntag hatte ich ein Date." Schlag weiter! Nicht aufhören! "Hab's aber abgebrochen." Oh danke! Das bewahrt mich vor einem Herzstillstand!

"Weshalb?" Ganz langsam rücke ich immer näher an ihn ran. Ich kann sein Rasierwasser riechen.

"Wegen dir." Wie angewurzelt bleibe ich stehen, sehe, wie Chase noch einen Schritt weiter geht und sich dann zu mir dreht. "Sean?"

"Wegen ... mir?"

"Ja." Herzkammerflimmern! Gleich kippe ich um! Mir wird schon ganz schwummrig. "Ich wollte ihr nicht wehtun."

"Wehtun?" Wieso wollte er IHR nicht wehtun?!

"Sie suchte auch den Mann fürs Leben und ich, na ja. Ich wollte sie nur ins Bett bekommen. Wie immer. Aber da dachte ich an dich, und wie sehr dich die Sache mit deinem und Aarons Freund fertig gemacht hat, und da konnte ich es nicht mehr. Ich bezahlte das Essen und ging einfach. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich ... Ich bin fast dreißig und ich denke, es wird Zeit, dass ich etwas verändere. Verstehst du?"

"Ja. Klar." Ich verstehe gar nichts! Er hat diese Uschi also nicht gebumst, weil er an mich denken musste? Das ist doch gut, oder? Aber auch irgendwie nicht. Schließlich ging es ihm ja dabei nicht richtig um mich. Ach, ich weiß doch auch nicht! Was soll das alles?!

"Gehen wir weiter? Sonst turteln uns die beiden noch davon." Chase lächelt mich herzerweichend an und will meine Hand greifen, doch das kann ich gerade echt nicht ab!

Ich nicke und laufe selbst mit festen Schritten voran und fühle mich mit einem Mal vollkommen leer. Ich hab keine Ahnung was ich mit der Info anfangen soll. Warum hat er mir das erzählt? Denkt er etwa, ich würde es als Kompliment auffassen, dass er nicht mehr blind durch die Gegend vögelt? Will er mir damit etwas beweisen? Oder gar sich selbst?

Was auch immer es ist. Ich muss das erstmal verdauen und mich selbst dafür hassen, dass ich für einen winzigen Moment so etwas wie Hoffnung gespürt hatte. Ich Idiot! Jedes mal falle ich drauf rein! Jedes, verfluchte Mal!
 

***
 

~Sean~

"Ich geh schnell duschen. Oder willst du zuerst?"

"Nö. Geh ruhig."

Erleichtert schließe ich die Badezimmertür hinter mir. Endlich etwas Abstand zwischen mir und Chase. Der Spaziergang artete zu einem wahren Wandertrip aus, wobei er nicht aufhören wollte zu reden. Ich kann noch nicht mal mehr sagen, über was er alles geredet hat. Ich war nur so froh, wie ich in der Ferne unser Hotel ausmachen konnte und bin automatisch ein Schritt schneller gegangen.

Innerlich immer noch wie betäubt, lege ich meinen Pyjama auf den Toilettendeckel und ziehe mich aus. Unter der Dusche schließe ich einfach nur meine Augen, versuche an nichts und vor allem an niemanden zu denken und bete insgeheim, dass all dieses Chaos in mit mit dem Wasser in Abfluss verschwindet. Das klappt natürlich nicht, aber ich fühle mich doch etwas besser, nachdem ich aus der Dusche trete und mich abtrockne. Jetzt habe ich zumindest die nötige Bettschwere, um hoffentlich auch gleich einschlafen zu können.

Ich trotte aus dem Bad, in dem Chase auch dankbarerweise gleich verschwindet und schlüpfe unter die Decke. Ich muss auf jeden Fall eingeschlafen sein, bevor er wieder rauskommt! Sonst bekomme ich heute Nacht garantiert kein einziges Auge zu.
 

~Chase~

Was auch immer mit Sean los ist, er verrät es mir nicht. Seit ich ihm gebeichtet hatte, dass er der Grund meines Sinneswandels ist, ist er richtig Wortkarg geworden. Das bringt mich echt aus dem Konzept. Ich dachte, es sei was Gutes, und er würde sich darüber freuen, weshalb ich es ihm auch eigentlich erzählt hatte. Doch dem scheint nicht so. Könnte ich ihn damit irgendwie verletzt haben? Ich wüsste nicht wie. Und das Schlimme ist, ich kann darüber auch nicht mit Peter reden, denn sonst wüste er sofort über alles Bescheid.

Ich steige aus der Dusche und wische über den Spiegel. Wäre das eigentlich so schlimm? 'Ja', sage ich mir selbst. 'Das würde mir Peter ein Leben lang vorhalten.' Eins der wenigen Dinge, die ich nicht leiden kann. Jemand, der sagt: Ich hab's dir doch gesagt, aber du wolltest nicht auf mich hören. Das haben mir meine Eltern ständig vorgehalten. Immer wenn ich Scheiße gebaut habe oder etwas passiert war, wofür ich noch nicht mal etwas konnte. Ich höre meinen Vater noch heute ganz genau seine Predigt runterbeten. 'Habe ich es dir nicht gesagt? Irgendwann landest du im Knast! Aber wundere dich nicht, wenn wir dich da nicht mehr rausboxen! Du benimmst dich ab jetzt. Haben wir uns verstanden?' Wie ich es gehasst habe! Diesen hochnäsigen Blick, das versteckte Grinsen. Einfach alles an ihm hat mich auf die Palme gebracht.

Doch das alles ist zum Glück Schnee von gestern, was mich aber nicht weniger aufregen lässt. Alles endete damit, dass sich meine Mutter scheiden lies. Da war ich schon siebzehn. Sie gestand mir, dass er nicht mein richtiger Vater ist, was ich allerdings schon von ganz allein auf die Kette gebracht hatte. Ich überragte beide schon damals fast um zwei Köpfe. Außerdem sind beide blond, ich eben nicht. Dazu noch mein extremes Wachstum und meine Alarmglocken schrillten auf. Wer mein richtiger Vater ist, weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Er war nicht für mich da. Punkt. Der Einzige, der jemals für mich da war, war Peter. Bei ihm heulte ich mich aus, verstecke mich in seinem Zimmer, bis ich ängstlich und kleinlaut nach Hause schlich. Deshalb konnte ich ihn auch nicht verurteilen, wie alle anderen, als er sich outete. Er war, ist und bleibt mein bester Freund.
 

Ich greife nach meiner Zahnbürste. Genug der trüben Vergangenheit. Die Gegenwart hält gerade genügend Rätsel parat, die mich beschäftigen. Zum Beispiel, wie ich mich Sean gegenüber verhalten soll. Vielleicht ist es ihm auch schlicht und einfach nur peinlich, dass er sich letztens bei mir ausgeheult hatte. Das muss es sein. Morgen früh rede ich mal mit ihm. Er braucht sich darüber nicht zu schämen. Nicht er und bestimmt nicht vor mir.
 

***
 

~Sean~

Alles um mich herum ist dunkel. Chase scheint fest zu pennen, weshalb ich mich leise aus dem Bett strample und ins Bad marschiere. Scheiß Konfirmandenblase!

Endlich erleichtert, lösche ich zuerst das Licht im Bad, bevor ich die Tür aufmache. Ich will Chase nicht unnötig wecken. Leise öffne ich die Tür, stehle mich wieder ins angrenzende Schlafzimmer und werde plötzlich gegen die Wand links neben mir gedrückt. Erschrocken ziehe ich die Luft in meine Lunge und versuche was zu erkennen. "Chase?!"

"Psst", macht er nur und drängelt sich an mich. "Sei einfach still. Sonst hört dich noch jemand." Mich hören? Was hat er vor?

Auf die Antwort darauf muss ich nicht lange warten. Ohne Vorwarnung küsst er mich verlangend und dreht mich einmal herum, sodass ich mit meiner Vorderseite gegen die Wand gedrückt werde. Hektisch zieht er mir die Pyjamahose von den Hüften. Ich keuche auf, weiß gar nicht wo mir der Kopf steht. Nur noch meinem Instinkt folgend lehne ich mich an ihn, stöhne laut und lege meinen Kopf zurück, wobei er gleich beginnt mir über den Hals zu lecken. Ich bin so benebelt vor Lust, dass ich mich noch nicht mal darüber wundere, was hier gerade geschieht. Ich werde immer lauter und drängle mich ihm ungeduldig entgegen. Mir ist so heiß! "Oh Sean ... Sean ..."

"Chase!" Ich will ihn küssen, finde aber seine Lippen nicht. "Chase?"

"Sean! ... Sean!" Etwas verwirrt öffne ich meine Augen, sehe ihn aber nicht. Es ist alles dunkel. "Sean! ... Du träumst ... Sean!" Ich träume?

Ich erstarre und lausche. "Sean?" Das ist eindeutig Chases Stimme.

"Chase?"

"Wach schon auf!" Shit!
 

Als hätte ich eine Feder im Rücken, setzte ich mich aufrecht. Ich bin wirklich im Bett! Und Chase? Er hat die kleine Lampe auf seiner Seite des Bettes angeschaltet und glotzt mich wie ein Fisch an. "Endlich bist du wach!", seufzt er und fällt zurück ins Bett.

"Was war denn?"

"Du hast geschrien."

"Ach so ..."

"Hattest du einen Albtraum?"

"Ja", lüge ich. "Danke, dass du mich geweckt hast."

"Kein Ding. Bei deinem Rumgequietsche und Gestrampel hätte ich sowieso kein Auge zumachen können." Ganz toll! "Soll ich das Licht noch anlassen, oder ...?"

"Mach aus. Bin ja kein Kind mehr." Fuck!

"Gute Nacht."

"Nacht", brumme ich und drehe Chase den Rücken zu. In Fötusstellung bleibe ich liegen und ignoriere das Pochen in meinem Schritt. Das war ja wieder mal so klar! Klasse Sean! Gut gemacht! Die heutige Fettnäpfchen-Trophäe geht hiermit an dich!
 

******

Kapitel 4 - Halt mich! Ich hab Angst!

Kapitel 4 - Halt mich! Ich hab Angst!
 

~Sean~

"Morgen."

"Morgn ..." Ich drücke mein Gesicht ins Kissen. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass Chase noch schlafen würde, wenn ich wach werde. Falsch gehofft.

Er steht schon angezogen und aufgebrezelt vorm Bett und grinst mich an. "Noch gut geträumt?" Autsch! Hätte er das nicht vergessen können?

"Hm", brumme ich in das Kissen.

"Muss ja aufregend gewesen sein." Sei doch einfach ruhig! Bitte Chase! "Was hast du denn geträumt?" War ja klar!

Ich drehe mich auf den Rücken und schaue verschlafen zu ihm auf. "Ich war auf der Achterbahn. Die Große. Plötzlich war der Wagon weg und ich bin rausgefallen." Boha! Im Ausreden einfallen lassen bin ich spitzenklasse!

"Na da hätte ich auch geschrien. ... Soll ich warten, bis du dich angezogen hast? Die anderen sitzen schon unten." So spät ist es schon?

"Ich komme nach", murmle ich und schaue auf die Uhr. Halb zehn durch!

"Dann bis gleich." Ich will schon erleichtert ausatmen, da dreht sich Chase nochmal um. "Da ist noch was." Mit nervöser, unterdrückter Schnappatmung sehe ich ihn auf das Bett zukommen. "Wegen gestern. Ich hatte dir doch erzählt, dass ich mich wegen dir ändern will. Weil du letztens im Club so traurig aussahst und ... Na du weißt schon! Ich wollte nur sagen, dass du dich deswegen nicht schämen musst vor mir. Du kannst dich jederzeit wieder bei mir ausheulen."

"Okay ... Danke."

Chase wirkt erleichtert. "Gut, dann bis gleich." Und endlich ist er durch die Tür. Zurück bleibe ich. Verwirrt und nachdenklich.

Dachte er also, dass es mir peinlich gewesen war, mich vor ihm so verletzlich gegeben zu haben? Aber das bedeutet auch, dass er mitbekommen hat, wie sehr mir sein kleines Geständnis auf dem Magen lag. Es noch immer tut. Ein klein wenig jedenfalls.

Ich suche mir meine Kleidung zusammen und gehe ins Bad. Nochmal gehe ich den gestrigen Tag durch, überlege, drehe und wende alles von vorn nach hinten und wieder zurück. Schließlich komme ich zu dem Schluss, dass Chase wenigstens an mich gedacht hatte, als er dabei war, die nächste Uschi in sein Bett zu locken und ein schlechtes Gewissen bekam. Im Moment sollte es mich nicht allzu deprimieren, dass er sie nur nicht flachlegen konnte, weil er gemerkt hatte, dass er eigentlich mich will. Das dachte ich zumindest zu Anfang seiner Erzählung. Vielleicht, man kann es nicht ausschließen, entwickelt sich ja doch was bei ihm. Vielleicht muss ich es nur wachkitzeln. Denn wieso sonst denkt er an mich, wenn er ein Date mit einer Frau hat, bei der er nur auf eins aus ist?

Ich kann da jetzt ewig drüber nachgrübeln. Doch das würde nichts bringen. Am besten, ich vergesse das Ganze erstmal, schaue nach vorn und gucke was sich ergibt. Und wer weiß schon, wie der heutige Tag ausgeht?
 

Mit viel besserer Laune als gestern Abend flitze ich in den Frühstücksraum und suche meine Freunde. Sie sehen mich zuerst und wedeln wild mit ihren Armen. Damit ziehen sie logischerweise alle Aufmerksamkeit auf sich. "Morgen du Pennmütze!" Sascha scheint heute auch mit dem richtigen Fuß aufgestanden zu sein. "Gut geschlafen?"

"Es ging", sage ich verlegen. Bestimmt hat Chase ihnen schon von meinem Albtraum erzählt.

Ich warte auf die witzelnden Kommentare, doch sie bleiben aus. Hat er vielleicht doch nichts erzählt? "Und ihr? Seit ihr überhaupt zum schlafen gekommen?" Das Wort gekommen betone ich extra langsam.

"Und ob! Ganz oft sogar ...", schnurrt Peter und sieht Sascha so verliebt an, dass es mir direkt in die Magengegend schießt. Nein! Ich mag jetzt nicht neidisch werden!

"Gut das wir nicht das Zimmer neben euch hatten." Chase zwinkert mir zu. "Obwohl es bei uns auch ganz laut zuging." Ich hab keinen Schimmer ob ich jetzt lachen oder weinen soll.

Am Tisch wird es so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können, wären da nicht diese Horde von plärrenden und quengelnden Kindern, die uns hier ständig umgeben. "Ja", sage ich leise.

"Wie jetzt? Was habt ihr gemacht?" Peter schaut zwischen Chase und mir hin und her.

"Verraten wir nicht", sagt Chase und schmiert sich in aller Ruhe sein Brötchen.

Ich verkneife mir ein Grinsen. Ich würde doch zu gern wissen, was die anderen beiden jetzt wohl denken. Aber eigentlich kann ich es mir lebhaft vorstellen. "Ihr habt doch nicht ...?" Peters Blick schwankt immer noch zwischen uns hin und her und von unten trifft mich ein leichter Tritt. Der kam von Sascha, dessen Augen skeptisch auf mit ruhen.

"Klar. Die ganze Nacht", antworte ich sarkastisch. Irgendwann ist auch mal gut.

"Die ganze ...?" Entweder Peter tut nur so, oder er ist echt so begriffsstutzig.

"Geschlafen. Wir haben geschlafen. Zufrieden?"

"Jetzt verkackeiert und doch nicht schon am frühen Morgen!"

"Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass Sean und ich heute Nacht miteinander ..." Chase zeigt mit dem Finger abwechselnd auf ihn und mich. "Du bist manchmal echt viel zu leichtgläubig Peter." Chase lacht und greift nach dem zweiten Brötchen. Meins habe ich noch gar nicht angerührt.

Sascha mustert mich noch immer, weswegen ich um eine möglichst neutrale Miene bemüht bin. Was er gerade denkt, weiß ich leider auch nur viel zu gut.
 

~Chase~

"Gehen wir heute zu viert?" Ich schaue in die Runde.

"Können wir. Oder Partnertausch."

"Nee. Zu viert ist lustiger." Sean mag Peters Vorschlag nicht.

"Dann zu viert!", beschließe ich. "Finde ich auch besser. Wir sind ja nur noch bis heute Nachmittag hier."

Geschlossen trotten wir heute also zu viert über das Freizeitparkgelände. "Wart ihr schon überall?", fragt Sean unsre beiden Turteltäubchen.

"Nein. Ihr?" Wir verneinen. "Machen wir es so. Wenn jemand wo rein will, schreit er. Einverstanden?" Peter geht mit Sascha wie gestern Abend voran und zusammen mit Sean dackeln wir hinter ihnen her.

Seine Laune ist zum Glück wieder gestiegen, nach dem kleinen Frühstücksdrama. Wieder einmal habe ich von allem nur die Hälfte verstanden, was zwischen den Dreien stumm ausgetauscht wurde. Offenbar so ein Schwulending. Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Ich fand die Anspielung vorhin eigentlich ganz witzig. Nun ja. Man kann es eben nicht jedem recht machen. "STOPP!" Sascha zeigt auf ein düster aussehendes Schloss. "Da waren wir noch nicht. Ihr?"

"Nein", antworte ich und wundere mich darüber, dass mir das Schloss gestern gar nicht aufgefallen war. Sonst wäre ich dort sicher rein gegangen.

"Müssen wir?" Seans Stimme fiepst neben mir auf.

"Sag nur, du hast Angst?"

"Ich mag sowas nicht. Können die zwei nicht alleine da rein?" Flehend schaut Sean zu mir auf. Das ist ja herzerweichend! Dennoch ...

"Ich würde auch gern da rein." Ich liebe so Zeug! Sean kämpft sichtlich mir sich. "Komm schon. Ich pass auf dich auf. Außerdem gehen da auch Kinder rein. Schau."

Er zerkaut fast seine Unterlippe, nickt dann aber leicht. "Na schön." Ein ängstliches Lächeln und schon eilen wir hinter Peter und Sascha her.
 

Nach nur zwanzig Minuten Anstehen können wir endlich ins Innere und stehen in einem langen Gang. "Auf geht's!" Ich greife Seans Hand und zerre ihn mit mir. Der Kleine zittert richtig. Sonst immer so taff und giftig, hat er jetzt auf einmal solche Angst vor billigen Monsterpuppen und Plastikskeletten. Sogar ein kleiner Knirps, der vor uns läuft, lacht immer wieder aufgeregt und zeigt mit dem Finger auf dieses oder jedes Schreckensdingens. "Warum muss man hier durchlaufen? Können die hier keine Gondeln oder sowas bauen?"

"Weil's im Laufen noch furchterregender ist", antworte ich ihm mit tiefer Stimme. Sean findet es wieder nicht lustig. "Mach dir mal nicht ins Hemd. Ist doch alles unecht." Fast alles.

Denn kaum habe ich das ausgesprochen, kommt ein Kopfloser Kerl auf uns zugelatscht. Sean gibt einen merkwürdigen Ton von sich, zerquetscht mir fast die Hand und drängelt mich bis an die Wand. Als hätte ich ein kleines Mädchen bei mir! Der Kopflose schreitet einfach an uns vorbei und schlüpft durch einen Vorhang davon. Gefahr gebannt, Sean hat sich aber noch lange nicht beruhigt. "Ich will hier raus", quietscht er und versucht anscheinend gerade mit mir zu verschmelzen.

"Wir müssen jetzt hier durch. Zurück geht nicht." Er atmet immer schneller. Langsam bekomme ich auch Angst. Davor, dass er mir hier umkippt. "Das packst du schon", versuche ich ihm Mut zu machen, was auch ein wenig klappt. Das, und mein Arm, den ich kurzerhand um seinen Rücken lege.

Wir laufen weiter und Sean schreit mir einmal fast das Trommelfell durch den Gehörgang, da er von einer blutrünstigen Gummispinne angefallen wird. 'Irgendwann langt es auch mal!', beschließe ich und mit kleinen Scherzen versuche ich Sean etwas von seiner Angst abzulenken. "Guck mal. Der sieht aus wie Aaron." Jetzt lacht er sogar.
 

~Sean~

Erst laufe ich zusammen mit Chase durch dieses Horroschloss, ängstige mich fast zu Tode, da ich sowas überhaupt nicht mag, erschrecke mich einmal furchtbar vor einer dummen Gummispinne und kurze Zeit später schmiege ich mich an ihn, hänge in seinem Arm und lache mich über eine rauchspeiende Figur, die wirklich Ähnlichkeit mir Aaron hat. Ich kann das hier sogar genießen!

Wie auch nicht, bei dem Beistand und Chases Nähe?

So laufen wir langsam durch die vielen Gänge und Räume, weichen Kindern aus, die hier rumrennen und weiteren verkleideten Angestellten, denen ich trotz meines Beschützers ängstlich ausweiche. Ich mag die einfach nicht!

Ganz ehrlich? Hätte mich ein anderer als Chase gefragt, wäre ich nie ihm Leben hier reingegangen. Ich hasse es, nicht zu wissen, was in dunklen Ecken lauert und wer sich da in diesen Kostümen versteckt. Genauso wenig mag ich diese Figuren, die sich bewegen und aussehen wie schlecht verarbeitete Roboter. Mir macht das Angst. Schon immer.

Chase und ich schleichen an einem Raum vorbei, in dem ein Arzt sich gerade über einen Patienten beugt, der vor ihm festgeschnallt auf einem OP-Tisch liegt, als Sascha auftaucht. "Hey!"

"Hey. Wo ist Peter?", frage ich, da ich ihn nirgends entdecken kann. "Da vorn."

"Und was suchst du hier?"

"Du kommst gerade mal mit mir. Ja?" Noch ehe ich mich über Sascha wundern kann, zerrt er mich auch schon aus Chases Umarmung.

Der bleibt nicht still und hechtet uns nach. "Sascha! Was soll denn das?" Das möchte ich auch gern mal wissen!

"Wir gehen jetzt gemeinsam hier durch", sagt er schlicht und versperrt mir die Sicht auf die rechts gelegene Wand.

"Was hast du denn?"

"Später." Mir kommt es fast so vor, als wolle er, dass ich hier was Bestimmtes nicht zu Gesicht bekomme. Aber ich bin ruhig und lasse mich von ihm mitschleifen, bis wir vor Peter stehen.

"Alles klar bei euch?" Ist er besorgt?

"Ja verdammt! Und jetzt lass mich los!" Ich reiße mich aus Saschas Klammergriff und funkle ihn böse an. "Was war denn?"

"Da war was, was du nicht sehen willst."

"Was ich nicht ...? Was soll das?"

"Das würde ich auch gern mal wissen", sagt Chase. "Ich wollte noch zum Doktor." Na da hätte er aber allein reingekonnt!

"Schlechte Erinnerungen", flüstert Sascha mit zusammengebissenen Zähnen. Und plötzlich kann ich erahnen, was er damit meint. Andy. Da muss ihn irgendwas an Andy erinnert haben, und dachte, das würde auch mich an ihn erinnern. Da wir hier in einem nicht so wonne-freudigen Ort sind, kann ich mir auch schon vorstellen was das war.

"Gehen wir weiter?", frage ich. Sascha nickt und auch Peter atmet erleichtert aus.

"Ja aber ..."

"Bitte Chase." Ich flehe ihn fast mit den Augen an, es gut sein zu lassen. "Ich will hier raus."

"Ist gut." Seine Hand legt sich in meine, obwohl ich fast schon darauf gewettet hatte, dass er sein lässt. Ich muss mich arg zusammenreißen. Erstens, um nicht doch noch meiner Neugierde zu folgen, und nachzuschauen, weshalb Sascha mir den Anblick dort hinten ersparen wollte, und zweitens, dass ich nicht der Versuchung nachgebe und Chases Handrücken mit meinem Daumen streichle. Das wäre sicher zu viel des Guten.

Endlich wieder im warmen Sonnenlicht atme ich erleichtert aus. In sowas gehe ich nie wieder!
 

***

~Chase~

Und wieder einmal scheint jeder Bescheid zu wissen, bloß ich nicht. Andy! Schon wieder dieser Andy! Was ist da früher nur gelaufen? Und was hat das mit diesem dämlichen Horrorschloss zu tun? Langsam regt es ich auf. Vielleicht weiß Peter ja mehr darüber. Ich werde ihn mal fragen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

"Wart ihr schon in der Achterbahn, die im Dunkeln fährt?", fragt Peter. Wir verneinen. "Dann geht es erstmal da hin. Die ist klasse!" Soll ich raten, weshalb die so klasses ist?

"Passt aber auf, dass ich euch wärend der Fahrt nicht in die Zunge beisst", ärgere ich ihn. Peters böser Blick ist belohnung genug für mich. Hab ich es doch gewusst!

"Die nun wieder", flüstert Chase und gesellt sich zu mir. "Die können es ja gar nicht abwarten."

"Sieht so aus." In einem Affenthempo eilen sie voraus.

Ob ich Sean jetzt einfach fragen soll? Aber nich, dass er deswegen schlechte Laune bekommt. Ich lass es lieber, bevor ich ihn wieder in die nächste Trübsahlblase jage. Ich kann den kleinen Giftzwerg einfach nicht einschätzen! Sean, das ewige Rätsel. Und wie er mich immer anschaut. Wie ein Welpe! Dann, einen Wimpernschlag später, blitzt er einen so gifig an und witzelt rum, dass man glaubt, einen ganz anderen Sean vor sich zu haben. Vielleicht leidet der Gute auch nur an Stimmungsschwankugen. Oder wie Peter sagen würde: Der hat seine Tage. Auch so ein Spruch, den ich nicht so ganz kapiere. Ist ja auch egal. Bis jetzt ist Sean mir immer noch ganz sympathisch. Sogar mit seinen Gefühlsschwankungen.

"Nicht schon wieder so eine lange Schlange!" Ich schaue in die Richtung, in der Sean voller Entsetzen glotzt.

"Darin sind wir doch schon geübt." Sean brummt nur genervt. Der Herr ist also gerade genervt. Mal sehen, wann er wieder vor lauter Freude laut rumquietsch.
 

***
 

~Chase~

"Der Bügel hält nicht."

"Klar hält der. Guck." Ich rüttle an dem Metallbügel herum, um Sean zu beweisen, dass der Bügel nicht locker ist, und wir nicht während der Fahrt aus der Bahn fliegen.

"Wenn du meinst."

"Mensch Sean! Jetzt muffel hier mal nicht so rum! Was hast du denn schon wieder?" Langsam glaube ich, Peter hat recht. Kerle können auch ihre Tage bekommen. Sean hat sie nämlich definitiv.

"Schau doch mal vor dich. Dann siehst du es." Da vor uns Peter und Sascha sitzen, kann es sich nur um eins handeln. Wie erwartet blödeln die beiden verliebt in ihren Sitzen herum.

"Gleich wird es dunkel und du siehst die beiden nicht mehr."

"Hm", brummt er bloß.

Ich seufze. Weshalb regt ihn das so auf? Ich meine, ich finde es auch nicht so toll, dass Peter und Sascha ständig ihren Speichel austauschen müssen, aber ich kann es verstehen. Außerdem zwingt einer ja niemanden, die ganze Zeit zu ihnen zu glotzen. "Soll ich mir dir fummeln?" Ich grinse Sean breit an.

"Oh ja! Komm her! Steck mir deine Zunge in den Hals!" Mir rutscht eine Augenbraue nach oben. Kleiner Scheißer!

Jedenfalls hören Peter und Sascha jetzt auf, sich überall zu begrabbeln und Letzterer dreht sich leicht erschrocken zu uns. "Was läuft den bei euch wieder für ein Film?"

"Einer ab Achtzehn", lache ich und lege meine Hand auf Seans Knie. "Nicht war mein Hase?" Seans Augen werden groß und jetzt habe ich wieder den kleinen Welpen vor mir. Sagen tut er nichts. Im Welpenmodus bekommt er nie einen Ton heraus.

"Hört auf mit dem Unsinn!", faucht Sascha und dreht sich wieder um.

"Uhuuu! Nur wenn ihr auch aufhört." Mir wird ein Mittelfinger gezeigt. Sehr nett!

Beschweren kann ich mich darüber nicht mehr darüber, denn mit Donnerbrausen saust die Achterbahn los und wir werden in die Sitze gepresst. Sean schreit jetzt schon laut und mein rechtes Trommelfell gibt seinen Dienst auf. Danke Giftzwerg.
 

Wir durchfahren einen Tunnel und sind bereits völlig im Dunkeln. Lichter blitzen hier und da auf und bilden irgendwelche Formen. Wir werden hin und her geworfen, während Sean entführte Jungfrau spielt und erst schreit wie am Spieß und dann laut loslacht. Er ist wirklich manchmal wie ein Kind. Schade, dass ich ihn nicht sehen kann ... Für diesen Satz könnte ich mir schon wieder eine scheuern. Färben Peter und Sascha langsam auf mich ab? Oder etwa Sean?

Von was auch immer diese Gedanken kommen, sie hören abrupt auf. Eine Hand hat sich auf meinen Oberschenkel gelegt. Das kann nur die des Giftzwergs sein. Angestrengt versuche ich zu erkennen, warum er das tut. Nur bei dem Blitzlichtgedöhnse sieht man so gut wie nichts. Er kann doch nicht schon wieder Schiss haben?! "Se ... he … ean …?" Fuck! Wie soll man hier denn ein vernünftiges Wort herausbekommen? Ich könnte seine Hand ja auch einfach wegrücken. Und wenn er doch Angst hat? Dann wäre das gemein. Und wenn ich einfach nach ihr greife und … Okay! Jetzt aber mal langsam hier! Wo will seine Hand denn noch hin?! "Sean?!" Keine Chance. Der Kleine kreischt sich einen ab und wir werden immer wilder durchgerüttelt. Ich muss mich selbst festhalten, damit ich nicht gegen den Rand des Sitzes oder gegen Sean geschleudert werde. Nur was mache ich, wenn die Hand weiter rutscht? Sie liegt ja jetzt schon fast auf meinem Hüftknochen. Was soll das, du kleiner Giftzwerg?

Solange er nicht weiter südlicher vordringt, beschließe ich, es dabei sein zu lassen. Wahrscheinlich hält er sich bloß fest, genau wie ich, und bemerkt noch nicht mal, wo seine Hand sich herumtreibt. Eigentlich bereitet es mir gerade mehr Gedanken, dass die sonst immer aufkeimende Panik ausbleibt. Das kann nur eins bedeuten: Ich habe in dem Kleinen einen neuen Freund gefunden. Genau wie bei Peter bleibe ich ganz entspannt und drehe nicht gleich am Rad, wenn er mir zu nahe kommt. Erleichtert, dass ich doch nicht so ein hoffnungsloser Fall bin, und eben doch meine Ängste in den Griff bekommen kann, genieße ich die restliche Fahrt und vergesse fast die Hand nahe meinem Schritt.

Die Achterbahn kehrt dennoch viel zu schnell ins Tageslicht zurück. Zeit, den kleinen Giftzwerg auf sein verselbstständigtes Händchen aufmerksam zu machen. "Sean?", versuche ich es erneut. Diesmal mit Erfolg. Der Kleine hört mich wieder.

"Das war toll!" Seine Augen strahlen richtig. Warum fällt mir das immer wieder auf?! Muss am schönen Wetter liegen … "Fahren wir nochmal?!"

"Von mir aus. Aber nur, wenn du deine Hand dort wegtust."

"Was?" Ich zeige auf das Corpus Delicti. Sean beschaut seine Hand, bemerkt, wo sie gerade liegt und zieht sie so schnell weg, als habe er gerade einen Stromschlag bekommen. "Tut mir … Das tut mir leid!" Die Bügel öffnen sich und Sean steht auf.

"Mach dir keinen Kopf. Ist ja nichts pass... Sean?" Wo stürmt er denn jetzt hin? "SEAN!"

"Was ist denn mit ihm los?", fragt Peter, doch ich ignoriere ihn und laufe Sean nach, damit er uns nicht verloren geht.
 

~Sean~

Oh Gott! Oh Gott, oh Gott! Wie ist denn das passiert?! Glaubt mir das jemand, wenn ich sage, dass ich das überhaupt nicht bemerkt hatte? Wie konnte meine Hand sich nur dorthin verirren? Oh Gott! Ich sterbe! Ist das peinlich!

Mit glühendem Kopf zwänge ich mich durch die Menschenmassen und renne blindlings drauf los. Wo genau ich hin will, weiß ich nicht. Hauptsache weg von hier! Nur macht mir Chase das nicht gerade leicht. Er rennt mir nach und ruft nach mir. "SEAN! BLEIB DOCH STEHEN!" Ich höre nicht auf ihn und versuche mich ungesehen von ihm aus dem Staub zu machen. Was das bringen soll? Null Ahnung. Erstmal muss ich einen klaren Kopf bekommen und sich meine Scham legen. "VERDAMMT SEAN!" Chase hört sich sauer an. Ich werde langsamer, schaue aber nicht in seine Richtung. Hektische Schritte hinter mir. "KOMM JETZT HER, DU KLEINER GIFTZWERG!" Giftzwerg? Hat er mich gerade Giftzwerg genannt?

Ich bleibe stehen und drehe mich um. Chase kommt auf mich zugelaufen, atmet schwer und hat einen knallroten Kopf. "Verdammt! … Warum rennst … du weg? Hier finden wir dich … nie wieder!"

"Das wollte ich nicht", flüstere ich und schaue ziellos im Park umher.

"Was wolltest du nicht? Abhauen?"

"Auch. Aber ..." Sascha und Peter nähern sich uns. Die brauche ich jetzt nicht auch noch. "Komm mit." Ich eile los und hoffe, dass Chase mir folgt.

"Was? Moment mal! Sean?!" Ich laufe Schlangenlinien, biege in einen Seitenweg und dann wieder in einen anderen hinein. Hinter einem Eisstand bleibe ich stehen.
 

"Warum rennst du schon wieder weg?", fragt mich Chase und stellt sich vor mich.

"Sascha und Peter."

"Wo?" Chase dreht sich um.

"Ist doch egal! Ich wollte sie nicht ..." 'bei uns haben.'

"Was wolltest du nicht?"

Ich atme genervt aus. Nicht wegen Chase, sondern wegen mir. "Die müssen nicht alles wissen. Sonst bekomme ich wieder alle dummen Sprüche ab." Irgendwie stimmt das sogar.

"Ich weiß immer noch nicht, was du meinst." Jetzt fange ich an zu grinsen. Chase ist manchmal echt ein Dussel!

"Wegen der Hand! Klingelt's?" Ich hebe die Hand, um die es geht und wedle kurz mit ihr. "Das ist mir so peinlich! Warum hast du mich nicht schon früher drauf aufmerksam gemacht?" Mein Magen krampft sich zusammen, als ich die Frage stelle, die mich gerade mehr als alles andere interessiert. Hat es ihm etwa gefallen?

"Du hast nichts gehört", sagt er schlicht und zuckt mit den Schultern. Hat es ja dann wohl nicht.

"Ja aber …?"

"Schon gut Sean. Es war halb so schlimm. Du hast das echt nicht mitbekommen, oder?" Chase grinst frech und ich verneine. "Ich dachte, du brauchst vielleicht was zum festhalten."

"DA?!"

"Wer weiß …" Ich schüttle innerlich den Kopf. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau. Ob beabsichtigt oder nicht: Er spielt mit meinen Gefühlen Achterbahn. Fast lache ich laut los. Wie passend dieser Vergleich ist! "Das war kein großes Ding. Wenn es mich gestört hätte …"

"Pff … Hahaaaahaa!"

"Jetzt sag nicht, du lachst …"

"Ob das kein großes Ding war, kann ich echt nicht sagen", kichere ich. Wieso ich nicht vor Scham im Erdboden versinke, bleibt mir ein Geheimnis. Wahrscheinlich, weil die ganze Situation total panne ist.

"Idiot!"

Ich unterdrücke einen weiteren Lachflash und beiße mir auf die Unterlippe. "Idiot? War da vorhin nicht was von wegen Giftzwerg?"

"Oh man." Chase schließt seine Augen. Wer schämt sich jetzt? "Werd jetzt nicht sauer, aber du bist manchmal wirklich einer."

"Das habe ich anscheinend verdient." Bei meinen Gefühlsschwankungen muss er ja denken, ich hätte sie nicht mehr alle. Das er an diesen Schwankungen schuld ist, behalte ich mal für mich. Das würde das alles auch nicht besser machen.

"Es ist nicht so schlimm wie du denkst. Aber manchmal wundere ich mich echt über dich." Na toll! Jetzt bin ich auch noch wunderlich!

"Da seid ihr ja!"

"Was war denn los?!" Auftritt Mama und Papa. Äh! Sascha und Peter.

"Alles wieder gut. Ihm war schlecht", sagt Chase und zwinkert mir unbemerkt zu.

"Ach du Schande! Hast du gekotzt?" Sascha packt meine Schultern und drückt mich an sich.

"Fast", murmle ich gegen seine Schulter. "Geht schon wieder."

"Da bin ich aber froh!"

"Wir sollten erstmal eine Pause einlegen, oder was meint ihr?", fragt Peter und die anderen nicken.

Und ich? Ich denke nur an eins: Chase behält das tatsächlich für sich! Wieso bringt diese Kleinigkeit mein dummes, kleines Herz nur wieder so zum rasen?
 

***
 

~Sean~

Geschafft werfe ich meine Tasche aufs Bett. Auspacken tue ich später. Jetzt ist erstmal eine Dusche angesagt. Die Fahrt war lang und mein Hintern tut immer noch weh. Ganz zu schweigen von meinem Rücken. Das ganze Achterbahngefahre ist definitiv nicht Wirbelsäulenfreundlich.

Ich schnicke die Schuhe von mir und gehe in die Küche, um schnell einen Schluck Wasser zu trinken. Nachdenklich setzte ich mich auf einen Stuhl und trinke mit großen Schlucken gleich das ganze Glas leer, bevor ich mir nochmal nachschenke. 'Was für ein Wochenende!', geht mir dabei durch den Kopf. Nicht nur, dass ich Chase wirklich ein ganzes Stück näher gekommen bin, er hat es sogar zugelassen! Wenn auch eher in die freundschaftliche Richtung. Aber es ist ein Anfang. Nur ob da jemals mehr draus wird? Manchmal, wenn ich ihn anschaute, dachte ich: Ja! Da ist was zwischen uns. Das denke ich immer noch. Ich weiß nur noch nicht, was genau sich da zwischen uns abspielt und vor allem, ob Chase es zulassen würde, sollte sich etwas ergeben. Oh man! Wahrscheinlich bilde ich mir das alles doch nur wieder ein! Aber ich kann einfach nicht aus meiner Haut! Ich fühle es! Sehe es manchmal in seinem Blick, dass dort was schlummert, das ich erst noch erwecken muss. Wie stelle ich das aber an? Wie kitzelt man etwas wach, was unter einer Phobie versteckt ist?

Das ist auch sowas. Chases komische Homophobie, die doch eigentlich gar keine ist. Da stimmt was nicht! Das kann ich riechen. Würde ein Kerl, der am liebsten jedem fremden schwulen Typen vorsorglich eine verpassen will, gleichzeitig mit einem Schwulen in einem Bett schlafen? Wohl kaum! Also was soll das? Warum ist er bei Peter, Sascha und mir so anders? Das er was gegen Aaron zu haben scheint, kann ich ja noch verstehen, aber der Rest? Das alles ist recht komisch und mysteriös. Vielleicht rede ich mal mit Peter darüber. Der weiß bestimmt mehr als er zugeben will.

Das Klingeln meines Telefons schreckt mich auf. Praktischerweise liegt es neben mir und ich gehe sofort dran. "Ja?"

/Ich bins./ Sascha.

"Lange nicht gehört", lache ich und laufe mit dem Telefonhörer aus der Küche.

/Peter lässt fragen, ob wir nochmal ins M gehen. Zum Tag ausklingen./

"Hört sich gut an. Und wann?"

/Um acht./ In einer Stunde also.

"Ich werde da sein."

/Wir sollen dich nicht abholen?/

"Nein. Ich nehme die U-Bahn. Bis nachher." Sascha muss nicht wieder extra wegen mir einen Umweg fahren. Das würde er zwar ohne zu murren tun, aber es ist mir schon peinlich, dass mich jeder herumkutschiert. Dann beeile ich mich lieber und unterziehe mich einer Schnelldusche, damit ich es noch rechtzeitig ins M schaffe. Das könnte die Gelegenheit sein, mehr über Chase zu erfahren.
 

Kurz nach Acht bin ich fast pünktlich da und stürme die kleine Szenebar. Es ist nicht viel los hier, was ganz sicher am heutigen Tag liegt. Deshalb sehe ich meine beiden Freunde schon, als ich noch gar nicht richtig zur Tür rein bin. Aber sie sind nicht alleine. Chase sitzt bei ihnen! Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass er hier auftaucht. Zwar freue ich mich riesig darüber, ihn nochmal zu sehen, aber es macht mich doch ein bisschen stutzig. "Hy", begrüße ich die Drei.

"Auch schon da? Heute verspätest du dich echt gerne, habe ich den Eindruck."

"Leck mich Sascha", brumme ich ihn an, grinse aber dabei. "Mit dir hatte ich ja gar nicht gerechnet." Ich setze mich Chase gegenüber, da der Platz neben ihm schon von Peter besetzt ist. "Keine Angst mehr vor gemeinen Kerlen, die dich verführen wollen?"

"Nicht mehr, seit du hier bist", antwortet er frech und trinkt einen Schluck Bier. Die Antwort gefällt mir mehr als mir lieb ist. Wieder weckt sie Hoffnung in mir und bringt mich zum grübeln, wer Chase denn nun wirklich ist.

Ich bestelle mir solidaritäts halber auch ein Bier, alle drei haben eins vor sich stehen, und greife in die Schüssel mir den kleinen Salzbrezeln. Peter kramt einen Umschlag raus und zieht einen Stapel Fotos daraus hervor. "Du hast die schon ausgedruckt?", staune ich.

"Sofort als wie zuhause waren." Peter verteilt die Fotos auf den Tisch.

Wir stecken die Köpfe zusammen und hängen lachend über den Fotos, die uns im Park zeigen, reden, machen Scherze und trinken ein Glas nach dem anderen. Nach einiger Zeit traue ich mich gar nicht mehr auf die Uhr zu schauen. Bestimmt ist es schon viel zu spät und wir schon viel zu betrunken. Ich bin es auf jeden Fall schon. Chase muss noch fahren, und trinkt daher zusammen mit Sascha alkoholfreies. Aber Peter und ich, wir düdeln hier schon ganz schön rum. Als dann noch plötzlich eins von Peters Lieblingsliedern aus den Lautsprechern dröhnt, ist er gar nicht mehr zu halten. Er springt auf, schnappt sich Sascha und schleift ihn in die Mitte der Bar, wo ein wenig Platz zum tanzen ist. Was haben die beiden für ein Glück!
 

~Chase~

"Nicht wieder so traurig gucken Sean." Ertappt dreht er seinen Kopf zu mir. "Sind hier nicht ein paar interessante Männer für dich dabei?"

Trotzig verneint er. "Kenne ich alle."

"Alle?" Kann ich mir gar nicht vorstellen.

"Flüchtig", winkt er ab. "Die sind nichts für mich, und ich bin nichts für die."

"Peter und Sascha kannten sich doch vorher auch nur flüchtig und bei ihnen hat es geklappt."

"Kann sein." Frustriert knibbelt er an einem der Fotos rum.

"Soll ich dir einen klarmachen?" Tellergroße, blaue Augen mustern mich. "Ich mach das für dich. Kein Thema. Auf was für eine Art Mann stehst du denn?" Mal sehen, ob er drauf eingeht. Eigentlich will ich ihn nur etwas von Peter und Saschas Rumgeturtel ablenken.

"Groß, kräftig, dunkelhaarig, weiß wo es lang geht, kann sich durchsetzen, ist immer nett, kann aber auch mal auf die Kacke hauen ... So einen Mann eben. Jemand wie ..." Er bricht ab und schnappt sich sein Bier.

"Na ja. Irgendwo wird's den schon geben", weiche ich aus. Das er gerade mich beschrieben hat, verdränge ich. Aber er kann mich gar nicht meinen. Wir sind Freunde. Mehr nicht. Allerdings passt die Beschreibung auch auf eine gewisse Art zu Aaron.

"Irgendwo. Ja. Nur werde ich dann das große Glück haben, dass er entweder vergeben ist, oder mich nicht will." Jetzt ist er noch unglücklicher. Da gibt's nur eins.
 

Ich stehe auf und gehe um den Tisch herum. "Hör jetzt endlich auf mit trübsalblasen und tanz mit mir!", fordere ich ihn auf und halte ihm meine Hand hin.

"Du willst freiwillig mit mir tanzen?" Ungläubigkeit in Seans blauen Augen.

"Irre ich mich, oder haben wir nicht schon einmal miteinander getanzt?"

"Doch. Aber ..."

"Na also! Wieso fragst du?" Zögernd nimmt er meine Hand an und zusammen gesellen wir uns neben Peter und Sascha, die total aus dem Takt miteinander eher fummeln, als tanzen. Dann zeigen wir denen Flachtüten mal wie man tanzt!
 

******

Kapitel 5 - Wenn ich dich nicht leiden könnte ...

Kapitel 5 - Wenn ich dich nicht leiden könnte ...
 

~Sean~

"Wahh!!!"

"Halt still!"

"Geht nicht! Das kitzelt!"

"Stell dich nicht so an."

"Du hast gut reden, Chase! Dir fummelt ja gerade niemand am Oberschenkel rum!"

"Du wolltest es doch so! Oder versuch halt selbst an deinen Haustürschlüssel zu kommen."

"Ja, ja schon gut! Beeil dich bitte!", bettle ich und versuche mit Mühe und Not still zu halten. Wieso musste ich auch nur auf die dumme Idee kommen, ausgerechnet jetzt meinen Sektvorrat aufzufüllen? Aber die Gelegenheit war so günstig! Chase bot sich als Fahrer und Träger an, und dank einem Freund hinter der Theke gab es einen großzügigen Rabatt. Leider habe ich beim aussteigen nicht dran gedacht, dass mein Schlüssel für mich unerreichbar in der Hose steckt, weshalb ich gerade eingeklemmt zwischen Wand und Chase stehe und mit Mühe und Not meinen Sechserkarton voll Sektflaschen vorm Abstürzen bewahren kann. Ich kann nur froh sein, dass ich zu beschwipst bin, um auf versaute Gedanken zu kommen, bei dieser Stellung. Ich darf nur nicht genauer darüber nachdenken, wovon mich der schwere Sektkarton wunderbar ablenkt!

"Du Dussel!", schnauzt Chase. "Stell den Karton doch ab."

"Der Asphalt ist nass und dann weicht der Karton auf! Mach doch schneller!" Das Chase ebenfalls einen Karton im Arm hält, macht es auch nicht besser. Wieso musste es auch gerade heute Nacht regnen?!

Die Flaschen klimpern gefährlich aber er schafft es und wedelt schließlich mit dem Schlüsselbund vor meiner Nase rum. "Hab ihn!"

"Dann mach auf! Mir rutscht gleich alles aus den Händen." Endlich tut er mir den Gefallen und die Haustür schwingt auf. Ächzend stürme ich in den Flur und stelle den Sektkarton auf die Treppe. "Man! Das war knapp!" Kaum auszudenken, wenn mir die Flaschen auf den Boden geknallt wären.

"Packst du es bis in deine Wohnung?" Chase stellt sich hinter mich.

"Klar packe ich das!"

"Sicher!" Kichert er gerade?

"Ja! Und hör auf zu ... Was wird das?" Belämmert schaue ich zu, wie er die zwei Sektkartons aufeinanderstapelt und dann zusammen hochhievt.

"Geh voran und mach deine Tür auf. Hopp!"

"Ähm ... Okay!"
 

~Chase~

Geduldig laufe ich dem kleinen Sean hinterher. Er rast die Treppen hoch und verschwindet um die Ecke. Der Schlüsselbund rasselt, also muss er gleich in der ersten Etage wohnen.

Wie vermutet, wartet er vor einer geöffneten Wohnungstür auf mich und lässt mich eintreten. "Stell die Kisten einfach in der Küche ab. Erster Raum gleich links", ruft er mir zu, als ich an ihm vorbeiwetze.

Klirrend stelle ich den Sekt ab. "Das nächste Mal lässt du dich von jemand anderen nach Hause fahren", keuche ich.

"Hör auf zu jammern!" Er klopft mir auf die Schulter. "Aber für deine selbstlose Tat bekommst du auch was ab."

"Danke. Aber ein Glas Wasser wäre mir lieber."

"Sollst du haben", lacht Sean und geht an seinen Kühlschrank. "Setzen wir uns ins Wohnzimmer. Da ist es gemütlicher." Fröhlich strahlend huscht Sean vor mir aus der Küche.

Eigentlich wollte ich hier nicht länger als nötig bleiben. Ich muss morgen, beziehungsweise heute, früh raus. Trotzdem dackle ich wieder hinter dem Blondschopf her. Schließlich schuldet er mir noch ein Glas Wasser, das ich jetzt echt gebrauchen kann. Vom Parkplatz bis hier her waren es gefühlte 1000 Kilometer!

"Setz dich irgendwo hin." Hm. Und wo? Die Couch ist besetzt mit Büchern und Ordnern. "Sorry. Bin gerade dabei meine Abschlussarbeit zu schreiben", erklärt er das Durcheinander.

"Und da hast du Zeit in Bars zu gehen und in Vergnügungsparks?"

"Man kann ja nicht immer nur die Nase in Büchern vergraben", lacht er und setzt sich neben mich. Ziemlich nahe drückt er sich an mich. Ich muss daran denken, dass das vor noch nicht mal zwei Wochen für mich undenkbar gewesen wäre. Jeder andere hätte jetzt schon einen 'netten' Schubser bekommen. Selbst Sascha. Über das Wochenende ist er mir echt ans Herz gewachsen und ein guter Freund geworden, wie ich gerade wieder bemerke. "Habe ich mich eigentlich schon bedankt dafür, dass du die ganze Zeit über bei mir warst?"

Ich runzle die Stirn. "Das ich die ganze Zeit bei dir war?", frage ich nach. "Wo sollte ich den sonst gewesen sein?"

"Du hast doch gemerkt, wie weh es manchmal tat, Sascha und Peter … Ich beneide sie eben. Und ich bin dir dankbar dafür, dass du mich davon abgelenkt hast."

"Ach so! Kein Ding. Ich hatte auch kein großes Bedürfnis danach, mit den Turteltäubchen durch den Park zu scharwenzeln." Das hörte sich eben aber nicht sehr nett an, oder irre ich mich? "Außerdem konnten wir uns so etwas besser kennenlernen", füge ich hinzu und hoffe, er hat das jetzt nicht so verstanden, dass er denkt, nur eine Notbegleitung für mich gewesen zu sein.

Da scheine ich aber Glück zu haben, den er grinst frech, wobei mir wieder seine blauen Augen auffallen. "Ja. Stimmt. Und wir haben jetzt sogar ein paar kleine Geheimnisse, die wir miteinander teilen."

"Dein 'Gekotze' nach der Achterbahn?"

"Genau! Und deine selbstgewählte Datesperre. Oder gilt die nicht mehr?"

"Doch, die gilt noch. Fürs Erste."

Sean grinst noch breiter, was mich ganz kurz irritiert, und trinkt dann einen Schluck Wasser. "Sag mal ... Wie findest du eigentlich Sascha?", fragt er, kaum, dass er das Glas abgestellt hat. Ich hoffe mal, dass das jetzt keine Fangfrage ist.

"Wieso fragst du?", möchte ich deshalb vorsichtshalber wissen.

"Na weil du doch eigentlich keine Schwulen magst, dachte ich. Außer Peter natürlich. Und trotzdem warst du heute wieder mit uns weg, nachdem du uns schon ein ganzes Wochenende ertragen musstest und jetzt sitzt du sogar in meiner Wohnung."

Das scheint Sean ja echt zu beschäftigen. "Ich vertraue Peters Urteil, auch wenn's manchmal nicht so aussieht. Und das ich vor dir oder Sascha keine Angst haben muss, wusste ich sofort. Sascha ist ganz OK."

"Ganz OK?!" Sean lacht hell und schenkt uns endlich das Wasser ein. "Das kann man bei dir wohl als Kompliment durchgehen lassen."

"Ähm ... Ja. Denke schon." Der Kleine bringt mich schon wieder zum grinsen. Er hat so eine Art an sich ...

"Und ich?"

"Was und ich?"

"Bin ich auch bloß ganz OK?" Fragt er mich das jetzt ernsthaft?
 

~Sean~

War die Frage zu forsch? Hoffentlich habe ich ihn damit jetzt nicht vergrault! Ich und mein vorlautes Mundwerk! Erst denken, dann reden! Merk dir das doch mal Sean! Doch die Frage geistert schon in meinem Kopf herum, seit wir nach Hause gekommen sind. Aber da ich jetzt schon damit angefangen habe … "Ich frage halt nur. Weil ... ehrlich gesagt, hat es mich schon gewundert, dass du ohne zu murren mit mir in einem Bett geschlafen hast. Wir kannten uns da doch noch kaum." Ich kann einfach meine Klappe nicht halten! Böser Alkohol! Ganz doll böser!

"Na ja. Bei dir brauche ich ja wohl keine Angst zu haben, dass du plötzlich über mich herfällst", meint er schließlich und wirkt leicht schüchtern.

"Autsch."

"Autsch?"

"Ja. Autsch."

"Die Antwort war nicht gut?"

"Sie war grauenhaft!", rufe ich, erzwinge mir aber ein leichtes Lächeln. "Ein Kompliment war das jedenfalls nicht." Er sieht mich also nicht als Bedrohung. Ich kann ihm nicht gefährlich werden. Soll mir das jetzt gefallen, oder soll ich mich vor Gram darüber unter meiner Couch verkriechen? Ich hätte echt nicht fragen sollen!

"Sorry. Ich meinte ja nur, wenn ich dich nicht leiden könnte, wäre ich wahrscheinlich erst gar nicht mitgefahren. Du bist anders als die Anderen und das gefällt mir an dir."

"Siehst du! Das könnte ein ganz passables Kompliment sein. Für deine Verhältnisse."

"Autsch!", lacht er verschmitzt. "So schlimm bin ich nun auch nicht."

"Na, ich weiß nicht, ich weiß nicht ...!" Ich bekomme einen leichten Fußtritt. Es ist kaum zu fassen, aber ... Ich verliebe mich von jeder Sekunde an mehr in ihn.

Da war es schon wieder! Ich habe es bereits zum zweiten Mal gedacht! Ich bin tatsächlich dabei, mich in Chase zu verlieben! Das ist nicht gut! Gar nicht. Ich sollte die Notbremse ziehen. Ihn bitten, jetzt nach Hause zu fahren. Aber ich kann nicht. Ich will nicht das er geht. Ich fühle mich so wohl, wenn er in meiner Nähe ist.

"Was ist das für eine Abschlussarbeit?", fragt er plötzlich und begutachtet eins meiner Bücher. "Anatomie der Säugetiere?"

"Ja. Ich werde mal Tierarzt."

"Wirklich?!"

"Ja. Überrascht?"

"Etwas schon. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, nachdem du vor einer Gummispinne so sehr erschrocken bist, dass du mir fast das Gehör herausgeschrien hattest."

"Ey! Das war fies! Die ist mir ja auch fast ins Gesicht geflogen!" Muss er mich daran erinnern?

Er fängt an zu lachen und legt das Buch wieder zur Seite. "Tut mir leid! ... Ist aber sicher ein spannender Beruf."

"Ja. Tiere liebe ich schon seit ich denken kann. Und nach einem Schulpraktika wusste ich, dass das mal mein Beruf wird."

"Cool", sagt er und klingt dabei zum schießen komisch.

"Cool? Sag bloß, ihr Heteros verwendet dieses Wort noch?!", ziehe ich ihn auf. Das musste jetzt raus!

"Klar! Ihr nicht?"

"Nein! Cool zu sagen ist total uncool!"

"Und Uncool zu sagen ist Cool?"

"Nein. Aber ich wollte es so sagen, dass du es auch verstehst."

"Sean? Du bist ein Idiot!"

"Danke!"

"Bitte." Wir grinsen uns an. Wenn ich es nicht besser wüste, wäre das jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um sich ihm zu nähern. Mir fällt der Traum von letzter Nacht ein und sofort wird mir ganz heiß. Ich muss an den Kuss denken, daran, wie gierig er mich geküsst hatte. Zwar war das nur ein Traum, aber ... Gott, was würde ich jetzt dafür geben, ihm einfach so meine Lippen aufzudrücken! Auf seine weichen, rosigen Lippen, die so seidig glänzen und sich mir langsam nähern. So verdammt nah, nur noch einige Millimeter und ... Moment mal!
 

Erschrocken zucke ich zurück. "Sorry! Das war ...", stammle ich und schaue Chase erschrocken an. Er blickt mit dem selben Entsetzen in den Augen zurück. Was denkt er denn jetzt nur von mir?

"Tut mir leid! War so ein Reflex!", japst er und steht auf. "Ich ... Es ist spät! Ich muss arbeiten ... Ich gehe besser!"

"Ja. ... Gute Nacht." Total konfus stehe ich ebenfalls auf, will ihn zur Tür begleiten, aber er hält mich auf.

"Bleib nur! Ich kenne den Weg." Eilig flüchtet er aus meinem Wohnzimmer und verschwindet. Die Tür schlägt zu. Er ist weg.

Noch immer ganz benommen falle ich zurück auf mein Sofa, lande schmerzhaft auf einem meiner Bücher. Doch das juckt mich gerade eher weniger. Wir hätten uns fast geküsst! Ich wollte es so sehr, dass ich einfach ... Halt! Er hat sich doch ebenfalls bei mir entschuldigt! Ein Reflex, sagte er! Ja! Das waren seine Worte. Heißt dass ...?

Stopp! Sean mach mal halblang! Chase hat eine Schwulenphobie. Zwar nicht gegen alle, aber er würde bestimmt niemals einen anderen Kerl küssen wollen! Auch nicht nur aus einem Reflex heraus! Das würde er bestimmt niemals machen! Niemals! Bestimmt! Er würde nicht ... Oder?
 

***
 

~Chase~

Sonntagmorgen. Acht Uhr. An Schlaf ist nicht zu denken. Nicht nach diesem Traum! Es ist immer der Selbe. Seit ich und Sean beinahe … Ich will nicht dran denken! Aber jede Nacht sehe ich ihn vor mir. Seit sieben Nächten beherrscht der kleine Giftzwerg meine Traumwelt. Gesehen haben wir uns seitdem nicht mehr und auch gestern Abend habe ich Peters Einladung abgeschlagen, bei ihm vorbei zu kommen, aus Angst, er könnte bei ihnen sein. Allerdings kann ich meinem Freund nicht ewig aus dem Weg gehen. Ich muss mir mal langsam was einfallen lassen. Was werde ich tun, wenn ich Sean wieder begegne? Er vor mir steht, mich mit seinen blauen Augen anschaut und … "Verdammt!" Ich muss an etwas anderes denken! Irgendwas! Autos, Hunde, Lebensversicherungen … Irgendwas! Zum Glück piepst mein Handy genau im richtigen Moment. Dankbar für diese Ablenkung greife ich danach, lese die eingegangene SMS und werde bleich.

Sofort rufe ich Peter zurück, von dem die Nachricht stammt. "Heute Mittag?", frage ich nach, nachdem Peter abgehoben hat.

/Guten Morgen Chase. Dir auch einen wunderschönen Tag. Mir geht es prima. Danke der Nachfrage./

Ich stöhne genervt auf. "Sorry Peter. Ich hatte eine scheiß Nacht."

/War sie nicht gut?/

"Was?" Ich kapiere nicht, was er damit meint.

/Die Frau, die du allem Anschein nach flachgelegt hast. War sie nicht gut?/ Jetzt verstehe ich sein Gelaber.

"Nein. Sie war furchtbar", lüge ich. Die Wahrheit kann ich ihm schlecht sagen. Na gut. Ich könnte schon. Nur mit den Konsequenzen die sich daraus ergeben, könnte ich nicht leben. "Ist ja auch egal. Was ist das jetzt mit heute Mittag?", will ich wissen und reibe mir über die Augen, die am liebsten weiterpennen würden.

/Wir wollten alle zusammen zu Mittag essen. Das schließt dich mit ein. Bitte komm mit. Das lenkt dich auch von deiner schlechten Nacht ab. Bitte, bitte, bitte./ Ich seufze. Wenn Peter so bettelt, kann ich ihm einfach nichts abschlagen. Und was ist schon dabei? Es ist nur ein doofes Mittagessen.

"Wer kommt den noch alles?", frage ich ganz beiläufig.

/Na Sascha, Aaron, Sean, .../ Ich schließe meine Augen.

Genau diesen Namen wollte ich nicht hören. "Ich kann es noch nicht versprechen. Aber ich versuche es", unterbreche ich ihn.

/Wenigstens etwas!/ Peter seufzt. /Also heute zum Mittagessen im 'Jasmin'. Sei pünktlich! Du kennst den Weg?/

"Ja. Ich schaue was ich tun kann." Ich lege auf, atme tief durch und werfe den Telefonhörer auf's Bett. "Scheiße", murmle ich und lege mich zurück in mein Kissen. Ausgerechnet Sean wird dabei sein! Ist ja auch nicht groß verwunderlich. Er gehört ja schließlich auch zur Clique. Das ich ihm nicht über den Weg laufen will, ändert natürlich nichts dran. Und daran schuld ist nur dieser dumm-dämliche Beinahe-Kuss! Der liegt mir noch immer so schwer im Magen, dass ich selbst nach einer Woche noch Bauchschmerzen bekomme, wenn ich daran denke. So was peinliches! Am liebsten würde ich mich vor dem Essen heute Mittag drücken. "Was habe ich da nur für einen Mist gebaut?", frage ich mich selbst, bekomme aber keine hilfreiche Antwort. Von wem auch? Mein Hirn ist seit diesem Erlebnis in Sonderurlaub gefahren. Dabei wäre dieser kurze, mehr als fragwürdige Moment eigentlich kaum der Rede wert, doch leider ... Mir wummert das Herz immer noch wie blöd wenn ich daran denke. Ich meine: Wir hätten uns fast geküsst! Ich! Einen anderen Mann! Und was noch schlimmer ist, ich frage mich schon seit Tagen, wie es wohl gewesen wäre, seine Lippen zu berühren. Ihn zu schmecken. Die seidig-weiche Beschaffenheit dieses vollen, zartrosa Mundes.

"Ahh!!!" Ich schlage auf meine Bettdecke ein und ziehe sie anschließend komplett über mich. "Das kann doch nicht wahr sein!" Ich bekomme Sean nicht aus meinem Kopf! "Nie wieder", murmle ich in mein Kissen. "Nie wieder ..." Alte Erinnerungen kommen hoch. Unwillkommene Erinnerungen. Da hilft nur eins. Eine Frau! Und das so schnell wie möglich! Allen guten Vorsätzen zum trotz muss ich mir eine Frau besorgen. Eine, die mit einem One-Night-Stand einverstanden ist. Fuck! Wieso muss das Leben auch immer so kompliziert sein?
 

~Sean~

"Was soll ich nur anziehen?"

"Da fragst du den Falschen." Griesgrämig schaut mich Aarons Spiegelbild an. "Was willst du nur von dem Kerl? Er ist hetero! He-te-ro! Du verstehst? Der wird deinen knackigen Hintern noch nicht mal bemerken, wenn du ihn direkt in sein hässliches Gesicht drückst."

"Und wieso hat er mich dann fast geküsst?"

"Weil er ein Arsch ist und dich an der Nase herumführt. Oder er suchte einen guten Grund, deine Wohnung so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Keine Ahnung! Such dir was aus."

Sauer mustere ich Aaron. Er sitzt hinter mir auf meinem Bett und bläst Trübsal. "Das hatte er nicht geplant. Er war selbst ganz erschrocken."

"Sicher! Sean, wach auf!" Ich intensiviere meinen bösen Blick noch etwas, was Aaron natürlich wenig beeindruckt. "Vielleicht ist es auch ganz anders", sagt er nachdenklich.

"Anders?"

"Ja. Vielleicht ist er noch ein größerer Arsch, als ich gedacht habe."

"Du hast sie nicht mehr alle!" Angepisst zupfe ich an den Strähnchen rum, die nicht an ihren Platz bleiben wollen.

"Denk doch mal nach! Er nähert dir sich angeblich, um dich zu küssen, bricht dann aber panisch ab?"

"Und? Er findet mich eben doch anziehend."

"Mensch Sean! Setz endlich mal deinen Hirnkasten in Bewegung! Die Nummer habe ich selbst eine Zeit lang abgezogen. Und ich kenne genug solcher Typen, die einen auf Hetero machen und sich dann extra für die kleine Schwuchtel umdrehen lassen, nur um jemanden ins Bett zu bekommen." Ich will gar nicht wissen, was Aaron damals für ein Arschloch war und was er dabei für theaterreife Schauspielkünste an den Tag gelegt hatte.

"Sag was du willst. Ich weiß das da etwas zwischen uns ist. Außerdem bräuchte so jemand wie Chase bei mir keine Nummer abzuziehen. Ihn würde ich jeder Zeit ranlassen." Dabei denke ich unwillkürlich an die Nacht im Hotel. Wenn ich nur daran denke, er hätte dort wirklich versucht mich flachzulegen … Aaron lacht leise und bringt mich damit meine Gedanken in sichere Gefilde.

"Denk was du willst. Entweder er verarscht dich und denkt dich so schneller ins Bett zu bekommen, oder es war tatsächlich ein Ausrutscher und er geht dir jetzt hoffentlich aus den Weg vor lauter Scham."

"Chase ist anders", flüstere ich. "Und egal was du sagst, ich will gut für ihn aussehen." Er soll sehen was ihm entgeht.
 

Nachdenklich schaue ich mein Spiegelbild an. Die perfekt sitzende, schwarze Jeans, das hellgraue, enge Shirt wodurch man genau meine Muskeln erkennen kann. Dazu meine verwuschelte, blonde Frisur, die aussieht, als wäre ich gerade aufgestanden, dennoch viel Arbeit morgens einfordert und zu guter Letzt meine blauen Augen, die einen dahinschmelzen lassen können, oder jemanden unerbittlich in Grund und Boden starren können. Je nachdem, was gerade in mir vorgeht. Ich weiß wie schwule Männer auf mich reagieren. Was ist aber mit Chase? Wird ihn das alles wirklich vollkommen kalt lassen? Geht es ihm vielleicht sogar so wie mir? Denn mittlerweile ist aus dem kleinen Funken ein mittelgroßes Lagerfeuer geworden. Und ich fürchte, es ist längst zu spät, um es einfach auspusten zu können. Ich will ihn! Chase geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin verliebt!

"Er ist die Mühe nicht wert. Glaub mir." Aaron ist aufgestanden und umarmt mich von hinten.

Traurig erwidere ich seinen Blick. "Ich möchte aber, dass sie es ist. Ich mag ihn, Aaron."

"Immer sind es die Falschen, was?"

Ich schließe meine Augen. "Scheint so. Aber weißt du was?" Er verneint. "Gerade deswegen werde ich nicht aufgeben. Ich angle mir diese große Hete. Du wirst schon sehen."

Jetzt grinst Aaron schmal. Wobei seine Augen diesen matten Schleier verlieren. Er sollte öfter lächeln. "Wenn es jemand schafft, dann du", sagt er und drückt meinem Hinterkopf einen Kuss auf. "Ih! Gel."

"Selbst schuld." Was würde ich nur ohne meinen Riesentrauerklos machen?
 

***
 

~Sean~

Nervös laufe ich hinter Aaron her. Ob Chase schon da ist? Ich hoffe es so sehr und bin gespannt, wie er auf mich reagiert. Ob er mich anlächelt? Oder wird er mich ignorieren? Vielleicht kommt er auch gar nicht. Oh bitte sei da!

Ich spähe über Aarons Schulter, zu dem Tisch, an dem schon Sascha und Peter sitzen. "Ihr seid ja pünktlich!", ruft uns Peter zu und winkt hektisch.

Beide stehen auf und laufen uns direkt in die Arme. "Ist sonst noch niemand da?", frage ich.

"Die Anderen kommen doch immer zu spät." Peter klopft mir auf die Schulter. "Und Chase ist von der besonders späten Sorte", flüstert er und zwinkert mir zu. 'Er hat mich sofort durchschaut!', schießt mir durch den Kopf. Kunststück! Ich habe ihn ja auch letztens penetrant nach Chase ausgefragt. Ein Blinder hätte bemerkt, dass ich auf ihn stehe. Trotzdem komme ich mir total ertappt vor und setze mich still und leise an den großen Tisch. Aaron setzt sich neben mich, schielt mich komisch an, sagt aber nichts.

Wann kommt er nur?
 

Der Tisch füllt sich langsam. Neue Freunde, alte Freunde und ... Ich schlucke hart. Gerade kommt Gerd auf uns zu und setzt sich seelenruhig zu uns an den Tisch. Gerd war mal ein Freund von Aaron. Seit Andys ... Naja. Seit Andy nicht mehr da ist, will Gerd von Aaron nichts mehr wissen. Er gibt ihm die Schuld an der ganzen Sache damals. Warum Gerd überhaupt heute hier ist, weiß ich nicht. Was hat sich Sascha dabei nur gedacht? Auch Aaron sieht nicht begeistert aus und starrt auf das Besteck vor sich. Wie soll ich mich da heute auf Chase konzentrieren? Falls er überhaupt kommt.

Neben mir versinkt Aaron immer mehr in seinem Besteck. Seine Hände unterm Tisch kneten sich fest. Scheiße! Vor Wut kicke ich Sascha unterm Tisch gegen das Bein. "Aua! Was sollte das jetzt?!"

Ich sende ihm böse Blicke zu, doch er kapiert es nicht, oder will es gar nicht. "Wieso ist DER hier?", frage ich daher einfach und nicke mit meinem Kopf in Gerds Richtung. Gebe mir gar keine große Mühe, meinen Hass gegen Gerd zu verbergen. Gleichzeitig greife ich nach Aarons Händen. Gott, die zittern ja richtig!

"Wir trafen uns gestern im Supermarkt und habe ihn kurzerhand eingeladen", erklärt mir Sascha.

"Schön!", schnaube ich. "Du hast nur leider eins vergessen: Uns danach auszuladen!" Sauer stehe ich auf, ziehe Aaron mit mir, der sich erstaunlicherweise gar nicht wehrt, und will schon losstürmen, da steht plötzlich Chase vor mir. Den hatte ich ja ganz vergessen!

Wir glotzen uns wie Autos an, sagen kein Wort. Dafür aber Sascha. "Sean! Warte doch mal! Man kann doch einen Neuanfang ..." Der Rest des Satzes geht in lautem Geplapper unter, den neben Chase taucht eine vollbusige Blondine auf. "Hallo zusammen! Ich bin Anne." Ich hasse sie auf Anhieb!

"Hast du die mitgebracht?", frage ich Chase und zeige auf das Miststück. Er nickt, was mir einen schmerzhaften Stich in der Brust beschert. "Schön! Passt ja hervorragend! Ich halte es auch ohne dieser billigen Blondine hier nicht mehr aus!"

Wütend, enttäuscht und frustriert stürme ich, Aaron immer noch an der Hand, an Chase und seiner blonden Matratze vorbei. Die können mich alle mal!
 

"Sean! Wartet doch!"

"Leck mich Sascha!", rufe ich erstickt. Das hält ihn trotzdem nicht auf, uns bis nach draußen zu folgen.

"Wartet doch! Lasst mich das erklären!"

Ich bleibe stehen und drehe mich wütend um. Aaron, der mit meiner Vollbremsung nicht gerechnet hat, rennt mich dabei fast über den Haufen. "Du weißt ganz genau, dass Gerd Aaron die Schuld für Andys Tod gibt! Wieso schleppst du ihn dann mit hier her?! Wir sind deine Freunde! Nicht dieses Arschloch!" Ich brülle. Ich brülle mir den ganzen Frust von der Seele. Aaron schweigt weiterhin.

"Jetzt hör mir doch auch mal zu! Peter hat ihn eingeladen."

"Was?!"

"Wie gesagt. Wir trafen Gerd beim Einkaufen und redeten kurz miteinander. Peter lud ihn kurzerhand zu unserem Essen ein und dachte wohl, er tut was Gutes damit. Ich klärte das Missverständnis auch nicht weiter auf und hoffte, wir könnten alle nochmal von vorn anfangen."

"Da hast du falsch gedacht", zische ich, unterdrücke die gerade aufkommenden Tränen und schleife Aaron ins Auto. Sascha schaut uns noch einen Moment lang flehend an, geht dann aber wieder ins Restaurant. Er kennt mich. Jetzt lasse ich mich mit Sicherheit nicht umstimmen.

Da Aaron immer noch wie parallelisiert vor sich hinstarrt, setze ich mich ans Steuer. So lasse ich ihn ganz sicher nicht fahren. Und ich sollte mit meiner Einschätzung recht behalten. Denn gerade als ich das Auto starten will, fällt mein Freund förmlich in sich zusammen. "Ich bin schuld! Ich habe Andy in den Tod getrieben!"

"Nein! Aaron hör auf damit." Ich schlucke einen dicken Klos runter und kann meine Tränen diesmal nicht zurückhalten.

"Hast du Gerds Blick nicht gesehen? Er weiß, dass ich an allem Schuld bin!"

"Das bist du nicht!"

"Wieso versuchst du mich zu trösten?! Gerade du müsstest mich doch hassen!"

"Ich hasse dich aber nicht." Fest ziehe ich ihn in meine Arme. "Du bist nicht Schuld an Andys Selbstmord. Du wolltest ihm nur helfen." Er setzt zu einer Antwort an, schluckt sie aber wieder runter.

Nur langsam beruhigt er sich wieder und ich schiebe ihn ein Stück von mir, damit ich ihn ansehen kann. "Du kommst heute mit zu mir. Okay?" Er nickt schwach. In diesem Zustand lasse ich ihn bestimmt nicht allein. Er säuft sich sonst nur wieder die Birne zu. Jetzt kann ich mich mal revanchieren, und ihn trösten. Das musste ich bis jetzt noch nie. Normal betrinkt er sich immer still und heimlich, wenn er wieder zu großen Kummer wegen der ganzen, tragischen Geschichte hat und gibt mir so keine Chance mich um ihn zu kümmern. "Mach dir keine Vorwürfe Aaron. Du kannst nichts dafür." Er erwidert nichts darauf. Ich streichle über seine Wange und drücke ihm einen Kuss drauf, ehe ich losfahre. Während der Fahrt beobachte ihn immer mal wieder im Spiegel. Keine Träne. Kein Schluchzen. Kein einziges Wort. Nichts. Er frisst wieder alles in sich hinein.

Und ich? Ich zerquetsche fast das Lenkrad vor lauter Wut. Wut über Sascha, der Gerd nicht wieder ausgeladen hat, oder mit wenigstens Bescheid gegeben hat, dass dieses Arschloch hier auftaucht. Wut über Chase, der diese billige Blondine mitgeschleppt hat. Warum auch immer. Und auch Wut über mich, dass ich wirklich geglaubt habe, dass ich mit sowas konkurrieren könnte. Chase ist eine Hete, verfluchte scheiße! Was will er mit mir? Das hat er mir eben ganz deutlich klar gemacht. Solange mir keine Brüste wachsen und mir da unten was abfällt, brauche ich es bei ihm gar nicht erst zu versuchen. Was den Fast-Kuss angeht: Wahrscheinlich ging der doch nur von mir aus, und mit meiner rosaroten Brille habe ich mir nur Dinge eingebildet, die gar nicht da waren. Glückwunsch Sean! Du hast dich mal wieder zum Volldeppen gemacht!

Ich atme tief ein. Selbstvorwürfe kann ich mir auch noch später machen. Jetzt muss ich mich erstmal um Aaron kümmern. So gut ich eben kann.
 

~Chase~

Anne plappert. Sie plappert und plappert, und das obwohl alle hier am Tisch noch ganz verwirrt von Seans und Aarons Abgang sind. Eigentlich hielt ich es für eine gute Idee, Anne als Puffer zwischen mir und Sean mitzunehmen. Tja Chase! Ganz offensichtlich eine beschissene Idee. Ich weiß nicht, was vorher hier abgegangen ist, und was Sean so in Rage gebracht hatte, aber als er mein Date sah änderte sich sein Blick von sauer auf enttäuscht und dann wieder zurück zu sauer. Jetzt lässt mich mein schlechtes Gewissen nicht mehr los. Ich habe sogar kurz überlegt ihm genau wie Sascha zu folgen. Lies es aber. Ich bin ein Feigling.

"Dann währen wir nun zwei weniger." Sascha ist zurück und setzt sich wieder an seinen Platz. Sein Gesicht ziert ein nervöses Lächeln.

"Was war den eigentlich los?", fragt Peter.

"Alte Geschichte." Mehr mag Sascha dazu wohl nicht sagen, denn er winkt die Bedienung zu uns. "Neun mal das Buffet bitte. Was wollt ihr trinken?"
 

***
 

~Chase~

"Ich sage euch! Das war so heiß da! Ich hatte den schlimmsten Sonnenbrand aller Zeiten und solche Angst, dass ich jetzt diesen Hautkrebs bekomme. Aber mein Dok gab Entwarnung." Oh Gott! Bitte erschlage mich doch irgendjemand! Anne ist kaum mehr zu bremsen und quasselt seit einer Stunde ununterbrochen dummes Zeug. Ich schäme mich so! Nie wieder! Nie wieder werde ich ein kurzfristiges Date im Internet suchen!

Wir stehen schon alle am Ausgang, warten nur noch auf Sascha, der bezahlt, und dann geht es endlich wieder nach Hause. Eigentlich wollte ich Anne gleich noch meine besondere Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen, doch das blase ich ab. Ich will nur noch meine Ruhe! "Sascha! Endlich!" Peter fliegt in die Arme seines Lovers.

Man sieht ihm an, dass auch er die Schnauze voll von meiner Begleitung hat. Entschuldigend blinzle ich ihn an und forme mit den Lippen ein stummes Sorry. Er schüttelt nur leicht den Kopf, hebt seine Hand zum Gesicht und gestikuliert, dass ich ihn so schnell wie möglich anrufen soll. Heute sicher nicht mehr.
 

Wir verabschieden uns und ich verfrachte die gesprächsfreudige Anne in mein Auto. Kaum das ich sitze, landet ihre extrem manikürte Hand in meinem Schoß. Will die damit meinen Schwanz zerkratzen?! "Zu dir, oder zu mir? Wir können auch gleich hier ..." Unmissverständliche Handbewegung in meinem Schoß.

"Ich fahr dich zu dir", brumme ich und schiebe ihre Hand aus meinem Schritt. Sie kichert dümmlich. Anscheinend denkt sie immer noch, dass es gleich zur Sache geht. Soll sie das erstmal. Auf keinen Fall möchte ich ihr noch mehr Anlass zum reden geben. Nutzt nur nichts. Trotz beginnenden Kopfschmerzen und Ohrensausen versuche ich ihre nervige Stimme zu ignorieren, und drehe das Radio lauter. Ich habe andere Sorgen, als irgendeine Handtasche, die sie sich doch so gern kaufen würde. Sicher denkt sie, ich würde sie damit beglücken. Keine Ahnung, welche reichen Stecher sie sonst so hat, aber ich würde ihr auch nichts kaufen, wenn ich Geld als Klopapier verwenden könnte.

Ein schiefes Grinsen zaubert sich auf meine Lippen. "Das kenne ich. Immer fehlt das nötige Kleingeld", sage ich mit möglichst viel Bedauern in meine Stimme. "Manchmal muss man sich eben entscheiden: Das Geld für die Miete zusammenkratzen, oder die tollen Designerschuhe der letzten Kollektion kaufen."

"Ach! Du hast auch ..." Sie lacht schon wieder dümmlich und gestelzt. Sie hat doch jetzt nicht wirklich gedacht, in mir ihren neuen Sugardaddy gefunden zu haben?! Anscheinend schon. Anne verstummt. Nicht für lange allerdings. Leider. "Weißt du, mein Mann gönnt mir leider nicht oft was." Aha. Da liegt der Hase also begraben.

"Du bist verheiratet?"

"Ja."

"Schön. ... Wieso meldest du dich dann auf Singleseiten an?" Traurig aber war. So habe ich sie kennen gelernt. Als Notfalllösung, sozusagen, für die ich mich mehr als schäme.

"Nur so." Gesegnete Stille. Diesmal sogar solange, bis ich vor ihrem Haus halte. Sie schaut mich an, scheint nachzudenken. Oder sie sortiert das Vakuum in ihrem Kopf.

"Kommst du mit hoch?", fragt sie schließlich.

Sie will mich also dennoch. Trotz offensichtlichen Geldmangels. "Sorry. Ich hab Migräne."

Sie glotzt mich doof an, kichert dann und sagt: "Männer haben das auch? Ist ja lustig!" Wahnsinnig lustig.

"Kommt bestimmt von dem vielen Glutamat beim Asiaten eben."

"Von was?"

"Nichts", winke ich ab. Was für eine Hohlbirne! "Danke für deine Begleitung." Als sie endlich aus meinem Auto ist, atme ich tief ein. "Auf nach Hause." Der Tag kann sicher nur noch besser werden!
 

~Sean~

Sanft kraule ich Aarons Nacken. Er liegt neben mir im Bett, hat sich eingerollt und schnarcht leise. Vorhin hat er so sehr gezittert, dass ich kurz davor war, ihn ins Krankenhaus zu fahren. Das wollte er aber nicht, blaffte mich an, er habe keinen Nervenzusammenbruch, wie ich ihm so gemein unterstellen wollte. Deshalb habe ich es dann doch sein lassen, was ihn glücklicherweise Beruhigte. Das, und das kleine Gläschen Schnaps, das ich ihm gönnte, brachten ihm etwas Ruhe. Das er gleich am liebsten die ganze Flasche geleert hätte, konnte ich ihm schmerzlich ansehen. "Du brauchst das Zeug nicht. Ich bin doch da", sagte ich sauer und leerte den restlichen Inhalt der Flasche in den Ausguss. 'Scheiß auf den Teuren Schnaps! Besser so, als wenn er sich heute Nacht heimlich dran bedient', dachte ich bitter und spülte nochmal mit heißem Wasser nach. Danach redeten wir kein Wort, lagen zusammen auf der Couch und schauten fern. Abends zerrte ich ihn ins Bad, wo er zum Glück allein klarkam.

Und jetzt liegen wir hier.

Eine kleine Kerze brennt auf meinem Nachttisch. Nachdenklich lasse ich meinen Blick über Aarons Profil gleiten. Er ist wirklich ein Hingucker. Wenn ich es könnte, wenn ich wüsste, dass ich es schaffen würde, könnte ich mir sogar manchmal vorstellen, mit Aaron ... Nein! Das könnte ich doch nicht! Wir würden uns gegenseitig zu Grunde richten. Aber bald muss sich etwas Grundlegendes in Aarons Leben ändern. Er macht sich selbst kaputt. Wäre Andy doch niemals auf den Gedanken gekommen ...

Ich schließe meine Augen. Sofort taucht Andy vor meinen geschlossenen Lidern auf. Die dunklen Haare, die wunderschönen, braunen Augen, die mir eine Gänsehaut über die Haut jagen konnten. Nicht zu vergessen sein einnehmendes Wesen, das mich sofort gefangen genommen hat. Er war lustig, sanft und gleichzeitig fordernd. Es war Liebe auf dem ersten Blick bei mir. Nur wusste ich da noch nicht, dass ich nur ein kleiner Betthase für ihn war. Zwar für ein ganzes, wundervolles Wochenende, aber es langte um mir den Kopf zu verdrehen.

Und dann erfuhr ich von seinem Selbstmord, und auch wieso er das getan hatte. Ich war am Boden zerstört, suchte jemanden, der Andy gekannt hatte und fand Sascha. Er half mir, ging mit mir zu dem Test, der mir mein letztes Nervenkostüm kostete und hielt meine Hand. Mit dem überstandenen negativen HIV-Test dachte ich, jetzt wird alles gut. Doch das wurde es nicht. Sascha stellte mir Aaron vor und obwohl er es am Anfang gar wollte, freundeten wir uns langsam an. Jetzt habe ich sogar oft das Gefühl, dass wir fast wie ein altes Ehepaar sind. Wir kennen unsre Macken wie kein Zweiter und das, obwohl wir uns noch gar nicht lange kennen.
 

"Sean? ..." Aaron wacht auf.

"Bin da."

Er blinzelt mich an, kann aber seinen Blick nicht ganz fokussieren, weshalb er seine Augen wieder schließt. "Gerd hasst mich und hat recht damit."

"Nein hat er nicht. Gerd ist ein Arschloch und hat null Ahnung wovon er redet. Er kannte Andy doch gar nicht richtig." Es tut mir weh, Aaron so verletzlich zu sehen. "Dich trifft keine Schuld! Aaron? Sieh mich an!" Zu meiner Verwunderung hört er auf mich. "Jeder hätte so gehandelt. Natürlich warst du sauer und enttäuscht. Das Andy mit seinem Leben Schluss gemacht hatte, war allein seine Entscheidung."

"Du kanntest Andy auch nicht", zischt er.

Den kleinen Stich in meinem Herzen deswegen ignoriere ich. Aaron meint es nicht so. "Stimmt. Aber Sascha tat das. Und er sagt dir das auch immer wieder." Sascha sagt noch mehr. Aber das wiederhole ich jetzt lieber nicht.
 

"Was war das eigentlich für eine Schlampe, die dein toller Chase da mitgebracht hatte?" Der Themenwechsel bringt meinen Denkapparat für einen Moment ins stolpern.

"Woher soll ich das wissen? ... Lenk nicht ab", krächze ich.

Kaum zu glauben, aber Aaron lächelt. "Das tue ich. Stimmt. Ich will nicht mehr an Andy denken. Da ärgere ich dich lieber ein wenig und lenke mich damit ab."

"Sehr nett von dir!", schnaufe ich. "Ehrlich gesagt, habe ich noch fast keinen Gedanken an dieses unwillkommene Zusammentreffen verschwendet."

"Nicht?" Ich verneine. "Dieses blonde, aufgeblasene Weib diente doch sicher nur dazu, um dir zu zeigen, dass er auch wirklich hetero ist."

In mir dreht sich mein Magen einige male um sich selbst. "Drück es mir doch nochmal rein."

Aaron lacht leise und tätschelt meine Wange. "Du Dussel! Erkennst du es nicht?!"

"Und was bitteschön?"

"Chase ist total verklemmt." Ich hebe eine Augenbraue. "Denk doch mal nach! Wozu sich so eine 'Sexbombe' an die Seite stellen, wenn jeder Kerl im Raum schwul ist, und es keinen Schwanz interessiert, wen er da eventuell vögelt?"

In meinem Kopf macht es klick. "Meinst du etwa ...?!"

"Genau, mein süßer Sean! Chase wollte dir und auch ihm beweisen, dass er ein supertoller Stecher ist. Vor allem aber ein Hetero-Stecher! Meinst du nicht auch, dass das sehr nach Realitätsverdrängung aussieht?"

In mir purzeln alle Gedanken wild durcheinander. Meint Aaron das im Ernst, oder veräppelt er mich nur? Falls ja, dann ist das ganz schön gemein von ihm! "Ich weiß nicht ...", murmle ich. "Wieso erzählst du mir das und schürst meine Hoffnung nur wieder? Magst du ihn jetzt doch?"

"Das macht Chase für mich nicht sympathischer. Eher im Gegenteil."

"Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?"

"Abwarten."

"Abwarten?"

"Genau. Lass ihn auf dich zukommen. Alles andere würde ihn nur überfordern."

Das lässt mich schmunzeln. "Der große Liebesexperte hat gesprochen!"

"Liebesexperte? Eher nicht! Aber ich bin definitiv mal ein ganz guter Menschenkenner gewesen und ich kenne mich mit verklemmten Schwestern aus. Und glaub mir. Ich irre mich selten."

Schön für ihn. Soll mir das jetzt Hoffnung machen? Ist Chase wirklich eine 'verklemmte Schwester'?
 

******

Kapitel 6 - Ist er …, oder ist er nicht?

Kapitel 6 - Ist er …, oder ist er nicht?
 

~Chase~

Seit gut einer halben Stunde schweigen wir uns an. Unsre Münder haben auch definitiv etwas besseres zu tun, als zu reden. Zum Glück! Denn reden möchte ich nicht wirklich. Nur habe ich das dumme Gefühl, dass mein Gegenüber genau aus diesem Grund bei mir ist.

Peter kam heute Abend vorbei und brachte was vom Italiener mit. Meinem Italiener wohlgemerkt. Ohne einen Ton zu sagen lächelte er mich an, hielt die Tüten voll leckerem Essen hoch und lief an mir vorbei in die Küche. Leider habe ich gerade einfach keinen Appetit, so gut mir die Nudeln auch schmecken. Seit gestern schon esse ich nur das Nötigste. Seit der Begegnung mit Sean. Sein verletzter Blick geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Jener Blick, den ich bei ihm gesehen habe, als er über Andy geredet hatte. Mir wird schlecht und die Nudeln bleiben mir im Hals stecken. Ich räuspere mich und trinke ein Schluck Wasser, was für Peter wohl so eine Art Startschuss ist. "Willst du mir jetzt erzählen, was das für ein Auftritt gestern von dir war und wieso du diese Ziege mitgebracht hast?", beginnt er und legt seine Gabel beiseite.

"Nicht wirklich."

"Ach Mensch Chase! Ich dachte ehrlich, du wirst langsam mal erwachsen! Und dann machst du sowas!"

"Motz mich nicht an! Annes Geplapper war Strafe genug. Ich bekomme immer noch Kopfschmerzen, wenn ich daran denke."

"Nicht nur du. ... Und? War sie wenigstens gut im Bett?"

"Kann ich nichts zu sagen." Frustriert rühre ich die Nudeln über den Teller.

"Dir ganze Aufregung war also umsonst?" Peter lacht gekünstelt. "Wollte sie dich nicht ranlassen?"

"Doch."

"Wieso habt ihr dann nicht ...? Sag bloß, du wolltest nicht?!"

Wütend lasse ich meine Gabel fallen. "Ja! Stell dir vor! Ich wollte nicht! Zufrieden?"

Peters Augen werden groß und er hebt entwaffnet die Hände. "Ist ja gut! Kein Grund zu brüllen!" Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. "Oder hast du keinen hoch beko..."

"Unsinn!", herrsche ich ihn an und stehe wütend auf. "Daran lag es nicht!"Sauer über mich selbst, fange ich an meinen Geschirrspüler einzuräumen. Der restliche Appetit, sofern der überhaupt vorhanden war, ist mir jetzt erst recht vergangen. Wieso schafft Peter es, mich so hochgehen zu lassen? Dabei weiß ich doch, dass das ganze Theater meine Schuld war.

Peter steht auf, ich höre seinen Stuhl über den Fußboden kratzen, und stellt sich neben mich. "Was ist los mit dir?" Seine Hand legt sich auf meine Schulter.

"Nichts! Es war einfach nicht mein Tag."

"Chase? Raus mit der Sprache. Ich kann dir ganz genau ansehen, dass mit dir was nicht stimmt." Oh manchmal hasse ich ihn! Aber soll ich es ihm wirklich sagen? Das mit dem Beinahekuss? Falls ich es tue, dann weiß ich schon ganz genau, was er dazu zu sagen hat. 'Magst du ihn etwa? ... Probiere es doch einfach mal aus! ... Da muss doch was zwischen euch sein! ... Ging es von dir oder von ihm aus? … Sean ist doch so ein Süßer! … Sicher mag er sich auch! …' Und so weiter und so fort.

"Nun?", fragt er leise und zwingt mich ihm in die Augen zu schauen.

"Lass uns ein Bierchen zischen und vor die Glotze hauen", schlage ich vor. Peter lächelt und nickt, denn das heißt bei uns: Ja ich erzähle dir alles. Aber Achtung! Es könnte länger dauern und dir vielleicht nicht gefallen. Naja. Ihm gefällt das wohl eher besser, als mir.
 

Peter wartet schon im Wohnzimmer auf mich. Ein Bein lässig auf das Andere geschlagen und zappt durchs Programm. "Hier." Ich reiche ihm eine Flasche kaltes Bier.

"Danke. Dann mal prost!"

"Prost." Wir stoßen an. "Was läuft?"

"Dokus, Nachrichten, Soaps und anderer Müll."

"Hmm", brumme ich. Wieder schweigen wir uns an, trinken unser Bier und sehen uns irgendeine dämliche Soap an. Ich muss all meinen Mut sammeln, um es ihm zu beichten. Muss mir den Satz immer wieder in Gedanken vorsagen, bevor ich mein Hirn ausschalten, und es ihm sagen kann. "Wir hätten uns fast geküsst", platzt es endlich aus mir heraus. Kurz und fast schmerzlos. Peter sagt erstmal nichts, starrt weiterhin auf den Bildschirm, spitzt aber die Ohren. "Sean und ich. Nachdem ich ihn nach Hause gebracht hatte."

"Verarschst du mich?" Peters Kiefer reiben aufeinander.

"Nein." Ich schaue Peters Profil an. Noch immer würdigt er mich keines Blickes. "Ich wusste nicht, wie ich ihm beim Brunch begegnen sollte, also habe ich jemanden auf dieser Flirtseite gesucht und habe Anne gefunden."

"Und wegen einem Beinahekuss ruinierst du fast unseren Brunch?"

"So schlimm war sie nun auch nicht", blaffe ich ihn an.

"Nein! Sie war schlimmer!" Endlich schaut er mich an.

"Du hast recht", gebe ich zu. "Eine blonde Doofbratze." Wie auf Kommando lachen wir laut los.

Doch Peter verstummt gleich wieder, grinst aber noch leicht und schaltet den Ton vom Fernseher aus. "Und wieso habt ihr euch dann nicht geküsst?"

"Wir ... Es war ... Keine Ahnung!" Etwas überfordert von Peters merkwürdigem, mehr als zurückhaltenden Fragen, seufze ich hilflos auf. "Wir haben beide gemerkt, was wir da gerade im Begriff waren zu tun und sind erschrocken voneinander abgerückt. Ich habe mich entschuldigt und bin stiften gegangen. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander geredet."

"Und deshalb Anne?"

"Ja", gebe ich geknickt zu. "Hätte ich gewusst, dass ich Sean damit so in Rage bringe, hätte ich es sein lassen, und wäre zuhause geblieben."

Peter legt seine Hand auf mein Bein, klopf mir aufmunternd drauf. "Mach dir keine Gedanken. Ich hab größeren Mist gebaut."

"Wirklich?"

"Und wie", seufzt er und erzählt mir dann von diesem Gero, mit dem ich keine zwei Worte gewechselt hatte, und klärt mich auf, dass Sean wegen ihm vorher so ausgeflippt war, und auch wieso. "Ich hätte ihn doch niemals eingeladen, wenn ich das gewusst hätte! Aaron sah auch nicht begeistert aus. Er wurde richtig still und wirkte total abwesend. So habe ich ihn noch nie gesehen."

"Also trifft uns beide die Schuld", schlussfolgere ich.

"Sieht so aus."
 

Ich atme tief ein und trinke einen Schluck Bier. Die Sache mit dem Beinahekuss nimmt er ja mehr als locker. Gut. Bleibt nur noch eins, was mir auf der Seele brennt. "Sag mal ... Weißt du, was es mit diesem Andy genauer auf sich hat?"

"Hm. Ehrlich gesagt, ja. Aber ich kann nicht drüber reden."

Sofort werde ich hellhörig. "Du hast Geheimnisse?! Vor mir?"

"Reg dich ab. Das geht uns auch gar nichts an." Peter stellt den Fernseher wieder lauter.

"Es geht mich nichts an?!", rufe ich aufgebracht und entreiße ihm die Fernbedienung. "Ich habe dir eben gestanden, dass ich fast einen Mann geküsst hätte, ihn seitdem nicht mehr aus dem Kopf bekomme, und du verheimlichst mir diese geheimnisvolle Sache von Seans Ex?!"

Peter hält die Luft an, mustert mich fast schon aufdringlich intensiv. "Du bekommst Sean nicht mehr aus dem Kopf?", fragt er leise und stellt sein Bier ab. Habe ich das etwa laut gesagt? "Du meine Güte! Bist du etwa verkn..."

"Wage es ja nicht!" Mahnend hebe ich meinen Zeigefinger. "Das war ein schwacher Moment. Und ich habe nicht vor ..."

"Und ich habe noch gedacht: Man muss Chase besoffen gewesen sein! Aber das warst du gar nicht! Oder? Du bist ja an dem Abend Autogefahren!" Peter schlägt sich mit der Handfläche gegen die Stirn. "Das bedeutet, du magst ihn! Du magst einen anderen Kerl!"

Sauer erhebe ich mich von der Couch. "Ich ... Peter! Das war ganz anders! Ein schwacher Moment, den es nie wieder geben wird!"

Lässig mit einem selbstgefälligen Grinsen lehnt sich mein bester Freund zurück und verschränkt seine Arme. "Ein schwacher Moment? So wie damals auf dem Herrenklo?"

"Fang jetzt nicht damit an!", kreische ich.

Peter schüttelt leicht seinen Kopf. Dieses Thema hatten wir damals schon zu genüge ausdiskutiert. Darauf habe ich jetzt wirklich keinen Bock mehr. Außerdem verdränge ich dieses 'Ereignis' lieber schnell wieder. "Und er geht dir seitdem nicht mehr aus dem Kopf, was?", grinst dieser miese Schuft selbstgefällig. Oh wie ich ihn manchmal hasse!

"Verschwinde Peter!"

"Sicher? Es gibt niemand besseren als mich, um über sein nahendes Outing zu sprechen."

"Hier wird es kein Outing geben! Weder jetzt, noch in naher Zukunft! Und falls du mir nichts anderes raten kannst, dann verschwinde jetzt besser!" Ich bebe vor Zorn. Bestimmt ist mein Gesicht rot angelaufen. Aber was stört es mich? Soll er ruhig sehen das ich mehr als angepisst bin. Doch Peter jucken meine Launen nicht im geringsten. Haben sie noch nie wirklich, es sei denn, mir ging es mies und ich brauchte eine Schulter zum ausweinen. Aber in Sachen schwule Küsse kann ich von ihm allem Anschein nach keine tröstende Schulter erwarten.

Gelassen steht er auf und kommt langsam auf mich zu. "In Ordnung. Ich gehe. Melde dich aber, wenn du dich wieder abgeregt hast und mit mir über Sean reden willst."

"Penner!", rufe ich ihm nach.

"Schwuchtel!", ruft er zurück und lacht.

"Ahhh!" Manchmal könnte ich ihn ...
 

~Sean~

"Kommst du auch wirklich allein klar?"

"Natürlich. ... Sean hör auf mich so zu bemuttern!"

"Ist ja schon gut!" Noch nicht mal Sorgen kann man sich um den werten Herr machen! "Wenn was ist, ruf an."

Aaron grinst und drückt mich an sich. "Danke für Unterkunft, Speise und Trank. Aber ich muss wirklich nach Hause."

"Okay. Fahr vorsichtig."

"Ja, Mutter Theresa."

Ich grinse ihn schief an. "Bye." Ich bekomme einen Kuss auf die Wange und dann ist er weg.

Einmal tief einatmen und weiter geht's! Ich muss dringend an meiner Arbeit weiterschreiben. Auch wenn es schwer fällt jetzt an etwas anderes zu denken, als an Aarons Befinden oder Chases merkwürdigen Gefühlen in Bezug auf Homosexuelle. Je mehr ich eigentlich darüber nachgrüble, desto weniger scheine ich es zu verstehen. Und das Aaron so lange blieb, erstaunt mich immer noch. Sonst haut er immer gleich wieder ab. Das heißt, Geros Erscheinen hat ihn mehr mitgenommen, als er zugibt. Warum kann mein Leben nicht unkompliziert und einfach sein? Am liebsten würde ich ... Es klingelt. Sicher Aaron!

"Hast du was verges... Peter?"

"Hallo. Sorry das ich so spät noch störe. Kann ich reinkommen?"

"Klar."

"Danke."

Ich geleite Saschas Partner in mein Wohnzimmer. "Ist was mit Sascha?", frage ich nach, denn warum sonst besucht Peter mich?

"Mit Sascha? Nein. Dem geht es gut."

"Schön. Dann willst du mich einfach mal so besuchen?"

"Nicht so richtig", sagt er und setzt sich. "Ich will mich bei dir entschuldigen. Wegen der Sache mit Gero. Ich wusste doch nicht, dass ihr euch nicht leiden könnt!", erklärt er mir sogleich.

"Nicht leiden ist noch zu nett ausgedrückt", knurre ich. "Er ist wirklich der letzte Mensch auf Erden, den ich sehen will! Aaron war komplett durch den Wind!"

"Es tut mir so leid!", entschuldigt Peter sich nochmal und sieht dabei wirklich bemitleidenswert aus.

"Du konntest es ja nicht wissen", beruhige ich ihn. "Vergessen und vergeben."

"Danke. Das lag mir wirklich schwer im Magen. ... Und Aaron? Wie geht's ihm?"

Ich lächle bitter. "Na ja. Die Sache mit Gero scheint er gut verdaut zu haben. Leider hat das nicht gerade dazu beigetragen, seine Schuldgefühle endlich zu verringern."

"Er verkraftet es immer noch nicht?"

"Nein. Er gibt sich immer noch die Schuld an allem."

"Und ich dachte, es ginge ihm besser! Ach verdammt! Ich Idiot!"

"Nur die Ruhe. Er muss damit klar kommen. Müssen wir alle."

"Habt ihr ihm schon mal eine Therapie vorgeschlagen?"

Ich verziehe das Gesicht und lege den Kopf schief. "Da ginge er nie im Leben hin. Aaron redet noch nicht mal mit mir über alles. Höchstens mal mit Sascha. Aber das war es schon."

Peter nickt. Er kennt das Spiel schon gut genug. Mindestens einmal im Monat muss Sascha herhalten und ihn aus irgendeiner Kneipe zerren. Stockbesoffen. Einmal sogar vom Polizeirevier, weil er jemanden eine verpasst hat. "Er hat Andy beleidigt! Er hat ihn eine kranke Schwuchtel genannt!", hat er immer wieder gerufen. Es war furchtbar.
 

"Ich bin aber nicht nur wegen Gero oder Aaron hier", sagt Peter leise und fixiert mich abwartend.

Ich kann mir denken um was, oder besser gesagt, um wen es geht. "Chase", flüstere ich.

"Erraten." Da ich nicht erahnen kann, was Peter alles zu dem Thema schon weiß, warte ich still ab. "Ich war eben bei ihm." Ich schweige weiter. "Er hat mir von eurem Fastkuss erzählt. Erst hielt ich das für ein kleines, peinliches Geständnis und gleich würde er mir sagen, er habe das nur dem Suff zu verdanken. Aber das hatte er nicht. Oder?"

"Nein. Er war nüchtern." Ich verstehe immer noch nicht, was Peter von mir will.

Er nickt und starrt nun einen unsichtbaren Punkt in der Ferne an. "Ich kenne Chase schon ewig. Anfangs war ich sogar mal in ihn verknallt." Er lacht leise. Höre ich da eine Spur Sehnsucht heraus? "Und ich bildete mir ein, Chase ging es genauso. Ich weiß nicht wieso, aber ich dachte, er sei auch schwul. Also gestand ich ihm, dass ich auf Jungs stehe. Er reagierte erst gar nicht drauf, sah mich mit großen Augen an und nickte. 'Kein Problem! Wir sind doch Freunde! Mir macht das nichts aus.' Wir sind doch Freunde, war das letzte, was ich von ihm hören wollte." Peter stockt und knetet seine Hände.

"Warum erzählst du mir das alles?" Es ist ja nett, dass er mir seine Coming-Out-Geschichte erzählt. Doch wo soll das hinführen?

"Weil ich dir was klar machen will. Chase ist unumstritten ein Weiberheld."

Ich lache laut auf. "Das brauchst du mir erst gar nicht klar machen!"

Auch Peter grinst. "Damit meine ich, er sucht verzweifelt nach etwas, das er all die Jahre einfach noch nicht gefunden hat."

"Und was?", frage ich leise.

"Liebe." Ich schlucke hart. "Er wollte meine nicht. Konnte es vielleicht auch gar nicht. Und ... Du kennst das doch bestimmt auch. Dieses sichere Gefühl, dass ein Kerl eben schwul ist."

"Du meinst, unsere Antennen?"

"Ja."

"Falls du meinst, Chase könnte auf Kerle stehen, dann sind meine Antennen kaputt", sage ich leise. "Außerdem hat er so große Angst im Velvet gehabt, ihm könnte einer 'unserer Sorte' zu nahe kommen."

"Genau. Das liegt aber an einem früheren Erlebnis und nicht an seiner sexuellen Ausrichtung. Und wer weiß, wie er jetzt wäre, wenn das damals nicht passiert wäre." Peter sieht mich tiefgründig an. "Und jetzt mal ganz ehrlich: Das Chase zugestimmt hatte, mit dir in einem Hotelzimmer zu übernachten, dass hat mich total verblüfft. Ich kenne ihn schon ewig und ich hätte meine ganze Habe verwettet, dass er das niemals tun würde. Aber er hat es ohne zu murren. Er hat bloß mit den Schultern gezuckt und gut war's. Er mag dich. Das sehe ich ihm an."

"Nein! Chase ist doch nie im Leben ..." Ich erinnere mich daran, was Aaron gesagt hatte. Und der abgebrochene Kuss? Eine unerfüllte Sehnsucht, die er seit Jahren unterdrückt? "Shit!"

"Als ich Chase vorhin darauf angesprochen habe, ging er hoch wie eine Granate."

"Du hast ihm gesagt, er sei schwul?!"

"Nicht direkt. Er hat mich trotzdem rausgeschmissen."

"Oh. Und jetzt?"

Peter winkt ab. "Wir zoffen uns häufiger. Der kriegt sich wieder ein."

"Wieso ist er eigentlich so ... verkorkst, was das Thema angeht? Doch nicht nur, weil er eine Klemmschwester sein soll? Was war das für ein Erlebnis?"

Peter lacht laut. "Klemmschwester? Lass ihn das nicht hören!"

"Bestimmt nicht", sage ich und muss selbst grinsen.

"Um deine Frage zu beantworten: Es gab da mal einen Zwischenfall in einem Club. Chase ging mit mir in diesen angesagten Szeneclub, der Name fällt mir nicht mehr ein. Ist ja auch jetzt egal. Jedenfalls waren wir ausgiebig am feiern und trinken. Chase flirtete sogar heftig mit einem anderen Kerl. Ich schluckte meinen Ärger darüber hinunter, ich war immer noch in ihn verknallt, und versuchte es zu ignorieren." Peter macht eine kleine Pause, taucht in Erinnerungen ab. Eine merkwürdig bedrückende Stimmung baut sich auf. Peter war mal in Chase verschossen ... Der Gedanke gefällt mir nicht und ich ertappe mich dabei, dass ich tatsächlich einen leichten Anflug von Eifersucht verspüre. Deshalb räuspere ich mich. Einmal um das nagende Gefühl aus meiner Magengrube zu verjagen, und zum anderen, um Peter zum weiterreden zu bewegen.

Es hilft. "Ich begnügte mich also anderweitig, ließ Chase seinen Spaß und bekam nicht mit, dass er mit dem Typen verschwand. Kurzum: Er wurde auf der Toilette anscheinend übelst von ihm angemacht. Du musst wissen, da war er noch nicht dieser durchtrainierte Riese. Eher ein schmaler Lulatsch mit blasser Haut und Akne."

"Das will ich mir ja gar nicht vorstellen!", kichere ich. Natürlich drängen sich mir sofort eben diese Bilder in den Kopf. "Gruselig!"

"Och. Er war eigentlich ein ganz Süßer. Naja. Er entkam dem Typen nochmal gerade so und geht seit dieser Begegnung jedem fremden Schwulen aus dem Weg. Auch bei meinen Freunden bleibt er noch immer skeptisch."

"So hat das also alles angefangen. Aber das er immer noch so einen Aufstand macht deswegen." Ich bin auch schon öfter als einmal dumm angemacht worden. Wird doch jeder mal.

"Früher war es sogar noch schlimmer. Etwas hat sich sein Verhalten schon gebessert. Dank dir vor allem."

"Dank mir?!" Am liebsten würde ich Peter den Vogel zeigen.

"Du hast ihn doch dazu gebracht mit dir zu tanzen. Er war mit uns ein Wochenende weg und sogar danach im M. Und danach hat er dich sogar nach Hause gefahren. Und um dem noch die Krone aufzusetzen: Er ist mir in deine Wohnung gegangen. Aber dieser Beinahekuss, der toppt alles. Glaub mir. Er mag dich mehr als dieser Dummkopf selbst weiß. Das beweist allein diese Blondine, die er uns beim Brunch aufgetischt hatte."

Ich verdrehe die Augen. "Ich wette, sie hatten noch ordentlich Spaß danach zusammen. Damit wäre ich dann ja vergessen."

"Chase, der Weiberheld, blieb keusch wie ein katholischer Priester!"

Ich hebe eine Augenbraue. "Das kann man jetzt so oder so verstehen."

"Wie ein anständiger katholischer Priester", lacht Peter. "Chase steht sich selbst im Weg. Lass dich davon nicht unterkriegen."

Ich schaue Peter nachdenklich an. "Warum glaubst du eigentlich, dass ich überhaupt was von deinem Kumpel will? Hat Sascha was ausgeplaudert?"

"Ich habe doch Augen im Kopf", lacht er und zwinkert mir zu. "Das musste mir noch nicht mal mein Schatz flüstern."
 

***
 

~Chase~

Tick tack. Tick tack. Ob es helfen würde, wenn ich den Wecker aus dem Fenster schmeiße? Bestimmt nicht. Schließlich ist er nicht schuld daran, dass ich nicht einschlafen kann. Peter ist der Schuldige. Ebenso Sean. Der kleine, blonde Sean. Mit den großen, blauen Kulleraugen. Dieser Giftzwerg!

"Oh nein!" Jetzt denke ich schon wieder an ihn! "Ich bin nicht verknallt! Ich bin nicht verknallt!" Ich beiße mir die Lippe blutig vor lauter Anspannung. "Peter hat unrecht! Ich bin nicht verknallt!"

Als ich diesen Satz das erstmal aussprach, erschrakt ich richtig vor dem Klang dieses unmöglichen Wortes. "Verknallt ... Verknallt ... Ich.Bin.Nicht.Verknallt!" Bleibt die Frage, warum dieses Gefühl einfach nicht verschwindet? Jedes mal zieht sich mein Herz erschrocken zusammen. Es hat genauso viel Angst davor, wie mein Bauch. Der grummelt nämlich dann so dolle, als würde ich schlimme Darmprobleme bekommen. Durchfall wäre mir auch lieber als ... "Verknallt. ... Unmöglich! Ich bin nicht in diesen blonden Zwerg verliebt!"

Abrupt setze ich mich auf. "Verliebt ... Das ist ja noch schlimmer! Ahhh!" Ich lande kopfüber in meinem Kissen. Federn fliegen. Noch immer habe ich kein neues Kissen gekauft. Irgendwann liege ich nur auf meinem schlabbrigen Kissenbezug. Ein One-Night-Stand von mir hatte solche Kissen, die sich der Wirbelsäule anpassen. Die waren nicht schlecht.

Ach, was denke ich da wieder für dummes Zeug?! "Ich muss mit ihm reden", brumme ich mein Kopfkissen an. "Und zwar bald!"

Diese Einsicht scheint mein Hirn zu beruhigen, denn ich merke, wie ich endlich langsam in den Schlaf gleite.
 

"Du siehst kacke aus." Der Mistsack mir gegenüber im Spiegel glotzt nur doof zurück. Wie lächerlich er aussieht, mit den tiefen Augenringen, der blassen Haut und dem unrasierten Kinn. Schon lange habe ich mich nicht mehr so beschissen gefühlt und auch danach ausgesehen.

Den Plan, zu Sean zu gehen, vergesse ich lieber. Nicht wegen meinen Augenringen. Ich traue mich nicht. Seit ich wach geworden bin, wird der Gedanke an ein Treffen mit ihm immer furchteinflößender. Was soll ich ihm auch sagen? 'Sorry Sean. Ich wollte dich nur kurz sehen um mich zu vergewissern, dass ich dich nicht ...' "Klasse", flüstere ich. "Jetzt kann ich dieses Wort noch nicht mal in Gedanken aussprechen." Mein Hirn brennt sicher bald durch. Der Spiegel-Chase schaut noch eine Spur trauriger.

Nach einer heißen Dusche geht es mir schon ein klein wenig besser. Ich koche mir einen starken Kaffee, toste mir zwei Scheiben Toast und setze mich mit meinem Laptop an den Küchentisch. Ein wenig Arbeit wird mich hoffentlich ablenken. Doch weit gefehlt! Ich bin unkonzentriert, erwische mich immer wieder dabei, wie ich einfach nur auf den Bildschirm starre und nichts tue, außer über Sean nachzugrübeln.

Immer wieder sehe ich ihn vor mir. Wie verletzt er beim Asiaten aussah. Das wollte ich nicht! Ganz bestimmt nicht! Ich wollte ihm doch nur klar machen, dass ich auf keinen Fall etwas mit einem Kerl anfangen werde. Das kann ich einfach nicht! Und was ist das überhaupt nur für eine Sache mit seinem Ex? Dieser Aaron scheint auch eine nicht unerhebliche Rolle in dem Ganzen zu spielen. Wieder sehe ich die Beiden vor mir: Sean, wie er mich erschrocken und enttäuscht anschaut. Dann Aaron. Teilnahmslos, irgendwie in Gedanken und hängt an Seans Seite, ihre Hände fest umklammert. 'Als gehören sie zusammen ...'

"Nur Freunde!", brumme ich in meinen Kaffee. "Das ich nicht lache!" Mein Toast fliegt auf den Teller. Ein bitteres Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus und schnürt mir die Kehle zu. Ich weiß was das für ein Gefühl ist! Und es gefällt mir gar nicht! "Scheiße!" Ich klappe meinen Laptop zu. "So wird das nichts!"

Ich laufe zurück ins Schlafzimmer und schnappe mir mein Handy. "Peter? ... Kannst du zu mir kommen? Ich muss mit dir reden."
 

***
 

~Sean~

Genervt puste ich mein Pony aus den Augen. Die Schrift ist so schon unlesbar genug. Nicht zu fassen, aber ich kann meine eigene Handschrift nicht lesen! "Äpfel, Käse, Gemüsefont, ..."

"Du hast das Fleisch vergessen." Peter und Sascha stehen plötzlich vor mir.

Ich strecke ihnen die Zunge raus. "Ich esse kein Fleisch."

"Sag bloß!", lacht Sascha und drückt mich an sich. "Erledigst du deinen Wocheneinkauf?"

"Notgedrungen. ... Hat sich Aaron bei dir gemeldet?"

"Nein. Bei dir?"

"Seit Dienstag nicht mehr", erwidere ich. "Er verkriecht sich wieder."

"Der Muffkopf braucht Abwechslung. Wie wäre es mit einem Essen bei mir?" Sascha klatscht in die Hände.

"Gerne." Abwechslung tut mir bestimmt auch ganz gut.

"Super! Dann lasst uns mal einkaufen!" Einkaufen zu dritt ist definitiv besser, als allein das Gekritzel meines Einkaufzettels zu entziffern. Und vor allem klingt ein Abendessen mit Freunden viel besser, als heute Abend allein das Gemüse zu schälen, nur um wieder keinen richtigen Bissen hinunter zu bekommen.

Ich mache mir viel zu viele Gedanken, seit dem Wochenende schon. Die Unterhaltung mit Peter ließ sich einfach nicht mehr aus meinen Kopf, und was noch schlimmer ist, aus meinen Träumen verbannen. Am liebsten hätte ich Chase angerufen. Hätte ich genug Mumm dazu gehabt und seine Nummer. ... Letzteres wäre das kleinste Problem gewesen.
 

Während ich langsam mit Peter hinter Sascha herzockle, (Sascha ist einer von den schnellen Einkäufern) und den Wagen lenke, räuspert sich Peter mehrmals. "Erkältet?", frage ich ihn.

"Ähm. Nee."

"Hört sich aber so an."

Peter lächelt schmal und schiebt seine Hände in seine Hosentaschen. "Da ist was, was ich dir gerne sagen würde. Nur ..." Er stockt.

"Was denn?"

"Vielleicht sage ich es lieber doch nicht."

"Jetzt hast du schon gegackert. Dann leg auch das Ei", quengle ich und remple ihn sanft mit meiner Schulter an.

"Na gut. Du musst mir aber versprechen, dass Chase nichts davon erfährt! Wenn er rausbekommt, dass ich dir erzähle, was er mir letztens gesagt hat, dann ..."

Da werde ich doch sofort hellhörig! "Ja, ja! Ich sage keinen Ton!" Es geht also um Chase. Wieso dachte ich mir das bereits?

"Er rief mich vor ein paar Tagen an. Er meinte mit mir dringend sprechen zu müssen und ich sollte mich beeilen."

"Lass mich raten: Es ging um mich."

"Um wen sonst?" Peter lacht und ich greife mir nervös zwei Joghurts. Chase denkt also auch an mich! "Zuerst mal hat er sich bei mir entschuldigt, was wirklich selten vorkommt. Danach hat er etwas herumgedruckst, bis er mich schließlich über dich ausgefragt hat. Zwar lies er es so beiläufig wie möglich klingen, aber das nahm ich ihm nicht ab."

"Was wollte er denn über mich wissen?" Das gefällt mir nicht. Schon wieder mache ich mir Hoffnungen und frage mich, ob da doch mehr ist, als es den Anschein hat.

Peter fährt fort und ich kann es kaum erwarten, endlich alles zu hören. "Erst fragte er nur wie es dir so geht. Wegen dem Asiaten-Debakel."

"Macht er sich darum immer noch Gedanken?"

"Sean! Das war doch nur ein Vorwand. Er war nervös, sah mir nicht in die Augen und stotterte sogar ein paar mal."

"Er hat gestottert?" Jetzt muss ich lachen. Ein stotternder Chase. Lustige Vorstellung.

"Ich kenne Chase besser als jeder Andere. Und ich sage dir nochmal, voller Überzeugung, er hat was für dich übrig."

Das ist ja alles schön und gut, aber "Was bringt mir das? Er lässt keine Männer an sich ran. Schon vergessen?" Ich will mich nicht mehr in schöne Wunschvorstellungen flüchten. Wir werden nicht zusammenkommen! Besser, ich schminke mir das so schnell wie möglich ab.

"Er hat mich gebeten, ein Treffen zu organisieren."

"Er hat was?!" Mir fällt der Pack Käse aus der Hand und purzelt zurück ins Kühlregal. Peters Worte lassen meinen Entschluss bitter ins schwanken geraten.

"Chase will sich bei dir entschuldigen. Offiziell gesagt. Inoffiziell will er dich einfach nur wiedersehen."

"Ach? Und das weißt du so genau?", frage ich, will die Antwort eigentlich gar nicht hören.

"Oh ja. Weil er nämlich danach anfing, mich über Aaron auszufragen. Er klang, wie soll ich es am besten sagen? Leicht schnippisch. Er glaubt wohl, zwischen euch könnte sich was anbahnen. Vielleicht kannst du das ja ausnutzen." Peter zwinkert mir zu. "Was hältst du davon, wenn ich Chase nachher mal anrufe. Er hat bestimmt auch hunger heute Abend." Peter wartet erst gar nicht auf eine Antwort von mir, sondern eilt zu Sascha, dem er ungeniert einen Kuss auf die Wange drückt.

Oh, mein dummes, leichtgläubiges Herzlein. Wieso nur lässt du dich so schnell aus der Fassung bringen?!
 

******

Kapitel 7 - Schlaflos

Kapitel 7 - Schlaflos
 

~Chase~

Ein Essen? "Heute schon?", frage ich nochmal leise nach, ob ich mich auch nicht verhört habe. Meine Hand, mit der ich den Telefonhörer umklammert halte, wird unangenehm feucht.

/Ja. Es hat sich zufällig ergeben./ Na is klar Peter! /Ist es dir doch nicht recht? Du musst ja nicht kommen./

"Nein. Schon okay." Ob jetzt oder später ... Ist das nicht egal? Nein. Eigentlich nicht. Je eher, desto besser. Sonst bekomme ich in nächster Zeit keine ruhige Minute mehr. "Ich komme", beschließe ich daher mit einem mehr als mulmigen Gefühl im Bauch.

/Schön! Bis nachher./

"Alles klar. Bye." Ich lege auf und der Telefonhörer rutscht mir aus der Hand, so feucht ist sie mittlerweile. Laut polternd landet er auf meinem Schreibtisch. Ich werde also heute schon den kleinen, blonden Giftzwerg wiedersehen. Ein Plan! Ich brauche dringend einen gescheiten Plan! Peter habe ich gesagt, dass ich mich bei Sean entschuldigen möchte, und das ein 'zufälliges' Treffen dazu doch genial wäre. Das will ich auch, nur verfolgte ich damit nicht nur eine simple Entschuldigung, sondern dabei will ich Sean ganz genau unter die Lupe nehmen. Und vor allem meine dazugehörigen Gefühle. Ob da überhaupt welche sein werden. ... "Da ist nichts! Da darf nichts sein!", zische ich meinem übermütig schlagenden Herzen zu.

Doch wen belüge ich hier?! Man kann sich schlecht selbst belügen. Auch wenn man es noch so vehement versucht. Sind die feuchten Hände, mein fast kollabierendes Herz und Seans hartnäckige Präsens in meinen Hirnwindungen nicht Beweis genug dafür, dass da was ist?

"Verflucht! Das muss aufhören!" Ich verberge mein Gesicht in den Händen und versuche meine Gedanken zu ordnen. Aber egal wie herum ich sie drehe oder wende, es kommt immer das Selbe dabei heraus. "Daran ist nur Sean schuld!" Besser gesagt, der Sean, der ständig in meinem Kopf herumspukt. Er ist schuld daran, dass ich an keine Frau mehr ran kann.

Ja, ja. Überraschung! Der Weiberheld ist impotent geworden! Selbst die heißesten Frauen konnten mir Seans ständiges Auftauchen vor meinem inneren Auge nicht austreiben und brachten meinen kleinen Chase dazu, sich ängstlich zurückzuziehen, sobald ich auch nur versuchte, bei einer Frau zu landen. Und ich habe es die letzten Tage oft versucht! Doch kaum hatte ich sie angesprochen, langweilten sie mich zu Tode und ihre Gesichter verblassten vor mir. Ihrem Geplapper konnte ich beim besten Willen nicht mehr folgen und ich lies sie schließlich einfach stehen.

Aber ich werde das jetzt ganz anders angehen! Damit muss jetzt ein für alle mal Schluss sein! Entschlossen richte ich mich wieder auf und reibe meine Handflächen an meiner Jeans trocken. Diese übertriebenen Gefühlsausbrüche müssen gestoppt werden! Und zwar heute noch! Mir kommt da auch schon eine Idee. Nur bin ich mir noch gar nicht sicher, ob diese Idee auch die wirklich Beste ist. Manchmal muss man eben zu etwas radikaleren Maßnahmen greifen, um ans Ziel zu gelangen.
 

~Sean~

"Hör auf die Uhr nieder zu starren! Er hat gesagt, dass er kommt, also kommt er auch."

"Aber wann?", quengle ich und menge den Salat durch.

Sascha grinst und tätschelt meine Schulter. "Überlege dir lieber mal, wie du dich ihm gegenüber verhalten willst."

"Wie meinst du das?"

"Du kannst ihn schlecht offen anbaggern."

"Hatte ich auch gar nicht vor", sage ich kleinlaut.

"Und was willst du sonst tun?"

"Es auf mich zukommen lassen." Ich zucke mit meinen Schultern, greife mir die Salatschüssel und lasse Sascha einfach stehen.

Toller Ratschlag! Als ob ich das nicht selbst wüsste! Chase ist anders. Kompliziert. 'Wieder mal ganz mein Beuteschema!' Immer da Selbe!

"Hier." Ich drücke Peter den Salat in die Hand.

"Danke. ... So aufgeregt?" Ihm kann man nichts vormachen. Peter kennt mich schon viel zu gut. Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?

"Ich bin nicht aufgeregt", winke ich dennoch ab und hoffe, er kauft es mir ab.

"Dann ist ja gut." Er grinst mich an und glaubt mir offensichtlich kein Wort.

"Es ist nur ... Jeder von euch erzählt mir so viel über Chase. Sogar Aaron scheint alles besser zu wissen! Was soll ich den nun glauben?" Mürrisch plumpse ich wie ein nasser Sack auf einen der Stühle.

"Glaub mir, wenn ich dir sage, dass Chase dich mehr als mag. Der Schwachkopf muss nur etwas auf die richtige Spur gebracht werden."

"Und wie?"

"Mach auf keinen Fall ein riesen Aufhebens darum, dass ihr euch wiederseht. Ein einfaches Hy zur Begrüßung langt. Lächle ihn freundlich an und ignoriere ihn wieder. Das wird ihn wahnsinnig machen." Eigentlich ein ganz guter Ratschlag ...

"Hm. Und dann?"

"Behandle ihn wie einen guten Bekannten und warte, bis er seinen Arsch zu dir bewegt. Wenn du den Trottel unter zu großen Druck setzt, blockiert er nur wieder und flüchtet. Mach ihm klar, dass von dir keine Gefahr droht."

Ich lache leise. "Hört sich an, als würde ich ein scheues Wildtier einfangen wollen."

"Der Gedanke ist doch gar nicht mal so abwegig, was?" Auch Peter beginnt zu lachen und reicht mir eine Hand voll Besteck. "Verteilst du die?"

"Wenn's ein muss", grinse ich und stehe wieder auf. Peters Rat ist wirklich nicht schlecht. "Sag mal, wie hast du eigentlich Sascha dazu bekommen, dass er hierbei mitmacht?" Es wundert mich total, dass er nicht wieder versucht hat, mir alles auszureden.

"Wir haben uns ausführlich miteinander unterhalten und sind zu den Entschluss gekommen, dass du schon alt genug bist, um flügge zu werden." Hä?! Peter lacht und schiebt die Gläser an ihren Platz. "Der hat auch schon mitbekommen, dass es zwischen euch heftig funkt."

"Dann ist der Einzige hier, der das noch nicht kapiert hat, Chase."

"Richtig. Und du musst dafür sorgen, dass er es endlich in seinen Dickschädel bekommt." Ich glaube, das ist leichter gesagt, als getan.
 

Den Tisch gedeckt und das Essen im Ofen, fläzen wir drei uns auf der Couch. Jetzt heißt es warten. Während Peter und Sascha sich aneinander kuscheln und über irgendeine Frau auf Peters Arbeit quatschen, schiele ich zwischen der Uhr und ihnen hin und her. Wechsle von flehend auf neidisch, je nach dem, wem ich gerade meine Aufmerksamkeit schenke. Sascha lacht, wobei seine Augen regelrecht zu strahlen beginnen und haucht Peter einen kleinen Kuss auf. Mir entkommt ein Seufzen. Ich will das auch!

"Armer Hase", nuschelt Peter und greift in meinen Nacken. "Es ist sicher nicht schön unglücklich verliebt zu sein, und dann uns beim Turteln zuzuschauen."

Ein bitteres Lächeln ziert mein Gesicht. "Nehmt wegen mir bloß keine Rücksicht. Ich freue mich, dass ihr so glücklich seid."

"Und du mein Hübscher wirst dir deinen Traummann auch noch an Land ziehen", sagt mein Kumpel Sascha und zwinkert mir zu. Ach man! Wenn schon Sascha verstanden hat, dass ich und Chase einfach zusammengehören, wieso merkt dieser riesige Trottel es nicht auch?!

Just in diesem Moment klingelt es an der Haustür. "Da kommt er ja schon!", frohlockt Peter, erhält einen angedeuteten Tritt von mir und hechtet zur Tür. Aufgeregt stehe ich ebenfalls auf und gehe in die Küche. Mal sehen was das Essen macht. Ich will ja schließlich Chase nicht gleich in die Arme fallen. Immer schön an Peters Vorschlag denken!
 

~Chase~

"Na endlich! Alle warten schon auf dich!"

"Wer ist alle?", frage ich Peter und schiebe mich an ihm vorbei. Hat er etwa noch mehr Gäste.

"Na Sascha, ich und Sean. Wer sonst?" Äußerlich ungerührt hänge ich meine Jacke auf. Dabei hätte ich bei Seans Namen fast erschrocken zusammengezuckt. Er ist also schon da. "Das Essen müsste auch gleich fertig sein. Setz dich ruhig schon mal." Peter zischt in die Küche.

Auf vorsichtigen Pfoten tapse ich ins große Wohnzimmer, vermeide es in die Küche zu schauen, denn dort kann ich eindeutig Seans Stimme ausmachen. Scheiße! Ich hätte doch nicht herkommen sollen. Aber für heitere hätte-oder-hätte-nicht-Spiele ist es bereits zu spät. Jetzt bin ich hier, und ich habe sowieso nicht vor zu kneifen. Jetzt erst recht!

Mit klopfenden Herzen, das ich mal auf meine Nervosität schiebe und auf nichts anderes sonst, setze ich mich wie befohlen an den Essenstisch. Alles ist bereits gedeckt und hübsch hergerichtet. Eindeutig Peters Handschrift. "Achtung! Was Heißes von hinten", flötet Sascha, der an mir vorbeiläuft und einen Teller voll Leckereien auf den Tisch drapiert.

"Davon träumst du nur Sascha." Sean! Direkt hinter mir. "Hey Chase."

"... Hey." Verstohlen schiele ich zu dem kleinen Blondschopf, der mit einem zweiten, gefüllten Teller an mir vorbeihuscht und diesen direkt neben den Anderen stellt.

"Greift alle ordentlich zu. Sonst muss ich morgen wieder die Reste essen."

"Oh weia. Das wollen wir bestimmt nicht. Sonst wirst du noch fett und unansehnlich für deinen Liebsten." Sean scherzt ganz ungezwungen mit Sascha, lacht und beachtet mich gar nicht. Soll mich das jetzt freuen? Mich aufregen? Ehrlich gesagt irritiert es mich eher. Und zwar mehr als mir lieb ist. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass er sauer auf mich ist. Aber nichts! Vielleicht ist er das ja auch, und ignoriert mich deshalb? Egal was es ist, es muss aufhören.

Der kleine Blonde setzt sich mir gegenüber, lächelt mich einen Moment lang an und beginnt sich seinen Teller zu füllen. Was war denn das jetzt?! Mein Puls stolpert einige Male und ich suche krampfhaft nach etwas anderen zum anglotzen. Dank dieser beeindruckenden Demonstration meines Herzmuskels gerät mein fein zurechtgelegter Plan ganz schön ins schwanken. Obwohl ... gerade deswegen sollte ich daran festhalten. Keine weiteren Ausreden mehr! Ich werde mir von Sean einen blasen lassen.
 

Nein. Ich bin nicht bekloppt. Jedenfalls nicht bekloppter als sonst. Der Plan ist wohlüberlegt und bis ins kleinste Details durchdacht. Der Zweck des Ganzen ist nämlich, dass vorher jede meiner Eroberungen, die ich an meinen Schwanz ließ, danach für mich Schnee von gestern waren. Ergo wird es mir mit Sean nicht anders ergehen. Das hoffe ich inständig. Doch um erstmal dahin zu kommen, dem kleinen Sean mein bestes Stück zum Fraß vorzuwerfen, muss ich dringend weiter die Lage sondieren. Also, ist er jetzt sauer auf mich, oder bin ich ihm im schlimmsten Falle einfach nur pupsegal?
 

~Sean~

Hochkonzentriert steche ich in meinen Salat und mampfe wie ein Besessener das Grünzeug in mich hinein. Nur keinen Ton sagen. Ich weiß auch gar nicht, was ich sagen könnte. Zu sehr nimmt mich Chases Anwesenheit gefangen. Zu sehr zieht er mich in seinen Bann. Es war schon schwer genug, ihn nicht wie ein paralysiertes Karnickel anzustarren und dabei die Kontrolle über meinen Speichelfluss zu verlieren. Ich will ihn! Mehr denn je. 'Ich bin am Arsch!', denke ich traurig, den von Chase kommt nicht das kleinste Signal, dass er auch nur im Entferntesten darüber nachdenken könnte, sich mir nicht doch etwas anzunähern. 'Das wird nichts. Nie im Leben.' Hetero bleibt Hetero. Auch wenn er eventuell doch ...

" ... Stimmt doch. Oder Sean?"

"Was?" Ich schaue zu Peter, der mit einer Folienkartoffel kämpft. Anscheinend hat er mich eben etwas gefragt. War wohl zu sehr in meiner Gedankenwelt.

"Der Abend letztens im Velvet war lustig. Das sollten wir wiederholen."

"Ach so. Ja. War schön." Automatisch wandert mein Blick zu Chase. Genau im selben Moment schaut er zu mir.

Mir wird abrupt heiß und ich verliere mich in seinen braunen Augen. Mein Magen dreht durch, das Blut rauscht laut durch meine Ohren und ich halte den Atem an. Da ist er! Der letzte Funken, der das noch kleine Lagerfeuer in mir gerade zu einem Inferno werden lässt. Ich bin endgültig in diese große, ängstliche Klemmschwester verliebt. Und zwar mächtig verliebt.
 

Aus dem Augenwinkel erkenne ich eine Bewegung. Sascha und Peter! Stimmt ja! Die Zwei sind auch noch da und grinsen verschmitzt, sagen aber kein Wort. Toll! Dann haben sie es mitbekommen. Mein Gesicht wird heiß, obwohl ich gar keinen Grund dazu habe, jetzt rot anzulaufen. Sie wissen doch eh über alles Bescheid. Hauptsache, Chase merkt nichts.

Anscheinend habe ich wenigstens dabei Glück. Denn der kümmert sich um seinen Tellerinhalt und nun ist er es, der sich den Mund vollstopft. Weicht jetzt er mir aus? Er hat eben ganz eindeutig zurückgestarrt und seinen Blick erst abgewendet, als ich zur Seite sah. Die Hoffnung kehrt mit aller Macht zurück und droht mich zu übermannen. 'Nicht durchdrehen! Mach jetzt keinen Fehler und bleib ruhig.' Ich schließe kurz meine Augen und stochere weiter auf meinem Salat ein. Leider ist dieser fast aufgegessen, weshalb ich nach dem Salatbesteck lange, um schnell wieder was zu tun zu haben. Dabei schaue ich nicht auf, angle blind nach dem Besteck, erwische aber irgendwas anderes. Etwas ... warmes. Ein verdutzter Blick auf meine Hand, dann ein erschrockener Blick weiter oben. Wieder direkt in Chases Gesicht. Als ob uns ein heftiger Stromschlag treffen würde, zucken unsre Hände in Sekundenschnelle auseinander.

Totenstille. Noch nicht mal das Besteck der anderen beiden klappert. Mir stockt der Atem. Chase schaut mich fast schon erschrocken an. "Oh man! Ihr seid echt ein paar Tränen! Kapiert ihr endlich mal, dass ihr euch ineinander verschossen habt?"

"Sascha!" Peter sieht seinen Freund perplex-wütend an und verpasst ihm einen Tritt unterm Tisch.

"Was denn? Du hast doch selbst gesagt, dass ..."

"Ihr entschuldigt mich?" Chase schmeißt fast den Stuhl um, als er sich erhebt, mich dabei kurz anschaut und dann nach draußen verschwindet

"Toll gemacht Sascha! Du weißt doch wie sensibel Chase bei diesem Thema ist ... Sean?" Ich ignoriere Peter.

So schnell mich meine Beine tragen, eile ich hinter Chase her. Und ich habe Glück. Er will gerade die Tür öffnen, aber ich bin schneller. "Warte Chase!", rufe ich ihm zu und werfe mich mit all meinem Gewicht gegen die Tür. "Au!" Das war meine Schulter.

"Lass mich gehen Sean." Chase wird knallrot im Gesicht. Das hätte ich jetzt nicht erwartet!

"Geh bitte nicht. Sascha plappert manchmal gedankenlos vor sich hin."

"Ihr denkt doch bestimmt, dass ich eine Vollmeise habe." Er versucht sein Gesicht von mir wegzudrehen, doch da ist er bei mir an der falschen Adresse.

Ich packe nach seinem Kinn und zwinge ihn mich anzuschauen. "Das denke ich ganz bestimmt nicht."

"Sean ... Ich kann nicht ..." Langsam kommen wir uns näher. Träume ich? Bin ich vorhin vom Stuhl gekippt, und liege im Koma? Oder sind wo wirklich gerade dabei uns verdammt nah zu kommen. So nah, dass wir uns fast ...
 

~Chase~

In meinem Kopf schrillen alle Alarmglocken auf. 'Weg hier! Lauf!' Ich überhöre meine innere Stimme. Ich kann nicht anders! Seans unmittelbare Nähe bringt mich ganz durcheinander. Und dann tue ich es. Ganz leicht berühren sich unsere Lippen, streifen sich eher, doch das genügt. Sean, der immer noch mein Kinn umfasst hält, atmet stoßweise gegen mein Gesicht. Er ist mindestens genauso aufgeregt wie ich und schaut mit seinen kleinen Kulleraugen zu mir auf. Sicher rechnet er jede Sekunde damit, dass ich ihn von mir stoße. Die letzten Reste meines Widerstands schmelzen dahin. Wie kann ich diesem kleinen Giftzwerg nur nicht widerstehen?

Ich beuge mich wenige Millimeter nach vorn und schließe meine Augen. Mein Herz, das mir eben noch bis zum Hals geschlagen hatte, setzt aus. Und dann küssen wir uns. Und zwar wirklich. Kein scheues Abtasten mehr und keine flüchtigen Berührungen mehr. Seans Lippen bewegen sich gegen meine, öffnen sich leicht. Vorsichtig wagt sich meine Zunge hervor und streicht zart über Seans Unterlippe. Er seufzt überrascht und plötzlich drängelt er mich gegen die Garderobe. Jetzt bin ich der Überraschte. Der Kleine hat echt Kraft!

Ich greife mit einer Hand in seinen Nacken und ziehe ihn dichter an mich. Mir der Anderen umfasse ich seine Hüfte, während Seans meine Zunge zurückdrängt und in meinen Mund schlüpft. Mir wird dabei heiß und kalt zugleich, und ich frage mich, warum zum Teufel ich mich so lange geziert habe. Nicht nur das Sean ein guter Küsser ist, mir gefällt auch, wie er sich an mich drängt und sich an mich klammert. Alles um mich herum ist vergessen. Nur Sean zählt.
 

"Sean?! Bist du noch ... Ach herje!" Ich reiße meine Augen auf. "Tut mir leid! Ich wusste ja nicht ..." Sascha steht vor uns und bekommt seine Klappe nicht mehr zu.

Vor lauter Schreck gebe ich Sean einen Schubs, wobei ich ihm anscheinend gebissen habe. Er quiekt auf und hält sich eine Hand vor den Mund. "Fugg!" Was?

Keine Ahnung was jetzt zu tun ist. Soll ich wegrennen oder nach Sean sehen, der immer noch seinen Mund abdeckt. Ich entscheide mich für letzteres. Ich bin ja auch schuld an der ganzen Misere. "Hab ich dich gebissen? Zeig mal." Ich schiebe seine Hand weg und betrachte mir seinen Mund. "Wo den?"

"Meine Sunge."

"Shit!"

Mittlerweile ist Sascha näher gekommen, der sich fachmännisch der Sache annimmt. "Ab ins Bad mit dir." Sean wird mir aus den Armen gerissen und ins Bad geschoben.

Peinlich berührt bleibe ich im Flur zurück. Zusammen mit Peter, der mit verschränken Armen an der Wand steht. "Hör auf so zu glotzen!", maule ich ihn an, da er bis über beide Ohren grinst.

"Hoffentlich hast du ihm nicht die Zunge abgebissen." Das Blut sickert mir in die Beine. Was wenn ich ihn wirklich schwer verletzt habe? So ein Biss von einem Menschen kann nicht ungefährlich sein. Wegen der Bakterien. Ich habe mal gehört, ein Menschenbiss sei für einen Menschen schlimmer als der eines Hundes.

"Meinst du?"

"Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wie tief seine Zunge in dir gesteckt hatte." Das Blut zischt mir zurück in den Kopf. Gleich kippe ich um! "Willst du immer noch behaupten, dass du nicht auf Kerle stehst, Chase?"

"Darüber spreche ich ganz sicher nicht jetzt mit dir!" Das fehlte noch!

Um Peters überheblichen Blick zu entkommen, betrete ich das Badezimmer. Sean sitzt mit einem Handtuch vorm Mund auf dem Badewannenrand. Ade mein Blut! Erneute, gute Reise zu meinen Füßen. Mir wird schwindelig und ich klammere mich am Waschbecken fest. "So schlimm?", frage ich und bekomme ein schlechtes Gewissen.
 

~Sean~

Ob es schlimm ist? Da fragt er noch? Meine Zunge tut höllisch weh und blutet Peters Bude voll und was noch schlimmer ist: Ich kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Alles an was ich denken kann ist, dass wir uns eben geküsst haben! Chase hat mich geküsst! Und zwar richtig!

Zögernd lasse ich das Handtuch senken, schaue kurz auf den leicht rot gefärbten Stoff und probiere zu sprechen. "Es geht." Und das tut es wirklich. "Hat aufgehört zu bluten."

"Zeig her." Sascha schiebt sich zwischen Chase und mich und mustert meinen Mund. Ich komme mir vor wie ein Pferd, das ausführlich von einem interessierten Käufer unter die Lupe genommen wird. "Man sieht wirklich nichts mehr."

"Was für ein Glück!", keucht Chase und hockt sich vor mich. Ohh Gott! War er schon immer so süß?

Sascha schaut mich fragend an. "Schlecht geht's dir wirklich nicht mehr, was?" Oh nein! Grinse denn ich immer noch?

"Wird schon besser", sage ich und kann nicht verhindern, wieder zu Chase zu schauen. Der glotzt immer noch wie ein Hündchen zu mir auf. Ob es ihm was ausmachen würde, wenn ich ihm den Kopf kraule?

"Ich gehe mal den Tisch abräumen. Das Essen ist mittlerweile bestimmt eiskalt." Sascha klopft mir auf die Schulter und verlässt das Badezimmer. Das war seine Art zu sagen: Ich lasse euch mal lieber allein.
 

Eine drückende Stille kehrt ein, nachdem er das Badezimmer verlassen hat. Chase ist mittlerweile aufgestanden und kratzt sich verlegen am Kopf. "Tut mir leid", meint er schließlich und sieht mich wieder an.

"Was tut dir leid? Der Kuss?", harke ich nach. Wenigstens lisple ich nicht.

"Nein! Ähm ... Das ich dich gebissen habe."

Ich fange an zu grinsen. "Dann ist ja gut." Ich lassen das Handtuch fallen und stehe auf. "Kannst du nochmal gucken? Ob es wieder blutet?" Chase nickt und ich öffne meinen Mund.

"Ich kann nichts erkennen ...", murmelt er und kneift die Augen zusammen.

"Nicht?" Er schüttelt den Kopf. "Vielleicht wäre es besser, wenn du nicht nur mit den Augen nachsehen würdest", sage ich leise und lege meine Hände auf seine breite Brust. Gott! Wie schnell sein Herz pumpt! Schläft meins etwa auch so schnell?

"Hier?" Ich bejahe. "Wir könnten auch zu dir ..." Chase wird ganz rot um die Nase herum. Bietet er mir gerade das an, was ich denke?

"Und was machen wir dann bei mir?", frage ich atemlos nach.

Chases Pupillen weiten sich und er greift sich meine Hände, lässt sie aber dort liegen, wo sie sind. "Sehen, wohin uns das führt."

So schön sich das gerade anhört und ich ihn am liebsten sofort packen und zu mir schleifen würde. Ich bleibe skeptisch. "Wieso auf einmal jetzt?", will ich wissen und löse mich von ihm. So leid es mir tut, aber nochmal möchte ich nicht wieder abgewiesen werden, nachdem ich einmal vom Himmel kosten durfte.
 

~Chase~

Ich sehe Seans abwartenden Blick. Er hat Angst. Angst, dass ich ihn verarschen könnte. 'Das hatte ich ja auch vor. ... In gewisser Weise.' Mir kommen Skrupel. Ich räuspere mich, um mir Zeit zu verschaffen, mir irgendetwas einfallen zu lassen, doch mein Hirn lässt mich im Stich. Da muss ich wohl alleine durch. "Nun?", höre ich Sean nochmal nachfragen.

"Ich weiß es nicht", gebe ich zu. "Ich mag dich Sean. Der Kuss war ... Unglaublich! Aber ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll." Punkt. Aus. Feierabend. Jetzt habe ich es ihm gesagt.

"Schade", flüstert er und sieht mich traurig an.

"Schade?"

"Ich kann das nicht Chase. Ich bin 26 Jahre alt. Ich habe keine Lust mehr auf so ein hin und her. Ich brauche Gewissheit. Jemanden, der mich genauso liebt wie ich ihn. Es war ein Fehler von mir, zu denken, dass das mit uns so sein könnte. Tut mir leid. ... Lassen wir das und bleiben Freunde." Sean versucht zu lächeln, was ihm aber nicht gelingt. Noch ehe ich reagieren kann, ist er an mir vorbeigelaufen und aus dem Badezimmer verschwunden.

Und ich? Ich bleibe regungslos stehen und weiß beim besten Willen nicht, ob ich jetzt beruhigt sein soll, oder am Boden zerstört.
 

***
 

~Chase~

Unruhig wälze ich mich in meinem Bett hin und her. Immer wenn ich gerade am einschlafen bin, sehe ich Sean vor mir, spüre seine weichen Lippen und seinen geschmeidigen Körper, der sich an meinen drückt. Dann wache ich erschrocken auf und drehe mich einige Male, bis mir wieder die Augen zufallen und alles von vorn losgeht. Wann hört das endlich auf?! Seit drei Nächten habe ich kaum ein Auge zugetan. Die Nächte, die ich zuvor kaum geschlafen habe, nicht mitgerechnet. Ich drehe noch durch!

Ich knipse meine kleine Lampe an und spähe auf meinen Wecker. Noch nicht mal zehn Uhr! Trotzdem bin ich todmüde und es kommt mir vor, als sei es schon mitten in der Nacht. Vielleicht liegt es an meinem Schlafmangel, dass ich jetzt aufstehe, meine Hose schnappe und mich anziehe. Ich hoffe es zumindest, denn wie sonst sollte es sich erklären lassen, dass ich nach meinen Autoschlüssel greife und meine Wohnung verlasse? Hinaus gehe, mich in den Wagen setze und ihn anlasse? Und was viel schlimmer ist: Das ich Seans Wohnung ansteuere und mir dabei noch nicht mal viele Gedanken drüber mache? Mein müdes Hirn will doch nur schlafen und nur deshalb suche ich jetzt den Grund für meine Schlaflosigkeit auf.

So mache ich das immer. Wenn ich Stress habe, oder sonst etwas in meinem Leben schief läuft, dann verweigert mir mein Körper den Schlaf und gibt nicht eher Ruhe, bis ich alles geregelt habe. Also muss ich da jetzt durch und mit Sean reden. Nur über was? Der kleine Giftzwerg hatte mir seinen Standpunkt doch ziemlich klargemacht. Es sollte mich freuen, dass er mich auf Abstand halten will. Aber nein! Meine Libido ist immer noch hechelnd hinter ihm her und verlangt nach ihrem Recht. Das sie dabei meinen Verstand außer acht lässt, der ihr immerzu zubrüllt, dass der kleine Sean keine bloße Nummer für eine Nacht ist und es mir ziemlich an die Nieren geht, auch nur daran zu denken ihn zu verletzen, das ignoriert sie. Mein Schwanz denkt nur an eins: Seans weiche Lippen, die sich fest um ihn legen und ihn mir aus dem Hirn blasen, damit ich endlich Ruhe finde. 'Auch danach hast du keine Ruhe, du notgeiler Trottel!', schimpfe ich den 'kleinen' Kerl zwischen meinen Beinen. 'Vor lauter Schuldgefühlen werde ich dich nie wieder hochbekommen. Ist es das was du willst?' Keine Antwort, bis auf ein ungeduldiges Pochen in meinem Schritt. Das kann auch nur passieren! Mein ganzer Körper fällt gleich ins Koma, nur mein bestes Stück ist hellwach und freut sich auf das Kommende. Als ob ich ihm das durchgehen lassen würde!
 

~Sean~

Hochkonzentriert und entschlossen, mich von nichts und niemanden heute ablenken zu lassen, sitze ich schon seit heute Mittag an meiner Abschlussarbeit. Ich bin tatsächlich gut vorwärts gekommen und kontrolliere nochmal grob was ich geschrieben habe. Im Großen und Ganzen bin ich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. 'Zeit für einen kleinen Happen', beschließe ich und nehme mir meinen Kühlschrank vor.

Gerade als ich dabei bin, mir ein Brot zu schmieren, klingelt es an meiner Tür. Ich schaue auf die Uhr. So spät Abends kann das nur einer sein. Aaron. 'Hoffentlich ist er nicht betrunken', flehe ich stumm und öffne die Tür. Kein betrunkener Aaron. Dafür aber ein noch unwillkommener Besuch. "Chase? Was machst du den hier?!" Und wie sieht er überhaupt aus? "Geht's dir gut?" Ich Trottel bin sofort besorgt um ihn.

Er schüttelt den Kopf. "Mir geht's beschissen", nuschelt er und ich habe fast schon Angst, dass er mir hier noch umkippt.

"Komm rein", fordere ich ihn deshalb notgedrungen auf und lasse ihn eintreten. Ich warte bis er sich auf meine Couch gesetzt hat und setze mich neben ihn. "Was ist den los?" Chase hat die Augen geschlossen. "Chase?"

"Sorry. Bin total KO."

"Wieso kommst du dann hier her? Penn dich doch erstmal aus." Was soll denn das? Er ist doch nicht etwa mit dem Auto gefahren in diesem Zustand?!

Chase seufzt und setzt sich auf. "Das ist es doch gerade. Ich kann nicht schlafen!", nuschelt er und schaut mich aus tiefen Augenhöhlen an.

"Solltest du da nicht besser zu einem Arzt? Ich bin noch keiner und dann auch nur für Tiere ..."

"Ich kann zu keinem Arzt!", ruft er und reibt sich die Augen. "Du bist doch schuld an allem."

"Ich bin schuld?!" Geht's noch? "Warum bin ich schuld an deiner Schlaflosigkeit?!", frage ich, wobei es mir aber langsam klar wird. Er kann wegen mir nicht schlafen. Heißt das also ...?

"Du gehst mir einfach nicht aus dem Kopf!" Ich beiße mir auf die Unterlippe. Möchte man sowas nicht von dem Mann den man begehrt hören? Sollte ich jetzt nicht in die Luft springen und Liebeslieder singen und duftende Rosenblätter auf meinem Bett verteilen, damit er mich auf Händen dorthin tragen kann?

Nein! Sollte ich nicht! Nicht, wenn es von dem Mann kommt, der Angst vor seiner Sexualität hat. "Chase, du gehst jetzt besser wieder und schläfst dich aus. Danach reden wir, okay?" Ich stehe auf und will ihn hochziehen, doch er wehrt sich dagegen.

"Das kann ich doch nicht! Nicht, bevor wir das geklärt haben!"

"Aber Chase! Ich habe dir doch schon alles gesagt!"

"Damit kann ich aber nicht leben!", ruft er und steht jetzt doch auf. "Ich mag dich Sean! Mehr als das! Ich ..." Chase verstummt, schaut mir in die Augen und dann nach unten. "Ich will dir nicht wehtun."

"Das musst du doch auch nicht", sage ich leise, aus Angst diese kleine, wunderschöne Seifenblase der Hoffnung zum zerplatzen zu bringen.

"Das werde ich aber. Ich weiß es!", jammert er und reibt mit den Fingern über seine Augen.
 

Okay. So wird das nichts! "Willst du hier schlafen?", frage ich ihn.

"Was?" Verblüfft schaut er mich an.

"Wenn du bei dir nicht schlafen kannst, dann vielleicht bei mir. Und morgen, wenn du ausgeschlafen bist und dein Hirn wieder Normalleistung hat, reden wir. Einverstanden?" Chase denkt einen Moment drüber nach und stimmt dann zu. "Dann leg dich jetzt hin. Komm. Ich zeig dir alles."

Mit Chase an der Hand gehe ich ins Schlafzimmer und verfrachte ihn in mein Bett. "Das Badezimmer ist gleich gegenüber. Schlaf gut."

"Sean?!" Was denn noch? Ich drehe mich wieder zu ihm. "Und du?"

"Was und ich?"

"Willst du nicht auch ...?" Himmel! Was denkt er sich denn nur?

"Ich nehme die Couch", erkläre ich ihm.

"Bleib doch." Oh heiliger Bananenauflauf! "Bitte Sean." Ich ringe mit mir und meinen Gefühlen. Mit dem unbedingten Wunsch jetzt einfach neben Chase zu krabbeln und der Sorge, mich damit wieder aufs Glatteis zu begeben.

"Lass mich noch schnell aufräumen. Dann komme ich." Vielleicht ist er bis dahin ja eingeschlafen.
 

~Chase~

Als Sean aus dem Schlafzimmer ist, ziehe ich mich bis aus die Unterhose aus und krabble unter die Decke. Mittlerweile weiß ich selbst nicht mehr, was richtig und was falsch ist und mache deshalb das, was mir mein Gefühl rät zu tun. Und das rät mir, Sean nicht auf der Couch übernachten zu lassen, sondern mit mir in seinem Bett, wo ich … Keine Ahnung! Nicht weiter darüber nachdenkend, wickle ich mich fester in die Bettdecke, drücke mein Gesicht ins weiche Kissen und fühle mich tatsächlich etwas besser. Ich döse sogar etwas ein und hätte fast nicht mitbekommen, wie sich Sean gerade zu mir legt. "Sean?" Ich höre, wie er innehält in seinen Bewegungen.

"Hab ich dich wieder geweckt?"

"Nein." Ich drehe mich auf die Seite, damit ich besser mit ihm reden kann. "Danke."

"Du musst mir nicht danken."

"Doch. Gerade du müsstest mich hochkant wieder rauswerfen."

"Rede nicht und schlaf jetzt endlich. ... Gute Nacht." Es wird still. Bis auf Seans leisen Atem und den Verkehr draußen auf der Straße. Eigentlich könnte ich jetzt in Ruhe einschlafen, wären da nicht noch immer meine umherirrenden Gedanken, die sich wieder unaufgefordert zwischen mich und meinem Schlaf drängen. Und weiter südlich hält jemand das hier anscheinend für die perfekte Situation um sich an Sean ranzumachen. 'Vergiss es!' Doch wie es nun mal so ist: Es ist immer die verbotene Frucht, die am süßesten schmeckt. Und Sean schmeckt ganz ausgezeichnet, wie ich mich nur zu gut erinnern kann.

Mit all meiner Willenskraft kämpfe ich das Verlangen in mir nieder und glaube schon fast zu gewinnen, da wackelt die Matratze und Sean dreht sich mit seinem Gesicht zu mir. Hat er etwa die Augen offen? "Kannst du noch immer nicht schlafen?" Ich hatte recht mit meiner Vermutung.

"Nein."

"Was beschäftigt dich so? Raus mit der Sprache."

"Wollten wir nicht morgen reden?"

"Nicht, wenn du davor immer noch kein Auge zugetan hast."

Mein Herz schlägt schneller. Sean ist mir so nah! Ich bräuchte mit meiner Hand nur ein paar Zentimeter weiter zu rutschen und ich könnte ihn berühren. "Rede schon. Keine Angst. Ich fress dich schon nicht."

Ich grinse. "Hätte ich die Befürchtung, würde ich hier jetzt nicht liegen."

"Ah. Du hältst mich also für harmlos", kichert er und wischt sich einige Strähnen aus dem Gesicht, die ihm dort hin gerutscht sind.

Halte ich Sean für harmlos? Eigentlich nicht. Er kann mir sogar gefährlicher werden, als mir lieb ist. Allein diese Erkenntnis müsste mich jetzt aus diesem Bett vertreiben, mich so schnell es geht das Weite suchen lassen, doch das tut sie nicht. Dazu bin ich viel zu müde. Stattdessen liegen mir ganz andere Dinge auf der Seele. Und sicher hätte ich die ihm auch nie gesagt, wenn mein Verstand nicht auf Sparflamme laufen würde. "Ich habe Angst Sean."

"Vor was den?"

"Vor dir." Innerlich applaudiert mein restliches Fitzelchen Hirnmasse und mein Schwanz zieht sich frustriert zurück. Wenigstens etwas ... Kann es noch schlimmer kommen?
 

~Sean~

"Vor mir?" Geschockt halte ich die Luft an. Hat er das gerade wirklich gesagt?

"Weißt du noch, was ich dir mal erzählt habe? Über meine Freundin."

"Mit der du ins Bett bist?"

"Genau die." Wieder ahne ich was kommt. Nur ob mir das auch gefallen wird? "Du gehst mir nicht aus dem Kopf. Ich dachte, wenn ich dich dazu brächte, mir einen ... Also wenn wir uns näher kommen würden, dann wäre das Thema gegessen. Danach wärst du mir egal ..."

"Ich verstehe!" In meinem Magen bildet sich ein klebriger Knoten. "Schön das du mir das alles erzählst, aber da mache ich nicht mit!" Ich raffe mich auf und verlasse das Schlafzimmer. Wie konnte ich nur so blöd sein?! Jedes Mal mache ich den selben Scheiß-Fehler! Jedes beschissene Mal! Wieso habe ich Chase überhaupt erst in meine Wohnung gelassen? Dabei war ich doch ganz stolz auf meine Entscheidung gewesen. Endlich hatte ich mal die Oberhand. Und nun habe ich mich wieder runterziehen lassen.

Ich laufe ins Wohnzimmer und will mich dort hinlegen, doch im Flur geht das Licht an und Chase kommt mir nach. "Sean! Hör mir doch noch mal zu!"

"Vergiss es Chase! Penn von mir aus hier, aber ab morgen früh will ich dich nie wieder sehen! Hast du gehört?!" Er bleibt stehen und runzelt die Stirn. Als überlege er krampfhaft nach einer Lösung. Aber da gibt es keine. Chase ist für mich gestorben. Ein für alle mal!

Doch dann setzt er sich wieder in Bewegung. Drohend funkle ich ihn an und er bleibt tatsächlich stehen. "Lass es mich erklären."

"Es hat sich aus-erklärt."

"Nein!", ruft er und ich zucke zusammen. "Verflucht Sean! Ich will dir etwas sagen was mir echt nicht leicht fällt! Also hör mir jetzt verdammt nochmal zu!" Hoppla. Ich knirsche mit den Zähnen, sage aber nichts mehr. Dann soll er eben sagen was er zu sagen hat. "Wenn wir miteinander ... also wenn wir ..."

"Vögeln?!", helfe ich ihm auf die Sprünge und verschränke die Arme vor der Brust.

"Nein! ... Ja! ... Was ich meine ist, wenn wir es täten und hinterher wären all die Gefühle weg, die ich für dich habe, dann ... Das will ich einfach nicht. Ich will nicht, dass ich dich danach anschaue und nichts mehr empfinde und dir damit noch mehr wehtue als sowieso schon."
 

Meine Beine drohen wegzuknicken. "Du hast Gefühle für mich?", krächze ich. Chase nickt, sieht aber genauso wacklig auf seinen Beinen aus wie ich. "Was für welche?"

"Das kann ich dir unmöglich erklären."

"Oh doch! Genau das wirst du jetzt tun!" Ich werde wieder zornig und trete auf Chase zu. "Sag es mir! Das habe ich verdient! Hast du eigentlich eine Ahnung, was ich wegen dir die ganze Zeit schon durchmache? Weißt du, wie das Wochenende im Park für mich war? Dich die ganzen zwei Tage so nahe bei mir zu haben? Mit dir in einem Bett zu schlafen, jede verdammte Sekunde von dir zu Träumen und jedes deiner Worte in eine Waagschale zu legen, ob du vielleicht nicht doch etwas für mich empfindest?! Und dann kommst du zu mir, küsst mich fast, machst mir damit wieder Hoffnungen, die du dann wieder völlig niedergetrampelt hast, als du mit dieser Blondine ankamst! Ich hätte mir am liebsten wieder eine gescheuert für meine voreiligen Schlüsse, für meine bescheuerten Hoffnungen und war erneut dabei dich abzuschreiben. Doch dann plappert Peter aus, dass du wahrscheinlich doch schwul bist und alles fing von vorn ..." Ich halte mir die Hand vor den Mund. Jetzt habe ich zu viel gesagt.

"Peter hat was?" Was habe ich den da wieder angerichtet?!

"Er sagte nur, dass er mit dir geredet hatte und ..."

"Nein! Du hast gerade gesagt, Peter meinte das ich schwul sei."

"Er sagte vielleicht! Nicht, dass du es bist. Oder Bi! ... Ist doch auch egal! ..."

"Ist es nicht! ICH BIN NICHT SCHWUL!" Chase braust richtig auf und dreht sich von mir weg. So langsam kapiere ich hier gar nichts mehr!

Ich laufe ihm nach, will ihm in die Augen schauen. "Chase! Dein bester Freund ist schwul. Wieso machst du so ein Drama draus?"

Chase bleibt stehen, dreht sich zu mir und funkelt mich wütend an. "WEIL ICH MICH NICHT FICKEN LASSE!", brüllt er und mir bleibt die Spucke weg.

Anscheinend merkt er selbst was er da gerade gesagt hat, den er wird noch blasser um die Nase als er es vorher schon war. Am liebsten würde ich was sagen, kann es aber nicht. Was soll man dazu schon sagen? Glaubt er etwa wirklich, dass schwuler Sex nur daraus besteht? Sich ficken zu lassen?

"Ich muss gehen", meint er wirsch und flüchtet ins Schlafzimmer zurück, wo er sich anzieht.

Ich bleibe im Wohnzimmer zurück und starre auf meinen Fußboden. Ich sollte zu ihm gehen, etwas sagen, wie: Niemand zwingt dich dazu, den Hintern hinzuhalten. Ich sollte ihm erklären, dass sich Sex doch nicht nur darum dreht, wer die Oberhand hat. Aber ich tue es nicht. Ich bleibe still auf der Stelle stehen und warte ab, bis Chase meine Wohnung verlassen hat. Erst dann setze ich mich auf meine Couch und greife zum Telefonhörer. "Sorry das ich noch so spät störe, aber ... Kannst du kommen? Du hattest recht, was Chase betrifft."
 

******
 

Und schon wieder ein kleiner Cliff. Tut mir soooo sorry *fg*

Aber ihr dürft euch schon mal aufs nächste Kapitel freuen. Denn da ... Nöööö, ich verrate es nicht! ;-)

Bis dahin: Gehabt euch wohl. Bis die Tage. ^_-

Kapitel 8 - Vegetarische Hühnerbrühe und ein Seelenstriptease

Kapitel 8 - Vegetarische Hühnerbrühe und ein Seelenstriptease
 

~Chase~

Tick tack. Tick tack.

Die Uhr geht mir auf den Geist. Wiedereinmal. Trotzdem bin ich froh, ihrem monotonen Getacke zuhören zu können. Das lenkt mich von Denken ab. Und denken will ich gerade gar nicht.

Tick tack. Tick tack.

Ich weiß noch nicht mal wie spät es ist. Oder welchen Tag wir haben. Auf der Arbeit habe ich mich krank gemeldet. Wer seit Tagen nicht schläft, arbeitet schlecht.

Tick tack. Tick tack.

Draußen ist es hell. Die Sonne scheint. Mir egal. Bestimmt habe ich schon einen Bart stehen und Augenringe bis in die Kniekehlen. Aber was soll's? Mich sieht ja keiner.

Tick tack. Tick tack.

Gibts auch Uhren mit einem anderen Tick-Ton? Etwas Abwechslung wäre doch nicht schlecht. Ob bald die Batterie leer ist? Wie lange ist die eigentlich schon da drin? Habe ich die jemals ausgewechselt? Und wie lange hält so eine Batterie? Steht das auf der Verpackung drauf, oder gar auf der Batterie selbst?

Tick tack. Tick rinnng rinnng!

Das war nicht mein Wecker! Der Ringt nicht. Der macht bloß Krach.

Rinnnnng!

Da ist jemand an meiner Tür! Egal. Ich lasse ihn klingeln. Leider ist der Besucher hartnäckig und klopft sogar. "CHASE?! MACH AUF DU RATTE!" Ratte? Soll ich wirklich aufmachen, wenn ich so beschimpft werde? "CHASE?! ICH WEIß DAS DU DA BIST! DEIN AUTO STEHT DRAUßEN!" Hm. Mein Auto ... Verräter!

Bevor mein Besucher noch die gesamte Nachbarschaft auf den Plan ruft, stehe ich lieber doch auf und schlurfe zur Tür. Und wer steht da vor mir, mit zornigem Gesicht und verschränkten Armen? Ganz recht! Der gute, alte Aaron. "Was willst du?", frage ich müde.

Aaron legt seine Stirn kraus. "Mann! Siehst du kacke aus!" Danke für die Blumen!

"Hätte ich gewusst, dass du mich heute mit deinem Besuch beehrst, hätte ich mich vorher hübsch gemacht." Ich lasse ihn rein und kaum das ich die Tür geschlossen habe, werde ich auch schon gepackt, herumgedreht und mit dem Rücken an die Tür gedrückt. Sehr freundlich, aber auch irgendwie lustig, bedenkt man, dass Aaron kleiner ist als ich. Zwar größer als Sean, aber ... An Sean zu denken versetzt mir einen heftigen Stich. Und jetzt wird mir auch klar, was Aaron hier will. Sicher nicht nur um mich einfach so mal gegen die Tür zu wuchten um zu sehen wer von uns beiden stärker ist. "Willst du mir eine reinhauen?", frage ich und bleibe ruhig. Soll er mir eben eine verpassen.

"Ich hätte nicht übel Lust dazu", grollt er.

"Dann tu's und verschwinde wieder."

"Das hättest du wohl gern, was? Aber so leicht werde ich es dir nicht machen." Er lässt mich wieder los und baut sich vor mir auf. Lustig! Wenn ich könnte, würde ich jetzt vielleicht sogar lachen. "Du bist echt der bescheuertste, arroganteste und gefühlloseste Kerl, der mir je untergekommen ist!"

"Wow! Ein Kompliment vom Meister persönlich", stichle ich. "Und warum bin ich das?"

"Als ob du das nicht wüsstest!", schleudert er mir entgegen. "Sean macht sich Sorgen um dich, du Arschloch! Du antwortest nicht auf seine Anrufe und verkrümelst dich hier. Was läuft da bloß falsch in deinem Kopf?! Der Kleine mag dich, verflucht noch eins! Und du ziehst so 'ne beschissene Show ab, und haust einfach ab! Was denkst du dir dabei nur?"

"Er hat es dir erzählt?" Mir wird schlecht.

"Ja hat er. Und eins sage ich dir Freundchen: Wenn du weiter auf Dramaqueen machst und dir nicht endlich genug Eier wachsen lässt, um dazu zu stehen, dass du einen Kerl liebst, dann kümmere ich mich persönlich um deinen mickrigen Arsch."

"Du willst mir drohen?" Offen lache ich ihm ins Gesicht.

"Nein. Ich tue es schon." Wir messen uns mit grimmigen Blicken. Aaron gibt zuerst auf, lacht sarkastisch auf und schüttelt den Kopf. "Weißt du was? Es verlangt viel mehr Mut, zu sich zu stehen und dazu, schwul zu sein, als sich dagegen zu wehren und einen auf Macho zu mimen und eine Frau nach der Anderen flachzulegen."

"War's das?", frage ich äußerlich gelassen. Doch in meinem Inneren rumort es.

Ich kann förmlich sehen wie in Aaron der Zorn erneut hochkocht. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. "Was bin ich froh, dass du dich bei Sean nicht mehr meldest und endlich damit aufhörst, ihm den Kopf zu verdrehen. Sean hat was Besseres verdient, als so eine armselige Witzfigur wie dich."

Nun bin ich es, der wütend wird. "Woher willst du den wissen, was zwischen mir und Sean war?! Du hast doch keine Ahnung!"

"Ich keine Ahnung?!", brüllt er zurück und gibt mir einen Schubs. "Ich kenne solche Typen wie dich! Du hältst Sean doch nur hin, um ihn dann schneller ins Bett zu kriegen! Du bist ein schwanzgesteuertes Arschloch! Sonst nichts!" Es knallt. Ohne nachzudenken habe ich Aaron eine Ohrfeige verpasst. Erst ist er verwundert, dann stürmt plötzlich auf mich zu, verpasst mir einen Kinnhaken und wuchtet mich erneut hoch. Diesmal gegen die Wand. Wir rangeln miteinander und ich kann noch einen Treffer landen, ehe er mir sein Knie in die Weichteile rammt. Das war unfair!

Stöhnend rutsche ich an der Wand hinunter. "Halt dich von meinem Kleinen fern! Hast du verstanden?!", droht er dunkel und macht sich vom Acker.

Ich soll mich von seinem Kleinen fernhalten? Seinem Kleinen ...?
 

***
 

~Sean~

Ein Blick auf mein Handy. Nichts. Kein Rückruf und keine SMS. Ob Peter mir aus Versehen die falsche Nummer gegeben hat? Oder ich habe einen Zahlendreher drinnen. Zum tausendsten Mal kontrolliere ich die Nummer. Sie stimmt. Wie jedes Mal. Und Peter hat mir auch sicher nicht die Falsche Nummer gegeben. Das wäre mir aufgefallen, so oft, wie ich ihn danach gebeten habe.

Das Handy wandert wieder auf meinen kleinen Tisch, bevor ich mir schnell ein Taschentuch aus der Box ziehe und hinein schniefe. Nein, ich heule nicht wegen Chase. Mich hat's erwischt. Sprich: Ich liege krank im Bett. Sonst wäre ich schon längst zu ihm gefahren, und könnte mir jetzt diese dämliche Rumwarterei ersparen.

Die ganze Zeit muss ich über Chases Worte nachdenken. Wobei mir unwillkürlich das Gespräch mit Peter in den Sinn kommt. War da doch etwas Schlimmeres im Club damals vorgefallen, als Peter vermutet? Und wenn ja, wie kann ich Chase dabei helfen, das zu überwinden? Und was kann man gegen seinem seltsamen Fluch unternehmen, von dem er denkt, dass wenn er einmal mit mir in der Kiste landet, dann würde er mich nicht mehr mögen.

Ich schnäuze in ein neues Taschentuch. Chase ist das größte Rätsel, dass ich jemals versucht habe zu lösen. Außerdem bereitet mir das ganze Nachgrübeln Kopfschmerzen. Ich brauche Schlaf. ... "Und einen Tee."
 

In meinen pinken Bunnyhausschuhen (Ja ja. Hört auf zu kichern. Die trage ich immer wenn es mir mies geht) tapse ich in die Küche und stelle Wasser auf. An die Küchenzeile gelehnt, warte ich bis es kocht. An solchen Tagen wünschte ich mir einen heißen Krankenpfleger. Aber alle müssen arbeiten und ich hocke allein hier in meiner Bude. Noch nicht mal Aaron hat für mich Zeit. Der hat sich überhaupt ganz schön rar gemacht die letzten Tage.

Als ich ihm von Chases enthüllenden Gefühlsausbruch erzählt habe, hat er nur den Kopf geschüttelt und irgendwas vor sich hingebrummt. Er kann Chase nicht leiden. Sicher hofft er, dass ich ihn mir endlich aus den Kopf schlage, aber wie soll das gehen? Jedes Mal wenn ich denke: Nie wieder! Ich bin durch mit ihm! Dann kommt er wieder daher und schmeißt meine Entscheidung über den Haufen.

Ich lasse den Kopf hängen, den ebenjener pocht unangenehm, als ob er verhindern will, dass ich weiter über den großen, ängstlichen Chase nachdenke. Ich brauch 'ne Schmerztablette!

Das Wasser kocht endlich und ich fülle es in eine Kanne. Nochmal stehe ich heute nicht mehr so schnell auf. Mit Kanne, Tasse und einem Pack Kräutertee bewaffnet biege ich gerade ins Schlafzimmer ein, als es klingelt. Entweder die Post kommt, oder einer meiner Freunde hatte Erbarmen mit mir und will mich gesundpflegen. "Ja ja. Und morgen fliege ich auf den Mond. Zusammen mit Hugh Jackman." Ich und Mr. Jackman auf dem Mond ... Der Gedanke hat was ... Autsch! Mein Kopf!
 

Neugierig, wer sich erweichen ließ mich zu besuchen, linse ich durch den Türspion. Und wen ich da sehe, ist sogar noch besser als Hugh Jackman auf dem Mond! Da steht Chase!

Ich öffne die Tür einen Spalt, damit Chase mich in meinem Schlabberoutfit nicht sehen kann. "Hey. Ähm ... Können wir nochmal reden?" Oh man! Wieso gerade jetzt?

"Ja. Aber heute ist schlecht. Komm doch in ein paar Tagen nochmal."

"Ich dachte, du versuchst mich zu erreichen? Magst du jetzt doch nicht mehr ..."

"Doch! Aber wir hätten auch telefonieren können."

"Ich wollte dich aber sehen."

Ich seufze laut und öffne die Tür ganz. 'Er wollte mich aber sehen.' "Okay. Dann komm rein. Aber nicht erschrecken", sage ich, erschrecke mich aber selbst vor Chases Anblick. Er sieht noch schlimmer aus als das letzte Mal! Er hat ein unrasiertes Gesicht und dazu blinkt ein Veilchen unter dem rechten Auge in leuchtenden violett. "Wie siehst du den aus?!", fragen wir gleichzeitig den jeweils anderen und mustern uns gegenseitig. Dann grinsen wir und mir wird ganz warm uns Herz. "Bin krank."

"Kann nicht schlafen."

"Und das Veilchen?" Chase druckst rum. "Wer war das?"

"Aaron."

"Aaron?!" Ist Chase nur deswegen hier? "Ich weiß nicht ob er es beabsichtigt hatte, oder nicht, aber er hat mir einen kräftigen Denkanstoß gegeben."

"Inwiefern?", frage ich.

"Wollen wir nicht reingehen? Du gehörst besser ins Bett." Er hat recht. Mir ist ganz wackelig auf den Beinen, was ausnahmsweise nicht an Chase liegt.

"Komm rein. ... Magst du auch einen Tee?"
 

~Chase~

"Gern." Ich folge Sean in sein Schlafzimmer. "Schicke Hausschuhe", kichere ich. Er trägt rosarote Flauschhäschenschuhe.

"Danke. Waren auch teuer."

"So sehen sie auch aus." Sean kickt sie sich von den Füßen und legt sich ins Bett. Er sieht wirklich krank aus. Ob er Fieber hat? Ohne groß darüber nachzudenken fasse ich ihm an die Stirn. Jepp! Fieber. "Das Reden verschieben wir lieber. Du glühst."

"Hm ...", brummt er lediglich und schließt seine Augen.

"Ich glaube, du schläfst besser ein wenig."

"Und du?" Und ich? Soll ich besser wieder gehen? "Bleibst du?"

"Wenn ich darf", erwidere ich leise und lege nochmal meine Hand auf seine Stirn. "Hast du ein Fieberthermometer?" Das kontrolliere ich mal lieber.

"Badespiegel", brummt er lediglich und liegt schon halb eingeschlafen vor mir.

Ich stehe auf und suche nach dem kleinen Stäbchen. Dabei stoße ich auf allerlei Cremes und anderen Schnick-Schnack. Wozu braucht er das alles? Der hat ja mehr von dem Zeug als jede Frau! Bevor ich mich noch weiter darüber wundern kann, finde ich zum Glück das Thermometer und laufe zu Sean zurück. "Ich hab's!"

"Gut. Gib her." Sean richtet sich auf und streckt eine Hand raus.

"Ich mach schon! Bleib liegen."

"Sicher?"

"Klar." Was hat er denn? Ich ziehe das kleine Schutzhäubchen ab. "Mach Ah!"

"Lieber nicht." Ich runzle die Stirn. "Das kommt nicht in den Mund." Bei mir macht es Klick. Und zwar so heftig, dass mir das Thermometer fast aus der Hand gerutscht wäre.

"Dann ... dann mach du das lieber!", stottere ich und reiche ihm das Ding.

"Pfffdhahaaha ... Au!" Er greift sich an den Kopf.

"Sean?" Ich versteh hier gar nichts mehr.

"Du glaubst auch alles", grinst er und steckt sich das Thermometer in den Mund.

"Sei froh das du krank bist", grummle ich und schaue ihn böse an.

"Dein Gesichtsausdruck eben war's allemal wert." Giftzwerg! Doch sein Scherz weckt alte Erinnerungen. So habe ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.
 

Ich setze mich neben ihn aufs Bett und zusammen warten wir bis es piepst. Eine recht schweigsame Wartezeit entsteht. Hin und wieder blinzle ich rüber zu ihm, und jedes mal starrt er zurück. Das macht mich ganz kirre! Bestimmt denkt er das Schlimmste über mich, nach meinem Ausbruch das letzte Mal.

"Chase?"

"Ja?!"

"Erzählst du mir, was da damals los war? Wieso du so 'ne Panik davor hast, dass dir ein Kerl zu nahe an deinen Hintern kommt? Das hast du doch, nicht wahr?"

"Da gibt es nicht viel zu erzählen", sage ich und schaue weg.

"Bitte Chase! Ich ..." Zum Glück fängt das Thermometer an zu piepsen. Sean schaut auf die kleine Digitalanzeige. "38,6 Grad. Geht noch."

"Findest du?" Ich nehme ihm das Thermometer wieder ab.

"Du bist ja richtig besorgt um mich."

"Sollte ich das nicht?"

Sean lächelt müde und kuschelt sich in seine Decke. "Doch. Das gefällt mir. Vorhin habe ich noch gedacht, so einen sexy Krankenpfleger könnte ich wirklich gut gebrauchen, und peng! Stehst du vor der Tür."

"Du willst also einen Krankenpfleger?" Sean nickt. "Kannst du haben", sage ich und stehe auf. "Du schläfst jetzt und in der Zwischenzeit gehe ich Einkaufen. Hühnerbrühe wirkt wahre Wunder!"

"Kannste harken. Ich esse doch kein Fleisch."

"Oh." Stimmt. Da war ja was. "Dann eben eine vegetarische Hühnerbrühe ohne Huhn", beschließe ich und eile los.

"Chase?!" Ich bleibe stehen. "Willst du wirklich so fahren?"

"Was meinst du?"

"Nicht das du im Auto oder im Supermarkt einpennst."

Ich überlege kurz. "Eigentlich bin ich ziemlich wach gerade."

"Sei trotzdem vorsichtig", murmelt Sean und schließt seine Augen. Wer macht sich hier nun Sorgen um wen?
 

***
 

~Sean~

Ein Klappern weckt mich. Nachdem Chase verschwunden war, muss ich eingeschlafen sein. Testend öffne ich meine Augen. So gut wie kein Kopfschmerz mehr. Wieder scheppert es und ein leises "Mist!" erreicht mein Ohr. Ich muss grinsen und stelle mir einen total überforderten Chase in meiner kleinen Küche vor. Wie er zwischen Einkaufstüren und Töpfen das Gemüse kleinschnippelt und jede meiner Schubladen aufreißt, um das zu finden, was er gerade benötigt. Besser, ich schaue mal nach ihm. Deshalb schlüpfe ich wieder in meine Bunnyschuhe, wickle mich in meine Decke ein und suche meinen Krankenpfleger.

Wie erwartet finde ich ihn in der Küche, die aber nicht halb so chaotisch aussieht, wie ich vermutet hatte. Gekonnt schnippelt er gerade eine Zwiebel und hat das restliche Gemüse um sich gereiht. "Alles klar hier?"

"Sean! Shit! Hab ich dich geweckt?"

"Ja", gebe ich zu.

"Tut mir leid."

"Kein Ding." Ich gähne herzhaft und setze mich auf einen Stuhl. "Und du willst wirklich nicht auch erstmal versuchen ein Auge zuzumachen?" Er sieht noch 'ne Spur müder aus als vorhin.

"Nachher." Entschlossen nimmt er sich eine Karotte vor.

"Bitte Chase. Komm mit mir ins Bett."

Das Messer verharrt in der halb zerschnittenen Karotte. "Zu dir?"

"Doch nicht? ... Oh je! Stimmt. Nicht das ich dich noch anstecke."

"Das meinte ich damit nicht."

"Was den dann?", frage ich und spitze die Ohren.

"Na ja. Das letzte Mal war eine Katastrophe."

"Gut. Treffen wir eine Abmachung. Du lässt das Messer fallen und kommst mit mir ins Bett, und wir reden keinen Ton mehr miteinander, ehe du nicht ausgeschlafen bist."

"Und du? Werde erstmal gesund."

"Mir geht's schon viel besser." 'Und nach einem Schläfchen neben dir bestimmt noch besser', denke ich.

Chase lässt das Messer fallen und nickt. "Abgemacht. Sonst landet noch einer meiner Finger in der Brühe."

"Lieber nicht. Ich esse doch kein Fleisch."
 

***
 

~Chase~

Wie kann man nur so aussehen? Die kleine Nase, ganz rot vom vielen Schnäuzen, die rosige Lippen, die im Moment etwas blass sind, aber nicht weniger anziehend, die langen, dunkelblonden Wimpern und das feine Haar, das sich darüber legt. Wie kann er mir das nur antun?! Wie kann ein Mann nur so ... so ... so verdammt anziehend auf mich wirken?!

Keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe, aber es ist bereits hell. Das heißt, ich habe den halben, vorigen Tag neben Sean gelegen und die ganze letzte Nacht auch. Ich habe endlich mal wieder geschlafen! Und vorhin, als ich ausgeruht meine Augen öffnete, sah ich direkt in Seans schlafendes Gesicht, das ich jetzt immer noch anstarre, als sei es eins der untergegangenen sieben Weltwunder.

Ob ich es wagen kann, ihm eine seiner Strähnen aus dem Gesicht zu wischen? Noch ehe ich weiter darüber nachdenke, hat sich meine Hand schon in Bewegung gesetzt. Ganz vorsichtig, um ihn ja nicht aufzuwecken, fahre ich ihm mit dem Zeigefinder über die Stirn. Seans Nase wackelt kurz, doch aufwachen tut er nicht. Froh darüber streife ich weiter über die glatte Haut. Fieber hat er nicht mehr, was mich beruhigt. Ich wandere weiter und komme an seinem Ohr an. Sean kräuselt seine Stirn und ich halte inne. Wacht er doch auf? Vorsichtshalber ziehe ich meine Hand weg, als ...
 

"HATSCHIII!" Volltreffer!

"Oh Sean!" Ich setze mich auf und zupfe mir eine Handvoll Taschentücher aus der Box.

"Chase?" Der Giftzwerg blinzelt mir müde entgegen. "Hab ich dich erwischt?"

"Unwesentlich", schnaube ich in die Taschentücher.

"Oh nein! Hoffentlich hab ich dich jetzt nicht angesteckt!"

"Schon gut. Auf der Arbeit bin ich eh schon krank gemeldet."

"Wegen mir? Weil du nicht schlafen konntest?" Strahlend blaue Augen tauchen vor mir auf. Die geben mir den Rest.

'Scheiß drauf!', feuere ich mich an, packe Seans Nacken und drücke ihm meinen Mund auf. Der Kleine erschaudert und biegt sich mir entgegen.

Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst haben, mustert er mich eindringlich. "Hör auf mit mir zu spielen", flüstert er schließlich und rückt von mir ab.

"Das tue ich nicht!"

"Nein? Okay. Dann sag mir jetzt bitte, wie du dir das weiterhin mit uns vorstellst. Kommst du alle paar Tage mal vorbei, bringst mich vollkommen durcheinander und düst dann wieder ab, nachdem wir uns wieder irgendwelche Beschuldigungen und Geständnisse an den Kopf geworfen haben?"

"Quatsch!"

"Und was dann? Erzählst du mir endlich, warum du mir letztens so lautstark klargemacht hattest, dass dein Hintern tabu ist?"

Also gut. Länger kann ich mich wohl nicht mehr vor einer Erklärung drücken. Jedenfalls nicht, wenn ich nicht will, dass Sean mich komplett aus seinem Leben streicht. Und so ungern ich es zugebe, das will ich nicht. "Ich erzähl es dir. Aber sag den Anderen nichts. Okay?"
 

~Sean~

"Versprochen." Man kann Chase ansehen, dass er mit sich kämpft. Gott! Was war da nur vorgefallen?!

"Wie Peter dir schon erzählt hatte, passierte es in diesem Schwulenclub, zu den ich Peter begleitete. Ich war selbst ganz aufgeregt und freute mich sogar drauf. Ich war offen für alles, dachte ich zumindest und ganz ehrlich? Mit 'nen Kerl in die Kiste zu steigen war eins der Dinge, die ich mir schon öfter vorgestellt hatte.

Und dann sah ich diesen wahnsinns Typen. Er war all das, was ich damals nicht war. Groß, gut gebaut und erfahren. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprach ihn an, fest davon überzeugt eine Abfuhr zu erhalten, weil ich ... Sagen wir mal, ich war ein pubertierender Bengel mit schlimmer Akne."

"Gibt's davon noch Fotos?", kichere ich und habe natürlich wieder die passenden Bilder im Kopf. Chase schaut mich grimmig an. "Sorry! Erzähl weiter."

"Du warst nie in der Pubertät, wie?"

"Nö!"

Chase lächelt, wird aber wieder ernst. "Wir tanzten und er begann mich wild zu küssen, fummelte an mir rum und mich machte das dermaßen an, dass ich ihn fragte, ob wir nicht irgendwo ungestört sein könnten. Prompt landeten wir auf der Toilette, schlossen uns in eine der Kabinen ein und rissen uns die Kleider von Leib. Bis dahin war noch alles gut. Bis er mich umdrehte und gegen die Toilettenwand drückte. Ich wurde nervös, hielt aber still. Ein kalter Finger schob sich zwischen meinen Hintern und wollte in mich eindringen. Da hätte ich schon stopp sagen müssen, aber ich wollte mich nicht anstellen. Also biss ich die Zähne zusammen. Erst als sich plötzlich einen heißen Schmerz spürte, begann ich mich zu wehren. Aber er hielt das anscheinend für ein Spiel, oder was weiß ich. Er kicherte bloß. "Nur mal nicht ungeduldig werden. Ich verspreche dir: Ich fülle deinen knackigen Arsch gleich sicher mehr als gut aus." Da begann ich zu schreien, bekam richtig Angst und schlug um mich. Dann merkte der Kerl endlich, dass das kein Spiel war und ich ganz und gar nicht ungeduldig war. Er ließ mich los, entschuldigte sich mehrmals und ich haute ab. Seitdem ... Bin ich eben vorsichtig."
 

Ruhig habe ich mir den Rest angehört und kann Chases Verhalten auch in gewisser Weise nachvollziehen, doch ... "Jeder von uns hat mal sowas in der Art erlebt. Und ich denke, dass das auch in der Heterowelt passiert." So leid es mir tut, aber ich kann ihn nicht richtig verstehen. Aber vielleicht bin ich da auch anders gestrickt.

"Und bei dir? Hattest du auch mal so ein Erlebnis?" Ich nicke. "Erzählst du es mir?" Soll ich es ihm erzählen? Bin ich es ihm nicht sogar schuldig, nachdem er mir alles gebeichtet hat? "Geht es um diesen Andy?" Bingo!

"Ja."

"Hab ich mir schon gedacht." Chase, der eben noch aufrecht vor mir gesessen hatte, legt sich wieder hin und schaut mich von unten her ruhig an. "Ich kann mir vorstellen, wie es sein kann, wenn derjenige, den man liebt, plötzlich verschwindet."

"Nein kannst du nicht", antworte ich und umklammere meine Beine. "Andy hat sich umgebracht." Nun ist es raus. Mir verschwimmt die Sicht und ich ziehe meine Nase hoch.

"Oh. Das ... Tut mir leid! Ich wollte dich nicht ..."

"Schon gut." Ich wische mir über die Augen. Das Bett schwankt und zwei kräftige Arme legen sich um mich. Und dann bricht es aus mir heraus. Ich erzähle im alles. Wie ich Andy kennengelernt hatte, mit ihm praktisch sofort ins Bett bin und mit ihm wundervolle zwei Tage verbracht hatte. Dann von der Nachricht, dass er sich umgebracht hatte und auch weshalb, die Angst danach, selbst krank zu sein und dann meine allmählich beginnende Freundschaft mit Sascha und Aaron. Selbst Aarons Selbstvorwürfe verschweige ich ihm nicht.

Nachdem das alles aus mir gesprudelt ist, fühle ich mich regelrecht ausgesaugt. Noch nie habe ich jemanden davon erzählt, abgesehen von Aaron und Sascha. Doch die zählen nicht, sind sie doch auch davon betroffen.

"Deshalb kann ich das nicht. Verstehst du? Ich kann nicht warten, bis du dir irgendwann sicher bist, ob du mich willst oder ob du das überhaupt kannst. Das halte ich nicht aus."

Chases Mund legt sich an mein Ohr. Er hatte sich alles ganz ruhig angehört und mich ausreden lassen. "Ich bin mir sicher", flüstert er und mir bleibt das Herz stehen. "Nur gib mir bitte Zeit mich an alles zu gewöhnen." Ich soll ihm Zeit geben?
 

~Chase~

Ich habe meine Augen geschlossen und warte. Warte darauf, dass Sean endlich etwas sagt. Doch das tut er nicht. Was soll ich den noch sagen? Ich habe eben einen kompletten Seelenstriptease vor ihm hingelegt, ihm alles erzählt, ihm sogar gesagt, dass ich mir sicher bin, dass ich ihn will. Reicht das nicht erstmal? Und das ich etwas Zeit brauche, um das alles irgendwie auf die Reihe zu bringen mit uns, ist das wirklich so schlimm? Oder warum hängt er immer noch so starr in meinen Armen? "Sean?", wage ich einen Versuch in wachzurütteln." Sag doch was."

"Für was brauchst du Zeit? Dich an den Gedanken zu gewöhnen, in einen Kerl verliebt zu sein?" Er gleitet mir aus den Armen und rutscht ein Stück von mit weg. Leichte Panik setzt in mir ein und ich habe das Gefühl, wenn ich jetzt was falsches sage, dann war es das für immer.

"Nein, das nicht."

"Was ist es dann?" Hat er mir nicht zugehört vorhin? "Willst du, dass wir es heimlich machen?"

"Moment mal Sean! Davon hab ich gar nicht geredet."

"Wovon dann? Geht es immer noch um den Sex?" Eben darum geht's! Er hat mir doch zugehört. Ich nicke. "Dann liegt es nicht an mir, dass du Zeit brauchst?"

"An dir?", frage ich verblüfft. "Nein! Du bist gerade das Einzige, wobei ich mir sicher bin."

"Ehrlich?"

"Ehrlich." Sean lächelt leicht und schlüpft wieder an mich heran. "Nur das mit dem Sex, darüber ..."

"Machst du dir viel zu viele Gedanken", beendet er meinen Satz nicht ganz so wie ich es hätte sagen wollen. "Hast du wirklich geglaubt, dass es nur so geht?"

"Wie meinst du das?"

Seans blaue Augen funkeln mich frech an. "Erstens mal war der Arsch, der dich einfach so gut wie unvorbereitet in einem Männerklo nehmen wollte, ein echter Stümper, meiner Meinung nach. Zweitens gibt es so viele wundervolle Möglichkeiten, wie man sich noch so alles im Bett austoben kann und drittens" Sean kommt mir ganz nah und flüstert direkt an meine Lippen "bin ich viel lieber derjenige, der unten liegt." Er unterdrückt mein leises Aufkeuchen, indem er mir einen tiefen Kuss verpasst, den ich nur liebend gern erwidere.
 

******
 

Na, was meint ihr? Ob sie jetzt wirklich endlich zusammengefunden haben???

Kapitel 9 - Sotternase

Kapitel 9 - Sotternase
 

~Chase~

Eilig schließe ich die Küchentüre. Nicht das Sean aufwacht von dem ganzen Lärm. Ich schalte die Dunstabzugshaube an und rühre die laut brutzelnden Zwiebeln im Topf herum und gebe die Kartoffeln dazu. Jetzt noch Wasser drauf und köcheln lassen.

Nachdem Sean und ich uns ausgesprochen hatten, musste ich ihn fast dazu zwingen, sich wieder schlafen zu legen. Dieser kleine, stupsnasige Giftzwerg wollte mich einfach nicht loslassen. Was auch kein Wunder war, nachdem er mich fragte, ob wir jetzt zusammen sind und ich einfach ja gesagt habe. Ja, ich gebe es zu. Mein Mund war schneller als mein Hirn gewesen. Doch es macht mir nichts aus. Zum Schluss war ich sogar froh darüber gewesen, dass ich einfach so zu einer Beziehung eingestimmt habe. Hätte ich erst lange überlegen müssen, hätte das bestimmt nicht gerade ehrlich gewirkt. So aber hatte mich Sean regelrecht angestrahlt, dass ich schon Angst hatte, einen Sonnenbrand von dieser immensen Strahlkraft zu bekommen, und hatte mich unter sich begraben, um mir die Seele aus dem Leib zu saugen. Meine Lippen sind immer noch ganz geschwollen. Eigentlich ist es schon fast beängstigend, wie schnell das jetzt alles ging.
 

"Jetzt habe ich einen festen Freund. Glückwunsch Chase." Ich stelle den Herd auf die mittlere Stufe und pirsche mich auf leisen Sohlen zum Schlafzimmer. Ein Blick und mir wird ganz anders. Wie niedlich er aussieht. Schläft wie ein niedergestrecktes Engelchen. Ich grinse über mich selbst. Sowas kann man auch nur denken, wenn man verliebt ist. ... Mist! Das bin ich wirklich, oder? Verliebt.

Vorsichtig schließe ich die Tür wieder und gehe ins Wohnzimmer. Etwas Fernsehen kann nicht schaden. Leider werden meine Pläne von der Wohnungsklingel zunichte gemacht. Ich gebe Vollgas, damit Sean nicht aufwacht, und reiße sie, ohne nachzuschauen wer da vor der Tür steht, auf.

"Was machst du den hier?!"

"Aaron!" Hab ich ein Pech!

"Wo ist Sean?!", poltert er los, drängelt mich zur Seite und stürmt die Wohnung. Ich bin erst zu verdattert um ihm Einhalt zu gebieten. "Sean?!"

"Psst!" Endlich werde ich munter. "Sean liegt krank im Bett."

"Wieso weiß ich davon nichts?!"

"Keine Ahnung. Sei leise verflucht."

"Du hast mir gar nichts zu sagen." Er starrt mich drohend an, was ich aber nur belächle.

"Komm mit in die Küche", fordere ich ihn bloß auf. So gern ich ihm einfach rausschmeißen würde, ich lasse es. Sean hätte sicher etwas dagegen.

"Und was machst du hier, wenn Sean krank ist?"

"Ihm eine Suppe kochen." Aaron schaut mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"Suppe?! Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst dich von ihm fern halten und aufhören ihm weh zu tun?"

"Nur keine Panik. Die Suppe ist nicht vergiftet. Willst du mal probier..."

"Von der scheiß Suppe redet keiner!"

"Pssst!", mache ich erneut und er zuckt wirklich zusammen. Lustig.

"Warum bist du hier und kochst Suppe?"

"Wenn du es unbedingt wissen willst", seufze ich und deute auf die beiden Küchenstühle. Dabei fällt mir ein, dass ich mit Sean noch gar nicht richtig über Aaron geredet habe. Naja. Hat sich auch irgendwie erledigt, nachdem wir beide jetzt zusammen sind. Also muss ich mich mit diesem Zankapfel dringend vertragen. Denn wir werden uns sicher noch häufiger über den Weg laufen.
 

Ich setzte mich ihm gegenüber und überlege, wie ich anfangen soll. "Dein Besuch hat mir klar gemacht, dass ich mich dringend mit Sean aussprechen musste. Und das habe ich dann auch." Mehr oder weniger ...

"Und jetzt? Machst du ihm also wieder Hoffnung und sägst ihn morgen ab?"

"Nein! Denk nicht immer so schlecht von mir. Schließlich bin ich seit gestern hier und kümmere mich um ihn. Und nicht du."

"Soll ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben?!" Mist!

"Nein! So war das nicht gemeint."

"Ich war arbeiten. Deshalb komme ich jetzt erst!"

"Ist ja schon gut! War nicht so gemeint."

Aaron beruhigt sich tatsächlich etwas. "Wie geht's ihm?"

"Es geht so. Etwas Fieber hatte er vorhin noch, aber er erholt sich recht schnell."

"Wenigstens etwas."

"Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Mach dir keine Sorgen."

"Sagt Mr. Einmal hier und einmal da."

"Sean kennt den Grund, weshalb ich ... so ein Arsch war."

"Oh ja! Der warst du." Aaron grinst. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Je nach dem, ich halte ihm meine rechte Hand entgegen. "Vertragen wir uns? Für Sean."

Er zögert sichtlich, nimmt sie aber dann an. "In Ordnung." Sein Griff wird fester. "Aber wehe du ziehst nochmal so was ab. Dann stampfe ich dich unangespitzt in den Boden."

"Geht klar." Worauf habe ich mich da jetzt wieder eingelassen? Doch da ich nicht mehr vorhabe, Sean in irgendeiner Form weh zu tun, dürfte ich vor Aarons Zorn sicher sein.

"Und was ist das jetzt zwischen euch?", fragt Aaron und moppst sich eine Karotte aus dem Einkaufsnetz.

Ich nehme sie ihm ab und gehe damit ans Waschbecken. Wollte der Idiot doch einfach so da reinbeißen! "Wir sind Freunde", erzähle ich ihm so beiläufig wie möglich. Schließlich muss er erstmal nicht alles erfahren. Und bestimmt nicht von mir. Ich überlasse es lieber Sean, ihm das zu erklären.

"Du weißt, dass das nicht lange gutgehen wird. Der Kleine mag dich nämlich mehr als du glaubst." Sei dir da mal nicht so sicher.

"Sobald Sean wieder gesund ist, klären wir das. In der Zwischenzeit langt es, wenn wir uns einfach nur gut verstehen. Findest du nicht auch?" Ich reiche Aaron die Karotte, woraufhin er gleich genüsslich reinbeißt. "Und wie geht es dir?"

"Mir?! Was meinst du?"

"Nur so", erwidere ich und zucke mit den Schultern.

Aaron kaut mit viel Elan auf dem orangenen Gemüse herum und fixiert mich mit halb geschlossenen Augen. "Wer hat dir was über mich erzählt?"

"Sean. Über Andy." 'Und über dein kleines Alkoholproblem', denke ich noch. Sage es aber lieber nicht laut. "Sean macht sich nämlich auch große Sorgen um dich."

"Das muss er nicht. Und das weiß er."

"Sicher?"

"Ja, verdammt!" Er wirft die halbaufgegessene Karotte auf den Tisch. "Ich gehe!"

"Und wer hat jetzt die Eier in der Hose?", frage ich leise, als er schon an der Küchentür steht.

"Du mieser ..."

"Aaron?" Plötzlich steht ein vollkommen zerknautscher Sean im Türrahmen. "Was machst du den hier?" Mein Kleiner lächelt und umarmt diesen ungehobelten Wüterich. Ich kann nicht verhindern, dass ein klein wenig Eifersucht in mir aufkommt.

"Hallo Sean. Wie geht's dir?" Wie liebevoll dieser Arsch sein kann! Heuchler!

"Super! Bis auf die Erklärung."

"Ich hätte auf alles getippt, nur nicht super."

"Na wenn man so gepflegt wird wie ich ... Chase kümmert sich echt rührend um mich." Ich lächle fröhlich, auch wenn Aaron mich anscheinend am liebsten auffressen würde.

"Ja. Super", knurrt er, gibt Seans blonden Haarschopf einen Kuss und lässt ihn wieder los. Ich balle meine Hände unterm Tisch zu Fäusten. Das hat er extra gemacht! "Ich muss wieder los." Endlich! "Ruf an, wenn was ist."

"Du auch", sagt Sean und will ihn hinaus begleiten.

"Bleib nur hier. Du kippst mir sonst noch um", hält Aaron meinen kleinen, kränklichen Giftzwerg auf.

"Ich passe schon auf, dass er nicht umkippt", kläre ich ihn auf.

"Hoffentlich." Nochmal messen wir uns abschätzend mit den Blicken, ehe Mr. Grummel nun wirklich abhaut.

Ich atme tief ein. "Habt ihr euch wieder gestritten?", fragt Sean leise und setzt sich auf meinen Schoss.

"Nein. Aber große Freunde werden wir erstmal nicht werden."

"Das wird noch. ... Was duftet hier den so gut?" Ah! Da bekommt langsam jemand eine freie Nase. Sehr gut!
 

***
 

~Sean~

"Wow! Chase das war ... der Wahnsinn!"

"Ich weiß. Wenn ich was kann, dann das."

"Aber hallo!" Zufrieden lehne ich mich nach hinten. "Ab jetzt esse ich nur noch Gemüsesuppe."

"Was anderes wird dir auch nicht übrig bleiben. Mehr kann ich nämlich nicht kochen. Außer Wasser und Fertigpizza."

"Wenigstens etwas", lache ich und stehe vom Tisch auf um abzuräumen.

"Lass! Leg dich wieder hin. Ich mach das schnell." Hm ... Daran könnte ich mich auch gewöhnen.

Bevor ich mich schlagen lasse, lege ich mich wieder ins Bett und schenke mir eine Tasse Tee ein. So ganz habe ich es immer noch nicht verdaut. Nicht die Suppe! Das Gespräch mit Chase. Nachdem wir uns geküsst hatten, stellte ich nämlich die Frage aller Fragen. "Also magst du es mit mir versuchen? Ohne hin und her?"

"Ja", sagte er ohne zu zögern, was mich ganz schön ins taumeln brachte. Zum Glück lag ich im Bett.

Tja. Dann sind wir ab jetzt anscheinend zusammen. Obwohl ich das noch gar nicht richtig im System habe. Vielleicht habe ich mir das auch nur alles eingebildet und liege im Fieberwahn. Zur Kontrolle lege ich mir meine Hand auf die Stirn. Nö. Alles normal. "Wieder Fieber?" Chase eilt zu mir ans Bett und wischt meine Hand bei Seite um selbst mal an meiner Stirn rumzutatschen. "Alles normal", meint er und ich grinse.

"Dachte ich auch gerade."

"Brauchst du noch was? Einen frischen Tee? Taschentücher oder ..."

"Eine Wärmflasche."

"Sollst du bekommen. Wo finde ich die?"

"Hier", sage ich und tippe auf Chases Brust.

"Und wohin? Auf deine Füße, oder auf den Bauch ..."

"Gib Ruhe und leg dich neben mich!" Chase grinst verschmitzt und geht um mein Bett herum. Kaum liegt er neben mir, hänge ich schon halb auf ihm und ziehe die Decke über uns. "Sagen wir es den Anderen?", frage ich.

"Was?"

"Das ich krank bin. ... Doofe Frage!"

Das Grinsen in seinem Gesicht wird breiter. "Wenn du willst."

"Also würde es dir nichts ausmachen, wenn ich jetzt Sascha anrufen würde, und ihm erzähle, dass wir jetzt zusammen sind?", teste ich an und beobachte seine Reaktion. Ich muss das einfach nochmal nachfragen.

"Sag es ihm." In meinem Bauch springen kleine Männchen Purzelbäume.

"Und wenn wir es noch etwas für uns behalten?"

"Bist du dir jetzt plötzlich unsicher?" Chases Hand fährt mir durchs Haar.

"Nein. Aber ich würde es gern zuerst Aaron erzählen. Doch da muss ich behutsam vorgehen. Und wenn ich es Peter oder Sascha sage, weiß es bald jeder in der Stadt."

"Dann behalten wir es eben erstmal für uns."

"Abgemacht", sage ich und ziehe die Decke enger um uns.
 

Eigentlich hat das noch einen ganz anderen Grund, weshalb ich es den Anderen noch nicht sagen will, den ich Chase aber nicht verraten will. Ja, gemein, ich weiß. Aber ich möchte ihn nicht wieder verunsichern.

Es liegt natürlich wieder an damals. An der Zeit, in der ich Andy kennenlerne. Ich Dussel rannte nämlich überall herum, erzählte davon, wie glücklich ich war und niemand klärte mich auf, bis ich von seinem Tod erfuhr. Im Nachhinein hatte ich mitbekommen, dass sich jeder über den dummen, kleinen Sean lustig gemacht hatte. Wie konnte ich auch nur denken, dass Andy mit mir zusammen war? Jeder kannte Andy und seine rumvögellei. Nur ich nicht. Klar passiert mir das nicht bei meinen Freunden, aber Aarons: Ich hab dir gesagt, dass er dir das Herz brechen wird, will ich nicht hören.

"Was ist?", holt mich Chase aus den Gedanken.

"Nichts. ... Bisschen Kopfweh."

"Dann schlaf doch. Soll ich dir ein Liedchen vorsingen?"

"Ha ha!"

Mein Kinn wird angehoben. "So schlecht singe ich gar nicht."

"Nicht?"

"Nein." Soll ich das glauben?

"Dann lass mal was hören."

"Gut. ... Schlaf Seanlein schlaf, die Mutter hüthmmm ..." Das Gejaule ist ja furchtbar! Tut mir leid Chase, aber ich gebe deinem Mund lieber was anderes zu tun. Vor allem auch etwas, was mir mehr Spaß macht, als seiner Stimme zuzuhören.
 

~Chase~

Soll mich das jetzt empören? So schlecht singe ich doch wirklich nicht! Trotzdem habe ich jetzt Seans Zunge im Mund. Oder hat ihm mein Gesinge so gut gefallen das ... Ich bezweifle es. Die Kussattacke kam wohl eher aus der Not heraus. Wobei ich wirklich nichts dagegen einzuwenden habe.

Ich lege meine Arme um Seans Rücken und ziehe ihn auf mich drauf. Bei ihm fühlt es sich endlich richtig an. Die Angst, dass dieses Gefühl einfach so vorbei sein könnte, ist fast verschwunden. Dennoch lauert sie noch tief in mir. Aber ich werde nicht mehr zulassen, dass sie mich weiterhin sabotiert und ich deshalb auf Abstand gehe.

"Du ... steckst dich ... an", keucht der kleine Giftzwerg in meinen Armen, macht aber keine Anstalten sich von mir zu lösen.

"Egal ... Eh zu spät", keuche ich zwischen unsren Küssen zurück, heble Sean hoch und begrabe ihn unter mir. Er hat ganz rote Wangen und zieht die Nase hoch. "Schlaf jetzt." Der Arme bekommt ja kaum noch Luft. Trotzdem schmollt er. "Wir holen es nach."

"Na gut."

Und während ich mich wieder seitlich zu ihm lege, mein Gesicht in seinem Haar vergrabe und er mir ins Hemd schnieft, freue ich mich schon auf meine Erkältung. Kribbelt da etwa meine Nase? "HATSCHIII!"
 

***
 

~Chase~

Was klingelt den da? Ich drehe mich zur Seite um einen Plan davon zu bekommen, was da so nervig klingelt. Doch noch ehe ich die Augen offen habe, ist es verstummt. Dafür höre ich leise Stimmen. Ist da jemand in meiner Wohnung?

Ich öffne meine brennenden Augen und erkenne ... nichts. Alles dunkel. Ist es Nacht?

"Psst. Er schläft."

"Was macht er hier?"

"Ähm. Er kam mich besuchen und hat sich anscheinend angesteckt."

"So schnell? Und dann kuriert er sich bei dir aus?"

"Ihm ging es nicht gut und ich habe ihm angeboten, sich bei mir auszuruhen."

"Na dann ..."

Langsam weiß ich, wo ich bin. Noch immer bei Sean im Bett und meine Nase ist dicht und mein Schädel brummt. Ich hab mich tatsächlich angesteckt!

Nach der Taschentuchbox angelnd, versuche ich eine Niesattacke zu verhindern, doch es klappt nicht. Und wenn die erstmal anfängt, hört sie so schnell nicht mehr auf. Mich schüttelt es kräftig durch und bei jedem Nieser droht mir mein Kopf auseinander zu fliegen. Was für 'ne Scheiße!

"Ach herje! Geht's?" Sean hat sich neben mir materialisiert und krault mir den Rücken.

"Geh lieber in Deckung. Gleich explodiert er bestimmt."

"Seht witzig Sascha.", näsle ich verschnupft und niese nochmal.

"Was lässt du dich auch anstecken? Habt ihr etwa wieder geknutscht?" Irgendwann reiße ich Sascha nochmal den Arsch auf!

"Hör auf mich zu nerven", jammre ich und grabe mich tief in die Bettwäsche ein.

"Was denn ...? Habt ihr wirklich ...?"

"Klappe jetzt! Meinst du ich knutsche mit jemanden rum, wenn ich eine Sotternase habe?", blafft ihn Sean an und ich grinse ins Kissen hinein. Meine kleine Sotternase ...

"Kann doch sein. Peter und ich zum Beispiel. Als wir zusammengekommen waren, hätte uns auch nichts auseinander ..."

"Er hat mir ins Gesicht genießt", unterbreche ich ihn. Ich will gar nicht wissen, was er und Sascha alles gemacht haben, als sie zusammengekommen waren.

"Ihhh", grunzt er und ich fange an zu lachen, wovon ich husten muss. Danke Sascha!

"Verschwinde lieber, bevor ich dich auch noch anstecke."

"Ist vielleicht besser", schaltet ich nun auch Sean wieder ein und ich höre, wie die Beiden mich alleine lassen. Was für eine Wohltat! Jetzt wo es still ist, merke ich erst, dass ich Ohrensausen habe. Verfluchter Mist! Wer will den dabei einschlafen können?
 

~Sean~

"Chase hat sich also wirklich um dich gekümmert?", fragt Sascha und setzt sich mit einem breiten Grinsen auf mein Sofa.

"Na ja ... Er kam zu mir, um mit mir zu reden. Daraus wurde nichts, aber er blieb und ... jetzt liegt er selbst krank flach." Ich muss so aufpassen, mich nicht zu verraten!

"So so ..." Saschas Grinsen wird breiter. Sieht man es mir etwa an? Hab ich Herzchen in den Augen?

"Was, so so?"

"Du machst dir wieder Hoffnung." Uff! Er scheint nichts bemerkt zu haben. Dann locke ich ihn mal auf die falsche Fährte.

"Nein."

"Lüg nicht."

"Tue ich nicht! Und wenn, kann es dir auch egal sein."

Sascha mustert mich. Ist er besorgt? "Peter meint, du sollst bei Chase hartnäckig bleiben."

"Wirklich?" Nun muss ich grinsen.

"Aber weißt du was ich denke? Chase macht dich kaputt." Meine Mundwinkel fallen nach unten.

"Warum denkst du das?", frage ich und bin gespannt auf seine Erklärung.

"Wie lange tänzelt ihr schon umeinander rum? Und noch immer ist nichts passiert, bis auf einen kleinen Kuss. ... Und einen Nieser ins Gesicht."

"Sehr witzig! Außerdem war der Kuss nicht klein." Und bei weitem nicht der Einzige.

"Trotzdem glaube ich nicht, dass Chase über seinen Schatten springen kann und sich schließlich ganz auf dich einlassen wird. Lass dir von ihm nicht weh tun."

"Lass ich schon nicht."

"Ich hoffe es", sagt er ernst und steht auf. "Ich Rausch mal wieder ab."

"Okay. Danke für deinen Kontrollbesuch."

"Bitte bitte. ... Ach! Sag Chase, Peter kümmert sich um seine Krankmeldung."

"Mach ich."

"Und wenn ihr einen Arzt braucht …"

"Rufe ich einen Besseren als dich an", ärgere ich ihn.

"Wage es, und ich verpasse dir beim nächsten Blut abnehmen einen saftigen Bluterguss!" Als Antwort strecke ich ihm nur die Zunge raus und winke ihm nach.
 

Während Sascha meine Wohnung verlässt, bleibe ich noch etwas sitzen und denke über seine Worte nach. Klar weiß Sascha nicht, dass Chase und ich uns schon sehr viel näher gekommen sind. Gefühlsmäßig gesehen. Aber könnte er trotzdem recht behalten? Was wenn Chase kneift, wenn es ernster zwischen uns wird? Obwohl ich ihm Zeit geben werde. Allerdings habe ich auch nicht vor, ewig auf ihn zu warten. Ich habe auch meine Bedürfnisse.

"Oh man!" Mein Hinterkopf landet auf der Rückenlehne. Ich hab's definitiv satt, mir ständig Gedanken zu machen, was passieren könnte und was nicht. Am Besten, ich lasse alles auf mich zukommen. Und außerdem haben wir doch schon einen riesen Schritt getan. Chase und ich sind zusammen. Was soll da noch schief gehen?
 

~Chase~

"Chase? Schläfst du?"

"Hm?" Ich blinzle unter dem Kopfkissen hervor. Wieso liegt das auf mir, und nicht unter mir, wo es hingehört?

"Ich hab dir Tee gemacht und etwas von der restlichen Suppe aufgewärmt." Ich rapple mich ein Stück hoch, wobei das Kissen von mir rutscht und auf meinen Rücken purzelt. Sean steht vor dem Bett und stellt mir gerade neben mir ein volles Tablett auf die Matratze."Und Aspirin", ergänzt er.

"Danke", krächze ich und setze mich auf. Dabei wummert es wieder entsetzlich in meinem Kopf und meine Augenhöhlen verbrennen fast.

"Du bist ganz rot. Hast du Fieber?"

"Bestimmt." Eine angenehm kühle Hand legt sich auf meine Stirn. "Das Selbe also nochmal. Nur diesmal bei mir."

"Scheint so", meint Sean leise. "Iss du mal brav auf und ich hole das Thermometer."

"Ist gut ... Aber das für den Mund", rufe ich ihm hinterher. "Au!" Mein Schädel!
 

Sean wartet mit dem Fiebermessen, bis nach dem Essen. Mir wird das Thermometer in den Mund geschoben und dann werde ich bis zur Nasenspitze zugedeckt. Sean krabbelt neben mich. "Ich wollte dich nicht anstecken. Tut mir leid."

"Schon gut. Mach dir keinen Kopf." Das Thermometer klackert in meinem Mund.

"Ach! Sascha hat gesagt, dass Peter dich nochmal krankgemeldet. Es ist immer gut einen Arzt als Freund zu haben. Du brauchst dich also um nichts zu kümmern."

"Okay." Mir fallen die Augen zu.

"Chase?"

"Hm ...?"

Sean stützt sich auf meiner Brust ab, scheint mich anzusehen, was ich aber nicht mit Bestimmtheit sagen kann, da ich immer noch die Augen geschlossen habe und sie beim besten Willen nicht mehr aufbekomme. Wieder ist da seine wundervoll kühle Hand die meine linke Schläfe massiert. "Ich liebe dich." PIEP PIEP PIEP. Das Thermometer piepst und wird mir aus dem Mund gezogen. "Knapp 39 Grad. Ich hole mal lieber was zum Kühlen." Bevor ich überhaupt reagieren kann, ist Sean von mir heruntergehüpft und aus dem Schlafzimmer gelaufen. Er liebt mich? Noch immer schlägt mein Herz ungesund unrhythmisch in meiner Brust herum und jetzt flattern meine Augenlider doch nach oben. Muss er mir das gerade jetzt sagen? Wo ich mich kaum auf meine eigenen Gedanken konzentrieren kann?

Mein kleiner, verliebter Giftzwerg erscheint wieder vor dem Bett. In der Hand eine Schüssel mit Wasser, einem Waschlappen und einem Handtuch. Die Wasserschüssel landet auf dem Nachttisch. Nachdenklich beobachte ich Sean, sehe zu, wie er den Lappen ins Wasser tunkt, ihn auswringt und mit dann auf die Stirn legt. "Besser?" Ich nicke. Da mir der nasse Lappen die halbe Sicht versperrt, greife ich fast blind nach Seans Arm. Aber ich erwische ihn und ziehe ihn zu mir. "Komm mal näher", flüstere ich, ehe meine Stimme völlig versagt, was aber nicht an meiner Erkältung liegt.

"Ist dir schlecht? Soll ich dir einen Eimer holen?" So ein Dussel! Ich schüttle meinen Kopf, was mit wieder eine Schmerzattacke einhandelt, und ziehe Sean dichter an mich ran und hauche ihm einen Kuss auf die Wange. Verdutzt hält er den Atem an und ich versuche genug Luft in meine Lungen zu bekommen. Mag es der Fieberwahn sein, oder die Handvoll eingeworfenen Aspirin. Ganz egal. Ich muss es ihm einfach sagen. "Ich dich auch." Schade, dass ich Seans Gesicht kaum sehen kann. Meine Augen fallen wieder von ganz allein zu.
 

~Sean~

Er hat es also doch mitbekommen? Chase hat gehört, dass ich ihm gesagt habe, dass ich mich in ihn verliebt habe? Und er? Er in mich etwa auch?

Ich zupfe den Waschlappen von seinem Gesicht und schaue ihn an. "Meinst du das ernst?", frage ich leise.

"Du etwa nicht?"

"Doch!", japse ich und presse ihm meinen Mund auf seinen.

"Hey. Ich hab doch 'ne Sotternase", grinst er, als wir uns trennen.

"Mir doch egal!" Chase liebt mich!

Schnell mach ich nochmal den Waschlappen nass und lege ihn zurück auf Chases Stirn. Danach lege ich mich neben ihn und kraule seinen Nacken. Er muss eingeschlafen sein, denn er atmet ganz ruhig. Gut so. "Schlaf dich gesund und ich passe derweil auf dich auf." Die Uni muss warten. Ich habe jetzt einen Freund, um den ich mich kümmern muss.
 

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Kapitel 10 - Tun wir's, oder tun wir's nicht?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 10 - Tun wir's, oder tun wir's nicht? (Ohne Adult)

Kapitel 10 - Tun wir's, oder tun wir's nicht? (Ohne Adult)
 

~Chase~

"Hm. Ich glaube das Thermometer ist kaputt." Sean dreht das Ding in seiner Hand. "Dann muss ich ein anderes holen."

"Tu das." Was will er eigentlich damit. Ich habe doch gar kein Fieber mehr. Oder etwa doch? Ich greife mir an die Stirn. Nix zu fühlen. "Hab kein Fieber mehr", sage ich und schaue Sean an, der plötzlich ein riesiges Thermometer in der Hand hält. Wo hat er das den her?

"Das kannst du gar nicht beurteilen. Besser wir messen nach."

"Na gut. Wenn du meinst." Ich öffne meinen Mund.

"Nix da! Umdrehen." Umdrehen?! "Los! Beine auseinander!"

"Moment mal!" Entsetzt starre ich das immer größer werdende Thermometer an.

"Stell dich nicht so an. Das wirst du kaum spüren."

"Nein! Ich hab kein Fieber mehr!"

"Hast du wohl! Dreh dich schon um!"

"NEIN!"

"Chase!" Sean greift nach mir, versucht mich auf den Bauch zu drehen, doch ich wehre mich mit allen Kräften dagegen. "Chase! Chase!"

"Nein! Nimm das Ding da weg!"

"Hey Chase!" Ich werde durchgeschüttelt.

"Nein! Geh weg!"

"Entspann dich ..."

"AHHH!"

"Verdammt! Chase! Wach auf!" Aufwachen?!

"Sean!"

"Ich bin doch da! Ganz ruhig." Das soll mich beruhigen?

"Hör auf! Ich will das nicht!" Ich rudere wild mit meinen Armen herum.

"Chase! Du hast einen Albtraum! Wach auf!" Einen Albtraum?
 

Endlich bekomme ich meine Augen auf. Sean thront noch immer über mir, doch sein Gesicht sieht besorgt aus und ich kann nirgendwo ein Riesenthermometer sehen. "Na endlich", seufzt er und streichelt meine Wange. "Was hast du denn nur geträumt?" Das sage ich ihm besser nicht. "Alles wieder gut?"

"Ja." Was für ein beschissener Traum!

Neben mir legt sich Sean wieder hin und löscht das Licht. "Hab ich dich geweckt?", frage ich und drehe mich zu ihm.

"Ja. ... Du hast geschrien, als wollte dich jemand abstechen." So falsch liegt er gar nicht damit.

"Sean?"

"Was?" Er scheint schon wieder am einschlafen zu sein.

"Du würdest mich doch nie zu etwas zwingen, oder?"

"Was?! Nein! Natürlich nicht."

"Gut."

Das Licht geht wieder an. "Was hast du den nur geträumt?"

"Ach ... Schon gut. War nur ein Traum."

"Chase! Sag schon. Du hast von mir geträumt. Nicht wahr?"

"Ja ..."

Er seufzt und hält mir die Nase zu. "Erzähle es mir."

"Ey!" Ich wische seine Hand zur Seite. "Du hast eben gesagt, dass du mich zu nichts zwingen würdest."

"Wenn du nachts neben mir liegst und um Hilfe schreist und das, weil du von mir träumst, dann werde ich doch mal fragen dürfen was los war." Gegen seine Logik komme ich nicht an.

"Du wolltest mir ein riesiges Thermometer in den Hintern schieben", murmle ich leise und bekomme glühende Wangen.

"Was?!"

"Du wolltest mir ..."

"Ich hab's verstanden!", sagt er und löscht das Licht.

"Bist du jetzt sauer?", frage ich vorsichtig nach und greife nach ihm.

"Nein. War doch nur ein dummer Traum." Oha! Und wie er sauer ist.

"Stimmt. Nur ein Traum." Ich ziehe ihn in meine Arme und drücke ihm einen Kuss ins Haar.

"Du vertraust mir immer noch nicht." Ich hab's geahnt! Genau deshalb wollte ich nichts sagen.

"Doch!"

"Dann hättest du nicht solche Träume."

Ich knirsche mit den Zähnen. Ich vertraue ihm! Nur ... "Gut. Dann machen wir es jetzt!" Ich mache mich lang und schalte das Licht wieder ein.

"Jetzt?"

"Ja. Jetzt!" Skepsis in Seans blauen Augen. "Wir sind jetzt seit drei Wochen zusammen. Es wird langsam mal Zeit."

"Nicht jetzt."

"Und wieso nicht?"

"Weil ich nicht will." Trotzig dreht mir Sean den Rücken zu.

Ich gebe auf. "Ich mache einfach alles falsch." Diesmal lösche ich das Licht und robbe ich an den Bettrand.

Leises Rascheln. "Machst du nicht."

"Ach nein? Und was war das Anfang der Woche?!" Mir ist das immer noch peinlich.

"Jeder kommt mal zu früh."

"Ich nicht!", beteuere ich. Sean kichert. Höre ich das richtig?! "Schön wenn es dich erheitert, dass ich mir die Hose eingesaut habe!"

"Ach Chase!" Weiche Arme legen sich von hinten um mich und Seans warmer Körper schmiegt sich an meinen Rücken. "Du warst betrunken. Das passiert halt manchmal." Mir entkommt ein leises Keuchen. Sean saugt sich zwischen meinen Schulterblättern fest, während seine Hand meinen Bauch massiert. Wieso kann ich einfach nicht aus meiner Haut? Es ist so wunderbar, was Sean mit mir macht, und trotzdem vermassle ich es jedes Mal.
 

Alles begann vor zwei Wochen.

Dafür das der Anfang unserer Beziehung schlussendlich so rasendschnell begann, verlief der Rest im Schneckentempo. Damit meine ich nicht unsere gemeinsam verbrachte Zeit, sodass wir uns nicht richtig kennenlernen konnten. Das haben wir nämlich. Das war nicht das Problem.

Das Problem war, und ist immer noch, dass wir in Bettangelegenheiten immer noch ganz brav und oberhalb der Bettdecke agierten. Eigentlich hatte ich schon vor, mit Sean Intimitäten auszutauschen. Ich meine, solange ich nicht ... Doch in unsrer kurzen Anfangszeit kam es einfach nicht dazu. Bis wir es uns vor zwei Wochen fest vorgenommen hatten.

Sean war noch bei einem Studienkollegen gewesen, um den versäumten Stoff nachzuholen, und ich wartete in seiner Wohnung auf ihn. Ich wurde nervös. Um nicht zu sagen, scheiß-nervös. Deshalb wollte ich mir einen Schluck genehmigen. Zum auflockern sozusagen. Doch alles was Sean im Haus hatte, war der Sekt, den wir damals aus dem 'M' mitgenommen hatten. "Der tut's auch", sagte ich mir und schwuppdiwupp war eine Flasche leergetrunken. Von Sean war immer noch nichts in Sicht. Die zweite Flasche landete an meinem Mund und auch die trank ich fast komplett aus, bis Sean endlich da war. Es kam wie es kommen musste. Bevor wir auch nur angefangen hatten, spritze ich in meiner Hose ab. Und seitdem schlug jeder weiter Versuch fehl. Vor lauter Panik, dass mir nochmal sowas passiert, bekomme ich ihn manchmal sogar gar nicht mehr hoch.

Das ist allerdings nur die Hälfte der Wahrheit. Mittlerweile ist auch meine alte Paranoia wieder voll da. Nämlich das, wenn ich mit ihm schlafe, ich danach komplett gefühlstod ihm gegenüber bin. Wie bei all meinen anderen Bettgeschichten.

Ja, ich weiß. Sean ist keine einfache Bettgeschichte. Ich liebe ihn, möchte mit ihm zusammen sein, doch nicht, wenn das heißt, dass ich ihn danach kein Stück mehr anziehend finde. Dabei möchte ich doch so gern! Ich will meinen kleinen Blondschopf! Und Sean denkt natürlich, dass es an ihm liegt. Der Hetero will den kleinen Twinkt eben nicht vögeln. Oh ich könnte losheulen!

"Es liegt nicht an dir Sean. Ich möchte es wirklich", flüstere ich und greife nach seiner Hand, die immer noch meinen Bauch streichelt, und streichle sanft mit meinem Daumen über seinen Handrücken.
 

~Sean~

Ein Schauer rinnt über meinen Körper. Chase will es und dennoch lähmt ihn jedes Mal seine Angst, wenn wir uns näher kommen. Dagegen muss ich endlich etwas unternehmen, oder keiner von uns hat jemals wieder eine ruhige Nacht! Ich habe mir auch schon einen Plan zurechtgelegt und ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt perfekt dafür, ihn in die Tat umzusetzen. "Dann genieße einfach das, was ich jetzt mir dir mache, ja?"

"Was?" Chase will sich zu mir drehen, doch ich drücke ihn sanft zurück, bis er auf dem Bauch zum liegen kommt. "Sean! Was hast du vor?"

"Ich werde dir heute Nacht deine Angst nehmen. Ein für alle mal!" Chase erstarrt regelrecht. "Und ich verspreche dir, dass ich kein Thermometer bei mir trage."

"Fuck Sean! Hör auf mit solchen Scherzen!", witzelt ernervös, wird aber sofort wieder ernst. "Was wenn ich wieder nicht kann? ... Oder zu früh ..."

"Das ist beides in Ordnung", wispere ich ihm ins Ohr. "Versuch dich einfach zu entspannen und lass dich gehen."

"Und du? Willst du nicht auch ..."

"Heute bist du dran. Dafür revanchierst du dich ein anderes Mal bei mir." Ich sauge sein Ohrläppchen in meinen Mund und fahre mit meinen Händen an seinen Seiten hinab. Chase keucht auf. Vorsichtig lege ich mich auf ihn und bemerke erfreut, wie Chase unter mir leicht erschaudert.

Ich lasse von seinem Ohrläppchen ab und küsse eine feuchte Spur über seinen Nacken hinunter zu seinem Rücken. Dabei massiere ich ihn beruhigend über die angespannten Muskeln.

"Sean ...?!"

"Psst", unterbreche ich ihn und puste zart über die feuchte Haut. "Das wird dir gefallen." Gemächlich wandere ich an seiner Wirbelsäule hinab, schicke meine Hände hinterher, jede von Chases noch so kleinen Reaktionen fest im Blick. Als ich an seinem Steißbein ankomme, kann ich richtig fühlen, wie er die Luft anhält, doch ich mache unbeirrt weiter mit meinem Plan.

"OHH ...!" Chase zuckt heftig zusammen und biegt den Rücken durch. Es dauert etwas, bis er sich wieder beruhigt hat und etwas gleichmäßiger atmet.
 

~Chase~

Oh Fuck ist mir das peinlich! Nicht schon wieder! Am liebsten würde ich auf der Stelle in der Matratze versinken und nie wieder daraus auftauchen.

Sean hat sich wieder von mir geschoben und liegt nun an meine linke Seite gelehnt. Langsam streichelt er über meinen Rücken. "Bist du eingeschlafen? ... Chase?" Nicht ansprechen! "Ich weiß, dass du nicht pennst." Weshalb fragt er dann erst? "Willst weiter so liegen bleiben? Weil ..." Ergeben drehe ich meinen Kopf zu ihm.

"Es tut mir so leid. Ich hab's schon wieder vermasselt."

"Hast du nicht. ... Hier." Sean reicht mir die Tempobox. "Ich habe doch gesagt, dass du dich gehen lassen sollst."

"Ja aber ..."

"Nichts aber. Und weißt du was?" Ich schüttle den Kopf und werfe die zusammengeknüllten Taschentücher achtlos auf den Boden. Sean grinst verschmitzt und beginnt mich am Hinterkopf zu kraulen. "Ich finde es sogar ziemlich heiß, dass du bei mir so abgehst." Wie ein plattgewalztes Eichhörnchen starre ich ihn an. Das meint er doch nicht ernst?! Vor allem, da sich gerade etwas spürbar Hartes gegen meine Seite drückt.

"Was wird damit?", frage ich ihn und deute auf die gewisse Stelle.

"Bleib einfach so liegen", sagt Sean und seine Hand schiebt sich nach unten.

So liegen bleiben also? Klasse! Ich kann doch nicht einfach so nutzlos daliegen, und ihm dabei ... zuschauen.
 

Klar habe ich Sean in den drei Woche schon nackt gesehen. Aber nicht SO! Ich habe IHN noch nie in voller Größe gesehen. Irgendwas muss ich doch tun können. Denk nach Chase! Du bist doch sonst nie so gewesen. Das grenzt ja schon an sexueller Demenz!

Okay. Bis jetzt lief ja, bis auf meinem vorzeitigen Finale, doch alles prima. Meine Gefühle für Sean sind immer noch da und so wie ich ihn gerade neben mir sehe, auch recht eindeutig. Er macht mich echt scharf! Wie er so daliegt, die Augen auf mich gerichtet, sich an mir reibt und abgehakt ausatmet. Und ehe ich mich versehe, habe ich mich auch schon zu ihm gedreht und berühre seinen Brustkorb. Wie seine blauen Augen dabei aufflackern!

Er schiebt sich noch dichter an mich und ich fange an, ihn zu küssen. Wenn ich nicht so ein Feigling wäre, hätte ich schon längst selbst die Initiative übernommen. Aber da mich immer noch die Verunsicherung lahm legt, leitet Sean sein Finale selbst ein und liegt kurze Zeit später schnaufend in meinen Armen.

Ich bin echt ein Idiot!
 

***
 

~Sean~

Neugierig spähe ich ins Schlafzimmer. Chase pennt immer noch. Heute darf er das mal. Ist ja schließlich Sonntag. Gut gelaunt gehe ich zurück in die Küche und bereite alles vor. Teil zwei meines Plans muss hergerichtet werden! Da der erste Teil wirklich ausgesprochen gut geklappt hatte, bin ich mehr als zuversichtlich, dass Schritt Nummer zwei auch einschlägt wie eine Bombe. Zufrieden schaue ich auf das hergerichtete Frühstück auf dem schmalen Tablett. Dann fehlt ja jetzt nur noch eins. Nun ja. Bis den Hauptakteur natürlich, den ich gleich mal wecken gehe.
 

~Chase~

"Chaahaaasssse." Ich kräusle meine Nase. "Aufstehen. Das Frühstück ist fertig."

"Hmmm." Ich will noch nicht frühstücken.

"Außerdem habe ich eine Überraschung für dich." Da werde ich doch hellhörig.

Mit einem Auge schiele ich zu Sean auf, der neben dem Bett kniet und mich breit angrinst. "Was'n für 'ne Überraschung?"

"Sag ich nicht. Da musst du mir schon folgen", meint er kichernd und steht auf. Sein Hintern, der nur in einer engen Boxer steckt, wackelt vor mir aus dem Schlafzimmer. Ich muss schon sagen. Für einen so schmächtigen Kerl hat Sean wirklich einen ansehnlichen Hintern.

Ich überlege nicht lange, springe selbst schnell in meine Unterhose und folge ihm. "Sean?!"

"Hier!" Die Stimme kommt aus meinem Bad. Was will er den da? Hatte er nicht was von Frühstück gefaselt? Ich glaube ich ahne schon, was genau die Überraschung in diesem Fall ist.

"Das ist nicht dein Ernst!", rufe ich und betrete das Badezimmer.

"Doch. Spring rein!" Da sitzt er. In meiner Badewanne, daneben ein Stuhl auf dem ein Tablett mit dem versprochenen Frühstück steht.

"In die Wanne?!"

"Na ins Klo bestimmt nicht." Schwachkopf! Aber warum habe ich auch so blöd gefragt?

"Okay. Aber keine Hintergedanken."

"Wo denkst du hin?" Unschuldsblick. "Ich habe immer Hintergedanken." War ja klar!

Grinsend entledige ich mich meiner Unterhose und steige hinter dem kleinen Giftzwerg ins warme Nass.
 

~Sean~

Das war aber leicht! Ehrlich gesagt, hätte ich mit mehr Widerstand seinerseits gerechnet. Umso schöner ist es, sich jetzt gemütlich an seinen Oberkörper zu lehnen und nach einem Brötchen zu angeln. "Ist in der Kanne Kaffee?", fragt Chase und lehnt sich über den Wannenrand.

"Ja. Warte! Ich komme besser dran." Mich bewusst weit vorlehnend, präsentiere ich ihm mein Hinterteil. Ob er anspringt?

Tut er nicht. Dafür aber, nimmt er mich fest in den Arm, als ich mit einer fast überschwappenden Tasse Kaffee wieder an ihn lehne. "Das hast du dir aber fein ausgedacht. Was bezweckst du damit?"

Ich beiße in mein Brötchen. "Nix."

"Lüg nicht."

"Das wirst du schon noch sehen", gebe ich dann doch zu und halte ihm das Brötchen vor die Nase. "Jedenfalls brauchst du keine Panik zu schieben. Ja?"

"Wenn du meinst ..."

"Meine ich!", sage ich vollends überzeugt und klaue mir einen krümeligen Brötchen-Kuss.

So vertreiben wir uns etwas die Zeit, essen und trinken und Chase ist heute wirklich viel gelöster in meiner nackten, unmittelbaren Anwesenheit. Das war vor Kurzem noch ganz anders. Er traute sich kaum mich anzuschauen und sogar umziehen war fast unmöglich, wenn wir zusammen in einem Raum waren. Man könnte nicht meinen, einen erwachsenen Mann vor sich gehabt zu haben.

Als Chases Kaffeetasse endlich leer ist, nehme ich sie ihm ab und stelle sie einfach auf den Boden. Genug gegessen und getrunken fürs Erste. Nun startet die heiße Phase meines Plans. Ich beginne damit, dass ich nach hinten greife und Chases Nacken umfasse, ihn so zu mir herunter ziehe, damit ich seinen Mund stürmen kann. So abgelenkt, bemerkt er kaum, wie ich seine Hand suche, meine Finger mit seinen verschränke, und anfange mit ihr meinen Bauch in kreisenden Bewegungen zu streicheln. Da Chase dabei mehr als entspannt scheint, wage ich mich bald schon tiefer. Nur scheint das Chase gar nicht zu gefallen. "Was wird das?", fragt er mich, sieht aber eher unsicher als verärgert aus.

"Ich will dir nur zeigen, dass du vor nichts Angst haben musst.", flüstere ich und verschließe seine Lippen wieder, ehe er Einspruch erheben kann. Chase lässt tatsächlich wieder lockerer und übergibt mir erneut die Führung.
 

~Chase~

Es ist schon erstaunlich, wie einfach mir das hier von der 'Hand' geht. Ja wirklich! Vor allem, da ich gar nicht aufhören kann, Seans Gesicht zu studieren, interssiert seinen Lauten zu lauschen und dabei festzustellen, dass mich das alles auch nicht kalt lässt. Klar ist es immer geil, seinen Liebsten so entrückt zu sehen. Wenn da nicht immer noch die kleine Stimme in mir wäre, die mir einflüstert, dass das hier vielleicht nicht von Dauer sein könnte. Gäbe es nur eine Möglichkeit, sie abzuschalten. Und zwar eine, bei der ich nicht Gefahr laufe, dass sie sich am Ende noch bestätigt. Wenigstens kann ich endlich was für Sean tun und das anscheinend sogar richtig gut.
 

*
 

~Sean~

Halleluja! Das Blut peitscht mir laut in den Ohren und meine Wangen fühlen sich an, als würden die gerade verglühen. Ganz zu Schweigen von dem Rest meines Körpers. Ich fühle mich noch schmutziger als vor dem Bad. Schmutzig und verschwitzt. Aber es hat sich gelohnt. Definitiv! Chase greift mir an die Wange. "Da bekommt das heiße Bad doch eine ganz andere Bedeutung", raunt er mir zu.

Ich lache abgehakt und öffne meine Augen. "Kochendheiß."

Ein Kuss legt sich auf meine Schläfe. "Ich glaube, du musst hier erstmal raus", sagt Chase, rutscht unter mir hervor und steigt aus der Wanne. Kaum das ich mich aufgerappelt habe, hänge ich auch schon in seinen Armen und werde ins Schlafzimmer getragen. Welch Service!

Am Bett angekommen, legt er mich auf die Matratze und fächert mir mit seinen Händen kühle Luft zu. "Besser?"

"Oh ja." Inzwischen hat sich der Sturm in mir gelegt und mein Hirn beginnt wieder normal zu arbeiten. Dabei fällt mir ein: Da war doch noch was. Etwas Wichtiges. Etwas Großes. Etwas, worauf ich schon lange gewartet habe. So lange, wie auf das, was gerade in der Wanne passiert ist. Chases aufragende Körpermitte.

"Setz dich", fordere ich ihn auf und klopfe neben mir auf die Matratze. Chase kommt dem nach und rückt an mich ran. Anscheinend hat er null Ahnung, was ich vorhabe. Oder er denkt, dass ich immer noch arg aus der Puste bin. Tja mein Lieber. Nun ist Schluss mit deinen Schuldgefühlen und deiner merkwürdigen Angst. Denn die werde ich dir jetzt hoffentlich endlich völlig nehmen!
 

*
 

~Chase~

Die Welt dreht sich um mich herum und ich muss mich an der Bettdecke festhalten, damit ich nicht Gefahr laufe, aus dem Bett zu fallen. Das Gefühl habe ich jedenfalls. Was, zum Geier, war das?! Na klar weiß ich, was das war, aber ... Du heiliges Kanonenrohr! Liegt es daran, weil ich schon so lange nicht mehr ...? Nein! Ich hatte auch schon vorher einige Durststrecken durchmachen müssen. Also muss es an etwas anderem liegen. An Sean. Eben jener hartnäckige Giftzwerg, der sich gerade vertrauensvoll an mich schmiegt.

Angestrengt horche ich in mich hinein. Kein plötzlicher Anflug von Enttäuschung. Das herrliche Gefühl meines Orgasmus wütet noch immer in mir. Wie lange schon? Und wann hatte ich das schon mal? In meinem Bauch kribbelt es angenehm. Und wie sieht es mit der anderen Sache aus?

Um das zu testen öffne ich meine Augen und suche Seans Blick. Dieser lächelt mich an und lässt seine Hand über meinen Hals nach oben gleiten. "Alles okay?", fragt er und küsst mein Schlüsselbein.

Ob alles okay ist? 'Ist es das?', frage ich mich selbst, kenne die Antwort aber schon längst.
 

******
 

Ahhhhhh! Böser Cliffhänger!!!! Ich bin mal wieder gemein. Hehe.

Ob Chase sich nun endlich seinen Gefühlen Sean gegenüber sicher ist? Oder sind sie ihm nun 'ausgeblasen' worden? xD

Schlagt mich ruhig. Die Antwort kommt erst im nächsten Kapitel.

Kapitel 11 - Die Gute-Freunde-Nummer

Sooo! Jetzt gibt's mal ordentlich was zu lesen! Und bitte nicht am Anfang verzagen, das klärt sich alles noch auf. ^^
 


 

Kapitel 11 - Die Gute-Freunde-Nummer
 

~Sean~

Geräuschvoll schnäuze ich in mein Taschentuch. So ein Arsch! Warum tut er mir sowas an? Schon wieder? Erst dachte ich, alles sei endlich einigermaßen gut, und nun sowas. Er hat sich einfach nicht im Griff und zieht mich damit auch wieder runter. "Heulst du immer noch wegen ihm?" Ich nicke. "Ach Mensch! Komm her." Dankbar flüchte ich in die vertrauten, starken Arme. "Du kannst ihm nicht immer helfen. Er muss es von selbst kapieren, dass er nicht ewig an der Vergangenheit hängen kann. Das bremst ihn nur aus."

"Ich weiß. Es tut trotzdem weh. Es ist doch jedes mal das Selbe."

"Willst du zu ihm?" Ich überlege. Will ich überhaupt sehen? So wie er gestern wieder drauf war? "Inzwischen ist er sicher wieder nüchtern." Nüchtern? Hoffentlich hat er einen ordentlichen Kater! Das geschähe ihm nur recht.
 

Am Abend zuvor:
 

~Chase~

"HAPPY BIRTHDAY!!!" Laute Tröten erfüllen den Raum und bunte Luftschlangen fliegen durch Saschas Bude.

"Was macht ihr den alle hier?!"

"Überraschung mein Schatz!" Mein Freund Peter fällt Sascha um den Hals.

"Das sehe ich", lacht dieser und beide küssen sich. Und zwar richtig. Da wird man ja neidisch! Verstohlen schiele ich zu Sean. Dieser hat wohl im selben Moment wie ich den gleichen Gedanken und schaut ebenfalls zu mir rüber. Wie gern würde ich ihn jetzt auch ...

"Dann mal hoch die Gläser! Auf unser Geburtstagskind! HOCH!"

"HOCH!" Ich erhebe mein Glas.

Saschas Bude ist brechend voll. Einige Leute kenne selbst ich und, wie soll es auch anders sein, eine meiner Exen ist hier. Ich ignoriere sie und weiche ihr aus. Trotzdem schafft sie es sich an mich anzupirschen und spricht mich plötzlich an, als ich am Buffet stehe. "Hallo Chase. Lange nicht mehr gesehen."

"Hallo ... ähm ... Verena?"

"Vera!" Wusste ich doch. Nur kann ich sie mir mit diesem kleinen inszenierten Fauxpas heute vom Leib halten. "Bist du mit jemanden hier?" Kann ich nicht!

"Ja."

"Oh."

"Tschau." Ich lasse sie einfach stehen und gehe zu Sean.

"Wer war das?" War ja klar, dass er nach Vera fragt.

"Eine alte Bekannte."

"Aha." Seans Augen durchbohren mich.

"Glaubst du etwa, ich würde mir ihr wieder was anfangen?!" Glaubt er doch nicht wirklich?

"Eher nicht. Ich wusste nur nicht, dass du auf so einen Typ Frau gestanden hast."

"So einen Typ Frau? Ich habe keinen bestimmten Typ. Hauptsache ..."

"Hallo Sascha! Komm her! Lass dich auch mal von mir drücken!" Ich glaube, der Typ neben uns hat mich mit seinem aufgekratzten Geschrei gerade von einer wahren Katastrophe bewahrt. 'Anmerkung an mich selbst: Keine Details von deinen früheren Frauengeschichten in Seans Gegenwart.' Ich gratuliere Sascha ebenfalls schnell, da er praktischer weise in Griffweite steht, und wende mich wieder Sean zu, dessen Augen kleine, böse Blitze auf meine Ex abfeuern. "Du musst dir keine Gedanken machen."

"Tu ich nicht."

"Wirklich?"

"Nur weil hier eine Frau ist, die du schon mal im Bett hattest, muss ich mir doch keine Gedanken machen."

"Aha. Daher weht der Wind also." Hätte ich mir doch denken können.

"Sean?" Peter ruft.

"Schon gut", winkt er ab, schlängelt sich an mir vorbei und flüchtet zu meinem Freund Peter. Gerissener Bengel! Er weiß ganz genau, dass wir so nicht weiter darüber reden können. Es sei denn, jeder würde gleich erfahren, dass wir beide zusammen sind. Mir wäre es gleich, aber Sean will damit noch warten. Weshalb auch immer.
 

Ich atme tief ein und stopfe mir eine Gabel voll Minifrikadellen in den Mund. Kaum zu glauben, aber die kleinen Dinger schmecken wirklich gut. Essen zur Frustbewältigung. Hilft immer. "Wo ist den deine Begleitung? Ich sehe sie nirgends." Ich verdrehe die Augen. Vera ist schon wieder an mich herangerückt.

"Geht dich nichts an." Kann sie nicht einfach verschwinden?

"Also bist du doch alleine hergekommen." Hilfesuchend schiele ich zu Sean. Doch der verengt nur seine Augen zu schmalen Schlitzen und grinst dann frech. So ein kleiner Giftzwerg! Ich lege meinen besten Unschuldsblick auf. Der wirkt eigentlich immer. Diesmal nicht. Sean dreht sich von mir weg und unterhält sich mit jemanden, den ich nicht kenne. Eindeutig schwul und ... Macht der Kerl etwa meinem Sean gerade schöne Augen?!

Vera plappert weiter auf mich ein, was ich aber ignoriere. Ich muss zwischen Sean und diesem Casanova gehen! Das kann doch nicht angehen, dass dieser Arsch versucht meinen Freund anzubaggern! Ich stürme los, will dem Einhalt gebieten, da schiebt sich jemand vor mich. "Auch hier?"

Verärgert bleibe ich stehen. "Du auch, wie ich sehe, Aaron." Irgendjemand meint es heute wirklich nicht gut mit mir. "Was willst du?", frage ich, Seans Verehrer stets im Blick. Das bemerkt anscheinend auch Aaron.

"Nichts. Nur hallo sagen. Willst du rüber zu Sean?"

"Ja. Falls du es unbedingt wissen willst."

Aaron lacht leise. "Würde ich jetzt sein lassen. Martin und er sehen beschäftigt aus." Martin heißt der Arsch also. Dann weiß ich ja, was ich ihm nachher auf seinen Grabstein meißeln muss. "Mal unter uns Chase." Aaron rückt näher an mich ran. "Lass Sean in ruhe und vermassle ihm das nicht. Martin ist ein echt netter Kerl. Oder willst du etwa doch was von ihm?" Würde es die Party sprengen, wenn ich Aaron eine reinhaue?

"Kümmere dich um deinen eigenen Mist!", schnauze ich ihn an und gehe an ihm vorbei. Heute muss noch einer sterben! Ich weiß nur noch nicht, ob es Aaron sein wird, oder dieser 'nette' Kerl Martin, der gerade meinem Sean die Hand auf den Arm legt. Der ist gleich aber sowas von Hackfleisch!
 

~Sean~

Oh oh! Das ist nicht gut! Chase ist sauer. Hab ich es übertrieben? Nein! Ich war schließlich auch sauer auf ihn. Zugegeben, der Grund dafür war dämlich. Als er mit dieser Tusse gevögelt hatte, kannten wir uns noch nicht. Trotzdem tat es weh. Verdammt noch mal! Er ist mein Freund und wir haben noch kein einziges Mal richtig miteinander geschlafen! Diese doofe Kuh dort drüben schon! Da werde ich doch mal eingeschnappt sein dürfen. Eingeschnappt und … ich sag's nicht gern … Eifersüchtig.

Ich schiele weiter rüber zu Chase. Gerade lässt er Aaron links liegen und kommt auf mich zu. Martin redet und redet, doch ich höre nur noch mit einem Ohr zu. Zu sehr bin ich auf Chase fixiert, der jedoch nicht mich ansieht, sondern Martin, der mich natürlich gerade am Arm betatscht. Da schau an. Mein Freund ist eifersüchtig! Ausgleichende Gerechtigkeit also. Jetzt sieht er mal wie das ist! Leider habe ich nur das Gefühl, dass ich hier der Einzige bin, der sich falsch benimmt. Mist!

"Sean? Kommst du mal mit?" Jetzt erst schaut er zu mir und nimmt mich bei der Hand, zieht mich einfach mit sich.

"Was ist denn?", frage ich, kann mir aber schon denken, um was und um wen es geht. Er antwortet nicht, sondern geht mit mir raus in den Hausflur. Hier sind wir ungestört.

Chase lässt meine Hand nicht los, als er sich zu mir dreht. "Es tut mir leid." Bitte?!

"Was tut dir leid?"

"Alles." Da komme ich jetzt nicht mit. Deshalb warte ich ab und lasse ihn weiterreden. "Das wir noch nicht miteinander geschlafen haben, liegt nicht an dir, oder daran, dass ich immer noch Angst davor habe. Nur ... Irgendwie passte es nie."

"Es passte nie?", frage ich verwirrt und mir vielen sofort unzählige Situationen ein, in denen wir ...

"Ich ähm ... Na ja, ich ..."

"Hör auf zu stottern und sag was Sache ist!" Langsam nervt es mich echt ihm immer alles aus der Nase ziehen zu müssen.

"Ich dachte, dass wir vorher ... Also eher ich, weil du doch eine so furchtbare Erfahrung damit gemacht hattest ... Und daher ..."

"Chase? Sag's schon." Du meine Güte! Wird er etwa gerade rot?

"Ich hab mich testen lassen und warte noch auf das Ergebnis."

"Du hast dich ...?" Gibt's den sowas? Er hat sich für mich testen lassen? Wegen dem, was mit Andy passiert ist? "Scheiße Chase!" Gibt es was Süßeres, als das hier?!
 

Ich falle ihm in die Arme und stürme seinen Mund. Prompt werde ich von ihm gegen die Wand gedrückt, seine Hände schieben sich unter mein Shirt und bescheren mir eine feine Gänsehaut. Ich keuche in den Kuss hinein und kralle mich in sein Hemd fest. Am liebsten würde ich ihn nach Hause schleifen und dort mit ihm weiter machen. Aber erstens können wir leider nicht einfach von Saschas Geburtstagsparty verschwinden und zweitens würde es zu sehr auffallen. Obwohl ... Kann ich mir nicht endlich sicher sein? Ich meine, dass Chase sich extra hat wegen mir testen lassen, ist das nicht Beweis genug für seine Entscheidung, bei mir zu bleiben?

"Wir sollten jetzt besser Schluss machen", keucht mir Chase ins Ohr, wo er gerade noch dran herumgeknabbert hatte.

"Sollten wir." Ich sauge an seinem Hals und koste die wunderbar leckere Haut dort. Noch nie hat mich ein Aftershave so angemacht wie seins.

"Sean?"

"Hm?"

"Ich meine es ernst." Ich doch auch! Aber es fällt mir wirklich schwer, mich jetzt von ihm zu trennen. "Wenn du weiter machst, habe ich gleich ein mächtiges Problem."

Ich grinse. "Ein mächtiges Problem?"

"Ja ..."

"Das habe ich schon bemerkt", wispere ich und streichle über seinen Schritt.

Chase keucht auf und beißt mir sanft in den Hals. "Kleiner Giftzwerg!" Daraufhin gebe ich ihm einen Klaps auf die Schulter und schiebe ihn von mir.

"Lass uns wieder reingehen. Bestimmt wundern sich schon alle."

So unauffällig es geht, betreten wir wieder die Wohnung. Anscheinend hat niemand unseren kleinen Ausflug gemerkt. Aber wäre das so schlimm gewesen? Am liebsten würde ich jedem hier sagen, dass Chase und ich zusammen sind. Ich drehe mich zu Chase. "Wollen wir es ihnen doch sagen?"

Seine Augen werden groß. "Bist du dir sicher?"

"Wenn du es bist."

"Natürlich! Aber doch nicht jetzt, oder? Heute ist Saschas Tag." Wo er recht hat, hat er recht.

"Gut, heute nicht. Aber bald." Ich grinse ihn an. "Dann lass uns heute nochmal die guten Freunde spielen."

"Alles klar. ... Kumpel." Ohh! Wenn so ein Kumpelblick aussieht, dann will ich gar nicht wissen, wie sein Partnerblick dann ausschaut!

Ich bin so glücklich! Und es fällt mir echt schwer, mich jetzt noch zusammenzureißen. Es hat mich wirklich nachdenklich gestimmt, dass er immer die ganze Zeit immer noch nicht richtig mit mir schlafen wollte. Aber jetzt, wo ich den Grund deswegen kenne, ist es verdammt schwer, meine Finger von ihm zu lassen. Ich will es jedem zeigen! Will, dass jeder hier weiß, dass dieser irre Mann mein Partner ist. Ganz besonders dieser Kuh, die sich schon wieder nach Chase umdreht. Grrr!
 

~Chase~

Gute Freunde. Oh man! Aber es ist ja nicht mehr für lange, was meine Libido leider nicht interessiert. Seit ich Sean gestanden habe, dass ich nur darauf warte, dass das Testergebnis endlich kommt, habe ich das dringende Gefühl, das ich die ganze Freunde-Nummer keine Minute länger mehr aushalte. Als ob unsre Beziehung gerade ein ganz neues Level erreicht hätte. Sean geht es genauso, denn der frisst mich gerade schon wieder mit den Augen auf. Wie soll ich da noch ruhig bleiben?! Außerdem würde ich es gern Aaron unter die Nase reiben. Denn der beobachtet mich mit Argusaugen. Der denkt bestimmt, ich will weiterhin Seans Chancen bei diesem Martin zunichte machen. Dabei ist es nun Sean, der auf Abstand geht und glücklicherweise nicht mehr auf dessen Anmachen eingeht. So wie gerade wieder. Sean lässt Martin stehen und geht zum Buffet. Jetzt aber!

Ich begebe mich ebenfalls dorthin und stelle mich dicht an ihn ran. Aaron scheint beschäftigt zu sein und wir sind fast unbeobachtet. Wunderbar! Vorsichtig greife ich nach Seans Hand, wovon ich sofort heftiges Herzklopfen bekomme. Es ist nicht zu fassen! Wir benehmen uns wie kleine Teenager!

Seans Daumen fährt sanft über meinen, dann zieht er seine Hand wieder unter meiner hervor und schaufelt sich Salat auf den Teller. Nochmal umgeschaut. Die Luft ist rein. "Ich liebe dich." Das musste nun raus.

Schmetterlingsalarm und mein Herzschlag legt nochmal einen Zahn zu. Besonders, da Sean mich daraufhin anlächelt und ein "Ich dich auch" flüstert. Leider ist der Zauber des Augenblicks schnell wieder vorbei, denn Martin taucht auf und auch Aaron kommt hinterher geschlichen. Stimmungskiller!

Mein Kleiner zieht von dannen und ich bleibe am Buffet zurück. Natürlich, wie soll es auch anders sein?, mit Aaron. "Wann gibst du es endlich zu?"

"Weiß nicht was du meinst", nuschle ich und ärgere mich. Die Schüssel mit den Minifrikadellen ist leer!

"Wenn du dich nicht beeilst, hat Sean jemand anderen."

"Schon wieder diese Leier?"

"Ich will nur helfen."

Eigentlich wollte ich ihn mit einem dummen Spruch abspeisen und zu Peter flüchten. Doch jetzt drehe ich mich doch zu ihm. "Du willst mir helfen?! Seit wann den das?"

"Ich sehe doch, wie ihr euch anschaut. Da ist doch was im Anflug." Mist, verdammter!

"Wenn du meinst." Ich versuche mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen. Nüchtern kann Aaron ja ein ganz schön ausgeschlafener Mistsack sein!

"Das meine ich. Geh endlich zu ihm und greif zu! Ewig wird er nicht auf dich warten." Moment mal …

"Was wird das hier, Aaron? Erst versuchst du mich von Sean zu vergraulen, schreist mich an und verpasst mir sogar eine, und jetzt rätst du mir, ich soll mich an Sean ranmachen?" Ich schaue ihn sauer an, doch er lächelt nur verschmitzt. Moment mal! "Das hast du alles extra gemacht, nicht wahr?"

"Kann sein."

"Wieso …?"

"Weil du Blitzmerker niemals von selbst deinen mickrigen möchtegern-Heteroasch hoch bekommen hättest. Dich muss man in die richtige Richtung Stoßen. Und? Hat auch geklappt, oder?" Mir fällt alles aus dem Gesicht.

Dennoch bin ich ein wenig skeptisch. "Ich dachte, du kannst mich nicht leiden."

"Kann ich auch nicht", sagt er, zuckt mit seinen Schultern und lässt mich einfach stehen. Wer hätte das bloß gedacht? Dieser Mistsack hat mich manipuliert! Bleibt nur die Frage: Weiß er es? 'Hat auch geklappt, oder?' Mir wird ganz komisch zumute.
 

***
 

~Sean~

Ich stehe mit Peter in der Küche und helfe das restliche Geschirr wegzuräumen. Es ist ganz schön spät geworden, doch das scheint ihn nicht zu stören. "Komm schon! Wird sicher lustig."

"Ich weiß nicht." Eigentlich hört sich sein Vorschlag ganz gut an. Wäre da nicht ein Problem.

"Und wenn ich dir verspreche, dass ich Chase dazu überrede mitzukommen?" genau da liegt der Hase begraben.

"Meinst du er geht nochmal mit in den Club?"

"Bestimmt! Wenn ich ihn ganz lieb bitte." Peter strahlt mich an.

"Ich weiß trotzdem nicht." Ich hatte mich so gefreut endlich mit Chase alleine sein zu können.

"Ich frage ihn sofort!" Peter ist nicht aufzuhalten. Na gut. Die paar Stunden werde ich ja noch aushalten können. Oder? "Er kommt mit!" Peter erscheint wieder im Türrahmen. "Klasse oder?"

"Ganz toll." Ich mache gute Miene zum bösen Spiel. Woher soll Peter auch wissen, dass ich jetzt viel lieber mit Chase eine private Party feiern würde. Es wird wirklich Zeit. Nach diesem Abend werde ich allen reinen Wein einschenken!
 

***
 

~Chase~

Hoffentlich ersticken wir nicht, denn es ist ziemlich eng und unbequem hier drinnen. Doch wenigstens ein Gutes hat dieses zusammengequetsche in Peters Auto. So können sich Sean und ich ganz ohne Verdacht zu erregen aneinander lehnen. Und dank Seans Jacke, die er zwischen uns gelegt hat, können wir sogar Händchen halten. Fast lache ich über mich selbst. Ich halte heimlich Händchen mit meinem Freund! Ich schaue aus dem Fenster, sehe, wie die Häuser und Geschäfte an uns vorbeiziehen, während wir auf dem Weg in den Club sind. Mit meinem Zeigefinger streiche ich über Seans Oberschenkel und beginne zu grinsen, da er zusammenzuckt und danach erstarrt auf dem Rücksitz stillhält. Lange hält seine Starre nicht an und er zieht unsre Hände weiter in Richtung seiner Körpermitte. Was wird denn das?

Fragend wende ich mich ihm zu, doch er schaut geradeaus durch die Frontscheibe. Ein leichtes Lächeln liegt ihm auf den Lippen. Kleiner Frechdachs! Na warte! Mit meinem Handrücken kreise zweimal fest gegen seinen Schritt. "Wahaann ... sind wir da?" Uh. Gut gefangen!

"Das weißt du doch", sagt Aaron mürrisch.

"Ich frag doch nur." Sean schiebt unsre Hände wieder in ungefährlichere Gefilde und lässt meine dann ganz los. Ist er jetzt sauer? Ich drehe mich leicht zu ihm und zucke mit meinen Schultern. Er zwinkert mir zu. Sauer ist er also nicht. "Soll ich heute wieder auf dich aufpassen?"

"Wieso aufpass…", fange ich an zu fragen, bevor es bei mir Klick macht. "Aufpassen! Ja. Bitte." Sean lächelt breit und klopft mir aufs Bein.

"Was bekomme ich dafür?"

"Du willst was dafür?"

"Ja." Mir würde da gerade was einfallen, was er von mir 'bekommen' könnte. Nur kann ich das jetzt unmöglich herausposaunen. "Du bezahlst mir die Drinks. Wie wäre das?" Kleiner, geiziger Giftzwerg!

"Ich habe kein Geld dabei. Außerdem ist es Saschas Geburtstag. Der zahlt."

"Hey!"

"Hör auf zu murren Sascha! Selbst schuld, wenn du uns noch in einen Club einlädst." Ist doch wahr!
 

Endlich angekommen, parken wir ganz in der Nähe des Velvets und steigen aus. Peter und Sascha gehen voran, Sean, Aaron und ich hinterher. Kann Aaron nicht zu den anderen da vorn gehen? Sehnsüchtig schiele ich zu Sean. Der bemerkt das allerdings nicht, sondern redet mit Aaron. Bin ich hier der Einzige, der sich nach Nähe sehnt?!

"Kommt schon!" Peter winkt uns eilig herbei. Was hat er denn? Und dann sehe ich es. Einige der anderen Partygäste, die bei Saschas Geburtstagsparty waren, stehen auch hier in der Schlange, und wir gesellen uns einfach zu ihnen. Nur leider ist da auch ein gewisser Martin, der sich sofort an Sean ranmacht. Der hat mir noch gefehlt! Äußerlich gelassen bleibe ich hinter Sean stehen, beobachte aber jede der Bewegungen dieses Möchtegern-Casanovas. Der pirscht sich nämlich als näher an meinen Kleinen ran. Zeit zum einschreiten!

"Sean?"

"Ja?" Mein Kleiner dreht sich zu mir.

"Ich bin umzingelt."

"Echt?"

"Ja. Und ich bin kurz davor wieder zu gehen."

"Oh. Dir passiert schon nichts." Er schiebt seinen Arm durch meinen und hakt sich bei mir ein. Schon viel besser! Martin misst mich mit vernichtenden Blicken. Was für ein Arsch! Ich starre zurück, ziehe eine grimmige Grimasse und versuche ihm klarzumachen, dass er hier nichts verloren hat. Jedenfalls nicht in Seans Nähe.

Mein Freund scheint das auch bald zu bemerken und ist nicht so begeistert davon. "Chase!", zischt er mich leise an.

"Hm?"

"Sst!" Sean hebt eine Augenbraue und macht eine verneinende Geste.

"Dann mach ihm klar, dass du nichts von ihm willst!", flüstere ich ihm zu.

"Habe ich doch."

"Und warum ..."

"Kommt! Wir dürfen rein!" Sascha zerrt Sean aus meinen Armen. Hallo?! Wir diskutieren hier gerade was aus!
 

~Sean~

Ich verrenke mir fast den Hals, um Chase nicht aus den Augen zu verlieren. Doch es ist zu spät. Wir sind schon im Club. "Warte doch mal Sascha! Chase ist noch draußen."

"Der kommt sicher nach."

"Warum hast du es denn so eilig?", grante ich ihn an, bleibe stehen und entziehe ihm meine Hand.

"Ist ja schon gut! Ich will dich nur was fragen."

"Und was?" Das hätte er doch auch draußen machen können. Und wo ist überhaupt Peter?

"Läuft das was zwischen euch?"

Ich räuspere mich. "Was?!" Hat er etwas gemerkt? Waren wir zu auffällig? Dann ist jetzt wohl doch schon der Moment gekommen. Dann sage ich es ihm eben. Anlügen kann ich ihn sowieso nicht. "Sascha, also ..."

"Martin ist ja auch ein Lieber! Und ich bin so froh, dass du endlich die Idee aufgegeben hast, dass du und Chase ..."

"Ich habe nichts mit Martin!", fahre ich ihm dazwischen. "Wie kommst du denn darauf?"

"So wie ihr beiden euch heute schon den ganzen Abend umschwänzelt habt, dachte ich ..."

"Ich will nichts von ihm! Und außerdem: Was hast du jetzt schon wieder gegen Chase?!"

"Nichts. Aber ich dachte, du hast endlich aufgegeben."

"Aufgegeben?!"

"Ja. Ist ja auch lächerlich, dass du und er ..."

"Leck mich Sascha!" Ich kehre ihm den Rücken und gehe wieder nach draußen, um Chase zu suchen. Er hat wirklich geglaubt, dass ich und Martin ...? Wenn er das schon missversteht, wie sieht es erst bei Chase aus? Eigentlich hatte ich seine Eifersucht nur für eine Spielerei gehalten. Das er etwas eingeschnappt war, nichts weltbewegendes, aber es scheint ihn echt aufgeregt zu haben, dass ich mir mit Martin unterhalten habe. Ich muss mich bei ihm entschuldigen! Jetzt! "Chase? ... Chase?!" Ich stelle mich auf die Zehnspitzen. "CHASE?!"

"Hier!" Er steht ja fast neben mir! Chase lächelt breit und schaut mich unschuldig an.

"Mensch! Warum sagst du nichts?"

"Du sahst so lustig aus, wie du nach mit gesucht hast. Können wir rein?"

"Ich weiß nicht. Ich warte hier mit dir." Martin ist auch nicht mehr zu sehen. Bestimmt ist er schon drinnen. "Wo ist Aaron?"

"Der hat einen alten Bekannten getroffen", meint Chase lapidar.

"Ach so." Einen alten Bekannten ...

"Sean? Was ist?"

"Sorry."

"Was?"

"Sorry, dass ich mich mit Martin so angeregt unterhalten habe. Aber ich dachte, es wäre nicht schlecht. Wenn wir ständig aufeinanderhängen, dann ..."

"Du brauchst nicht weiterzureden. Hab's verstanden." Chase legt seinen Arm um mich und drückt mich fest. "Wollen wir gehen? Jetzt gerade sieht uns niemand von unsren Freunden und ..."

"Chase?! Sean?! Kommt doch mit rein!" Peter steckt seinen Kopf aus dem Eingang des Velvet.

"Zu spät", seufzt Chase. "Wir wurden entdeckt."

"Da müssen wir jetzt durch", kichere ich und schnappe mir Chases Hand. "Mein Kumpel."
 

***
 

~Sean~

Ganz nach alter Manier, tue ich so, als halte ich die Kerle von Chase fern, spiele seinen Freund, während ich in Wirklichkeit nur seinen Freund spiele, damit niemand merkt, dass ich wirklich sein Freund bin. Klingt jetzt irgendwie verwirrend, oder? Aber egal. Hauptsache es wirkt und wir zwei können zusammen sein. Nur eins nervt: Kein intensiver Körperkontakt. Heißt, dass wir uns weder küssen noch betatschen dürfen. "Ich glaube, wir sollten es jetzt schon unsren Freunden beichten."

"Du bist betrunken Sean. Morgen bereust du es."

"Nein!", protestiere ich. "Würde ich nicht."

"Doch würdest du. Weil du es unsren Freunden ganz in Ruhe sagen willst. Und nicht hier, vor all den Leuten."

"Das kannst du doch nicht wissen."

"Das weiß ich wohl!"

"Wir sagen es ihnen in den nächsten Tagen. Laden sie alle zum Essen ein, nachdem wir es Aaron gesagt haben. Klar?!"

"Na gut." Ich ziehe eine Gusche. "Dafür gibst du mir jetzt aber noch einen Drink aus."

"Wenn es sein muss", schnauft Chase, grinst mich aber an.

"Was muss, dass muss!" Chase legt einen Arm um mich und gemeinsam laufen wir zur Bar. Es dauert, bis wir bestellen können, aber nachdem ich endlich meinen bunten Cocktail in der Hand habe, ziehen wir uns auf einen freigewordenen Sitzplatz zurück. Hier sind wir fast ungestört. Aber leider nur fast.
 

~Chase~

"Da seid ihr ja! Ich habe dich schon überall gesucht." Martin! Die kleine, miese Kröte! Empört schaue ich mit an, wie er sich neben Sean auf die kleine Couch fläzt und seinen Arm um die Rückenlehne legt. Geht's noch?! "Was trinkst du da? Darf ich mal probieren?"

"Besser nicht. Sean hat einen ganz bösen Herpes." Grimmig fixiere ich die Kröte und mache ihm deutlich, dass ich ihn hier nicht haben will.

"Herpes? Wo denn?"

"Ähm ... Man sieht es noch nicht. Aber es bitzelt", sagt Sean und lächelt nervös. Die Kröte sagt nichts dazu, glotzt nur dumm wie ein Eimer Putzwasser und hustet gekünstelt. Wohl am Putzwasser verschluckt.

Entspannt lehne ich mich zurück und schiebe meinen Arm zwischen Rückenlehne und den Rücken meines Kleinen hindurch. Ob er es extra macht, oder ob es eher ein Reflex ist, weiß ich nicht. Ist mir auch egal, aber Sean lehnt sich sofort an mich und schlürft an dem Strohalm seines Drinks. Ja glotz nur, Martin! Das hier ist meiner!

"Du bist der beste Freund von Peter, richtig?" Ah, ich habe wohl sein Interesse geweckt.

"Ja. Bin ich."

"Der Hetero. Oder?" Das bin ich für Peters Bekannte? Der Hetero?

"Ja", antworte ich schlicht.

"Was hast du dann hier zu suchen?"

"Das Selbe wie du. Feiern."

"Ich will nicht nur feiern", sagt er leise. "Ich will noch was ganz Anderes." Er lehnt sich vor und verengt seine Augen zu Schlitzen, lächelt irgendwie fies und dreht sich anschließend zu Sean. "Möchtest du mit mir tanzen?"

Sean, mittlerweile fast mit dem Sessel verschmolzen, rührt sich keinen Millimeter.

"Sean möchte nicht tanzen. Das haben wir gerade schon lange genug gemacht."

"Kann Sean nicht für sich selbst reden?", motzt mich die Kröte an und plustert sich auf.

"Kann er! Sean? Möchtest du mit ihm tanzen?!"

"Lässt du dich etwa von dem da bevormunden?"

"Sean?!"

"Sean?"

"Öhm ..." Sean schaut von einem zum anderen. "Ich mag nicht tanzen." Ha! Pech gehabt, du miese Kröte!

"Sag ich doch." Triumphierend schlage ich ein Bein übers andere und ziehe Sean noch ein Stück näher an mich ran.

"Aber ich kann wirklich für mich selbst reden, Chase." Bang! Das hat jetzt aber gesessen!

Die Kröte lacht und beugt sich zu mir. "Was habe ich gesagt?!" Dieser miese ...

"Schön! Von mir aus!" Ich lasse Sean los und stehe auf.

"Chase?!" Ich reagiere nicht auf meinen Kleinen. "Chase!" Ich höre, wie er mir nachläuft. "Warte doch mal!" Seine Hand greift nach mir. "Es tut mir leid, aber euer unterschwelliger Zoff hat mich echt genervt!"

"Es hat dich genervt?"

"Ja."

"Und mich hat genervt, dass du dieser Kröte nicht gesagt hast, dass du kein Interesse an ihm hast."

"Das habe ich doch!", japst Sean und schaut mit seinen blauen Welpenaugen zu mir auf. "Schon auf der Party in Peters Wohnung! Ich kann doch nichts dafür, dass er sich trotzdem an mich ..."

"Sean? Es ist genug! Ich will kein Wort mehr über diesen Arsch hören!" Sean sieht ganz erschrocken aus, klammert sich regelrecht an mich. "Schluss damit."
 

Heute:
 

~Sean~

"Es wäre sicher nicht falsch, mal bei ihm vorbeizuschauen. Nur mal so. Wie es ihm geht. Und ob er sich abgeregt hat", überlege ich laut. Ich habe nur Angst, dass er immer noch wütend ist. Ich will nicht, dass er mich noch mehr runterzieht.

"Genau! Du könntest dich vergewissern, wie es ihm geht und ... Auf diesem Weg kann ich es ihm auch sagen."

Ich stutze. "Was sagen?" Fragend hebe ich meinen Kopf an. Was will er ihm sagen?

"Das, was wir besprochen hatten. Gestern Abend."

Ich beiße auf meine Unterlippe. "Sicher?" Er nickt. "Und was genau sagst du ihm?"

Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen. "Das du jetzt mir gehörst. Was den sonst? Das wir jetzt ein Paar sind. Und das seit über einem Monat schon." Mein Herz schlägt schneller. Also tun wir es jetzt schon!

Ich lächle Chase an. "Du willst es ihm sagen? Nicht ich?", frage ich nach.

"Jepp. Ich habe die Nase gestrichen voll von diesem Versteckspiel! Ich will dich in aller Öffentlichkeit und vor allen Augen anhmmmpff!" Stürmisch küsse ich meinen großen Schwachkopf. Er will mich also in aller Öffentlichkeit? So so ...

"Fahren wir gleich los?", frage ich ihn atemlos und bekomme meine Mundwinkel gar nicht mehr runter.

"Von mir aus. Soll ich mir lieber vorher einen Helm kaufen? Falls mir Aaron eine verpasst, wenn ich ihm sage, dass du jetzt zu mir gehörst."

"Idiot!", lache ich und flitze in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen. "Aaron wird dir nichts tun."

"Es sei den, er hat wieder ... Sorry. War nicht so gemeint."

"Das will ich auch hoffen." Im Inneren jedoch, habe ich fast schon die gleiche Befürchtung wie Chase. Aaron war gestern im Club echt mies drauf und hat mich sogar beschimpft, weswegen ich gerade auch so schlecht gelaunt war.
 

Wir steigen in Chases Auto und machen und auf den Weg zu Aarons Wohnung. Dabei überlege ich, was ich nur tun kann, damit es meinem Freund Aaron wieder besser geht. Leider fällt mir nur eins ein: Aaron bräuchte auch jemanden an seiner Seite, der ihm darüber hinweghilft. Jemanden, der Andy nicht ersetzen soll, ihn aber etwas aus Aarons Kopf vertreiben kann und ihm vielleicht sogar das Gefühl nehmen kann, er sei an Andys Tod schuld gewesen. Nur woher nehmen, wenn Aaron einfach niemanden an sich ranlässt? Wenn er jedem misstraut und von sich schiebt?

So wie gestern. Eigentlich war der Abend ja ganz schön, hatten Spaß und Chase und ich mussten uns ganz schön zusammenreißen. Erst recht nachdem, was er mir kurz zuvor offenbart hatte. Nach meinem perfekt gelungenen Verführungsplan, kann ich mir Chase sowieso kaum von mir fern halten. Als ob ich das wollte! Mein Schatz ist endlich viel gelöster und zeigt mir täglich, dass er mich will, trotz seiner Angst. Und den letzten Schritt wagen wir auch noch. Wenn das Ergebnis da ist. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Hoffentlich ist das Ergebnis bald da!

Aber auch wenn ich so aufgeregt auf die kommende Zeit mit meinem Großen bin, es kaum noch erwarten kann, endlich allen zu sagen, was Sache ist und es vor allem Sascha unter die Nase reiben kann, dass Chase eben doch auf Kerle steht, beziehungsweise auf mich, mache ich mir immer noch riesige Sorgen um Aaron. Zudem bin ich wirklich mächtig sauer auf ihn. Wiedermal hat er sich etwas geleistet, das ich ihm eigentlich nicht so einfach durchgehen lassen sollte. Doch das tue ich wieder. Weil ich weiß, warum er so ausflippt, und weil ich weiß, was er fühlt. Nur weiß ich leider nicht, wie ich ihn dazu bringen kann, damit aufzuhören und wenigstens den Alkohol wegzulassen. Denn auf ihn aufzupassen bringt nichts. Er stiehlt sich immer davon und ehe man sich versieht, hat er schon wieder einen in der Krone. Und vorschreiben lässt er sich sowieso nichts.

Seufzend schaue ich aus dem Fenster und meine Gedanken wandern an den gestrigen Abend zurück.
 

Nachdem Chase so sauer auf Martin war, und ich ihm nachgerannt bin, hatte ich schon die Befürchtung, dass er Schluss machen will. Doch weit gefehlt. "Schluss damit", sagte er. "Du bleibst jetzt bei mir und wenn sich diese Kröte wieder an dich ranmachen will, bekommt er von mir eine verpasst. Egal was er sagt." War mir zuvor das Herz in die Hose gerutscht, sauste es nun vor Erleichterung wieder an seinen eigentlichen Platz.

"Das musst du nicht", kicherte ich und legte meine Arme um seinen Hals. "Diese Kröte interessiert mich kein Stück. Und wenn du willst, beweise ich es dir auch." Vielsagend schaute ich ihn an.

"Und wie?"

"Da hinten sind die Toiletten und ..."

"Hey Chase! Was ist den mit dir los?" Genau im falschen Moment kam Peter zu uns und legte seine Arme um unsre Schultern, während wir versuchten, nicht ertappt auszusehen und die Hände voneinander zu lassen.

"Nix", antwortete Chase knapp auf Peters Frage.

"Nix?! Sag bloß, du hast keine Angst mehr, dass dir jemand an den Hintern will?"

"Der muss erst an mir vorbei", meinte ich lachend und rückte näher an Chase ran. "Ich passe auf ihn auf. Weißt du nicht mehr?"

"Ah ja." Peter grinste schief. "Dann noch viel Spaß beim 'aufpassen'." Er zwinkerte uns zu und weg war er wieder.

Ich atmete erleichtert aus. "Meinst du, er hat was gemerkt?", flüsterte ich Chase zu.

"Vielleicht."

"Vielleicht? Du hast Nerven."

"Ist doch jetzt auch egal. Auch wenn er was vermutet, lange wird er nicht mehr darüber grübeln können, nicht wahr?" Chase hatte recht.

Glücklich rückte ich noch etwas näher an ihn ran und schaute ihm tief in die Augen. Eine Frage beschäftige mich aber immer noch. "Hast du noch Angst davor, dich könnte einer angrabschen?", wollte ich unbedingt von ihm wissen.

Chase überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. "Nein", sagte er grinsend und rieb mit seinem Daumen über meinen Handrücken. "Das muss an dir liegen. Du hast mich geheilt." Mir wurde ganz heiß und ich hätte ihn am liebsten in Grund und Boden geknutscht, hätte uns nicht ein Schrei aufhorchen lassen. Gleichzeitig schauten wir in die Richtung, aus der der Tumult zu kommen schien.

"Was'n da los?", sprach Chase meine Frage laut aus.

"Keine Ahnung ... Warte mal! Ist das Aaron?!" Ich stellte mich auf die Zehenspitzen. "Ja! Scheiße!"

Sofort waren wir unterwegs zu Aaron, der sich mit einem der Gäste anzulegen schien. Bevor die Security bei ihm war, hatten Peter und Sascha ihn schon gepackt und versuchten ihn zu beruhigen. "DU ARSCH! ICH MACH DICH ALLE! SAG NOCH EINMAL WAS GEGEN ANDY UND ICH BRECH DIR DAS GENICK!" Aaron war außer sich und riss sich von Saschas und Peters Griff los. Zum Glück waren wir schon angekommen und Chase stellte sich zwischen die beiden Streithähne und hielt Aaron auf, dem Anderen an die Gurgel zu gehen. Was dieser alles von sich gab, überhörte ich. Es war sicher nichts Nettes.

Aaron hatte sichtlich zu viel getrunken und sein Gesicht war rot angelaufen vor Zorn. Vergeblich probierte er sich an Chase vorbei zu drängeln. Chase war stärker. Und auch nicht so besoffen wie Aaron. "Beruhige dich doch! Aaron! Hör auf!" Ich versuchte seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Klappte auch. Nur pöbelte er nun mich an. "ICH SOLL RUHIG BLEIBEN?! WILLST DU, DASS ICH MIR GEFALLEN LASSE, WAS ER ÜBER ANDY FÜR EINEN SCHEIß VERBREITET?!"

"Ja. Das will ich", sagte ich ruhig. "Das sagt er nur, weil du dich provozieren lässt. Lass ihn reden und kümmere dich nicht drum." Aaron schnaufte und ich murmelte im noch leise zu: "Diese Spinner wissen nicht was sie da von sich geben. Sie wollen dich nur aufziehen und du steigst immer wieder drauf ein. Ignoriere das dumme Gelaber. Bitte." Aaron mahlte mit den Zähnen aufeinander, hörte aber erstaunlicherweise auf mich.
 

Mittlerweile war auch die Security bei uns angelangt, unternahm aber nichts, da wir fluchtartig mit Aaron im Schlepptau aus dem Velvet verschwanden. "Irgendwann bekommst du hier noch Hausverbot", prophezeite ihm Sascha.

"Und?! Ist doch eh alles scheißegal!" Aaron griff sich an die Stirn und schloss die Augen. "Ich bin schuld", sagte er mit dünner Stimme und in mir bildete sich ein dicker Klos.

"Dich trifft keine Schuld. Bitte Aaron. Hör auf ..."

"Sag mir nicht was zu tun soll!", brüllte er mich an. "Du hast gar keine Ahnung! Du kanntest Andy nicht! Sag mir also nicht, was damals passiert war! Du warst doch nur sein Bückstück und hast dich von ihm vögeln ..."

"Aaron! Das reicht! Steig in meinen Wagen! Sofort!" Sascha zerrte ihn an seiner Lederjacke zu seinem Auto. Sascha war immer ruppig zu Aaron, wenn er einen zu viel getrunken hatte. Und besonders dann, wenn er mich dabei zusammenstauchte.

Peter bliebt mit Aaron im Wagen sitzen, während Sascha nochmal zu mir und Chase zurückkam. "Nimm es dir nicht so zu Herzen. Du weißt wie er sein kann, wenn er getrunken hat."

"Ist er dann immer so drauf?", wollte Chase wissen und legte seinen Arm um mich. Sascha schien es gar nicht zu merken. Er sagte jedenfalls nichts dazu.

"Nicht immer. Aber er kann echt ein Arsch sein, wenn er so ist. Kümmerst du dich um Sean? Dann fahren wir Aaron nach Hause."

"Mach ich", antwortete Chase und ich blieb weiterhin stumm.
 

Sascha klopfte mir nochmal auf die Schulter und lächelte mich aufmunternd an. "Morgen ist wieder alles vergessen und dem Dickschädel tut es unendlich leid. Wie immer." Ich nickte und Sascha lief zu seinem Wagen zurück.

"Willst du auch nach Hause?" Chase und ich sahen den Dreien nach, die gerade auf die Hauptstraße abbogen.

"Ja. Mir ist die Lust auf Tanzen vergangen." Meine Sicht verschwamm. Es traf mich jedes Mal, wenn Aaron so austickte. Nicht nur, weil er mich dann anschrie. Auch weil er sich selbst damit völlig kaputt macht. Er muss nur irgendwann mal an den Falschen geraten und es ist aus. Wahrscheinlich will er das auch.

"Okay ... Wirklich alles klar bei dir?" Chase sah mich an, sah, dass mir die Tränen kamen und zog mich an sich. Er schwieg, fragte nicht weiter nach und war einfach für mich da. Erst jetzt wurde mir klar, wie wichtig Chase für mich geworden war. Ohne ihn wäre ich sicher wieder in ein tiefes Loch gefallen, dass angefüllt mit Erinnerungen war, welche ich am liebsten für immer aus meinem Gedächtnis streichen würde.

Doch was, wenn sie mich wieder einholen? Wenn mich wieder irgendetwas an Andy erinnert und alles über mich hereinbricht? Was dann? Denn auch wenn ich jetzt auf Wolke sieben schwebe, gibt es keine Garantie dafür, dass es nicht wieder passiert.
 

Ich starre rüber zu Chase, der gerade dabei ist, fluchend einen Parkplatz zu suchen. Hält das unsre Beziehung schon aus? Ich weiß, dass Chase für mich da sein wird, aber bei manchen Dingen kann er mir nicht helfen. Das kann nur Aaron, der mich dann beruhigt und wieder aus meinen Loch rausholt. Es mag sich bekloppt anhören. Aaron, der eindeutig noch mehr Andy nachtrauert und sich deshalb von allem zurückzieht, kann mich jedes Mal wieder aufmuntern, wenn es mir schlecht geht. Er weiß, was ich dann durchmache, genau wie ich erahnen kann, was er durchmacht. Ob das Chase verstehen wird? Die Beiden können sich immer noch nicht ab. Da braucht mir niemand was zu erzählen.

"Ha! Da wird gerade einer frei!" Ich werde in den Sitz gepresst, denn Chase gibt Gas, überhört das laute Hupen eines anderen Autofahrers und quetscht sich in die Parklücke am Straßenrand. "Alles aussteigen!" Chase grinst mich an, ich grinse zurück. Wäre das mit Aaron nicht, ich würde sicher gerade platzen vor Glück.
 

***
 

~Chase~

"Aaron?!" Sean klingelt nochmal. Immer noch keine Reaktion. "Aaron!" Lautes Klopfen meinerseits.

"Entweder er liegt noch im Saufkoma, oder er will uns nicht sehen", kommentiere ich die Situation.

"Er macht sonst immer auf, wenn ich ihn besuche. Da stimmt was nicht." Sean zückt sein Handy.

"Rufst du ihn jetzt an?"

"Erraten." Schon hält er das Handy am Ohr. Sean bleibt höchst geduldig und nach gefühlten Stunden, weshalb die Mailbox noch nicht dran gegangen ist, bleibt mir ein Rätsel, höre ich Aarons Stimme am anderem Ende der Leitung. Jedenfalls nehme ich an, dass sie es ist. Dem Gebrummel nach zu urteilen. "Aaron! Mensch wo bist du denn? ... Zuhause? Kann nicht sein. Ich klingle schon 'ne halbe Ewigkeit an deiner Klingel ... Okay. Ich warte." Sean dreht sich zu mir. "Er hat gesagt, er wäre hier."

Ich schaue skeptisch, da geht vor uns die Tür auf. Ausgeschlafen sieht anders aus!

"Aaron!" Sean umarmt einen morgenmuffeligen, nach Bier riechenden Aaron, der nur in Boxershorts vor uns steht. Und wieder kann ich Sean nicht verstehen. Wieso ist er so nett zu diesem Grobian, nachdem er ihn gestern so fertig gemacht hat? Ich denke an Peter, daran, was wir schon alles durch haben, und kann Seans Tun etwas besser nachvollziehen. Für wahre Freunde tut man eben so einiges. doch auch Freundschaft hat ihre Grenzen. Und an Seans Stelle, wäre die bei mir schon längst erreicht.

"Was wollt ihr?", muffelt Aaron uns an. Wären wir doch besser erst Nachmittags hier her gekommen. Dann wäre er vielleicht ausgeschlafener und vor allem angezogen.

"Sehr nett", blaffe ich zurück. "Sean macht sich Sorgen um dich, obwohl er jeden Grund hätte böse auf dich zu sein, und du maulst uns dumm an."

"Chase!" Seans böser Blick trifft mich. Danke auch! "Können wir reinkommen?" Aaron antwortet nicht, sondern winkt uns stumm herein.
 

Während Sean ihm wie ein kleines Kätzchen nachdackelt und auf ihn einredet, schaue ich mich etwas in seiner Wohnung um. Nicht schlecht hier. Der Herr scheint gut zu verdienen. Alles vom Feinsten hier. "Oder Chase?"

"Hm?" Ich hätte anscheinend besser zuhören müssen.

"Dein Liebster hört dir ja gar nicht zu", stichelt Aaron. Liebster? Hat Sean es ihm etwa selbst gesagt?!

"Hör auf mit dem Quatsch!", weist ihn Sean zurecht.

Ich bleibe mal lieber ruhig und warte ab, bevor ich was ausplappere. Hinterher hat Sean es ihm noch gar nicht erzählt und ich ruiniere alles. Und überhaupt. Würde Aaron wirklich so ruhig bleiben, wenn er gerade erfahren hätte, dass ich und Sean ... Ich bekomme kalte Füße. Als ob ich den Vater der Braut gegenübertreten müsste. Aber wenn er es doch schon weiß? So, wie er gestern auf Saschas Party diese Andeutung gemacht hatte, könnte es doch ...

"Und?" Aaron starrt mich mürrisch an.

"Sorry. Hab wirklich nicht zugehört." Ich sollte mal langsam wirklich zuhören!

"Sean meinte, ihr beide hättet die ganze Nacht kein Auge zugemacht, weil ihr so besorgt um mich wart." Hat der sie noch alle?!

Das frage ich ihn auch. "Was soll den das jetzt? Natürlich haben wir uns Sorgen gemacht. Vor allem Sean!" Aaron sieht mich wütend an, dreht sich aber plötzlich um und verschwindet in einem anderen Raum.

Mein Kleiner seufzt und knetet sich die Finger wund. "Bleib hier. Ich rede mal mit ihm." Ich warte erst gar nicht auf Seans Einverständnis, sondern Marschiere gleich los.
 

Ich finde Aaron in der Küche wieder. Er steht an der Kaffeemaschine und schüttet Wasser in den Behälter. "Wollt ihr welchen?"

"Immer", sage ich und schließe die Tür. "Machst du das extra?"

"Was meinst du?" Er schaut mich immer noch nicht direkt an.

"Dich zusaufen und Fremde verprügeln, damit sich alle um dich kümmern müssen."

"Klar. Nichts macht mir mehr Spaß." Aaron lacht bitter und holt drei Tassen aus dem Schrank.

"Du hattest mir letztens gesagt, wenn ich Sean verletze, ihm weh tue, dann kann ich mich auf was gefasst machen."

"Das meinte ich auch so." Er dreht sich zu mir. Unsre Blicke treffen sich. "Und? Hast du?"

Ich verneine. "Aber du hast ihn verletzt. Du verletzt ihn jedes Mal aufs Neue, wenn du dich zusäufst und selbst zugrunde richtest. Eigentlich müsstest du dir selbst eine auf's Maul hauen."

"Wärst du dann glücklich?!"

"Verarsch mich nicht!", fahre ich ihn an. "Ehrlich gesagt ist es mir scheiß egal was mit dir ist! Aber das Sean deswegen heult und sich die ganze Nacht im Bett rumwälzt ..."

"Er wälzt sich im Bett rum?"

Ich lege die Stirn in Falten. "Ja. Ich konnte kaum schlafen ... Fuck!"

Aaron knallt die Tassen auf den Küchentisch und kommt auf mich zu. Will er mir eine verpassen?! Nein. Er legt seine Hand auf meine Schulter und drückt sie leicht. "Hast du dich endlich dazu durchgerungen? Glückwunsch." Er lässt mich wieder los und geht zur Tür.

Ich erhole mich relativ schnell von meinem Schock und schaue ihm nach. "Und du? Wann ringst du dich endlich dazu durch, dein Leben wieder in den Griff zu bekommen?", frage ich ihn leise.

Mit der Hand am Türgriff hält er inne. "Was meinst du, versuche ich die ganze Zeit?"

Ich schüttle nur den Kopf. "Eins sage ich dir: Ich war gestern so kurz davor dich in Grund und Boden zu prügeln! Was du Sean an den Kopf geworfen hast, war unterste Schublade und ehrlich gesagt, verstehe ich noch immer nicht, wieso dir Sean wieder verzeiht. Wenn ich Sean wäre, hätte ich dich schon lägst in den Wind geschossen. Ich würde dir an liebsten immer noch an die Gurgel gehen."

"Willkommen im Club", sagt er tonlos mit traurigen Blick und öffnet die Küchentür.
 

~Sean~

Ich zucke zusammen, als endlich die Tür zur Küche aufgeht und mich Aaron hineinbittet.

"Alles klar bei euch?", frage ich in die kleine Runde.

"Alles bestens", meint Aaron. "Kaffee?"

"Gern." Mit großen Augen starre ich Chase an. 'Und?!' Er zuckt mit den Schultern. Was soll ich denn jetzt davon halten?

Dann eben anders. "Aaron? Hat Chase dir gesagt, dass wir ein Paar sind?"

"Ihr? Ein Paar? Seit wann?"

"Also hat er nicht?" Jetzt bin ich wohl mit der Tür ins Haus gefallen. Mist!

"Sean? Er weiß es schon. Ich habe mich verplappert", seufzt Chase und gießt sich den Kaffee ein.

"Lügner!", schimpfe ich und gebe Aaron einen Klaps.

"Wieso? Direkt gesagt hatte er es mir nicht."

Etwas verstimmt über meine beiden Trottel setze ich mich zu ihnen an den Tisch. Na schön. Aaron hatte seinen Spaß. "Und? Bist du sauer?"

"Wer ich? Nein! Solange dich die Matschbirne gut behandelt soll's mir recht sein."

"Hey!" Chase guckt mürrisch und ich kichere.

"Außerdem habe ich so viel Kraft und Zeit geopfert, damit Matschbirne endlich zu dir dackelt." Hä?!

"Hey! … Du hattest das wirklich geplant?", fragt Chase überrascht, und ich komme mir vor, als hätte ich was Wichtiges verpasst.

"So in etwa", grinst Aaron.

"Kann mich mal jemand aufklären?" Ich schaue zwischen Chase und Aaron hin und her.

"Du weißt doch noch, dass Aaron mir ein Veilchen verpasst hat?" Ich nicke. "Das war anscheinend sein toller Plan gewesen, mich in deine Arme zu treiben." Ich runzle die Stirn und fixiere Aaron, der schäbig grinst.

"Es hat ja auch geklappt. Schließlich hast du ihm 'Suppe' gekocht." Langsam beginne ich zu verstehen. Trotz seiner Vorbehalte gegen Chase hat er mir also geholfen. Ich könnte ihn gerade knutschen, wenn Chase nicht wieder eifersüchtig werden würde, wenn ich es täte.

Also lasse ich es und grinse Aaron an. "Dann geht es dir wieder gut, ja?" Er nickt. Das erleichtert mich.

"Ich wusste gestern nicht wann Schluss war. Tut mir leid. Kommt nicht mehr vor." Das Grinsen verschwindet wieder aus meinem Gesicht und ich werde wieder ernster.

"Das hast du schon mal versprochen", erinnere ich ihn. "Es hat keine fünf Tage gedauert und Sascha musste dich vom Polizeirevier abholen."

"Das war ... Ach, egal."

"Nein ist es nicht! Hör endlich auf mit der Sauferei Aaron! Die handelt dir nur Ärger ein!"

Aaron wie auch Chase schauen mich überrascht an. Ja, auch ich kann mal laut werden. "Ich gebe mein Bestes. Ich schwöre."

"Gut!", sage ich und hebe meine Kaffeetasse. "Dann auf einen alkoholfreien Aaron!" Er stößt tatsächlich mit mir an!

Ob ich ihm diesmal glauben kann?
 

***
 

Wir blieben noch etwas und ich rang Aaron das Versprechen ab, Peter und Sascha noch nichts von mir und Chase zu erzählen. Das wollten wir selbst tun. "Hoffentlich meint er es diesmal ernst", überlege ich, als ich neben Chase im Auto sitze.

"Ich finde immer noch, dass er professionelle Hilfe aufsuchen sollte."

"Dann versuch ihn davon zu überzeugen."

"Hm ... Wenn er es wirklich schafft, weniger zu trinken, packt er es vielleicht doch, sich aus seinem Loch zu ziehen. Wer weiß?" Ja ... Wer weiß? "Kopf hoch Sean. Aaron war heute doch recht vernünftig. Und bestimmt wird er dein Angebot annehmen."

Ich lache bitter. "Das hat er bis jetzt einmal. Und da konnte er nicht anders. Aaron sucht niemals von sich aus Hilfe. Eher friert die Hölle zu, bevor er zu mir kommt, um sich auszuheulen."

Chase fährt eine Zeit lang stumm weiter, ehe er antwortet. "Dann ziehen wir mit ihm zu den Eskimos."

"Was?" Hat Aaron ihm vorhin doch eine verpasst?

"Die glauben nämlich, dass die Hölle eiskalt ist."

Damit bringt er mich zum grinsen. "Bestell die Flugtickets", lache ich. "Aber ich fliege nach Bali."

"Nimmst du mich mit? Ich mag keinen Schnee."
 

******

Kapitel 12 - Knutschflecken-Fetischist

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 12 - Knutschflecken-Fetischist (ohne Adult)

Guten Morgen alle zusammen!!!

Hoffentlich war euer morgen heute besser als meiner, den ich armer Tropf bin ganz allein heut und musste mir zudem noch eine Zecke rausziehen, wobei ich fast gestorben bin, da ich diese fiesen, kleinen mir Borelien verseuchten Viecher wie die Pest hasse. Jetzt habe ich das Gefühl, dass mir gleich mein gesamtes Bein abfällt, und mir schwummerts vor den Augen. (Einbildung ist auch eine Bildung, nech?)

Um mich davon abzulenken hocke ich eben vom PC und schreib mir die Finger wund.

So, was wollte ich jetzt noch loswerden …? Ah ja!

Was ich eigentlich zu dem Kapitel schreiben wollte: Freut euch auf ein wenig ZUCKER!!! ^______^
 

Euch einen schönen Vatertag wünsch und einen geruhsamen, zeckenunverseuchten Tag!
 


 

Kapitel 12 - Knutschflecken-Fetischist (ohne Adult)
 

~Sean~

"Hast du das alkoholfreie Bier kalt gestellt?"

"Jepp."

"Den Sekt auch?"

"Jepp."

"Und was ist ...?"

"Beruhige dich Sean. Alles ist vorbereitet. Mach dir keinen Kopf. Es wird alles gut gehen. Das sind schließlich unsre Freunde."

Ich atme tief ein. "Hast ja recht." Dennoch bin ich aufgeregt. Man sagt ja nicht jeden Tag seinen Freunden, dass man mit jemanden zusammen ist. Und das schon seit gut sechs Wochen. Mit jemanden, den sie so gut wie jeden Tag sehen. "Sie werden uns umbringen!"

"Wie kommst du denn jetzt da drauf?"

"Weil wir es ihnen so lange verheimlicht haben!"

"Unsinn! Sie können sich bestimmt denken, wieso. Und außerdem ... Wenn die drei wieder verschwunden sind, dann gehen wir zwei ins Bett und ..." Es klingelt! Sie sind da!

Plötzlich ist mir ihr Besuch vollkommen schnuppe. "Was machen wir im Bett?!", frage ich, doch Chase ist schon auf dem Weg zur Tür. "Chase?!"

"Nachher!" Verdammt!
 

"Hallo ihr beiden!" Peter strahlt uns entgegen. Dicht gefolgt von Sascha betritt er die Wohnung. "War ja 'ne Überraschung, dass ihr beide uns einfach mal so einladet."

"Na ja ...", druckse ich rum und begleite die Zwei ins Wohnzimmer. "Wir dachten, nach dem ganzen Stress der letzten Zeit, woran wir ja nicht ganz unschuldig waren, wäre das doch ein ganz schöner Weg um uns erkenntlich zu zeigen. Vor allem da ihr so geduldig ..."

"Macht uns nichts vor! Wie lange treibt ihr es schon hinter unsren Rücken miteinander?" Mein Kiefer segelt nach unten. Sascha weiß es?!

"Hat Aaron euch was gesagt?"

"Aaron wusste es schon vor uns?! Boah Sean! Was bist du den für ein Freund!" Es fehlt nicht fiel, und ich kippe gleich um.

"Wir ... das ..."

"Luft holen Sean." Peter grinst breit. "Und Chase? Ich glaube es nicht, dass du es mir verheimlicht hast! Und dass, nachdem wir schon so viel deswegen durchgemacht hatten."

"Chase kann nichts dafür! Ich wollte es euch nicht sagen. Also noch nicht. Nicht, bevor es Aaron wusste." Schuldbewusst lasse ich meine Schultern hängen.

"Und wie lange geht das jetzt schon?"

"Sechs Wochen", gesteht Chase.

"Mist!" Verwirrt starre ich Sascha an.

"Gewonnen. Du schuldest mir was."

"Was geht den mit euch ab?" Das möchte ich auch gern mal wissen!

"Peter und ich hatten 'ne Wette laufen. Ich war mir sicher, dass ihr noch keinen Monat zusammen seid. Peter aber war sich sicher, dass es schon mindestens einen Monat läuft."

"Es war zu putzig, wie ihr auf Saschas Geburtstag umeinander herumgeschwänzelt seid", kichert Peter.

"Ich muss mich setzen." Mit wackeligen Beinen plumpse ich auf das Sofa. "Ihr wusstet es also die ganze Zeit über?"

"Wir sind doch nicht blind! Und? Wer von euch liegt oben?" Sascha kann so ein Arsch sein!

Apropos … "Dann war die Frage im Velvet von dir, ob da was zwischen Martin und mir läuft gar nicht ernst gemeint?"

"Erraten! Ich wollte nur mal sehen, wie du darauf reagierst." Sascha lacht sich krumm und schief. Sag ich doch! Sascha kann echt ein Arsch sein!
 

***
 

~Chase~

"Endlich bist du unter der Haube, Chase! Und wisst ihr was?! Dann können wir ja endlich diesen ganzen Pärchenquatsch zusammen machen, den man nur mit anderen Pärchen machen kann." Peters Augen leuchten ja richtig.

"Swingen?"

"Ach quatscht! Du wieder Sascha! Wir könnten zusammen am Sonntag brunchen. Oder an den See fahren. Oder noch besser! Einen gemeinsamen Urlaub!" Der ist ja kaum noch zu bremsen.

"Es freut mich echt, dass du dich so über Sean und mich freust, aber findest du nicht, dass ein gemeinsamer Urlaub ein klein wenig zu früh ist?"

"Wollten wir nicht zu den Eskimos?" Sean blinzelt mich frech an.

"Stimmt! Da war doch was."

"Habt ihr sie noch alle?! Da kommen wir nicht mit. Ich will an einen Strand. Sonne, Meer und exotische Män... Drinks!"

"Exotische Männer? Ja?" Peter wirft seinem Liebsten einen wütenden Blick zu. "Du kannst heute Nacht mal ganz exotisch auf der Couch schlafen, falls du das eben ernst gemeint hast."

"Das war ein Scherz! Jetzt guck doch nicht so."

Sean beugt sich zu mir. "Der erste Ehekrach."

"Sieht so aus", antworte ich. Und wo Sean schon mal so nahe bei mir ist ...

"Ohhh! Sind die beiden nicht niedlich?" Peter hat 'ne Vollmeise! "Aber mal im Ernst jetzt. Wie wäre es am Sonntag mit einem Pärchenbrunch?" Peter scheint ja echt viel daran zu liegen.

"Und Aaron?" Sean schaut uns alle drei an. "Ich habe jetzt schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil wir ihn heute nicht eingeladen haben."

"Nehmen wir ihn mit", sage ich und trinke einen großen Schluck Wein. Da die beiden immer noch nichts dazu sagen, rede ich weiter. "Der braucht etwas Abwechslung. Sonst versauert er noch komplett."

"Aaron ist schon komplett versauert." Sascha hat, glaube ich, damit nicht so ganz unrecht.

"Und was machen wir jetzt?"

"Keine Ahnung Peter." Woher soll ich das auch wissen?

"Zuerst muss Aaron aufhören zu saufen. Danach suchen wir ihm einen Mann und dann düsen wir in den Urlaub. Zu sechst."

"Und danach nehmen wir uns den Weltfrieden vor", kommentiert Sascha Peters Aufzählung.

"Er hat mir versprochen, keinen Tropfen mehr anzurühren." Mein Kleiner hört sich aber nicht sehr überzeugt an. Er glaubt anscheinend nicht dran, was Aaron ihm versprochen hat.

"Und das glaubst du ihm? Du weißt wie oft er das schon ..."

"Ja, das weiß ich, Sascha!"

"Was habt ihr den schon alles probiert?", frage ich.

"Alles. Von tausenden Versuchen mit ihm zu reden, über anschreien, flehen, ihn ständig beobachten und ihn versuchen wieder aufzubauen. Nichts half. Aaron ist total Beratungsresistent." Sascha braust richtig auf. Die drei haben also schon eine Menge mit ihm durch. Langsam werde ich wieder sauer auf Aaron. Wie kann er das seinen Freunden antun?

"Er hat sich aber auch gebessert. Das muss man ihm lassen. Er arbeitet wieder und bewältigt seinen Alltag ganz allein."

"War es etwa so schlimm?" Ein wenig entsetzt schaue ich Sascha an.

"Zu Anfang ja. Er igelte sich komplett ein und meldete sich tagelang nicht bei mir. Vielen von unseren Freunden interessierte es kaum. Am Ende stand ich alleine da, päppelte Aaron quasi wieder zu einem halbwegs normalen Menschen hoch, aber er machte noch immer dicht. Wenigstens redet er jetzt manchmal mit uns darüber."

"Mit Sean", korrigiert ihn Peter.

Sean lächelt schmal und steht plötzlich auf. "Ich muss mal kurz." Fast schon fluchtartig geht er Richtung Badezimmer.
 

Soll ich ihm nach? Keine Ahnung. "Lass ihn kurz allein", meint Sascha.

"Wir hätten nicht davon anfangen sollen!" Peter wirft die Serviette auf den Teller.

"Sorry. Hab nicht dran gedacht."

"Meint ihr, es geht ihm so nahe?" Die beiden schauen mich an, als wäre ich ein Alien.

Dann seufzt Sascha und schüttelt den Kopf. "Du kennst ihn einfach noch nicht lange genug. Manchmal, da holt ihn eben alles ein. Das hat weder was mit dir zu tun, noch mit eurer Beziehung. Wenn das passiert, dann lass ihn ihn ruhe und warte, bis er zu dir kommt."

"Wie soll ich jetzt das verstehen?"

"Gott weiß wieso, aber Sean hatte sich Hals über Kopf in Andy verknallt und ..."

"Das hat er mir alles erzählt. Auch, dass er Todesängste hatte, als er erfahren hatte, wieso Andy sich … Na ihr wisst schon. Und das du ihm Aaron vorgestellt hattest."

"Genau das meine ich. Sean und Aaron haben eine komplizierte ..." Die Badezimmertür klappert und Sascha verstummt. So gerne ich weiter seinen Ausführungen gelauscht hätte, bin ich auch froh, dass Sean wieder zurückkommt. Es scheint ihm etwas besser zu gehen. Er lächelt und setzt sich neben mich. "Wie wäre es denn mit Nachtisch?" Dann will ich mal die Truppe auf andere Gedanken bringen!
 

~Sean~

Mussten sie ausgerechnet jetzt davon anfangen? Ja, okay. Ich habe den Vorschlag gemacht, Aaron doch zum Brunchen mitzunehmen. Dennoch ist das kein Grund, gleich wieder über alte Geschichten zu quatschen. Besonders um die, die sich um Andy drehen. Ich will nicht an ihn denken! Und ich will nicht, dass Chase soviel davon erfährt. Das, was ich ihm erzählt hatte, reicht vollkommen.

"Tada!" Chase kommt mit einem Tablett voll Eisschälchen zurück. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er aufgestanden ist. "Hier." Chase stellt mir eins der Schälchen vor die Nase. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger mehr. Dennoch lächle ich dankbar und greife nach dem langen Eislöffel.

"Wie wäre es mit Kino?" Fängt Peter schon wieder mit seinem Doppeldatevorschlägen an? "Da läuft ein Bruce Willis Film gerade."

"Du und dein Bruce Willis", schnaubt Sascha.

"Eifersüchtig?"

"Pfft! Auf diesen Glatzkopf doch nicht!" Alle lachen. Nur ich nicht. Mir geistern immer noch schlechte Erinnerungen im Kopf herum. Ich versuche sie zu verdrängen, schaue rüber zu Chase, der etwas zu Peter sagt und wieder anfängt zu lachen. Meine Brust wird eng. Jetzt nur nicht heulen!

Ich schaufle mir einen großen Löffel voll Eis in den Mund und schließe meine Augen. 'Versuch an was Schönes zu denken!' Ich überlege krampfhaft, aber immer wieder sehe ich Andy vor mir, höre diesen fremden Typen, der plötzlich sagt, Andy hätte sich umgebracht, weil er ES hatte. Die Angst, die ich danach gespürt hatte. Den Schmerz, all das krabbelt wieder an die Oberfläche meines Verstandes. 'Beruhige dich! Du bist gesund und Chase sitzt keine zehn Zentimeter von dir entfernt. Alles ist wieder gut!' Es hilft tatsächlich.
 

Ich atme tief ein und öffne meine Augen wieder. Erst jetzt bekomme ich wieder mit, was meine Freunde sich alles erzählen. Sascha berichtet von seiner Arbeit und Chase hört gespannt zu. Peter allerdings sieht mich prüfend an. Hat er was gemerkt? Er hebt seine Augenbrauen und sieht besorgt aus. Mit einem Lächeln sage ich ihm das alles okay ist und greife nach Chases Hand, die neben mir auf dem Tisch liegt und mit einer Serviette spielt. Er dreht seinen Kopf zu mir. Seine Augen leuchten und seine Mundwinkel zucken noch höher. Dann zwinkert er mir zu. Es ist ein vielversprechendes Zwinkern, was mir direkt in den Bauch fährt. Und auf einmal ist alles wieder vergessen. Alle schlechten Erinnerungen und die Angst. Alles was zählt ist dieser Mann an meiner Seite, der sich nach langem Hin und Her doch noch für mich entschieden hat.
 

***
 

~Sean~

"Macht's gut. Wir telefonieren."

"Machen wir Chase. Bye!" Peter und Sascha winken uns nochmal vom Treppenhaus zu und dann nimmt mir die geschlossene Tür die Sicht. "Puh. Das hätten wir geschafft. Nun wissen es alle", sagt Chase und dreht sich zu mir um.

"Was für ein Glück! Nie wieder dieses Versteckspiel."

"Oh ja!" Chase kommt auf mich zu und legt seine Arme um meine Taille. Ich stelle mich auf Zehnspitzen und stupse mit meiner Zunge in seinen Mund. Chase lacht leise, bringt damit meinen gesamten Körper zum vibrieren. "Wollen wir nicht erst ein wenig aufräumen?" Macht der Witze?

"Du hattest vorhin was von Bett gemurmelt", wispere ich gegen seinen Hals und sauge mich an der Haut dort fest. Der Herr bekommt jetzt einen amtlichen Knutschfleck von mir. Das wollte ich schon längst mal machen. Jetzt darf ich das ja endlich.

"Was wird das?", fragt er, hält mich aber nicht davon ab damit weiter zu machen.

Ich bleibe ihm eine Antwort schuldig, sauge fester die dünne Haut an seinem Hals ein und schiebe meine Hände unter sein Hemd. Vorsichtig wandere ich kreisend auf seiner Brust nach oben und kratze sanft über seine schon harten Knospen. Chase stöhnt gedehnt auf und streichelt an meinem Rücken auf und ab. "Sean?"

"Hm?" Noch immer hänge ich mit meinem Lippen an seinem Hals.

"Lass es uns tun. Jetzt."

Der Hals wird zur Nebensache. "Es tun? Meinst du ...?"

"Ja."

"Dann ist ...?

"Negativ", antwortet er und grinst. "Wir können." Mein Puls steigt an, doch ich mahne mich zur Ruhe, auch wenn ich meinen Schatz am liebsten ins Schlafzimmer zerren und über ihn herfallen würde.

"Das heißt also, heute Abend werden wir endlich ..." Ich reibe ziemlich eindeutig mein Becken an seinem.

"Ja", bestätigt Chase mir heiser.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und trete zwei Schritte zurück. Den verwirrten Gesichtsausdruck meines Freundes ignoriere ich einfach. Er wird schon gleich sehen, was ich vorhabe. Und er kapiert erstaunlich schnell, denn als ich mir mein Oberteil über den Kopf ziehe, grinst er mich gierig an und beobachtet mich gut gelaunt. "Ich bekomme einen Striptease?" Ich nicke und greife an den Knopf meiner Jeans. Betont langsam ziehe ich meinen Reißverschluss auf, harke dann meine Daumen links und rechts unter den Bund der Jeans und schiebe sie so Stück für Stück runter. Als sie den Rest des Weges von selbst zurücklegt, und an meinen Fußknöcheln angelangt ist, kommt meine Unterhose dran, welche sich schon nach wenigen Sekunden zu ihr gesellt.

Langsam steige ich aus dem Haufen Kleidung heraus und lehne mich wieder an Chase, der gleich anfängt seine großen Hände auf meinen Hintern zu legen und diesen fest massiert. Seufzend schließe ich meine Augen, spüre plötzlich weiche Lippen, die sich frech gegen meine bewegen und erwidere den Kuss.

Das ich mich hier nackt und mitten im Flur an Chase drücke, der noch immer kein bisschen Stoff ausgezogen hat, lässt meine ganze Haut in heißer Erregung kribbeln und macht mich mehr an, als ich mir eingestehen will. Ich komme mir mächtig verdorben vor, und das, obwohl wir doch eigentlich nichts machen, außer uns zu küssen und zu streicheln. Vielleicht liegt das daran, dass ich genau weiß, was der Abend noch zu bieten hat. Ich kann es kaum noch erwarten!
 

*
 

~Sean~

"Sean? ... Hey. Wach auf."

"Was ...?" Ich blinzle angestrengt. Chase thront über mir. Kleine Schweißperlen auf seiner Stirn. Mein Herz donnert gegen die Rippen und ich atme schnell. Du liebe Zeit! War ich etwa weggetreten?

"Sean ..." Chase streichelt mir mit seinem Daumen über die Wange, senkt seine Lippen auf meine und langsam nehme ich auch wieder meinen Körper wahr. So wie es aussieht, war ich nicht lange weg gewesen. Chase ist noch immer in mir, nur meine Beine sind von ihm gerutscht. Ansonsten liegen wir noch immer engumschlungen auf meinem Bett und in mir tobt immer noch der Nachhall meines Höhepunktes.

"Wahnsinn", haucht mir Chase ins Ohr. "Das eben war ..."

"Wahnsinn", wiederhole ich und wir fangen beide an leise zu lachen.

"Ja ... Hättest du mir auch mal vorher sagen können."

"Ich?! Was habe ich dir den als versucht klarzumachen?"

"Ja. Ich war ein Arsch ... Apropos." Ich presse die Lippen zusammen. Chase rutscht aus mir raus, bleibt aber auf mir.

"Warst du nicht", sage ich und lege eine Hand auf seine Wange. "Du hattest allen Grund dazu."

"Trotzdem war ich ein blinder Idiot."

"Hatten wir das nicht schon mal?" Ich grinse schief. "Außerdem hast du in den letzten Wochen das alles wieder gutgemacht."

"Echt? Gut zu wissen. Dann kann ich ja jetzt wieder der Arsch sein."

"Unterstehe dich!", rufe ich und schubse ihn von mir herunter. Mit einer Drehung liege nun ich auf ihm und fange seine Handgelenke ein, die ich rechts und links neben seinem Kopf auf die Matratze pinne. "Wenn überhaupt darf ich jetzt mal das Arschloch hier sein."

"Das kannst du nicht", lacht er. "Dazu bist du viel zu nett."

"Nett?! Du kennst mich echt noch nicht, oder?"

"Was hast du ...? Sean?! ... Nein! Hey! Lass das! ... Wehe du macht mir ... AHHH!" Tja mein Lieber. Gerechtigkeit muss sein.
 

***
 

~Chase~

Herzhaft gähnend strecke ich mich unter der warmen Bettdecke aus und schaue mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster. Die Sonne scheint. Was für ein herrliches Wetter! Ich drehe meinen Kopf zur anderen Seite und schaue nun auf einen noch schlafenden Sean. Was für ein herrlicher Morgen! Ich atme tief ein. Und was für ein herrlicher Abend das gestern gewesen war!

Ich drehe mich nun vollends zu meinem schlafenden Blondchen und puste gegen seine Stirn. Helle Haarsträhnen fliegen wild durcheinander und ich muss lachen, da er seine Nase kraus zieht. Ich puste nochmal und endlich bewegt er sich. "Sean? Aufwachen." Tatsächlich öffnet er die Augen und schielt mich verschlafen an. "Endlich wach?"

"Wie spät?"

"Kurz nach neun", stelle ich mit einem schnellen Blick auf die Uhrenanzeige hinter Sean fest.

"Kannst du Brötchen holen? Ich hab immer so ein hunger nach ..." Plötzlich grinst er.

"Wonach?"

"Schon gut."

"Sag schon!" Sein Grinsen wird immer breiter, wobei er mich ausgiebig mustert.

"Nix." Muss ich das jetzt verstehen?

"Na gut", maule ich und setze mich auf. "Dann gehe ich schnell duschen und dann zum Becker."

"Tu das." Ich schüttle den Kopf. Nun kichert er auch noch!

Noch immer etwas müde schlurfe ich ins Bad und drehe das Wasser an. Da es immer erst einige Sekunden braucht um warm zu werden, trete ich an den Spiegel über dem Waschbecken und begutachte, ob nicht wieder mal eine Rasur fällig wäre. Ich strecke meinen Hals durch, begutachte erst mein Gesicht, dann meinen Hals, als ich den Grund erkenne, weshalb Sean so doof gegrinst hat eben. Mein gesamter Hals ist überseht mit dunkelroten Knutschflecken!
 

Ich drehe die Dusche aus und rase aus dem Bad. "Sean!" Als ich im Schlafzimmer auf das Bett blicke, ist dieses leer. Hinter mir zischt was vorbei. Das kann ja nur dieser Knutschflecken-Fetischist sein! Gerade als ich mich umdrehe, sehe ich, wie Seans kleiner Nacktarsch ins Badezimmer flüchtet, die Tür hinter sich verschließt und immer noch gackert wie ein Huhn.

"Mach die Tür auf! Du kleiner Feigling!" Ich hämmere gegen die Tür.

"Nöö! Du wolltest doch zum Bäcker. Ich hätte gern zwei Croissants, Liebling."

"Ich geb dir gleich Liebling! Mach auf! Mein ganzer Hals ist rot! Ich sehe aus, als hätte ich die Pest!" Wieder fängt er an zu lachen. Frechheit!

Mit mahlenden Kiefern gebe ich nach und trotte ins Schlafzimmer. Vielleicht ist er ja wieder da draußen, wenn ich vom Bäcker wiederkomme. "Verflucht!" Ich durchwühle meine Klamotten. "Kein verdammter Rollkrangenpulli da!" Soll ich etwa SO zum Bäcker marschieren?!
 

~Sean~

Während ich unter der Dusche stehe und mir das warme Wasser über die Haut prasselt, höre ich die Wohnungstür zuschlagen. Somit wäre die Gefahr erstmal gebannt. Hoffentlich kühlt ihn der Morgenspaziergang zum Bäcker etwas ab. Noch immer verschwindet das Grinsen nicht aus meinem Gesicht. Chase sieht aus, wie ein modernes Kunstwerk. Aber ich konnte mich einfach nicht beherrschen gestern Abend. Jetzt sieht er mal, dass auch ich ein Arsch sein kann. Hat er nun davon!

Nach der ausgiebigen Dusche gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe mir was über. Am besten ich decke schon mal den Tisch und setze Kaffee auf. Kaffee ist immer gut, um meinen Chase zu beruhigen. Mich wundert es sowieso, dass er überhaupt, ohne vorher eine Tasse davon getrunken zu haben, aus dem Haus ist.

Ganz vertieft in meinen Vorbereitungen, bemerke ich gar nicht, wie meine beleidigte Leberwurst wieder nach Hause kommt. Erst die raschelnde Brötchentüte lässt mich aufsehen. "Wieder da? ... Was hast du denn ...? Pff ... Haaahaa!"

"Lach nicht! Was sollte ich den sonst machen?!" Ich fasse es nicht! Chase hat sich eins meiner Seidentücher um den Hals gewickelt. In neongelb. "Hör auf! Du bist doch Schuld an allem!"

"Sorry! Aber musste es ausgerechnet das sein?" Das Ding ist noch ein Relikt von einem Faschingskostüm.

"Hab nichts anderes gefunden", brummt er sauer und reißt sich das gelbe Teil vom Hals. Allerdings sind die Knutschflecke darunter auch nicht besser. "Wehe du lachst!" Chase zeigt bedrohlich mir seinem Zeigefinger auf mich. "Es genügt schon, dass ich damit morgen im Büro antanzen muss."

"Nimm einen Rolli", schlage ich vor.

"Muss ich ja wohl! Und das bei der Hitze! ... Hör endlich auf!"

"Ich mach doch gar nichts!" Ich beiße mir fast die Unterlippe blutig, damit ich nicht erneut in schallendes Gelächter ausbreche. "Deine Schultern wackeln."

"Ich lache aber nicht." Ich schnappe mir die Kaffeekanne und stelle sie direkt vor Chase auf den Tisch.

Der setzt sich zum Glück und schnappt sie sich auch sofort. Scheint ja geklappt zu haben. "Der Bäcker hat bestimmt gedacht, ich hätte sie nicht mehr alle. Der hat mich angeschaut, als würde er mich am liebsten aus seinem Laden schmeißen."

"Pfff ..." Ich kann nicht mehr! Ich brülle fast vor lachen und halte mir den Bauch.

"Du kleiner Giftzwerg!" Der Stuhl, auf dem Chase sitzt fliegt fast um, so schnell steht er auf und geht um den Tisch rum. Ich packe es kaum noch aufrecht zu sitzen, weshalb ich mich erst recht nicht mehr vor ihm in Sicherheit bringen kann. Ich schreie quietschend auf und versuche mir Chase vom Leib zu halten. Nur nutzt das bei ihm wenig. "Du Aas!"

"Nein! ... Chase! ... Die Nachbarn! ... Ahhh!"

"Die sind mir völlig schnuppe!", schnauft er und hebt mich auf seine Arme.

"Was machst du?" Ich strample wie wild, doch Chase ist sehr viel stärker als ich.

"Ich habe noch nicht geduscht mein Lieber."

"Was?" Will er etwa ...? Er will! "Nein! Ich hab schon geduscht! ... Chase! Bitte!"

Zu zweit landen wir in der engen Duschkabine, ich immer noch in seinen Armen und ich wundere mich noch, dass wir überhaupt so hier hineinpassen, da prasselt auch schon das Wasser auf uns. Kaltes Wasser! "IHHH!!!"

"Zapple nicht so! Los! Du verwöhnst mich jetzt so lange, bis die Flecken da" er zeigt auf seinen Hals "alle weg sind." Sollen mir etwa Kiemen wachsen?!

"Verwöhnen?" Das Wasser wird endlich wärmer und ich werde wieder abgelassen.

"Ja. Fang am besten mal damit an, mir den Rücken einzuseifen."

"So?" Muss ich noch erwähnen, dass wir beide noch Kleidung am Leib tragen?

"Zieh mich aus."

"Ich? Dich?"

"Ja." Chase grinst selbstgefällig. Na warte ...
 

Muss ich noch erwähnen, dass mein Chase bei der ganzen feuchtfröhlichen Duschaktion noch mehr rote Flecken abbekommen hat? Hat er nun davon.
 

******
 

Ja, die Knutschflecken hat der olle Chase redlich verdient! *hihi*

Kapitel 13 - … dass ich dich habe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 13 - … dass ich dich habe (ohne Adult)

Kapitel 13 - … dass ich dich habe (ohne Adult)
 

~Chase~

"Kannst du das nochmal umformatieren? Das passt so nicht. Sieht merkwürdig aus."

"Klar." Wenn es sein muss!

"Warum bist du den so brummig heute? Schlechten Sex gehabt? Oder war die Alte nicht willig."

"Ich habe nur guten, willigen Sex", antworte ich beleidigt auf Aleks doofe Frage. "Ich bin nicht derjenige hier, der sich die Sekretärin vom Boss im Pausenraum vornehmen muss, weil seine Frau ihn nicht mehr ranlässt." Oh, das gibt böses Blut. Aber was will er schon machen, außer mir noch mehr Arbeit aufzuhalsen? ... Ich bin so bescheuert!

"Sehr witzig", meint er nur und trollt sich zu meinem Erstaunen. Habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen? Ich schlendere zurück an meinen Schreibtisch. Diesen Trick merke ich mir. Gerade wenn wieder solche dummen Kommentare kommen wie eben. Meine Kollegen wissen doch ganz genau, dass ich das Lager gewechselt habe. Wie sollten sie es auch nicht, nachdem sie mich und Sean auf der Firmenfeier praktisch in flagranti erwischt hatten. Wirklich umgehauen hatte es hier niemanden. Die sind noch viel Schlimmeres von mir gewohnt. Wahrscheinlich denken sie, dass wäre nur wieder so eine Masche von mir. Sollen sie doch. Mir ist es egal.

Ich öffne die Datei, die angeblich so dringlich umformatiert werden muss, und freue mich innerlich schon wie Bolle. Heute haben Sean und ich halbjähriges! Es ist kaum zu glauben, ich weiß. Aber mein kleiner Giftzwerg und ich sind jetzt schon auf den Tag genau ganze sechs Monate zusammen. Meine längste feste Beziehung. Okay, meine erste feste Beziehung überhaupt. Aber gerade deshalb habe ich was schönes für uns geplant und muss mich beeilen, damit ich noch rechtzeitig nach Hause komme. Sean ahnt nichts davon. Es soll alles eine Überraschung werden. Und glaubt es, oder glaubt es nicht, aber Aaron hat mir dabei sogar geholfen.

Mittlerweile verstehen wir uns ganz gut und ich war selbst erst total überrascht, doch er hat tatsächlich aufgehört sich kopflos jeden Tropfen Alk in den Rachen zu schütten. Klar hat er immer mal wieder einige Tiefs, aber er prügelt sich nicht mehr und pöbelt die Leute auch nicht mehr an. Jedenfalls hat er mir einen Tipp gegeben, wie ich Sean überraschen kann. Er kennt jemanden, dessen Vater ein exklusives Hotel führt und durch ihn habe ich eine verdammt teure Suite zu einem mehr als passablen Preis bekommen. Romantikpaket inklusive. Dazu eine Menge Wellnessangebote mit privaten Whirlpool in einer Art beheiztem Minigewächshaus, welches direkt an unsrer Suite angrenzt. Was Sean und ich da drin alles treiben können! Mir wird ganz anders und ich muss mich arg zusammenreißen, jetzt nicht einfach diesen bescheuerten Bildschirm zu nehmen, ihn auf den Boden zu scheuen und lauthals meine Kündigung auszusprechen, nur damit ich endlich nach Hause komme und mit ihm dorthin zu fahren. Spätestens am Montag würde ich das nämlich mehr als bereuen.

Deshalb sammle ich mich wieder, konzentriere mich auf den Text und zähle die Sekunden bis zum Start ins Wochenende.
 

***
 

~Chase~

"Sean?! Ich bin wieder da!" Total kribbelig werfe ich meine Aktentasche von mir. "Sean?! Wo steckst du denn?" Ich schaue mich in seiner Wohnung um. "Hey Kleiner!" Alles leer und still. Ist er etwa bei mir? Da gibt es nur einen Weg, um das herauszufinden.

Ich wähle seine Handynummer an und warte ab. "Na geh schon dran!" Es tutet und tutet und dann ... Besetzt! "Hat er mich eben weggedrückt?" Ungläubig schaue ich mein Handy an und wähle nochmal. Mit dem selben Ergebnis. "Was soll denn das jetzt?" Angesäuert schicke ich ihm eine SMS mit der Bitte, mich umgehend zurückzurufen.

Und jetzt? Soll ich etwa warten? Ich beschließe nein, und mache mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Dann packe ich eben seine Tasche selbst. Ich öffne seine Seite des Schrankes und suche einfach was passendes heraus. Sein Pech, wenn er mich so frech wegdrückt. Muss er halt in den Klamotten rumlaufen, die ich ihm einpacke.

Ich sortiere also alles in einen großen Rollkoffer, meine Kleidung mit eingeschlossen, als mein Handy piepst. "Na endlich!" Ich öffne die SMS, die aber nicht von Sean stammt, sondern von Aaron. 'Sry Chase. Du musst das verschieben.' Verdammte Scheiße! Was hat denn das jetzt schon wieder zu bedeuten?! Und woher weiß er ...? Ist Sean etwa bei Aaron? Mein Magen dreht sich um. Eifersucht kocht auf. Die werden doch nicht ...? Aber alles spricht dafür, oder?

Blind renne ich los, schnappe mir meine Autoschlüssel und verlasse die Wohnung. Egal was ich gleich zu sehen bekomme, ich muss das wissen! Falls die Beiden ... Ich will gar nicht dran denken!
 

In einem mörderischen Tempo zwänge ich mich durch jede Lücke im zähen Feierabendverkehr, hupe, schreie, zeige den Mittelfinger. Mir doch schnuppe, ob mich einer anzeigt! Hier geht es um Wichtigeres!

In einer Rekordgeschwindigkeit (und das bei diesem Verkehr!), bin ich an Aarons Wohnung angekommen. Aber natürlich: Kein Parkplatz! Kurzerhand stelle ich mich einfach in die zweite Reihe. Ich habe keine Zeit und keine Nerven mir jetzt noch einen Parkplatz zu suchen und dann womöglich noch kilometerweit laufen zu müssen. Das hält mein Herz gar nicht mehr aus! Das schlägt jetzt schon gefährlich schnell und mir wird leicht schwindelig, als ich auf das Haus zulaufe, in dem sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mein Kleiner aufhält.

Ich drücke die vertraute Klingel. Mehrfach. Ein wahrer Klingelsturm ertönt, bis sich knackend die Gegensprechanlage meldet. /JA?!/

"Chase! Mach auf oder ich breche die Tür auf!"

/Oh man! ... Ist gut/, stöhnt Aaron genervt. Hat man dazu noch Worte?!

Es summt und ich werfe mich gegen die Haustür. Drei Stufen gleichzeitig nehmend, springe ich nach oben und werde schon von Aaron empfangen. Er steht im Flur und verschränkt die Arme vor seiner Brust. "Wo ist Sean?!", brülle ich ihn an, doch er begegnet meinem zornigen Blick mit einer Gelassenheit, die mich fast aus der Bahn wirft.

"Bei mir. Aber er kann dich gerade nicht sprechen."

"Wie bitte?! Du weißt doch ..."

"Ja. Weiß ich. Aber es geht jetzt nicht." Hat der sie noch alle?!

"Ich will jetzt mit Sean sprechen", sage ich schlicht und drängle mich an Aaron vorbei.

"Lass es. Ich hab abgeschlossen." Wirklich!

"Wieso?! Was ist mit ihm?" Ich laufe auf Aaron zu und baue mich zur vollen Größe auf. "Vögelst du ihn etwa?!"

"Sag mal, spinnst du?!", faucht er mir entgegen. "Meinst du das jetzt im Ernst?"

"Dann sag mir, verflucht nochmal, was hier vor sich geht!!"

"Ist hier denn mal endlich Ruhe?!", brüllt jemand von unten hoch.

"KLAPPE!", brüllen Aaron und ich gleichzeitig nach unten. Eine Tür knallt zu.

"Okay", meint Aaron. "So geht das nicht." Er holt seinen Schlüssel hervor und geht zur Wohnungstür. "Du wartest hier. Ich rede mit Sean. Kapische?"

"Ich will sofort ..."

"Chase, ich schwöre dir, wenn du jetzt noch einen Ton sagst, dann behalte ich Sean das ganze Wochenende bei mir." Mir fällt alles aus dem Gesicht und ich bin zu beschäftigt damit, mich wieder zu sammeln, sodass Aaron in seiner Wohnung verschwindet, ohne das ich überhaupt reagieren kann.
 

Nun stehe ich hier und guck dumm aus der Wäsche. Was zum Teufel geht hier nur vor? Heute morgen war doch noch alles in Ordnung. Wieso hockt Sean hier bei Aaron und will mich nicht sehen?

Könnte es sein, dass eine meiner Exen bei ihm angerufen hat? Eigentlich nicht. Und falls doch, weiß ich ganz genau, dass mein Schatz bloß darüber gelacht hätte. Oder denkt er etwa, ich hätte den heutigen Tag vergessen? Nein. Dann hätte ihn Aaron sicher schon aufgeklärt. Doch weshalb ... Die Tür geht auf! "Komm rein." Noch ehe Aaron aus dem Türrahmen verschwunden ist, habe ich ihn auch schon über den Haufen gerannt und stürme die Festung.

"Sean?!"

"Brüll nicht so", motzt mich Aaron hinter mir an. "Im Schlafzimmer."

"Also doch!"

"Red nicht so einen Scheiß! Geht da rein jetzt!" Kopfschüttelnd verzieht sich Aaron in sein Wohnzimmer.

Mein Mund wird plötzlich ganz trocken, als ich langsam die Schlafzimmertür öffne und hineintrete. "Sean?"

"Hier", fiepst es von Richtung Bett. Mein Herz flattert ungesund in meiner Brust herum.

Sean hockt mit angezogenen Beinen auf Aarons Bett und hat sein Gesicht gegen seine Knie gepresst. "Scheiße! Alles in Ordnung? Was ist denn mit dir?" Sofort bin ich bei ihm und setze mich zu ihm, lege meinen Arm um seinen Rücken und versuche aus dem Ganzen hier schlau zu werden. "Sean?"

"... Kann nicht ...", krächzt er. "Nur kurz Luft ..." Das wird mir langsam unheimlich.

"Willst du was Trinken?" Ich könnte einen Schnaps vertragen, aber ich glaube kaum, dass Aaron noch was hier hat.

"Ich musste raus. ... Im Fernsehen ... Andy ..." Ich atme aus. Das ist es also! Es geht um Andy.

"Schon gut. Komm her." Ich ziehe ihn nun ganz in meine Arme und wiege ihn sanft hin und her. Tränen lösen sich bei meinem Schatz, legen sich feucht auf meine Brust, während ich ihm durchs Haar streichle.
 

Es dauert, bis Sean sich beruhigt hat und sich soweit unter Kontrolle hat, um wieder mit mir zu reden. "Da war so ein Bericht, über Adis und ... Andy ..." Er bricht ab.

"Schon okay. Es ist gut, dass du zu Aaron gegangen bist." Sascha hatte mir mal davon erzählt. Von dieser speziellen Beziehung zwischen Aaron und ihm. Warum habe ich selbst nicht dran gedacht?!

"Wirklich? Du bist nicht ... sauer?"

"Quatsch. Aber du hättest mir ruhig einen Zettel schreiben können", versuche ich zu scherzen. Es klappt sogar. "Jetzt ist meine ganze Überraschung im Eimer."

Sean rührt sich auf einmal. "Überraschung?" Was so ein kleines Wörtchen alles bewirken kann.

"Hat dir Aaron nichts erzählt?" Er verneint. "Gut."

"Was denn jetzt?"

"Ich verrate nix." Blaue, verweinte Kulleräugelein versuchen mich umzustimmen. Keine Chance! "Dazu musst du schon mit mir kommen. Wenn du kannst."

Sean wischt sich mit der Hand über die Nase und nickt. Lecker! "Es geht schon wieder", meint er und rappelt sich auf. "Danke."

"Wofür?"

"Das du nicht ausgeflippt bist." Wenn der wüsste!
 

~Sean~

Das ist mir wirklich peinlich. Nicht, dass ich vor Chase geheult habe. Aber die ganze Situation gerade ist es. Ich habe ja schon länger befürchtet, dass es mich mal wieder einholt, diese ganze Scheiße, doch dass Chase mich gleich ausfindig macht und dann so gelassen reagiert, daran hätte ich nie geglaubt! Das erleichtert mich ungemein.

Ich wische mir nochmal über die Augen und fühle mich wirklich schon besser. Ob das an Chase liegt? "Ich kann dir alles erklären", verspreche ich ihm.

"Musst du nicht. Ich kann es mir schon denken." Er lächelt mich an und sofort geht es mir noch ein großes Stück besser, als zuvor. "Das betrifft eben dich und Aaron. Und ihr habt das zusammen durchgemacht, irgendwie. Nur bitte sag mir das nächste mal Bescheid. Oder von mir aus auch Aaron. Nur damit ich weiß wo du bist. Okay?"

"Okay." Schon wieder verwischt meine Sicht. Doch diesmal nicht wegen meiner Vergangenheit. "Ich liebe dich", schluchze ich und umarme Chase ganz fest.

"Das weiß ich. Geht mir genauso. Ach! Ich glaube, seit sogar ziemlich genau einem halben Jahr, wenn ich mich nicht irre." Halbes Jahr?! Da klingelt was bei mir.

"Oh nein!" Ausgerechnet heute! "Daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht!"

Chase grinst mich an und wischt mir über die Wange. "Aber ich. Und deshalb wäre es jetzt schön, wenn du mit mir kommen würdest." Er hat sich etwas ausgedacht? An unserem halbjährigen Jubiläum?

"Eigentlich wollte ich auch etwas planen. Dazu ist es jetzt aber zu spät."

"Zum Glück! Stell dir mal vor, wir hätten beide was ausgetüftelt. Dann säßen wir jetzt aber in der Zwickmühle." Ist ja nett, dass Chase mich aufmuntern will. Aber ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen.

"Das mach ich wieder gut", schwöre ich ihm und füge leise hinzu: "heute Nacht." Für das Lächeln, dass er mir gerade schenkt, könnte ich auf der Stelle tot umfallen.
 

Nach unzähligen Entschuldigungsküssen zieht mich Chase vom Bett hoch und hinaus aus Aarons Schlafzimmer. "Warte kurz", halte ich meinen Freund auf, der mich schon aus der Wohnung schleifen will. "Ich muss mich noch bei Aaron bedanken. Ohne ihn würde ich immer noch heulend auf seinem Bett hocken."

"Ist gut." Zusammen betreten wir das Wohnzimmer, wo Aaron vor seinem Laptop sitzt und angestrengt auf den Monitor starrt.

"Aaron? Wir gehen dann wieder. Und danke, dass du mir in den Hintern getreten hast vorhin."

"Immer wieder gern", grinst er, schaut aber nicht von seinem Laptop auf. So ist er eben.

"In den Hintern getreten? Wieso?", will Chase von mir wissen, als wir die Treppen nach unten gehen.

"Ganz ehrlich? Ich wollte dich nicht sehen, doch Aaron ließ mir gar keine Chance, und meinte, dass ich das endlich mit dir klären muss."

"Da hatte er recht." Chase legt seinen Arm um mich und ich bin sowas von erleichtert. Er nimmt es mir nicht übel, dass ich einfach abgehauen bin und Trost bei Aaron gesucht habe, anstatt bei ihm.

Ganz in Gedanken darüber, merke ich kaum, dass wir plötzlich stehen bleiben. Ich lehne mich einfach an Chases Schulter und genieße das Gefühl der Nähe zischen uns. "Scheiße!", ruft Chase auf einmal und jagt mich so aus meiner Trance. "Meine Karre ist weg!"

Ich schaue in die gleiche Richtung wie Chase und suche seinen dunkelblauen Flitzer. "Sicher? Vielleicht hast du ihn wo anders abgestellt."

"Nein! Ach verdammt! Ich hatte in zweiter Reihe geparkt. Die haben mein Auto abgeschleppt!" Oh je!

"Und jetzt?"

"Keinen Plan. … Mist! Was wird denn jetzt aus dem geplanten Wochenende?"

Mitleidig schaue ich zu ihm auf. "Du hast ein ganzes Wochenende für uns geplant?" Jetzt fühle ich mich schlecht.

"Ja ... Ach verdammt!"

Ich überlege fieberhaft nach einer Lösung. Das ganze Schlamassel ist ja auch nur wegen mir passiert. "Aaron! Aaron kann uns sicher seinen Firmenwagen leihen. Es ist Wochenende und da braucht er ihn nicht. Außerdem hat er noch seinen Sportflitzer."

Chase verzieht das Gesicht. "Es bleibt uns ja nichts anderes übrig", murrt er und drückt auf die Klingel. "Der denkt mittlerweile auch, dass wir total bekloppt sind."

"Und? Eine größere Meise als er haben wir auch nicht."

"Lass ihn das nicht hören. Sonst bekommen wir sein Auto nicht."

Ich will gerade was erwidern als: /Nehmt doch die Bahn!/, aus der Gegensprechanlage schallt.

"So ein verdammter Mist!" Oh je. Unser Halbjahrestag ist ja fast noch katastrophaler als unser zusammenkommen vor einem halben Jahr!
 

***
 

~Chase~

"Endlich!", stöhne ich genervt und stelle den Koffer einfach mitten im Raum an. "Ich bin KO!"

"Nicht nur du", seufzt Sean und wirft sich auf das große Bett.

"Ein Wunder, dass wir in nur eineinhalb Stunden hier waren."

"Stimmt. Hätte uns Aaron nicht doch noch sein Auto geliehen, wäre das sicher nichts mehr geworden." Da hat er nicht ganz unrecht. Wir hatten Glück, dass das Zimmer nicht schon andere Gäste vergeben worden ist. Alles in allem kamen wir knapp fünf Stunden zu spät. Wir mussten ja wieder erst zu Sean fahren, den Koffer holen (den der Herr nochmal kontrollieren musste) und dann ab auf die Autobahn, wo uns ein dicker Stau beglückte. Mittlerweile ist es halb zwölf und der erste unserer beiden romanischen Abende rum. Was für ein Käse!
 

Sean schaut sich im Zimmer um, rückt sich die Kissen zurecht und streckt sich anschließend gähnend auf der großen Matratze aus. "Ist aber nett hier." Nett???

"Nur nett?"

Große Kulleräugelchen funkeln mich entschuldigend an. Wird das ab jetzt zur Gewohnheit? "Tut mir leid! So meinte ich das nicht ..."

"Schon gut. Du hast ja bis jetzt nur die Rezeption und dieses minderwertige Luxusbett gesehen. Ich kann verstehen, wenn du nicht beeindruckt bist." 'Von einem Fünf-Sterne-Hotel', füge ich in Gedanken hinzu.

"Nicht schmollen!" Sean springt vom Bett auf und legt seine Arme um meinen Nacken. "Ich bin nur so müde und rede dummes Zeug. Es ist wundervoll hier! Ehrlich!"

"Na gut. Ich will dir mal verzeihen. Aber nur, wenn du mir jetzt auspacken hilfst und dann mit mir unter die Dusche springst."

"Hmm ... Okay!" Er lässt mich wieder los, geht ein paar Schritte und setzt ein freches Grinsen auf. Ich weiß nur zu gut, was das bedeutet. Ich glaube, das Auspacken verschieben wir auf später!
 

***
 

~Chase~

"Oh man!"

"Der Hammer!"

"Aber hallo!"

"Das war echt ..."

"So gut! Zuhause hatten wir sowas noch nie!"

"Wie auch?", frage ich meinen Schatz. "Wir brauchen einen Koch."

"Können wir den hier nicht einfach mitnehmen?"

"Glaube ich nicht."

"Schade." Sean krault sich den Bauch. "Aber vielleicht ist das auch besser so. Hinterher werde ich dir zu fett."

"Das macht mir nichts."

"Nein?"

"Nein. Denn ich werde bestimmt fetter als du."

Sean schiebt seinen Teller auf die Mitte des Tisches und trinkt einen Schluck seines Weins. "Das Problem ließe sich aber perfekt lösen."

"Und wie?", frage ich leise und beuge mich zu meinem Süßen, denn ich bin mir sicher, das was er gleich sagt, ist nicht für die betuchte Gesellschaft hier im Hotelrestaurant bestimmt.

"Zeige ich dir gleich, wenn du magst. Im Whirlpool", wispert er anrüchig und leckt sich über die Lippen. Oh Yummy! "Außerdem habe ich noch eine Menge gutzumachen bei dir."

"Das stimmt. Das hier war sauteuer. Da darf ich schon mal die ein oder andere Sonderleistung von dir erwarten." Die Frau mir schräg gegenüber sieht mich nicht gerade begeistert an. War das etwa jetzt zu laut?

"Alles was du willst", schnurrt mein Katerchen und trinkt das Glas leer. Irre ich mich, oder hatte er davon schon einige zu viel?

Bevor die restlichen Gäste hier noch auf uns aufmerksam werden, verlasse ich mit meiner kleinen Weindrossel das Restaurant und begebe mich mit ihm in unsere Luxussuite. Sean kichert, klammert sich an mich und im Aufzug muss ich aufpassen, dass er mir nicht hier schon die Kleidung vom Leib reißt. Was besonders peinlich wäre, da ein weiterer Fahrgast mit uns im Aufzug steht. Den scheint aber Seans Kichern und mein leises Zischen, er solle die Hände von mir lassen, nicht zu stören.

Endlich im Zimmer atme ich erleichtert aus. Sean ist schon halb nackt und wackelt auf den kleinen Wintergarten mit besagtem Whirlpool zu. "Kommst du?", ruft er mir zu und verschwindet im Grün.

"Sofort." Erst hole ich uns zwei Bademäntel aus dem Bad.
 

Dabei werde ich richtig wehmütig. Morgen früh müssen wir schon wieder abreisen, und obwohl wir erst einen Tag hier verbracht haben, will ich gar nicht weg. Sean und ich haben es uns den ganzen Tag gut gehen lassen. Massagen, in die Sauna, danach schwimmen, das gute Essen immer und überall ... Ich hätte eine ganze Woche buchen sollen! Jetzt ist es schon halb sieben und stockdunkel draußen. Die Tage werden kürzer und vor allem kälter. Vielleicht sollten wir Peters Angebot annehmen und mit in den Urlaub fliegen.

"CHASE!!!"

"Bin doch schon da. Schrei doch nicht so."

"Wird auch mal Zeit. Ich bin schon am verschrumpeln." Sean sitzt mit angezogenen Beinen im sprudelnden Wasser und winkt mich zu sich.

"Am verschrumpeln? Kann ja gar nicht sein! So lange bist du doch noch gar nicht da drinnen."

"Damit meinte ich auch nicht meine Haut", sagt er leise und spreizt seine Beine.

"Ich sehe immer noch nichts verschrumpeltes." Definitiv nicht!

"Dann komm her, damit das auch so bleibt."

Im Nullkommanichts werfe ich die Bademäntel neben den Pool und ziehe mich aus. Wieso habe ich das nicht schon vorher erledigt? Egal! Ich bin schnell von dem störenden Stoff befreit und steige zu Sean in die im Boden eingesenkte, großzügige Wanne. Das warme, sprudelnde Nass umgibt mich sofort. Gott, ist das gut! Das warme Wasser macht einen ganz dusselig. Aber auf eine angenehme weise.

"Chahaase?"

"Hm?"

"Willst du nicht zu mir kommen?" Sind das gerade Füße, die mir an den Oberschenkeln entlangfahren?

Ich öffne die Augen. Ja. Sind es. So ein freches Aas! "Was wird das?", frage ich, halte aber weiterhin still.

"Lass dich überraschen." Ich glaube, dass muss ich noch nicht mal. Ich weiß, in welche Richtung das hier gerade geht. Und ich bin wirklich gespannt drauf.
 

*
 

~Chase~

Völlig aus der Puste hängen wir uns immer noch in den Armen, während die Düsen das Wasser um uns herum weiterhin zum sprudeln bringen. Sean löst seine Finger aus meiner Schulter, lässt sie nach unten gleiten, wo sie sanft über meine Seiten streicheln und schmust mit seinem Mund über meine Schulter. "Ich bin so froh, … dass ich dich habe", hauche ich und umschlinge ihn noch etwas fester. Ich kann sein Grinsen an meiner erhitzten Haut spüren. "Ich liebe dich."

"Ich dich auch", antwortet er mir und versiegelt meine Lippen.
 

******

Epilog

Epilog
 

~Sean~

"Wir müssen gleich auschecken Chase! Los! Wach schon auf!" Chase brummt nur und dreht sich um. "Verdammt!" Diese dämliche Hose will einfach nicht ... "Steh schon auf!" Ich fliege samt halb angezogener Hose zurück auf das Bett und rüttle an seiner Schulter. "Es ist schon halb elf", versuche ich ihn zu wecken. "Wir müssen in einer halben Stunde hier raus sein! Steh auf Chase!"

Endlich schlägt mein Faulpelz die Augen auf und blinzelt mich an. "So spät schon? Wieso weckst du mich erst jetzt?"

"Bin selbst erst aufgewacht! Mach schon und hilf mir mal!" Im liegen zuppel ich mir die Hose über, knöpfe sie zu und stehe wieder auf.

"Ist ja gut ... Meinst du, wir bekommen noch ein Frühstück?"

"Das haben wir verschlafen."

"Schade." Ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Chase beginnt zu grinsen und endlich aus dem Bett steigt. "Ist aber auch spät geworden gestern Abend. ... Und schön ..." Das gibt es doch nicht!

Chase hat sich hinter mich gestellt, seine Arme um mich geschlungen und drückt mir eine harte Beule gegen den Hintern. "Geh pinkeln!" Er lacht nur leise und drückt mir einen Kuss in den Nacken.

"Wie romantisch du heute morgen bist", kichert er und verzieht sich ins Bad. Toll! Und ich darf jetzt hier die ganze Arbeit machen, oder was?
 

Angezogen, alles in den Koffer gestopft und das Zimmer wieder halbwegs ordentlich verlassen, stehen wir nun an der Rezeption und checken aus. Chase hat mich weggeschickt, damit ich nicht mitbekomme, was er zu blechen hat. Es sei ein Geschenk, hat er gesagt, und von Geschenken verrät man den Preis nicht. Trotzdem spitze ich meine Ohren, verstehe aber nichts. Und auch, als Chase bezahlt, kann ich nix erkennen, denn er bezahlt mit Karte. So ein Mist! Ich würde es ja zu gern wissen. Vielleicht weiß Aaron ja mehr ...

"Wir können." Mein Freund steckt seine Geldbörse ein, greift sich erst den Koffer und dann meine Hand. "Essen wir noch eine Kleinigkeit unterwegs? Mein Magen knurrt."

"Gute Idee", sage ich. "Das bezahle dann aber ich."

"Übernimm dich nicht."

"Arsch!", lache ich und drücke seine Hand fester.

"Danke."

"Immer wieder gern." Ich steige ins Auto ein und warte, bis Chase den Koffer eingeladen hat und sich dann neben mich ans Steuer setzt. "Danke für das schöne Wochenende", bedanke ich mich und beuge mich rüber zu ihm, um meinem Dank mit einem feuchten Kuss zu unterstreichen.

"Bitte mein Kleiner", flüstert Chase. "Du bist dann in einem halben Jahr dran, wenn wir einjähriges haben. Und streng dich an. Das hier musst du dann toppen."

"Och, das ist leicht."

"Leicht?!"

"Ja."

"Da bist du dir aber ziemlich sicher, wie es aussieht."

"Bin ich."

"Und was hast du vor?"

"Verrate ich nicht."

"Warum nicht?"

"Soll doch eine Überraschung werden. Deshalb werde ich dir das jetzt nicht auf die Nase binden."

"Sean!"

"Fahr los. Ich hab hunger."

"Fieser Giftzwerg", zischt er mir zu und startet Aarons Firmenwagen.

"Hab dich auch lieb."

"Kann ich mir gar nicht vorstellen. Du gemeines Aas."

"Bist du jetzt sauer?"

"Ja." Ach je! ... Wer's glaubt! Ich kann ganz genau das leichte Grinsen erkennen, das er zu unterdrücken versucht.

"Gut. Dann bleibe ich nachher eben bei Aaron. Er hat mir angeboten, jederzeit zu ihm zu kommen, wenn du ..." Mit quietschenden Reifen bleibt Chase stehen, mitten auf dem Parkplatz des Hotels, umfasst mein Kinn und schiebt mir seine Zunge in den Hals.

Atemlos lösen wir uns wieder voneinander und Chase sieht mir tief in die Augen. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich jemals wieder gehen lasse? Und selbst wenn du dich bei Aaron verbarrikadierst, dann komme ich, und zerre dich da raus."

Amüsiert hebe ich eine Augenbraue und unterdrücke den aufkommenden Impuls, diesmal derjenige zu sein, der meinem großen Schmollhasen die Luft zum Atmen nimmt. "Ist das ein Versprechen?", frage ich stattdessen und pikse mit dem Zeigefinger gegen Chases Brust.

"Darauf kannst du wetten."

"Was will ich mehr?" Jetzt gebe ich dem dringenden doch Impuls nach und greife mir Chases Hemdkragen, ziehe ihn zu mir und ... Ihr könnt es euch doch schon denken, oder?
 

Ende
 


 

Ende?! Aber nein!

Vielleicht hat es der ein oder andere schon mitbekommen, aber derzeitig schreibe ich an einer kleinen Fortsetzung. Ihr werdet also noch ein Wenig von den vier Chaoten lesen, wenn ihr mögt.

Bis dahin müsst ihr euch noch etwas gedulden, denn es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich fertig bin.
 

Auf ein baldiges Wiedersehen! Eure Fara ^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (33)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Finniwinniful
2022-03-27T20:40:37+00:00 27.03.2022 22:40
Ich liebe diese Geschichte einfach! Is auch nich das erste Mal, dass ich sie lese...
Aber nu is mir doch wieder eine Sache aufgefallen, die mir jedes Mal einfällt, ich sie aber am Ende des Kapitels wieder vergessen hab...deswegen jetzt einmal schnell zwischendurch...
Im letzten Kapitel war der Name von den Typen, den Sean und Aaron nich obkönnen Gerd...in diesem Kapitel is der name Gero...
Wollt einmal drauf hinweisen ;)

Lg
Finniwinni

Von:  Tosho
2017-06-19T15:56:28+00:00 19.06.2017 17:56
Das ist toll!!!

Ach maaan~
Ich liebe deine Geschichten einfach!

Es ist so gefühlvoll teilweise, dann fast schon wieder kitschig an manchen Stellen und herzzereißend! Und dann auch noch diese kleinen Einlagen, wo sich die Mundwinkel automatisch nach oben verziehen und man ein Kichern nicht mehr aufhalten kann - EINFACH PERFEKT!

LG, Tosho
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 19:01
Vielen lieben Dank.
Ist mir immer wieder eine Freude, wenn meine Storys gefallen ^^
Von:  -Phenix-
2016-08-03T22:09:58+00:00 04.08.2016 00:09
Also das mit dem katholischen Priester ist einfach zu witzig XD

So viele tolle, schlagfertige Zweideutigkeiten in dieser FF!!! Ich liebe Siiiiiiiiiie!

Ach Chase, manchmal wollte ich dich packen und so lange schütteln bis... naja, bis du Vernunft annimmst. Gott sei Dank hast du letzen Endes doch Glück und die Kurve gekriegt. Sonst wäre es böse ausgegangen für dich :P

Und Sean ist wirklich ein kleiner Schnucki. Ich habe ihn mir durch die anderen Geschichten aber anders vorgestellt. Irgendwie selbstbewusster. Jetzt kenne ich ihn besser :)

Damit ich heute in meiner langen Arbeitsschicht noch etwas zum freuen habe, lese ich die letzen 4 Seiten erst später :P
Von:  -Phenix-
2016-08-03T18:32:22+00:00 03.08.2016 20:32
Du bist doch mit vier Chaoten im Freizeitpark, beschwer dich nicht XD

Knister knister.... Hihihi - Los Sean! Schmeiß dich ran an den Mann!
Von:  BloodyAugust
2014-11-25T21:08:02+00:00 25.11.2014 22:08
Die Zwei sind schon Süss zusammen. Ich hab mit Sean so mitgefiebert und war mehrfach kurz vorm heulen. Auch wenn ich seine Beziehung zu Andy immer noch nicht ganz verstehe, aber das muss ich auch nicht. Ich find es süss wie diese fiesen Machos die alles Poppen was nicht bei drei auf den Baum ist, plötzlich so Handzahm werden sobald es einem gelingt sie einzufangen. Aaron ist bei seinem kleinen Leo ja auch nicht anders.
Von:  Ginji92
2014-06-02T17:19:08+00:00 02.06.2014 19:19
Awww tolle Story
Fara du hast ein Händchen für solche Storys
Mach weiter so ich behalt dafür die Fehler auch bei mir^^
Von:  hiromi87
2014-06-02T10:22:10+00:00 02.06.2014 12:22
Man war das eine aufreibende Geschichte...ich liebe das ewige hin und her...>o<
Wenn man für die eigenen Gefühle sogar das Geschlecht seines Partners vergessen kann...XD
Ich liebe Chase ruppiege, unsichere und manchmal unbedacht Art. Wie er es gelernt hat
nicht alles so ernst zu nehmen und wieder zu vertrauen. Enfach toll...
Und dann Sean, ich mag ihn für seine lebensfrohe, quirlige und naive Art. Er kann ein Träumer in der Realität sein. Er ist besonnen und gibt nicht so schnell auf, trotz seiner Vergangenheit.

Die beiden geben einfach ein schönes Paar ab. Ich hoffe mal sie bleiben auch zusammen. Bisher sind deine Charas ja in allen Teilen noch zusammen. ^^ ich freue mich schon auf die Vortsetztung.

Und bis dahin wünsche ich ersteinmal eine schöne Woche. Kannst du evtl. mir eine Verlinkung schicken, wenn du eine neue Geschichte anfängst. Ich glaube ich bin ein kleiner Fan deiner Storys geworden ^^
Von:  emina
2014-05-29T19:35:41+00:00 29.05.2014 21:35
ok ok bin nicht böse auf dich, hast es wieder gut gemacht ^___^

die beiden Idioten sind zum schmelzen süß ^^ <3<3<3
Von:  tenshi_90
2014-05-29T05:42:05+00:00 29.05.2014 07:42
das ist ja total niedlich, wie sean und chase immer mehr gefühle für einander entwickeln :)

aaron kann froh sein, solche freunde zu haben, die ihn immer wieder auf den boden holen
Von:  emina
2014-05-28T16:21:25+00:00 28.05.2014 18:21
gemein wie du mit uns Manipulierst ich bin echt am überlegen ob ich nicht sauer werden soll =P

die Beiden werden immer süßer zusammen



Antwort von:  Fara_ThoRn
29.05.2014 09:18
:-O
Nich sauer werden! Ich machs auch wieder gut!
*heul* Bin ja selbst schuld. -_-°


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