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Itachis Leben

Teil 3: Mondschein
von

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Geheimversteck im Grünen Land

Seit Konan in Konoha Gakure gewesen war und Itachi zum ersten Mal gesehen hatte, waren zwei Jahre vergangen. Sie hatte ihn nicht vergessen, aber Sasoris hartes Trainingsprogramm ließ ihr kaum Zeit zum Nachdenken. Außerdem hatte sie noch eine Menge anderer Aufgaben. Nagato verlangte ihr immer mehr ab und das Verhältnis zwischen ihnen wurde ständig kälter. Konan sah längst nicht mehr so zu Nagato auf wie früher und seit sie seine Pläne herausgefunden und das mit den Jinchu-Kräften entdeckt hatte, glaubte sie ihm fast nichts mehr. Das Vertrauen zwischen ihnen war so gut wie weg.

Außerdem versank Nagato, der sich jetzt von allen nur noch „Pain“ nennen ließ, immer tiefer in seinen Racheplänen und begann, eigene verbotene Jutsu zu entwickeln. Er war abgerutscht, von den anderen Mitgliedern tief in die Dunkelheit gezogen worden, und Konan sah ihn zunehmend als ihren Gegner. Sie konnte sich noch immer an nichts erinnern, was sie mit Madara und Nagato erlebt hatte und ihr einziger Verbündeter war Sasori. Mit ihm zusammen hatte sie, seit sie von den Jinchu-Kräften wusste, begonnen, den Rest der Akatsuki, also auch Pain, von innen heraus zu bekämpfen. Um sich gegen die anderen Mitglieder, die ja alle sehr stark waren, wehren zu können, hatte Sasori ihr ein gewaltiges Übungspensum auferlegt, das sie angestrengt abarbeitete und schnell stärker wurde. Sie beherrschte nun viele Origami-Falttechniken für Waffen und fand immer neue Wege, dieses Jutsu, das sie Kaeshi-no-Jutsu nannte, weiterzuentwickeln. Ihre neueste Erfindung waren gefaltete Papierschmetterlinge, die selbstständig Nachrichten überbringen konnten.

Die Unnachgiebigkeit und der Mut, schon immer ihre besonderen Charaktereigenschaften, waren gleich geblieben, aber sie hatte sich noch eine weitere Eigenschaft angeeignet: ausgeprägtes Rechtsempfinden. Sie konnte sich riesig aufregen, wenn sich jemand gemein, hinterhältig oder ungerecht benahm und hatte inzwischen das sichere Gefühl, dass Akatsuki wirklich nicht das richtige Lebensumfeld für sie war. Pains Fanatismus ging ihr unsagbar gegen den Strich und die offen präsentierte Kampflust und Gemeinheit von Kisame und Kakuzu, den fiesesten und brutalsten Mitgliedern der Organisation (außer Zetsu, den jedoch alle so gut es ging ignorierten), brachte Konan manchmal an den Rand des Wahnsinns. Sie wurde dann jedes Mal so wütend, dass sie ihre Aggressionen an Kissen oder einem Beutel, gefüllt mit Stoffresten, ausließ.

Konan war jetzt sechzehn Jahre alt, aber auf den Monat genau wusste sie es nicht, da sie ihren Geburtstag noch immer nicht kannte. Pain hatte, weil er sie schon sein Leben lang kannte, mitgezählt und ihr jeden Frühling gesagt, wie alt sie jetzt ungefähr war. Auch, wenn die lang vergangen Jahre mit Madara fast ausschließlich aus Erinnerungslücken bestanden.

Was Tobi betraf: er hatte wohl gerade das, was man Nerv- und Trotzphase nannte. Kisame machte sich alle paar Monate einen Spaß daraus, Tobi halbtot zu erschrecken und auch Sasori schien Tobis ängstliches Geschrei und Gehüpfe amüsant zu finden, was Konan ziemlich aufregte, obwohl sie von Tobi oft genervt war.

Seit einiger Zeit wurde den anderen verstärkt bewusst, dass Konan ein sechzehnjähriges Mädchen war und sie begannen, sich von ihr bedienen zu lassen und absichtlich die Klamotten zu zerreißen, damit Konan was zum Nähen hatte. Besonders Tobi tat oft so, als wäre sie sein Kindermädchen, das ihm alles hinterherräumen konnte. Irgendwann, schwor Konan sich, würde sie diesen ganzen Idiotenverein so richtig auflaufen lassen! Die würden schon sehen, was sie am Ende davon hatten!
 

Konan rannte, so schnell sie konnte. In solchen Momenten kam ihr der lange Mantel unpraktisch vor und die flachen, aber gut besohlten Schuhe wirkten noch genialer. Die Entwicklung der Uniform, besonders der Schuhe, war neben dem Origami und Konans eigener Schönheit ihr ganzer Stolz.

„Die Schuhe sind einfach perfekt.“, dachte Konan, während sie auf das Tor ihres Turms zu rannte. Sie musste den Ausgang so schnell wie möglich erreichen, denn dort wartete Sasori, der gerade von einem Alleingang zurückkam, auf sie. Wenn sie zu spät kam, würde Sasori wieder ohne sie losgehen und Konan müsste bei Pain bleiben. Das wollte sie auf keinen Fall, denn es ging ihr zunehmend an die Nerven, ständig in seiner Nähe zu sein.

Das Tor kam in Sichtweite. Es war offen und draußen war es ausnahmsweise mal richtig hell. Licht fiel von da auf den dunklen Flur. Konan sah Sasoris niedrige, unverkennbare Gestalt wie ein Schatten im Licht stehen und kniff geblendet die Augen zusammen.

„Sasori! Warte auf mich!“ rief sie keuchend und rannte auf ihn zu.

„Du hast mich warten lassen, Konan. Das kann ich nicht leiden.“ Sasoris auffallend tiefe Stimme klang vorwurfsvoll. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn warten ließ und betonte das bei jeder Gelegenheit.

„Tut mir leid, Sensei Sasori.“ sagte Konan, "ich hatte noch etwas zu tun." sie war ganz außer Atem vom schnellen Laufen.

„Aber das kommt hoffentlich nicht noch einmal vor.“ erwiderte Sasori in demselben drohenden Tonfall, den er fast immer hatte und an den Konan sich längst gewöhnt hatte.

„Sicher nicht.“ versprach Konan, „komm, es geht los.“ sie setzte den flachen Strohhut mit den Bändern auf, den sie beim Laufen in der Hand gehalten hatte und ging mit schnellen Schritten in Richtung des Waldes, der in der Ferne zu sehen war und zu dem sie immer hinwollte. Der Waldrand war die Grenze des Hauptquartiers, dahinter fühlte sie sich frei.

„Nicht so schnell.“ mahnte Sasori hinter ihr.

Konan drehte sich um. Das hatte sie ganz vergessen! Sasori lebte in einer Marionette, die langsam über den Boden kroch und war deshalb nicht sehr schnell. „Hiruko“ ermöglichte es ihm nur, sich sehr langsam zu bewegen. Konan lief ein Stück zurück, bis sie wieder neben Sasori stand und sie gingen gemeinsam los. Die Glöckchen an ihren Hüten klingelten leise bei jedem Schritt. Konan liebte diese Atmosphäre und zugleich hasste sie es. Es bedeutete ihr viel, mit Sasori zusammen zu reisen und das Klingeln der Glöckchen wirkte besonders bei Nebel im Wald wunderbar geheimnisvoll. Es war das typische Akatsuki-Gefühl, das zu ihrem Zuhause gehörte und gleichzeitig sagte es ihr immer wieder, wie verboten, dunkel, gefährlich und kriminell dieses Zuhause war. Das Klingeln, die langen, schwarzen Mäntel mit dem roten Wolkenmuster, die Hüte, die -tief in die Stirn gezogen- das Gesicht halb verbargen und der hohe Mantelkragen: all das war Konan vertraut und geheimnisvoll zugleich. Wenn sie so mit Sasori unterwegs war, fühlte sie sich besonders ausgeprägt älter, als sie war. Sie fühlte sich nicht wie sechzehn, sondern wie achtzehn, neunzehn oder zwanzig. Eigentlich war das schon immer so gewesen: mit dreizehn hatte sie sich wie sechzehn gefühlt und auch so verhalten und so weiter. Manchmal fragte sie sich, wann ihr richtiges Alter ihr Gefühl und auch ihren Körper endlich eingeholt hatte. Mit vierzehn war ihr Körper schon dem Körper einer jungen Frau ähnlich gewesen und jetzt war sie fast erwachsen. Und inzwischen hatte sogar Pain, der Konan lange Zeit wie ein kleines Mädchen behandelt hatte, halbwegs verstanden, dass sie kein Kind mehr war. Sie war immer noch das einzige Mädchen und das Küken der Akatsuki-Organisation, aber das machte ihr längst nichts mehr aus. Sie war stärker geworden. Solange Sasori sie ernst nahm und Pain sie so weit wie möglich in Ruhe ließ...

„Wo gehen wir hin?“ fragte Konan, als sie den Waldrand erreicht hatten.

„Ins Grüne Land.“ antwortete Sasori, „der Feudalherr will, dass wir das Land von einem Wesen befreien, das dort einige Zerstörung verursacht. Das ist für uns besonders interessant, da das Wesen aus dem Chakra eines Bijuu-Geistes bestehen könnte.“

„Ein Wesen aus Bijuu-Chakra, das kein Bijuu ist?“ fragte Konan, „wie geht das?“

„Ich hab keine Ahnung. Es wäre aber möglich, dass Pain so ein Wesen zumindest als Ersatz auf Zeit anerkennt und deshalb holen wir es.“ sagte Sasori.

„Aber es klappt nur, bis er weiß, wo ein echter Bijuu ist.“ Konan sah geradeaus auf den Weg, der in den Wald führte.

Jedes Mal, wenn Sasori auf das Thema Jinchu-Kraft zu sprechen kam, dachte Konan an Naruto, den blonden Jungen mit den leuchtend blauen Augen und dann wanderten ihre Gedanken weiter zu Itachi.

„Was hast du eigentlich für einen Plan?“ fragte sie, „wie willst du das hier beenden?“ sie zeigte auf ihren Ring, der sie als Mitglied von Akatsuki auswies.

„Ich habe keinen wirklichen Plan.“ erwiderte Sasori, „aber mir wird schon etwas einfallen. Wir haben noch eine Menge Zeit.“

„Das sagst du immer.“ stellte Konan bissig fest. Wenn sie etwas an Sasori wirklich nervte, dann war es seine Wird-schon-werden-Einstellung. Sie wusste nicht, ob er das ernst meinte, oder ob er einen geheimen Plan im Hintergrund hatte. Bisher war trotz dieser Egal-und-kein-Problem-Mentalität immer alles gut gegangen und Sasori hatte sich immer Mühe gegeben, wenn es um Konan und den gemeinsamen Plan ging. Aber Konan hatte das Gefühl, dass Sasori mit dieser Einstellung irgendwann noch einmal große Probleme bekommen würde. Vielleicht würde er es übertreiben, alles auf eine Karte setzen und sogar den Plan, Akatsuki auflaufen zu lassen, gefährden. Konan hoffte, dass Sasori sich irgendwann noch einmal bessern würde.

Dass er dieses Wesen ausfindig gemacht hatte, zeigte zwar, dass er sich Mühe gab, aber wenn er sich mitreißen ließ, vergaß Sasori oft alle guten Vorsätze.

Seit Konan in Konoha gewesen war, versuchten sie und Sasori, Akatsuki aufzuhalten und die Jinchu-Kräfte zu beschützen. Konan trug die Verantwortung für die Sicherheit von Naruto und eines Mädchens namens Yugito Nii aus Kumo Gakure. Und Sasori war für Gaara Sabakuno, die Jinchu-Kraft des Ichibi und jüngsten Sohn des Dritten Kazekage, verantwortlich. Diese drei Kinder, alle inzwischen acht bis neun Jahre alt, waren im Augenblick die Einzigen, die Sasori und Konan vor Pains Plänen beschützen konnten.

„Mal ganz ehrlich, Sasori: hast du einen Plan oder nicht?“ Konan wurde langsam ungeduldig.

„Wir beschützen die Jinchu-Kräfte, halten Pain auf und lassen die Akatsuki auf Grund laufen.“ sagte Sasori, „aber wie wir das anstellen, weiß ich noch nicht. Es ist noch zu früh, um genaue Pläne zu machen.“

„Dann streng bis dahin dein Holzpuppengehirn mal an, Sensei.“ erwiderte Konan.

Sasori bekam einen leisen Schreck, von dem Konan allerdings nichts bemerkte, da sie weiter geradeaus sah. „Hiruko“ war nicht Sasoris wahre Gestalt, das wusste bei Akatsuki jeder. Aber wie er wirklich aussah, hielt er geheim. Konans Bemerkung klang allerdings so, als wüsste sei es trotzdem…

„Wir brauchen jemanden, der sich eine gute Strategie ausdenken kann. Und stärker als wir sollte er auch sein. Zu zweit schaffen wir das nicht so schnell. Kannst du nicht irgendwie jemanden finden, der uns unterstützt?“

„Was? Wie soll das denn gehen? Unser Plan ist geheim, wie sollen wir da von außen jemanden finden? Selbst Pain achtet noch drauf, dass die Organisation nicht auffällt und du kommt mir mit so einer idiotischen Idee?“ Konan hatte mal wieder keine Ahnung, was in Sasoris Kopf hinter Hut und Marionettenhülle eigentlich vorging. Dachte der wirklich, dass das so einfach war? Er hatte doch viel mehr Erfahrung, er musste doch wissen, dass Verstärkung so gut wie unmöglich zu bekommen war!

„Sag mal, was hast du Pain gesagt, warum du mit mir losziehst?“ wechselte Sasori das Thema.

„Ich hab gelogen. Er hat mich natürlich gefragt, da hab ich gesagt, du bringst mir ein verbotenes Jutsu bei. Und dass wir ner wichtigen Spur nachgehen.“ antwortete Konan, aber es war ihr nicht entgangen, dass Sasori dem Thema Verstärkung aus dem Weg ging. Aus welchem Grund auch immer.

Die Reise ins Grüne Land dauerte zwei Tage. Konan liebte diese Reisen, denn dann konnte sie bei schönem Wetter unter freiem Himmel schlafen. Und morgens schien ihr die Sonne ins Gesicht. Sie liebte die warmen Strahlen, die Freiheit, den Gesang der Vögel. All das, was ihr fehlte, wenn es regnete und weswegen sie den Regen hasste.

Tagsüber gingen sie weiter, redeten über unwichtige Dinge wie Tobis Kinderkram, trainierten oder hörten sich in den kleinen Restaurants am Wegesrand mehr oder weniger erfolglos nach Informationen um. In diesen Läden verkehrten alle, die auf den Langstrecken-Straßen unterwegs waren und manchmal waren interessante Leute darunter. Konan bemerkte am zweiten Tag in so einem Laden eine seltsame, dunkelhaarige Frau, die einfache, auffallend schäbige Kleidung trug, überall Narben hatte und mit der etwas nicht zu stimmen schien. Als sie zu ihr hinüber ging und sie ansprechen wollte, löste sie sich wortwörtlich in Luft auf. Sie wurde einfach durchsichtig und flog dann als nebliger Staub davon. Die anderen Gäste schienen sie noch nicht einmal richtig bemerkt zu haben. Konan hatte die auffällige Ausstrahlung der seltsamen Frau erkannt: diese Person war von einem nicht gerade unbekannten Fluch befallen, hatte offensichtlich außergewöhnliche Fähigkeiten und ihr Zustand ließ eigentlich nur einen Schluss zu: sie war eines der unzähligen Opfer von Orochimarus Experimenten. Und jetzt war sie weg, hatte sich einfach aufgelöst und es war mehr als unsicher, ob sie sich an anderer Stelle wieder zusammenfügen oder für immer verschwunden sein würde, nur, weil Konan auf sie zu gegangen war. Hatte sie die Akatsuki-Uniform also erkannt?

„Mist!“ dachte Konan, „das war Pech! Warum muss sie auch gerade so eine bescheuerte Fähigkeit haben? Sie hätte uns so schön mit Informationen versorgen können!“

Zu allem Überfluss sagte Sasori nicht mal ein ganzes Wort dazu. Er sagte sowieso sehr wenig auf dieser Reise, so, als hätte er mal wieder ein Geheimnis.

„Was ist denn eigentlich mit dir los?“ fragte Konan an dem Tag, als sie das Grüne Land erreichten, „Sasori, hast du das Sprechen verlernt?“

„Nein.“ antwortete er und zog das Wort mit seiner tiefen Stimme eindrucksvoll in die Länge, „es ist nur nichts, was du wissen solltest.“

„Du bist schon seit Beginn der Reise so komisch. Da ist doch was.“ beharrte Konan.

„Merkt du neuerdings alles?“ fragte Sasori. Konan hatte ihn erwischt. Es gab tatsächlich Probleme, zwei sehr große sogar. Aber er wollte Konan nur von einem erzählen.

„Jetzt sag schon!“ forderte Konan.

„Also gut. Es sieht ganz danach aus, als würde ein gewisser Jemand, den ich gut im Auge behalte, gerade wieder einmal seine Pläne verfolgen und auch versuchen, einen seiner größeren Schritte umzusetzen.“ sagte Sasori.

„Wer?“ fragte Konan, schon dunkles ahnend.

„Orochimaru.“ antwortete Sasori.

„WAAAS?“ kreischte Konan.

„Einen seiner Pläne konnte ich vereiteln. Aber es sieht so aus, als ob er wieder ein ganz bestimmtes Ziel anstrebt, das er schon seit Jahren verfolgt. Er besinnt sich wieder auf seine Wurzeln zurück und macht sich wohl auf den Weg nach Konoha Gakure. Es könnte sogar sein, dass er schon innerhalb der Grenzen des Feuerreiches ist.“

„WIE BITTE???“ schrie Konan, „DAS DARF NICHT WAHR SEIN!!!“ ihre Gedanken waren sofort bei Itachi.

„Reg dich nicht auf, Konan. Der Hokage der dritten Generation war früher Orochimarus Sensei. Er wird ihn aufhalten.“

„Hoffentlich.“ Konan seufzte schwer. Ihr Herz klopfte aufgeregt.

„Natürlich. Der Hokage ist stark.“ sagte Sasori, aber er klang irgendwie gleichgültig und kaum überzeugt.

Konan wollte sich ablenken. Sie wollte keine Angst um Itachi haben, sondern sich konzentrieren. Schließlich war ihr Leben gerade kompliziert genug.

„Trainieren wir noch, bevor wir morgen zum Feudalherrn dieses winzigen Landes gehen?“ fragte Sasori, der eindeutig wusste, dass Konan Ablenkung brauchte.

„Ja! Ich mach deine Holzpuppen fertig!“ rief Konan.

Vor ihr und Sasori lag eine Wiese, die für eine kleine Trainingseinheit wie gemacht war. Sasori (beziehungsweise Hiruko) holte eine der Rollen hervor, in denen man die Marionetten aufbewahrte. Konan fragte sich wieder einmal, wie Sasori wirklich aussah. Welchen Grund hatte es, dass er seine wahre Gestalt so verbarg? Mehrmals hätten Konans Papiershuriken Hirukos Panzer fast geöffnet, aber Sasoris Verteidigung war wirklich gut.

„Welches Papier verwendest du?“ fragte Sasori.

Konan schob den linken Ärmel ihres Mantels hoch. Auf ihrem papierweißen Unterarm zeichneten sich die Umrisse eines Blattes von ihrem persönlichen Bio-Papier ab.

„Mein eigenes.“ antwortete Konan und riss das Blatt von ihrer Haut ab.

„Dann wird es gefährlich für mich.“ bemerkte Sasori. Konans körpereigenes Papier war mit Chakra voll aufgeladen und hatte bis zu fünfmal so viel Schärfe wie die Shuriken, die sie aus normalem Origami-Papier fertigte. Und die waren schon ziemlich gefährlich, genau so scharf wie Shuriken aus Metall. Sasori musste wirklich aufpassen, dass Konans Papierwaffen ihn nicht erwischten und Hiruko aufbrachen.

Konan faltete ein weißes Kunai aus dem Papierstreifen. Sie konnte das inzwischen so schnell, dass Sasori mit den Augen gar nicht mehr hinterherkam.

„Dann will ich jetzt mal sehen, wie du wirklich bist, Sensei Sasori!“ rief Konan und rannte mit dem Kunai in der Hand auf ihn los.

„Noch nicht!“ erwiderte Sasori, öffnete Hirukos Mund und schoss eine Ladung giftiger Metallnadeln ab. Konan war gegen dieses Gift längst immun, aber sie musste trotzdem gut aufpassen und den Nadeln schnellstmöglich ausweichen. Nadelverletzungen waren extrem lästig: fast unsichtbar, begannen sie schnell, ausdauernd und nahezu unerträglich zu jucken. Außerdem war das Papier unter getroffenen Hautpartien für Wochen unbrauchbar.

Sasori konnte eine riesige Menge dieser Nadeln abschießen, aber da das hier nur Training war, behielt er die meisten zurück. Allerdings reichten die, die er abschoss, um die Wiese in ein vergiftetes Nadelkissen zu verwandeln. Konan musste gut aufpassen, wo sie hintrat. Das war kein großes Problem für sie. Denn inzwischen beherrschte sie die Papierflügel so gut, dass sie damit sowohl mehrere Meter hoch, als auch flach über den Boden fliegen konnte. Also musste sie die nadelgespickte Wiese gar nicht mehr betreten.

Mit der ihr inzwischen selbstverständlichen Geschwindigkeit faltete Konan aus dem Papier an ihren Oberarmen, das sei weit vergrößern konnte, ein Paar Flügel und heftete sie sich mit Chakra an den Rücken. Dann stellte sie eine Ladung Shuriken her und behielt dabei Hirukos Skorpionschweif im Blick.

Sasori hob Hirukos linken Arm und wehrte die Wurfsterne so ab. Aber die scharfen Kanten hinterließen tiefe Schrammen auf dem Holz, das mal ein Ninja gewesen war. Ein Shuriken traf das Ellbogengelenk und brach es auseinander.

„Sehr gut, Konan.“ stellte Sasori fest, „den Arm muss ich wohl ersetzen. Ich werde ihn sicher stärker machen.“

Konan landete sicher auf dem Boden, direkt vor Sasori. Sie zog mit spitzen Fingern einige der Nadeln aus der Erde. Lilafarbenes Gift tropfte von der Spitze auf einen der Holzsplitter von Hirukos Armgelenk. Das Holz färbte sich schwarz.

„Was ist denn das für ein Gift?“ fragte Konan, denn normalerweise färbte Sasoris Gift nur dunkel, aber nicht so tiefschwarz.

„Etwas aus einem alten Vorrat.“ antwortete Sasori geheimnisvoll, „noch aus der Zeit, als ich mit Orochimaru zusammengearbeitet habe.“

Konan blinzelte erschrocken.

„Wie bitte?“ fragte sie. Augenblicklich sah sie Orochimarus fieses, hässliches Gesicht vor sich.

„Ich habe dieses Gift mit ihm zusammen entwickelt.“ sagte Sasori ungerührt. Konan konnte Sasoris emotionslose Egal-Einstellung in diesem Moment am Allerwenigsten ausstehen.

„Sasori! Hör sofort auf, Orochimaru zu erwähnen! Ich mach mir jetzt schon Sorgen um Itachi und Naruto.“ schrie sie.

„Ist ja schon gut.“ erwiderte Sasori, immer noch seltsam ungerührt. Er wirkte so oft unbeteiligt, ja fast gelangweilt, als wäre ihm eigentlich so ziemlich egal. Das war meistens nicht wirklich der Fall, aber wohl oft genug.

„Ach, du nervst mich, weißt du das, Sasori?“ Konan drehte sich um und lief weiter in Richtung des Ortes, in dem die Residenz des Feudalherrn lag. Sie nahm ihre Flügel wieder ab.

Sasori war klar, warum Konans Stimmung so gekippt war. Aber irgendwie verstand er sie nicht so ganz. Zwar wusste er, dass Konan in Itachi Uchiha verliebt war, aber trotzdem kapierte Sasori nicht so ganz, warum sie deshalb so einen Aufstand machte. Das Verständnis für Gefühle war ihm nach all den Jahren als Marionette etwas abhandengekommen.

Im Grünen Land herrschte eine seltsame Stimmung. Es hatte einen Aufstand und einen Überfall fremder Ninjas auf die Familie des Feudalherrn gegeben. Die Prinzessin war vor einigen Jahren versteckt worden und Konan hätte am liebsten geholfen. Aber das ging nicht. Sie durfte nicht auffallen. Auf keinen Fall durfte das Grüne Land mit der Akatsuki in Verbindung gebracht werden! Der Feudalherr ließ Sasori durch einen Boten an einem geheimen Treffpunkt das versprochene Geld zukommen. Da selbst der Feudalherr nicht wissen durfte, dass Sasori zur Akatsuki-Organisation gehörte, schickte der Marionettenkämpfer Konan in ihrer Kiziko-Verkleidung los.

Die Geldübergabe verlief gut. Kiziko Nari war schon fast eine Berühmtheit in dieser Gegend. Sie galt als gute, unabhängige Spionin, die loyal für jeden arbeitete, den sie als Auftraggeber anerkannte. Und sie schien mit Geld nicht zu beeindrucken zu sein. Es gab zwar Gerüchte, dass Kiziko Nari in Verbindung zur Akatsuki stand, aber keine Beweise.

Was das Wesen aus Bijuu-Chakra betraf, gab es erstaunlicherweise überhaupt keine Probleme. Er ließ sich ohne großes Kämpfen einfangen und in einer Barriere versiegeln. Konan war sich ziemlich sicher, was Pain zu dieser Aktion sagen würde: „Gut, Konan. Um einen echten Bijuu oder gar eine Jinchuriki einzufangen, bist du noch zu jung, aber so ein kleines Wesen kannst sogar du schon schaffen.“

Pain würde Konan wohl noch lang wie ein kleines Mädchen behandeln, egal, was sie tat. Er war außerdem der Meinung, dass sie nie die Wichtigkeit und den Wert seiner Pläne erfassen würde. Aber Konan wollte Pains Pläne gar nicht verstehen. Sie wollte ihn aufhalten.

Auf dem Weg zurück zum Hauptquartier der Akatsuki-Organisation sprach Konan mit Sasori noch einmal über das größte Problem: Pains ungeheure Stärke und seine verbissene, verblendete Rachsucht.

„Ich komm‘ gar nicht mehr richtig an ihn ran. Er blockt völlig ab und hat nur noch Kontakt zu Kisame und Kakuzu.“ sagte Konan.

„Aber er war doch mal wie ein Bruder für dich.“ bemerkte Sasori.

„War er mal. Bis er in diese Abgründe gestürzt ist. Und dann hat er sich auch noch in mich verliebt.“

„Aber du erwiderst das nicht.“ antwortete Sasori ziemlich zusammenhanglos.

„Ist eben so.“ sagte Konan noch zusammenhangloser, „ich kann’s nicht ändern.“

„Itachi Uchiha?“ hakte Sasori nach.

„Ja. Wer sonst.“ die Perlen an Konans Hut klingelten leise.

„Ich hab ´ne Menge hervorragender Sachen über ihn gehört. Gute Wahl, Konan.“ sagte Sasori, „aber du hast wohl wirklich hohe Ansprüche.“

„Manchmal. Aber bei dir nicht.“ erwiderte Konan, „an die Ansprüche, die ich an den Mann für’s Leben habe, kommst du nie ran. Obwohl du von den Typen bei Akatsuki noch der halbwegs Vernünftigste bist.“

„Du hast wirklich hohe Ansprüche, Konan.“ wiederholte Sasori.

„Die brauche ich auch.“ dachte Konan, „wenn ich mit solchen Typen zusammen lebe. Irgendwie muss ich schließlich mein Niveau erhalten.“

Als sie das Hauptquartier wieder erreicht hatten, setzte Konan ihr Training fort. Sasori sah über ihre bissigen Kommentare zu seiner Einstellung einfach hinweg. Es war eine der guten Eigenschaften Sasoris, dass jeder Streit für ihn meist schon am nächsten Tag als vergeben und vergessen galt. Doch diese Eigenschaft machte es ihm auch ziemlich schwer, sich in bestimmten Punkten zu bessern, da er Verletzungen durch Worte im Streit einfach nicht ernst nahm, sich deshalb nur selten entschuldigte und erst recht nicht änderte.

Eines Abends, als Konan gerade mit dem Training fertig war und die Tür ihres Zimmers hinter sich schloss, überfiel sie plötzlich ein seltsames Gefühl. Einen Moment lang glaubte sie fast, jemand sei mit ihr im Raum. Ihr wurde schwindlig und sie schaltete schnell das Licht an. Auf dem Schreibtisch lag ein Stapel Kleidung, die Pain vermutlich während des Trainings in Konans Zimmer gebracht und dabei völlig ignoriert hatte, dass er da eigentlich gar nicht rein durfte. Konan beschloss, die Siegel gegen ihn, die sie in ihren privaten Schränken an jede Tür geklebt hatte, auch an die Zimmertür und die Wände zu kleben.

Die Kleidung hatte Risse und sollte wohl ausgebessert werden.

„Oh, du meine Güte, kann der nicht mal seine Sachen ein bisschen schonen?“ dachte Konan genervt, „oder wenigstens nähen lernen, statt sich ein Piercing nach dem anderen zu stechen!“

Sie nahm sich vor, die Sachen morgen zu reparieren, wollte aber schon mal die Nähmaschine aus dem Nebenraum holen.

Die Lampe in dem kleinen Raum auf der, von der Tür aus gesehen, linken Seite des Zimmers funktionierte nicht, deshalb musste Konan sich mit ausgestreckten Armen zur Nähmaschine vortasten. Sie nahm sich vor, die Lampe demnächst auszutauschen. Als ihre Hände das kühle, glatte Metall der Verschalung berührten, hatte sie wieder das beunruhigende Gefühl, nicht allein zu sein. Sie blickte auf und sah sich vorsichtig um, halb damit rechnend, dass Zetsu aus der Wand kam. Aber da war kein Zetsu. Stattdessen stand in der Ecke, direkt neben ihr, ein Schatten von der Größe eines Menschen! Doch Konan war sicher, nie etwas in vergleichbarer Größe dort abgestellt zu haben, was im Halbdunkel die Illusion eines Menschen hätte verursachen können. Und diesen Raum betrat wirklich niemand außer ihr.

Sie blinzelte verwirrt und fuhr sich mit der Hand über die Augen, um die optische Täuschung zu verscheuchen. Doch der Schatten blieb unbeweglich und klar neben ihr stehen und das Gefühl verschwand genauso wenig.

Konan nahm allen Mut zusammen und streckte vorsichtig die Hand nach dem Schatten aus, wobei sie kurz daran dachte, dass man als Ninja etwas, das man nicht kannte, auch besser nicht anfassen sollte. Doch bevor sie den Schatten berühren konnte, leuchteten sie plötzlich zwei rote Augen an. Es waren vertraute, tiefrote Augen mit einem schwarzen Muster um die Pupille herum und Konan hielt erschrocken die Luft an. Dieselben Augen hatte sie sich unzählige Male immer wieder ins Gedächtnis gerufen, seit sie in Konoha gewesen war. Und sie lösten ein seltsames Gefühl von erinnerter Vertrautheit aus, die sie aber nicht so recht einordnen konnte, da der Name Madara ihr kein bisschen vertraut mehr war.

„Itachi?“ wollte sie sagen, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. Und als sie ihre Hand weiter vorstreckte und sicher war, den Schatten gleich zu berühren, verschwanden die Sharingan und auch der Schatten selbst!

Konans andere Hand fand den Lichtschalter der Nähmaschine und knipste ihn unwillkürlich an. Die Ecke, in der Konan eben noch den Schatten mit den Sharingan gesehen hatte, war vollkommen leer. Es gab nicht die geringste Spur! Der Boden in diesem Raum war immer von einer feinen Staubschicht bedeckt, Konan sah ihre eigenen Fußspuren, die von der Tür bis zu dem Punkt liefen, wo sie gerade stand. In der Ecke, wo der Schatten gestanden hatte, war die Staubschicht vollkommen unberührt! Es war niemand außer Konan hier oder hier gewesen. Sie ließ die Hände sinken. Schnell schob sie das Gestell, auf dem die Nähmaschine stand, aus dem Raum in ihr Zimmer. Als sie wieder im Licht stand, kam ihr das seltsame Erlebnis plötzlich nur noch wie eine unwirkliche Täuschung vor. Warum hatte sie solche Angst gehabt? Das war vollkommen überzogen und dass sie geglaubt hatte, Itachi würde neben ihr stehen, war völlig unglaubwürdig. Sie hatte sich wie ein kleines Mädchen von ihrer eigenen Fantasie täuschen lassen und von der Dunkelheit, in der sie sich als Mitglied der Akatsuki eigentlich bestens auskannte. Entschlossen, dass ihr das nicht noch einmal passieren würde, schlug Konan die Tür des Nebenraumes zu.

Eine Nachricht aus Konoha Gakure

Am nächsten Morgen hatte Konan die unheimliche Begegnung mit dem Schatten ganz hinten in ihre Gedanken verbannt. Sie wurde von einem aufgeschreckten Schrei geweckt. Irgendjemand rannte den Flur auf und ab und Konan ahnte schon, wer da so einen Krach machte.

Sie stand auf, zog sich schnell an und lief auf den Gang hinaus. Dort traf sie Pain, der heute nicht mal mehr aussah wie Nagato. Er hatte seine Seele wieder in einen anderen Körper transferiert. Konan fand dieses Jutsu schlicht und einfach eklig. Wenn Pain noch aussah wie früher, war es für Konan noch am erträglichsten, mit ihm zu reden und über Krieg und Frieden zu streiten. Wenn er aber einen anderen, künstlichen Körper benutzte, war er nicht mehr Nagato, dann war er Pain und Konan sah ihn nur noch als Feind.

„Wer schreit denn hier so rum?“ fragte Pain.

„Klingt irgendwie nach Tobi.“ sagte Konan, „wer von euch hat ihn wieder erschreckt?“

„Konan, jetzt hör bitte damit auf!“ Pains Stimme klang genervt. Es störte ihn, dass Konan bei jedem Anlass sofort einem anderen Mitglied der Organisation die Schuld gab. Obwohl ja niemand sonst da war, der irgendwas anstellen könnte. Aber Tobi erschreckte sich oft genug von allein, also kein Grund, Kisame oder Kakuzu die Schuld zuzuschieben. Pain wusste, dass Konan die beiden nicht ausstehen konnte und es gern gesehen hätte, wenn sie verschwanden.

„Es war doch wieder einer von euch, oder?“ fragte Konan mit einer messerscharfen Stimme. Kaum hatte sie es ausgesprochen, hörte sie einen Schrei und sah Tobi, der vom Verbindungsgang zu seinem Zimmer auf sie und Pain zu stolperte.

„HIIIIILFEEEE!! EEEIIIIIINEEEE SPIIIIIINNEEEE!!“ kreischte Tobi. Seine hohe Stimme klingelte in Konans Ohren.

Pain ging kopfschüttelnd davon. Er wollte sich nicht wieder mit Konan streiten. Schließlich mochte er sie und zwar so sehr, dass er sie kaum allein auf Reisen gehen lassen mochte, Aber sie schien etwas dagegen zu haben. Aber was? Seit sie vor zwei Jahren in Konoha gewesen war, hatte Konan sich verändert. Pain verstand sie nicht mehr. Er verstand nicht, warum sie ihn nicht liebte. Und auch nicht, warum Konan nach dem Auftrag in Konoha so wütend und gleichzeitig glücklich gewesen war. Was war das nur passiert? Je länger er darüber nachdachte, umso weiter entfernte er sich von der Antwort dieser Fragen, die einfach nicht greifbar waren.

Als er um die Ecke bog und in Richtung seines Lieblingsplatzes auf der riesigen Statue ging, hörte er noch, wie Konan Tobi anschrie:

„SAG MAL, GEHT’S NOCH? WAS SCHREIST DU HIER SO RUM?“

„Da is ne Spinne!“ quietschte Tobi, „Konan, mach die weeeeg!“

Wenn es eine Sache gab, die Konan mehr hasste als Idioten und Gemeinheiten, dann war es, wenn jemand sie zu früh weckte. Und wenn dann auch noch der, der sie weckte, so ein Idiot wie Tobi war, verlor sie die Geduld.

„DU HAST MICH IN MEINEM SCHÖNHEITSSCHLAF GESTÖRT, DU VOLLTROTTEL!! ICH HOFFE, DASS DU DAFÜR EINE SEHR GLAUBWÜRDIGE ENTSCHULDIGUNG UND AM BESTEN NOCH NE ERLÄRUNG HAST!!“ schrie Konan.

„D-da is n-ne Spi-spinne u-und ne Schi-schi-schildkröte!“ stotterte Tobi und lief auf Konan zu. Er hinkte eigentlich mehr, denn er trug nur einen Schuh und sein langer Mantel war so schief geknöpft, dass Tobi auf der einen Seite auf die Ecke des schwarzen Stoffes trat. Außerdem trug er nur einen Handschuh. Das einzige, was an Tobis frühmorgendlich verschreckter Erscheinung ordentlich und gerade saß, war die orangene, spiralförmig gemusterte Maske, die der seltsame Typ offenbar nie abnahm.

„Was war da?“ fragte Konan, da sie Tobis Gestotter nicht ganz verstand.

„Eine SCHILDKRÖTE!“ kreischte Tobi, „NE KLAPPERNDE SCHILDKRÖTE!“

Konan wusste, dass Tobi große Angst vor Spinnen und Schildkröten hatte. Aber sie war oft immer noch so uneinsichtig wie früher und deshalb ging ihr Tobis Geschrei einfach auf die Nerven.

„Iiiieeek, Konan, Tobi will nicht, dass du wütend bist! Aber da war so ne gruslige Schildkröte und ne Spinne!“ Tobi sprach manchmal von sich selbst in der dritten Person. Besonders, wenn er aufgeregt war. Er hob abwehrend beide Hände und stolperte zurück, bis er mit dem Rücken an der Wand stand.

„Tobi hat Riesenangst vor solche Viecher!“ kreischte er.

„ACH; SO IST DAS ALSO!? DU TUST IMMER SO; ALS MÜSSTE SICH ALLES HIER UM DICH DREHEN UND SPIELST SOGAR DEN CHEF, ABER DU HAST ANGST VOR SPINNEN UND SCHILDKRÖTEN!“ WENN DU SCHON VOR SOLCHEN, KLEINEN TIEREN ANGST HAST, WAS SOLLTE DANN DAS GEREDE VON BIJUU-GEISTERN?“ Konan war echt sauer. Tobis Geschrei hatte sie aus einem Traum geweckt, der sich irgendwie sehr wichtig angefühlt hatte. Sie hätte diesen Traum gerne weitergeträumt. Es war um etwas sehr Wichtiges gegangen, das sie tun musste. Irgendwas kam auf sie zu und sie musste das, was sie zu tun hatte, um jeden Preis schaffen, soviel wusste sie.

„Sei lieb zu mir, ich bin Madara!“ schrie Tobi. Er hatte zwar keine Ahnung, was dieses Wort eigentlich war, aber er hatte bisher immer, wenn er diesen Namen aussprach, Erfolg bei den anderen gehabt. Obwohl keiner wirklich was mit dem Wort „Madara“ anfangen konnte, hörten doch alle irgendwie darauf.

„WIIIIEEE BIIITTEEEE?“ kreischte Konan, „SOLL ICH DIR DAS ETWA ABKAUFEN? DU BIST NIE IM LEBEN MADARA! WER AUCH IMMER DAS SEIN SOLLTE, DU BIST’S NICHT!“

„Und du bist ganz bestimmt nicht Madara Uchiha, denn eine Nervensäge wie du kann unmöglich mit einem so wundervollen Jungen wie Itachi verwandt sein.“ fügte sie in Gedanken hinzu.

„Was ist das denn für ein Lärm?“ fragte eine tiefe Stimme vom Tor des Turms aus. Es war Sasori.

„Tobi hat mich mit seinem Geschrei geweckt.“ antwortete Konan und ging, immer noch sauer, auf Tobi zu. Er stand noch immer mit abwehrend erhobenen Händen an der Wand.

„D-da war n-ne Schildkröte.“ stotterte er nochmal.

„Jetzt hör endlich auf, du Angsthase! Hier gibt es doch überhaupt gar keine Schildkröten!“ Konan packte Tobi am Kragen und drückte ihn an die Wand, „keine Schild-krö-ten, ka-piert?“

„Doch! Da war eine!“ beharrte Tobi, „die war sooo groß!“ er deutete mit den Händen ein Tier von der Größe einer Wassermelone an und versuchte, sich aus Konans Griff zu befreien.

„Ach so.“ sagte Sasori, „ich hätte nicht gedacht, dass meine Tiermarionetten ihn so erschrecken.“

„Was? Die Viecher sind von dir?“ fragte Konan, „das war wieder so eine Wir-machen-Tobi-eine-Riesenangst-Aktion? DU MEINE GÜTE, WIE ALT SEID IHR EIGENTLICH?“

„Das weißt du doch.“ sagte Sasori.

„SO MEINE ICH DAS NICHT! ICH FRAG MICH GANZ EHRLICH, OB IHR ALLE SOWAS WIE REIFE KENNT?“ schrie Konan und dachte: „Ich kann’s nicht glauben! Ich bin von Idioten umgeben! Selbst Sasori benimmt sich so kindisch!“ ihre Müdigkeit war völlig verschwunden, aber sie war mal wieder schon früh am Morgen genervt. Tobi nervte sie sowieso, aber dass selbst Sasori sich so unmöglich benahm und gemein zu Tobi war… Konan hatte ihrem Sensei wirklich etwas mehr Reife zugetraut. Aber das Niveau innerhalb der Akatsuki schien allgemein ziemlich gesunken zu sein. Für solche Verhältnisse war Sasori vergleichsweise vernünftig, aber Konan wusste, dass auf dem Gebiet des zivilisierten, reifen Verhaltens weit mehr möglich war.

„Jetzt krieg dich mal wieder ein, Konan!“ sagte Sasori, „du solltest besser deine Kraft ins Training stecken.“

„Nur, wenn du versprichst, Tobi ab jetzt in Ruhe zu lassen!“ erwiderte Konan, „das ist nämlich gemein und gemeine Sachen wollten wir doch verhindern, dachte ich.“

Sasori musste zugeben, dass Konan Recht hatte. Aber es fiel ihm einfach schwer, so kompromisslos gut zu sein wie sie. Es war Konan irgendwie gelungen, selbst in so einer Umgebung wie Akatsuki eine feste, ablehnende Objektivität der Ideologie gegenüber zu behalten und als Einzige wirklich „gut“ zu bleiben. Sasori vermutete, dass das irgendwie mit Konoha Gakure und Itachi Uchiha zusammenhing. An Pain lag es sicher nicht, denn Pain war der Gründer der Ideologie, die Konan so sehr ablehnte.

„Ich werde mir mehr Mühe geben.“ versprach Sasori, „und ich werde Tobi in Ruhe lassen.“

Tobi riss sich los und rannte mit ein paar seltsamen, kindischen Hüpfern zurück zu seinem Zimmer. Eine hölzerne Schildkröte lief klappernd auf Sasori zu, gefolgt von einer skorpionartigen Spinne gleicher Größe. Sasori ließ die beiden Tiermarionetten auf zwei Schriftrollen krabbeln und die hölzernen Kunstwerke verschwanden zwischen den Schriftzeichen.

„Gehen wir jetzt trainieren oder nicht?“ fragte Konan.

„Ja, Konan. Du hast wenigstens eine Ahnung davon, was wahre Kunst wirklich bedeutet.“ antwortete Sasori, „dein Origami ist auch eine große Kunst.“

„Jetzt kommt er wieder mit dem Gerede über Kunst!“ dachte Konan, „er weiß ja nicht, wie das nervt. Ich sehe Kaeshi-no-Jutsu zwar auch als Kunst an, aber ich mach nicht so ein Theater wie Sasori mit seinen Marionetten.“

Das Training lief fast genauso ab wie im Grünen Land. Aber Sasori hatte Hirukos linken Arm noch nicht ersetzt und verwendete deshalb besonders viel Kraft auf seine Deckung. Diesmal gelang es Konan, nicht, Sasoris Verteidigung zu brechen. Sasori war eben doch sehr stark. Konan konnte viel von ihm lernen.

Nach dem Training zeigte Sasori ihr ein Papier, auf dem die fünf Chakra-Elemente aufgezeichnet waren. Es ließ auch die Vor- und Nachteile jedes einzelnen Elements den anderen gegenüber erkennen.

„Hast du dir schon einmal Gedanken um Chakra-Elemente gemacht?“ fragte er, „weißt du, wer welches Element hat?“

„Natürlich hab ich mich schon mal damit beschäftigt. Und ich weiß, dass Itachis Chakra zum Feuerelement gehört.“ antwortete Konan.

„Du weißt aber auch alles über ihn.“ sagte Sasori. Seine tiefe Stimme klang seltsam. Als würde er etwas vor Konan zu verbergen versuchen. Etwas, das Itachi betraf.

„Sein Element könnte uns sehr nützlich sein.“ fuhr Sasori fort „wenn ein Gegner damit rechnet, Holz und Papier zu schlagen, ist er auf Feuer von der Gegenseite meist nicht vorbereitet.“

„Aber wo willst du jemanden mit Feuer-Element herbekommen?“ fragte Konan. „denk doch mal realistisch, Sasori.“

„Mal sehen. Und wenn wir jemanden finden… na, da habe ich auch noch ganz eigene Jutsu.“

„Was denn für ein eigenes Jutsu? Du kannst doch gar kein Feuer-Element!“

„Vielleicht doch. Aber dieses Jutsu kann ich dir jetzt noch nicht zeigen. Es hat mit etwas anderem zu tun.“

Konan schaltete sofort, was Sasori meinte: „Du kannst dieses Jutsu nur in deiner wirklichen Gestalt einsetzen, stimmt’s? Und weil du mir die noch nicht zeigen willst, kannst du mir dieses Jutsu auch nicht zeigen.“

„Erraten.“ sagte Sasori.

„Du lässt mich warten, Sensei. Ich dachte, du kannst es nicht leiden, zu warten und andere warten zu lassen.“ stellte Konan fest und zitierte dabei bewusst Sasoris Lieblingssatz.

„Haaallooooo!“ Tobi kam mit Geschrei aus dem Turm gerannt, in dem die Poststelle war, „daaa iiis n koooomiiischeeer Briiiieef füüür Saaaasooooriiii geeekooooommmeeeeen!“

Konan fuhr herum. Nicht schon wieder Tobi!

„Was für ein Brief?“ fragte Sasori.

„Aus Suna!“ Tobi war inzwischen so nah, dass er nicht mehr so laut schreien musste, „von einer Oma ohne Namen!“

„Schön, dass du uns den Brief gebracht hast, Tobi. Jetzt geh wieder spielen und stör uns nicht noch mal beim Training.“ sagte Konan.

„Juhuu! Tobi geht spielen!“ Tobi rannte zurück, in Richtung seines Zimmers, und machte wieder ein paar verspielte Hüpfer.

„Ein Brief von Oma Chiyo.“ sagte Sasori, „Konan, mach ihn auf.“

Natürlich. So war es immer. Wegen Hiruko tat Sasori nie etwas selbst, wenn jemand dabei war. Konan nahm den Brief in die Hand.

Als sie das Siegel löste, überfiel sie ein seltsames Gefühl wie aus dem Nichts! Da kam etwas auf sie zu! Es war eine Mischung aus seltsamer Erwartung und dem unheimlichen Gefühl von gestern, dazu kam der Traum mit dem Auftrag. Konans Hände zitterten und sie brachte mehrere Anläufe, um das Siegel vollständig zu öffnen. Plötzlich sah sie wieder den Schatten mit den Sharingan vor sich. Dass es Sharingan gewesen waren, daran gab es keinen Zweifel. Aber was hatte das zu bedeuten?

„Gib den Brief her, Konan.“ sagte Sasori.

Mit zitternden Händen reichte Konan ihm den Brief. Ihr war schwindlig und ihr Herz raste. Irgendwie spürte sie, dass etwas passiert war. Etwas Schlimmes. Und Konan wusste, dass sie damit zu tun hatte. Dass sie helfen musste. Es war die Aufgabe, die sie heute Nacht bekommen hatte und die sie erfüllen musste.

Sasori hatte den Brief in Hirukos Panzer geholt und als er ihn gelesen hatte, sah er Konan lange an. Sie hatte sich auf den Boden gesetzt, weil sie vor Schwindel nicht mehr stehen konnte.

„Geht es dir gut, Konan?“ fragte Sasori.

„J-ja.“ sagte Konan leise. Sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl, vor Schreck ganz blass zu sein. Eigentlich wurde sie nie blass, weil das bei ihrer weißen Haut ziemlich unmöglich war. Sie wurde meist rot, wenn sie sich aufregte.

„Ich will ganz ehrlich sein, Konan. Großmutter Chiyo schreibt, dass es in Konoha Gakure eine Katastrophe gab. Die Suna-Anbu haben diese Information von den Konoha-Anbu bekommen.“

„Was denn? Was für eine Katastrophe?“ Konans Stimme zitterte. Konoha Gakure. Naruto. Und Itachi.

„Ein ganzer Clan ist von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Es gibt keine Leichen, nur der jüngste Sohn der Hauptfamilie hat viele Tote gesehen, die aber später unauffindbar waren. Und er hat Kampfspuren gesehen, die ebenfalls niemand sonst gesehen hat. Dieser Junge und sein älterer Bruder sind die einzigen Überlebenden.“

Vor Konans Augen wurde es dunkel. Sie hörte sich selbst wie eine Fremde fragen: „Welcher Clan?“

„Es ist der Uchiha-Clan.“ antwortete Sasori.

Um Konan herum war es schwarz. Sie spürte, wie ihr Rücken auf den Boden traf und ihr Kopf das Gras berührte. Itachi Uchiha…

Konan sah ihn vor sich, wie er vor zwei Jahren in der schmalen Straße an ihr vorbeigegangen war. Itachi hatte seinen kleinen Bruder an der Hand gehalten. Konan hätte nur die Hand ausstrecken brauchen, um einen der beiden zu berühren. Sie war ja unsichtbar gewesen.

„Heey, Konan, was is’n?“ Konan hörte die hohe besorgte Stimme wie von ganz weit weg, „warum bist du denn, bumms, umgefallen?“ es war Tobis Stimme. Er klang ehrlich besorgt.

Konan öffnete langsam die Augen und sah Tobis organgenes, spiralförmiges Gesicht über sich. Irgendwie schaffte Tobi es, dieser Maske Gefühlsausdruck zu verleihen. Im Moment sah er ziemlich besorgt aus und Konan fand ihn auf einmal niedlich. Tobi war wie ein kleiner Junge. Dass sie das noch nicht eher erkannt hatte, wunderte Konan.

„Is dir schwindel?“ fragte Tobi, „kann Tobi dir helfen?“

„Nein, ich glaube nicht.“ antwortete Konan und bemerkte, wie leblos ihre eigene Stimme klang.

„Arme Konan! Sie ist umgekippt, bumms, einfach so!“ murmelte Tobi.

„Geh wieder spielen.“ sagte Sasori, „Konan geht es bald besser.“

„Tobi will aber nu‘ nich spielen gehen! Tobi macht sich nämlich Sorgen um Konanchen.“ beharrte Tobi, „Konan is krank?“

„Nein, mir geht’s wieder besser, Tobi. Du kannst ruhig spielen gehen. Ich muss mich nur ausruhen.“ sagte Konan leise.

„Echt? Geht’s dir dann besser?“ fragte Tobi.

„Ja. Und jetzt geh auf dein Zimmer.“ Konan versuchte, aufzustehen. Tobi machte sich wieder auf den Weg zu seinem Zimmer. Aber diesmal hüpfte er nicht, er schlich eher und Konan hörte ihn leise vor sich hin murmeln: „Konan is umgefallen, bumms, Tobi soll spielen gehen, aber Tobi is traurig, weil’s süße Konanchen umgefallen is.“

Konan fand es zwar rührend, wie lieb und besorgt Tobi auf einmal war, aber ihre Gedanken waren bei Itachi.

„Was ist denn da… ich meine, wie ist das passiert?“ fragte sie Sasori.

„Es gibt ein Geständnis. Und das macht die ganze Sache wirklich noch komplizierter. Itachi hat seinem Bruder gestanden, die gesamte Familie ermordet zu haben. Dann hat er das Dorf mit unbekanntem Ziel verlassen. Keiner weiß, wo er jetzt ist, noch nicht einmal die Anbu, und es gibt wie gesagt keine Beweise, nur die Tatsache, dass der gesamte Uchiha-Clan einfach weg ist.“ Sasori wollte diese Nachricht schnell hinter sich bringen und während er sprach, sah er, wie Konans Augen sich mit Tränen füllten und silberne Sprenkel bekamen.“

„Aber… warum hat er das getan?“ flüsterte sie, „was hat er für einen Grund… so etwas zu tun?“ sie konnte es sich nicht erklären. Itachi hatte so glücklich gewirkt, vor zwei Jahren, er hatte mit seinem Bruder gespielt, trainiert, mit den Mädchen gelacht. Sein strahlendes Lächeln war Konan noch gut in Erinnerung. Und es war vor allem Itachis wunderschönes Lachen gewesen, in das Konan sich auf den ersten Blick verliebt hatte.

„Ich habe allerdings nich andere Informationen.“ sagte Sasori.

„Raus damit!“ Konan wusste kam, was sie sagte.

„Zu dem Zeitpunkt, als es passiert ist, war Orochimaru in der Nähe von Konoha. Und wir wissen doch, was er vom Uchiha-Clan will.“

„Die Sharingan.“ flüsterte Konan, „die Sharingan und die Talente der Uchiha.“

„Orochimaru wollte die Sharingan schon immer haben. Und Itachi ist so talentiert, dass Orochimaru ihn vermutlich als Nächsten ausgewählt hat. Für sein Jutsu…“ Sasori brach ab. Er wollte nicht, dass Konan noch einmal zusammenbrach.

Konans Gehirn begann wieder, richtig zu arbeiten.

„Und dann hatte ich das Glück, herauszufinden, was wahrscheinlich kein anderer herausgefunden hat. Es ist eine Information, bei der ich davon ausgehe, dass ich und einer meiner Informanten, der sich allerdings aufgelöst hat, die einzigen außer Itachi sind, die davon wissen. Ein Weltenportal wurde geöffnet und zu so etwas sind zurzeit nur Sharingan fähig. Ich glaube deshalb nicht, dass Itachi irgendjemanden von seiner Familie ermordet hat.“ sagte Sasori, „ich denke, Orochimaru hat Itachi mit irgendwas unter Druck gesetzt, um an die Sharingan zu kommen.“

„Itachi ist ein Familienmensch. Er könnte so etwas nie tun.“ flüsterte Konan.

„Vielleicht hat Orochimaru ihm damit gedroht, das Dorf anzugreifen und die Uchiha zu ermorden, wenn Itachi nicht aufgibt und ihm seinen Körper überlässt.“ vermutete Sasori, „die Leute in Konoha waren in keiner Weise auf einen Angriff vorbeireitet und es hätte einen Krieg mit Orochimarus Gefolgsleuten gegeben.“

Konan wusste, was Sasori damit sagen wollte und es ergab einen Sinn. Itachi hatte irgendwas getan, aber ganz sicher niemanden umgebracht.

In Konan flammte ein unbändiger Hass auf Orochimaru auf. Wie konnte jemand nur so gemein sein?! Es war schwer zu fassen, dass jemand in voller Absicht so viele Leben zerstörte. Konan konnte sich noch gut daran erinnern, wie es mit Orochimaru in der Akatsuki gewesen war. Er hatte die Organisation nur ausgenutzt und war gegangen, weil sie ihm zu nett war. Konan war überzeugt davon, dass jemand, der Kakuzu zu nett fand, extrem gefährlich war. Und Orochimaru machte sehr viele Experimente mit Menschen. Es war einfach nicht zu fassen!

„Wissen deine komischen, selbstauflösenden Gefolgsleute denn auch, wo Itachi jetzt ist?“ fragte Konan und klang auf einmal genervt. Im wörtlichen Sinn war sie auch genervt, denn ihre Nerven waren hochstrapaziert. Ihr Herz klopfte immer noch laut und etwas unregelmäßig.

„Ja, auch darüber habe ich Informationen.“ sagte Sasori, „Itachi ist auf dem Weg hierher, zu dir. Es könnte sein, dass du die letzte Bezugsperson bist, die er auf dieser Welt noch hat.“ zum ersten Mal wurde Konan klar, wie viel Macht Sasori hatte. Er verfügte über ein Heer von Informanten und Spionen, die alles nach seinem Willen taten und überall hineinkamen, selbst dort, wo Spione der Versteckten Dörfer nie hinkommen konnten.

„Die letzte, die Itachi noch hat…“ dachte Konan, „er hat mich also damals auch gesehen. Na ja, er hat mich angestarrt. Er kennt meinen Namen, weiß, wo ich bin. Vielleicht mag er mich. Ich bin seine letzte Hoffnung. Es liegt jetzt bei mir.“

„Er wird ein Mitglied der Akatsuki werden.“ sagte Sasori.

„Dann macht er bei uns beiden mit.“ beschloss Konan. Ihre Stimme klang wieder lebendiger. Sie würde weiterhin ihrem Weg folgen, stark sein und ihren Charakter bewahren. Für sich selbst. Und für Itachi.

Itachis Ankunft

Am nächsten Tag rief Pain Konan auf sein Zimmer. Konan hatte es seit Monaten nicht mehr betreten und war überrascht, wie dunkel es war. Alle Zimmer im Hauptquartier waren mehr oder weniger finster, aber Pains Zimmer wurde von einer dunklen Atmosphäre beherrscht, die Konan fast schon beängstigend fand. Ihre Vermutung, dass Pain so tief in der Dunkelheit steckte, dass er nicht mehr klar denken konnte, bestätigte sich. Und ihr fiel keine andere Möglichkeit mehr ein, als gegen ihn zu kämpfen. Durchgehen lassen konnte sie ihm das alles jedenfalls nicht.

„Was willst du?“ fragte sie.

„Mit dir reden, Konan.“ Pain trat nah an sie heran und berührte ihren Arm.

„Ich wüsste nicht, was es da noch zu reden gibt.“ Konan wich Pains Hand aus, die ihre Hand berühren wollte.

„Was ist denn nur mit dir los?“

„Das weißt du genau.“ Konan hoffte, dass Pain ihre Rebellion und nicht den Schock von gestern meinte, den er möglicherweise bemerkt hatte.

„Ich meine, was war das gestern? Ich habe Tobi gesehen, der mit sich selbst darüber geredet hat.“

„Ich hab mich nur beim Training etwas überanstrengt.“ Konan vertraute Pain einfach nicht mehr und wollte ihm deshalb nichts über Itachi sagen. Es war eindeutig besser für alle, wenn er nichts davon erfuhr, dass Konan Itachi kannte.

Er würde nur misstrauisch und eifersüchtig werden. Pain durfte einfach nicht zu viel wissen.

„Geht es dir jetzt wieder besser?“ fragte Pain.

„Ja. Alles in Ordnung mit mir.“ antwortete Konan.

„Das freut mich.“ Pain sah heute wieder wie früher aus, wie Nagato. Es war so dunkel im Zimmer, dass sein organgenes Haar nicht leuchtete und die Piercings in seinem Gesicht nur schwach schimmerten. Wieder streckte er eine Hand aus und ehe Konan merkte, was Pain tat, lag seine Hand auf ihrem Haar. Sanft ließ er eine ihrer lilablauen Haarsträhnen durch seine blassen Finger gleiten.

„Konan, wir haben uns doch früher so gut verstanden. Was ist mit uns passiert?“ flüsterte er und kam ihr dabei immer näher.

„Das kann ich dir sagen, Nagato. Ich hab mich verändert und mit dir ist was passiert.“ Konan sprach ihn absichtlich mit seinem alten Namen an, weil es die einzige Möglichkeit war, noch zu ihm durchzukommen.

„Warum musste es so kommen?“

„Ich mach da nicht mit. Dein Plan ist gemein, übertrieben und dumm! Es tut mir Leid, aber wenn du so darin versinkst, dich an der Welt zu rächen, muss ich dich bekämpfen. Ich lass das nicht zu!“ mit einer schnellen Handbewegung schlug Konan ihre Haarsträhne aus Pains weißer Hand.

„Schade. Ich dachte wirklich, du würdest meinen Traum teilen.“ sagte Pain.

„Wenn das wirklich dein Traum ist, verlierst du mich.“ Konan hatte das noch nie so ausgesprochen. Aber es war ihr schon lange klar gewesen.

Zuerst sah Pain aus, als würde er Konan wieder rausschicken. Aber dann ging er zum Schreibtisch, auf dem eine kleine, gelbscheinende Lampe brannte, und nahm einen Brief, der mitten auf der Tischplatte lag, in die Hand.

„Der kam gerade mit einer Brieftaube an. Jemand will Mitglied bei Akatsuki werden.“ sagte Pain.

„Itachi.“ dachte Konan nur.

„Das bedeutet, du musst ein paar Garnituren Kleidung anfertigen. Am besten gleich für zwei Leute, denn es hat sich gestern auch noch ein neues Mitglied angekündigt. An die Arbeit, Konan.“

„Ach, und jetzt bist du beleidigt, oder was?“ motzte Konan, „lass mich doch in Ruhe!“ sie ging mit stampfenden Schritten hinaus und schlug die Tür zu. Pain hatte ihre Trainingserfolge nicht mal am Rande erwähnt. War es ihm egal, wie hart sie trainierte oder vergaß er einfach jedes Mal, sie danach zu fragen? So sehr Konan Pains Pläne von der Rache an der Welt auch verabscheute, wünschte sie sich doch, von ihm als Kunoichi anerkannt und ernstgenommen zu werden. Sasoris gelegentliches Lob reichte nicht aus.

„Konan, hast du dich schon wieder mit Pain gestritten?“ fragte Sasori. Er kam von hinten auf Konan zu und hatte ihre miese Laune natürlich bemerkt.

„Ich will jetzt nicht über ihn reden. Viel wichtiger ist, dass du Recht hattest, Sasori: Akatsuki bekommt zwei neue Mitglieder. Und einer davon ist bestimmt Itachi. Dann fehlt noch einer, bis sie die zehn Ninja zusammen haben, die Pain für seinen Plan braucht.“

„Und der andere neue?“ hakte Sasori nach.

„Weiß ich nicht. Aber bestimmt ist das genau so ein Vollidiot wie alle anderen hier auch.“

„Du musst zu Pain zurückgehen und ihn fragen.“

„Och nee! Ich kann ihn gerade echt nicht ertragen!“ protestierte Konan, aber sie wusste, dass Sasori Recht hatte.

Als sie ein paar Minuten darauf wieder in Pains Zimmer stand, hatte sie das bestimmte Gefühl, dass Pain langsam aber sicher durchdrehte. Allein, wie er sie ansah! Der Blick seiner Rinnegan war racheerfüllt, wenn er auf die Pläne seiner Jutsu auf dem Tisch sah und besitzergreifend verliebt, wenn er Konan anschaute.

„Hast du es dir noch mal überlegt?“ fragte er und versuchte wieder, sie zu berühren.

„Nein. Ich will nur wissen, wer die neuen Mitglieder sind. Und nimm‘ deine Hand da weg!“ Konan schüttelte Pains Hand von ihrer Schulter.

„Der erste Antrag kam von einem Jungen namens Deidara, dessen Talente äußerst nützlich sein könnten. Er ist noch jung, ich glaube, er ist sogar jünger als du, Konan.“ antwortete Pain.

„Du nimmst solche Kleinkinder auf? Wieso?“

„Es ist egal, wie alt jemand ist. Es kommt auf seine Einstellung und seine Fähigkeiten an.“

„Und der zweite?“ fragte Konan ungeduldig.

„Er schreibt, er wurde gerade aus Konoha Gakure verbannt und sucht jetzt Anschluss an eine Gruppe wie Akatsuki. Sein Name ist Itachi Uchiha und seine Talente haben Weltspitze. Übrigens ist er nur zwei Jahre älter als du. Sasori sagte, du hättest Itachi schon einmal gesehen, als du in Konoha Gakure warst.“

„Kann sein. Ich weiß es nicht mehr so genau.“ log Konan, „das ist immerhin schon zwei Jahre her.“

„Aus Konoha Gakure… das ist gut. Seit Orochimaru weg ist, haben wir keinen Abtrünnigen mehr aus Konoha Gakure gehabt. Ich denke, Itachis Stärke ist mit Orochimarus durchaus vergleichbar.“

Konan biss auf das Innenteil ihres Piercings, um Pain nicht vor Wut laut anzuschreien. Itachi war doch nicht mit dem zu vergleichen, der sein Leben zerstört hatte!

Pain deutete Konans wütendes Gesicht falsch: „Ich weiß, dass du dagegen bist, immer noch mit Orochimaru zusammen zu arbeiten. Aber um einen großen Plan zu verwirklichen, braucht man so jemanden wie ihn eben auch.“

„Tss…“ machte Konan wütend, rannte hinaus und knallte wieder die Tür zu.

„Und?“ fragte Sasori, als Konan auf den Flur kam.

„So ein Junge aus Iwa und Itachi.“ antwortete sie knapp.

„Und wie heißt der aus Iwa?“

„Deidara. Er soll sogar jünger sein als ich. Was muss das für ein Idiot sein, wenn er freiwillig das Dorf verlässt, um hier mitzumachen!“

„Sag mal, Konan, was hast du mit Itachi vor?“ Willst du mit ihn zusammen arbeiten?“ wollte Sasori wissen.

„Ich muss Itachi helfen.“ sagte Konan.

Sie ging in ihr Zimmer, um das zu tun, was Pain ihr aufgetragen hatte: Kleidung für die neuen Mitglieder nähen und Ringe anfertigen. Sie setzte sich an die Nähmaschine, die zum Glück noch in ihrem Zimmer stand. Auf eine weitere Erscheinung in der Nebenkammer konnte sie in diesem Moment gut verzichten, obwohl ihr klar war, dass dieser Schatten jederzeit und überall wieder auftauchen konnte. Auf einmal war Konan sich sicher, dass die Erscheinung vorgestern ein Zeichen gewesen war. Es war ein Zeichen, das Itachi ihr schickte und das zeigte, dass es ihm nicht gut ging.

Konan schlief mit dem Gedanken an Itachi ein und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sie von ihm träumte: in ihrem Traum war nichts, außer Itachi, ihr selbst und einem weißen Licht. Itachi stand im Licht, doch er schien auch aus sich selbst zu leuchten. Er sah so aus, wie Konan ihn vor zwei Jahren gesehen hatte, aber ihr war bewusst, dass er sich jetzt vielleicht etwas verändert hatte, älter geworden war. Zwischen sechzehn und achtzehn bestand ja ein gewisser Unterschied, der besonders deutlich war, wenn man sich lange nicht gesehen hatte.

„Itachi!“ rief Konan, als sie ihn sah. Er sah sie nur an, sagte nichts, machte aber einen Schritt auf sie zu. Und mit jedem Schritt, den er näher kam, wurde es dunkler um ihn, bis Konan im Licht stand und Itachi vor ihr im Dunklen stand. Seine Schritte wurden unsicher, er schwankte und als er sie erreicht hatte, streckte er eine Hand aus, wie um Konan zu berühren und sich auf sie zu stützen. An seinen langen, schwarzen Wimpern hingen Tränen und seine dunklen Augen wurden rot.

Aus dem Dunkel, das sich hinter Itachi ausbreitete, erschien das fiese und gemein grinsende Gesicht von Orochimaru.

„Ich! Hasse! Dich!“ schrie Konan. „widerliche, gemeine Schlange!“ es lief ihr vor Hass eiskalt den Rücken herunter.

In dem Moment stolperte Itachi über eine Schlange, die vor seinen Füßen entlang schlängelte, er kippte nach vorn und ehe Konan ihn auffangen konnte, löste er sich mit dem ganzen Traum in hellgrauem Nebel auf.

Konan schreckte mit einem leisen, erschrockenen Schrei hoch. Sie saß aufrecht im Bett und fror. Ihr kurzes, lila Seidennachthemdchen war nassgeschwitzt und klebte ihr auf der Haut. Eine Marionettenschildkröte krabbelte klappernd über den Boden und blieb erst an der Wand stehen. Als Konan eingeschlafen war, hatte die Schildkröte noch auf dem Nachtschrank gestanden, also ging sie davon aus, dass sie sie im Schlaf heruntergestoßen hatte. Das Teil stand deshalb hier, um Tobi daran zu hindern, in ihr Zimmer zu kommen.

Konan stand auf, verriegelte die Tür ihres Zimmers und zog sich vollständig aus. Das Nachthemd kam in den Wäschekorb, genau wie ihre Unterwäsche. Als sie wieder unter der Decke lag, die sie ohne die Kleidung viel näher spürte und froh war, eine Seidendecke zu haben, nahm sie noch eine Schlaftablette. Konan zog die Decke bis zum Kinn hoch, drehte sich zum Fenster und schlief bald ein. Diesmal träumte sie nichts.
 

Zur selben Zeit, einige Kilometer südlich…

„Das Hauptquartier der Akatsuki-Organisation.“ dachte Itachi, fest entschlossen, keinen anderen Gedanken im Kopf zuzulassen. Akatsuki war in diesem Moment sein einziges Ziel, denn alle anderen Ziele hatte er verloren. Der Riss in seiner Seele brannte und sein Herz tat weh. Er sah sich um, hielt kurz an, blieb auf dem Boden sitzen und drückte eine Hand auf sein Herz. Doch so sehr er auch seine Finger in den grauen Stoff seiner Jacke grub und so versuchte, das Brennen zu stillen, es war hoffnungslos. Shiawase-no-Jutsu, das ihn, als er es entwickelt hatte, hätte glücklich machen sollen, hatte sich gegen ihn gewandt und trug ihm nun in einem nicht enden wollenden Strom Sasukes Hass zu.

„Denk an Konan!“ befahl er sich, „denk nur an Konan.“ Er sah die Bäume, zwischen denen er seit zwei Tagen fast ohne Pause rannte, an sich vorbeihuschen, aber seine Gedanken waren woanders und ließen sich nicht kontrollieren: Sasuke, dem er durch Gen-Jutsu glauben gemacht hatte, die ganze Familie ermordet zu haben, Naruto und Iruka, deren Gedächtnisse er verändert hatte und bei seiner Mutter Ikue, ihren Augen, die seinen so ähnlich waren und ihrem todtraurigen Blick, als sie durch das Portal in die Welt verschwunden war, in der sie sich verstecken sollte.

Itachi achtete nicht auf den Boden, über den er lief. Erst, als sein Fuß an einer Wurzel hängen blieb, sah er nach unten, aber da war es schon zu spät. Er fiel und als er versuchte, sich abzustützen, gab seine noch vom Kampf mit Orochimaru verletzte Hand nach. Seine Sharingan waren nicht zu gebrauchen, er hatte viel zu wenig Chakra.

Als er wieder aufstand, schoss ein brennender Schmerz durch seinen Fuß, mit dem er an der Wurzel hängen geblieben war. Trotzdem kämpfte er sich wieder hoch. Wenn er hier liegen blieb, würde die Anbu ihn erwischen oder er würde so lange entkräftet auf dem Boden liegen bleiben, bis er gar nicht mehr hoch kam. Itachi wollte zu Konan. Sie war sein letzter Halt, auch, wenn sein Leben vorbei zu sein schien. Er sah jede Sekunde in der Zukunft wie einen undurchsichtigen Nebel, wusste nicht mehr, was im nächsten Moment auf ihn zu kommen konnte. Jede Perspektive, die er gehabt hatte, war zerstört. Blutige Tränen tropften aus seinen Augen und er wischte sie mit dem Ärmel weg, damit sie nicht auf den Boden fielen und seine Spur verrieten.
 

Wegen der Schlaftabletten verschlief Konan am nächsten Morgen. Als sie auf die Uhr sah, war es schon viertel vor neun. Eigentlich stand sie immer um halb acht auf.

Nachdem sie Unterwäsche und einen leichten Kimono angezogen hatte, begann sie mit der Hautpflege. Da sie das Papier für Kaeshi-no-Jutsu aus der Haut ihrer eigenen Arme gewann, musste sie diese weiterhin regelmäßig eincremen. Die Creme hatte Pain, als er noch Nagato und alles zwischen ihnen okay gewesen war, in wochenlanger Untersuchungsarbeit entwickelt.

Konan holte die Dose mit der Crememaske aus dem Kühlschrank, dreht ihr Haar auf Lockenwickler und trug die Creme dick auf Gesicht und Armen auf. Diese Hautpartien beanspruchte sie durch Make-up, Kiziko Naris Gesichts-veränderungen und Kaeshi-no-Jutsu besonders.

„Klopf, klopf!“ rief eine hohe Singsangstimme vor der Tür.

Konan erkannte die Stimme sofort: „Tobi! Was willst du?“

„Was machst du grade?“

„Ich bin beschäftigt.“ antwortete Konan.

„Uhuuu, Konan macht sich schick!“ quietschte Tobi begeistert, „niedlich!“

„Zisch ab, geh spielen.“ erwiderte Konan. Wenn Tobi jetzt wieder mit seinem Gerede von Madara oder solchen Sachen anfing…

„Tschüüüüs!“ Tobi kicherte, dann waren seine hüpfenden Schritte zu hören, „jaaa, Tobi is‘ ein gutes Kind, Tobi lässt Konan in Ruhe, wenn sie sich schick macht. Das is‘ Mädchenkram, ne?“

Zehn Minuten später, als Konan schon fast fertig mit der Cremepackung war, klopfte Pain an die Tür.

„Konan, heute kommt das neue Mitglied aus Konoha Gakure. Ich will, dass du in zehn Minuten in die Halle kommst.“

„Ich crem‘ mich grade ein!“ rief Konan.

„Dann verkürz deine Kosmetikphase bitte mal! Die Organisation ist wichtiger. Das weißt du hoffentlich noch.“

„Ja, klar!“ Ich bin ja gleich fertig mit der Packung!“ antwortete Konan, aber sie dachte: „Dass du so einen Aufriss machst, hilft Itachi aus nicht. Außerdem würde ich sowieso sofort merken, wenn er hier ankommt. Bestimmt krieg ich wieder solche Vorahnungen.“

„Gut.“ Pains Schritte entfernten sich wieder.

Konan nahm die Crememaske ab, zog die Uniform an und machte sich ihre übliche Frisur mit aufgestecktem Haar und der weißen Papierblüte. Dann lief sie zur Versammlungshalle.

Als sie die Halle betrat, blieb sie wie angewurzelt stehen: sämtliche sechs Mitglieder waren versammelt und zwar in echt! Mit Konan waren sie zu siebt. Es gab noch drei freie Plätze auf den zehn Fingern der riesigen Hände in der Mitte der Halle. Sonst waren von Kakuzu, Kisame und Zetsu meist nur die schwarzen, schimmernden Schatten zu sehen. Pain und Tobi waren immer im Hauptquartier und Konan und Sasori kamen absichtlich fast nie zu den Verbindungspunkten, um selbst als Schatten im Hauptquartier aufzutauchen. Zetsu war eigentlich zwei Personen, Kakuzu zog allein oder mit Kisame durch die Gegend, obwohl die beiden sich nicht aussehen konnten.

„Konan, na endlich.“ sagte Pain. Er sah heute wieder wie Nagato aus. Vielleicht hatte er endlich kapiert, wie sehr Konan es hasste, ihn in einer anderen Gestalt zu sehen.

„Warum sind denn alle hier?“ fragte Konan.

„Ein neues Mitglied, das sein bequemes Dorfleben für unsere Sachen aufgibt, ist eine wichtiger Anlass.“ antwortete Pain.

„Und? Wo ist das wahnsinnig starke, neue Mitglied, das du uns gestern versprochen hast?“ wollte Kisame ungeduldig wissen. Er erinnerte Konan sehr an ein Raubtier im Zoo, das auf die versprochene, besondere Beute wartete, die ihm großartig versprochen worden war.

„Genau. Wo ist er.“ Kakuzu war noch ungeduldiger als Kisame und Sasori zusammen.

„Er kommt bestimmt gleich.“ sagte Pain, „Konan, hast du die Sachen fertig?“

„Ja, sie sind in meinem Zimmer.“ Konan stellte sich auf ihren Platz. Mal wieder hatte sie das Gefühl, von Idioten umgeben zu sein.

„Ich glaube nicht, dass er so einfach hier rein kommt.“ dachte sie, „so, wie es ihm wahrscheinlich gerade geht.“ inzwischen war Konan sich durch den Traum und Eingebungen sicher, dass es Itachi wirklich schlecht ging. Sie war überzeugt, dass er bestimmt nicht in den nächsten zwanzig Minuten hier in die Halle kommen würde. Aber das konnte Konan hier und jetzt nicht sagen. Nicht vor Pain und den fiesen Typen. Sasori war kein Problem und Tobi hielt sie inzwischen auch für einen halbwegs netten, niedlichen Vollidioten. Sasori musste es inzwischen kapiert haben, auch, weil Konan ihm ja schon gesagt hatte, dass sie Itachi mochte.

Es kam wirklich niemand. Dass dieser Deidara aus Iwa Gakure nicht heute kommen würde, war klar gewesen. Er hatte sein Dorf noch nicht einmal verlassen, hatte Pain gesagt, er wartete wohl noch auf den richtigen Moment.

Nach eine halben Stunde wusste Konan, dass sie Recht gehabt hatte: Itachi war noch irgendwo da draußen. Und es regnete mal wieder.

Die Anderen wurden langsam ungeduldig. Tobi begann, auf seinem Platz herum zu hüpfen, Kisame knirschte mit seinen dreieckigen Haifischzähnen und Zetsu klappt seine zwei Hälften wie eine fleischfressende Pflanze zu. Sasori, beziehungsweise Hiruko, starrte in die Dunkelheit. Konan sah ihm an, dass er das vermutete, was sie schon wusste. Manchmal fiel es ihr leichter Sasoris Signalsprache zu lesen.

Die Ungeduld der andere übertrug sich auf Konan, ob sie nun wollte oder nicht. Und was Geduld und Ungeduld betraf, war sie immer noch wie früher, obwohl sie sich an nichts von dem, was sie in der Zeit mit Madara erlebt hatte, erinnern konnte. sie verlor schnell die Fassung.

Als Tobi schließlich seine Maske ein kleines Stück nach oben schob, wobei man wegen der Dunkelheit nichts von seinem Gesicht sah, und begann, an seinen behandschuhten Fingerspitzen zu herum zu knabbern, war es mit Konans Geduld mal wieder vorbei. Sie stand direkt neben ihm und sein Geknabber ging ihr furchtbar auf die Nerven: „TOBI! HÖR SOFORT DAMIT AUF! SONST VERPASS ICH DIR NEN SCHLAG, DASS DU DA RUNTERFLIEGST!!“

„Autsch.“ antwortete Tobi, knabberte aber weiter.

„Beruhige dich, Konan.“ sagte Pain, „schrei hier nicht so rum.“

„DANN SOLL TOBI MIT DEM QUATSCH AUFHÖREN!!“ kreischte Konan, „UND KISAME SOLL MICH NICHT SO ANSTARREN!!“

„Hör auf, so zu schreien. Diese Halle ist ein heiliger Ort.“ Pain glaubte in diesem Moment wirklich, dass er Konan damit beruhigen konnte. Aber er hatte sich wieder einmal geirrt, wie so oft in letzter Zeit. Und noch immer konnte er sich Konans Veränderung nicht richtig erklären. Sie sprach ja kaum noch mit ihm.

„HEILIGER ORT?! SAG MAL, HAST DU SIE NOCH ALLE?“ schrie Konan und sprang von ihrem Platz auf den Boden, „DU BIST ECHT KOMPLETT BESCHEUERT, PAIN!“ sie rannte aus der Halle. Am liebsten hätte sie ihn vor versammelter Gesellschaft Nagato genannt, aber das schien ihr doch zu gemein, da er es aus irgendeinem Grund als verletzend empfand, vor den anderen mit seinem wahren Namen angesprochen zu werden.

„Konan, warte!“ rief Pain, als Konan schon aus der Halle gelaufen war, „komm zurück!“

„Das wird sie nicht tun.“ sagte Sasori ganz langsam, „Pain, du kannst Konan nicht mehr so behandeln. Sie ist kein Kind mehr und du hast ihre Achtung und ihr Vertrauen verspielt.“

Doch Pain hörte Sasori nicht zu. Er konnte nicht glauben und wollte nicht wahrhaben, dass Konan sich gegen ihn entschieden hatte. Und er war eifersüchtig auf Sasori, weil der viel mehr Zeit mit Konan verbrachte.

Konan rannte in ihr Zimmer, kramte den Beutel mit den Stoffresten hervor und hängte ihn an die Decke. Sie war wütend auf Pain, die fiesen Idioten und auch auf Tobi. Außerdem machte sie sich riesige Sorgen um Itachi. Mit kräftigen Schlägen traktierte sie den Beutel, den sie mit Stoffresten festgestopft gefüllt hatte und der inzwischen so voll war, dass er ihr nicht mehr als Abfallbehälter für Stoff, sondern nur noch als Schlagball diente.

„Wie kann man nur so verblendet, idiotisch und fies sein!“ schrie sie den Beutel an, der unter ihren Schlägen wild herumschlenkerte.

„Pain behandelt mich wie ein Kleinkind, Tobi ist eins, die anderen sind bis auf Sasori komplett bescheuert und diese ganze Organisation ist eine einzige Katastrophe!“ schimpfte Konan.

Als sie nach einer Weile den schlingernden Beutel anhielt, weil sie sicher war, ihre Wut für den Moment losgeworden zu sein, hörte sie es:

Da war ein leises Klopfen an der Tür ihres Turms.

Es war kaum zu hören, doch Konan hatte scharfe Sinne und etwas in ihr schien den ganzen Tag auf dieses Klopfen gewartet zu haben. Sie wusste sofort, dass es Itachi sein musste.

Konan lief aus ihrem Zimmer auf den Gang hinaus. Das Klopfen wurde lauter und gleichzeitig lauter und leiser: lauter, weil sie die Tür geöffnet hatte und leiser, weil Itachi vermutlich ziemlich geschwächt war und bald nicht mehr konnte. Konan blieb einen Moment lang still stehen und hörte tatsächlich, wie Itachis Hand nach jedem Klopfen von der Tür abrutschte. Sie konnte isch die Bewegung seiner Hand gut vorstellen.

Konan hatte die Tür erreicht, schob den Balken der das Tor von innen verriegelte, beiseite und drehte den eisernen Schlüssel um. Das Klopfen verstummte. Von draußen drang das Rauschen des Regens herein. es regnete schon den ganzen Tag und war dunkel wie am späten Abend. Konan hatte sich schon Sorgen gemacht, wie Itachi bei diesem Wetter zurechtkam. las sie die Tür öffnete, hatte Konan das Gefühl, als würde sich ihr Leben mit jeder Sekunde, die jetzt verstrich, verändern.

An der Außenwand des Turms hing eine Laterne, die ein verregnetes, gelbes Licht auf die Türschwelle warf. Es war wirklich dunkel draußen, fast schon unnatürlich und bestimmt lag es an Pains Regen-Jutsu.

Und da, im Lichtkegel der Laterne, schwarz gekleidet und vom Regen sichtbar nass bis auf die Haut, stand er. Obwohl er ein Tuch über dem Gesicht trug, wusste Konan sofort, dass Itachi vor ihr stand.

Er war vielleicht ein kleines Stück gewachsen seit damals und sein Haar war noch etwas länger geworden. Vor zwei Jahren hatte er es mit einem Haargummi zusammengebunden getragen, die vorderen Strähnen hatten sein schönes Gesicht gerahmt. Jetzt war sein Haar nass, tiefschwarz und fiel offen über seine Schultern. Er trug auch kein Stirnband mehr.

„Vielleicht ist das Haargummi irgendwo auf dem Weg hierher zerrissen oder er hat es verloren.“ dachte Konan.

Aber wirklich besorgniserregend war für sie, wie Itachi atmete: seine Atemzüge waren zwar tief, klangen aber abgehetzt und schmerzvoll. Er klang, als wäre er einen ganzen Tag lang ununterbrochen gelaufen und das in diesem Regenwetter! Außerhalb des Hauptquartiers schien das Wetter genauso schlecht zu sein. Konan hasste Regen noch immer. Sie konnte diese Dunkelheit und Nässe, aber vor allem das Im-Zimmer-bleiben-müssen nicht ausstehen. Und Itachi war bei diesem Wetter verletzt draußen gewesen! Und er hatte davor wahrscheinlich auch noch gekämpft!

„Konan.“ sagte Itachi. Seine Stimme war etwas tiefer geworden.

„Jetzt bist du hier.“ Konans Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Itachi sah so traurig aus und die konnte sich kaum vorstellen, wie sein Gesicht hinter dem weißen Tuch wohl aussah.

„Komm rein.“ sagte Konan.

Itachi streckte eine Hand aus. Sie war mit blutigen Kratzern übersät. Konan wollte Itachi in ihre Arme nehmen, irgendetwas tun, damit seine Atemzüge nicht mehr so schmerzvoll klangen. Er hörte sich an, als wäre er völlig am Ende seiner Kraft.

In diesem Augenblick schien sich die Welt in die Szene aus Konans Traum aus der letzten Nacht zu verwandeln, als würden sich die reale Welt und die Traumwelt kurz überschneiden. Dieser Moment war zuerst in der Traumwelt passiert und jetzt geschah er hier.

Itachi schwankte, versuchte, sich am Türrahmen aufzustützen, seine Hand rutschte ab und er fiel nach vorn. Konan war vor Schreck erstarrt und konnte nicht schnell genug reagieren. Automatisch trat sie einen halben Schritt zurück, ungewollt, wie um einem Hindernis auszuweichen.

„Wie in dem Traum heute Nacht.“ dachte Konan und kniete sich neben Itachi. Als sie sein Haar berührte, das das weiße Tuch wie schwarze Rinnsale bedeckte, lief es ihr kalt und heiß den Rücken runter. Konan strich Itachis Haar (es fühlte sich wie nasse, schwarze Seide an) beiseite und legte darunter seinen Hals frei, der von ebenso vielen Kratzern bedeckt war wie seine Hände. Besonders die linke Hand war schlimm und blutig verkratzt. Senkrecht an seinem Hals verlief von oben nach unten eine lilaschwarze Narbe, die wie ein Fluchmal aussah.

„Da hat Orochimaru ihn erwischt.“ dachte Konan, „aber irgendwie ist es nicht voll ausgeprägt.“

Sie schob ihre Hände unter sein Haar, dabei fiel ihr auf, wie nass und unterkühlt Itachis Haut war, und hob seinen Kopf an, um ihn auf ihre Knie zu betten. Dann griff sie das Tuch und nahm es ihm vorsichtig ab. Dabei spürte Konan, wie Itachis nasse Kleidung und sein Haar, aus dem Wasser tropfte, dunkle Spuren auf ihrem Mantel hinterließen.

Itachis Gesicht sah noch trauriger und verletzter aus, als Konan es sich vorgestellt hatte: seine Haut war blass, kalt und wirkte seltsam leblos. Etwas, das erschreckend wie Blut aussah, hatte seine langen, schwarzen Wimpern verklebt. Dasselbe rotdunkle Zeug („Oh, nein, das ist ja wirklich Blut!“) hatte lange, angetrocknete Spuren auf Itachis Gesicht gemalt und war sogar auf seine Kleider getropft. Und es schien aus seinen Augen gekommen zu sein, Tränenströme aus Blut. Die beiden auffälligen Kanten, die von seiner Nasenwurzel jeweils über seine Wangen verliefen, waren vom Blut aus seinen Augen nachgezeichnet und ließen Itachis Gesicht so unglaublich traurig wirken.

„Oh, nein, Itachi, was ist mit dir passiert?“ flüsterte Konan erschrocken. Von dem glücklich lachenden Sechzehnjährigen von früher war in diesem Moment kaum noch etwas zu erkennen. Konan versuchte, das Blut mit dem Ärmel ihres Mantels wegzuwischen, aber es war bereits angetrocknet. Itachi schien kaum noch zu atmen, seine Haut war eiskalt, das Blut aus seinen Augen war bis auf seinen Hals geflossen. Konan beugte sich tief über ihn und versuchte, seinen Atem auf der Haut zu spüren, um sicher zu sein, dass er noch atmete. Es war nur ein schwacher Hauch, der von seinen leicht geöffneten Lippen ausging und kaum spürbar auf Konans Haut traf. Seine Brust hob und senkte sich schnell und ruckartig, zitternd und so, als ob es sehr wehtun würde.

Konan schälte sich aus ihrem Mantel und legte Itachis Kopf vorsichtig darauf ab. Dann rannte sie in ihr Zimmer, holte ihre Bettdecke und deckte Itachi damit zu, damit er nicht noch weiter auskühlte. Anschließend schloss sie die Tür des Turmes wieder, damit kein Regen mehr herein kam.

Streit hin oder her, sie musste in die Halle laufen und Pain und Sasori um Hilfe bitten. Itachi musste so schnell wie möglich ins Krankenzimmer!

„Ihr seid solche Idioten!“ schrie sie, als sie in die Halle kam, „ihr merkt echt absolut gar nichts!“

„Konan.“ Pain klang ruhig, aber innerlich freute er sich, dass Konan zurückgekommen war. Das, was sie gesagt hatte, überhörte er wie so oft.

„PAIN, DU BIST EIN KOMPLETT BESCHEUERTER VOLLIDIOT!! WO HAST DU DEINE AUFMERKSAMKEIT?? ITACHI IST LÄNGST DA UND DU MERKST NICHTS!“ kreischte Konan.

„Was? Er ist schon da?“ fragte Kisame, „wie hat er das Hauptquartier überhaupt gefunden?“

„Ich vermute mal, die Barriere hat ihn wegen der Sharingan durchgelassen und so viel, wie er laut Eintragung im Bingo-Buch weiß, hat er die Koordinaten irgendwie rausgefunden. Er gehört ja zum Uchiha-Clan, genau wie Madara.“ sagte Pain.

„Juhuu, Madara!“ quietschte Tobi, „was is’n das eigentlich?“

„Klappe, Tobi.“ zischte Konan. Sie war schon wieder auf hundertachtzig.

„Warum bist du jetzt eigentlich so aufgeregt?“

„WEIL HIER EIN SCHWERVERLETZTER AUF MEINEM FLUR LIEGT UND IHR SO EIN HAUFEN IDIOTEN SEID!!“ kreischte Konan, „ECHT, IHR SEID SO DOOF!“

„Sag das doch gleich, dass er verletzt ist.“ sagte Pain.

„Sasori! Bist du taub oder was?“ schrie Konan. Sie war vor Sorge um Itachi und Wut über die Ignoranz der anderen Mitglieder so aufgeregt wie selten zuvor.

„Nein.“ sagte Sasori langsam, „ich bin nicht taub. Ich denke nach.“

„UND WORÜBER DENKST DU NACH?“ Konans Geduld war am Ende. Sie zitterte vor Angst um Itachi und wäre am liebsten sofort wieder zu ihm zurückgerannt.

„Halt durch, Itachi! Ich bin gleich wieder bei dir.“ dachte sie.

Pain sah, wie Konan zitterte. Sein Beschützerinstinkt erwachte. Wenn es Konan schlecht ging, musste er etwas dagegen tun. Und es lag bestimmt nicht an ihm.

„Entschuldige bitte, Konan, dass ich nicht bemerkt habe, wie aufgeregt du bist.“ sagte er, „kann ich dir helfen?“

„Du hilfst mir am besten, wenn du jetzt mitkommst und mir hilfst, Itachi ins Krankenzimmer zu bringen.“ Konan keuchte vor Aufregung und das Geschrei hatte sie heiser gemacht.

Sie war durch den Schock, die Sorge um Itachi und den Wutanfall ziemlich am Ende mit den Nerven.

„Krankenzimmer?“ fragte Pain und merkte, dass er Konan trotz ihres Geschreis nicht zugehört hatte. Er hatte nur verstanden, dass Itachi Uchiha da war.

„Du hörst mir nie zu, du Vollidiot! Jetzt komm einfach, hör auf zu denken und tu ausnahmsweise mal das, was ich dir sage!“ Konan konnte nicht mehr schreien, obwohl sie immer noch so wütend war, dass sie am liebsten laut losgeschrien hätte, „wenn dir was an mir liegt.“

„Natürlich liegt mir was an dir.“ sagte Pain.

„Dann steh da nicht so blöd rum, sondern komm mit und hilf mir!“

Pain verließ seinen Platz und folgte Konan, die jetzt völlig aufgelöst war, aus der Halle. Irgendwas schien zwischen ihr und diesem Ninja aus Konoha Gakure zu sein, das Pain nicht verstand. Konan schien vor allem deshalb wütend zu sein, weil sie sich Sorgen um Itachi machte. Kannte sie ihn etwa wirklich von ihrem Auftrag in Konoha Gakure vor zwei Jahren? War er vielleicht sogar der Grund für Konans Veränderung und ihren ständigen Aufstand gegen die Akatsuki?

Pain machte sich Sorgen: Konan schien es ziemlich schlecht zu gehen und das wollte er nicht. Aber er wollte auch nicht die Kontrolle über sie verlieren.

Konan rannte und Pain musste schneller laufen, um mit ihr Schritt zu halten und sie keinen Moment aus den Augen zu lassen. Als sie auf das Tor des Turmes zukamen, sah Pain eine weiße Bettdecke auf dem Boden liegen. Konan keuchte erschrocken und rannte schneller.

„Itachi!“ rief sie, als sie ihn erreichte, und sank neben ihm auf die Knie. Pain durfte auf keinen Fall Itachis Tränen sehen! Mit dem Tuch, das Itachi getragen hatte und dass sie an seinen klatschnassen Haaren anfeuchtete, wischte sie ihm das Blut aus dem Gesicht. Von seinen Wimpern bekam sie es nicht richtig ab, aber im Dunkeln würde es vielleicht nicht so sehr auffallen.

„Warum ist er eigentlich bewusstlos?“ fragte Pain.

„Er ist total erschöpft. Wahrscheinlich ist er seit Tagen ohne Pause unterwegs gewesen.“ antwortete Konan.

„Was ist denn das in seinen Wimpern?“

„Verdammt!“ dachte Konan, „du mit deinen Rinnegan siehst aber auch alles!“

„Keine Ahnung.“ log sie.

„Es sieht aus wie Blut.“ bemerkte Pain, „vielleicht wegen seiner Augen. Das soll bei den Uchiha öfter vorkommen.“

„Jetzt quatsch nicht so viel, sondern hol die Krankenschwester! Ich versuch jetzt, Itachi aufzuwecken.“ zischte Konan.

Pain tat einfach, was Konan ihm sagte. Ihm fiel nichts Besseres ein. Außerdem nützte Itachi ihm nichts, wenn er krank war. Das Hauptquartier verfügte über eine Krankenstation, in der eine junge Heilerin arbeitete. Sie hieß Sayu und kannte sich wegen ihrer Arbeit hier besonders gut mit ungewöhnlichen und starken Jutsu und der Behebung solcher Schäden aus.

Konan kam sich zuerst furchtbar hilflos vor. Itachis Haut war immer noch nass vom Regen und eiskalt. Die Bettdecke half kaum etwas. Den ganzen Tag regnete es schon und Itachi war schutzlos draußen gewesen. Er hatte vielleicht seit Tagen nichts mehr gegessen und womöglich auch nicht geschlafen. Im gesunden Zustand kam ein Elite-Ninja wie er ohne größere Probleme damit klar, aber Itachi war von Orochimaru schwer verletzt worden.

„Wach auf, Itachi! Bitte!“ Konan legte seinen Kopf wieder auf ihre Knie und streichelte sein Gesicht, bis es nicht mehr regennass und auch ein bisschen wärmer war. Sie kannte die Techniken, mit denen man durch Berührungen die Durchblutung und somit die Wärme wieder anregen konnte, aber wie bei so vielen Dingen fehlte ihr auch hier eine vollständige Ausbildung und sie wurde unsicher.

Die blutverklebten, langen Wimpern zitterten und bewegten sich leicht. Konan begann, leicht auf Itachis Wangen zu klopfen. Er musste so schnell wie möglich aufwachen! Auf keinen Fall wollte Konan, dass sie Pain noch einmal um Hilfe bitten musste, um Itachi ins Krankenzimmer zu bringen, und allein würde sie es nicht schaffen.

„Konan…“ flüsterte Itachi. Er öffnete seine Augen ein wenig. Sie waren schwarz, doch mit einer Spur Grau, die irgendwie blind wirkte.

„Ich bin hier.“ sagte Konan und legte ihre Hand auf seine Stirn.

„Vielleicht hat er sein Stirnband Im Dorf lassen müssen, als er ging?“ dachte sie, „dann mach ich ihm hier ein neues.“

„Konan.“ sagte Pain hinter ihr, „ist er wach?“

„Ja.“ sie drehte sich zu Pain um, dann sah sie Itachi an, „kannst du aufstehen und gehen?“

Itachi nickte schwach. Er setzte sich langsam auf und Konan sammelte ihre ganze Kraft, um ihn zu stützen.

„Leg deinen Arm um meine Schultern. Ich halte dich.“ versprach sie.

Itachi legte seine Arme um Konan, sie zog ihn hoch und ließ dabei etwas von ihrem Chakra in seinen Körper fließen.

Pain ging zu den anderen Mitgliedern, um sie zu informieren. Er wusste nicht, warum Itachi hier so krank und schwach ankam, aber er vertraute Konan, dass sie ihn wieder auf die Beine brachte, denn so etwas konnte sie gut.

Sayu hatte schon das Licht und die Heizung in der Krankenstation eingeschaltet. Im Raum war es warm, als Konan mit Itachi hereinkam. Sie stützte ihn noch, bis er sich erschöpft auf das Krankenbett sinken ließ. Er wusste, dass er jetzt bei Konan war, dem Mädchen, das er trotz der flüchtigen ersten Begegnung liebte. Trotzdem fühlte Itachi sich leblos. Es war, als wäre ein Stück seines Herzens gestorben oder zumindest im Koma. Das einzige lebendige Gefühl war der Schmerz, den der Riss in seiner Seele in seinem Herzen verursachte.

Kaum hatten seine Gedanken den Riss gestreift, spürte er ihn wieder deutlicher. Automatisch fuhr seine linke rechte Hand zu seinem Herzen. Konan sah ihn besorgt an.

„Mach dir… keine Sorgen… Es tut nur… weh.“ keuchte Itachi. Dann wurde es wieder schwarz vor seinen Augen.

Konan war wieder erstarrt, sah Itachi wie in einem vorbeiziehenden Film ins weiße Bettzeug sinken, starrte auf seine Hand, die er sich aufs Herz gedrückt hatte und konnte sich einfach nicht bewegen. So gern hätte sie ihn in ihre Arme genommen! Doch dann erinnerte sie sich daran, was sie sich vorgenommen hatte: stark zu sein für ihn.

Sayu war in einen anderen Raum gegangen und jetzt war Konan allein mit Itachi. Sie schob ihn weiter auf das Bett, zog ihm vorsichtig die Schuhe aus, wobei sie die Verletzung an seinem Knöchel bemerkte, und deckte ihn mit einer der Decken zu, die über der warmen Heizung hingen. Dann schob sie seine Hand weg, öffnete seine Jacke und zog sie ihm, so gut es ging, aus. Eine Erkältung oder gar eine Lungenentzündung wegen nasser Klamotten war wohl das Letzte, was Itachi gebrauchen konnte. Konan schob Itachis T-Shirt hoch. Irgendwas stimmte mit seinem Herzen nicht. Vor zwei Jahren hatte er vollkommen gesund gewirkt, also musste diese Verletzung auch neu sein.

Konan streckte langsam die Hand aus. Sie wollte Itachis Herzschlag spüren, wissen, ob er regelmäßig war. Als sie ihn berührte, seinen Körper unter ihrer Hand spürte, überlief sie ein warmer Schauer. Es war ein schönes Gefühl, aber Konan konnte es in diesem Moment nicht genießen. Sie kämpfte das plötzliche Verlangen danach, Itachi in ihre Arme zu nehmen, nieder und konzentrierte sich auf seinen Herzrhythmus: es schlug schwach, aber gleichmäßig, wenn es auch ein wenig so schien, dass es einige kurze Aussetzer hatte.

Konan mochte sich gar nicht vorstellen, was Itachi in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Und wenn Sasori Recht hatte und Orochimaru an Itachis Leid schuld war, hatte sich wieder gezeigt, was Konan schon immer gewusst hatte: dass Orochimaru überall, wo er hinkam, nur Leid und Zerstörung anrichtete, sich in das Leben anderer einmischte und es zerstörte.

Konan deckte Itachi bis zum Kinn zu und hängte seine Jacke auf die Heizung. In dem Moment kam Sayu zurück.

„Mach dir keine Sorgen, Konan. Er ist nur erschöpft, denke ich.“ sagte sie.

„Ich glaube, irgendwas ist mit seinem Herzen.“

„Gut, dass du mir das sagst. Ich werde ihn untersuchen und dann geht es ihm bestimmt bald wieder besser.“

„Ja. Hoffentlich.“ seufzte Konan.

„Kennst du ihn?“ fragte Sayu plötzlich, „ich hab den Eindruck, dass er dir sehr wichtig ist.“

„Behalt das bitte für dich!“ erwiderte Konan, „sag das niemandem, auch nicht Pain. Darüber darfst du nur mit mir und Sasori sprechen!“

„Es stimmt also? Du magst diesen Jungen?“ Sayu machte ganz große Augen.

„Ja, tu ich. Sogar sehr. Das ist Itachi Uchiha, ein Ninja aus Konoha, den ich vor zwei Jahren kennengelernt habe. Wie gesagt, behalt das für dich!“ flüsterte Konan, „so, wie Pain drauf ist und so.“

„Hab schon verstanden. Von mir erfährt es keiner.“ versprach Sayu.

„Sonst bist du fällig. Und jetzt gib dein bestes und mach Itachi gesund!“ Konan war so ungeduldig, dass ihre Stimme einen scharfen Klang bekam.

„Versprochen, ich tu, was ich kann! Aber es wäre besser, wenn du draußen wartest.“ sagte Sayu und schob Konan sanft, aber bestimmt aus dem Raum.

Draußen, auf dem ewig dunklen Flur, warteten Pain und Sasori auf sie.

„Und?“ fragte Pain, „was ist jetzt?“

„Lass mich in Ruhe!“ fauchte Konan, „du hättest wirklich mehr helfen können!“

„Wie geht es Itachi?“ wollte Sasori wissen. Im Gegensatz zu Pain schien es ihn wirklich zu interessieren.

„Wie soll’s ihm schon gehen? Er ist wieder bewusstlos.“ Konan ließ sich an der Wand auf den Boden sinken.

„Warum?“ fragte Pain und klang immer noch irgendwie teilnahmslos.

„Was weiß ich denn?! Er war bei diesem Wetter tagelang allein unterwegs, da ist er eben erschöpft.“ Konan wollte Pain auf keinen Fall sagen, was sie wegen Itachis Herzen befürchtete und dass er eine seltsame Fluchnarbe am Hals hatte. Pain würde nichts davon richtig verstehen.

„Was hat Sayu gesagt, wann es ihm besser geht?“ fragte Sasori.

„Sie hat nur gesagt, dass sie ihn jetzt untersucht. Wann er wieder gesund wird, weiß sie noch nicht.“

„Wartest du jetzt hier?“ wollte Sasori weiter wissen.

„Ja.“ sagte Konan, „du und der verblendete Idiot, ihr könnt gehen.“

Sie wartete eine Stunde da auf dem dunklen Flur, nur wenige Schritte von ihrem Zimmer entfernt. Es war die angespannteste Warterei ihres Lebens, zumindest des Lebens, an das sie sich erinnern konnte. Immer wieder stand sie auf, ging hin und her und bemerkte, dass etwas von Sasoris Ungeduld auf sie abgefärbt hatte.

Während Konan draußen wartete, ließ Itachi Sayus Untersuchung teilnahmslos über sich ergehen. Sie tastete seine Knochen ab, stellte fest, dass sein Fuß, mit dem er an der Wurzel hängen geblieben war, verstaucht war und verband die Kratzer an seiner Hand mit weißen Verbänden. Als sie das Juin berührte, spürte er nichts, es war vollkommen taub. Deshalb bemerkte er die Spritze auch nicht, mit der sie ihm Blut abnahm. Als sie die Blutprobe, die er allerdings nicht sah, an der Arbeitsfläche untersuchte und ihm den Rücken zudrehte, sah er sie an. Sayu war nur wenig älter als er, hatte fast bodenlanges, dunkelbraunes Haar und trug weiße Kleidung. Sie ähnelte Yuki ein wenig, so, wie sie ihn ansah.

„Das ist ja ein interessantes Jutsu.“ sagte sie leise, mehr zu sich selbst, „sowas hab selbst ich noch nie gesehen.“ sie fragte ihn aber nicht, was für ein Jutsu das war und Itachi war es auch egal. Er ahnte, dass sie Shiawase-no-Jutsu meinte.

Dann gab Sayu ihm ein Beruhigungsmittel und er schlief schnell wieder ein. Der Schlaf brachte ein wenig Erholung.

Konan hatte sich wieder an die Wand gesetzt, als Sayu die Tür öffnete.

„Wie geht es Itachi?“ fragte sie und sprang auf.

„Er schläft jetzt. Kurz nachdem du gegangen bist, ist er aufgewacht, aber ich habe ihm eben ein Beruhigungsmittel gegeben. Er hat keine wirkliche Krankheit, aber er ist sehr erschöpft und unterkühlt. Sein Chakra ist komplett aufgebraucht und er hat eine ganze Menge Schlangengift im Körper. Das Schwarze an seinem Hals, das sieht aus wie ein Juin, das abgeblockt wurde. Da war ein ganz besonderes Jutsu im Spiel, eines, mit dem man Glück in Lebensenergie und Chakra umwandeln kann.“ berichtete Sayu.

„Und seine Augen?“

„Er hat seit einer Weile die Kaleidoskop-Sharingan. Die schlagen auf seine Sehkraft. Und eine Ader hinter seine Augen ist ziemlich instabil. Sobald er seine Sharingan verwendet, nicht nur aktiviert, sondern wirklich benutzt, kann diese Ader reißen und dann bluten seine Augen. Es gibt Augentropfen, die das zumindest kurzfristig in den Griff bekommen, aber die sind nicht so einfach zu finden. Außerdem kann es passieren, dass seine Augen zu bluten anfangen, wenn er seine Sharingan aktiviert und in dem Moment zusätzlich erschöpft ist oder unter großem Druck steht.“

„Was ist mit seinem Herzen?“ diese Frage hatte Konan die ganze letzte Stunde beschäftigt. Sie war in Gedanken ihre Erinnerungen an Itachi vor zwei Jahren durchgegangen, hatte aber keinen Hinweis darauf gefunden, dass damals irgendwas mit Itachis Herzen nicht in Ordnung gewesen war.

„Das kann ich auch nicht erklären. Es schlägt zwar etwas langsamer als gewöhnlich, das liegt wohl daran, dass er einfach so erschöpft ist. Er ist jedenfalls nicht herzkrank oder so. Allerdings ist da dieses Jutsu. Es könnte sein, dass sich seine seelischen Verletzungen, die er ohne Zweifel hat, in körperlichen Schmerzen ausdrücken. So etwas kommt besonders bei hoch sensiblen Menschen vor und das ist er ganz sicher. Ich hab da so eine Theorie: wenn die Umstände gut sind, geht es ihm auch gut. Aber wenn ihn ein Schicksalsschlag trifft, kehrt sich dieses seltsame Jutsu gegen ihn und dann hat er schlimme Schmerzen, obwohl er organisch gesund ist. Er bestraft sich sozusagen selbst. Hat er irgendwas getan, das nicht in seine Wertevorstellung passt und ist deshalb jemand wütend auf ihn?“

„Ja.“ mehr wollte Konan dazu sicherheitshalber nicht sagen.

„Dann passt alles zusammen. Er wird jetzt von dem Hass heimgesucht, den er verursacht hat.“

Konan dachte an Sasuke. „Das heißt aber ja, dass Itachis Herz eigentlich okay ist?“ fragte sie.

„Im körperlichen Sinn schon. Aber seine Seele ist alles andere als okay und an ihr hängt seine ganze Lebenskraft. Ich bin keine Psychologin, ich kann ihm da nicht viel helfen.“ gestand Sayu.

„Kann ich etwas tun?“

„Ja. Ich glaube, du bist sogar die Einzige, die ihm jetzt wirklich helfen kann, Konan. Sei für ihn da, zeig ihm, dass du ihn liebst und gib ihm ab und zu etwas von deiner Kraft ab.“ sagte Sayu.

„Hat er was gesagt?“ fragte Konan.

„Nein. Kein Wort, keinen Ton, gar nichts. Das könnte am Schock liegen, so ähnlich wie die Herzschmerzen.“

„Kann ich zu ihm?“

„Nein. Er muss sich jetzt wirklich ausruhen und ich weiß nicht, wie ein derartig sensibler Mensch selbst im Schlaf auf Reize reagiert.“ es war Sayu anzusehen, dass es ihr leidtat, Konan abzuweisen.

Konan ging in Richtung ihres Zimmers davon. Sayus Bericht hatte sie nicht beruhigt, obwohl sie jetzt wusste, was Itachi hatte. Es ging ihm wirklich schlecht und Konan machte sich große Sorgen um ihn. Sie würde Sayus Rat befolgen. Ab sofort wollte sie für Itachi da sein, alles tun, damit es ihm gut ging und ihr Chakra mit ihm teilen. Er sollte sich bei ihr geliebt fühlen und so glücklich werden, wie es in dieser Umgebung möglich war.

Plötzlich bemerkte Konan, dass Pain hinter ihr stand.

„Was willst du schon wieder?“ fauchte sie ihn an. Konnte er sie nicht einfach mal in Ruhe lassen?

„Dieser Typ aus Konoha Gakure, den kennst du doch schon länger. Hast du ihn kennengelernt, als du dort warst?“ fragte Pain.

„Was geht dich das an, wen ich kenne? Ich bin sechzehn! Du kannst mir nicht immer alles vorschreiben!“ Konan hatte jetzt wirklich keine Lust, mit Pain zu streiten. Sie wollte ihre Ruhe haben.

„Du bist Mitglied der Akatsuki-Organisation. Da kannst du nicht einfach jemanden von außen kennenlernen! Du hast Glück, dass er jetzt hier ist. Was, wenn einer von deinen Freunden außerhalb Informationen über uns an die Versteckten Dörfer weitergibt?“

„Ich hab damals in Konoha kein Wort mit ihm gesprochen. Und jetzt lass mich in Ruhe!“ Konan wollte die Tür ihres Zimmers schließen, aber Pain schob seinen Fuß in den Spalt zwischen Tür und Rahmen.

„Du unterstützt mich doch?“ fragte er, „oder nicht?“

„Nein. Nicht, wenn du weiter Kontakt zu Orochimaru aufnimmst. Ich hasse ihn!“

„Begreif das endlich, Konan: wir stehen auf derselben Seite wie er, gegen die Versteckten Dörfer.“

„Und ich tu trotzdem, was ich will! Hör mit jetzt gut zu, Nagato: ich lass mir von dir nichts mehr vorschreiben! Nicht, wenn du mir weiterhin nur deine Ideologie eintrichtern willst!“ und mit diesen Worten schob Konan Pains Fuß weg und knallte die Tür zu, „verspiel mich nicht!“

„Warum tut sie das?“ dachte Pain, „warum lehnt sie sich so auf und nennt mich immer wieder Nagato?“ er wehrte sich dagegen, über Konans Worte nachdenken zu müssen. Sie war für ihn immer noch dasselbe Mädchen wie vor drei Jahren. Es konnte doch nicht sein, dass sie schon sechzehn war! Vielleicht gelang es ihm, das noch eine ganze Weile lang auszublenden?

Konan machte sich an die letzten Arbeiten für Itachis Akatsuki-Uniform. Es fehlten noch der Hut und der Nagellack.

„Welche Farbe passt denn zu ihm?“ fragte sie sich vor dem Vorratsschrank, „es muss eine sein, die zu seinen Händen passt. Er hat schöne Hände. Nagellack könnte ihm sehr gut stehen.“

Es waren nur zwei Fläschchen mit grünem, vier mit orangem und drei mit dem noch unbesetzten lila Nagellack da. Konan stellte sich Itachis Hände vor. Sie waren wirklich schön: stark und sanft zugleich, mit gepflegten Nägeln. Aber Konan kam nicht umhin, an die vielen blutigen Kratzer zu denken, von denen bestimmt einige Narben hinterlassen würden.

Sie schloss die Augen und hoffte aus irgendeinem Grund auf eine Eingebung, obwohl ziemlich klar war, dass Lila als einzige noch unbesetzte Farbe die beste Wahl war. Die Eingebung kam sogar. Konan sah Itachis Hände verheilt und unverletzt vor sich, mit lila Fingernägeln. Die Farbe passte zu ihm. Konan nahm eins der Fläschchen und legte es auf den schwarz-roten Kleiderstapel auf ihrem Arbeitstisch. Dabei fiel ihr ein, dass der Ring noch kein Schriftzeichen hatte. Das Kanji bestimmte jedes Mitglied selbst, so stand es in den Regeln, auf die Pain sich so oft berief und nach denen das Leben hier seiner Vorstellung nach ablaufen sollte.

Itachis Ring würde eine schöne Bedeutung bekommen, die zu ihm passte. Konan nahm sich einen Hut, Bänder und die Schachtel mit den klingelnden Perlen vor. Sie wählte die schönsten Exemplare aus. Als sie die Bänder und den Perlenanhänger angenäht hatte, ging sie auf den Flur hinaus. Am Tor musste noch Itachis Tasche stehen. Sie war heruntergefallen, als er gestürzt war.

Konan nahm die graue Umhängetasche mit in ihr Zimmer. Dort konnte sie trocknen. Öffnen und ausräumen wollte Konan die Tasche nicht. Vielleicht wollte Itachi nicht, dass sie an seine Sachen ging.

Morgen würde sie ins Krankenzimmer gehen und ihn besuchen. Als sie sich ins Bett legte, hörte sie, dass der Regen draußen für eine Weile aufgehört hatte. Sie nahm wieder eine Schlaftablette und schlief bald ein.

Das gerissene Herz

Am nächsten Morgen schien die Sonne. Das kam im Hauptquartier selten genug vor. Aber die Sonne schien manchmal zu wissen, wann sie gebraucht wurde, um die Stimmung mit Wärme und Licht zu heben und Menschen etwas glücklicher zu machen, die es brauchten.

Ein Sonnenstrahl fiel durch Konans Fenster und kitzelte ihre Nase. Sie schnupperte und glaubte noch im Traum, das Sonnenlicht riechen zu können. Der Sonnenstrahl wanderte weiter und traf einen Papierschmetterling auf Konans Nachtschrank, der losflatterte und auf ihrer Nase landete.

„Ha-ha-haatschii!“

Der Schmetterling flatterte wieder hoch und tanzte eine Weile im Licht, bis er sich wieder auf den Nachtschrank setzte, wo er seine Flügel anmutig auseinander- und zusammenklappte.

Konan streckte sich und gähnte. Sie hatte gut geschlafen und das Sonnenlicht hob wie immer ihre Stimmung. So war es schon immer gewesen: wenn die Sonne schien, ging es Konan grundsätzlich besser als sonst. Das war auch einer der Gründe, warum sie so gern mit Sasori unterwegs war, denn es ging immer dahin, wo die Sonne schien.

Sie stand auf und zog sich an. Es war wärmer als sonst im Zimmer, was wahrscheinlich an der Sonne lag. Nachdem sie sich fertig angezogen hatte, öffnete sie die Fenster, um noch mehr Licht hereinzulassen. Sie atmete die frische Luft ein, die hereinströmte und stellte fest, dass sie die Fenster schon lange nicht mehr offen gehabt hatte. Es regnete ja meistens.

Konan beugte sich aus dem Fenster und blickte in Richtung der Halle. Die Fenster von Pains Zimmer waren verschlossen und die Rollläden heruntergelassen. Manchmal glaubte Konan, dass Pain die Sonne hasste. Er blieb grundsätzlich drinnen, wenn die Sonne schien und oft sogar, wenn es einfach nur bewölkt war. Vielleicht hing das damit zusammen, dass er sich im Gegensatz zu Konan noch an seine Kindheit im kriegszerstörten Ame Gakure erinnern konnte.

„Er ist selbst schuld, wenn er nicht rausgeht bei Sonnenschein. Da muss er sich nicht wundern, wenn er so blass ist und miese Laune hat.“ sagte Konan sich und begann, den nun deutlich sichtbaren Staub auf den Möbeln nach draußen zu scheuchen. Dabei bemerkte sie wieder den Kleiderstapel auf ihrem Arbeitstisch. Und alles, was gestern passiert war, fiel ihr wieder ein:

Itachi war hier, er hatte seine Heimat und seine Familie verloren und Konan war sein letzter Halt. Er lag jetzt im Krankenzimmer und sie hatte sich gestern vorgenommen, ihn heute zu besuchen.

Konans sonnige Laune bekam einen Dämpfer, als sie Itachis blasses, kaltes und von Blutspuren gezeichnetes Gesicht in Gedanken vor sich sah. Noch wusste sie nicht genau, was in Konoha passiert war, aber in einer Sache war sie sich ganz sicher: Itachi hatte seine Eltern nicht umgebracht. Zu so etwas war er gar nicht fähig, hochsensibel wie er war. Und dieser Gefolgsninja von Sasori hatte ein Portal gesehen. Diesen Gedanken musste Konan nur zu Ende denken: Vielleicht hatte Itachi seine Familie versteckt, um sie vor Orochimaru zu schützen.

Aber warum war Sasuke allein zurückgeblieben, allein und im Glauben, sein Bruder hätte die ganze Familie auf dem Gewissen?

Konan schloss die Fenster wieder und holte eine Dose mit Keksen aus dem Schrank. Gestern war sie gar nicht zum Essen gekommen und jetzt hatte sie irgendwie keine Lust, etwas auf dem kleinen Herd in ihrem Zimmer zu kochen. Sie machte sich eine Tasse Grünen Tee und aß die Kekse auf.

Eigentlich wollte sie jetzt mit Sasori reden, aber als sie zu seinem Zimmer kam, war er nicht da. Er trieb sich bei diesem guten Wetter wahrscheinlich irgendwo draußen herum. Weil Sasori aus dem sonnigen Wüstendorf Suna Gakure kam, mochte er Sonnenlicht. Auch, wenn es gar nicht richtig durch Hirukos Panzer zu ihm durchkam. Sasori war nicht da, also beschloss Konan, den Krankenbesuch bei Itachi jetzt schon zu machen.

Vor dem Krankenzimmer traf sie Sayu.

„Guten Morgen, Konan.“ Sayu lächelte freundlich. Das schöne Wetter schien auch auf sie eine positive Wirkung zu haben.

„Wie geht es Itachi?“ fragte Konan.

„Er schläft noch. Aber wenn du leise bist, kannst du gern schon mal zu ihm gehen. Ich denke, er wacht bald auf.“ antwortete Sayu. sie öffnete die Tür und Konan betrat das Krankenzimmer.

Auch hier war es heute ungewöhnlich hell und warm. Die Wände und Möbel waren weiß und strahlten im Sonnenlicht.

Itachi lag mit geschlossenen Augen im Bett. Sein schwarzes Haar glänzte in der Sonne und auch seine Wimpern schimmerten. Es war kaum noch eine Spur von Blut an ihnen zu sehen, wahrscheinlich hatte Sayu es sorgfältig und vorsichtig abgewischt. Im Licht sah Itachi weit weniger krank aus als gestern im Dunkeln und mit Blut im Gesicht. Seine linke Hand, die so schlimm verkratzt gewesen war, hatte Sayu mit sauberen, weißen Binden umwickelt.

Konan setzte sich auf den Stuhl, der am Bett stand. Eine Weile sah sie Itachi nur an, dann nahm sie seine rechte Hand, die nur ein paar kleine Kratzer hatte. Sie fühlte sich nicht mehr so kalt an wie gestern. Konan betrachtete Itachis kurzen, gepflegten Fingernägel und fand, dass sie mit lila Nagellack eine gute Wahl getroffen hatte. Neben ihr auf dem Tisch stand ein Teller, auf dem ein paar Brote, Reis und einige Stücke Yakitori lagen. Bestimmt hatte Sayu das da hingestellt, damit Itachi etwas essen konnte, sobald er aufwachte. Aber Konan hatte so eine Ahnung, dass er nichts essen wollen würde.

Eine halbe Stunde lang saß Konan an Itachis Bett, hielt seine Hand und hoffte, dass er bald aufwachte. Sayu hatte zwar gesagt, dass er schnell aufwachen würde, aber auch eine Heilerin irrte sich manchmal.

Konan fiel wieder auf, wie gut Itachi aussah. Sie musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht eine Strähne seines langen, schwarzen Haars zwischen die Finger zu nehmen oder sein Gesicht zu berühren.

Natürlich hatte sie die Gerüchte über den Uchiha-Clan gehört: das sei eine große, alte Familie, die fast ausnahmslos aus gutaussehenden, talentierten Ninjas bestand, die alle felsenfest zusammenhielten.

Diesen Eindruck hatte sie auch in Konoha gehabt. Deshalb war sie hundertprozentig sicher, dass niemand in diesem Clan seine Verwandten töten konnte. Und schon gar nicht Itachi.

Sie war schon kurz davor, wieder in ihr Zimmer zurückzugehen, als Itachis Wimpern zu zittern anfingen. Das war wohl ein sicheres Zeichen, dass er aufwachte. Konan rückte ihren Stuhl näher ans Bett und nahm wieder Itachis Hand mit ihren beiden Händen. Er blinzelte zweimal, dann öffnete er seine Augen und sah Konan an. Seine Augen waren genauso grauschwarz wie gestern, aber es war ein bisschen Leben in sie zurückgekehrt. Allerdings sah er noch immer todtraurig aus.

„Geht’s dir besser?“ fragte Konan.

„Ist doch egal.“ antwortete Itachi. Seine Stimme war nur ein leises, lebloses Flüstern.

„Nein, Itachi, das ist es ganz und gar nicht! Mir ist es nämlich nicht egal. Hör zu, du musst was essen, damit du wieder zu Kräften kommst.“ Konan hielt ihm den Teller hin. Aber Itachi hob die verbundene Hand und schob den Teller weg.

„Möchtest du was anderes essen?“ fragte Konan, fest entschlossen, nicht aufzugeben.

Itachi schüttelte den Kopf.

„Gut, dann eben später. Aber du musst was trinken. Magst du Tee oder Wasser?“

„Nichts.“ sagte Itachi leise, „du musst dir wegen mir keine Mühe machen.“

„Ich will jetzt, dass du was trinkst. Wenn du keinen Tee möchtest, geb ich dir ein Glas Wasser oder was du magst.“ beharrte Konan, „du setzt dich jetzt erstmal richtig hin und dann geb ich nicht eher auf, bis du was getrunken und gegessen hast.“

Mit wenigen Handgriffen hatte sie das Bett so eingestellt, dass das Kopfteil schräg stand. Itachi musste sich gerade aufsetzen, ob er wollte oder nicht, und Konan nutzte das, um sein Kopfkissen aufzuschütteln. Sie hatte seine Hand loslassen müssen und jetzt ein seltsames Gefühl von Vertrautheit in den Handflächen.

„Ich mach dir einfach Tee. Wasser hat ja keine Nährstoffe.“ sagte sie. Vor zwei Jahren im Teehaus in Konoha hatte sie gesehen, dass Itachi Grünen Tee mochte. Sie ging zum Schrank auf der anderen Seite des Bettes. Dort stand ein Wasserkocher mit der Teedose. Als der Tee lauwarm und fertig war, füllte sie ihn in eine Tasse, obwohl diese Art Tee eigentlich in einen traditionellen Becher gehörte. Konan setzte sich wieder auf den Platz neben dem Bett und hielt Itachi die Tasse hin.

„Trink das. Es ist Grüntee und er ist schön warm.“ sagte sie.

Itachi wollte wieder den Kopf schütteln, aber Konan ließ ihn gar nicht dazu kommen. Sie hielt ihm die Tasse an die Lippen und er musste einfach schlucken.

„Siehst du, ist doch gar kein Problem. Und jetzt iss was.“ Konan lächelte Itachi an. Sie hielt ihm den Teller hin.

Itachi sah das Yakitori und schüttelte wieder den Kopf.

„Dann trink erst den Tee aus.“

Konan wirkte so bestimmt. Itachi hatte nicht mehr genug Kraft, um ihr zu widerstehen, wenn sie ihn so ausdauernd zwang. Obwohl er nichts für sich selbst tun wollte (wie zum Beispiel essen), konnte er ihrer Bestimmtheit und ihrem süßen Lächeln kaum etwas entgegensetzen. Sie schien sich gern um ihn zu kümmern, obwohl er selbst fand, dass er diesen Aufwand nun wirklich nicht wert war, so, wie er sich allgemein ziemlich wertlos fühlte und der Riss weiter schmerzte. Aber es schien Konan sehr wichtig zu sein, dass er jetzt diese Tasse leertrank, deshalb tat er es schließlich.

„Warum tust du das für mich?“ fragte er dann.

Konan hätte fast „Weil ich dich liebe.“ geantwortet, wollte das aber noch nicht so einfach sagen, konnte es im letzten Moment runterschlucken und sagte stattdessen: „Weil ich will, dass du bald wieder gesund wirst und zu Kräften kommst. Ich kann nicht daneben stehen, wenn du dich tothungern willst.“ sie streckte ihm den Teller noch nachdrücklicher entgegen, „du willst doch nicht, dass ich mir Sorgen um dich mache, oder?“

„Natürlich nicht.“ sagte Itachi und sah verlegen auf seine Hände.

„Dann iss!“ Konan lächelte wieder.

„Ich… ich kann kein Fleisch essen…“ sagte Itachi ganz leise.

„Okay, dann nimm nur das Brot und den Reis, aber iss was!“ Konan legte das Yakitori auf einen anderen Teller, der daneben stand. Dann stellte sie den Teller mit dem Reis vor Itachi auf die Bettdecke. Dabei sah sie ihn so lieb an, dass sich ein bisschen Wärme um sein Herz herum ausbreitete.

„Konan, du bist süß, weißt du das?“ sagte er und dachte: „Sie mag mich auch. Ihr Blick damals war genau wie meiner.“

Konan erinnerte sich daran, was Sasori gesagt hatte: „Es könnte sein, dass du die letzte Bezugsperson bist, die er auf dieser Welt noch hat.“ und das, was sie danach gedacht hatte: „Er kennt meinen Namen, weiß, wo ich bin. Vielleicht mag er mich. Ich bin seine letzte Hoffnung. Es liegt jetzt bei mir.“

Während Konan so in Gedanken gewesen war, hatte Itachi ein paar Bissen von dem dunklen Brot genommen. Sein Blick war ins Leere gefallen, er hatte sich nicht getraut, Konan anzusehen. Itachis Selbstwertgefühl war vollkommen am Boden. Es war ja noch nie besonders stark gewesen, aber jetzt war es völlig zerstört. Er fühlte sich weder wirklich lebenswert, noch wertvoll genug, um geliebt zu werden. Der Riss in seiner Seelen ließ wieder sein Herz schmerzen und Itachis Hände zitterten so, dass ihm das Stück Brot aus der Hand fiel. Er begann, tief ein- und auszuatmen, um diesen Schmerz zu betäuben. Das Juin fühlte sich nicht mehr taub an, sondern so, als würde eine heiße Nadel hineingestochen. Entweder war es taub, oder es stach. Shiawase-no-Jutsu war noch immer aktiv und trug ihm weiterhin Sasukes Wut und Hass zu. Die freundliche Wärme, die von Konan ausging, war nicht stark genug, um das zu überdecken.

Konan sah, wie Itachis grauschwarzen Augen sich mit Tränen füllten. Doch dieses Mal wollte sie nicht wie versteinert neben ihm sitzen und tatenlos zusehen, wie er zusammenbrach. Sie beugte sich vor, setzte sich auf die Bettkante und nahm Itachi in ihre Arme. Beruhigend und liebevoll strich sie ihm mit den Händen über den Rücken und sagte: „Ich bin ja da. Es wird alles wieder gut. Du darfst meine Sachen ruhig nassweinen, das ist vollkommen okay. Ich bin da, ich halte dich, es wird alles wieder gut werden.“

Sie spürte, wie Itachis Körper in ihren Armen zitterte und umarmte ihn fester. Er sollte ganz sicher sein, dass sie bei ihm und für ihn da war.

„Danke, Konan.“ flüsterte Itachi mit tränenerstickter Stimme.

„Hey, ich tu das gern. Ich bin für dich da. Ab jetzt kannst du dich ganz auf mich verlassen.“ erwiderte Konan und lächelte wieder.

Es dauerte noch eine Weile, bis Itachi sich wieder beruhigt hatte. Konan stellte das Kopfteil des Bettes wieder gerade, Itachi legte sich hin und war dann bald eingeschlafen. Er würde sich noch ein paar Tage ausruhen müssen und viel zu schlafen war wichtig, damit er sich erholte und es ihm bald etwas besser ging.

Konan stand auf und ging hinaus. Als sie auf den Flur kam, sah sie Sayu mit Pain auf sich zu kommen.

„Wie geht es Itachi?“ fragte Sayu.

„Er hat ein bisschen von dem Brot gegessen und ich hab ihm Tee gemacht. Jetzt schläft er wieder.“ sagte Konan.

„Hat er gesprochen?“ wollte Sayu wissen.

„Ja, ein bisschen.“

„Konan, ich hab was mit dir zu besprechen.“ sagte Pain. Dann bemerkte er den nassen Fleck an Konans Schulter.

„Was ist denn das?“ fragte er.

„Ich hab für Itachi eine Tasse Tee gemacht. Und du weißt doch sicher, wie dieser Kocher manchmal rumspinnt, so oft, wie du im Krankenzimmer bist, um dir wieder ein neues Piercing zu verpassen.“ antwortete sie und kreuzte die Finger im Schutz ihres Mantelärmels.

„Es riecht aber irgendwie gar nicht nach Tee.“ stellte Pain fest.

„Ist ja auch nur Wasser.“ sagte Konan. Pain durfte auf keinen Fall wissen, dass Itachi geweint hatte. Wenn er das rausbekam, würden er und die anderen wahrscheinlich auch noch auf Itachi herumhacken.

„Pain, ich will, dass du Itachi erstmal in Ruhe lässt. Sasori und ich werden uns um ihn kümmern. Und sag den Anderen auch, dass sie ihn nicht ansprechen sollen oder so.“ Konan machte eine kurze Pause und sah, das Pain das, was sie ihm gerade sagte, nicht gefiel und er sich nicht daran halten wollte. Also zog sie eine Masche durch, die eigentlich ziemlich gemein war: „Du willst doch, dass ich dich mag, oder? Dann hör mir einmal zu: Du und deine Typen, ihr lasst Itachi in Ruhe, kapiert? Sonst habe ich dich nie, nie wieder gern!“ zischte sie und sah Pain drohend und zugleich mit diesem kindischen, schimmeräugigen Blick, den er so mochte, an.

„Ich will sie wirklich nicht verlieren.“ dachte er, „ich werde mich wohl ein bisschen zurückhalten müssen.“

Konan behielt den fiesen Blick bei, als sie fortfuhr: „Glaub mir, du hast keine Ahnung, was Itachi jetzt am meisten braucht, denn davon verstehst du nichts. Aber du kannst ja Orochimaru, wenn du ihn mal wieder triffst, fragen, was er mit Itachi gemacht hat.“

In diesem Moment hüpfte Tobi an ihnen vorbei. Er hatte sich eine Kette aus Kunstblumen um den Hals gehängt, trug ein gelbes Plüschküken vor sich her und rief: „Hallihallo! Einen wuuuuuunderschööönen guten Moooorgen euch alleeeen! Tobi geht jetzt spiiiieeleen!“ er hielt Konan eine Tüte hin, die klebriges Popcorn enthielt, „will Konan was zu Naschen haben? Und Sayu? War schööööön im Kiiiinoooo!“

„Letzte Woche hab ich ihn ins Kino begleitet.“ flüsterte Sayu in Konans Ohr.

„Willst du was?“ fragte Tobi nochmal und hielt Konan die Tüte unter die Nase.

„Nein danke, ich hab schon gegessen.“ sie lächelte verlegen.

Daraufhin klebte Tobi dem Plüschküken das klebrige Popcorn an den Schnabel und hüpfte weiter. Er summte irgendein Kinderlied und redete in ungleichmäßiger Lautstärke vor sich hin: „Tobi is ein fröhlicher Junge, ein gaaanz gutes Kind, jawohl! Ma, ma, ma, was? Was is’n das für’n komisches Wort, das Madara? Bin ich das, oder wa? Nee, Tobi is‘ ne süße Möhre, das weiß er, Möhren sind orange. Und gut für Augen.“

Manchmal fragte Konan sich, wo Tobi eigentlich herkam. Aber mehr als „Ich bin in so komische Wald aus welche Bäume gewesen.“ war aus ihm nicht herauszukriegen. Und Wälder aus Bäumen gab es bekanntlich mehr als genug.

„Ich geh jetzt zu Sasori.“ sagte Konan, warf Pain einen ziemlich giftigen Blick zu und ging davon.

Pain verstand Konan mit jedem Tag weniger. Und seit Itachi da war, schien Konan nur noch an ihn zu denken. Der Aufstand, den sie gestern in der Halle gemacht hatte, war ja längst keine Ausnahme mehr. Konan rastete in letzter Zeit so oft aus und immer, wenn Pain seine alte Freundin sah, fauchte sie ihn wegen immer derselben Sache an. Natürlich wusste er, dass sie irgendwann erwachsen werden würde, aber er war überzeugt, dass er das dadurch verzögern konnte, indem er versuchte, in ihr weiterhin die zwölf Jahre alte Konan zu sehen, die ihm noch immer treu und vertrauend folgte. Obwohl dieses Bild von ihr längst vergangen war, war es immer noch besser, als ihr zuzuhören und dadurch seinen Plan zu gefährden.

Dass Konan inzwischen nur noch auf Sasori hörte, machte die Sache auch nicht besser. Pain war sich über Sasoris Loyalität nicht ganz sicher. Irgendwie traute er ihm nicht so wie zum Beispiel Kakuzu. Sasori wurde von Konan Sensei genannt und sie verbrachte viel Zeit mit ihm. Pain war wirklich ein wenig eifersüchtig auf Sasori, aber jetzt, wo auch noch Itachi da war, fühlte er sich erst Recht verdrängt aus Konans Leben. Er sah ihr am Gesicht an, dass Itachi für sie eine besondere Bedeutung hatte. Aber was für eine war das? So einfach würde Pain Konan nicht hergeben! Irgendein Ninja aus Konoha Gakure würde ihm seine Konan nicht wegnehmen, ohne, dass Pain um sie kämpfen würde! Und dass sie ihn vor die Wahl zwischen ihr und seinen stärksten Verbündeten stellte, gefiel ihm auch nicht. Ein Mädchen von sechzehn Jahren, das sich für Mode und Origami interessierte, verstand doch nichts vom Grundproblem der Weltordnung! Sie konnte unmöglich Recht haben!

Pain wollte wieder in seine vertrauten Gedankengerüste zurückkehren und machte sich auf den Weg zu seinem Lieblingsplatz auf der großen Statue.

Währenddessen schimpfte Konan sich bei Sasori ihre Wut von der Seele. Sasori hörte ihr geduldig zu. Konan war eine der Wenigen, bei denen er ohne Ungeduld und seinen ständig wiederkehrenden Satz „Ich kann es nicht ausstehen, wenn man mich warten lässt“ auskam. Natürlich wurde er auch bei Konan manchmal etwas ungeduldig, aber das war dann ein ganz normales Verhalten, das doch jeder kannte. Im Umgang mit den anderen bestimmte seine Ungeduld den Ablauf jedes Gespräches und jedes Kampfes. Das war bei Konan anders. Sie war in vielerlei Hinsicht ein besonderes Mädchen, das sich mit ihrer Unnachgiebigkeit und ihrem Rechtsgefühl über jede Weisung hinwegsetzen konnte, die ihrer Meinung nach falsch war.

Außerdem war Sasori aus irgendeinem Grund an allem interessiert, was in Konans Leben passierte und ihr wichtig war. Das machte es noch einfacher, ihr geduldig zuzuhören.

Konan war mal wieder sauer. Hoffentlich wurde das nicht zur Routine. Aber was sollte sie machen? Pain schaffte es immer wieder, sie auf die Palme zu bringen.

„Er macht mich kirre! Er hört mir nie zu, will mich rumkommandieren und denkt, alles, was er sagt, wäre richtig! Ich dreh noch durch, wenn Pain so weitermacht!“ Konan ließ sich neben Sasoris Marionettenwerkbank auf den Boden sinken.

„Beruhige dich, Konan.“ sagte Sasori.

Konan atmete tief durch und versuchte, ihre Wut auf Pain in den Griff zu bekommen. Aber die ganze Aufregung von gestern und heute war einfach etwas zu viel für ihre Selbstbeherrschung.

„Dieses ganze Gerede von der Weltherrschaft und Rache an der Ordnung der Welt, das kann’s doch nicht sein! Ist Pain wirklich so dumm oder was ist mit ihm los? Ich kann an den Versteckten Dörfern nichts Schlechtes finden. In Konoha Gakure ist es sehr schön und man hat ein geregeltes Leben. Wenn das hier vorbei ist, will ich in einem von den Dörfern leben. Aber Pain redet nur davon, sich wegen dieses bescheuerten Krieges, der schon so lange her ist, an den Dörfern zu rächen!“ Konan bemühte sich, leise zu sprechen. Zwar war es laut der Regeln des geheimnisvollen unbekannten Madara nicht erlaubt, sich im Hauptquartier gegenseitig zu belauschen, aber Zetsu, der sich auch hier frei durch die Gegend teleportieren konnte, hatte neben seinen ekligen Angewohnheiten und seiner gespaltenen Persönlichkeit den Hang dazu, alles, was er durch Lauschen aus dem Dunkel herausbekam, an Pain weiterzusagen.

Pain glaubte zwar, Zetsu im Griff zu haben, aber Konan fühlte sich wohler, wenn sie diese fleischfressende Pflanze weit, weit weg wusste. So wie jetzt. Zetsu war unterwegs, hatte irgendwas mit Bijuu zu tun, obwohl die Vorrichtungen noch gar nicht wieder so weit waren.

„Das Leben hier ist doch nicht meine ganze Zukunft. Ich will mein Leben selbst lenken und ich hab keine Lust, dass Pain immer alles bestimmt. Du und ich sind die Einzigen, die dagegen halten. Na ja, Tobi ist so dazwischen. Er ist eben irgendwie ein Kind. Was Itachi betrifft, ich werde mich von jetzt an um ihn kümmern. Er macht bei uns mit.“

„Ich verstehe.“ erwiderte Sasori, „Itachi Uchiha bedeutet dir viel. Aber du weißt ja auch, dass seine Fähigkeiten für uns ein strategischer Vorteil sind. Es ist gut, jemanden wie ihn auf unserer Seite zu haben.“

„Natürlich weiß ich das. Genau deshalb musst du mir helfen, die anderen von Itachi fernzuhalten. Er soll trotz dieser schlimmen Sache zumindest ein bisschen glücklich werden und da will ich die anderen so weit wie möglich von ihm weg haben. Im Augenblick zählt eindeutig weniger die Strategie, sondern, dass Itachi gesund wird.“

„Konan, ich habe heute Morgen hier in der Nähe eine Höhle gefunden. Dort hatte ich die Möglichkeit, an Informationen über das zu kommen, was gerade in Konoha passiert ist.“ sagte Sasori, „ich habe natürlich dafür gesorgt, dass der, von dem ich diese Information habe, nichts weitersagen kann und bevor du dich jetzt darüber aufregst, Konan, denk mal über Itachis Sicherheit nach.“

„Da ist er also heute Morgen gewesen.“ dachte Konan. Ihr leuchtete sofort ein, warum Sasori seine Quellen bei solch wichtigen Informationen immer sofort zum Schweigen brachte und vernichtete.

„Und? Was sind das für Informationen? Los, sag schon!“ forderte Konan ungeduldig.

„Meine Vermutungen haben sich bestätigt. Itachi hat seine Familie vor Orochimaru versteckt und vorgetäuscht, alle getötet zu haben. Das ist eine sehr sichere Strategie, damit niemand nach ihnen sucht und sie vielleicht verrät. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum Itachis jüngerer Bruder zurückgeblieben ist.“

„Also ist alles mal wieder die Schuld von Orochimaru!“ zischte Konan. Sie begann, zu begreifen, warum Itachi solche Schmerzen hatte. Er war einfach aus seinem schönen Familienleben herausgerissen worden und musste jetzt mit der Schuld leben, seinem geliebten kleinen Bruder die Familie genommen zu haben. Sasuke war höchstens acht Jahre alt! Was machte es mit so einem Kind, wenn es seine Familie verlor? Es war einfach alles eine einzige Katastrophe!

Konan stand auf und sagte: „Ich geh jetzt essen.“

Sie wollte eigentlich nur in ihrem Zimmer allein sein, aber da sie seit zwei Tagen nichts Rechtes gegessen hatte, war sie natürlich hungrig.

Sasori machte sich ganz offensichtlich an die Herstellung einer neuen Marionettenwaffe. Dabei wollte er nie gestört werden, deshalb ging Konan schnell hinaus.

In ihrem Zimmer machte Konan sich einen Teller Misosuppe. Es war zwar nur Fertigsuppe und sie wusste, dass das nicht gesund war, aber das Essen hier im Hauptquartier war, schon seit wie sich erinnern konnte, ziemlich miserabel. Nur auf den Reisen mit Sasori gab es gutes Essen wie Ramen oder Sushi. Was noch ein Grund war, weshalb Konan das herumreisen mit Sasori so gern mochte.

Nach dem Essen machte Konan sich endlich an die vielen Ausbesserungsarbeiten, die Pain ihr vor einigen Tagen aufgetragen hatte. Dann lernte sie noch ein bisschen mit den Schulbüchern, die Sasori ihr ab und zu kaufte. Da sie so gut wie keine Schule besucht hatte und sich alles allein beibrachte, besorgte Sasori, den das sehr beeindruckte, ihr alle Sachen, die sie brauchte, um weiter zu kommen.

Am Abend ging sie noch einmal zum Krankenzimmer, um Itachi zu besuchen. Ihr Herz klopfte schneller beim Gedanken, ihn zu sehen. Und sie wünschte sich, dass Itachi lächelte.

Als sie an der Tür des Krankenzimmers ankam, hörte sie seine Stimme. Aber es war weit und breit niemand da, mit dem er vielleicht sprach. Sayu ging zu dieser Zeit immer zu Tobi und spielte Kindermädchen. Und die anderen Mitglieder hielten sich gerade alle in weiter entfernten Teilen des riesigen Hauptquartiers auf. Konan trat näher an die Tür heran, so dass Licht durch den schmalen Spalt auf ihren Mantel fiel. Sie brauchte die Tür nur ein bisschen weiter auf zu stupsen.

Itachi lag im Bett, unter der weißen Decke. Er schlief, aber er drehte sich unruhig hin und her, die Hand auf das glühende Mal an seinem Hals gedrückt. Und er redete im Schlaf.

„Sasuke… sie mussten gehen. Es gab… keine andere Möglichkeit… verzeih mir bitte… irgendwann… kleiner Bruder. Wenn ich sie nicht…versteckt hätte, dann hätte Orochimaru sie alle… Ich muss gehen, Sasuke… hass mich jetzt… und sei Naruto ein guter Freund…“

Konan stand noch immer hinter der Tür, hielt sich vor Schreck die Hand vors Gesicht und konnte sich kaum bewegen. Sie hörte ein hustendes Keuchen, ein Geräusch, wie ein Schlag mit der Hand auf ein Kissen und ein Rauschen, wie wenn die Bettdecke herunterfiel. Ihr Herz klopfte und Itachi tat ihr furchtbar leid. So sehr, dass sie sich nicht mehr traute, ihn anzusehen.

„Nein!“ sagte sie sich, „Konan, steh hier nicht so rum! Du musst Itachi helfen! Geh zu ihm! Sofort!“ sie riss sich zusammen und betrat das Krankenzimmer. Dann schloss sie die Tür, denn das, was Itachi da im Schlaf redete, war gefährlich für ihn, sie und für seine Familie. Niemand hier außer Sasori durfte es hören!

Das Erste, was sie dann sah, war die Bettdecke, die jetzt vor dem Bett lag. Sie war verdreht und hatte ein paar kleine, rote Flecken, die sich inübersehbar und leuchtend vom Weiß des Bezuges abhoben. Eindeutig Blut! Konan hob den Blick und sah Itachi. Er lag auf der Seite, drehte sich jedoch gerade auf die andere. Aus seinen geschlossenen Augen tropften rote Tränen und sein Atem klang wieder so, wie in dem Moment, als er im Regen vor der Tür gestanden hatte. Seine unverletzte Hand wanderte unruhig über das Bettzeug, so, als suche er etwas. Zwischen den Fingern der verbundenen Hand, die er auf die rechte Seite seines Halses gedrückt hatte, leuchtete das Juin glühend wie Feuer.

„Oh nein!“ flüsterte Konan erschrocken, „Itachi, was hat Orochimaru mit dir gemacht? Das sieht ja wirklich schlimm aus!“

Sie hob die Decke auf, deckte ihn zu und versuchte, ihn festzuhalten und zu beruhigen.

„…Sasuke…“ Itachi hustete und die roten Tränen liefen weiter über sein schönes Gesicht, „… verzeih mir…“

„Wach auf! Bitte!“ dachte Konan verzweifelt. Aber das half nichts.

Und da kam ihr die Idee: es gab eine sehr romantische Möglichkeit, jemanden aus einem Albtraum zu wecken. Durch Chakra-Übertragung über die Lippen würde sie ihn aufwecken können und es war eigentlich nichts anderes als Wachküssen. Sehr romantisch.

Konan schob die Hände unter Itachis langes Haar, hob seinen Kopf leicht an und wischte mit den Daumen die blutigen Tränen aus seinen Augenwinkeln. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Als sie seinen Atme auf ihrer Haut spürte, überlief Konan wieder dieser warme, angenehme Schauer. Und wieder konnte sie dieses Gefühl wegen der angespannten Situation nicht genießen. Itachi durfte nicht länger unter diesem Albtraum leiden, er musste aufwachen.

Konan beugte sich noch näher über ihn, sie suchte nach einer Stelle in seinem Gesicht, an der kein Blut war. Dort berührten ihre Lippen seine tränennasse Haut. Es schmeckte ein wenig salzig.

„Wach auf! Du musst aufwachen, Itachi!“ dachte Konan und irgendwie hoffte sie, dass er ihre Gedanken wahrnahm. Obwohl das sehr unwahrscheinlich war. Warum sollte ausgerechnet Itachi die äußerst seltene und praktisch nicht erlernbare Fähigkeit des Gedankenlesens beherrschen? Selbst wenn man so begabt wie er war, hieß das in dem Fall nichts.

Aber Itachi konnte etwas anderes: er reagierte so sensibel auf seine Umgebung und die Menschen um sich herum, dass es dem Gedankenlesen schon sehr nahe kam. Selbst wenn er schlief, spürte er den Willen eines anderen Menschen in seiner Nähe.

Die Chakraübertragung musste wohl geklappt haben, denn einige Augenblicke später öffnete Itachi langsam seine Augen. Noch während er ins Licht der Deckenlampe blinzelte, färbten sich seine dunklen Augen rot und das Muster der Sharingan erschien.

„Konan.“ sagte er leise, „wie oft willst du mich eigentlich noch retten?“

„So oft, wie ich finde, dass es sein muss.“ antwortete Konan.

Itachi berührte mit der verbundenen Hand die Stelle, wo Konans Lippen auf seine Haut getroffen waren. An seinem weißen Verband blieb ein bisschen noch nicht ganz getrocknetes Blut kleben.

„Hast du da irgendwas gemacht?“ fragte er.

Konan spürte, wie sie rot wurde. Sie war sich immer noch nicht ganz sicher, ob Itachi ihre Gefühle erwiderte oder sie einfach nur als letzte verbliebene Bezugsperson und gute Freundin sah.

„Na ja… irgendwie musste ich dich aufwecken. Ich dachte, es hilft, wenn ich mal versuche… dich wach zu küssen…“ stotterte sie verlegen.

„Wachküssen…?“ wiederholte Itachi überrascht, „bedeutet das…?“

Er hatte schon gehofft, dass Konan ihn mehr als nur mochte, aber noch nicht gewagt, sie danach zu fragen. Jedes Mal, wenn sie ihn anlächelte, schlug Itachis Herz schneller und er wurde irgendwie… aufgeregt. Sein zerstörtes Selbstwertgefühl tat das Übrige, um ihn in diesem Moment zu verunsichern.

Konan spürte seinen Blick und wurde noch röter. Langsam begann sie, sich wie eine rote, süße Erdbeere zu fühlen.

Itachi nahm all seinen verbliebenen Mut zusammen und fragte: „Bedeutet das, dass du mich… liebst?“ seine Hände zitterten.

„Was denn sonst?“ dachte Konan, aber sie brachte nichts weiter als ein leises, heiseres „Ja.“ heraus.

Itachi fielen die Hälfte der schweren Steine, die auf seinem Herzen lagen, herunter. Er hatte das „Ja“ deutlich gehört und jetzt konnte er sich sicher sein, dass Konan ihn sehr gern hatte.

„Seit wann?“ fragte er.

„Ehrlich gesagt, seit ich dich vor zwei Jahren in Konoha gesehen habe.“ gestand Konan und hoffte, nicht noch röter zu werden.

„Im Teehaus?“ fragte Itachi, "Dango?"

Konan nickte. Obwohl, eigentlich hatte sie ihn ja schon früher gesehen. Aber wann genau sie sich wirklich in Itachi verliebt hatte, wusste sie nach zwei Jahren nicht mehr präzise.

„Ich auch.“ sagte Itachi.

„Auch was?“

„Ich hab dich im Teehaus gesehen. Es war ein seltsames Gefühl. Yuki hat dich auch gesehen und ich habe lange Zeit viel über dich nachgedacht.“

„Wer ist Yuki?“

„Sie war an dem Tag bei mir. Ein Mädchen mit langen, braunen Haaren und Bändern im Haar.“ die Erinnerung an Yuki tat weh, aber Itachi konnte jetzt nicht ausweichen.

„Deine Freundin?“ fragte Konan enttäuscht.

„Nein. Eher eine Freundin. Wir haben als Kinder zusammen gespielt.“

„Ach so, nur so eine Schulfreundin?“

Itachi nickte und wischte sich dann mit dem Verband das Blut aus dem Gesicht.

„Ich war noch nie verliebt. Bis zu dem Moment, als ich dich gesehen habe.“ sagte er leise, „ich glaube, jetzt bin ich verliebt.“

„Er liebt mich!“ dachte Konan und die Erdbeere wurde knallrot überreif. Sie wusste nicht, warum sie rot wurde, denn eigentlich war das nicht ihre Art. Lag es daran, dass ihr noch nie zuvor jemand eine echte Liebeserklärung, die sie auch erwiderte, gemacht hatte? Aber jetzt konnte sie sicher sein, dass Itachi sie liebte. Deshalb war er hergekommen. Weil er sie liebte. Das hübsche Mädchen, mit dem zusammen sie ihn in Konoha immer gesehen hatte, war nur eine gute Schulfreundin, sonst nichts.

Auf einmal veränderte sich Itachis Gesichtsausdruck. Der matte, traurige Blick, den er noch eben gehabt hatte, wich dem Anflug eines glücklichen Lächelns, das fast so aussah wie vor zwei Jahren in Konoha. In diesem Moment sah Itachi genau so aus, wie Konan ihn sich wünschte: Trotz dieser traurigen Umstände ein bisschen glücklich.

Konan setzte sich auf die Bettkante und strich sich das Haar so vors Gesicht, dass Itachi nicht sehen konnte, wie rot sie war.

„Warum bist du denn so rot?“ fragte Itachi. Er hatte sehr wohl gesehen, wie sich Konans weiße Haut rosa gefärbt hatte und wie diese Färbung stärker geworden war. Mit der unverletzten rechten Hand strich er ihr schönes, lila schimmerndes Haar beiseite. Irgendwie war es süß, dass Konan rot wurde. Sie sah dann so hübsch aus. Und das Rot war so lebendig.

Er legte seine Arme um ihren Hals und zog sie zu sich herunter. Draußen war es schon dunkel und der Mond schien. Er schimmerte rot.

Konan war von Itachis plötzlicher Initiative noch etwas überrascht und hatte sich einfach von ihm herunterziehen lassen. Zum zweiten Mal an diesem Tag war ihr Gesicht seinem so nah. Itachis Lächeln wurde noch ein wenig schöner.

„Du hast Recht, Konan. Das Leben muss weitergehen.“ sagte er.

In diesem Moment kehrte das Gefühl, lebendig zu sein, zu ihm zurück. Er wusste, dass es wahrscheinlich nicht lange bleiben würde. Deshalb war jetzt der beste Zeitpunkt, um etwas zu tun, das normalerweise nach einer Liebeserklärung kam. Er war sicher, dass Konan damit einverstanden war. Schließlich hatte sie ihn wachgeküsst. Sie war so lieb und fürsorglich, dass Itachi vor Rührung Tränen in die Augen traten. Er war schon immer nah am Wasser gebaut. Aber es waren glückliche Tränen.

Konan sah, wie Itachis Augen schimmerten. Sie wusste, dass ihre Bemühungen, ihn glücklich zu machen, einen kleinen Erfolg hatten. Und sie stellte fest, dass sie es wirklich sehr liebte, wenn Itachis roten Augen so strahlten.

Doch auf einmal schloss er die Augen und schob seine Hand unter ihr Haar. Froh darüber, dass es Itachi in diesem Moment gut ging, gab Konan dem sanften Druck seiner Hand in ihrem Nacken nach.

Dann trafen ihre Lippen auf seine. Konans Herz raste, ihr gesamtes Empfinden schien sich auf die Punkte, an denen Itachi sie berührte, zu konzentrieren und ihre innere Stimme jubelte.

Itachi fühlte sich einfach wieder lebendig – fast so lebendig wie früher. Von nun an würde er sein Glück von Konan bekommen.

Konan bekam langsam kaum noch Luft, weil ihr Herz so klopfte und sie während des Kusses kaum atmen konnte. Ihr wurde schwindlig und dann kippte sie um.

„Konan? Konan, was hast du?“ fragte eine tiefe, liebe Stimme. Sie gehörte Itachi. Konan blinzelte. Itachis Gesicht war direkt neben ihr.

„Wa-was?“ stotterte sie verwirrt.

„Hab ich irgendetwas falsch gemacht?“ fragte Itachi.

„Nein, gar nicht! Du bist gut, vielleicht sogar zu gut. Das war mein erster Kuss.“ antwortete Konan.

„Meiner auch.“ sagte Itachi nach einer kurzen Stille, „ich hab keine Erfahrung mit diesen Dingen. Und du? Warst du noch nie verliebt?“

Konan nickte. Und Itachi strahlte sie an.

„Von jetzt an machen wir das alles hier zusammen. Sasori und ich sind hier der Widerstand, du kannst einfach bei uns mitmachen. Alle anderen hier sind Idioten. Die kannst du vergessen.“ sagte Konan, „halt dich einfach an mich.“

„Danke. Du bist süß.“ Itachi lächelte.

Den Rest des Abends lag Konan selig lächelnd auf ihrem Bett. Itachi hatte gelächelt, gestrahlt, sie geküsst! Er war hier, endlich war sie nicht mehr allein und von Idioten umgeben! Und sie war sicher, dass Itachi es schaffen würde.

Tobi muss gehen

Itachi blieb noch drei Tage im Krankenzimmer. Dann hatte sich sein Chakra wieder vollständig aufgebaut und seine Lebenskraft kehrte dank Konan immer mehr zurück. Schließlich erlaubte Sayu ihm, aufzustehen und das Krankenzimmer zu verlassen.

Pain wies Itachi das Zimmer neben Konans zu. Es war das Zimmer, das früher Madara bewohnt hatte, doch das wusste natürlich niemand mehr.

Konan hatte Itachis Tasche für ihn aufbewahrt (natürlich ohne reinzusehen) und als er sein Zimmer bezog, gab sie sie ihm zurück.

Pain beobachtete Konan und Itachi vom Ende des Flurs aus, als Konan die Tür aufschloss und das lange verschlossene Zimmer öffnete. Die beiden wirkten so vertraut miteinander, als ob sie sich nicht erst ein paar Tage kennen würden. So, wie Pain es sich für sich selbst und Konan wünschte. In seiner Eifersucht wollte er irgendjemandem wehtun, um die Enttäuschung über Konans fortschreitende Veränderung abzubauen. Es lag nahe, Itachi dafür verantwortlich zu machen und ihn zu verletzen. Aber Konans Drohung klang ihm noch immer im Kopf. Er konnte nicht riskieren, dass sie ihre Worte wahrmachte und ihn hasste. Also würde er Itachi in Ruhe lassen müssen.

Es musste ein leichteres Opfer geben. Jemanden, der sich nicht wehren konnte und an dem niemandem besonders etwas lag: Tobi. Es würde keinen stören, wenn Tobi aus der Akatsuki ausgeschlossen würde und irgendwohin verschwand. Und es war leicht, einen guten Grund zu finden, um Tobi für irgendeine Kleinigkeit zu bestrafen.

Zur selben Zeit kam Tobi aus dem kleinen Kino, das sich aus unerfindlichen, nicht hinterfragten Gründen im Hauptquartier befand. Er hatte sich gerade seinen Lieblingsfilm angesehen, bei dem er reden und herumkichern konnte, wie er wollte. Es war ja sonst niemand da, den er damit störte.

„Och, nee, schon wieder so ein doofes Wetter!“ jammerte er, als es mal wieder zu regnen anfing. Er hatte keinen Schirm dabei. Für den Kinobesuch hatte Tobi sich wie immer schick gemacht: die bunte Blumenkette um seinen Hals hatte er mit einer alten, ausgeblichenen Haarblume verziert, die er Konan abgeschwatzt hatte. Und sein Plüschküken trug ein süßes Puppenkleid, das ebenfalls von Konan kam.

Der Regen wurde stärker. Tobi stand unter dem Vordach des Kinos und sah sich nach einer weiteren, bequemeren Unterstellmöglichkeit um. Gegenüber des Kinos befand sich Sasoris Marionettenlager. Die Tür war nur angelehnt. Und darüber hing ein leuchtend rotes Schild mit der Aufschrift „Betreten ohne Erlaubnis streng verboten!!“

Das Lager war riesig, wirkte wie das unheimliche Schloss aus dem Film, den Tobi gerade gesehen hatte und gehörte zu den wenigen großen Gebäuden in diesem Teil des Hauptquartiers, die völlig regendicht waren und sogar beheizt wurden. Es kam Tobi wie eine fünf Stockwerke hohe Schatztruhe voller Geheimnisse vor und reizte damit seine kindliche Neugier.

„Heute sind wir mal mutig, Küken.“ beschloss Tobi, „da drin isses bestimmt schööön warm!“ er drückte das Küken an sich und lief so schnell er konnte zum Marionettenlager hinüber.

„Geschafft!“ jubelte er, als er den Regen hinter sich gelassen hatte und die Tür des Lagers hinter sich zuklappte. Er legte den Kopf in den Nacken und sah hoch. Das Lager hatte keine Stockwerkeinteilung, sondern war wie ein einziger, großer, dunkler Turm. Die Wände waren mit hölzernen Körperteilen behängt und es war so dunkel, dass man die, die ganz oben an der Decke hingen, gar nicht sehen konnte. Wie ein riesiges, dunkles Bild voll von unzähligen Details aus sorgfältig bearbeitetem Holz breitete sich das Lager auf dem Boden, an den Wänden und einer Vielzahl von Gestellen aus. In der Mitte des nahezu quadratischen Bodens standen zwei große Werkbänke und Regale mit vielen Schriftrollen. An diesem Ort entstanden Sasoris genialen Marionetten und hier blieben sie als Teil seiner riesigen Sammlung, bis er sie einsetzte oder für neue Ideen auseinandernahm und neu zusammenbaute.

„Huuuu, is das riiiiieeesiiig!“ quietschte Tobi und wagte sich unter den leeren Blicken der zahllosen Marionetten tiefer in das Labyrinth des Turms.

„Tobi hat keine Angst. Drum muss Küken auch nich Angst haben.“

Plötzlich stieß er mit dem Fuß gegen etwas Hartes auf dem Boden.

„Aua! Was war’n das?“ kreischte er, hüpfte auf einem Bein herum und hielt sich den angestoßenen Fuß.

Direkt vor ihm stand eine lange Reihe aus schweren, eisehbeschlagenen Holztruhen.

„Was’n da drin?“ fragte er und klappte den Deckel der ihm am nächsten stehenden Truhe hoch. Sie enthielt ein schwarzes, sandartiges Zeug, das aussah, als würde es den Gelenken der Marionetten nicht guttun. Tobi wusste, dass Sasori dieses komische Zeug erst seit einigen Wochen, kurz bevor er mit Konan ins Grüne Land aufgebrochen war, hergebracht hatte.

„Komisches Zeug.“ stellte er fest, „macht Marionetten kaputt.“ er fragte sich, so gut es seine mangelnde Intelligenz zuließ, warum in aller Welt Sasori etwas besaß, das nicht gut für Marionetten war und es dann auch noch ausgerechnet im Lagerturm aufbewahrte, wo er doch seine hölzernen Schätze lagerte.

Tobi hatte immer jede Menge Zeug dabei, meist Sachen, die man eigentlich gar nicht brauchte. Er trug diesen Kram in seinen Ärmeln mit sich herum. Heute hatte er einen Hufeisenmagneten und zwei einfache Taschen dabei.

Der Magnet fiel ihm aus dem Ärmel und in die Kiste mit dem grauschwarzen Sand. Sofort wurde der Sand vom Magneten angezogen und Tobi hatte Mühe, ihn wieder aus der Truhe rauszukriegen.

Und da hatte er eine Idee: wenn er diesen magnetischen Sand in die Marionetten streute, mit denen Sasori ihn immer erschreckte, würden sie stillstehen und ihn nicht immer mit ihrem Klappern erschrecken.

Das war doch mal eine wirklich gute Idee. Tobi war selbst ganz erstaunt, dass ihm so etwas Gutes einfiel. Manchmal hatte er solche Einfälle. Konan nannte das immer „den lichten Moment des Volltrottels Tobi“. Aber Tobi hatte nicht das Gefühl, in solchen seltenen Momenten weniger beschränkt als sonst zu sein (dass er nicht der Hellste war, wusste er sehr wohl). Viel mehr schien die Intelligenz, die er für solche Ideen brauchte, tief aus seinem Geist zu kommen, so als wäre da jemand, der ihm die Gedanken in den Kopf schickte und seine Entscheidungen lenkte. Dieser Unbekannte in seinem Kopf, der manchmal aufwachte aus seinem Geisterschlaf und Tobi dann ab und zu mal etwas intelligenter wirken ließ.

Tobi nahm die Taschen, die er dabei hatte und begann, den Eisensand hineinzufüllen. Die Gemeinheiten mit der Klapperschildkröte und den hölzernen Spinnen würd er sich von Sasori nicht länger gefallen lassen.

Er stopfte das Küken in seinen kindlichen Rucksack und hob die beiden Beutel an. Sie waren ziemlich schwer, doch Tobi war trotz seines Chakramangels stark und konnte sie mit erträglicher Anstrengung tragen.

Auf dem Weg zu seinem Zimmer kam er an Konans Turm vorbei. Dort sah er einen jungen Mann mit langen, schwarzen Haaren auf der Bank vor Konans Zimmerfenster sitzen. Tobi hatte ihn noch nie gesehen, aber er war sicher, dass es sich um Itachi Uchiha handelte. Denn wer sonst durfte es wagen, sich vor Konans Fenster zu setzen? Tobi hatte sich schon einige Schläge eingefangen, als er das mal getan hatte. Ihm war nicht entgangen, dass Konan den Neuen in der Akatsuki gern mochte und dass der irgendwie krank war.

„Der sieht aber traurig aus, der Arme!“ sagte Tobi sich, „Tobi hat Mitleid.“

Er beeilte sich, die Beutel in sein Zimmer zu tragen und lief dann schnell zu der Bank zurück. Itachi saß noch immer da und Tobi fand, dass der graue, völlig bewölkte Himmel gerade besonders traurig aussah.

„Hallo!“ rief er, aber Itachi sah ihn nur kurz an und wandte seinen Blick dann wieder den grauen Wänden und der leeren Weite dahinter zu.

Tobi kniete sich vor Itachi hin, legte den Kopf schief und gab sich alle Mühe, lieb auszusehen. Er wollte helfen.

„Du bist Tobi, oder?“ fragte Itachi.

Tobi nickte lebhaft. Er hatte sich, nachdem Konan ihn so oft ausgeschimpft hatte, fest vorgenommen, hilfsbereit und lieb zu sein und fand, dass jetzt eine gute Möglichkeit war, um es zu beweisen.

„Du siehst aber traurig aus! Kann Tobi dir helfen? Tobi ist ein gutes Kind, Tobi will gern helfen.“

Itachi sah so niedergeschlagen aus, dass Tobi fast zu weinen anfing. Jemand, der so eine liebe Aura hatte, durfte doch nicht so traurig aussehen!

„Ich glaube, du kannst mir nicht helfen. Ist lieb von dir, aber du kannst nichts tun.“ sagte Itachi.

„Nein, nein, nein! Tobi will aber, dass du lachst!“

Itachi sah die Maske an, die Tobis Gesicht verdeckte. Er wusste wirklich nicht, wie dieser eigenartige, kindliche Typ ihm helfen sollte und das tat ihm leid, denn Tobi schien es wirklich gut zu meinen.

„Tobi will ein gutes Kind sein und Itachi helfen.“ sagte Tobi, „weil Itachi so lieb aussieht und weil wegen Uchiha.“

„Warum willst du mir wegen meines Namens helfen?“

„Wegen Madara!“ quietschte Tobi, „der hieß doch auch so. Tobi is das manchmal.“ er glaubte wirklich, dass er Itachi damit aufmuntern konnte, aber er riss damit unwissend an der Wunde in Itachis Herzen.

„Du bist das?“ fragte Itachi mit Tränen in den Augen, „du bist der, der sich für Madara Uchiha hält?“

„Aber nicht immer.“ Tobi schüttelte den Kopf, „eigentlich bin ich nur der liebe, gute Tobi.“ dann bemerkte er Itachis Tränen, „so tolle Sharingan wie du hab ich aber gar nich‘.“

„Du bist nicht Madara Uchiha. Ich weiß, dass er die Akatsuki gegründet haben soll, aber er ist wohl schon lange nicht mehr hier. Keiner von meiner Familie ist mehr da.“ Itachis Stimme brach weg. Er fühlte sich, als würde jeden Moment sein Herz stehen bleiben. Tobi hatte es sicher nur gut gemeint, er wusste ja nichts von dem, was Itachi so traurig machte.

„Tut mir leid, Itachi.“ sagte Tobi niedergeschlagen und setzte sich neben ihn auf die Bank, „Tobi wollte dir nicht wehtun. Ehrlich nicht.“

Itachi nickte stumm. Er spürte ein Kribbeln in den Augen, fuhr mit dem Handrücken darüber und sah durch einen roten Tränenschleier die Blutspur auf seiner Hand. Die empfindliche Ader hinter seinen Augen war wieder geplatzt und es hatte noch nicht einmal mehr wehgetan, so sehr hatte er sich schon in so kurzer Zeit daran gewöhnt. Es hatte nur sechs Tage gebraucht. Vor sechs Tagen war sein bisheriges Leben von Orochimaru beendet worden.

Itachi spürte den Übergang zwischen der matten Traurigkeit und den schweren Schluchzern nicht mehr, aber er spürte, wie Tobi seinen Arm um ihn legte und mit einer hohen, kindlichen Stimme mit ihm sprach.

„Is gut, weinen, nicht runterschlucken. Aber dann nicht mehr traurig sein. Hast doch die liebe, süße Konan, die kenn ich und die hat dich gern. Konan ist ein prima Mädchen, die macht, dass du nicht mehr weinen musst. Und deine Mama kommt auch wieder, ganz sicher. Tobi hat keine Mama, aber du hast bestimmt eine und die kommt wieder.“

„Du… du bist wirklich… ein gutes Kind, Tobi.“ sagte Itachi nach einer Weile, „und du hast hoffentlich Recht.“

„Siehst du, Itachi, du musst nicht mehr weinen. Wird alles gut, wirst sehen. Hast ja die süße Konan.“ Tobi war jetzt sicher, eindeutig bewiesen zu haben, dass er ein gutes Kind war. Und dass er auch etwas gut konnte: nämlich trösten.

„Danke, Tobi.“ sagte Itachi und stand langsam auf.

„Tobi sagt keinem, dass du geweint hast. Sagt er keinem, ehrlich.“

Während Itachi wieder in sein Zimmer ging, obwohl er nicht wusste, was er dort tun sollte, lief Tobi zu seinem eigenen Zimmer zurück. Er öffnete die Tür und erwartete den Anblick der Beutel mit dem „ausgeliehenen“ Eisensand.

Doch statt des Eisensandes stand Pain vor ihm.

„Wa-was machst du in mein Zimmer?“ fragte Tobi.

„Ich hab dich gesehen. Tobi. Du bist vom Kino in Sasoris Marionettenlager gelaufen und das hier“ Pain deutete mit dem Fuß auf den Eisensand, „das ist doch Sasoris neue Waffe.“

Tobi hoffte nur, dass Pain nicht gesehen hatte, wie Itachi in Tränen ausgebrochen war. Genau wie Konan hatte er das Gefühl, dass Pain nichts von Itachis Traurigkeit mitbekommen durfte. Er dachte daran, wie Konan den Anführer manchmal nannte: Nagato. Aber Tobi konnte sich nicht erinnern, wann er das mal gehört hatte.

„Ich muss dich jetzt aus der Akatsuki ausschließen, Tobi, weißt du das?“ sagte Pain, „hier ist sowieso nicht der richtige Ort für dich.“

Tobi wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich gegen Pain zu wehren. Der Anführer war einfach zu stark und die einzige, die ihm die Stirn bot, war Konan. Alle andern taten mehr oder weniger das, was er wollte. Tobi protestierte also nicht. Er begann, wortlos seine Sachen zu packen.

„Wo geh ich dann hin?“ fragte er, als seine Koffer gefüllt waren.

„Du kommst in ein kleines Dorf und du wirst dort kein einziges Wort über die Akatsuki verlieren.“ sagte Pain.

„Darf ich noch mal den anderen Tschüss sagen?“ wollte Tobi wissen. Er hatte schon gehofft, sich ein bisschen mit Itachi anfreunden zu können, aber das würde wohl nichts werden.

„Ja. Wir machen morgen eine Versammlung. Da musst du dann auch deinen Ring abgeben.“ antwortete Pain, „und du bekommst neue Kleidung. Das Stirnband darfst du behalten, auch, wenn es eigentlich Madara gehört hat.“ er zeigte auf die Beutel mit dem Eisensand, „und das hier gibst du Sasori zurück und entschuldigst dich bei ihm dafür, dass du ein hoffnungsloser Idiot bist.“

Am nächsten Tag fand die Versammlung in der großen Halle statt. Pain war froh, ein Ventil für seine Eifersucht gefunden zu haben, aber das triumphierende Gefühl blieb seltsamerweise aus. Pain ließ sich selbst keine Möglichkeit, darüber nachzudenken. Irgendwie war Nachdenken gefährlich geworden. Warum das so war, darüber durfte er erst Recht nicht nachdenken. Wahrscheinlich hatte Konan genau das getan: darüber nachgedacht. Nein, er durfte das auf keinen Fall auch tun! Sonst brachte er seinen ganzen großen Plan ins Wanken!

Tobi war nicht wichtig. Er hatte nie etwas zum Plan beigetragen. Und dass er Madara war, glaubte ihm sowieso niemand. Madara war seit Jahren tot, spurlos verschwunden und niemand wusste, wo oder wie er gestorben war. Und an ihn erinnern konnte sich auch keiner.

„Was soll das?“ rief Konan, als sie die Halle betrat, „erklär mir das, Pain!“

„Tobi hat Sasori bestohlen. Deshalb habe ich ihn aus der Akatsuki entlassen. Er muss nur noch seinen Ring abgeben.“ antwortete Pain.

„Und warum darf Itachi nicht an dieser Versammlung teilnehmen?“ fragte Konan weiter.

„Weil er noch kein ganzes Mitglied ist. Dafür brauchen wir eine besondere Zeremonie, bei der er seinen Ring erhält.“ sagte Pain.

„Außerdem ist Tobi, wenn er sich wirklich für einen Uchiha hält, sowieso in Lebensgefahr, sobald er Itachi begegnet.“ Kisame knirschte grinsend mit seinen Haifischzähnen, „schließlich hat Itachi seine ganze Familie ausgelöscht. Wenn Tobi nicht bald mal die Fliege macht, bringt er ihn auch noch um.“

Konan konnte in diesem Moment wirklich nicht sagen, wen sie mehr hasste: Orochimaru, der Itachis Leben zerstört hatte, oder Kisame, der darüber Witze machte. Itachi hatte ihr gestern von Tobis Trösteversuch erzählt und Konan war angenehm überrascht, dass der sonst so verrückte Tobi sich so gut benehmen konnte und so einfühlsam war. Er war wohl wirklich ein liebes Kind.

„Was ist denn überhaupt mit Itachi los?“ fragte Kisame, „ist er krank?“

„Nein.“ antwortete Konan und überdachte jedes Wort, das sie sagen wollte, „er ist nicht krank. Er war nur erschöpft. Wahrscheinlich hat er viel gekämpft.“

„Er soll ja sehr stark sein. Ich bin wirklich gespannt, was er kann.“ sagte Pain, „schließlich ist er ein Uchiha.“

„Liegt er noch im Krankenzimmer?“ fragte Kisame.

„Nein. Er hat jetzt das Zimmer neben meinem. Er war auch nicht wirklich krank, sondern hatte nur Kampfverletzungen. Und ich glaube nicht, dass er Tobi das Gerede über diesen Madara glaubt.“ Konan bemühte sich, regungslos auszusehen, wie es jedem Ninja beigebracht wurde. Jeder Ninja lernte diesen Satz irgendwann und doch fiel es vielen schwer, sich daran zu halten: Ein Ninja darf niemals seine Gefühle zeigen. Jetzt verstand Konan den Sinn dieses Satzes. Es gab Situationen, in denen Gefühle geheim bleiben mussten. So wie jetzt. Itachis Leid und ihre Gefühle für ihn mussten für die anderen verborgen bleiben.

„Wo ist Tobi?“ fragte Sasori, ganz offensichtlich, um das Thema zu wechseln und Konan damit aus der Schusslinie zu nehmen.

„Er kommt gleich.“ sagte Pain.

Wie aufs Stichwort kam Tobi mit hängenden Schultern in die Halle geschlichen.

„Tobi ist da.“ sagte er mit trauriger Stimme, „Konan darf Tobi ruhig ausschimpfen.“ er klang dabei wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte und jetzt seine Strafe erwartete.

„Du hast da noch was vergessen, Idiot.“ sagte Pain, „du musst dich bei Sasori entschuldigen. Schließlich hast du ihn bestohlen.“

„Wie bitte? Geht’s noch?“ rief Konan, „er soll sich entschuldigen? Ihr entschuldigt euch nie für irgendwas, aber von Tobi verlangt ihr eine Entschuldigung, weil er sich ein einziges Mal gegen euch gewehrt hat?! Tobi, deine Aktion war nicht okay und auch ziemlich dumm, aber du musst dich dafür bei keinem einzigen dieser kriminellen Idioten entschuldigen.“

„He!“ rief Sasori dazwischen, „bin ich da auch gemeint? Ich hab doch…“

„Klappe!“ unterbrach Konan ihn, „du hast mitgemacht, also bist du gerade genauso doof wie Pain!“

Sasori hielt es für besser, nichts mehr dazu zu sagen. Er wollte Konan nicht noch einmal so aufgeregt erleben wie vor ein paar Tagen, als sie sich so heiser geschrien hatte.

„Schimpft Konan jetzt mit Tobi?“ fragte Tobi vorsichtig.

„Wenn du drauf bestehst… dann hör mir aber auch gut zu, ja? Also, Rache ist nicht der richtige Weg, sich zu wehren, Tobi-chan. Das musst du dir gut merken, verstanden? Du kriegst dann doch nur noch mehr Probleme, das siehst du ja. Und wenn du lernst, weniger Quatsch zu machen und dich gut zu benehmen, wird aus dir bestimmt noch mal ein ganz gutes Kind.“ sagte Konan. Aber in Gedanken stellte sie eine Ausnahme der „Keine Rache“-Regel fest: diese Regel galt nicht für die ganz großen Schwierigkeiten. Gegen Orochimaru zum Beispiel war Rache das einzige Mittel, das ihr einfiel. Seit Konan wusste, warum Itachi jetzt hier und nicht mehr in Konoha Gakure und bei seiner Familie war, wollte sie sich für sein Leid rächen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, stark genug zu sein, um jemanden zu töten. Orochimaru durfte mit seinen Plänen einfach nicht durchkommen, denn jedes seiner Experimente forderte so viele Opfer. Jemand musste sein Leben beenden.

„Konan! Hör auf zu träumen, geh auf deinen Platz!“ befahl Pain.

Konan schreckte aus ihren dunklen Gedanken auf und dachte etwas erschrocken: „Hoffentlich werde ich nicht genauso finster und rachsüchtig wie Pain.“ der Gedanke machte ihr Angst und sie nahm sich ganz fest vor, nicht in dasselbe tiefe Loch wie er zu fallen.

„Tobi, gib deinen Ring ab.“ forderte Kakuzu.

„Der Ring gehörte früher Madara.“ sagte Sasori, „sein Familienwappen ist auf der Innenseite eingraviert.“

„Dann bin ich doch Madara? Dann dürft ihr mich nicht rausschmeißen, wenn ich doch Madara bin, ne?“ quietschte Tobi aufgeregt.

„Du bist nicht Madara.“ sagte Pain, „du hast nur seinen Ring gestohlen. Du bist ein kleiner Dieb, Tobi, und dass du Akatsuki verlasse musst, ist längst beschlossen.“ er streckte fordernd die Hand aus, „den Ring, sofort.“

„Nein.“ Tobi schloss die Hand mit dem rot-weißen Ring am Daumen zur Faust und versteckte sie hinter seinem Rücken.“

„Komm, Tobi, sei ein gutes Kind und gib mir den Ring.“ bat Konan und sprang zu Tobi herunter. Dann sah sie Pain an. Ihre Augen schimmerten silbern.

„Ach, so ist das also, Nagato! Du nennst Tobi einen Dieb, weil er ein bisschen Eisensand gestohlen hat! Was bist du dann? Du gibst Aufträge, Menschen – kleine Kinder – zu entführen und bringst sie um, indem du ihnen die Bijuu-Geister entreißt. Das ist nicht nur Stehlen, das ist Mord! Der einzige Grund, warum ich nicht längst weg bin, ist die Tatsache, dass dieser verregnete Laden hier mein Zuhause ist.“ zischte sie und war sich vollkommen klar darüber, dass sie gerade ihre geheimen Ideale auspackte. Aber sie konnte nicht anders.

Pain starrte sie erschrocken an. So offen hatte Konan sich ihm noch nie entgegengestellt, vor der ganzen Akatsuki!

„Sieht ganz so aus, als hättest du die Kleine nicht mehr so wirklich unter Kontrolle, Pain.“ bemerkte Kisame.

„Keine Sorge, sie beruhigt sich wieder.“ sagte Pain und ließ die ganze Überzeugungskraft seines Rinnegan-Blickes auf Konan los. Aber sie blinzelte nicht einmal, war wahrscheinlich längst dagegen immun.

„Wir sprechen uns später noch in meinem Zimmer, Konan.“ zischte er wütend, „das hat Folgen für dich!“

„Wer bringt mich denn in mein neues Zuhause?“ unterbrach Tobi die angespannte Stimmung.

„Sayu begleitet dich, du kommst zu einer netten Familie, die sich besser um dich kümmern kann als ich. Also sei ein lieber, guter Junge und gib mir den Ring.“ sagte Konan.

Tobi gab auf, legte den Ring in Konans ausgestreckte Hand und verließ die Halle.

Als Konan Pain den Ring gab, war ihr Gesicht seinem einen Moment lang nahe.

„Du hast das gerade doch wohl nicht ernst gemeint, oder?“ fragte Pain.

„Das wirst du noch sehen.“

„Du kannst das gar nicht.“

„Sei dir da mal nicht so sicher, Nagato.“

„Ich kenne dich, Konan.“

„Glaubst du vielleicht. Ich werde immer stärker werden und dann sehen wir ja, ob ich das kann oder nicht. Freu dich, denn für’s erste bleibe ich noch bei dir.“

„Eine andere Möglichkeit hast du auch nicht.“

„Das hat dir jetzt gefallen, nicht wahr? Deine Eifersucht und Wut an einem Kind wie Tobi auszulassen und ihn auf so eine billige Weise abzuschieben, sowas tust du richtig gerne! Ich hasse sowas, das weißt du doch ganz genau. Und wenn du so weitermachst, dann hasse ich dich!“

„Und du glaubst, das kannst du?“ flüsterte Pain drohend.

„Lässt du es drauf ankommen? Willst du wirklich riskieren, meine Wut zu unterschätzen?“ erwiderte Konan, „ich meine es ernst, Nagato.“

Pain musste einlenken. Er konnte jetzt, wo nur etwa zwanzig Prozent seines Planes erfüllt waren, Konan nicht noch weiter gegen sich aufbringen. Aber er wollte sich ihr auch nicht beugen. Also sagte er: „Gut. Keine Angriffe mehr auf Schwächere wie Tobi.“

„Das will ich hoffen. Auch für dich.“ zischte Konan.

Pain hatte Konan zugehört. Aber er hatte selbst im Geheimen eine Einschränkung von dem, was er gesagt hatte, gemacht: Itachi galt nicht als schwach. Seine Fähigkeiten waren berühmt und er konnte sich verteidigen. Tobi dagegen konnte nichts, er war ziemlich wehrlos. Also hatte Pain Konan genau genommen nicht versprochen, Itachi in Ruhe zu lassen. Er würde nur erst einmal abwarten, wie sich die Situation entwickelte und dann zuschlagen, wenn Konan gerade nicht hinsah, um sie wieder für sich allein zu haben.

„So, Tobi wären wir los.“ sagte Kakuzu.

„Ab mit dir, du gehst los und suchst den Sanbi. Es hat den See im Land der Reisfelder verlassen und ist zu einem andern umgezogen.“ befahl Pain mit kalter Stimme, „Kisame, du suchst weiter nach Informationen. Dreh jeden Stein zweimal um und sieh zu, dass dich die verdammten Dörfer nicht erwischen!“

Kisames und Kakuzus Schatten verschwanden. Zetsu löste sich ohne Aufforderung und mit den Worten „Ich sehe mal nach, was draußen los ist.“ in Luft auf. Er war das einzige Mitglied, bei dem jeder froh war, wenn er nicht da war. Pain hatte ihn auch nur wegen der besonderen Spionagefähigkeiten noch dabei, ansonsten brauchte er ihn nicht.

„Du kannst gehen, Konan.“ sagte Pain. Er wirkte irgendwie resigniert, aber keineswegs so, als hätte er irgendwas aufgegeben.

„Soll ich Itachi schon seine Uniform bringen?“ fragte Konan, „ich hab den Ring schon so gut wie fertig. Es fehlt nur noch das Zeichen.“

„Das mit dem Ring hab ich dir doch schon gesagt.“ antwortete Pain, „und jetzt geh, Konan. ich muss nachdenken.“

„Ja, tu das. Kann dir bestimmt nicht schaden, wenn du mal dein Gehirn anständig benutzt.“ Konan rannte aus der Halle.

Sasori folgte ihr, aber er war so langsam, dass er sie erst kurz vor Itachis Zimmer eingeholt hatte.

„Nicht so schnell, Konan!“

„Wir werden Tobi mal besuchen. Dann kannst du dich bei ihm anständig entschuldigen.“ sagte Konan, als Sasori direkt hinter ihr stand.

„Ja. Ich denke, das werde ich.“ antwortete Sasori.

Konan öffnete die Tür zu Itachis Zimmer. Unter der Tür hatte Licht durchgeschimmert, aber die Helligkeit im Zimmer überraschte sie trotzdem. Sie hatte erwartet, dass Itachi traurig in einer Ecke sitzen würde, aber stattdessen war er gerade dabei, sein Bett aus der dunkelsten Ecke des Raumes ans Fenster zu schieben. Der Raum war genauso geschnitten wie Konans Zimmer und Itachis Bett stand jetzt sozusagen am selben Platz wie ihres.

„Geht’s dir besser?“ fragte sie, als sie sah, wie schnell er außer Atem geriet.

Itachi lächelte. Er spürte, wie die freundliche Wärme, die von Konan ausging, Trauer, Wut und Hass Sasukes ein wenig beiseiteschob. Es tat gut, obwohl es Itachi ein schlechtes Gewissen machte, wenn er sich hier gut fühlte und den Schmerz, den er in Konoha verursacht hatte, für einen Moment vergaß. Er wollte seine Verantwortung für das, was passiert war, nicht vergessen.

„Das ist Sasori von Akasuna. Wir arbeiten zusammen.“ sagte Konan, „er kommt aus Suna Gakure.“

„Du bist der Marionettenkünstler, nicht wahr?“ fragte Itachi.

„Ja. Dann hast du also schon von mir gehört?“ man merkte Sasori trotz Hiruko an, dass er sich geschmeichelt fühlte.

„Du bist In Suna der beste Marionettenspieler gewesen.“ sagte Itachi, „in Konoha sagen sie, dass du diese Kunst neu erfunden und wie kein Zweiter weiterentwickelt hast.“

„Dieser Junge weiß unheimlich viel.“ dachte Sasori, „Konan hat nicht übertrieben, was ihn angeht.“ er war überzeugt, dass Itachi für das kleine Team ein Gewinn war. Diese Intelligenz, das Feuerelement und Itachis äußerst umfangreiches Wissen waren die perfekte Ergänzung. Dazu kam noch, dass Itachi laut der Informationen über ihn unglaublich schnell lernte und ihm viele Dinge schon beim ersten Versuch gelangen. Einen Ninja wie ihn gab es wohl nur äußerst selten.

Konan legte den Klamottenstapel auf Itachis Schreibtisch. Da lagen schon Lehrbücher, Schreibhefte und zwei Pinsel neben einem schon halb verbrauchten Tuschestein.

„Da ist noch was: Das Stirnband muss das durchgestrichene Zeichen deines Heimatdorfes tragen. Aber du hast ja gar kein Stirnband mehr.“

„Ja… ich hab es irgendwo im Dorf verloren, als…“ Itachi musste die aufsteigenden Tränen herunterschlucken. Er wollte nicht ständig vor Konan weinen und sie mit seiner Trauer belasten. Konan tat schon so viel für ihn.

„Ich seh mal nach, ob ich noch welche ohne Zeichen habe. Dann mach ich dir ein neues Stirnband. Du musst deine Heimat nicht durchstreichen und schon gar nicht auf deinem eigenen Stirnband.“ sagte Konan, „das tu ich für dich.“

Itachi wusste nicht, wie er Konan dafür danken konnte. Sie bemühte sich so um ihn, liebte ihn, obwohl er es nach dem, was er getan hatte, eigentlich gar nicht mehr wert war. Dachte er.

„Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei dir bedanken soll.“ sagte er.

„Du musst dich nicht bedanken. Ich tu das gern.“ Konan lächelte. Sie war so süß, dass Itachi richtig Herzklopfen bekam, so, als würde ihr Lächeln sein Herz ein wenig heilen können. Vielleicht konnte sie das auch. Vielleicht war Konan in der Lage, ihn wieder glücklich zu machen. Möglicherweise reichte ihr Lächeln nicht aus, aber etwas anderes, das mehr Kraft hatte… zum ersten Mal und nur für einen kurzen Moment dachte Itachi ernsthaft an etwas, das er, obwohl er schon achtzehn Jahre alt war, bisher so gut wie gar nicht bedacht hatte: Körperliche Liebe. Er wusste natürlich über die Theorie Bescheid, aber er hatte das bisher nie auf sich selbst bezogen. Die Mädchen in Konoha waren für ihn nie mehr als gute Freundinnen gewesen, auch für Yuki empfand er nur freundschaftliche Gefühle. Aber bei Konan war das anders. Wenn sie ihn anlächelte, schlug Itachis Herz in einer Weise, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Sie war das einzige Mädchen, das er mit den Augen eines fast erwachsenen Jugendlichen sehen konnte.

„Sasori und ich werden demnächst wieder eine Reise unternehmen. Es wäre schön, wenn du mitkommst.“ riss Konan ihn aus seinen Gedanken.

„Wenn es euch keine großen Umstände macht.“ antwortete er.

„Nein, wir wollen dich sehr gern dabeihaben. Im Moment hat hier keiner einen festen Partner. Sasori ist ja schon länger ohne Partner und da Pain immer hier bleibt, reise ich jetzt eben mit Sasori. Wir sind nur zu zweit, aber zu dritt ist es bestimmt viel schöner.“ sagte Konan, „außerdem würde ich dich sehr ungern hier allein lassen.“

„Ich will euch wirklich keine Umstände machen.“ sagte Itachi.

„Tust du nicht. Du kommst mit, das ist jetzt von mir beschlossen.“ bestimmte Konan und dachte: „Manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen.“

Sie war fest entschlossen, Itachi selbst gegen seinen Widerstand glücklich zu machen. Wenn seine Eltern in einer anderen Welt lebten und auf eine mögliche Rückkehr warteten, war sie dafür verantwortlich, dass sie Itachi gesund und glücklich wiedersahen, sobald das hier vorbei war.

Zwei Tage später fand die sogenannte Aufnahmeprüfung statt, in der Itachi beweisen sollte, dass er zur Akatsuki passte. Er spürte, dass es jetzt für sehr lange Zeit kein Zurück mehr gab und diese Erkenntnis tat weh. Es war, als hätte er sein altes Leben und seine Heimat für immer verloren. Dabei hatte er doch nie irgendetwas Schlimmes tun wollen. Alles, was er sich im Leben gewünscht hatte, war ein glückliches Familienleben und die Sicherheit von Konoha, doch das war jetzt vorbei, nur, weil Orochimaru es so wollte. Itachi hatte eigentlich immer fest vorgehabt, niemanden zu hassen, aber wenn er an Orochimaru dachte, an dieses kalte Gesicht mit den goldenen Schlangenaugen, brannte neben dem Riss noch etwas anderes in seinem verletzten Herzen: ein wütender, glühender, kochend heißer Hass. Itachi hatte ein so mächtiges, dunkles Gefühl nie gekannt. Aber auch das würde von nun an zu seinem Leben gehören. Es gab keinen Ausweg mehr. Und wenn er daran dachte, dass Sasuke jetzt denselben Hass auf ihn hatte…

Die Tränen kamen, gingen, kamen zurück und gaben seinen Augen eine Vorschau darauf, blind zu werden. Konan war da, redete, hielt ihn, aber sie konnte kaum etwas tun.

Konan hatte Pain zwei Tage lang aufmerksam beobachtet. Immer, wenn sie aus Itachis Zimmer kam, stand er irgendwo auf dem Flur und sie hatte das sichere Gefühl, dass er sie ebenfalls beobachtete. Ihr war aufgefallen, dass Pain mit jeder Stunde, die Itachis Aufnahme bei Akatsuki näher rückte, nervöser und unkonzentrierter wurde. Eine Stunde vor der Versammlung in der Halle war Pain so aufgeregt und durcheinander, dass er noch nicht einmal bemerkte, dass Konan in den Teil des Hauptquartiers ging, in dem die Siegelkäfige der Bijuu standen. Er folgte ihr einfach, ohne zu denken und nur darauf aus, sie nicht aus den Augen zu lassen. Konan sah Yonbi, das wütend gegen das Siegel ankämpfte, obwohl es schon zwei Jahre lang eingesperrt war, und Gobi, das sich vergleichsweise ruhig verhielt. Natürlich merkte sie, dass Pain ihr folgte.

„Schmuckshuppet.“ sagte sie leise.

Normalerweise hätte Pain sie spätestens jetzt zur Rede gestellt und etwas gesagt wie: „Wer hat dir eigentlich dieses Märchen erzählt? So etwas wie Schmuckshuppet gibt es nicht und selbst wenn, dann wüsste ich es doch. Das hat dir einer aus Konoha Gakure gesagt, oder?“

Aber statt einer derartigen Predigt murmelte er leise auf Senningo vor sich hin. Konan verstand kaum etwas, aber einige Worte wiederholte er immer wieder:

„Konan behalten… Itachi… was findet sie an ihm? Sasori… Konan behalten… Itachi muss verschwinden… Sasori… Orochimaru…“

Konan ging auf einem langen Umweg zur Halle zurück und Pain folgte ihr, weiter zu sich selbst sprechend. Er schien wirklich langsam den Verstand zu verlieren und Nagato verschwand immer weiter. Als Konan die Halle betrat, hatte sie sich für die Versammlung beruhigt und den Plan, den sie seit zwei Tagen schmiedete, zuende gedacht. Sie wollte Itachi eine weitere schmerzhafte Lüge ersparen und ihm deshalb schon vorher geraten, ungenau zu antworten. Pain war so verwirrt, dass er nichts davon merken würde, selbst, wenn Itachis Antworten nicht den Regeln der Akatsuki entsprachen.

Als Itachi die Halle betrat, wirkte er sehr ruhig. Kein Anzeichen für den Schmerz in seinem Herzen war zu erkennen. Sein langes, schwarzes Haar hatte er wieder auf dieselbe Weise wie früher zusammengebunden. Konan fand, dass Itachi in der schwarz-roten Akatsuki-Uniform sehr gut aussah. Es war dasselbe Schwarz wie sein Haar und dasselbe Rot wie seine Sharingan. Daran, dass sie diese Farben für Madara ausgewählt hatte, der dieselben Haar- und Augenfarben hatte wie Itachi, erinnerte sie sich natürlich nicht.

Konans Rechnung über Pains Verhalten ging auf: Der Anführer war völlig durcheinander und so damit beschäftigt, eifersüchtig auf Itachi zu sein, dass er ihm gar nicht richtig zuhörte. Er hörte Leuten, an die er gerade dachte, in dem Moment nie zu. Mit Konan war es dasselbe.

„Jetzt bist du ein Mitglied von Akatsuki.“ dachte Konan, als Pain Itachi den Ring überreichte. Auf dem roten Kreis war das Senningo-Schriftzeichen „Zinnoberroter Vogel“, das Itachi mit Konan zusammen ausgesucht hatte. Itachi mochte Vögel, verzichtete besonders auf Geflügelfleisch, beherrschte eine Sprache, die Vögel verstanden und seine Familie war mit Vögeln verbunden. Die Farbe Rot stand für seine Sharingan, die er in den letzten Tagen fast durchgehend aktiviert gehabt hatte, weil seine weil seine Sehkraft wegen des Mangekyou im Laufe der Zeit langsam aber sicher schubartig abnehmen würde.

Konan wusste, dass der Vogel noch für etwas ganz anderes stand, etwas, das Itachi ihr gestern Abend in seinem Zimmer anvertraut hatte und das den ganzen Plan noch einmal veränderte und wichtiger machte: Sasuke war eine besondere Jinchu-Kraft! Er trug den Juubi, einen Falken mit zehn Schwänzen, in sich. Doch der war mit so vielen Siegeln verschlossen, dass es weder Sasuke selbst, noch irgendjemand anderes bemerken würde.

Konan hatte in Konoha ja schon herausgefunden, dass Juubi existierte, aber Itachi hatte es ihr gestern so gut wie bewiesen. Er hatte wieder Tränen in den Augen gehabt, Konan ganz nah zu sich her gezogen und ihr leise gestanden:

„Mein kleiner Bruder trägt den Juubi in sich. Niemand in Konoha weiß davon, auch er selbst nicht, und der Bijuu ist so stark versiegelt, dass ihn niemand aufspüren kann.“

Es war völlig klar, dass niemand etwas davon erfahren durfte. Itachi hatte Sasori am selben Abend auch davon erzählt und Sasori hatte auf alle seine Marionetten schwören müssen, kein Wort darüber zu verlieren, zumal außer ihnen, Yuki Sato und dem Uchiha-Clan niemand überhaupt von der Existenz eines zehnten Bijuu wusste.

Außerdem war es selbstverständlich, dass Konan und Sasori Itachi jetzt nicht auf seine Familie ansprachen.

Das Zeichen „zinnoberroter Vogel“ bedeutete also auch das Geheimnis, das er über Sasuke bewahrte.

„Dass Itachi jetzt ausgerechnet hier bei der Akatsuki ist, muss für ihn sehr schlimm sein.“ dachte Konan, „wo doch diese Typen hier alle Jinchu-Kräfte einfangen und ihnen die Bijuu entziehen wollen.“

Aber gleichzeitig war hier auch der beste Ort, um zu verhindern, dass Akatsuki überhaupt an die entscheidenden Informationen herankam. Wenn Itachi die Spuren gut verwischte, würden Naruto und Sasuke in Sicherheit sein.

Am Tag nach der Aufnahme machten sich Konan, Itachi und Sasori auf den Weg in ihr Geheimversteck im Grünen Land. Konan plante einen Großeinkauf an Büchern und schönen Kleidern. Und sie wollte Itachi alles kaufen, was er zum Lernen brauchte. Er hatte nicht sehr viel aus Konoha mitnehmen können.

Sasori hatte irgendwie immer genug Geld und oft wollte Konan gar nicht so genau wissen, wo er das herbekam.

Widerstand zu dritt

„Hey, Sasori, du lahme Schnecke!“ rief Konan ungeduldig und drehte sich im Gehen um. Sie Liefen bereits seit einer ganzen Weile durch den Wald und Konan war ein Stück voraus gelaufen. Sasori, der sich weiterhin weigerte, sein wahres Gesicht zu zeigen, war in Hirukos Panzer viel zu langsam. Am liebsten wäre Konan geflogen, zwischen den Ästen und Baumkronen über dem Boden, mit Wind im Haar und in den weiten Ärmeln ihres Mantels.

Sie blieb stehen und Sasori holte langsam auf, schlich mit klingelndem Glöckchen auf sie zu. Er war im Augenblick der einzige, der den Hut trug und das Klingeln untermalte sein Schleichtempo, das im Moment kaum etwas von der geheimnisvollen Akatsuki-Aura hatte.

Itachi ging neben ihm und schien kein Problem mit Sasoris langsamem Vorankommen zu haben. Er konnte mühelos mit dem Gruppenführer Schritt halten. Konan wusste, dass Itachi eigentlich der Schnellste von ihnen war, und dass er sich, wenn er wollte, so schnell bewegen konnte, dass man ihn nicht mehr sah. Aber es konnte gut sein, dass er dazu im Augenblick nicht in der Lage war. Schließlich hatte er sich noch immer nicht ganz von seiner schweren Verletzung erholt und schien auch noch kaum an sein neues Leben gewöhnt.

„Itachi, ich weiß, dass du gerade nicht so schnell kannst, wie du eigentlich wärst, aber ein bisschen schneller kannst du doch gehen, oder? Warum tust du’s nicht?“ fragte Konan, „dann legt Sasori Hiruko endlich bald ab.“

„Wenn er aber nicht will und deshalb nicht schneller kann, halte ich mit ihm Schritt.“ erwiderte Itachi, als sei das ganz selbstverständlich.

„Aber würdest du nicht auch gern durch die Baumkronen fliegen?“ wollte Konan wissen und warf einen schwärmerischen Blick zum Blätterdach über dem Weg, „du bist doch bestimmt ziemlich schnell.“

„Ja, aber wenn Sasori das nicht kann, bleibe ich auch am Boden.“ die Art, wie Itachi das sagte, machte Konan ein schlechtes Gewissen. Sie ließ sich, wie immer, wenn sie eine Weile mit Sasori zusammen unterwegs war, im Tempo zurückfallen.

„Ihr seid wirklich ein gutes Team.“ sagte Sasori, „es tut mir wirklich leid, dass ich so langsam bin.“

Itachi lächelte. „Das ist doch selbstverständlich, dass wir warten.“

Konan streckte sich, gähnte und seufzte: „Wir sind jetzt den gaaanzen Tag gelaufen! Und heute Nacht hab ich auch nur gaaanz wenig geschlafen! Ich wär dafür, dass wir ‘ne Pause machen!“

„Dann schlagen wir auf der nächsten Lichtung das Lager auf. Wenn wir uns dabei wie immer an den Fluss halten, haben wir auch genug Wasser.“ sagte Sasori. Die Wege, die sie benutzten, liefen immer am Fluss entlang, der durch den Wald floss und am Ufer gab es viele geeignete Lichtungen.

Nachdem sie eine Lichtung erreicht hatten und Sasori das hölzerne Zelt aufstellte, fachte Itachi ein kleines Lagerfeuer an. Er benutzte Streichhölzer, kein Feuer-Jutsu. Konan fand das irgendwie typisch. Itachi schien sich immer große Mühe zu geben, ganz normal zu wirken und nicht wie einer der stärksten Ninjas seiner Heimat.

„Super!“ dachte sie, „ er denkt nicht ständig an das, was passiert ist, lenkt sich ab und uns wird schön warm. Sasori hat Recht, wenn er sagt, dass es viele Vorteile hat, Itachi dabei zu haben.“

Itachis Gesicht war fast ausdruckslos, aber wenigstens weinte er nicht. Konan wusste, wie er aussah, wenn er glücklich war und sie wusste auch, wie schwer es für ihn sein musste, sich überhaupt abzulenken und zumindest zu versuchen, nicht ganz so traurig auszusehen. Obwohl der Schmerz in seinem Inneren wohl kaum abgenommen hatte. Er hatte sich auf den Waldboden gesetzt, den Rücken an einen Baum gelehnt, und schrieb etwas auf.

Konan setzte sich neben ihn und fragte: „Was schreibst du denn da?“

„Eine Bücherliste. Ich darf nicht aufhören zu lernen. Die Abschlussprüfung an der Oberakademie in Konoha wäre in ein paar Wochen gewesen. Wenn wir in eine Stadt kommen, muss ich mir irgendwie ein paar Bücher besorgen.“

„Ich wollte sowieso einkaufen, da bring ich dir die Bücher mit, die du brauchst. Ich kann verstehen, wenn du dich im Augenblick nicht unter die Leute traust.“ sagte Konan, „du lernst weiter, um einen Halt zu haben, oder?“

Itachi nickte. „Ich hab schon immer viel gelernt, mein ganzes Leben lang. Wenn ich jetzt damit aufhören würde, dann…“ er brauchte nicht weiter zu sprechen. Konan wusste auch so: wenn Itachi das ständige Lernen und Wiederholen aufgab, wäre er vollkommen am Ende und hätte keine Chance mehr. Das Nichtstun und die tiefe Traurigkeit würden ihn umbringen.

„Ich bring dir die Bücher mit.“ sagte sie noch einmal, „zeig mal her.“

Itachi hielt ihr die Liste hin und Konan brauchte nur einen einzigen Blick darauf zu werfen, um sich furchtbar ungebildet zu fühlen. Diese Bücher wurden nur in den höchsten Bildungseinrichtungen verwendet, wo nur Schüler mit viel Geld und vor allem sehr viel Talent aufgenommen wurden. Natürlich hatte Itachi eine solche Schule besucht. Er war außergewöhnlich hochbegabt auf den verschiedensten Gebieten und seine Familie war sehr einflussreich und wohlhabend. Der Uchiha-Clan wurde von vielen als eine Art Adel angesehen.

Konan bekam eine genauere Vorstellung davon, wie schön, reich und behütet Itachis Leben bisher gewesen war: er war der Erbe einer legendären Adelsfamilie, älterer Sohn guter Eltern, Spitzenschüler und gefragter Eliteninja, hatte Freunde gehabt, Aufgaben und jeden Tag die Sonne im Gesicht. Der Gegensatz zum unregelmäßigen, finsteren und von Machtspielen gefährlicher Ninja geprägten Leben in der Akatsuki war so krass, dass es Konan fast die Tränen in die Augen trieb. Itachi passte eigentlich nicht in diese dunkle Welt. Vielleicht entsprach seine Stimmung der Dunkelheit, und seine Fähigkeiten sicher auch, aber es war nicht gut für ihn. Konan musste Itachi dieses neue, ungewohnte Leben so erträglich wie irgend möglich machen.

„Das ist ziemlich komplizierter Stoff, oder?“ fragte Konan, „ich bin nur ganz kurz mal zur Schule gegangen. Wo ich lesen und schreiben gelernt habe, weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, ich bin ziemlich ungebildet.“

„Ach nein! Darauf kommt es nicht an. Du bist vielleicht nicht viel zur Schule gegangen, aber dafür weißt du, wie man Menschen glücklich macht.“ sagte Itachi, „und du kannst mit diesen Typen umgehen, weißt, wie man in einer Organisation wie Akatsuki überlebt. Das kann ich von dir lernen.“

Konan fühlte sich schon gleich viel weniger dumm. Itachi konnte sein unglaubliches Talent ganz einfach mit wenigen Worten unter den Tisch fallen lassen und seinem Gegenüber das Gefühl vermitteln, er sei genau so normal wie man selbst. Er schien seine großartigen Fähigkeiten gar nicht so wichtig zu nehmen, genau so wenig wie sich selbst. Das Wort Angeberei existierte für ihn nicht. Konan fühlte sich keine Spur mehr vom Gefühl, ungebildet zu sein. Itachi war einfach klasse!

Abends, als sie etwas gegessen hatten, das Sasori von irgendwoher besorgt hatte, saßen Konan und Itachi noch allein am Lagerfeuer. Sasori war mal wieder irgendwohin verschwunden. Konan fragte gar nicht mehr, was er dann machte. Sie hatte mal versucht, ihm nachzuspionieren, weil sie vermutet hatte, dass er, wenn er wegging, Hiruko ablegte. Aber er hatte sie erwischt und war von da an viel vorsichtiger geworden. Jetzt verschwand er nur noch dann, wenn Konan abgelenkt war.

„Das wird jetzt wohl immer so sein.“ sagte Itachi leise und sah ins Feuer. Die orangenen Flammen spiegelten sich in seinen dunklen Augen.

„Was?“ fragte Konan, obwohl sie schon ahnte, was er meinte.

Itachi sah weiter ins Feuer.

„Dass ich mit dir und Sasori zusammen unterwegs bin und dann im Hauptquartier. Nicht, dass ich nicht …“ er sah Konan kurz an, wandte seinen Blick dann wieder dem Feuer zu, das sein Gesicht beschien, „…gern mit dir zusammen bin, Konan. Aber…“

„… du wärst natürlich am liebsten noch…“ fragte Konan vorsichtig zögernd, „mit deiner… Familie in Konoha Gakure…“

„Ja.“ es klang mehr wie ein leiser Atemzug als wie ein Wort.

„Natürlich.“ sagte Konan und rückte näher an Itachi heran, „aber jetzt bist du hier. Ich weiß, meine Worte kommen wahrscheinlich nicht so richtig zu dir durch, das verstehe ich. Aber es ist wirklich so. Wir haben die besten Chancen, das hier heil durchzustehen, wenn wir es uns so schön wie möglich machen.“

„Wie oft hast du mich damals in Konoha gesehen?“ fragte Itachi, „und mit wem zusammen?“

„Ich bin ein paar Mal unsichtbar durchs Dorf gelaufen. Da hab ich dich mit deine Eltern und deinen Freundinnen und Freunden gesehen. Und mit deinem Bruder.“ sie sprach das Wort „Bruder“ vorsichtig aus.

„Auch mit einem blonden Jungen in ... Sasukes Alter?“

Konan sah sich genau um und lauschte in den Wald hinein, bevor sie leise antwortete: „Ja. Der Junge heißt Naruto Uzumaki, das weiß ich. Und ich weiß, was er ist. Er ist der, in dessen Körper der Kyubi versiegelt ist.“

„Woher weißt du das?“ Itachi legte beide Hände auf Konans Schultern und sah sie mit seinen schwarzen Augen direkt an.

„Ich hab gehört, wie du mit Yuki darüber geredet hast. Ihr habt gut aufgepasst und sehr leise gesprochen, aber ich bin einfach sehr gut im Lauschen und hab es trotzdem gehört.“ antwortete Konan, „aber ich habe es niemandem außer Sasori erzählt. Sasori hat mit Konoha nichts zu tun, er ist in Ordnung. Pain und die anderen haben keine Ahnung, dass es in Konoha überhaupt Bijuu gibt.“

„Du warst ja erst vierzehn, fast noch ein Kind, als du damals in Konoha warst, oder?“ fragte Itachi.

„Ja. Aber durch das Leben bei Akatsuki bin ich schnell erwachsen geworden. Ich hab erst, als ich Naruto gesehen habe, erkannt, dass Jinchu-Kräfte Menschen sind. Mir wurde von Pain gesagt, Bijuu seien einfach in versiegelten Gefäßen.

Dann war für mich klar, dass ich Pain nicht länger unterstützen kann. Damals war er noch nicht Pain.“ antwortete Konan.

„Wenn du das in Konoha nicht erfahren hättest…“

„…dann hätte ich es später gemerkt. Aber je früher man sowas herausfindet, desto besser ist es. Auch, wenn ich deswegen die Freundschaft zu Nagato aufgeben musste.“

„Nagato?“

„Das ist Pains wirklicher Name. Nagato sieht so aus wie Pain an dem Tag, als du die Aufnahmeprüfung abgelegt hast. Er fehlt mir, ich meine, Nagato fehlt mir. Er war früher immer für mich da, nach dem Krieg, als ich noch ein ganz kleines Mädchen war. Aber jetzt ist er nicht mehr er selbst. Er hat sich in der Dunkelheit verloren. Ich will, dass er wieder ein bisschen so wie früher wird,

wie ich ihn gern hatte. Und deshalb muss ich Pain besiegen.“ es war das erste Mal, dass Konan so mit jemandem über Pain und Nagato sprach und zugab, wie viel ihr noch an ihrem alten Freund lag. Mit Sasori ging das nicht.

„Du kämpfst gegen Pain, um Nagato zurück zu bekommen?“ fragte Itachi nach.

„Irgendwo in ihm muss noch etwas von seinem alten Selbst übrig sein. Aber bis ich das wieder in ihm gefunden habe, muss ich mich gegen seine Befehle und Pläne wehren. Es ist nicht mein alter Freund, gegen den ich da kämpfe, sondern es ist das, was aus ihm geworden ist. Ich kann nicht zulassen, dass er diese furchtbaren Pläne weiter umsetzt. Und wenn ich schon meinen alten Nagato vielleicht nicht wieder zurückbekomme, dann will ich wenigstens Pain aufhalten.“

Itachi hatte nicht gewusst, welche Schwierigkeiten Konan mit sich herumtrug. Sie hatte auch unter etwas zu leiden, aber nicht, wie er anfangs gedacht hatte, unter den finsteren Abtrünnigen, sondern unter ihrem Zwiespalt zwischen Pain und Nagato. Aber trotzdem wirkte sie nicht wie jemand, der sich davon unterkriegen ließ. Sie blieb fröhlich und dachte wahrscheinlich keine Sekunde daran, sich in ihrem dunklen Zimmer zu verstecken. Weil sie Nagato retten wollte, blieb sie fest auf der hellen Seite stehen, in der Hoffnung, ihn irgendwann zu sich herüberziehen zu können.

„Womit wir wieder bei Naruto wären…“ antwortete Itachi auf das, was Konan gesagt hatte, „ich war im Dorf der Einzige, der sich für ihn eingesetzt hat. Als ich gegangen bin, habe ich seine Erinnerung verändert. Er wird sich erst, wenn ich wieder im Dorf bin, daran erinnern können. Ich bin jetzt sein Feind und werde wahrscheinlich nie zurückkehren.“ seine Stimme klang ausdruckslos, als gäbe es keinen Ausdruck mehr für den Schmerz in seinem Herzen.

Konan legte ihren Arm um Itachis Schultern und sagte: „Natürlich wirst du nach Konoha zurückkehren! Es wird vielleicht lange dauern, aber wir schaffen das. Wenn wir Orochimaru besiegen, kann deine Familie aus dem Exil zurückkommen und dann wird auch Sasuke verstehen, warum du das getan hast. Sein … Hass…“ Konan sprach das Wort vorsichtig aus, um Itachi nicht weiter zu verletzen, „…baut doch auf etwas auf, was du nicht getan hast. Und solange jeder dir diese Lüge glaubt, sind deine Eltern in Sicherheit.“

„Und Naruto? Was, wenn Pain ihn irgendwann findet?“

„Dann passen wir auf Naruto auf. Du, ich und Sasori, wir werden auf alle aufpassen, denen Akatsuki etwas tun will. Dann passiert ihnen nichts. Wir sind die ersten, die erfahren, wenn Pain etwas plant, weil wir ja genau an der Quelle jeglicher Informationen über interne Akatsuki-Pläne sitzen. Und wenn die Dörfer irgendwann mitkriegen, dass wir gut sind, dann können du und Sasori in eure Dörfer zurück und ich gehe mit dir mit.“ Konan wusste schon genau, was sie wollte und in dem Moment, wo sie es sagte, kam es ihr auch ganz machbar vor. Der einzige Haken an der Sache war mal wieder Orochimaru. Der musste einfach weg, dann war der Weg nach Konoha Gakure frei.

„Und du meinst, Pain kriegt das nicht mit?“

„Pain ist dermaßen verblendet, der merkt fast nichts mehr vom wahren Leben. Er lebt in seiner Gedankenwelt, die sich nur um ihn dreht und aus seinen Racheplänen besteht. Hast du bemerkt, wie durcheinander er bei deiner Prüfung war? Er ist oft so und dann geht er zu seinem Lieblingsplatz und spinnt weiter an seinen Plänen. Schau dir mal an, wie er rumläuft, mit diesem Blick! Das Einzige, was an ihm wirklich problematisch ist, ist seine bescheuerte Eifersucht. Wenn er nicht gerade wieder geistig total abwesend ist, ist er eifersüchtig auf alles und jeden, der mir zu nahe kommt. Er hängt an mir, aber gleichzeitig wirft er das, was mal zwischen ihm und mir an Freundschaft war, einfach weg und merkt es noch nicht einmal. Es ist sowas wie Verliebtheit, aber die dunkle Version mit allem von Belästigung bis Besitzwunsch. Da mach ich mir schon ein bisschen Sorgen, denn wenn er mitkriegt, dass zwischen uns was läuft, könnte er völlig unberechenbar reagieren.“

„Würde er dich verletzen?“ fragte Itachi besorgt.

„Nein, dazu hat er mich zu gern. Aber was dich betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher. Er wagt kaum, mit dir zu reden, aber dass er schon jetzt eifersüchtig ist, hab ich definitiv bemerkt. Aber da beißt er sich die Zähne dran aus. Er weiß nicht, wie stark ich bin und ich lasse mir von ihm rein gar nichts sagen. Weil ich dich habe.“

„Als du mich gesehen hast…“

„Das war Liebe auf den ersten Blick, würde ich sagen.“ Konan lehnte sich an Itachi, sein Haar kitzelte sie im Gesicht und sie spürten sein Herz schlagen. Es klang noch immer etwas unregelmäßig. Das Lagerfeuer war fast vollständig heruntergebrannt, aber die Wärme der Glut strahlte noch ab und wärmte sie. Konan sah auf die kleinen, blauen Flammen, die um die Glut herum flackerten. Sie spürte Itachis Hände schüchtern über ihren Rücken streichen und die Kraft in seinen Armen.

„Ich habe sehr viel mehr Glück gehabt, als mir zusteht: Ich habe dich damals in Konoha getroffen.“ sagte Itachi, „wohin wäre ich gegangen, wenn ich dich nicht gekannt hätte?“

„Du wärst wohl allein. Aber das hättest du wirklich nicht verdient. Dir steht viel mehr zu, als du glaubst. Du musst es nur annehmen. Jemand, der seine ganze Familie rettet und so viel auf sich nimmt, darf das Glück ruhig annehmen, wenn es zu ihm kommt. Ich bin in der Akatsuki aufgewachsen, ich kenn es nicht anders, aber du hattest es besser und bist nur hier, weil du so stark und mutig bist und weil sich jemand gemein und ungebeten in dein Schicksal eingemischt hat. Jemand wie du braucht Glück und manchmal ist es fair und kommt zu denen, die es brauchen.“

Itachi sagte jetzt nichts dazu. Er wusste nicht, ob er jemals wieder Glück annehmen konnte. Vielleicht, wenn Konan es mit ihrer fürsorglichen Liebe schaffte, seine verletzte Seele zu heilen.

„Wo ist eigentlich Sasori?“ fragte er, um das Thema zu wechseln.

„Keine Ahnung, der kommt bestimmt noch.“ sagte Konan, „ich weiß auch nicht, wo der sich immer rumtreibt.“ sie sah auf ihre Uhr, „es ist schon ziemlich spät. Ich glaube, ich sollte schlafen gehen. Und du auch.“

„Ich bleib noch ein wenig auf, dann komm ich auch.“ sagte Itachi. Er wollte noch eine Weile am Feuer sitzen. Obwohl ihm jeder Gedanke an seine Familie wehtat, musste er sich trotzdem darüber Gedanken machen. Er wusste, dass Konoha ihn inzwischen sicher längst für abtrünnig erklärt und im Bingobuch als Schwerverbrecher eingetragen hatte.

Aber Konan hatte Recht: irgendwann würde Itachi das alles wieder gut machen, Orochimaru besiegen und nach Konoha zurückkehren. An irgendeine Zukunft musste man glauben, sonst konnte man ebenso gut aufgeben. Itachi wollte an eine Zukunft mit Konan in Konoha glauben.

„Mama wird Konan bestimmt mögen.“ dachte er, „wenn sie aus Afurika zurückkommt.“

Er erinnerte sich daran, wie Yoneko vor einem Jahr das Buch über andere Welten aus dem Geheimarchiv der Uchiha geholt hatte, um ihm von der Existenz mehrerer anderer Welten neben der Shinobi-Welt zu erzählen. Er hatte sich wie immer jedes Wort aufmerksam gemerkt.

Und die Welt, in der Itachis Mutter jetzt war, unterschied sich in so vielem von der Shinobi-Welt: es gab dort fast nur Menschen, die Dämonen und Chakra für erfunden hielten. Nur sehr wenige Menschen, die sich „Gemeinschaft der Zauberer“ nannten, lebten versteckt vor allen anderen. Bei einer solchen Gruppe von Zauberern lebte Ikue Uchiha jetzt unter einem anderen Namen und arbeitete wahrscheinlich in einer Augenklinik. Sie war eine wirklich außergewöhnlich gute Ärztin und würde sicher die besten Angebote bekommen. Als Itachi ihr damals das Buch gezeigt hatte, war sie besonders von den Tieren dort begeistert gewesen: den Kirin mit den langen, gefleckten Hälsen und langen Wimpern, die Elefanten und Löwen. Yoshio Uchiha war mit ihr gegangen, würde aber wohl wegen der Sicherheit bald woandershin gehen.

Diese andere Welt war der letzte Rettungsanker der Uchiha. Nur Sasuke hatte in Konoha bleiben müssen, weil das Portal keine Bijuu durchließ. Wenn Orochimaru besiegt war, würden alle zurückkommen können und dann würde Sasuke hoffentlich verstehen. Falls es dann nicht zu spät war. Sasukes Hass wurde jeden Tag ein kleines Stück stärker und trotzdem wollte Itachi das Shiawase-no-Jutsu, dessen Wirkung sich ins Gegenteil verkehrt hatte, nicht abschalten. Er wollte Sasuke keinen einzigen Moment lang völlig vergessen.

Itachi stand auf, zog Mantel und Schuhe aus, legte Steine auf die Feuerstelle und rutschte auf Knien durch die kleine Tür des kegelförmigen Holzzeltes, in dem nur Platz für zwei Schlafmatten und die relativ kleinen Reisetaschen war.

Durch das Loch in der Mitte des Zeltdaches fiel das Licht des Halbmondes herein und beschien Konans Schlafmatte. Sie schlief schon, lag auf der Seite, mit dem Gesicht zur Wand. Ihr lilafarbenes Haar war offen, sah ohne die Blüte und die Haarnadeln, viel länger aus und lag wild durcheinander auf ihrem Gesicht. Konans schneeweiße Haut leuchtete leicht im Mondlicht, sie trug ein kurzes Trägerhemdchen aus lila glänzender Seide und die dünne Bettdecke bedeckte sie nur halb.

„Sie ist wirklich schön.“ dachte Itachi, „sogar schöner als Mama und Yuki.“

Bisher war seine Mutter für ihn die schönste Frau der Welt gewesen. Erst jetzt fiel ihm richtig auf, wie unerfahren und ahnungslos er in Liebesdingen wirklich war. Die Mädchen, mit denen er seine freie Zeit verbracht hatte, waren gute Freundinnen gewesen, nicht mehr als das. Yuki war schon ein hübsches Mädchen, aber Konan war einfach auf andere Weise schön: so auffällig, außergewöhnlich und mit einer Art, die in Itachi neue, unbekannte Gefühle weckte. Er wusste, was es war, auch, wenn er es noch nie erlebt hatte. Sie war seine erste Liebe und so, wie es sich anfühlte, vielleicht die ganz große Liebe seines Lebens. Er gehörte zu den Menschen, die daran glaubten.

Ganz kurz war er versucht, sie zu berühren, um zu spüren, ob ihre Haut so seidig war, wie sie aussah. Aber dann zog er seine Hand wieder zurück und legte sich angezogen auf die Schlafmatte. Das neue Gefühl, das Konan in ihm weckte, war ungewohnt, er kannte dieses Verlangen noch nicht und wusste deshalb nicht, wie er damit umgehen sollte. Erst stellte er sich vor, sie bei jeder Gelegenheit zu berühren und ihr offen zu zeigen, wie gern er sie hatte, doch dann dachte er daran, zu warten, bis sie ihre ausdrückliche Zustimmung gab. Obwohl Konan so lieb gewesen war und gesagt hatte, dass sie ihn liebte, war Itachi sich nicht sicher, wie sie reagieren würde, wenn er jetzt die Initiative ergriff. Er wollte auf keinen Fall riskieren, etwas zu verlangen, zu dem sie noch nicht bereit war.

Es war eng im Zelt und Itachi musste zugeben, dass er das nicht gewohnt war. Aber er wollte bei Konan bleiben und als er im Samu-e unter der dünnen Bettdecke lag, sah er sie so lange an, bis ihm die Augen zufielen. Von seinem Traum in dieser Nacht blieb ihm nur ein einzelnes Bild in Erinnerung: Konan, die in einem wunderschönen, langen Kleid unter einem Regen aus rosa Kirschblütenblättern tanzte.

Am nächsten Morgen wachte er früh auf, zog sich schnell um und ging dann in den Wald, um wie jeden Morgen zu trainieren. er durfte sein Training jetzt auf gar keinen Fall vernachlässigen, besonders, weil er nach der mehrtägigen Bettruhe im Krankenzimmer schon merklich schneller außer Atem geriet.

Konan hatte Recht: es galt, sich gegen Pain und Orochimaru zu verteidigen und dafür waren weder Konan und Sasori, noch Itachi selbst stark genug. Itachi wusste nicht genau, welche besonderen Fähigkeiten Pain hatte, aber Konan hatte gesagt, dass der Anführer sehr stark war. Also mussten sie schnell anfangen, stärker zu werden. Itachi war jetzt schon einer der stärksten Ninja aus dem Feuerreich, aber er wusste, dass das noch lange nicht genug war. Denn Orochimaru war stärker. Und er hatte, wenn auch ohne dass er es selbst wusste, die Macht über Itachis Leben. Solange er da war, würde Itachi nicht nach Konoha zurückkehren können.

Konan wachte etwa eine Stunde nach Itachi auf. Es war noch kalt, deshalb zog sie sich schnell um und fachte das Lagerfeuer vor dem Zelt an. Itachi und Sasori waren nirgends zu sehen. Konan beschloss, erst mal ihre Schlafsachen zu lüften, holte Decke, Kissen und Nachthemd aus dem Zelt und hängte alles an einen dicken Ast. Dann tat sie dasselbe mit Itachis Bettzeug. Dabei bemerkte sie die roten Flecken auf seinem Kopfkissen: Bluttränen, die er im Schlaf geweint hatte.

„Diese verdammten Sharingan!“ dachte Konan, während sie die Flecken mit verschiedenen Mittelchen bearbeitete, „sie sehen toll aus, sind stark, aber sie bringen genauso viel Unglück!“ dieses Kekkei Genkai war für Itachi Segen und Fluch zugleich.

Nachdem sie alle Sachen aufgehängt hatte, ging sie zum nahegelegenen Fluss, an dessen gegenüberliegendem Ufer dicker, grüner Bambus wuchs. Dieser Bambus war perfekt, um die Härte der Papiershuriken zu testen. Das Ziel war in diesem Fall, dass die Shuriken schärfer als die aus Metall werden sollten. Konan lief über den Fluss und musste dabei gut aufpassen, um nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Seit sie sieben war, konnte sie über das Wasser laufen, aber bei Flüssen musste sie noch immer aufpassen, besonders, wenn sie so schnell flossen wie dieser. Als sie am anderen Ufer stand, blickte sie über den Fluss zurück und sah, wie eine ganze Flut einzelner Flammen aus dem Wald hinter der Lichtung in die Luft schoss. Zuerst bekam sie einen Schreck, aber dann erkannte sie die Form der Flammen: sie sahen aus wie große Vögel. Das war das Jutsu der Phönixblume. Itachi steckte wohl gerade mitten im Training. Er schien wieder gesund zu sein und genug Chakra zu haben.

Konan wusste nicht, wie sehr sie sich da irrte: Itachi war nicht gesund, aber das hielt ihn nicht davon ab, zu trainieren. Er wusste, dass die Einschränkungen seiner Gesundheit noch weiter zunehmen würden, dass das erst der Anfang war. Deshalb übte er weiter, obwohl ihm schnell schwindlig wurde und Feuer-Jutsu ihm wegen seiner Atemschwierigkeiten nicht mehr ganz so leicht fielen wie früher. Er durfte sich von der zunehmenden Schwäche auf keinen Fall ausbremsen lassen. Schwer atmend stützte er sich an einen Baum ab, hustete von den Rauchpartikeln, die in seine Atemwege gelangt waren. Das war ihm zuletzt in der Ninja-Akademie passiert.

„Jetzt reiß dich zusammen, Itachi!“ sagte er sich und stand wieder auf, „hier wird nicht aufgegeben!“

Er begann mit dem Tai-Jutsu. Das forderte ihm noch mehr ab, aber er hielt durch.

Zur selben Zeit stand Konan vor einem Bambus von etwa zehn Zentimeter Durchmesser und klopfte dagegen. Es war eines der härtesten Hölzer, die sie je zu teilen versucht hatte.

„Wenn Itachi trainiert, dann fang ich jetzt auch an zu üben.“ dachte Konan und begann mit der Herstellung ihrer neu entwickelten Waffe: des Papierschwertes.

Es musste so scharf sein, dass es den Bambus mit einem einzigen Schlag teilen konnte. Pain bezeichnete Konans Kaeshi-no-Jutsu noch immer als nicht ernstzunehmende Papierfalterei, aber da irrte er sich. Kaeshi-no-Jutsu war mehr als gefaltetes Papier, es war genauso fähig, einen Gegner ernsthaft zu verletzen wie Waffen aus Metall. Und wenn das Papierschwert jetzt die Bambus-Probe bestand, würde Konan es auch im noch weit entfernten Kampf gegen Pain einsetzen können. Wenn sie daran dachte, gegen Pain zu kämpfen, tat es ihr leid. Sie würde sich viel lieber mit ihm vertragen haben, aber solange er sich nicht änderte, schien das völlig unmöglich.

„Wenn irgendwo in ihm noch der Nagato von früher ist, würde ich bereit sein, ihm zu verzeihen. Und vielleicht muss ich dafür gegen ihn kämpfen.“ dachte Konan, während sie mit ihrem Chakra die Klinge aus Papier härtete, bis sie so hart wie Stahl wurde. Der Bambus in dieser Gegend war besonders hart und die größeren Stämme noch weiter hinter dem Ufer waren dicker als Konans Arme. Auf den ersten Blick schien es unmöglich, diese grünen Säulen mit einem Schwert aus Papier zu zerteilen. Aber Konans Papierwaffen hatten schon Holz und sogar Hirukos rechten Arm gespalten.

Sie suchte sich einen besonders dicken Bambus aus, dessen Spitze so hoch in den Himmel ragte, dass sie sie gegen das Sonnenlicht gar nicht sehen konnte.

„Haaaaa!“ sie traf den Stamm auf Augenhöhe und das Schwert ging so glatt durch, dass der obere Teil zuerst noch auf dem unteren stehen blieb, bevor er langsam auf der schrägen, glatten Schnittfläche herabrutschte und dann, krachend und die Spitzen der anderen Stämme raschelnd streifend, auf den von Bambusblättern bedeckten Boden fiel.

Konan lächelte zufrieden. Sie löste die Härte der Klinge, faltete dann alles wieder auseinander und nahm das Papier in ihren Unterarmen auf. Dann warf sie einen Blick in die Richtung, aus der sie vorhin die Phönixblume gesehen hatte. Es stiegen weder Flammen noch Rauch auf, stattdessen hörte Konan das charakteristische Klappern von Sasoris Marionetten und das metallisch schabende Seufzen eines Katana-Schwertes.

„Ist das Itachis Schwert? Ein Ninja seines Ranges hat wahrscheinlich eines und die Uchiha sind für ihre besonderen Schwerter bekannt.“ dachte Konan.

Sie konnte sich natürlich nicht daran erinnern, wie Madara mit Amaterasu sein Schwert und die Klinge seines Kampfblattfächers gehärtet und die besonderen Verteidigungskräfte des lebendigen Metalls gestärkt hatte. Aber die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Uchiha im Schwertkampf waren auch ohne das schwarze Feuer legendär.

Konan wusste nicht, wo Itachi sein Schwert aufbewahrte, unter seinem Mantel trug er es jedenfalls nicht. Es hieß, die Uchiha hätten ganz besondere, individuelle Techniken, um ihre Schwerter aufzubewahren. Aber Konan konnte sich das nicht so wirklich vorstellen.

Sie übte noch eine Weile mit den Papiershuriken und ging dann zum Lagerplatz zurück. Sasori und Itachi waren schon da. Der Marionettenspieler saß wie immer still da und tat scheinbar nichts, aber das konnte man bei ihm nie so genau wissen.

Itachi hatte seine Schlafmatte aus dem Zelt geholt, auf ein moosbedecktes Stück Waldboden gelegt und seine gesamten Lehr- und Arbeitsbücher darauf ausgebreitet. Er saß inmitten der kompliziert aussehenden, aufgeschlagenen Bücher und wirkte wie ein junger Gelehrter. Neben ihn stand der Schreibkasten mit Tuschestein, Schreibpinseln und Füllhalter.

Konan setzte sich zu ihm und sah zu, ohne etwas zu sagen. Sie beobachtete. wie er mit dem Schreibpinsel die Tusche vom nassen Tuschestein abnahm, die Schreibbewegung seiner Hand, sah zu, wie auf dem weißen Blatt mit sanft geschwungenen Strichen ein perfektes Schriftzeichen entstand und aus dem einen Zeichen langsam ein ganzer Text wurde. Es war ein kurzes Silbengedicht.

„Das grüne Blatt

eines Laubbaumes

fällt

leise schwebend

auf die Hand

meines kleinen Bruders

Er schläft unter dem Baum.“

Itachis rot-schwarzen Augen schimmerten verdächtig. Konan wusste nicht, warum er dieses Gedicht schrieb, wenn ihn der Gedanke an Sasuke doch so traurig machte. Alles, was sie tun konnte, war, ihre Hand auf seine Schulter zu legen und ihm das Gefühl zu geben, dass er nicht allein war.

Itachi wischte sich die Tränen mit dem Mantelärmel aus den Augen und legte das Blatt mit dem Gedicht beiseite.

„Du hast aber eine schöne Schrift!“ bemerkte Konan, „und du kannst gut Gedichte schreiben.“ sie konnte sich Sasuke, der unter einem Baum schlief, gut vorstellen.

„Danke.“ Itachi lächelte, obwohl sein Herz wieder etwas wehtat. Er wusste selbst nicht, warum er dieses Gedicht gerade geschrieben hatte. Die Worte waren einfach in seine Gedanken gekommen und er hatte sie heraus geschrieben. Er nahm ein weiteres Blatt und schrieb mit Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift eine Ergänzung der Bücherliste, die Konan mit zum Einkaufen mitnehmen wollte. Er brauchte Tinte, Tuschestein, Federn und Papier auf Vorrat.

Er versuchte, die Mitte zwischen dem Lernen (und den damit verbundenen Ansprüchen) und seiner Anspruchslosigkeit zu finden, denn er wollte auf keinen Fall zu viel verlangen. Konan sagte zwar, dass sie bereitwillig alles besorgen wollte, was er brauchte, aber Itachi konnte seine Zurückhaltung trotzdem noch nicht ablegen.

Konan staunte immer noch über Itachis perfekte Schriftzeichen. Sie nahm das Blatt mit dem Gedicht in die Hand und warf dann einen Blick auf das Buch, auf dessen aufgeschlagenen Seiten es gelegen hatte. Das Gedicht konnte sie ohne Mühe lesen, aber die Buchseiten enthielten eine Menge Zeichen, die sie gar nicht kannte. Pain hatte in letzter Zeit kaum Zeit und Willen gehabt, sie in Schrift zu unterrichten und Sasori war aufgrund von Hirukos Beschaffenheit kaum dazu fähig, Konan das Schreiben richtig beizubringen.

„Wann hast du begonnen, lesen und schreiben zu lernen?“ fragte sie Itachi.

„Meine Urgroßmutter hat in meinem dritten oder vierten Lebensjahr begonnen, es mir beizubringen. Seitdem habe ich ununterbrochen gelernt.“ antwortete Itachi, „ich vermute mal, es gibt nur noch wenige Schriftzeichen, die ich noch nicht kenne.“ er sagte das mit seiner üblichen Bescheidenheit, ganz ohne anzugeben.

„Kannst du mir ein bisschen was beibringen? Ich bin nur ein Jahr lang zur Schule gegangen.“ sagte Konan.

„Natürlich gern.“ Itachi nickte.

Dann fragte er: „Warum gehen wir eigentlich gerade ins Grüne Land? Hat das einen besonderen Grund?“

„Es gibt mehrere Gründe.“ sagte Konan, „erstens ist das Land sehr ruhig, schön und friedlich. Es gibt viele Bäume und Blumen. Es wird dir gefallen. Zweitens gibt es da kaum Truppen und die Anbu verirrt sich nur sehr selten dorthin. Drittens sind die Leute sehr nett, freundlich und hilfsbereit und viertens kann man sich in den tiefen Höhlen und Wäldern um das Land herum gut verstecken. Außerdem würde niemand das Grüne Land mit der Akatsuki in Verbindung bringen. Es ist einfach zu klein und es gibt dort keine Hinweise auf irgendwelche finsteren Sachen.“

„Es ist sicher schön.“ sagte Itachi.

Kiziko Nari

Nach zwei weiteren ganzen Reisetagen kamen sie im Grünen Land an. Die kurzen Pausen und die Abende nutzte Konan, um Sasori ihre Trainingserfolge zu zeigen, während Itachi weiterhin lernte. Zuerst wirkte er wie jemand, der für eine bevorstehende Prüfung lernte, aber Konan kam schnell dahinter, dass dieses ständige Lernen tatsächlich wohl schon immer ein Dauerzustand in Itachis Leben war und sie gewann mehr und mehr den Eindruck, dass dieses unermüdliche Arbeiten mit Pinsel, Tusche und Papier ein lebenserhaltendes Ritual und sogar eine Art Kraftquelle in Itachis Leben war. Es schien wirklich so, als ob ein Ende des Übens, Wiederholens und des Ansammelns von neuem Wissen auch das endgültige Aus für Itachis Gesundheit bedeuten könnte. Und nebenher schrieb er auch noch jeden Abend in ein dickes, rot eingeschlagenes Buch, auf dessen Deckel nur sein Name und die Jahreszahl standen. Dieses Buch lag nicht bei seinen Lernsachen, sondern er bewahrte es versteckt unter seinen Kleidern oder unter dem Kopfkissen auf. Konan hätte gern gewusst, was das für ein Buch war, aber sie traute sich nicht, danach zu fragen.

Am dritten Tag sah Konan von dem Berg, auf dem die kleine Gruppe lagerte, das erste kleine Dorf des Grünen Landes. Konan kannte es und wusste, dass es dort einen guten Buchladen und ein Schreibwarengeschäft gab. Sie nahm Itachis Bücherliste, die genauso ordentlich geschrieben war wie das Blatt mit dem Gedicht, legte ihren Kiziko-Nari-Kimono an und machte sich auf den Weg ins Tal.

Die Verkleidung für die Kiziko, die ab und zu im Grünen Land auftauchte, war anders als die, die sie für die Versteckten Dörfer benutzte: ein bunter, edle gemusterter Kimono, langes, schwarzes Haar und Plateau-Holzschuhe. Dazu trug sie Sonnenschirm oder Fächer, um ihr Gesicht ein wenig verbergen zu können. Ihre Gesichtszüge zu verändern fiel ihr manchmal noch etwas schwer, deshalb wollte sie sichergehen und etwas zum Verstecken dabei haben. Ihre weiße Haut behielt sie bei, die war für eine Dame wie Kiziko nicht weiter auffällig. Konan wusste nicht genau, welches Bild die Leute von Kiziko hatten, aber sie ahnte, dass es inzwischen einige Geschichten und Legenden über sie gab. Solange niemand sie mit Akatsuki in Verbindung brachte oder gar im Bingobuch nachschlug, war alles sicher.

Inzwischen war Kiziko eine untergründig bekannte Spionin, die für jeden arbeitete, der ihr gefiel und immer gute Bezahlung verlangte. Sie schien ehrenamtlich und ohne Bezahlung im Dienst des Fürsten des Grünen Landes zu stehen. Nach der Sache mit dem Wesen aus Bijuu-Chakra hatte sich der Fürst ausgiebig bedankt und ihr und ihrem Begleiter Hiruko (den Namen benutze Sasori bei solchen Angelegenheiten) freien Zugang und eine Lagererlaubnis zugesichert. Sasori hatte daraufhin versprochen, gewisse gefährliche und dunkle Personen und Gruppen vom Grünen Land fernzuhalten.

Es tat Konan ein bisschen Leid, den Fürsten, der ein freundlicher, ehrenhafter Mann war, zu belügen, aber die Sicherheit ging mal wieder vor.

Als Konan in ihrer Verkleidung die Hauptstraße des Dorfes betrat, drehten sich sofort alle nach ihr um. Es gehörte zu ihrer Strategie, aufzufallen und so ihren Aufenthalt im Grünen Land zu bestätigen. Auf diese Weise hatte sie ein Alibi, falls jemand in einem anderen Land ihre Bekanntheit ausnutzen und ihr etwas anhängen wollte. So etwas kam oft vor, wenn jemand auf dieselbe Weise wie sie bekannt wurde. Es ging immer darum, aufzutauchen, vom einfachen Volk gesehen zu werden und dann, wenn die Dorf-Ninja auftauchten, sofort wieder zu verschwinden und andernorts wieder aufzufallen.

Konan betrat den Buchladen, der am anderen Ende der Hauptstraße lag. Es waren viele Kunden da und auch hier wurde sie zuerst verwundert und dann mit der ihr schon vertrauten Wiedererkennung angeschaut. Selbstsicher schritt sie auf die Theke zu und klappte den Fächer auf. Das Piercing an ihrer Unterlippe war das Einzige an ihrem Aussehen, was sie noch nie hatte verbergen können und tagsüber nahm sie es aus Prinzip nicht raus. Der Fächer vor ihrem Gesicht verbarg dieses auffällige Merkmal für den Fall, dass es hier irgendwo ein Bingobuch mit ihrem Bild gab. Man konnte ja nie wissen.

Sie legte mit einer eleganten, jedoch sehr bestimmten Handbewegung die Bücherliste auf die Theke.

„Haben Sie das da?“ fragte sie hinter dem Fächer und wusste, wie auffällig und geheimnisvoll sie wirkte.

Die Verkäuferin verbeugte sich hinter der Theke und lächelte unsicher, sichtlich überrascht über die berühmte Kundin. Sie sah die, für eine einfache Liste auffallend schön geschriebene Bücherliste genau an.

„Natürlich, Nari-san!“ antwortete sie eifrig und lief in einen hinter der Kasse gelegenen Raum, um die Bücher zu holen. Konan ließ derweil ihren Blick umherschweifen, jedoch ohne den Fächer zuzuklappen. Die anderen Kunden im Laden verhielten sich, als hätte gerade eine Filmschauspielerin oder eine Prinzessin hier Bücher bestellt. Halb neugierig und halb verstohlen sahen sie sie an und geflüsterte Sätze wie „Das ist sie doch, oder? Die berühmte Spionin?“ schwirrten durch den Raum.

Als die Verkäuferin die Bücher auf die Theke legte und in Packpapier einwickelte, bemerkte Konan hinter sich einen etwas dreizehnjährigen Jungen, der eine Kiste mit kleinen, bemalten Holztafeln vor sich her trug. Konan warf einen interessierten Blick auf die hübschen Bilder, die aussahen, als hätte der Junge sie selbst gemalt, um sich damit ein wenig Geld zu verdienen.

Die Verkäuferin kam zurück, legte die Bücher auf den Tisch und nannte den Preis. Konan wusste genau, wie viel Geld sie dabei hatte, rechnete nach und merkte, dass es nicht reichen würde. Sie hatte zu wenig mitgenommen!

„Sie bekommen alles geschenkt, Nari-san! Wir sind ihnen so dankbar, weil sie uns von diesem Ungeheuer befreit haben!“ sagte die Verkäuferin, die Konans Geldproblem bemerkt hatte.

Der Junge mit den Bildern sah Konan mit leuchtenden Augen an.

„Du bist ‘ne Heldin, Kiziko! Darf ich dich bitte, bitte, bitte malen?“ fragte er.

„Ja, gerne. Aber wenn ihr hier weiter so einen Aufstand macht, kann ich bald nicht mehr geheim arbeiten.“ entgegnete Konan.

„Natürlich. Entschuldige bitte.“ sagte der Junge, „wie möchtest du denn gemalt werden?“

Konan dachte einen Moment lang nach, dann hatte sie eine Idee: „Mal mich mit einem kleinen roten Vogel. Darf ich das Bild auch behalten?“

Der Junge nickte lebhaft. Zehn Minuten später saß Konan unter einem weiß blühenden Kamelienbaum, hielt eine kleine Tontaube auf der Hand und bemühte sich, ihr verändertes Gesicht zu aufrecht zu erhalten. Der Junge war ganz offensichtlich ein sehr begabter Maler, er war schnell und es dauerte kaum eine halbe Stunde, bis das Bild fertig war. Das Ergebnis war sehr gut und sie hoffte, ihn gut dafür bezahlen zu können. Aber das restliche Geld musste für ein paar neue Kleider und die Schreibsachen für Itachi reichen.

„Ich kann dich leider nicht großartig bezahlen. Tut mir leid.“ sagte sie.

„Das ist schon okay.“

„Wie heißt du eigentlich?“

„Hiroyoshi.“ antwortete der Junge strahlend.

„Was hälst du davon, wenn ich dir etwas anderes gebe? Ich kann Origami.“

„Kannst du eines, das nur du allein kennst? Damit ich mich daran erinnern kann, dich getroffen zu haben? Das Ungeheuer hat unsere Ernte zerstört und dann kamen Hiruko-san und du. Ihr habt uns von diesem Tier befreit.“

Konan zog einen ihrer neuesten Schmetterlinge aus dem weiten Ärmel ihres Kimonos. Es war eine ganz neue Erfindung, ein Schmetterling, der die Farbe wechselte. So ein Schmetterling war für jemanden, der gern Tiere malte, die immer wegflogen, sicher praktisch.

„Der ist aber schön! Kann der was?“ fragte Hiroyoshi.

„Er nimmt jede Farbe an, um die du ihn bittest. Und er fliegt nicht weg. Ich kann mir vorstellen, dass du so etwas gut gebrauchen kannst.“ sagte Konan.

„Vielen Dank, Kiziko!“ Hiroyoshi strahlte. Er hielt ihr die Holztafel hin, auf der er sie gemalt hatte. Es war wirklich ein schönes Bild geworden. Statt der Tontaube hatte der Junge einen süßen, kleinen roten Vogel gemalt.

Konan wollte Itachi das Bild als ein Liebesbeweis schenken. Während sie weiter durch das kleine Dorf ging und sich die Schaufenster ansah, dachte sie an ihn und daran, dass er sich offensichtlich noch immer nicht traute, sich ganz auf die Beziehung zu ihr einzulassen. Sie machte sich Gedanken, wie sie ihn zu seinem Glück bewegen konnte. Zweifellos empfand er genauso wie sie, er hatte es ihr gestanden und sie geküsst, aber Konan war sich sicher, dass er bestimmt irgendwann mehr wollte und nur ihre Zustimmung dazu abwartete. Schließlich war Itachi achtzehn Jahre alt, in diesem Alter gab es doch ein gewisses Verlangen, das er, so, wie sie ihn kannte, wahrscheinlich seit Jahren verdrängte. Er war einer der seltenen Jungen, die sich alle diesbezüglichen Empfindungen wirklich für die Eine aufhoben.

„Wenn ich ihm zeige, dass ich wirklich für ihn da bin und dass er vor mir nichts verstecken muss, gibt er irgendwann nach und das wird ihn sehr glücklich machen.“ dachte sie, „und ich werde soweit sein, es zu tun, sobald er dazu bereit ist.“ ihre Gedanken wanderten zu ihm und ihr fiel auf, dass sie schon begonnen hatte, auf seinen Körper zu achten. Und sie überlegte, wie sie Sayu unauffällig erklären sollte, dass sie eine gewisse Tablette brauchte.

Als sie in den anderen Läden des Dorfes die Schreibsachen und noch etwas zu essen kaufte, lief das ähnlich ab wie im Buchladen und am Ende hatte sie einen Teil des vorher berechneten Geldes gespart.

Dann kehrte Konan zum Lagerplatz zurück. Kurz bevor sie die Lichtung, auf der das Zelt aufgebaut war, erreichte, hörte sie eine vertraute Stimme wütend schreien. Es konnte nur Itachis Stimme sein, obwohl Konan nie gehört hatte, wie er laut geworden war. Früher in Konoha nicht und jetzt schon gar nicht.

Konan betrat den Lagerplatz und platzte mitten in einen Streit zwischen Sasori und Itachi.

„Was ist hier los?“ fragte sie, „kann man euch zwei nicht mal ein paar Stunden allein lassen?“

„Itachi hat ein viel zu sensibles Gewissen.“ sagte Sasori.

„Und dir passt das nicht, oder was?“ zischte Konan, „weil du so etwas wie Sensibilität natürlich nicht kapierst!“

„Sasori sagte, dass wir, wenn wir jemanden von der Anbu begegnen, den sofort umbringen soll und dass das eine Aufgabe für mich wäre!“ erwiderte Sasori ungewohnt heftig auf Sasoris Bemerkung.

Konan wusste ja selbst, dass unter Sasoris harter Schale ein im Grunde gutes Herz steckte, aber seine bescheuerte Art, es zu verbergen und sein unbedachtes Gerede nervte sie furchtbar. Würde er jemals lernen, dass dieses vermeintlich rücksichtslose Zeug, das er oft von sich gab, nur sehr schwer von seinen wahren Absichten zu unterscheiden war?

„Du hättest uns ja mal sagen können, dass du ein ehemaliger Anbu bist, Itachi!“ motze Sasori beleidigt.

„Das ist vier Jahre her.“ sagte Itachi.

„Und warum bist du ausgestiegen?“ wollte Konan wissen.

„Ich wollte lieber zuhause sein und meiner Mutter helfen, statt zu kämpfen und andere zu verletzen.“ antwortete Itachi. Seine Stimme begann schon zu zittern.

„Deiner Mutter helfen?“ hakte Sasori irritiert und unsensibel nach.

Itachis Augen schwammen sofort in Tränen.

„Halt einfach mal die Klappe, Sasori!“ fauchte Konan und zischte dem Älteren leise zu: „Pass auf, was du sagst? Kein Wort über Itachis Familie!“

Sasori nickte kaum merklich.

„Du siehst schön aus, Konan.“ sagte Itachi, deutete auf den Kimono und blinzelte die Tränen weg.

Konan wurde ein bisschen rot. „Danke.“ sie lächelte und begann, den Kimono auszuziehen. In ihrem vertrauten Mantel und der grauen Hose fühlte sie sich wohler, nicht so zurechtgemacht, sondern wie ganz sie selbst. Sie wusste, dass sie auch in der schlichten, eher unweiblichen Akatsuki-Uniform schön war. Zum ersten Mal wollte sie jedoch nicht nur für sich selbst schön sein, sondern vor allem für Itachi.

An diesem Abend ging Konan wieder vor Itachi ins Bett. Während er noch am Lagerfeuer saß und lernte, dachte sie im Zelt darüber nach, wie sie ihn am besten dazu brachte, seine Schüchternheit abzulegen. Das erste Wort, das ihr dazu einfiel, war: verführen. Am Abend zuvor hatte sie bemerkt, dass er, wenn er zum Schlafen ins Zelt kam, einen ganz bestimmten Blick auf sie warf.

„Itachi traut sich nicht, mich zu fragen.“ dachte sie, „er fürchtet, mich damit zu bedrängen. Ich muss ihm deutlich zeigen, dass ich will.“

Sie hatte schon einige Male seinen Wunsch, sie zu berühren, gespürt und in seinen Augen den Wechsel von Verlangen und Zurückhaltung gesehen. Seine Schüchternheit war süß und einerseits gefiel es Konan, dass Itachi sich so zurückhalten konnte, aber sie wusste auch, dass darunter ein ganz bestimmter Wunsch verborgen war. Den wollte sie ihm erfüllen. Und wie immer er auch war, es würde genau das sein, was sie wollte. Aber zuerst musste sie ihn um seines eigenen Glückes wegen dazu bringen, zu sagen, was er wollte.

„Er ist zwar lieb und schüchtern, aber trotzdem immerhin ein junger Mann, achtzehn Jahre alt und mit einem, wenn auch unterdrückten Wunsch nach diesen Liebesdingen. Ich muss ihn nur dazu bringen, seine Vorsicht ein Stück weit zu überwinden und das Verlangen zuzulassen. Danach wird er hoffentlich etwas glücklicher sein.“ dachte Konan. Sie begann, verschiedene Gedanken durchzugehen, Ideen, wie sie Itachi dazu bringen konnte. Ihr war klar, dass er eine starke Selbstdisziplin hatte und dass es lange dauern konnte, bis sie ihn soweit hatte, sein Glück zumindest einen Moment lang über die Zurückhaltung zu stellen.

Konan hatte nicht viel Ahnung von diesen Dingen, sie hatte bisher einfach keine Zeit gehabt, sich damit zu befassen und ihr fehlten die gleichaltrigen Mädchen, von deren Erfahrungsaustausch sie hätte profitieren können. Die einzige junge Frau, die sie näher kannte, war Sayu und die war ebenfalls meist sehr mit ihren Aufgaben beschäftigt. Aber Sayu besaß einige interessante Bücher, in die Konan auch schon mal hineingesehen hatte. Das Thema war anziehend und zugleich mit einer gewissen Peinlichkeit behaftet, die Konan besonders an dem Tag vor ein paar Monaten gespürt hatte, als sie von Sayu beim Lesen eines dieser speziellen Bücher ertappt worden war. Daraufhin hatten sie ziemlich ausführlich miteinander über das Thema gesprochen und jetzt wusste Konan theoretisch Bescheid. Die praktische und deshalb viel wichtigere Seite dieser besonderen Sache hing jetzt zur Hälfte an Itachi. Aber Konan war sich absolut sicher, dass er damit in einer entspannten Stimmung keinerlei Schwierigkeiten haben würde. Wenn er darin nur halb so gut war wie im Küssen, würde sicher nichts schieflaufen.

Und dann hatte Konan eine Idee: sie trug fast immer kurze, lila Nachtwäsche aus Seide, die fast schon als Unterwäsche zählten. Wenn sie sich abends die schmalen Träger von den Schultern streifte und sich dann so zudeckte, dass das Nachthemd nicht zu sehen war, würde es so aussehen, als hätte sie unter der Decke gar nichts an. Sie musste also einfach darauf achten, dass sie verführerisch aussah. Besonders in dem Moment, wenn Itachi zum Schlafen ins Zelt kam und, wie er es schon einige Male getan hatte, schüchtern die Hand nach ihrer Schulter ausstreckte. Bisher hatte er seine Hand immer wieder zurückgezogen, sich dann hingelegt und sie nur angesehen. Sie wusste das, weil sie einmal aufgewacht war, woraufhin Itachi, sobald er es bemerkt hatte, sich zur Wand gedreht und schlafend gestellt hatte. Er war wirklich schüchtern.

Konan stellte sich eine Szene vor, wie man sich etwas vorstellt, wenn man schon im Bett liegt, aber noch nicht schlafen kann und keine Lust hat, noch etwas zu lesen. Sie schloss die Augen und ließ das, was sie sich vorstellte, wie einen Film vor sich ablaufen: das, was passieren sollte, wenn ihr Plan, Itachi glücklich zu machen, funktionierte.

Sie lag, genau wie in echt, unter der Decke, die Träger des Nachthemdes hatte sie gar nicht erst über ihre Arme gezogen. Als sie Itachis Schritte zum Zelt kommen hörte, stellte sie sich schlafend. Sie drehte sich mit dem Gesicht zur schrägen Wand, schob das Nachthemd schnell noch ein Stück herunter und zog die Decke so, dass sie ihre Beine, das Hemdchen, aber sonst nichts bedeckte. Itachi öffnete die kleine Tür des kegelförmigen Zeltes, rutschte wie immer auf den Knien hinein wie in ein Teezimmer und Konan spürte sofort seinen liebevollen Blick auf der Haut. Sein Schatten fiel auf sie und die hörte das leise Rascheln seines Ärmels, als er eine Hand ausstreckte, um sie wieder fast zu berühren. Eine anregende Spannung ging von ihm aus, eine Mischung aus einer Menge geübter, tief verwurzelter Zurückhaltung und deutlich spürbarem, liebevollem Verlangen.

Konan holte tief Luft, wobei sie sich große Mühe gab, schlafend zu wirken. Obwohl sie nicht sicher war, ob es ihr gelang, dem hochsensiblen Itachi etwas vorzuspielen, machte sie weiter. Durch das Luftholen spannte sich die Bettdecke und ihre Brüste wirkten größer. Sie wusste, dass Itachis Zurückhaltung eine Grenze hatte und dass diese, wenn Konan so weitermachte, bald erreicht war. Dann spürte sie seine Handfläche vorn an ihrer Schulter und seine Fingerspitzen ganz nah an ihren Brüsten. Sie öffnete langsam die Augen, sah diesen liebevollen Blick in seinen, setzte sich auf, wobei ihr Nachthemd herunter rutschte und schlang die Arme um seinen Hals, wobei sie darauf achtete, die schwarze Stelle, die schmerzempfindlich aussah, nicht zu berühren.

„Genau so wird es klappen.“ dachte Konan, öffnete die Augen und verschloss die Träumerei tief in ihren Gedanken, „es wird sicher schön werden. Er wird danach glücklich sein. Es ist die einzige Möglichkeit, seine Schüchternheit zu lösen und ihn mit dem Glück zu versorgen, das für ihn lebenswichtig ist.“

Sie hörte, wie Itachi Steine auf das Lagerfeuer legte und seine Bücher zusammenpackte. Gleich würde er ins Zelt kommen.

Heute Abend trug Konan eine kleine Jacke über dem Nachthemd. Sie zog sie schnell aus und machte es so wie in ihrer Vorstellung, nur nicht ganz so verführerisch und freizügig. Sie wusste, dass sie Itachi Zeit geben musste. Er kam genauso ins Zelt wie jeden Abend. Konan stellte sich schlafend. Sie drehte sich zur Wand um und wartete. Tatsächlich, Itachi kniete eine Weile neben ihr und sah sie an. Aber dann zog er sich schnell um und legte sich auf seine Schlafmatte. Er traute sich noch nicht. Obwohl das zwischen ihm und Konan längst klar war, wollte er nichts zu früh tun. Er wartete weiter auf ihr ausdrückliches Einverständnis.

Die nächsten Tage bestanden für Konan aus Training, für Itachi aus Lernen und für beide aus den gemeinsamen Unterrichtsstunden. Konan war von Itachis Fähigkeiten als Nachhilfelehrer begeistert. Er erklärte gut und führte ihre Hand mit dem Schreibpinsel als es um die Kalligraphie ging. Konans Schrift war bisher zwar lesbar, aber nicht sehr schön und gleichmäßig gewesen, doch unter Itachis sorgfältiger Anleitung gelangen ihr selbst die komplizierteren Zeichen besser, wenn sie auch weiterhin etwas neidisch auf die Schönheit seiner eigenen Schrift schaute. Sie führte ihren Erfolg weniger auf sich selbst, sondern auf Itachis schreibbegabten Hände und seine reine Anwesenheit zurück. Wenn die Übungen am frühen Nachmittag waren, hatte Konan am Abend noch immer das Gefühl von Itachis warmen Händen, die ihre mit dem Schreibgerät über das Papier führten.

Konan konnte sich zwar nicht daran erinnern, aber so, wie Itachi bei den Schreibübungen hinter ihr saß und ihre Hände in dieser Kunst unterwies, hatte früher auch Madara hinter ihr gesessen und ihren damals kleinen Händen das Origamifalten beigebracht.

Ein dunkles, nebliges Gefühl von Deja-vu kam zwar kurz auf, aber es verschwand ebenso schnell wie es gekommen war und Konan dachte nicht darüber nach, warum ihr die ersten Jahre ihres Lebens ein Rätsel waren. Die Gegenwart war einfach zu anstrengend, als dass sie sich mit der Vergangenheit befassen konnte. Sie erinnerte sich nur an das eine Jahr, das sie in Kumo im Schulheim verbracht hatte. Aber wie gesagt, es gab genug Probleme im Hier und Jetzt, als dass sie groß darüber nachdachte, warum sie sich an so vieles nicht erinnern konnte.

Als die zweite Woche der Reise vergangen war, hatten sie eine Höhle erreicht, die Sasori schon zuvor auf einer seiner Reisen allein eingerichtet hatte. Am nächsten Tag wollten sie vor der Höhle das Zelt aufstellen, heute Abend blieben sie noch auf einem Lagerplatz, der ein Stück von der Höhle entfernt war.

Sie saßen wieder am Lagerfeuer, Sasori war wie immer ein wenig abseits und Konan fragte sich, wann er Hiruko endlich ablegen und ihr seine wahre Gestalt zeigen würde. Sie versuchte, sich sein wahres Gesicht vorzustellen, aber da sie keinen Anhaltspunkt hatte, wie er wirklich aussehen könnte, gelang es ihr nicht.

„Was ist das für eine Höhle?“ fragte Itachi.

„Unser geheimer Lagerraum, in dem wir alles aufbewahren, was die anderen nicht sehen sollen.“ antwortete Konan. Sie hatte ein paar Kleider genäht, die sie aber im Hauptquartier nicht tragen konnte, weil Pain ihr nicht erlaubte, außerhalb ihres Zimmers etwas anderes als die Uniform zu tragen. Und sie hatte keine Lust, wegen so einer Kleinigkeit mit Pain zu streiten. Er würde kaum etwas sagen, es war ihm zu peinlich, Konan nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Er wollte sich ja selbst nicht eingestehen, dass sie machte, was sie wollte und Konan wusste das. Sie wusste, wie verblendet Pain war. Aber auffällige Kleider würden auch den anderen Mitgliedern auffallen und das galt es zu vermeiden.

Am nächsten Tag stellte Sasori das Zelt vor dem Höhleneingang auf. Konan löste die Versiegelung der Höhle und verschwand in ihrem Lagerraum, um die neuesten Kleider einzulagern und den halben Tag von ihrer Modesphäre umgeben an der Nähmaschine zu sitzen.

Sasori hatte in der Höhle einen Teil seiner Marionetten und die sorgfältig und mehrfach versiegelten Briefe seiner Großmutter Chiyo. Die Briefe enthielten auch Informationen über einen von Chiyos anderen Enkeln: Gaara Sabakuno, neun Jahre alt, in dessen Körper der Ichibi versiegelt war.

Sasori wusste, dass diese Briefe ein Zeichen des Vertrauens waren, das Chiyo noch immer zu ihm hatte und das er eigentlich nicht verspielen wollte. Denn Sasori war sich seiner schwierigsten Eigenschaft sehr wohl bewusst. Ihm war klar, dass er ebenso gern auf guten wie auch auf der schlechten Seite der Macht mitspielte und oft genug die Grenzen dazwischen verschwimmen ließ. Ihm war klar, dass er auf der guten Seite besser dastand und sein Herz, das er zwar sehr eingeengt hatte, aber das noch ein Wort bei seinen Entscheidungen mitzureden hatte, zog ihn ebenfalls auf die helle Seite. Aber die dunkle Seite hatte auch ihre Reize und nicht zu knapp. Die Anbu zu überlisten, schwarz illegale Geschäfte zu machen und jeden Tag mit der kribbelnden Spannung zu leben, dass jeden Moment etwas Interessantes passieren könnte, lockte zu sehr, als dass er es hätte aufgeben können. Und außerdem konnte er nur auf Konan aufpassen, wenn er sich genau in den Kreisen auskannte, vor denen er sie beschützen wollte. Doch am Ende, wenn der ganze Ärger vorbei war, würde er auf der Seite seiner Großmutter stehen. Der beste Beweis für Sasoris Einstellung war seine neue Marionette. Er hatte sie, kurz bevor er vor Itachis Ankunft mit Konan im Grünen Land gewesen war, in Suna Gakure vor Orochimaru gerettet. Es war eine sehr, sehr wichtige Menschenmarionette und Sasori hatte fest vor, sie irgendwann wiederzubeleben, wenn er auch noch kein Jutsu beherrschte, mit dem so etwas möglich war.

Die Schriftrolle, die diese Marionette enthielt, trug das Schriftzeichen für „drei“. Sasori legte sie in die oberste Schublade des größten Schrankes. Neben dem Schrank hing ein kleiner Spiegel. Sasori sah Hirukos Gesicht statt seines eigenen vor sich und wusste, dass er Konan und Itachi bald seine wahre Gestalt zeigen musste. Es durfte keine Geheimnisse zwischen ihnen geben.

Itachi hängte das Bild, das Konan ihm geschenkt hatte, in seinem Raum an die Wand. Er wollte es nicht mit ins Hauptquartier mitnehmen, damit keiner der anderen etwas über Konans zweite Identität herausfand.

Eine Möglichkeit, zu heilen

Konan verschloss die Höhle mit einer neuen Barriere, die sie gerade erst selbst entwickelt hatte. Diese Barriere erschuf, sobald jemand sie abriss, Doppelgänger des Eindringlings und zwang diesen so, gegen sich selbst zu kämpfen. Konan war ziemlich stolz auf diese Entwicklung und Sasori lobte ihre fortschreitenden Fähigkeiten. Er versah den Eingang zusätzlich mit einem anderen Siegel, damit auch ganz sicher niemand unerlaubt in die Höhle kam.

Am Abend, als Konan im Zelt auf ihrer Schlafmatte lag und schon fast schlief, hörte sie plötzlich leise geflüstert ihren Namen. Sie wickelte die warme Schlafanzugjacke enger um sich und drehte sich von der Wand weg auf die andere Seite.

Itachi lag schon unter seiner Decke und Konan hatte gedacht, er würde längst schlafen. Aber er war wohl noch wach.

„Schläfst du noch nicht?“ fragte Konan.

„Nein. Ich kann nicht.“ kam es leise zurück.

„Warum nicht?“

„Ich muss die ganze Zeit an Sasuke denken.“ Itachi setzte sich auf. Das weiße Licht der Mondsichel fiel durch das runde Loch im Zeltdach auf sein Gesicht und Konan sah, wie eine einzelne, rote Träne aus Itachis linken Auge seine Wange hinabwanderte.

„Wenn du nur noch an Sasuke denkst, gehst du viel zu schnell kaputt. Dadurch wird nichts besser.“ sagte Konan, „du musst besser auf dich selbst achten.“

„Ich denke immer daran, dass Sasuke leidet und ich hier bin und…“ Itachi brach ab, denn beinahe hätte er gesagt „mich verliebe und vor dem Einschlafen am Abend immer an dich denke und am liebsten zu dir ins Bett kommen würde.“

„Und was?“ hakte Konan nach.

Ein leichter, aber deutlich sichtbarer Hauch von Röte stieg in Itachis Wangen, als er sagte: „Dich immer so ansehe… ich hab noch nie ein Mädchen so angesehen wie dich.“

„Bald hab ich ihn soweit.“ dachte Konan, „dann kann ich ihn glücklich machen.“

„Ich habe gewartet. Schon von Anfang an wusste ich, dass ich warten würde. Auf die Eine, die irgendwann kommen und in die ich mich verlieben würde. Diese Eine bist du, Konan.“ Itachis Stimme war leise und er sah verlegen auf seine Hände.

Konan wusste erst nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte Itachis Blick auf ihrem Körper und, wie in ihrer Traumvorstellung, seine erregte Anspannung unter der allgegenwärtigen Zurückhaltung. Er befand sich auf dem Weg dahin, war aber noch viel zu schüchtern, um es offen zuzugeben. Sie sah ihn mit demselben Blick an, erkannte die Konturen seines Körpers unter dem schwarzen Hemd und erinnerte sich daran, wie sie im Krankenzimmer sein T-Shirt hochgeschoben und ihn berührt hatte. Derselbe warme Schauer lief über ihren Körper, als sie sich vorstellte, sein Hemd wieder hochzuschieben und den vom jahrelangen Training schön geformten Körper zu sehen und unter ihren Händen zu spüren.

„Wir sind doch zusammen, oder?“ begann sie, „du hast gesagt, dass du mich liebst und ich liebe dich.“

Itachi senkte den Kopf, sein Haar fiel nach vorn und der Schatten seiner vorderen Haarsträhnen verbarg die zunehmende Röte auf seinen Wangen. Er traute sich zuerst nicht, auszusprechen, was er gerade dachte, es waren drei sehr bedeutende Worte, viel zu bedeutend, um sie einfach so zu sagen. Aber wenn er es nicht sagte, konnte Konan es nicht mit ganzer Sicherheit wissen, also rang er sich dazu durch, es auszusprechen: „Ich liebe dich.“

„Komm her.“ sagte Konan und schlug die Bettdecke beiseite, „du kannst bei mir schlafen.“

„Wirklich?“ fragte Itachi ungläubig, „du willst, dass ich bei dir schlafe?“

„Ja! Komm schon! Ich weiß, dass du schüchtern bist, aber ich hab dich doch lieb!“ Konan lächelte.

Ein glückliches Strahlen trat in Itachis dunkle Augen und er wischte die getrocknete Blutträne mit dem Ärmel von seiner Wange. Dann rutschte er kniend das kurze Stück zu Konan hinüber. Das Zelt war zu klein, um darin stehen zu können.

„Was möchtest du?“ fragte er schüchtern, „das?“

„Alles, was du willst. Ich will alles tun, was dich glücklich macht.“ antwortete Konan, „da gibt es bestimmt einiges.“

„Sie hat Recht. Da gibt es einiges, was sie tun könnte.“ gestand er sich in Gedanken ein, „aber kann ich das wirklich von ihr verlangen?“ in ihm stritten der Wunsch, Konan in die Arme zu nehmen, der kaum zugelassene Gedanke, ihr langsam die Kleider von ihrem weißen Körper zu streifen, und seine allgegenwärtige Zurückhaltung. Bisher hatte die Zurückhaltung immer über die beiden selbstbezogenen Gedanken gesiegt. Aber in diesem Moment gewann der Wunsch, einfach neben Konan zu liegen und zu spüren, dass sie ihn liebte. Er ließ seine Zurückhaltung fallen und legte sich neben sie auf ihre Matte.

„Ich hab keine Erfahrung.“ sagte er.

„Das weiß ich doch.“ flüsterte Konan ganz nah an seinem Ohr. Sie schob die Hand in sein Haar und strich vorsichtig über das hautfarbene Pflaster, mit dem Itachi das Mal an seinem Hals abgedeckt hatte. Er spürte es nicht wirklich. Wenn es nicht gerade stach, wie der Stich einer heißen Nadel, war es taub und fühlte sich wie ein Fremdkörper an.

„Aber du wirst nicht wieder ohnmächtig, oder?“ fragte er nach einer Weile.

„Nein, bestimmt nicht. Obwohl, so süß, wie du bist, könnte ich jederzeit wieder umkippen. Aber ich liege ja schon.“ die Worte kamen einfach so heraus, ohne dass Konan sie zurückhalten konnte.

„Du findest mich süß?“

„Süß ist gar kein Ausdruck.“ sagte Konan und dachte: „Jetzt, wo ich mit dem Zeug schon mal angefangen habe, könnte ich auch gleich aufs Ganze gehen. Aber ich glaube, so weit ist er noch nicht.“

„Was wäre denn deiner Meinung nach ein Ausdruck?“ fragte er.

Konan setzte sich auf und beugte sich über Itachi. Sie spürte seine ruhigen, warmen Atemzüge und flüsterte: „Du bist der allerliebste, schönste, begabteste und wundervollste Junge, den ich je in meinem ganzen Leben getroffen habe. Ich liebe dich, Itachi Uchiha. Und ich werde von jetzt an für dich da sein und alles tun, damit du glücklich wirst.“

„Warum liebst du gerade mich?“ Itachis zerstörtes Selbstwertgefühl meldete sich wieder und er konnte das, was Konan gerade gesagt hatte, kaum genießen.

„Schscht.“ Konan legte ihm ihren weißen Finger auf die Lippen, „weil du so bist, wie du bist. Glaub mir einfach, dass ich für dich da bin. Lass das Glück zu.“

Ihr Gesicht war seinem so nah, dass sie seinen Atem im Gesicht spürte. Ein Hauch von süßem Reis, Tee und Feuer. Konan mochte den Duft von Tee.

Sie stützte sich mit der Hand etwas unbequem auf der Schlafmatte ab. Ihre Handfläche rutschte auf dem glatten Stoff weg und ihre Lippen trafen auf Itachis. Er legte seine Arme um sie und zog sie an sich. Sie sah ihm in die Augen, sie waren schwarz, ohne eine Spur von Rot. Es wurde wärmer im Zelt und Konan hätte sich am liebsten halb ausgezogen, aber dazu hätte sie den Kuss unterbrechen müssen. Aber es fühlte sich viel zu gut an, um aufzuhören. Sie spürte Itachis Herzschlag, seine Hände, die ihren Rücken hinauf zu ihrem Nacken wanderten und wieder, jetzt ganz nah, sein Verlangen nach ihr, dass noch tief in ihm von seiner Selbstkontrolle eingeschlossen war, aber langsam an die Oberfläche strebte.

Zum ersten Mal war Itachi Konan so nah, dass er spüren konnte, wie ihr Herz schlug und ihre Brust sich mit ihren Atemzügen hob und senkte. Er fühlte sich lebendig und seine verletzte Seele konnte in diesem Moment endlich noch etwas anderes als Schmerz und Trauer fühlen. Es machte ihn sehr glücklich und er sah seine Zurückhaltung auf einmal mit anderen Augen: irgendwie war es doch undankbar, das Glück, das Konan ihm anbot, nicht anzunehmen. Er hatte sich so verhalten, um Konan keine Umstände zu machen und nichts von ihr zu fordern, aber sie war sichtlich entschlossen, für ihn da zu sein. Und sie gab sich solche Mühe dabei! Das, was Konan tat, war keine Selbstaufgabe und sie meinte es ernst. Sie gab sich ihm mit Körper und Seele hin, stellte ihn in den Mittelpunkt ihres Lebens. Wann hatte sie beschlossen, das zu tun? Itachi wusste es nicht. Fest stand aber, dass sie es beschlossen hatte und dass nahezu ihr ganzes Handeln ihm galt.

Itachi spürte seine Hände fester und drängender über Konans warmen Körper streichen, fühlte, wie sein Verlangen nach ihr zunahm und sein Körper auf ihren reagierte. Er brauchte einen Moment, um es wirklich zu bemerken, seine Gedanken wieder klar zu bekommen und das neue, drängende Gefühl niederzukämpfen. Vorsichtig löste er sich von ihr, zog seine Hände zurück und rückte ein Stück von ihr ab. Sein Herz raste und ihm war so warm, als würde er neben einer Schale voll glühender Kohlen liegen. Während Konan sich wohl fragte, welchen Grund sein Verhalten wohl hatte, dachte er etwas erschrocken darüber nach, was das gerade gewesen war. Es hatte sich neu angefühlt und doch glaubte er, sich daran erinnern zu können, dass schon einmal so etwas mit seinem Körper passiert war. Es war wohl in einem Traum gewesen.

„Was ist das?“ fragte er sich und kannte die Antwort schon. Es war das, was er im Alter von dreizehn in seine Träume verbannt hatte, um auf das eine Mädchen, in das er sich verlieben wollte, warten zu können und bis dahin rein und unerfahren zu bleiben. Dieses körperliche Verlangen, das er sich einzig und allein für die Eine, für Konan, aufgehoben hatte.

„Ich habe Angst.“ dachte er, „Angst, dass ich etwas von ihr verlange, zu dem sie noch nicht bereit ist. Obwohl sie sagt, dass sie alles für mich tun will.“

„Was ist los?“ fragte Konan besorgt.

„Ich hätte fast die Kontrolle verloren.“ sagte Itachi leise, „es tut mir leid.“

„Das muss dir nicht leidtun. Es war doch schön.“ Konan strich liebevoll über Itachis Haar und dachte: „Bald werde ich dich wirklich glücklich machen. Du musst nur begreifen, wie sehr ich dich liebe. Ich bin bereit dafür.“

Die nächtliche Kälte, die im Zelt herrschte, kühlte die erregte Stimmung schnell herunter und Itachi konnte wieder ganz klar denken. Die Luft, die ihm eben noch seidig warm erschienen war, wurde kalt und Itachi spürte trotz des Schlafanzuges eine Gänsehaut.

„Komm her, unter die Decke.“ sagte Konan.

„Aber…“ die Angst, wieder die Kontrolle zu verlieren, ließ ihn widersprechen.

„Komm. Du kannst in meinen Armen schlafen.“ Konan lächelte.

Itachi rückte wieder auf die Schlafmatte zurück, näher zu Konan, sie nahm ihn in ihre Arme und er legte den Kopf auf ihre Brust. Das drängende, heiße Verlangen von eben blieb aus. Stattdessen fühlte Itachi sich, als würde er von seiner Mutter umarmt, so wie früher, als er acht Jahre alt gewesen war und nachts, wenn er Albträume vom Krieg gehabt hatte, zu seiner Mutter ins Bett gekrochen war. Er schloss die Augen und schlief tief und traumlos. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er keinen Albtraum. Bis auf den einen Traum von Konan unter dem Blütenregen waren alle seine Träume nur Albträume gewesen, in denen er Orochimarus Angriff immer wieder durchleben musste.

Am nächsten Morgen wachte Itachi in Konans Armen auf. Er wollte aufstehen, sie aber nicht aufwecken, aus Rücksicht und weil sie so süß aussah, wenn sie schlief. Vorsichtig löste er sich aus ihrer Umarmung, stand auf, zog sich um und verließ das Zelt, um wie jeden Morgen das Feuer anzufachen. Heute Morgen benutzte er Streichhölzer. Sein Feuerelement zu verwenden wollte er nach Möglichkeit vermeiden. Manchmal versuchte er, eine Weile ohne sein Talent, seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten und seine Sharingan auszukommen und in Konoha war es ihm manchmal einige Tage lang gelungen. Aber besonders der Verzicht auf die Sharingan würde mit der Zeit immer schwieriger werden, jetzt, wo er das starke, aber gefährliche Kaleidoskop-Sharingan hatte, das seine Augen schädigte. Nur ein gut funktionierendes Shiawase-no-Jutsu konnte diesen Prozess verlangsamen. Und solange es so viel von Sasukes Hass auffing, war es kaum verwendbar.

Wieder überfiel Itachi eine Welle dieses Hasses, der Riss in seinem Herzen schmerzte und er musste sich einen Moment setzen. Wie schon so oft in letzter Zeit presste er unwillkürlich seine rechte Hand auf sein verletztes Herz. Einen Moment lang sah er nichts mehr, dann wandte er sein letztes Chakra auf, um seine Sharingan zu aktivieren. Diese durch Sasukes Wut ausgelösten Anfälle konnten innerhalb von Sekunden Itachis Chakra fast vollständig vernichten und ihn zu Boden zwingen. Er musste schnellstmöglich einen Weg finden, wie er das ausgleichen konnte.

„Itachi! Bist du okay?“ Konan kam aus dem Zelt, „warum sitzt du hier auf dem Boden? Tut dir was weh?“

„Mir war nur etwas schwindlig.“ sagte Itachi, obwohl es nicht stimmte, „ich bin zu schnell aufgestanden.“

Konan kniete sich neben ihn.

„Wann lernst du endlich, dass du mir nichts vormachen kannst?“ fragte sie, „es ist dein Herz, hab ich Recht? Und deinen Augen geht es auch nicht gut.“

Itachi nickte. Konan konnte man wirklich nichts vormachen.

„Kann ich irgendwas tun?“ fragte sie weiter. Es war wie gestern Abend. Konan wollte etwas für Itachi tun, damit es ihm besser ging.

Und es war dieselbe Sache.

So etwas war sicher stark genug, um Sasukes Hass für einige Augenblicke beiseite zu schieben. Konans Liebe, das Glücksgefühl, das ihre Berührungen auslösten, würde von Shiawase-no-Jutsu in Lebensenergie umgewandelt werden können. Und das, woran sie beide in diesem Moment dachten, würde für so starke, gute Gefühle sorgen, dass es einen ganzen Tag lang reichte. Aber gestern Abend hatte Itachi Angst gehabt, das schon so bald von Konan zu verlangen. Sie war doch erst sechzehn. Itachi erinnerte sich daran, wie sein Körper auf ihren reagiert hatte, bekam eine Sekunde lang so etwas wie Sehnsucht danach, doch er kämpfte es wieder entschlossen nieder. Irgendwann würde er Konan fragen, ob sie schon dazu bereit war. Er wagte noch nicht einmal, die Worte „mit ihr schlafen“ zu denken. Seit Jahren war er so sehr darum bemüht, seine Gedanken rein zu halten, das Begehren zu unterdrücken und es in seine Träume zu verbannen. Aber seit er bei Konan war, gelang ihm das nicht mehr so wie früher. Er ließ die Gedanken an ihren weißen Körper unter dem weiten Mantel immer mehr zu.

Aber es schien ihr gefallen zu haben. Sie hatte den Kuss genossen, hatte ja selbst den Anfang gemacht und ihn aufgefordert, ihr Bett zu teilen.

„Konan, weißt du, was du sagst, wenn du mir versprichst, alles für mich zu tun?“ fragte Itachi.

„Ja, das weiß ich sehr gut. Und ich weiß, dass es vielleicht eine bestimmte Heilungsmöglichkeit gibt, für die du mich brauchst.“ antwortete Konan und an ihrem Gesicht und dem Ton ihrer Stimme erkannte Itachi, dass sie wusste, wovon sie sprach, „ich hab gespürt, wie du gestern dagegen gekämpft hast, aber ich habe es erst heute Morgen verstanden. Du kannst ruhig mit mir darüber reden, wenn du mit mir schlafen möchtest, Itachi.“ sie sagte es ganz gelassen und sah ihm dabei in die Augen.

Itachi spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg.

„Jetzt ist es ausgesprochen.“ dachte er.

„Du musst dich deswegen doch nicht schämen! Das ist doch ganz normal. Du bist schließlich schon achtzehn. Wenn du wirklich so weit bist, dann sag es mir einfach. Ich bin bereit und ich mach dich glücklich. Versprochen.“

„Wirklich? Meinst du das ernst?“

„Ja.“ Konan strahlte Itachi an, „ganz ehrlich.“

„Ich…“ er wusste nicht, wie er es sagen sollte, „ich bin nicht sicher…“

„Wobei bist du nicht sicher?“

„… du weißt ja…“

„…dass du schüchtern bist und deine Zurückhaltung nicht so schnell überwinden kannst?“ riet Konan, „hey, entspann dich! Das wird schon.“

Sie stand auf und hielt ihm ihre Hand hin. Er wartete einen Moment, aber der Schmerz in seinem Herzen hatte sich für den Moment zurückgezogen. Dann nahm er ihre Hand und ließ sich von ihr aufhelfen.

„Weißt du, wo Sasori ist?“ fragte Itachi, als er nach dem Frühstück den Reiskocher wegräumte.

„Keine Ahnung. Der verschwindet öfter mal und taucht dann irgendwann wieder auf, wenn wir weiterziehen.“ antwortete Konan, „ich weiß auch nicht, was er immer macht. Aber irgendwie war er gestern besonders komisch.“

„Kennst du seine wahre Gestalt?“

„Nein. es wird langsam Zeit, dass er damit rausrückt.“

„Wissen die anderen davon?“

„Ich glaube, du-weißt-schon-wem hat er gezeigt, wie er wirklich aussieht. Der war ja mal sein Partner.“ sagte Konan.

„Du-weißt-schon-wer?“ fragte Itachi, obwohl er wahrscheinlich wusste, wen Konan meinte.

„Ich… ähm, ich wollte den Namen nicht aussprechen, weil er doch… dich so… verletzt… hat.“

„Du meinst Orochimaru?“

Konan nickte vorsichtig. Sie wusste nicht, wie Itachi auf Orochimarus Namen reagieren würde und ob es ihn verletzte. Es musste doch schon schlimm sein, an den zu denken, der sein Leben zerstört hatte und sich damit immer wieder an den Angriff zu erinnern.

„Ich habe keine Angst vor seinem Namen. So viel Macht gestehe ich ihm nicht zu. Das will er doch nur, dass ich auch noch Angst davor habe, seinen Namen auszusprechen. Den Gefallen werde ich ihm nicht tun.“ sagte Itachi.

„Du bist sehr mutig.“ erwiderte Konan, „weißt du das?“

„Ja. Meine Urgroßmutter hat das schon oft zu mir gesagt.“ antwortete er und zwang sich, nicht an Konoha und seine Familie zu denken.

„Seine Urgroßmutter muss eine sehr kluge Frau sein.“ dachte Konan, „sicher ist sie die Clanälteste der Uchiha.“

Das Unterholz knackte und Sasori kam in seiner üblichen, niedrigen Haltung aus dem Wald geschlichen. Manchmal erinnerte seine Fortbewegungsweise Konan an eine Schnecke mit Haus oder an eine Landschildkröte. Sie war wirklich gespannt, wie er unter Hirukos seltsamer Oberfläche aussah.

Sasoris wahre Gestalt

„Da bist du ja.“ sagte Konan, „wo warst du?“

„Ich habe Informationen gesammelt.“ erwiderte Sasori unbestimmt.

„Das sagst du immer. Werd‘ mal ein bisschen konkreter!“ forderte Konan.

„Der Kazekage der Dritten Generation wurde entführt. Und es heißt, dass Orochimaru damit zu tun hat.“ sagte Sasori, „ich komme aus Suna Gakure, das wisst ihr ja.“

„Kazekage der Dritte?! Aber das ist doch Sunakaze Sabakuno, oder nicht?“ rief Konan überrascht aus.

„Ja. Er ist der sehr viel jüngere Bruder meines Vaters. Und Sunakaze hat einen Sohn, der für uns sehr wichtig ist. Ihr wisst ja von Gaara, der Jinchu-Kraft des Ichibi.“ zum ersten Mal klang Sasori irgendwie anders, als würde er endlich mal mit seiner wahren Stimme sprechen.

„Na klasse!“ seufzte Konan, „und mal wieder hängt ein gewisser, eklig-grusliger Jemand mit drin!“

„Orochimaru hat mit jedem zweiten Verbrechen auf dem Kontinent irgendwie zu tun.“ sagte Itachi ruhig.

Sasori sah seine Teamkameraden durch Hirukos Augen an. Es gefiel ihm wirklich nicht, die beiden anzulügen, aber wenn sie erfuhren, dass er Sunakaze in eine Menschenmarionette verwandelt hatte…

„Dann werde ich ihnen jetzt mein wahres Gesicht zeigen. Zwei große Lügen sind eine zu viel.“ dachte er.

„Ich denke, es ist Zeit, dass ihr meine wahre Gestalt seht.“ sagte er.

„Na endlich!“ antwortete Konan. Sie war mal wieder fast mit den Nerven am Ende. Sasoris überraschende Eröffnung über die Entführung des Kazekage hatte sie erschreckt, denn schließlich kannte sie Chiyo flüchtig und wusste einigermaßen über die Sabakuno-Akasuna-Familie Bescheid.

Es schien Sasori äußerlich kaum zu berühren, dass jemand aus seiner Familie, die zu den mächtigsten Clans von Suna Gakure gehörte, entführt worden war und dass sein ehemaliger Partner, der jetzt sein Hauptfeind war, damit zu tun hatte. Aber dass er jetzt endlich mit seinem wahren Aussehen herausrücken wollte, war ein Zeichen dafür, dass es ihn doch irgendwie berührte. Hirukos Kopf drehte sich, er war mit einem Gewinde am Körper festgeschraubt. Dann fielen Skorpionschwanz, Arme und Rückenpanzer ab und Holzschrauben rollten klappernd zu Boden. Die Druckknöpfe des schwarzen Mantels rissen unter Spannung auf und Hiruko schien unter dem Stoff in sich zusammen zu fallen. Eine schlanke Gestalt erhob sich unter dem Mantel. Sie war vollständig von einem dunklen Tuch bedeckt. Wieder klapperte es hölzern, als Sasori sich vollständig erhob und aus Hirukos herumliegenden Einzelteilen herausstieg. Konan war froh, dass der Mantel den zerteilten Marionettenkörper, der für sie bisher wie Sasoris Körper und früher mal ein Mensch gewesen war, bedeckte.

Eine schlanke, jung aussehende Hand tauchte unter dem schwarzen Tuch auf. Sie trug den Ring, dessen Zeichen „Kugel“ bedeutete. Ihre Fingernägel waren kurz und mattgrün lackiert. Diese Hand passte überhaupt nicht zu Hirukos Erscheinungsbild. Sie sah viel zu jung aus.

Konan versuchte, sich Sasoris Gesicht vorzustellen und rechnete aus, dass er mindestens dreißig Jahre alt sein musste. Doch seine Hand sah nicht so aus wie die eines Dreißigjährigen, eher wie die eines Jungen, gerade erwachsen, etwa in Itachis Alter.

„Ihr wolltet meine Gestalt ja unbedingt sehen.“

Sasoris Stimme klang anders. Vollkommen anders! Hirukos tiefe, unheimliche Stimme und die auffallend langsame Art zu reden war einer jugendlichen, schneller sprechenden Stimme gewichen, die mit Hiruko absolut gar nichts gemeinsam hatte.

Konan bereitete sich auf eine gewaltige Überraschung vor. Aber da sie nicht genau wusste, was sie erwartete, erschreckte sie trotzdem, als Sasori das dunkle Tuch herunterriss. Denn er sah so anders aus, dass sie ihn fast nicht als den wiedererkannte, der er war.

Vor ihr stand ein junger Mann, fast noch ein Jugendlicher und höchstens achtzehn Jahre alt. Er hatte große, braune Augen, lange Wimpern und kurzes, sanft gewelltes, rotes Haar. Seine Augen blickten verträumt und etwas gelangweilt.

„Sasori?“ fragte Konan verwirrt. Es fiel ihr schwer, zu glauben, dass dieser Junge Sasori und die ganze Zeit unter Hirukos Panzer da gewesen war. Der Unterschied zwischen Hiruko-Sasori und diesem hübschen Jungen konnte kaum größer sein. Hiruko war finster, allein seine kriechende Gestalt fiel als etwas Bedrohliches auf und er wirkte alt, erfahren und gefährlich. Bisher war Hirukos Aussehen für Konan auch Sasoris Aussehen gewesen, sein altes, finsteres Gesicht mit dem Tuch hatte den Namen Sasori getragen und die tiefe, langsame Stimme war Sasoris Stimme gewesen. Wenn Konan den Namen Sasori hörte, sah sie in Gedanken Hirukos Gesicht vor sich.

Der Sasori, der jetzt vor ihr stand, schien ein völlig anderer Mensch zu sein: ein hübscher Junge mit verträumten Augen und einer kindlichen Frisur. Seine gesamte Erscheinung wirkte kaum erwachsen, in dem schwarzen Mantel erinnerte er Konan an sie selbst, als sie schon mit zehn Jahren in dieser Kleidung herumgelaufen war.

„Er sieht aus wie ein Kind.“ dachte Konan, „als wäre er ein oder zwei Jahre jünger als ich.“

Sie sah Itachi an. Er wirkte weniger überrascht, wahrscheinlich, weil er Sasori noch nicht so lange kannte. Irgendwie sah es jetzt so aus, als wäre Itachi der Älteste im Team. Er war erst achtzehn, sah für sein Alter jung aus, wirkte aber durch sein ernstes Gesicht viel reifer als Sasori.

„Aber das ist immer noch Sasori. Auch, wenn sein Äußeres so jung aussieht, in seinem Kopf ist er derselbe. Und er war schon immer da, in Hiruko versteckt. Mit ihm habe ich über alles geredet, er kennt meine Geheimnisse und Träume, ich habe nur bisher nicht hinter seinen Schutzschild sehen können. Er ist mir doch vertraut, ich kenne ihn schon so lange. Sein Aussehen ändert eigentlich nichts daran.“ dachte Konan, „aber wie hat er es nur geschafft, nicht alt zu werden? Warum sieht er so jung aus?“

„Sag mal, wie hast du das gemacht, Sasori?“ fragte Itachi, „du musst doch mindestens dreißig Jahre alt sein.“

„Ganz einfach.“ antwortete Sasori. Er schob den Ärmel seines Mantels hoch bis zum Ellbogen. Doch statt eines von Haut und Gewebe bedeckten Gelenks waren seine Ellbogen die hölzernen Kugelgelenke einer Marionette.

„Was soll das heißen, Sasori?“ rief Konan erschrocken.

„Mein gesamter Körper ist eine Menschenmarionette. Ich habe mich mit siebzehn Jahren selbst verwandelt, um meine jugendliche Schönheit für immer zu erhalten. Wer will schon gern altern?“ Sasori neigte den Kopf leicht zur Seite, sodass sein Haar sanft in seine Stirn fiel und formte seine Lippen zu einem alterslosen, gleichgültigen Lächeln.

„Meine Güte, bist du eitel!“ schimpfte Konan, „du hast ja wohl ‘ne Meise!“

„Du wolltest es doch wissen.“ erwiderte Sasori gleichgültig.

„Heute Abend steckst du wieder in deiner Hiruko-Schachtel, klar?“ bestimmte Konan beleidigt. Sie hatte sich noch nicht wirklich an Sasoris wahre Gestalt gewöhnt und wollte den alten, vertrauten Hiruko-Sasori so schnell wie möglich wieder haben. Aber es würde wohl jetzt, wo sie wusste, wer darin steckte, nicht mehr dasselbe sein.

„Auf dieser Reise werde ich Hiruko nicht mehr benutzen. Erst kurz vor dem Hauptquartier, an der Grenze des Bannkreises, verstecke ich mich dann wieder.“ sagte Sasori, „du wolltest doch, dass wir schneller vorankommen, nicht wahr, Konan?“

„Hast ja Recht.“ dachte Konan, „jetzt schleichst du wenigstens nicht mehr rum wie ‘ne lahme Schnecke.“

Sasori zog eine Schriftrolle hervor, die das Kanji-Schriftzeichen „Haus“ und Hirukos Namen in Katakana trug. Hirukos hölzerne Einzelteile verschwanden auf dem aufgerollten Papier, sie schienen sich in viele schwarze, getuschte Schriftzeichen zu verwandeln. Dann begann Sasori, in gleicher Weise das Zelt abzubauen.

Sie setzten ihre Reise in die kleine Hauptstadt des Grünen Landes fort. im Laufe des Reisetages gewöhnte Konan sich an Sasoris verändertes Aussehen. Das lag wohl auch daran, dass sie jetzt tatsächlich viel schneller vorankamen. Und vor allem konnte Konan frei durch die Baumkronen fliegen, statt immer auf dem Weg unten bleiben zu müssen.

In der Hauptstadt angekommen, suchten sie den Feudalherrn des Grünen Landes auf. Er schien zu ahnen, dass Sasori, Konan und Itachi irgendein Geheimnis hatten, fragte jedoch nicht nach und behandelte sie mit derselben Freundlichkeit wie immer.

Bei der Audienz hatte Sasori sich wieder in Hiruko versteckt. Und selbst vor den anderen Mitgliedern von Akatsuki wollte er seine wahre Gestalt weiterhin verbergen. Es war einfach sicherer.

Die kleine Gruppe war finanziell sehr vom Grünen Land abhängig. Keiner von ihnen wollte das Geld annehmen, das Kakuzu mit der Kopfgeldjagd verdiente. Es war eindeutig blutiges Geld mit äußerst zweifelhafter Herkunft. Da nahmen sie lieber das wenige, aber ehrlich verdiente Geld des Grünen Landes an. Es reichte für Essen und ab und zu für Übernachtungen, den Rest verdiente Konan als Kiziko dazu. Sasori meinte zwar, dass es auch Vorteile gehabt hätte, Kakuzus Geld anzunehmen, aber nachdem er das einmal erwähnt und Itachi darauf ziemlich wütend reagiert hatte, war auch für den sonst eher unmoralisch handelnden Marionettenspieler klar, dass dieses Geld nicht infrage kam.

Itachi war froh, dass das Grüne Land so klein und politisch unbedeutend war. Es gab hier keine Anbu-Einheiten, nur selten verirrte sich ein Dorf-Ninja hierher und niemand hatte je von ihm, dem Jahrhunderttalent des Uchiha-Clans gehört. Er war hier einfach nur irgendein ruhiger Ninja, der zu einer kleinen, unabhängigen Splittergruppe gehörte. Aber das war andererseits auch nicht einfach: obwohl er sich immer gewünscht hatte, normal und wie alle anderen behandelt zu werden, war es jetzt ein seltsames, irgendwie unangenehmes Gefühl, dass die meisten Leute hier ihn vollkommen ignorierten. Er hatte sein Leben lang, von klein auf, immer nur diese höfliche, ehrerbietende Sonderbehandlung gekannt und sich daran gewöhnt. Dass der Blick in seine Augen, das anerkennende Lächeln und die Verbeugungen vieler Menschen auf der Straße ausblieben, tat ihm mehr weh, als er gedacht hatte und es machte ihm wieder bewusst, dass das für sehr lange Zeit vorbei war.

Er ging durch die Straßen der kleinen Stadt, kaufte eine kleine Tüte Reiskekse und beobachtete die Menschen. Sie wirkten nicht so reich wie die Menschen in Konoha, aber sehr zufrieden. Itachi fiel es wirklich schwer, zuzugeben, wie sehr es ihn verletzte, dass niemand seinen Namen kannte. Er dachte an eine Geschichte, die er irgendwann einmal gehört hatte und in der es um einen Prinzen ging, der sich verstecken und von da an als Unbekannter in einem kleinen Dorf leben musste. Der Unterschied zu Itachis Lage war, dass der Prinz aus der Geschichte sich in seiner Heimat sehr in der Beachtung der anderen sonnte und deshalb in der Fremde erst unglücklich, dann bescheiden wurde und schließlich als besserer Mensch in die Heimat zurückkehrte.

„Aber ich war doch nie so, dass mir die Aufmerksamkeit der anderen so viel bedeutet hat! Ich dachte immer, dass ich am liebsten darauf verzichtet hätte. Habe ich mich geirrt? Kenne ich mich selbst so schlecht, dass ich übersehen habe, wie wichtig es mir war, im ganzen Dorf bekannt zu sein und auf der Straße jeden Tag von vielen Menschen angesprochen zu werden?“ dachte er verwirrt, „selbst dann, wenn ich als Anbu auf Missionen war, hat mich fast jeder erkannt. Sobald Gegner meine Augen sahen und dass ich der jüngste in der Truppe war, haben sie sich entweder sofort zurückgezogen oder mich herausgefordert, um zu sehen, ob ich wirklich so stark war, wie mein Ruf sagte. Hier kennt mich niemand, keiner hat je meinen Namen je gehört oder weiß von der Existenz der Sharingan. Jetzt erlebe ich am eigenen Leib, wie es den meisten gewöhnlichen Menschen ihr Leben lang geht.“ es war eine zugegebenermaßen schmerzvolle, aber lehrreiche Erfahrung. Itachi wollte es nicht als „Tiefen Fall“ bezeichnen, um nicht im Selbstmitleid zu versinken, sondern es als Chance sehen, zukünftig mit der Aufmerksamkeit der anderen noch wertschätzender umzugehen, da er jetzt deutlich spürte, dass sie nicht selbstverständlich war, und er wollte auch das Nicht-beachtet-werden besser verarbeiten können. Als er zu Konan und Sasori zurückkehrte, ging es ihm etwas besser und er konnte die Reiskekse, statt sie alle Konan zu schenken, mit ihr teilen.

Der Feudalherr bot Sasori, Konan und Itachi sein Gästehaus zum Übernachten an. es war traditionell gebaut und mit Tatami-Matten ausgelegt. Zum ersten Mal, seit er aus Konoha verbannt worden war, sah Itachi wieder Tatami-Matten. Allein der Anblick stürzte ihn für den Rest des Tages in ein stumpfes, trauriges Nichts, dass einer Art Wachtraum glich. Er saß mit ausdruckslosem Gesicht in einer Ecke des Raumes, konnte sich kaum bewegen und sprach kein Wort.

Erst, als er sich am Abend wieder neben Konan legte, kehrte die Gewissheit, noch lebendig zu sein, zu ihm zurück.

Konan trug wieder eine Jacke über ihrem kurzen Nachthemd. Als sie Itachi in ihre Arme nahm, streiften ihre Brüste über seinen Oberkörper und er bekam kurz dieses besondere Herzklopfen, das nur sie in ihm wecken konnte. Er war von ganzem Herzen froh, Konan zu haben und glaubte, dass sie ihm von einem wohlgesinnten Schicksalsgott geschickt worden war. Er wusste ja nicht, dass sich Konans und sein Leben schon früh durch Madara verbunden hatten.

Mehr unbewusst, kurz bevor er in ihren Armen einschlief, dachte er: „Vielleicht heirate ich Konan irgendwann.“

Sasori war froh darüber, ein Geheimnis weniger vor seinem Team zu haben. Aber da war immer noch die neue Menschenmarionette: Kazekage der Dritte. Wenn Konan und Itachi das erfuhren… daran wagte Sasori kaum zu denken. Und über Chiyos Reaktion wollte er vorsichtshalber auch keinen Gedanken verschwenden. Wenn er Chiyo das beichtete… er wusste, was dann kommen würde. Chiyo war beileibe keine schwache Oma und sie dachte wohl auch nicht daran, eine zu werden. Sie war eine starke Kämpferin, im Umgang mit den Marionetten fast genauso gut wie er selbst.

„Ich werde Oma einen Brief schreiben, um von mir abzulenken. Wenn ich schreibe, dass ich zu der Zeit mit Konan zusammen war, wird mich niemand verdächtigen.“ dachte Sasori, „keiner kommt doch auf die Idee, dass ich damit zu tun habe, wenn ich zu der Zeit mit meiner süßen, sechzehnjährigen Schülerin auf Einkaufsreise war.“ er hoffte, die Sache mit Sunakaze unauffällig klären zu können, um dann irgendwann nach Suna Gakure zurückkehren zu können. Und wenn er die Marionette zuvor wiederbelebt hatte, würde Oma Chiyo sich bestimmt über seine Rückkehr freuen. Nachdem sie ihn wahrscheinlich ausgiebig für seine Abtrünnigkeit bestraft hatte. Und was Strafen anging, war Chiyo kreativ und streng.

Sasori schrieb also einen Brief an Chiyo, in dem er nur erwähnte, dass er von Sunakazes rätselhaftem Verschwinden gehört und dass Akatsuki ein neues Mitglied aus Konoha Gakure hatte. Er tarnte den Brief als privates Informationsschreiben und versiegelte ihn sehr sorgfältig und so speziell, dass nur Chiyo ihn öffnen konnte.

Auf eine Antwort brauchte er nicht zu warten, da Chiyo ausschließlich dann zurückschrieb, wenn sie selbst wichtige Informationen mitzuteilen hatte. Sasori wusste natürlich, dass dieser Schriftverkehr mit seiner Großmutter für ihn, sie, für Suna Gakure und auch für Konan und Itachi ein gefährliches Unterfangen war, aber wie üblich schob er alle Bedenken beiseite. Es würde schon alles gutgehen. Bisher war immer alles, was er angefangen hatte, irgendwie gutgegangen, auch, wenn er oft improvisieren musste. Er dachte nicht großartig über die Zukunft nach. Als Plan für die ferne Zeit nach Akatsuki, auf die er ja langfristig hinarbeitete, hatte er nur, nach Suna Gakure zurückzukehren und wieder bei Chiyo zu leben. Er wusste, dass es sehr lange dauern konnte bis dahin und machte sich kaum Gedanken darüber, was in fünf, sieben oder zehn Jahren war.

Nach drei Tagen im Gästehaus des Feudalherrn machten sie sich wieder auf den Rückweg ins Hauptquartier. Diesmal waren sie schneller, da sie nicht auf Sasori warten mussten.

Auch Konan machte sich einige Gedanken um die noch weit entfernte Zeit, die nach dem angestrebten Ende der Akatsuki kommen würde. Sasori hatte ihr oft genug gesagt, dass bis dahin noch einige Jahre vergehen konnten und Konan sah das ebenso. Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, Pain zu besiegen und wie viel dann noch von Nagatos Seele übrig war. Wenn sie daran dachte, war sie froh, sich an ihre frühe Kindheit nicht erinnern zu können, denn damals war sie wohl mit Nagato zusammen so etwas wie eine Familie gewesen.

„Hoffentlich kann ich Nagato retten!“ dachte sie, „wenn er nicht völlig zu Pain geworden ist.“

Konan warf einen Blick auf Itachi, der gerade wieder einmal eine kurze Atempause brauchte und auf einem dicken Ast nahe eines Baumstammes stehen blieb. Das Springen durch die Baumkronen strengte seinen noch immer angeschlagenen Körper sichtlich an, er atmete schwer und stützte seine Hände vornüber gebeugt auf seinen Knien ab.

„Ich… ich brauche nur eine kleine Pause… mir geht’s gut.“ sagte er, aber Konan wusste genau, dass er mal wieder nur deshalb nicht die Wahrheit sagte, um sie nicht zu beunruhigen.

Konan sah Itachi besorgt an, bis er sich wieder aufrichtete und zu ihr aufholte.

„Wenn das hier vorbei ist…“ dachte sie, „…dann wird er sicher rehabilitiert und geht nach Konoha Gakure zurück. Er wird wieder mit Sasuke und mit seinen Eltern leben und hoffentlich auch wieder ganz gesund werden. Ich werde mit ihm in sein Dorf zurückkehren. Dann heiraten wir und bekommen Kinder zusammen.“ der Gedanke daran, mit Itachi eine Familie zu gründen, gefiel ihr. Sie stellte sich ein kleines Mädchen und einen kleinen Jungen vor, mit dunklem Haar und Augen, die die Farbe wechselten.

„Itachi mag Kinder sehr gern. Wir werden eines oder zwei haben, in Konoha Gakure leben und glücklich sein.“ dachte sie.

Kein Ort ohne Regeln

Als Konan, Itachi und Sasori wieder im Hauptquartier ankamen, wartete eine Überraschung auf sie: das zweite neue Mitglied war angekommen. Deidara, ein Junge aus Iwa Gakure, der sich eine Menge auf seine besonderen Lehmbomben einbildete und sich offensichtlich für einen großartigen Künstler hielt.

Pain war nicht da. Das kam sehr selten vor, da er oft behauptete, nur in der dunklen Atmosphäre des Hauptquartiers seinen „Großen Plan“ entwickeln zu können. Einerseits war Konan froh, ihn eine Weile nicht sehen und mit ihn reden zu müssen, aber auf der anderen Seite war Pain der Einzige, der die äußerst verschiedenen Mitglieder der Akatsuki einigermaßen zusammenhalten und mit idiotischen Neulingen fertigwerden konnte.

Und Deidara war genau das, was Konan einen „unerträglichen Idioten“ nannte. Er war erst vierzehn Jahre alt und beschäftigte sich in erster Linie mit seinen Lehmbomben, die für ihn den Inbegriff der Kunst darstellten.

Konan war noch dabei, ihre Reisetasche auszuräumen, als Deidara ungefragt ihr Zimmer betrat.

„Hallo, Schneckchen! Du bist das einzige Mädchen hier, oder?“ fragte er und grinste sie unverschämt an.

Sein eingebildeter Tonfall brachte Konan in drei Sekunden auf die Palme.

„HAST DU GERADE SCHNECKCHEN ZU MIR GESAGT??“

„Jetzt bleib mal auf dem Teppich, Süße! Du bist doch auch noch nicht so alt, nicht wahr? Wir können doch ein bisschen zusammen rumhängen und ich zeig dir, was echte Kunst ist.“

„ICH BIN SECHZEHN, DU TROTTEL!! UND DU BIST ERST VIERZEHN!! WIE HOHL MUSS MAN BITTE SEIN, UM FREIWILLIG HIER MITZUMACHEN??“

„Wieso? Man kann hier doch machen, was man will. Hier ist niemand, der einem sagt, dass man aufhören soll, Krach zu machen. Der Laden ist doch super! Keine Regeln, keine Eltern oder Geschwister, die einem Vorschriften machen! Schneckchen, du lebst im Paradies!“ Deidara hatte offensichtlich überhaupt keine Ahnung, was Akatsuki eigentlich war.

„JETZT HALT MAL DIE LUFT AN, DU VERWÖHNTER IDIOT!!“ schrie Konan, „du hast doch keinen Schimmer davon, was hier abgeht! Alles, was dich interessiert, ist, ob es dir Spaß macht und ob du tun kannst, was du willst und sei es der allergrößte Mist! Aber ich sag dir eins: DAS HIER IST KEIN SPIEL UND AUF KEINEN FALL EIN PARADIES, IN DEM KEINE REGELN GELTEN!“

„Jetzt krieg dich mal wieder ein, Konan! So eine Aufregung steht dir gar nicht, du bist doch so eine Hübsche! Sag mal, gibt’s hier was zum Abends ausgehen oder so? Ich hab noch nie war mit einer älteren Frau gehabt, da könnten wir doch mal was unternehmen, hm?“

„GEHT’S NOCH?! ICH GEH NICHT MIT KRIMINELLEN KINDERN AUS, KLAR? UND ICH BIN KEINE ÄLTERE FRAU!! LOS, VERSCHWINDE!!“

„Is ja gut. Wenn du meinst, hm, dann lassen wir das halt. Hab gehört, dass du eh die Süße von Pain bist, ne?“ Deidara ging rückwärts und grinsend hinaus.

„ICH BIN NICHT PAINS FREUNDIN!!!!“ kreischte Konan wütend.

„Das sagt er aber!“ rief Deidara auf dem Flur und rannte weg.

„Du meine Güte!“ Konan ließ sich auf ihr Bett sinken und stützte den Kopf in die Hände, „Pain ist doch echt nicht mehr klar im Kopf! Erzählt er wirklich allen, dass ich seine Freundin bin? Das darf nicht wahr sein!“ seufzte sie, „er raubt mir den letzten Nerv!“

Am nächsten Morgen wurde sie von einem lauten Knall geweckt. Sie ahnte sofort, dass Deidara dahintersteckte. Also stand sie auf, zog sich schnell an und machte sich auf die Suche nach Deidara, um ihm noch einmal in aller Deutlichkeit zu erklären, unter welchen Regeln man hier zusammenlebte und dass das Hauptquartier verdammt noch mal kein Spielplatz war.

Im Flur traf sie Hiruko-Sasori.

„Schläft Itachi noch?“ fragte er, „hat er bei dir geschlafen?“

„Nein.“ antwortete Konan, „wieso kommst du drauf, dass er bei mir schlafen würde?“

„Ihr seid doch zusammen.“ sagte Sasori.

„Aber das heißt nicht, dass wir auch immer zusammen schlafen.“ erwiderte Konan. Sie öffnete Itachis Zimmertür. Er war nicht da, sein Bett war schon gemacht und seine Schuhe fehlten.

„Er ist wahrscheinlich schon lange aufgestanden.“ sagte Konan.

„Dann ist er wohl draußen und trainiert.“ vermutete Sasori.

Ein weiterer Knall schreckte Konan auf. Es kam von der Ostseite und schien ziemlich nahe zu sein. Konan lief in ihr Zimmer zurück, sah aus dem Fenster und erblickte einige Straßen weiter eine orangeweiße Rauchsäule.

„Deidara.“ sagte sie und rannte los. Niemand außer Itachi durfte Konans Schönheitsschlaf unterbrechen. Trotz der unregelmäßigen Umstände war sie immer noch eine ziemlich normale Sechzehnjährige und konnte sehr wütend werden, wenn jemand sie unerlaubt weckte.

Als sie um die Ecke bog, hörte sie eine Stimme. Es war Deidara.

„Geh mir aus der Sonne, du Langweiler! Ich mach, was ich will!“

„Es gibt hier aber Leute, die noch schlafen wollen. Also hör bitte auf, solchen Krach zu machen.“ das war Itachis Stimme. Sie klang ungewohnt tief.

„Was ist denn hier los?“ fragte Konan und ging auf die beiden zu.

Sie sah, was genau den Lärm ausgelöst hatte: Deidara warf große, weiße Spinnen aus Lehm in die freie Landschaft. Die Figuren, die er lächerlicherweise als Kunst bezeichnete, explodierten, sobald er ein Fingerzeichen schloss und laut „Katsu“ schrie.

„Morgen, Schneckchen!“ rief Deidara fröhlich und drehte sich um.

„Ich tu einfach mal so, als hätte ich das nicht gehört, ja?“ sagte Konan und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Es war nicht gut, sich schon am frühen Morgen über so ein kleines Licht wie Deidara aufzuregen.

Itachi warf Deidara einen kurzen, vielsagenden Blick zu, den man leicht als einen „Konan ist meine Freundin, klar?“-Blick deuten konnte. Konan hatte das Gefühl, als trüge Itachi einen Moment lang drei Gesichter auf einmal: das, was sie von früher her von ihm kannte, dann das traurige, und darüber, wie eine Art Schutz, die Maske des hochtalentierten Familienmörders. Konan kannte die dunkle Maske schon, aber es war ihr, als stünde ein ganz anderer Itachi vor ihr als der, den sie kannte. Also gab es noch etwas, worin Itachi äußerst begabt war: er war ein genialer Schauspieler.

Deidara grinste. Dann sah er auf Konans Hände. Sie hatte gestern Abend noch trainiert und ihre Arme danach nicht mehr eingecremt. Jetzt lösten sich viele schmale Papierfetzen von ihrer Haut.

„Und dieses langweilige Papierzeug nennst du Kunst? Das ist doch was für kleine Mädchen!“ sagte Deidara.

Konans Geduldsfaden hielt es nicht mehr aus, wie so oft in letzter Zeit: „HALT DIE KLAPPE, DU IDIOT!! WENN HIER JEMAND ECHT KEINE AHNUNG VON WAHRER KUNST HAT, DANN BIST DAS JA WOHL DU!!“

„Zerstörung ist die beste Kunst für einen Ninja.“ Deidara warf eine Lehmkugel auf die Straße. Es gab einen lauten Knall und eine dichte Rauchwolke.

„Pass bloß auf, dass ich dich nicht mal zerstöre!“ rief Konan, „du spinnst doch! Komm mit, Itachi, wir gehen.“

Deidara kicherte.

„Seid ihr ein Pärchen oder so?“ fragte er.

Konans Augen wurden silbern, als sie antwortete und versuchte dabei, Itachis vorgespielte Kälte nachzunahmen. Es wurde natürlich nur eine schwache Kopie, aber das reichte fürs Erste.

„Nein! Ich habe nur eben sehr hohe Ansprüche an den Intelligenzquotienten der Menschen, mit denen ich meine wertvolle Zeit verbringe.“ Konan war selbst erstaunt, dass Deidara ihr offensichtlich glaubte. Keiner dieser kriminellen Idioten durfte erfahren, was zwischen Itachi und ihr lief.

„Lenk mich irgendwie ab, Itachi! Ich will keine Sekunde länger an diesen unterbelichteten Trottel denken!“ zischte sie, als Deidara außer Hörweite war.

„Du wolltest doch, dass ich dir Unterricht gebe.“ sagte Itachi.

„Gute Idee. Ich glaube, ich habe eine Menge nachzuholen.“

Konan verbrachte dann den restlichen Tag mit Itachi in seinem Zimmer. Sie stellte fest, dass sie wirklich wenig wusste und wurde sich wieder seines überragenden Genies bewusst. Er war nicht nur unglaublich intelligent und wusste sehr viel, sondern war auch noch ein guter Lehrer.

Konan bemerkte erst jetzt, wie unvorteilhaft ihre geringe Schulbildung war. Das erste Schuljahr hatte sie mit sechs gehabt und das, was sie damals in der Grundschule von Kumo Gakure gelernt hatte, war ihre einzige Erinnerung an die Zeit vor ihrem achten Lebensjahr. Dann war sie mit zwölf noch einmal ein Jahr in Kumo zur Schule gegangen. Diese beiden Schuljahre hatten ihr lesen und schreiben in Senningo, Nihongo und Doitsugo beigebracht, außerdem konnte sie recht schnell die Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift lesen.

Konan bemühte sich, so viel wie möglich nachzuholen und wusste, dass sie mit Itachi als Nachhilfelehrer wirklich Glück hatte. Er konnte gut erklären und wenn sie etwas falsch machte, war seine Kritik immer freundlich und genau formuliert. Vielleicht hatte er ja einmal vorgehabt, Lehrer zu werden.

Die nächsten vier Wochen vergingen schnell. Konan verbrachte viel Zeit mit Itachi vor den Schulbüchern, ging Deidara und Pain aus dem Weg und machte in Training und Schule einige gute Fortschritte. Zum Glück war Pain oft nicht da. Sobald er weg war, nahm er auch das von ihm erschaffene Gedankengerüst ab, das die Luft im Hauptquartier zu füllen und manchmal zu verdichten schien, sodass man das Gefühl hatte, kaum atmen zu können. Es wurde leichter, frei zu denken und den eigenen Willen zu behalten. Konan erinnerte sich recht oft daran, wie gern sie Nagato früher gehabt hatte, wie sie ihm auf Schritt und Tritt gefolgt war, alles, was er tat, gut gefunden hatte und wie sehr sie ihn eigentlich vermisste. Er war nicht mehr er selbst. Sie wollte Nagato zurückhaben. Einmal, sah sie Pain in seine Rinnegan-Augen und suchte nach dem, der er früher gewesen war, aber sie fand nichts.

Itachi gewöhnte sich langsam an das unregelmäßige Leben im Hauptquartier. Er nahm sein normales Lern-und Trainingspensum wieder auf und konzentrierte sich darauf, Fortschritte zu machen und nicht so viel nachzudenken. Irgendwie musste es weitergehen und so hielt er sich streng an das alltägliche Übungsprogramm, hielt die selbstgeschriebenen Zeitpläne ganz genau ein und erlaubte sich kaum eine längere Pause.

Zuerst fiel es ihm schwer. Er musste immer wieder an seine Familie denken, besonders an Sasuke, und an Konoha Gakure. Die Hassanfälle Sasukes, die Itachi deutlich spürte, raubten ihm immer wieder die Kraft und machten es ihm schwer, dasselbe harte Training wie in seiner Anbu-Zeit durchzumachen.

Wenn er nur trainierte und lernte, gelang es ihm, eine Art relativ normales, neues Leben zu führen, aber tief in ihm nahm der Schmerz kaum eine Sekunde ab. Er blendete ihn nur aus.

„Was war das eigentlich für eine seltsame Krankheit, die du da hattest?“ fragte Kisame eines Tages im Vorbeigehen. Er zeigte seit einer Weile ein Interesse an Itachis Fähigkeiten.

„Es war ein harter, anstrengender Kampf.“ antwortete Itachi.

Die finstere „Maske“, die er den anderen Mitgliedern gegenüber aufsetzte, fiel ihm mit jedem Mal leichter. Seine Stimme klang anders, kälter und tiefer, wenn er den spielte, der seine eigene Familie ausgelöscht hatte.

Kisame grinste und ging weiter. Itachi hasste ihn schon jetzt. Dieser Haifisch machte ihn ungewohnt aggressiv. Aber er durfte sich nicht anmerken lassen, wie er wirklich war und dachte. Er durfte beim Training nicht ständig zusammenbrechen. Und er durfte sich nicht immer daran erinnern, warum er hier war. Doch jedes Mal, wenn er seine Sharingan benutzte, kam alles wieder hoch. Doch Erinnerungen konnte man versiegeln. Itachi beschloss, genau das zu tun: Orochimarus Überfall und den Zusammenbruch der Familie zu vergessen und zu versiegeln. Mit einem psychischen Siegel.

Er nahm vier Versiegelungen vor, die für die nächsten Jahre halten sollten. Wenn dann alles wieder in Ordnung war, würde er sie öffnen und wenn das nicht der Fall sein sollte, würde er die Siegel erneuern.

Itachi wusste von Jiraiya, dass Orochimaru früher Mitglied der Akatsuki gewesen war und begann, im Hauptquartier nach Informationen zu suchen. Er fand nicht mehr viel, aber das, was noch da war, bestätigte alles, was er über Orochimaru wusste.

„Meine Augen haben mir einen mächtigen Feind eingebracht.“ dachte Itachi, während er alle Informationen aufschrieb, um sie irgendwann nach Konoha zu schicken. Das Dorf würde in den nächsten Jahren sicher noch Probleme mit Orochimaru bekommen und diese Informationen zu verschicken war jetzt das einzige, was Itachi zur Verteidigung von Konoha tun konnte.

Eines Morgens kam Sayu in sein Zimmer.

„Du solltest mal zu mir in die Krankenstation kommen.“ sagte sie, „ich will dich noch einmal untersuchen.“

„Warum?“

„Wir müssen deine Gesundheit genau im Blick behalten. Und das Mal muss ich mir auch nochmal ansehen.“ Sayu machte sich wirklich Gedanken um Itachis Gesundheit. Sie war neben Konan und Sasori die Einzige, die über Itachis hohe Sensibilität und das Juin Bescheid wusste.

„Deine Blutgruppe macht mir auch Sorgen.“ sagte Sayu, als sie später mit Itachi im Krankenzimmer saß, „AB negativ ist sehr selten, es gibt kaum Spender oder Konserven, die dazu passen. Hör zu, das klingt jetzt für einen Ninja sicher unmöglich, aber du musst wirklich aufpassen, dass du dich nicht zu schwer verletzt. ich weiß zwar, dass Konan dieselbe Blutgruppe wie du hat, aber sie ist ein wenig blutarm.“

„Das ist kein Problem.“ antwortete Itachi, „ich kämpfe nicht gern.“

Sayu holte einen Stauschlauch aus dem Schrank für medizinische Geräte und legte das rote Band um Itachis Oberarm. Er ahnte, was jetzt kam, aber er traute sich nicht, sofort etwas zu sagen.

Als Sayu dann die Spritze auspackte und sagte, dass sie ihm jetzt Blut abnehmen müsse, um die Konzentration des Schlangengiftes zu untersuchen, wurde Itachi schon schwindlig im Kopf. Seine Hände zitterten und er versuchte, nicht an die Nadel zu denken.

„He, Itachi, du zitterst ja! Geht’s dir nicht gut?“ fragte Sayu besorgt.

„Die… Nadel…“ flüsterte Itachi und dachte: „Hoffentlich hält sie mich jetzt nicht für schwach.“

Sayu verstand es zum Glück sofort. Sie legte die Spritze auf den Tisch und deckte ein Taschentuch darüber.

„Du hast Angst vor der Nadel? Weiß Konan auch davon?“ fragte sie.

„Nein, sie weiß nichts davon. Ich hab es ihr noch nicht gesagt.“

„Weiß das sonst noch jemand?“

„Nur meine Mutter, meine Urgroßmutter und mein Bruder.“ sagte Itachi und dachte: „wenn ein Typ wie Kisame davon erfährt, bricht meine Maske zusammen.“

„Ich muss dir aber leider Blut abnehmen. Sonst kann ich dir kein Gegengift geben. Du brauchst keine Angst zu haben. Hilft es dir, wenn du die Augen zumachst und meine Hand nimmst?“ fragte Sayu. Ihre freundliche, hilfsbereite Art erinnerte Itachi an Yuki. Er schloss die Augen, spürte Sayus Arm um seine Schultern und versuchte, an irgendetwas Beruhigendes zu denken.

„Gleich ist es schon wieder vorbei.“ sagte sie, „ich pass auf, dass es nicht so sehr wehtut.“

Itachi spürte den Stich in seiner Armbeuge trotzdem. Es war ein kleiner, fieser Stich, der unheimliche Gedanke an die hohle Spitze der Nadel und ein Ziepen, als sie wieder herausgezogen wurde. Er hörte, wie die Spritze mit einem leisen Klicken wieder verschlossen wurde und öffnete die Augen erst wieder, als er sicher war, dass Sayu sie weggeräumt hatte. Sayu lächelte freundlich.

„Siehst du, du hast es überlebt. Wenn du irgendwas hast, wenn irgendwas wehtut oder wenn du mit mir reden möchtest, dann kommst du zu mir, ja? Ich bin Ärztin, ich sage niemandem etwas.“

Itachi nickte. Er war sich sicher, Sayu vertrauen zu können. Sie war schließlich Konans beste Freundin und stand auf seiner Seite.
 

Am Tag darauf kam Pain von einer Reise zurück. Er brachte Geld und Informationen mit, die beiden Dinge, über die hier am meisten verhandelt wurde. Als Konan ihn fragte, wo er gewesen war und was er gemacht hatte, antwortete er: „Ich war im Land der Reisfelder. Da verschwinden in letzter Zeit ziemlich viele Leute. Ich wollte mal nachsehen, woran das liegt. Es hätte schließlich ein Bijuu-Geist sein können.“

„Im Land der Reisfelder liegt doch auch Oto Gakure, oder? Dieses Dorf gehört Orochimaru und das weißt du ganz genau. Was hattest du da zu suchen? Hast du dich etwa mit ihm getroffen?“ allein der Gedanke an Orochimaru machte Konan wütend.

„Ja, ich habe mit ihm gesprochen. Er versucht, uns mit den Bijuu zuvor zu kommen und mischt sich in unsere Pläne ein.“

Die Pläne. Sie bedeuteten alles für ihn. Immer, wenn er von diesen Plänen sprach, veränderte sich der Ausdruck seiner Augen. Konan wusste, dass Pain sie nur deshalb nicht bekämpfte, weil sie der einzige Mensch war, zu dem er noch eine halbwegs persönliche Beziehung hatte. Jeder, außer Konan, der die Pläne in Gefahr brachte, war für Pain ein Gegner.

„Deine Pläne…“ sagte Konan und wagte zum ersten Mal wirklich nicht, ihm in die Augen zu sehen, „du lebst für diese Pläne…“

„Ja.“ in Pains Augen spiegelte sich immer deutlicher, wie tief er in der Dunkelheit steckte.

„Aber Orochimaru hat vor, dir das wegzunehmen, was du brauchst, um diese Pläne zu verwirklichen…“ das, was Konan jetzt vorhatte, war riskant. Sie wollte Pain dazu bringen, Orochimaru als Gegner zu sehen, der die Pläne in Gefahr brachte. Ihr ganzes Fingerspitzengefühl war jetzt gefordert.

„Was willst du mir damit sagen?“

„Ich bin wohl entweder extrem mutig oder komplett bescheuert.“ dachte Konan, bevor sie fortfuhr: „Du willst doch nicht, dass noch mehr Leute gegen dein Ziel arbeiten. Dieses Ziel, in das du so viele Gedanken gesteckt hast… willst du zulassen, dass Orochimaru sich da einmischt?“ ihre Hände zitterten vor Spannung und ihr Herz schlug bis zum Hals.

Da war es wieder, dieses Leuchten in Pains Augen, kaum mehr als ein kurzer Schimmer und doch so deutlich zu sehen. In solchen Momenten schien Nagato hoffnungslos verloren.

„Nein.“ Pains Stimme war nur noch ein wahnsinniges Flüstern und Konan ahnte, dass sie nicht aufgepasst hatte und zu weit gegangen war, „niemand kann mich aufhalten. Das wirst du noch einsehen, Konan, aber Orochimaru sicher nicht. Ich muss ihn im Auge behalten.“

Er trat einen Schritt auf Konan zu und fuhr fort: „Deshalb muss ich den Kontakt zu ihm halten. Damit ich jeden seiner Schritte sehen kann.“

Konan biss sich auf die Lippen.

„Verdammt, ich hab wieder eine Chance verspielt!“ dachte sie wütend, „warum ist das alles immer nur so schwer?“

Das unheimliche Leuchten verschwand aus Pains Augen, er ging zu seinem Schreibtisch und begann, eine Schriftrolle zu öffnen und die Informationen, die sie enthielt, zu sortieren und neu aufzuschreiben. Dann hielt er einen Moment inne, legte Schriftrolle und Schreibpinsel beiseite und sah Konan an.

„Übrigens, das wird dich interessieren. Itachi hat, kurz bevor er seine Familie ausgelöscht hat, gegen Orochimaru gekämpft und ihm dabei eine Hand abgeschnitten. Es gibt dabei wohl um die Sharingan.“ sagte Pain, „wir haben da offensichtlich ein sehr starkes, neues Mitglied bekommen.“ und etwas leiser, nachdenklich und an sich selbst gerichtet, fügte er hinzu: „Seine Fähigkeiten werden für meine Pläne sehr nützlich sein.“

Aber Konan hatte es gehört.

„Es gibt da so eine Sache zwischen Orochimaru und Itachi. Deswegen wird Orochimaru immer wieder Verbindung mit uns aufnehmen. Itachi ist möglicherweise eines seiner Opfer.“

„Weißt du denn, worum es genau geht?“ fragte Konan vorsichtig. Sie wollte wissen, wie viel Pain über die ganze Geschichte wusste.

„Nein. Ich vermute, Itachi wird es uns noch sagen.“

„Das wird er nicht.“ dachte Konan und sagte: „Vielleicht.“

„Du kennst ihn gut, nicht wahr? Ich hatte den Eindruck, dass da zwischen euch irgendwas ist.“ Pain hatte versucht, diesen Verdacht aus seinen Gedanken zu verdrängen, aber so, wie Konan sich um Itachi nach dessen Ankunft gekümmert hatte… da war irgendwas zwischen den beiden. Etwas, das Pain nicht verstand. Die ersten Stiche noch nicht erkannter Eifersucht kamen in ihm hoch und er wusste noch nicht, wie er damit umgehen sollte.

„Ich habe mich nur um ihn gekümmert, damit er sich schnell erholt. Ich bin eben ein sozial denkender Mensch, auch, wenn du das vielleicht für schwach hälst.“ antwortete Konan, „und was Orochimaru betrifft: ich will nicht, dass du dich so viel mit ihm abgibst, Nagato. Das schadet dir und der Akatsuki.“

Mit diesen Worten ging Konan hinaus. Sie schloss die Tür hinter sich, lief in ihr Zimmer und sank erschöpft aufs Bett. Diese Diskussionen mit Pain gingen ihr mehr an die Nerven, als sie selbst vor sich zugeben wollte.

Pain setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, aber seine Gedanken drehten sich noch eine Weile um Konan. Er wollte ihr nicht immer wieder zuhören, nicht von ihr zum Nachdenken gezwungen werden und vor allem nicht von ihr belehrt werden. Sie bekam viel mehr mit, als er gedacht hatte, obwohl sie erst sechzehn war. Er hatte sie unterschätzt, ihre Entschlossenheit und ihre Intelligenz falsch beurteilt und nicht ernstgenommen. Konan war in der Lage, sich Schritt für Schritt von ihm zu lösen und ihre Kampffähigkeiten hatten sich sicher auch um ein großes Stück weiterentwickelt.

Pain war eifersüchtig, aus den kleinen Stichen wurden größere und die breiteten sich nun in seinen Gedankengebäuden aus. Konan verbrachte so viel Zeit mit Sasori und Itachi. Warum war das so? Was hatten die beiden, was er nicht hatte? Er verstand es nicht. Natürlich hatte er nicht mehr so viel Zeit für Konan, schließlich musste er die Organisation leiten und seine Pläne weiter verfolgen, aber wenn Konan zu ihm kam, unterbrach er seine Arbeit doch immer und war dann für sie da. Er verstand es nicht. Sasori war ihm treu ergeben und kümmerte sich gut um Konan, außerdem war er für sie wohl so eine Art Vaterersatz oder Sensei. Das konnte Pain ja noch verstehen. Ein Mädchen in Konans Alter brauchte so etwas wie einen Vater, der ein Vorbild und Halt war.

Aber was war mit Itachi? Der hatte seine gesamte Familie ermordet, wirkte verschlossen und hasserfüllt. Warum verbrachte Konan so viel Zeit mit ihm? Nur, weil er gut aussah und über viel Wissen und Intelligenz verfügte? So sehr Pain es auch drehte und wendete, er kam nicht dahinter, was Konan an diesem Typen aus Konoha Gakure fand. Es regte sie doch immer so auf, wenn jemand viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Aber bei Itachi schien sie das nicht weiter zu stören.

Konan war zwar wieder sauer auf Pain, aber sie regte sich nicht so sehr auf wie sonst. Sie hatte das Gefühl, wenigstens mal etwas versucht zu haben, um zu ihm durchzukommen. Ein Wutanfall erschien ihr wie Energieverschwendung. Statt in ihrem Zimmer auf den Boxsack einzuschlagen, ging sie zu Sayu. Bald wollte sie wieder verreisen und der Gedanke, dass das, was sie mit Itachi vorhatte, vielleicht schon auf der nächsten Reise passieren würde, brachte sie auf den Gedanken, mit Sayu über das Thema zu sprechen.

„Willst du wissen, wie es Itachis Herzen geht?“ fragte die junge Heilerin, als sie die Tür öffnete.

„Nein, deshalb bin ich nicht gekommen.“ Konan sprach leise und Sayu verstand, dass es um eine besondere, sehr private Sache ging.

„Komm rein.“ Sayu öffnete die Tür des Krankenzimmers und Konan huschte hinein, „dann kannst du’s mir sagen.“

„Sag mal… kennst du dich… na ja, mit so einem ganz bestimmten Thema aus? Du weiß doch, was ich meine, oder?“ fragte Konan, während Sayu Tee kochte.

Die Heilerin drehte sich schlagartig um und einige Tropfen heißes Wasser schwappten auf die Arbeitsfläche.

„Das? Du und Itachi? Ihr seid jetzt richtig zusammen, oder?“

Konans Wangen wurden rosa, als sie antwortete: „Ja, wir haben schon darüber gesprochen, also er und ich, und jetzt wollte ich dich mal fragen, ob du dich mit diesen Tabletten auskennst.“ auf einmal fühlte sie ein sehr vertrautes Beste-Freundinnen-Gefühl für Sayu.

„Ich kann einige solcher Mittel selbst herstellen. Du müsstest sie alle vierundzwanzig Stunden einnehmen, besonders in der letzten Woche vor deiner Regel.“ erklärte Sayu, hielt Konan eine dampfende Teetasse hin und fragte dann: „Hast du auch gut darüber nachgedacht? Warum du es jetzt willst und so?“

„Sayu, weißt du noch, wie ich war, als ich vor zwei Jahren mit Sasori von dieser Mission im Feuerreich zurückkam?“

„Ja, das weiß ich noch. Du warst furchtbar wütend auf Pain und hast wochenlang nicht mit ihm gesprochen. Aber irgendwie hast du auch glücklich gewirkt.“ Sayu blickte nachdenklich in den Dampf ihrer Teetasse.

„Damals bin ich Itachi zum ersten Mal begegnet. Ich war sehr verliebt und diese Gefühle haben sich bis heute gehalten. Jetzt ist er hier und ich muss alles tun, was in meiner Macht steht, damit es ihm besser geht.“ je öfter Konan das dachte und aussprach, desto sicherer war sie sich damit, „er braucht jetzt sehr viel Liebe. Außerdem, er ist achtzehn Jahre alt. Die meisten Jungs in seinem Alter haben schon Erfahrungen. Er nicht, das hat er selbst zu mir gesagt. Ich glaube fast, er hat auf die Richtige gewartet. In Konoha waren immer eine Menge hübscher Mädchen um ihn herum, aber er hat sich zu keiner von ihnen so verhalten, wie man sich einem Mädchen gegenüber verhält, das man auf diese Weise mag.“

„Und die, auf die er gewartet hat, bist du?“

„Auf der letzten Reise hat Itachi das zu mir gesagt. Es gab da so einen Moment, in dem er, na ja, wir haben im Zelt gelegen, uns geküsst und dann hat sein Körper… reagiert, wenn du weißt, was ich meine. Itachi ist schüchtern und traut sich oft nicht, zu sagen, was er wirklich denkt, aber er hat eindeutig gesagt, dass er irgendwann mit mir schlafen möchte.“

„Da hast du dir ja einen echten Goldspatz geangelt!“ Sayu grinste, „du kannst die Tabletten morgen bei mir abholen. Und ich schweige wie ein Fisch.“

„Danke. Ohne dich würde ich hier durchdrehen!“ Konan war wirklich froh, Sayu zur Freundin zu haben. Manchmal fiel es ihr auf, dass sie außer Sayu keine anderen Freundinnen hatte und als einzige Frau von vielen starken und ziemlich gefährlichen Männern umgeben war. Es war eigentlich immer so gewesen, Konan war in dieser Umgebung aufgewachsen und kannte es nicht anders, deshalb kam sie recht gut damit zurecht. Nur ab und zu wünschte sie sich mehr Freundinnen und ein ganz normales Kunoichi-Leben.

Am Morgen darauf wurde Konan wieder von einem lauten Knall geweckt. In den letzten Wochen hatte Deidara sich einigermaßen ruhig verhalten, aber heute Morgen wollte er wohl mal wieder allen auf die Nerven gehen. Seine lächerlichen Tonbomben waren etwas größer geworden, vermutlich, weil seine Kunst hier wirklich keinen echten Regeln unterlag, und verursachten dementsprechend mehr Krach.

Konan rannte zu dem Platz, wo Deidara immer „trainierte“. Sie hatte fest vor, ihm heute eine Lektion zu erteilen. Es sollte ein Überraschungsangriff werden, aber Deidara bemerkte sie sofort. Er streckte ihr seine Hand entgegen. Konan wusste bereits von den Mündern in Deidaras Handflächen und fand ihn deshalb noch ekliger.

„Lass deine Matschpfoten bei dir!“ fauchte sie.

„Hast du nun doch Interesse an meiner Kunst?“ fragte Deidara.

„Nein, denn das, was du hier in aller Frühe veranstaltest, kann man immer noch nicht als echte Kunst bezeichnen! Du machst nur Krach, mich stört das und ich geb dir noch eine Chance, das in Ordnung zu bringen.“ sagte Konan. Sie wollte Deidara noch eine Chance geben, schließlich war er erst vierzehn Jahre alt.

„Hast du heute Abend schon was vor? Ich hab von dieser süßes Krankenschwester gehört, dass es hier ein Kino gibt.“ Deidara grinste.

Konan versuchte, ruhig zu bleiben. Vergeblich, es gelang ihr nicht: „HAST DU SIE NOCH ALLE? ALS OB ICH MIT SO EINEM KRAWALLKNIRPS WIE DIR AUSGEHEN WÜRDE!! WAS GLAUBST DU, WER DU BIST? AUSSERDEM HAB ICH SCHON JEMANDEN, MIT DEM ICH MICH VERABREDEN KANN, WENN ICH WILL!!“ kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde ihr siedend heiß klar, dass sie sich gerade furchtbar verplappert hatte. Niemand außer Sasori und Sayu durfte von dem wissen, was zwischen Itachi und ihr war! Wenn herauskam, dass er sie liebte, würde auch seine dunkle Fassade Risse bekommen und das wiederum würde seine gesamte Familie, besonders Sasuke, in Gefahr bringen.

„Hast du ‘nen Freund?“ fragte Deidara überrascht, „oder meinst du Pain?“

„DAS GEHT DICH NICHTS AN!!“ schrie Konan und rannte in Richtung ihres Zimmers davon. Jetzt musste sie mit Sasori reden.

„Du musst dich besser im Griff haben, Konan.“ sagte Hiruko-Sasori, als sie ihm von ihrem Streit mit Deidara erzählte.

„Und was soll ich machen? Diese Knalltüte denkt doch jetzt, dass ich ‘nen Freund hab. Aber das mit Itachi soll hier keiner wissen. Er hat schon genug Probleme, da muss nicht auch noch das dazukommen.“

„Geht es Itachi soweit gut?“ fragte Sasori.

„Den Umständen entsprechend eben. Gestern war ich bei ihm und er hat wieder geweint, aber er ist insgesamt sehr ruhig. Ich glaube, es liegt an der dunklen Stimmung hier. Wir sollten wieder verreisen.“

„Und du willst von Pain weg?“

„Ja. Je öfter ich ihn sehe, umso wütender werde ich. Er hört mir nicht mehr zu, wenn es um seine Pläne geht, aber wenn ich Itachi erwähne, liegt plötzlich jedes Wort auf der Waagschale. Und Nagato verschwindet immer weiter.“

„Im Augenblick können wir nicht viel tun. Ich schlage vor, wir machen eine weitere Reise und du konzentrierst dich erst einmal darauf, dich um Itachi zu kümmern.“ sagte Sasori, „geh jetzt zu ihm und sag ihm, dass wir morgen früh in Richtung Kumo Gakure losgehen.“

„Kumo Gakure?“

„Ja. Die haben auch mindestens eine Jinchu-Kraft und du kennst dich dort gut aus. Schließlich bist du mal dort zur Schule gegangen.“ Sasori ließ ein leises, geheimnisvolles Kichern hören.

Konan fand Itachi draußen, neben ihrem Zimmerfenster. Er hatte Rücken und Kopf an die ausnahmsweise sonnengewärmte Wand gelehnt, die Augen geschlossen und die Hände auf die Knie gelegt. Sein langes, schwarzes Haar glänzte im Sonnenlicht.

„Hey.“ sagte Konan leise und setzte sich neben ihn. Er öffnete kurz die Augen, nahm ihre Hand und verfiel dann wieder in seine entspannte Haltung. Für zwei Sekunden schien ein Lächeln über sein Gesicht zu huschen.

„Was machst du so?“ fragte Konan. Rein rhetorisch, denn es war eindeutig, dass Itachi nachdachte.

„Sieht man das nicht?“ erwiderte er, ohne die Augen zu öffnen oder sich ihr zuzuwenden. Er schien ganz darauf konzentriert, von dem seltenen Sonnenlicht so viel wie möglich aufzunehmen. Konan war darüber sehr erleichtert, denn es zeigte ihr, dass Itachi doch so etwas wie Selbsterhaltung kannte. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und spürte, dass der schwarze Stoff des Mantels sich in der Sonne aufgewärmt hatte.

„Doch. Du denkst wieder nach. Worüber?“ auch das ahnte sie bereits.

„Das weißt du.“

„Sasuke?“

Itachi nickte. Allein Sasukes Name raubte ihm die Stimme und eine dunkle Eiseskälte breitete sich in ihm aus. Er atmete tief ein und hoffte, dass das Sonnenlicht irgendwie zu der Kälte durchkam.

„Ich bin mir sicher, das wird wieder gut.“ woher nahm Konan diese Sicherheit? Wie schaffte sie es, daran zu glauben und es mit solcher Überzeugung in der Stimme auszusprechen? Itachi versuchte, sich vorzustellen, wie Konan bisher gelebt hatte und woher sie diese Kraft nahm. Es gelang ihm, eine ungefähre Ahnung von ihrer Gedankenwelt zu bekommen, aber da er selbst nicht mal halb so sicher war, was Sasuke betraf, verstand er den Grund für Konans feste Überzeugung nicht ganz.

„Gut, dass wenigstens du daran glauben kannst. Ich kann es nämlich so gut wie gar nicht.“ sagte Itachi.

„Ich glaub es für dich mit.“

Woher nahm sie diese Kraft? Das war eine jener Sachen, die ihn an Konan immer wieder überraschten und von denen er nicht wusste, woher sie sie nahm. Ihre wechselnde Augenfarbe, ihre positive Einstellung, ihre Kraft und ihre Hingabe… zum ersten Mal hatte Itachi das Gefühl, einen nahestehenden Menschen nur zum Teil zu verstehen. Und genau deshalb faszinierte sie ihn so.

Irgendwann würde er ihre Geheimnisse entschlüsseln können…

Itachi öffnete die Augen, sah Konan an und das winzige Lächeln von eben kehrte zurück, blieb allerdings einen Moment länger auf seinem Gesicht. Seine dunklen Augen schimmerten und Konan fragte sich, was wohl in seinem Kopf vor sich ging. Sie wollte seine Gedanken kennen, seine Gefühle und die Art, wie er über Dinge nachdachte.

„Du bist wundervoll.“ sagte Itachi. Konans Augen wurden karamellbraun. Er hatte schon bemerkt, dass Brauntöne in ihrem Fall Glück und Zuneigung bedeuteten.

„Wir brechen morgen zu einer Reise auf. Ich will, dass du mitkommst. Sayu hat mir Tabletten gemacht, du musst dich also beim nächsten Mal nicht zurückhalten. Es wird bestimmt schön.“

„Hast du auch einen Grund für dich, warum du das willst?“ fragte Itachi.

„Willst du den selbstbezogenen oder den fürsorglichen Grund hören? Die sind beide für mich.“

„Ich will jeden Grund hören, den du dafür hast.“

„Also gut. Ich will es einfach wissen. Wie es sich anfühlt, verstehst du? Und ich will dich damit glücklich machen und dir helfen. Dir zu helfen, macht mich nämlich glücklich. Außerdem liebe ich dich. Da ist es doch ganz natürlich, dass ich auch ein Verlangen nach deinem Körper habe. Dir geht’s genauso, das kannst du ruhig zugeben.“ sagte Konan.

Wieder, wie beim letzten Mal, als sie darüber gesprochen hatten, spürte Itachi, wie das Blut in seine Wangen stieg. Er nickte und ertappte sich zum wiederholten Mal dabei, wie er an Konans weißen Körper unter dem weiten Mantel dachte. Sie hatte nicht viel Oberweite, vielleicht A oder B, aber das war ihm nicht wichtig. Es änderte nichts daran, dass sie für ihn das schönste Mädchen auf der Welt war.

Den Mädchen in Konoha hatte er immer ins Gesicht gesehen, wenn er mit ihnen sprach, aber Konan schaute er unwillkürlich auf den Körper. Es gelang ihm kaum noch, das, was in seinem Alter eigentlich normal war, zu unterdrücken und ausschließlich in seine Träume zu verbannen. Er hatte es bisher zurückgehalten, um sich ganz auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren: das Dorf, der Clan, Sasuke, die Schule. Doch auf einmal schienen sich diese Dinge und die starken Gefühle für Konan nicht mehr gegenseitig auszuschließen.

„Morgen früh brechen wir auf.“ sagte Konan und stand auf, „was machen wir heute noch für den Rest des Tages?“

„Weiter lernen?“ schlug Itachi vor. Er folgte Konan, hielt noch immer ihre Hand. Kurz bevor sie den Turm betraten, blieb er plötzlich stehen.

„Konan?“

„Ja? Was ist?“

„Danke. Für alles.“

„Das mach ich doch gern.“ Konan lächelte, „ich bin wirklich für dich da.“

Für den Rest des Tages saßen sie in Konans Zimmer. Itachi fand seine Arbeitsdisziplin wieder, sobald er die Bücher aufgeschlagen hatte.

Später ging Konan zu Sayu und holte die Tabletten ab. Sie fühlte sich sehr erwachsen und dachte mit Vorfreude und etwas aufgeregt daran, was sie mit Itachi vorhatte. Der Gedanke daran, seinen Körper an ihrem zu spüren, erregte sie und das Gefühl, das dabei in ihr aufstieg, kribbelte angenehm. Sie war sich ihres Vorhabens ganz sicher.

Am nächsten Morgen wachte Itachi früh auf. Er packte alles, was er in seinem Zimmer hatte, in die alte Umhängetasche und ging auf den Flur hinaus, um auf Konan und Sasori zu warten. Er wusste, dass Konan etwas Zeit für ihr Make-up brauchte und war im Gegensatz zu Pain nicht ungeduldig.

Plötzlich hörte er Stimmen und Schritte, die von der Haupthalle aus auf ihn zukamen. Er erkannte Pains Stimme und Kisames Zähneknirschen.

„Er ist vollkommen gegensätzlich zu dir. Das fängt schon bei seinem Chakra-Element an. Warum willst du ausgerechnet mit einem wie ihm zusammen arbeiten?“ fragte Pain.

„Ich stelle mir das sehr interessant vor. Itachi ist schließlich sehr stark, aber mein Element ist seinem überlegen. Und ich habe viel über Sharingan gehört. Schließlich hatte Madara sie auch.“ antwortete Kisame.

„Aber du weißt doch sonst auch nichts über Madara. Keiner weiß etwas über ihn, auch ich nicht.“

„Dann ist es ja sehr praktisch, dass wir wieder jemanden mit Sharingan haben. Du kannst mich schon mal als Partner von Itachi Uchiha eintragen, Pain.“

„Er bricht heute mit Konan und Sasori zu einer weiteren Reise auf. Danach trage ich euch als Zweierteam ein.“ sagte Pain, „und Kakuzu wird wohl wieder allein arbeiten müssen.“ er war froh über Kisames Vorhaben, denn wenn Itachi mit dem Haifischmenschen loszog, war er nicht bei Konan. dadurch ersparte Pain sich, den jungen, ehemaligen Konoha-Ninja selbst mit allen Mitteln von Konan fernzuhalten und so wieder ihre Wut anzufachen. Die Drohung, „wenn du Itachi was tust, verlierst du mich.“ klang ihm noch deutlich im Kopf. Pain wollte Konan nicht verlieren.

Itachi ging zum Tor des Turmes, er wollte da auf Sasori und Konan warten und nicht von Pain und Kisame gesehen werden. Er hasst Kisame wegen dessen Kampflust und erklärter Kriminalität, die im totalen Gegensatz zu seinem eigenen Pazifismus stand. Mit jemandem wie Kisame zusammenzuarbeiten, erschien ihm unmöglich. Aber war es nicht auch eine gute Tarnung? War Kisame nicht der perfekte Partner für Itachis „dunkle Maske“? Wenn Itachi dem Angebot zusagte, würde niemand vermuten, dass er in Wahrheit auf der anderen Seite stand.

Er würde mit Konan und Sasori darüber sprechen.

Das Katzenkind

Die Reise verlief fast genauso wie die vorherige. Jedoch war das Ziel nicht das Grüne Land, sondern Kumo Gakure. Konan war dort zur Schule gegangen und kannte sich deshalb aus. Und sie wusste, dass dort ein etwa neun Jahre altes Mädchen namens Yugito Nii lebte. Im Körper dieses Mädchens war Nibi, die Zweischwänzige Katze, versiegelt und Konan hatte einmal erlebt, wie allein die Verwendung des Wortes „Jinchu-Kraft“ ausgereicht hatte, um die damals fünfjährige Yugito ungeheuer wütend zu machen und zur Verwandlung zu bringen. Der damalige Raikage hatte einige diesbezügliche Provokations-Versuche gemacht und festgestellt, dass Nibi zwar über einen Charakter, aber auch über extrem unberechenbares Temperament und ungeheure Kräfte verfügte.

Konan fühlte sich jetzt als Yugitos Beschützerin, als die, die sie im Auge behielt. So, wie Sasori auf Gaara achtete und Itachi Naruto und Sasuke schützte.

Sie reisten auf einem Umweg und streiften dabei auch die Grenzen des Feuerreiches. Einen Tag lang blieben sie im unmittelbaren Grenzgebiet und Itachi verfiel wieder in diesen dunklen Dämmerzustand, klagte auf Nachfrage über Herzschmerzen und konnte sich kaum aus dem Zelt bewegen. Konan wollte einen Streifzug über die Grenze machen und Informationen über die Lage in Konoha Gakure suchen. Sasori, der Hiruko wieder abgelegt hatte, versprach, währenddessen auf Itachi aufzupassen. Der hatte sich sofort nach dem Aufstehen ins Zelt zurückgezogen, es abgedunkelt und eine von Konans Schlaftabletten genommen. Als Sasori kurz nach ihm sah, schlief er fest. Sasori bemerkte die fiebrigen Schweißtropfen auf Itachis Stirn nicht.
 

Konan traf bereits kurz hinter der Grenze auf zwei Anbu-Ninja. Sie wusste, dass die Anbu ganz besonders stark waren und dass sie aufpassen musste. Aber sie brauchte die Informationen darüber, ob die Konoha-Ninja nach Itachi suchten und wie für Sasuke gesorgt wurde. Außerdem musste sie wissen, ob im Dorf jemand über die Akatsuki Bescheid wusste.

Konan faltete, so schnell sie konnte, eine Ladung Papierwaffen und schlich sich vorsichtig von hinten an die zwei Ninja heran. Die machten gerade eine kurze Pause und rechneten nicht damit, hinterrücks von einer Sechzehnjährigen angegriffen zu werden. Schon gar nicht darauf, mit Papier attackiert zu werden. Außerdem schienen sie nicht gerade zu den stärksten Mitgliedern der Anbu-Truppe zu gehören.

Konan war stark, Sasoris hartes Trainingsprogramm zeigte seine Wirkung. Nach wenigen Minuten war der Kampf vorbei und Konan hatte die beiden Anbu mit Papierseilen gefesselt.

„Wow, ich bin ja wirklich stark geworden. Wenn man so abgeschottet von der Welt lebt wie ich, fällt es einem selbst wohl gar nicht auf, wie stark man mit der Zeit wird.“ dachte sie, „entweder bin ich wirklich ungewöhnlich stark oder die Anbu sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.“

„Wo-woher kommst du?“ fragte einer der beiden, immer noch etwas überrascht von ihrem schnellen Angriff.

„Das tut nichts zur Sache. Ich will nur Informationen, sonst nichts. Ihr könnt mich auch gern bei eurem Hokage verpfeifen, das ist mir egal. Macht danach, was ihr wollt, aber erstmal verratet ihr mir ein paar Dinge.“ ab und zu machte es Konan fast Spaß, die Fiese zu spielen. Es hatte einen gewissen Reiz und jetzt verstand sie, warum Sasori sich diesbezüglich nicht ganz entscheiden konnte.

„Wir dürfen dir nichts verraten.“ sagte der andere.

„Das werden wir gleich sehen, ob ihr wirklich nichts sagt.“ erwiderte Konan und zog eine kleine Flasche mit kleinen, weißen Perlen darin hervor. Das war ein Mittel, natürlich verboten, das Pain verwendete und gegen das sie wie jedes andere Mitglied der Akatsuki mittlerweile immun war. Die Immunisierung dauerte bei diesem Mittel nur etwa drei Tage.

„Was ist das?“

„Das hier wird euch jede Wahrheit entlocken, die ich wissen will. Wenn ihr nicht von selbst damit rausrückt, schluckt ihr dieses Zeug. Kann auch sein, dass es ein bisschen schmerzhaft wird.“ sagte Konan und dachte: „Diese fiese Masche steht mir echt besser, als ich dachte. Ich darf mich nur nicht zu sehr daran gewöhnen.“ sie zog eine von Sasoris Betäubungsspritzen aus ihrer Gürteltasche. Wenn man die Betäubung richtig dosierte, blieb das Opfer zwar wach, wurde aber weitgehend bewegungsunfähig und war somit nicht mehr in der Lage, Widerstand zu leisten.

Die beiden Anbu waren gefesselt und konnten sich kaum gegen die Betäubung wehren. Den, der zuerst gesprochen hatte, betäubte sie ganz, den anderen nur soweit, dass er ihr die Informationen geben konnte. Sie riss dem, den sie ausfragen wollte, die Maske vom Gesicht und zwang ihn, einige der weißen Perlen zu schlucken. Seine Augen wurden trüb und schläfrig, ähnlich wie unter der Wirkung eines Gen-Jutsu.

„So, und jetzt will ich von dir ein paar Antworten haben.“ zischte Konan.

Der Anbu schien wirklich nicht zu den besten Typen in der Truppe zu gehören. Er stand jetzt unter ihrer Kontrolle und machte mit zunehmender Wirkung der Medikamentenmischung weniger Anstalten, sich zu wehren.

„Ich will alles wissen, was mit dem Uchiha-Clan zusammenhängt. Ich weiß, dass sie verschwunden sind und wer den Mord gestanden hat.“

„Das unterliegt hoher Geheimhaltung. Die Zivilbevölkerung des Dorfes soll so wenig wie möglich darüber wissen. Der Uchiha-Clan wurde für tot und Itachi Uchiha für verbannt erklärt. Er gilt jetzt als Staatsfeind. Sasuke Uchiha lebt im Waisenhaus.“

„Hatte Itachi keine Freunde im Dorf? Was ist mit denen, was wissen die?“

„Yuki Sato, Mi Kagawa und Kurade und Satoru Hagi wurden mit ihren Familien von Danzo weggeschickt. Sie müssen jetzt in einem anderen Dorf leben. Danzo glaubt, dass sie von Itachis Plänen gewusst und niemanden gewarnt haben. besonders Yuki Sato wird diesbezüglich verdächtigt. Hokage Sarutobi weiß allerdings kaum etwas davon. Der Ältestenrat hielt es für besser, ihn nicht weiter zu informieren.“ offensichtlich war dieser Anbu zwar nicht stark, wusste aber eine Menge. Konan hatte den Verdacht, dass er zu einem Anhänger Danzos gehörte.

„Und was weißt du über einen Jungen namens Naruto Uzumaki?“

„Naruto Uzumaki ist der Jinchuriki des Neunschwänzigen Fuchses und der Sohn des verstorbenen Hokage Minato Namikaze.“ der Anbu versuchte, den Mund zu halten, aber die Perlen wirkten fehlerfrei.

„Und wo lebt Naruto im Moment?“

„Er bewohnt ein kleines Zimmer und wird von uns und Iruka Umino genau überwacht. Niemand darf ihm sagen, was in ihm wohnt, damit er nicht auf den Gedanken kommt, seine Macht zu nutzen.“

„Und was glaubt ihr, wo Itachi Uchiha jetzt ist?“ fragte Konan, innerlich kochend vor Wut. Itachi hatte ihr von seinen Problemen mit dem Ältestenrat von Konoha erzählt und jetzt erfuhr sie, dass dieser Rat offenbar alles tat, um Itachis Vergangenheit schwarz zu färben und das Wissen über seinen wahren Charakter auszulöschen. In gewisser Weise kamen diese Alten ihm damit entgegen, aber trotzdem war es eine Gemeinheit.

„Er ist hoffentlich weit weg. Danzo hofft, dass Itachi sich bereits selbst getötet hat. Dann hätte Konoha keinen Ärger mehr mit ihm.“ der Anbu stand definitiv auf der Seite des Ältestenrates.

Die Wut in Konans Bauch kochte hoch und es gelang ihr keine Sekunde länger, sich zu beherrschen. Wie konnte jemand so über Itachi sprechen?! Sich wünschen, er wäre tot?! Der einzige, der vielleicht ein Recht auf diese Gedanken hatte, war Sasuke. Sonst niemand. Niemand hatte das Recht, sich den Tod eines so wundervollen Menschen wie Itachi zu wünschen!

Einmal, ein einziges Mal, ließ Konan ihre Wut an einem Übermittler einer schlechten Nachricht aus. Der Anbu hätte sich sowieso auflösen müssen, weil er alles verraten hatte. Konan zog vier starke Betäubungsspritzen hervor, ihr Lieblingsmittel bei Überfällen, und stieß sie alle gleichzeitig dem Mann in den Hals. In ihrer Wut dachte sie nicht nach und dass sie gerade einen Menschen erstochen hatte, machte ihr erschreckend wenig aus.

Dann löschte sie das Gedächtnis des Anbu, den sie zuerst betäubt hatte.

Noch immer vor Wut kochend, ließ sie den toten Anbu und seinen tief schlafenden Kumpanen einfach liegen und kehrte zum Lagerplatz zurück.

Es war besser, den Toten sofort zu vergessen.

Sasori saß ein Stück vor dem Zelt, er war auf der Reise in seiner wahren Gestalt, und besserte Schrauben und Gelenke seiner Marionetten aus. Er bemerkte, wie aufgebracht Konan war und fragte: „Was hast du gemacht? Gab es Ärger?“

„Dieser verdammten Ältesten! Sasori, mach mich stärker, damit ich diese alten Schachteln eigenhändig erschlagen kann!“

„Hast du Informationen bekommen?“

Konan berichtete Sasori das, was sie erfahren hatte. Sasori wirkte oberflächlich ruhig, aber Konan kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es ihn nicht kalt ließ. Und als sie von dem toten Anbu berichtete, sagte er: „Pass gut auf, dass dir so etwas nicht zu oft passiert! Es ist nicht gut für junge Mädchen wie dich, zu oft jemanden endgültig zu besiegen. Heb dir das für die wirklich starken Gegnern auf.“

„Ja, Sensei, natürlich. Sag mal, wo ist Itachi? Schläft er immer noch im Zelt?“ fragte Konan.

„Ja, aber er wollte nicht gestört werden und deshalb habe ich nicht nach ihm gesehen.“ sagte Sasori.

„SASORI!! SOLL DAS HEISSEN, DASS DU HIER EINFACH NUR RUMGESESSEN HAST? ITACHI IST NICHT GESUND, KAPIERST DU DAS?“ schrie Konan.

Sie riss die hölzerne Tür des Zeltes auf und rutschte hastig auf Knien hinein.

Dann öffnete sie die Dachluke. Tageslicht fiel von oben ins Zelt und auf Itachis Schlafmatte. Konan sah sein Gesicht: Blut war zu beiden Seiten aus seinen Augen gelaufen und hatte seine langen, dunklen Wimpern verklebt. Seine Stirn und sein Hals glänzten schweißnass. Er sah wieder genau so krank aus wie bei seiner Ankunft bei Akatsuki, vielleicht sogar noch kränker, da er offensichtlich Fieber hatte. Seine rechte Hand war auf sein Herz gepresst und er zitterte wie in einem furchtbaren Albtraum.

Konan machte sich augenblicklich Vorwürfe, weil sie ihm alleingelassen hatte. Sie kniete sich neben Itachi und legte ihre Hand auf seine Stirn.

„Das ist ja richtig hohes Fieber!“ dachte sie erschrocken, „und sein Herz tut wohl auch wieder weh. Ich muss irgendwann mal nach Konoha und diesen Ältestenrat erschlagen!“

Konan rutschte auf Knien aus dem Zelt, riss ein Tuch von der Wäscheleine, die sie am Morgen aufgehängt hatte, und warf es in die Kanne mit dem Wasservorrat. Während sie das überschüssige Wasser wieder aus dem Tuch presste, rief sie Sasori zu: „Du weiß doch ganz genau, dass Itachi dazu neigt, Dinge zu tun, die nicht gut für ihn selbst sind!“

„Tut mir leid.“ antwortete Sasori und er schien es diesmal wirklich mal ernst zu meinen, „sei mir nicht weiter böse, ja?“

Konan sagte nichts dazu, nahm das nasse Tuch, kehrte ins Zelt zurück und legte das Tuch auf Itachis fieberheiße Stirn. Dann wischte sie das Blut aus seinem Gesicht, schob seine rechte Hand weg und legte ihre eigene auf sein Herz. Sie ließ etwas von ihrem Chakra in seinen Herzpunkt fließen und hoffte, dass Shiawase-no-Jutsu ihre glückliche, liebende Energie aufnahm und speicherte. Aber es war zu wenig. Konan hatte ihr Chakra einfach noch nicht gut genug in den schwierigen Medizinischen Techniken geübt. Sie zog Itachi ein Stück hoch und hielt ihn solange in ihren Armen, bis er schließlich aufwachte.

„Dich kann man auch keinen Moment allein lassen!“ seufzte sie.

„Was hast du rausgefunden?“ fragte Itachi, „wie geht es Sasuke?“

„Er wird versorgt und alles andere erzähle ich dir, sobald du dich ein bisschen erholt hast.“ antwortete Konan.

Sofort versuchte Itachi, gesund auszusehen, was aber deutlich misslang.

„Mir geht’s wieder gut.“

„Ja, echt, dir geht’s total gut!“ antwortete Konan ironisch, „du hast ja auch nur Fieber, Herzschmerzen und Augenbluten. Das nenn ich gesund!“

Itachi versuchte, aufzustehen, aber ein Schwindelanfall ließ ihn wieder auf den Futon zurücksinken. Konan hatte wieder einmal Recht: er war wirklich krank und musste zulassen, dass sie sich um ihn kümmerte.

„Ich will dir keine Umstände machen…“ der übliche Satz, den er immer verwendete, wenn er das Gefühl hatte, jemandem zur Last zu fallen.

„Das ist Liebesdienst, klar?“ sagte Konan laut, „du musst nichts weiter tun, als mich einfach mal machen zu lassen! Und denk nicht, dass ich irgendein Problem damit habe, mich um dich zu kümmern!“

Itachi war wirklich ein schwieriger Fall. Da war schon eine gewisse Strenge angebracht.

„Es ist die Nähe zur Grenze, oder?“ fragte Konan, „das macht dich fertig.“

„Ich kenne diese Gegend aus meiner Anbu-Zeit.“ antwortete Itachi.

„Morgen sind wir wieder hier weg. Dann geht’s dir sicher besser.“

Der Rest des Tages ging für Konan mit Lernen und Arbeiten rum, Itachi blieb noch eine Weile im Zelt liegen. Er wusste, dass er sich erst ein wenig ausruhen musste, bevor er wieder sein Lernen und Trainieren aufnehmen konnte. Training konnte sehr ungesund sein, wenn man krank war und er konnte sich mit Fieber auch nicht auf den Lernstoff konzentrieren. Außerdem hätte Konan ihn sicher zurückgehalten, wenn er versucht hätte, aufzustehen und einfach weiterzumachen.

Sie verhielten sich alle möglichst ruhig, da wohl in der Umgebung tatsächlich noch nach Itachis Spuren gesucht wurde. Konan dachte kurz an den Anbu, dessen zu Tode betäubter Körper direkt hinter der Grenze lag und hoffte, dass niemand das verwendete Gift erkannte. Schließlich stammte es von Sasori, einem der berüchtigsten Giftmischer, die die Bingo-Bücher auflisteten.

Am Abend, als Konan und Itachi im Zelt lagen und Sasori wie üblich draußen Wache hielt, schwebte eine regenbogenfarbene Feder vom dunklen Sternenhimmel. Der riesige Vogel, zu dem sie gehörte, wollte erst neben dem Zelt landen und dem Jungen, der darin wach lag, seine Unterstützung zusichern. Aber dann entschied sich der fremdartige, bunt gefiederte Vogel anders. Das Mädchen war ja da und solange sie sich um den sensiblen Jungen kümmerte, musste der Vogel nicht tun. Er schwang seine regenbogenfarbenen Flügel auf und flog, mit einer Spur goldenen Staubes hinter sich, wieder davon. Die Feder löste sich auf.

Itachi war vom Fieber noch so geschwächt, dass er die Präsenz des Vogels nicht wahrgenommen hatte. Er sah Konan an, die mit hübsch verwuscheltem Haar unter der verzogenen Bettdecke lag. Wie jeden Abend, wenn er sie abends in ihrer leichten Nachtwäsche sah, fuhr eine kurze, angenehme Welle aus Liebe und Begehren durch seinen Körper. Er hatte sich noch immer nicht ganz daran gewöhnt und seine Zurückhaltung kämpfte diese neuen Gefühle weiterhin fast automatisch nieder. Aber hier waren keine Mädchen mehr, mit denen er ausschließlich gut befreundet sein wollte. Hier war nur Konan und die erwiderte seine Gefühle, wollte sie sogar mit ihm zusammen leben. Sie gab sich ihm hin, tat alles, was er brauchte und kämpfte so dafür, dass er weiterlebte. Plötzlich erschien ihm die kurze Distanz zwischen den Schlafmatten viel zu weit. Er wollte neben Konan liegen, spüren, wie seine Lebensenergie in ihrer Nähe zunahm und morgen früh ihr verschlafenes Lächeln sehen.

„Halt dich zurück, Itachi. Warte noch.“ mahnte seine Zurückhaltung.

„Nur neben ihr liegen.“ dachte Itachi, „sonst nichts.“

Er stand halb auf, rutschte kniend zu Konan hinüber und legte, zuerst zögerlich, seine Hand auf ihre Schulter. Konan wachte auf, drehte sich zu Itachi um und fragte verschlafen: „Is was? Geht’s dir nicht gut?“

„Ka-kann ich bei dir schlafen?“

„Bei mir oder mit mir?“ Konan lächelte. Sie wusste, was er meinte, wollte aber seine Zurückhaltung bei diesem Thema ein wenig lockern, indem sie jetzt danach fragte.

„Bei dir.“ sagte Itachi.

Konan schlug die Bettdecke beiseite.

„Komm her.“ sie lächelte das süße Lächeln, von dem sie wusste, dass es Itachis Schüchternheit für einen Moment auflöste.

In Konans Armen konnte Itachi viel schneller einschlafen. Dann war es kein Erschöpfungsschlaf nach den Schmerzen, die er jeden Tag litt, sondern ein Erholungsschlaf, in dem Konan ihn über Nacht mit Lebenskraft versorgte und sein Herz beruhigte.

Am nächsten Tag ging es Itachi tatsächlich etwas besser. Er fragte sich, wie gut es ihm erst gehen würde, nachdem er mit Konan geschlafen hatte. Das Glücksgefühl konnte er sich kaum vorstellen. Er wusste so gut wie nichts darüber aus wirklicher Erfahrung und stellte sich vor, dass es sich ähnlich anfühlte wie das, was er an dem Abend auf der ersten Reise mit Konan erlebt hatte. Itachi machte sich wirklich Gedanken über dieses Thema, wobei er jedoch anfangs kaum wagte, einige Worte zu denken: nahm Konan die Tablette, die den Eisprung verhinderte? Würde Shiawase-no-Jutsu die Energie richtig aufnehmen? Wie es sich wohl für Konan anfühlen würde? Itachi wollte ihr auf keinen Fall wehtun, aber er hatte gehört, dass es Frauen beim ersten Mal wehtat. Hoffentlich gelang es ihm, vorsichtig zu sein. Schließlich liebte er Konan und Shiawase-no-Jutsu funktionierte nur, wenn es ihm gelang, sie wirklich glücklich zu machen.

Itachi spürte, dass sein Herz sich bei diesen Gedanken gut anfühlte, als wäre es heil und gesund.

Die folgenden Tage, bis sie Kumo Gakure erreichten, verliefen gleich: tagsüber wurde viel gelernt und trainiert, abends versuchte Konan(fast immer mit Erfolg) Itachi dazu zu bringen, ihr Bett zu teilen. Sie machte sich inzwischen nicht mehr die Mühe, ein Nachthemd anzuziehen, sondern legte sich gleich in Unterwäsche ins Bett. Itachis Zurückhaltung nahm jeden Abend ein Stück weiter ab. Er versuchte noch immer, es zu verbergen, aber sie spürte, dass er immer mehr einsah, dass diese Zurückhaltung bald nicht mehr wichtig sein würde. Da er sich jedoch über die Jahre sehr angewöhnt hatte, solche Gefühle zu unterdrücken, war es keine Sache von ein paar Tagen, das aufzulösen.

Konan nahm jeden Tag zur selben Zeit die Tabletten, die Sayu ihr gegeben hatte und stellte fest, dass ihre Regel sich um einige Tage verzögerte und dann viel schwächer ausfiel als sonst. Sayus Medikamente waren zuverlässig.

Als sie die direkte Umgebung von Kumo Gakure erreichten, fand Konan auf dem Weg immer häufiger Kampfspuren wie Kratzer an Bäumen oder Löcher im Waldboden. Für geübte Augen war klar: das war das Werk eines kontrollierten Bijuu. Aber es waren nicht nur die Spuren einer Jinchu-Kraft. Eine lange Schneise umgerissener Bäume und zerbrochener Felsformationen und große Lichtungen, die durch Zerstörung entstanden waren, wiesen auf mehr als eine große Kraft hin. Das war das Werk von zweien. Konan wusste nur von Yugito. Gab es noch jemand anderes?

„In Kumo scheinen sie eine Menge über Bijuu-Geister zu wissen. Vielleicht haben sie eine besondere Technik, mit der man Bijuu kontrollieren kann.“ sagte Konan zu Sasori, während Itachi ihr half, den komplizierten Kimono für „Kiziko“ anzulegen.

„Hast du nicht gesagt, dass Yugito sich überhaupt nicht unter Kontrolle hat?“ fragte Sasori, „du hast erzählt, dass sie das Zimmer, in dem sie eingesperrt wurde, vollkommen zerstört hat.“

„Das hat sich wohl geändert. Und die zweite Jinchu-Kraft, die es offensichtlich gibt, kontrolliert sich auch bemerkenswert gut.“ Konan schloss zwei Fingerzeichen, Hahn und Ziege, die ihr Haar schwarz färbten, und setzte Kotaktlinsen ein. Die Farbveränderung ihrer Augen war ausschließlich stimmungsabhängig und sehr unzuverlässig.

„Vielleicht sollten wir diese Person, wahrscheinlich auch ein Kind, ebenfalls schützen oder zumindest über die Gefahr informieren.“

Itachi nickte zustimmend und zog den Obi an Konans Kimono vorsichtig fest. Er dachte kurz an Naruto, den Gedanken an Sasuke verbot er sich. Er verlor dann immer eine Menge Kraft, da er mit jedem gezielten Gedanken an Sasuke auch etwas von dessen Hass spürte. Nicht an ihn zu denken war schwierig, schließlich war Sasuke, seit er auf der Welt war, Itachis Lebensmittelpunkt. Und er wollte ihn auf keinen Fall vergessen. Auch das war ein Grund, warum er Shiawase-no-Jutsu aufrechterhielt. Es war eine direkte Verbindung zu Sasuke.
 

Konan ging auf schmalen, kaum ausgetretenen Wegen nach Kumo Gakure. Zwar wäre es in diesem Aufzug einfacher gewesen, einen der Hauptwege zu benutzen, aber dann wäre sie womöglich jemandem aufgefallen. Es war besser, nicht von allzu vielen Leuten bemerkt zu werden.

An ihrem Kimono hingen dieselben Glöckchen wie am Hut ihrer Akatsuki-Uniform und deshalb spürte sie wieder die geheimnisvolle, neblige Aura, die durch das Geräusch ihrer Schritte verstärkt wurde.

In Kumo kannte sie sich sogar besser aus als in Konoha, schließlich war sie hier zur Schule gegangen und hatte in einem kleinen Zimmer in einem der großen Mietsblöcke gewohnt. Es war kaum bewölkt, die Sonne schien. Kumo Gakure schien das einzige Versteckte Dorf zu sein, dessen Name („Dorf unter den Wolken“) nicht richtig passte.

„Ob Yugito Lehrer oder Freunde hat?“ dachte Konan, „oder ist sie allein, so wie die meisten Jinchu-Kräfte?“ dieses Wort gefiel ihr überhaupt nicht, aber es gab keines, das weniger beleidigend klang.

Ein lautes, schrilles „Miiiiiaaaaauuuuu!!“ schreckte sie auf und ließ einen Schwarm dunkler Vögel flatternd aus den Bäumen gen Himmel fliegen.

„Sie ist ganz in der Nähe.“ sagte Konan sich, „so ein lauter Schrei kann unmöglich von einer normalen Katze kommen.“

Mit einem Satz sprang Konan auf den nächstbesten Baum. Wieder freute sie sich über die Vorteile selbstgenähter Kleidung: auf den ersten Blick wirkte der Kimono so, als würde er ihre Bewegungsfreiheit einschränken, so, wie Kimonos es nun einmal an sich hatten. Aber er war speziell für eine Spionagerolle wie Kiziko konstruiert, mit vier langen Schlitzen, die bei normalem Gehen und Stehen überhaupt nicht zu sehen waren und den Anschein eines engen Kimono erweckten, im Rennen jedoch auseinanderklappten wie ein langer, weiter Faltenrock. Sobald sie oben auf dem dicken Ast stand, sah der Kimono wieder ganz normal aus.

Der Ast war in etwa acht Metern Höhe und bot einen guten Überblick auf die gesamte Umgebung.

Von dem Baum aus konnte Konan die zahlreichen Spuren, die eindeutig von Nibi und dem anderen, unbekannten Bijuu stammten, im Zusammenhang sehen. Wege und Schneisen, die die Wesen im Kampf genommen hatten, zogen sich durch den Wald und ergaben aus der Höhe betrachtet eine Karte der Kampffelder. Beide Bijuu schienen mehr oder weniger unter der Kontrolle ihrer Träger zu stehen und an manchen Stellen erkannten Konans geübten Augen, wer im Moment der Verwüstung die Oberhand gehabt hatte: einmal war es der Bijuu, dann war die Zerstörung sehr viel wilder und gewaltiger, ein anderes Mal zeigten gezieltere Bewegungsspuren und Treffer, dass der Träger den Bijuu kontrolliert hatte. Warum die beiden Träger gegeneinander kämpften, konnte Konan nicht aus den Spuren lesen, aber sie erkannte, welche Spuren von Nibi, und welche von dem anderen Bijuu stammten. Es musste sich um ein Wesen mit sehr viel Körperkraft handeln, das eine ganz andere Art von Krallen hatte. Dieses zweite Wesen schien nicht halb so gut kontrolliert zu sein wie Nibi.

Die Stellen, an denen nur Nibis Spuren waren, mussten Trainingsorte sein. Nibi ließ sich also wirklich kontrollieren, auch, wenn Yugito scheinbar ab und zu die Kontrolle aus der Hand zu geben schien. Es gab noch eine weitere Möglichkeit, diese auffälligen Spuren zu erklären. Eine unwahrscheinliche, die, falls sie sich bewahrheitete, einen riesigen Erfolg für Konans und Sasoris Pläne bedeutete: möglicherweise hatte sich Nibi bereits selbstständig zu einem Schmuckshuppet weiterentwickelt! Eine andere Möglichkeit, einen Bijuu so kontrolliert einzusetzen, gab es nicht. Zwar war es möglich, sie zu bannen und unter Verschluss zu halten, aber diese hochkontrollierten, präzise abgezielten Angriffe, von denen die Spuren zeugten, waren für eine Jinchu-Kraft mit einem Bijuu unmöglich. Es gab zwar keine Berichte darüber, ob dieses Kampfmuster auf Schmuckshuppet passte, da bisher noch kein einziges bekannt war, aber es war zumindest die einzige Erklärung.

„Das wäre ja wirklich mal eine gute Entwicklung.“ sagte Konan sich, „ein Bijuu weniger, um den wir uns Sorgen machen müssen. Aber zuerst muss ich herausfinden, ob das stimmt.“

Konan sah sich genau um, suchte nach Anzeichen dafür, dass Yugito gerade in der Nähe war. Sie wusste nicht genau, wie Yugito jetzt aussah. Das Bild in ihrem Kopf war das einer wilden, einsamen Vierjährigen mit blitzenden, schwarzen Augen, dunkelblondem Haar und bläulich-weißen Fingernägeln, die an Katzenkrallen erinnerten. Jetzt war Yugito neun Jahre alt, wahrscheinlich größer und vielleicht weniger wild.

Konan suchte aufmerksam weiter, versuchte, das starke Chakra-Kraftfeld eines Bijuu-Geistes zu spüren und ihre gut ausgebildeten Sinne zu schärfen.

Und dann sah sie sie: ein ganzes Stück weit entfernt, in Konans Rücken, stand Yugito und sie war nicht allein. Neben ihr stand eine Frau in der Jonin-Uniform von Kumo Gakure. Yugito hatte also eine Sensei, die sie anleitete.

Konan sprang auf einen anderen Baum, der näher an den beiden dran war, und beobachtete die Szene. Yugito war inzwischen ein hübsches, großes Mädchen mit langem, blonden Haar und ordentlicher Kleidung. Sie stand mit ausgestrecktem Arm vor einem dicken Baumstamm, der eine große, runde Aushöhlung hatte. Ihr Arm war von rauschendem, blauem Chakra umgeben und nahm langsam sie Form einer Katzenpfote an. Und am Baum brannten kleine, blaue Flammen.

„Jetzt komm schon, Maumau-chan! Konzentrier dich!“ rief Yugito.

Ein lautes „Miau!“ antwortete. War das Nibi?

„Zum allerersten Mal sehe ich ein Schmuckshuppet!“ dachte Konan aufgeregt, „wann und wo sie wohl dem Drachen begegnet ist?“

Eine flammende Kugel aus dichtem, blauem Chakra schoss aus Yugitos Handfläche, formte sich zu einem wirbelnden Shuriken und schnitt den beschädigten Baumstamm glatt ab wie Bambus.

„Perfekt!“ flüsterte Konan, „Yugito hat den Dreh raus. Sie wird sich erfolgreich wehren können, wenn Pain ihr Kakuzu oder Kisame auf den Hals hetzt. Und sie ist der Beweis für die Existenz der Schmuckshuppet-Anlage in den Bijuu. Wenn das, was bei ihr funktioniert hat, auch bei Naruto, Sasuke und Gaara klappt, haben wir’s geschafft!“ sie sah kurz in ihren Handspiegel, überprüfte Make-up und Verkleidung und sprang dann zu Yugito und der Jonin herunter. Augenblicklich verwandelte sich der Arm des Mädchens zurück und sie versteckte ihn hinter ihrem Rücken.

„Gib dir keine Mühe, ich hab dein Training gesehen. Ich will dir nichts tun.“ sagte Konan. Sie versuchte, das bestimmte Gefühl, Kiziko Nari zu sein, in sich zu wecken und überspielte den kurzen Einspiel-Moment mit einem freundlichen Lächeln.

„Wer bist du? Willst du was von meiner Katze?“ fragte Yugito misstrauisch.

„Nein, aber ich hab den Eindruck, dass du sie sehr gut im Griff hast. Mein Name ist Kiziko Nari und ich beschütze Menschen wie dich. Du bist nicht allein.“

„Das weiß ich doch! Und Maumau passt auf mich auf. Sie ist prima und richtig stark.“ Yugito ließ kurz das blau flammende Chakra um sich herum aufleuchten, gab wohl gern mit ihrer Kraft an, „meine Katze geb ich nicht her! Wer die haben will, der soll nur kommen, dem zeig ich, was ‘ne Mieze alles kann!“

„Du bist ja sehr selbstsicher!“ bemerkte Konan.

Yugito nickte stolz. So einen glücklichen Stolz konnten nur Menschen mit Schmuckshuppet haben.

„Wie hast du es geschafft, deinen Bijuu in ein Schmuckshuppet zu verwandeln?“ fragte Konan.

„Ich hab einen riesigen Drachen getroffen. Er ist nur so über das Dorf geflogen, aber ich hab ihn gesehen. Und von da an hab ich mich mit Maumau gut verstanden. Sie ist noch kein ganzes Schmuckshuppet. Ihre Verwandlung ist langsam, aber da sie lieb ist, hört sie jetzt schon auf mich.“ antwortete Yugito, „und irgendwann wird sie ein perfektes Schmuckshuppet.“

Nibi war also noch nicht einmal vollständig weiterentwickelt und trotzdem war ihre Kampfkraft so perfekt kontrollierbar? Die Rätsel, die Bijuu immer wieder aufgaben, verwunderten Konan jedes Mal aufs Neue, wenn sie einem dieser besonderen Wesen begegnete.

Konan wandte sich an die Lehrerin, die sich daraufhin als Narumi Kurada vorstellte.

„Ich bin gekommen, um sie über die Tätigkeiten einer Organisation namens Akatsuki zu informieren. Sie besteht aus einigen gefährlichen, abtrünnigen Ninja, die hinter Bijuu-Geistern her sind. Sie werden irgendwann hier auftauchen und versuchen, Yugito mitzunehmen.“

„Woher wissen Sie davon, Kiziko?“ fragte Sensei Narumi.

„Ich stehe mit Informanten in Kontakt, die über die wichtigsten Vorgänge innerhalb der Akatsuki Bescheid wissen.“ sagte Konan und dachte an Sasori.

„Meine Maumau geb ich nicht her.“ sagte Yugito laut und selbstsicher.

„Du wirst hart trainieren müssen, aber du bist schon auf dem richtigen Weg.“ sagte Konan, „wenn du so weitermachst, wird dir nichts passieren.“

„Wie lange haben wir Zeit, bis wir mit einem Angriff rechnen müssen? Und bekommen wir von ihnen weiter Informationen?“ wollte Sensei Narumi wissen.

„Bis die mit allen Vorbereitungen fertig sind, haben wir noch eine Menge Zeit. Ich schätze, fünf Jahre dauert das noch und Yugito ist die zweite auf der Liste dieser Typen. Ich werde hier noch ein paar Mal herkommen und euch mit weiteren Informationen versorgen.“

„Fünf Jahre? Bis dahin werde ich die stärkste Katze der Welt!“ in Yugitos schwarzen Augen leuchtete der Eifer. Die Katze, die als Schmuckshuppet offenbar auf den Namen Maumau hörte, ließ ein begeistertes Miauen hören. Yugito und Maumau wirkten schon jetzt sehr gut aufeinander abgestimmt. Bis sie ihre Zusammenarbeit perfektioniert hatten, würde Konan sich nach besten Kräften bemühen, die Akatsuki von Kumo fernzuhalten.

„Sie sind noch nicht sehr alt, oder?“ fragte Sensei Narumi und sah Kiziko an.

„Ich bin fünfundzwanzig.“ antwortete Konan. Dieses Alter stand in Kiziko Naris Bingobuch-Eintrag. Den hatte sie schon, seit sie vor vier Jahren im Grenzgebiet des Feuerreiches mit einem Anbu zusammengestoßen war.

Auf einmal veränderte sich Yugitos Verhalten: sie machte ein niedliches Gesicht, hob die Hände gefaltet bis zum Kinn und klimperte mit den Augenlidern.

„Ich hab keine Verwandten, Kiziko. Kannst du bitte meine Patentante sein?“ bat sie mit sehr kindlicher Stimme.

„Yugito ist wie ich.“ dachte Konan, „stark und eigensinnig, aber trotzdem schön und manchmal süß. Sie hat genau wie ich keine Verwandten und muss sich durchkämpfen. Wir sollten uns zusammentun und ich beschütze sie.“

„Ooooch, bittebittebitte!“ Yugito maunzte.

Konan dachte: „Sasori ist mit Gaara verwandt, Itachi hat Sasuke und Naruto. Dann übernehme ich Yugito.“

Das jüngere Mädchen klimperte bestechend mit den Augenlidern.

„Okay. Aber ich bin nicht oft da.“ sagte Konan.

„Yippie!“ jubelte Yugito, „ich hab ‘ne Patin!“

Dann fielen Konan wieder die Spuren des anderen Bijuu ein. Yugito musste den, der den zweiten Bijuu in Kumo Gakure hatte, kennen. Schließlich hatte sie gegen ihn gekämpft.

„Sagt mal, gibt es hier im Dorf noch jemanden, der so ein gewisses Wesen besitzt?“ fragte Konan.

„Na ja…“ Yugito blieb ruhig stehen, „es gibt da so einen völlig bescheuerten Jungen, der ständig Streit sucht und behauptet, viermal so stark zu sein wie ich. Kumo ist unter uns aufgeteilt, er hat den Norden und mein Revier ist der Süden. Aber er kommt ständig über die Grenze und will mein Territorium übernehmen. Sein großer Bruder ist ein hohes Tier im Dorfrat.“

„Wie heißt der Junge und wie alt ist er?“ wollte Konan wissen.

„Er heißt Killerbee Ushi und er ist genauso alt wie ich.“ antwortete Yugito, „wenn er wütend ist, wird er zu einem komischen Ochsenviech mit acht Schwänzen, die wie die von einem Oktopus aussehen.“

„Der Hachibi also.“ sagte Konan leise, „einer der stärksten Bijuu.“

„Ein Vollidiot.“ bemerkte Yugito.

„Wo finde ich Killerbee?“ fragte Konan.

„Er ist meistens auf der anderen Seite des Dorfes, bei den vielen, großen Felsen, wo es ganz trocken ist. Sein Territorium eben.“ antwortete Yugito und fügte etwas arrogant hinzu: „Ich habe ihm sehr deutlich gesagt, dass er mir aus dem Weg gehen soll.“

„Ist er wirklich stärker als du?“ wollte Konan wissen.

„Er sagt’s halt immer. Aber er hat sich nicht wirklich im Griff. Ich schon. Ich komm mit Maumau ja prima klar. Deshalb bin ich sowieso stärker als er. Weil nämlich ohne seine blöde, aufgemotzte Muhkuh kann der Typ rein gar nichts.“ erzählte Yugito und klang dabei ziemlich gnadenlos.

„Killerbee kontrolliert den Bijuu, aber er lässt sich sehr leicht dazu hinreißen, ihn zu benutzen und weiß dann nicht, was er tut. Im Moment ist er mit seinem älteren Bruder irgendwo außerhalb.“ fügte Narumi hinzu.

„A Ushi ist genauso ein Idiot.“ bemerkte Yugito mit derselben trockenen, herablassenden Art wie zuvor. Sie hatte offensichtlich eine nicht allzu hohe Meinung von den beiden und kein Problem damit, das genauso mitzuteilen, wie sie es dachte.

„Wirst du auch nach Killerbee sehen?“ fragte Narumi.

„Wenn ich das nächste Mal herkomme, sehe ich nach ihm.“ sagte Konan.

„Aber mich hast du lieber, ja?“ fragte Yugito, „Killerbee ist wie gesagt ein Vollpfosten und ich will dich nicht mit ihm teilen.“

„Ich muss ihn genauso beschützen wie dich. Ihr werdet beide von derselben Organisation verfolgt werden, wenn auch er am unteren Ende der Liste steht. Es wäre besser, wenn ihr zwei zusammenhaltet.“ Konan wollte nicht wie eine besserwisserische Lehrerin klingen, aber es ließ sich kaum anders sagen.

„Och menno!“ motzte Yugito, „na aber wenn’s halt sein muss…“

„Es geht schließlich darum, dass ihr beide am Leben bleibt. Ihr müsst keine besten Freunde werden, Yugito.“ sagte Narumi.

Yugito dachte eine Weile angestrengt nach, mit verschränkten Armen und einem fast schon beleidigten Gesichtsausdruck. Ihr war deutlich anzusehen, dass es ihr überhaupt nicht gefiel, sich mit ihrem Rivalen zusammen zu tun.

„Na dann… okay.“ sagte sie schließlich und wohl nur, weil sie wusste, dass es um ihr Leben ging.

„Ich muss wieder gehen. Es gibt noch eine Menge, was ich zu erledigen habe.“ sagte Konan, „passt gut auf euch auf. Und ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr meine Verbindung zu euch vertraulich behandelt würdet.“

„Aber natürlich!“ rief Yugito, „ich verpfeif‘ dich nicht, Kiziko-chan!“

„Selbstverständlich.“ sagte Narumi und verbeugte sich.

Konan verabschiedete sich kurz und kehrte dann zum Lagerplatz zurück.

Kisames Angebot

„Und, hast du’s geschafft?“ fragte Sasori.

„Ja. Es gibt in Kumo Gakure zwei Kinder, auf die wir aufpassen müssen. Das Mädchen kenne ich ja schon, sie heißt Yugito Nii. Und dann gibt es da noch einen Jungen, der etwa genauso alt ist wie sie, aber den habe ich nicht getroffen. Er heißt Killerbee Ushi und sein Bijuu ist der Hachibi. Wenn ich das nächste Mal nach Kumo gehe, sehe ich nach ihm.“ antwortete Konan, „ich werde wohl öfter herkommen, da ich jetzt Yugitos Patin bin.“

Sasori hatte auf dem Lagerplatz Kisten und Gläser mit giftig aussehenden Tieren aufgestellt, dazu einen Kasten mit silbern blitzenden Gerätschaften.

„Was ist denn das?“ fragte Konan.

„Dokujutsu.“ sagte Sasori, „es wird Zeit, dass du das lernst. Itachi kann es schon und du solltest es auch beherrschen.“

„Wo hast du das gelernt.“ wollte Konan wissen.

Itachi blinzelte, wie immer, wenn er an Konoha erinnert wurde, und sagte leise:

„Ich habe nach meinem Akademie-Abschluss mit sieben Jahren bei meiner Großmutter Medizin gelernt. Und bei der Anbu-Truppe auch.“ er sah auf seine Hände, wie immer, wenn er dazu gezwungen wurde, sein Talent zuzugeben.

„Wow!“ mehr fiel Konan nicht dazu ein. Itachis Talent beeindruckte sie immer wieder aufs Neue. Und die Art, wie er selbst damit umging, schüchtern auf seine Fingerspitzen blickte und leise sprach, wenn es um seine Fähigkeiten ging, fand sie einfach nur süß.

Sasori öffnete eine der Kisten und nahm eine Schlange heraus.

„Was ist das für eine?“ wollte Konan wissen.

„Das sind Schwarze Erdvipern. Solche Schlangen verwendet… ihr wisst schon, wer.“ antwortete Sasori.

Itachi spürte ein schwaches Stechen im Mal an seinem Hals und ihm wurde kurz schwindlig. Vorsichtshalber setzte er sich auf den Waldboden.

„Pack das Viech weg!“ fuhr Konan Sasori an. Der ließ die Schlange wieder in den Kasten fallen, wo sie zischte und gegen die Wände schlug, bis Sasori den Deckel wieder zuklappte.

„Ich hoffe, das ist die einzige Schlange, die du dabeihast.“ fauchte Konan.

Sasori nickte, nahm einen großen, schwarzen Skorpion aus einem Glas und sagte: „Ich bevorzuge Skorpione.“

„Is‘ klar. Das ist ja auch die Bedeutung deines Namens. Bist du deshalb so gut mit Gift?“

„Dokujutsu gehört zu den verbreitetsten Fähigkeiten in Suna Gakure, genau wie das Marionettenspiel. Wenn mich ein Skorpion sticht, verletzt mich das nicht.“

„Weil du ‘ne Menschenmarionette bist.“ sagte Konan knapp. Sie hatte sich noch nicht so ganz mit Sasoris künstlich erhaltener Jugendlichkeit angefreundet. Sasori legte den Skorpion wieder zurück und nahm ein anderes Glas, in dem zwei leuchtend bunte Fugu-Fische schwammen.

„Diese Fische können weder beißen, noch stechen. Sie sind allein durch die Aufnahme ihres Giftes gefährlich. Und wenn du es ihnen mit einer Nadel absaugst, können sie sich nicht wehren.“ sagte er, „und sie überleben es problemlos, wenn man ihnen etwas abnimmt. Die perfekten Giftspender.“

Konan nahm vorsichtig einen der Fugu aus dem Glas. Der Fisch war glitschig, glatt und blies sich sofort zu einer lebenden Kugel auf.

„Und wo soll ich die Spritze ansetzen?“ fragte sie.

„Nicht so schnell.“ Sasori nahm eine Spritze aus dem Kasten, klappte die vorderen Flossen des Fisches in Konans Händen nach vorn und deutete auf eine winzige Lücke in den, durch die veränderte Form des Fisches gespreizten Schuppen. Dann tippte er mit der Spitze der Nadel auf diese Stelle.

Itachi sah die Nadeln im Sonnenlicht blitzen. Silbrig, dünn und spitz, aus kaltem Metall und mit scharfen Rändern an der hohlen Spitze. Sofort lief in seinem Kopf ein Film ab: die hohle Spitze, die in die Haut stach, wobei die Flüssigkeit aus der Spritze in den Körper gelangte… wie die giftigen Fangzähne einer Schlange oder die langen Beine einer dünnen Spinne. Ein heißkalter Schauer lief über Itachis Rücken und einen Moment gab das Siegel eine Erinnerung frei: Orochimaru, der seine schlangenhaften Zähne in Itachis Hals schlug. Das dunkellila Gift breitete sich zuerst unter der Haut aus und lief dann ins Blut, Shiawase-no-Jutsu konnte es nur zum Teil aufhalten, verhinderte die vollständige Entstehung eines Juin…

Die Erinnerung verschwand wieder unter dem Siegel. Aber Itachis Gedanken ließen sich nicht von den Nadeln losreißen. Er konnte nur noch daran denken, quälte sich damit selbst und spürte, wie es ihm langsam die Kraft nahm, die Augen offen zu halten und bei Bewusstsein zu bleiben.

„Itachi!“ schrie Konan, „he!“ sie ließ die Spritze fallen und setzte den Fisch schnell wieder ins Glas zurück. Der Fisch ließ sofort die Luft raus und nahm wieder seine normale Form an, aber Konan sah es nicht. Sie hatte eben Itachi einen kurzen Blick zugeworfen und nur deshalb bemerkt, dass er wie versteinert auf dem Boden saß. Irgendetwas schien ihn in einen paralyseartigen Angstzustand versetzt zu haben. Etwa die Schlange von eben?

„Itachi! Hey, was hast du?“ fragte sie und packte ihn an den Schultern. Er konnte sie zwar sehen, aber er nahm sie kaum wahr. Statt ihr sah er Yuki vor sich, die genauso besorgt reagiert hatte, als er in ihrer Anwesenheit beim jährlichen Gesundheitstag in der Schule eine Hohlnadel gesehen hatte.

Itachi konnte sich nicht bewegen, spürte seinen Körper kaum mehr, sah nur den Kasten mit den blitzenden Nadeln. Als er endlich die Sprache wiederfand, brachte er fast Senningo, Doitsugo und Nihongo durcheinander, konnte Konan nicht in die Augen sehen und spürte dann überdeutlich, wie sich ein Holzsplitter auf dem Waldboden unter seiner Hand in seine Haut bohrte.

„Konan… kannst du bitte… den Kasten da… zumachen? Die Nadeln…“ brachte er mühsam hervor.

„Den Kasten?“ fragte Konan und dann breitete sich die Erkenntnis in ihren braunen Augen aus, „hast du ein Problem mit den Nadeln?“

Itachi nickte.

„Sasori! Mach den Kasten zu und räum die Nadeln weg!“ rief Konan.

„Sind doch nur Nadeln.“ erwiderte Sasori verständnislos.

„JETZT MACH SCHON!!“ Konan war wieder an der nahen Grenze ihrer Geduld angelangt. In letzter Zeit passierte das oft.

Sasori ließ den Kasten mit den Nadeln irgendwo hin verschwinden. Sofort, als sie außer Sichtweite waren, ging es Itachi besser. Die Gedanken an die Nadeln und Spinnen verschwanden und er konnte wieder klar denken.

„So, Itachi Uchiha, jetzt erzählst du mir mal, warum du gerade so einen Schock hattest.“ sagte Konan und setzte sich neben ihn.

„Lach mich nicht aus.“

„Hab ich das je gemacht?“

„Nein.“

„Dann sag mir bitte, was eben los war.“

„Ich…“ begann Itachi zögernd und kam sich auf einmal furchtbar dumm und überempfindlich vor, „ich habe Angst. Vor Spritzen. Schon immer, seit ich denken kann. Es klingt wahrscheinlich maßlos übertrieben, aber…“

„Kannst du sagen, warum?“ fragte Konan und legte ihren Arm um seine Schultern.

„Nicht genau.“

„Magst du es mir beschreiben, oder ist das zu viel?“

„Immer, wenn ich eine sehe, muss ich daran denken, wie das, was in der Spritze ist, unter meine Haut kommt… und wie mein Blut in die Nadel fließt…“

„Klingt nach einer Phobie, oder wie man das nennt.“ sagte Konan nachdenklich.

„Du hälst mich jetzt bestimmt für überempfindlich.“

„Nein, gar nicht. Jeder hat vor irgendwas Angst. Ich kann zum Beispiel keine Spinnen ab und diese riesigen Mücken… brrr! Sowas ist ganz normal.“ Konan lächelte und dann sagte sie, etwas leiser: „Schau dir mal Sasori an. Der hat doch eindeutig panische Angst vor dem Älterwerden. Ich find sowas übrigens ganz süß, weißt du?“

„Was?“

„Dass du so sensibel bist.“ Konan gab Itachi einen kurzen, liebevollen Kuss und sah ihm in die Augen, „weil ich Jungs mag, um die ich mich kümmern kann.“

Dann fiel es Itachi auf einmal wieder ein: Kisames Gespräch mit Pain und welche Gedanken er selbst sich schon darüber gemacht hatte.

Gerade kam Sasori zurück und murmelte etwas, das wie „Das sind doch nur Nadeln.“ klang.

„Konan, Sasori. es gibt etwas Wichtiges, worüber ich mit euch reden muss. Es geht um Kisame Hoshigaki.“ sagte Itachi.

„Hat der dir was getan? War er gemein zu dir?“ fragte Konan sofort.

„Nein. Ich habe gehört, wie er mit Pain über mich gesprochen hat. Es ging um neue Teamzusammenstellungen und Kisame sagte, dass er mit mir zusammen arbeiten will.“ antwortete Itachi, „Pain hat dem zugestimmt.“

„Wie bitte?“ Konan war wieder auf der Palme. Sie wusste nicht, wen sie gerade mehr hasste: Pain oder diesen hässlichen Schlägertypen Kisame.

„Was soll das denn?! Will der mich verarschen?“ schrie sie, „ist er wieder eifersüchtig und setzt deshalb Kisame auf dich an?“

Itachi zögerte einen Moment, bevor er das, was er mit sich selbst ausgemacht und beschlossen hatte, aussprach: „Ich werde Kisames Angebot annehmen.“

„Spinnst du?“ Konan sah ihn verständnislos an.

„Wenn ich mit ihm als Team arbeite, wird nie der Verdacht aufkommen, dass ich in Wirklichkeit auf Konohas Seite stehe. Ich muss das tun, von meiner Glaubwürdigkeit hängt die Sicherheit meiner Familie ab. Solange Orochimaru und Pain mir glauben, dass ich der Typ bin, der seine Familie… dann sind alle in Sicherheit.“

„Du bist doch bescheuert.“ sagte Konan. Sie verstand zwar den praktischen Inhalt von dem, was Itachi sagte, aber warum er sich andauernd selbst opfern musste, verstand sie nicht. Bisher lief die Teamarbeit mit Sasori doch ganz gut.

Da brauchten sie nicht Kisame als Tarnung.

„Ich glaube, Itachi hat Recht. Pain ist vielleicht verblendet, aber langsam kriegt er mit, das bei uns etwas abläuft, das gegen seine Pläne geht. Bevor wir verdächtig wirken, sollten wir vorsichtiger werden und Kompromisse machen.“ erklärte Sasori in einem seltenen Anfall von Vorsicht und Vernunft.

„Itachi, hälst du das auch ganz bestimmt aus? Mit so einem Typen wie Kisame?“ fragte Konan.

„Ja. Außerdem haben wir keine Wahl. Wenn ich ablehne, fällt das auf und dann bin ich sofort verdächtig. Dann wird Pain auch irgendwann zu Orochimaru gehen und mit ihm darüber sprechen. Das wäre viel zu gefährlich. Ich würde damit Sasuke in Lebensgefahr bringen.“

„Verdammt!“ dachte Konan, „Itachi hat Recht! Aber er ist noch nicht wieder ganz fit. Wenn er sich so einer Belastung aussetzt… und ich weiß ja, wie Kisame tickt. Aber auf der anderen Seite wäre Itachis Familie wirklich in Gefahr, besonders Sasuke.“

Itachi sah, dass Konan besorgt war.

„Mach dir keine Sorgen, Konan.“ sagte er, „ich schaff das schon. Ich werde über so lange Zeit mit diesen zwei Gesichtern leben müssen, da ist es besser, wenn ich bald damit anfange.“

„Und wenn du nicht gerade mit diesem Fisch herumreist, kommst du mit Sasori und mir. Dann kannst du dich erholen.“ versprach Konan, „schließlich musst du über die ganze Zeit einigermaßen gesund bleiben.“ es war ganz selbstverständlich für Konan, dass dieses Leben nicht für immer so laufen sollte. Sie hatte ihre Pläne, würde es schaffen und dachte auch nicht an ein „Was, wenn es nicht klappt?“.

„Ich hab auch keine Lust, irgendwann deiner Mutter zu erklären, dass wir uns nicht gut um dich gekümmert haben.“ sagte Sasori in seiner üblichen, unüberlegten Art.

Itachi zuckte zusammen und Konan warf Sasori einen „Siehste, was hab ich dir gesagt“-Blick zu. Aber Sasori ließ sich davon nichts sagen, sondern redete unbeeindruckt weiter:

„Weißt du, wo deine Eltern jetzt sind?“

Itachi blinzelte die Tränen weg, holte tief Luft, um den Herzschmerz zu betäuben und griff nach seiner Tasche, die neben ihm auf dem Boden stand. Er zog ein kleines Notizheft mit stabilem Umschlag heraus und schlug es auf. In einer fremdartigen Schrift waren Listen in das Buch eingetragen. Es sah wie ein Adressbuch aus.

In dem Augenblick, als er es aufschlug, erschienen unter dem letzten Namen der neuesten Liste Worte aus diesen fremden Buchstaben.

„Was ist denn das?“ wollte Konan wissen, „wie geht das?“

„Dieses Heft ist eine Verbindung zu meiner Familie. Sie haben alle so eines und eigentlich waren diese Bücher dazu gedacht, eine Gesamtchronik aller Mitglieder meiner Familie zu schreiben. Wenn einer in sein Buch schreibt, kommt das, was er schreibt, von selbst in die Bücher der anderen. Auf diese Weise weiß ich jetzt, wo meine Eltern leben und wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Schrift ist eine alte Geheimschrift, die außer meinen Verwandten und mir niemand lesen kann. Auch Sasuke nicht.“

„Kannst du mir sagen, was das für ein Ort ist, an dem deine Verwandten jetzt sind?“ fragte Konan vorsichtig. Ihr war klar, dass selbst sie nicht alles darüber wissen durfte. Es war einfach sicherer, wenn nur Itachi diese Dinge wusste. Und Sicherheit war das Allerwichtigste.

„Es ist eine andere Welt.“ Itachis Stimme klang schon etwas brüchig, aber er sprach weiter und blinzelte die Tränen weg, „sie liegt… neben… unserer und seit vierzig Jahren beobachtet meine Familie sie im Geheimen. Niemand wird darauf kommen, dass ich sie benutze.“ er holte tief Luft und schloss die Augen.

„Du musst dieses Buch sehr gut verstecken.“ sagte Sasori.

„Ich kann für dich darauf aufpassen, wenn du mit Kisame unterwegs bist.“ bot Konan an, „ich werde es gut verstecken und immer bei mir tragen.“

„Man kann es nur mit Sharingan öffnen.“ sagte Itachi.

„Schreibst du deine Eltern irgendwann auch mal einen Brief? Sie müssen doch irgendwie wissen, ob es dir gut geht.“ Sasori fragte einfach so und ging davon aus, dass Itachi darauf ebenso gefasst reagieren würde wie eben. Aber er hatte sich verschätzt. Denn genau an diesem Punkt hatte Itachis Selbstbeherrschung eine Grenze. Und hinter dieser Grenze war es dunkel, so traurig und finster, dass selbst Sasori Angst bekommen hätte, wenn er einen Blick auf diese tiefe Dunkelheit in Itachis Seele hätte werfen können.

Eine rote Träne hing an Itachis langen Wimpern, wurde größer und tropfte herunter. Eine zweite und eine dritte folgten.

Konan war sofort bei ihm und nahm ihn in ihre Arme, während ihm die rot schimmernden Tränen fast lautlos übers Gesicht liefen. Er weinte fast ohne jeden Ton. Als Itachis Körper von den stummen Schluchzern geschüttelt wurde, umarmte Konan ihn fester, bis er sich einen kurzen Moment lang fast wünschte, mit ihr allein zu sein.

„Tut mir leid.“ sagte Sasori, „ehrlich. Ich bin eben unsensibel.“

„Itachi, mach deine Sharingan aus. Sonst verlierst du zu viel Blut.“ flüsterte Konan. Es machte ihr nicht viel aus, das Blut auf ihre Kleider tropfte, aber sie machte sich Sorgen wegen Itachis Blutverlust.

Itachi schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, waren sie schwarz. Jetzt sah er schon alles ein wenig verschwommen, noch so klar, dass er etwas lesen konnte, aber schon unklar genug, damit es ihm auffiel, dass die Buchstaben und die Striche der Schriftzeichen schmale, graue Ränder bekamen. Es waren die Nebenwirkungen der Mangekyou-Sharingan und sie würden noch weiter zunehmen. Itachi wusste, dass er in fünf Jahren wohl nur noch Farben, aber keine Konturen mehr würde sehen können und dass es in zehn Jahren sehr finster aussah. Bisher gab es gegen dieses langsame Erblinden keine Mittel. Er würde sich wohl oder übel immer mehr auf seine Sharingan verlassen müssen, obwohl sie viel Chakra verbrauchten. Und da Sasukes Hass ihm immer wieder die Kraft raubte, war Itachi kaum kampfähig. Einen Kampf gegen Orochimaru würde er sicher nicht überstehen. Trotzdem musste er jetzt so tun, als wäre er stark, besonders Kisame gegenüber.

Konan sah ihn besorgt an, wischte ihm mit der bloßen Hand das Blut von den Wangen und fragte: „Geht’s?“

Itachi nickte. Konan sah ihm direkt in die Augen und ihm fielen blaue Sprenkel in ihren Iris auf, die von weitem wohl nicht zu sehen waren.

„Konan, was ich dich schon ‘ne Weile fragen wollte: warum ändern deine Augen eigentlich die Farbe?“ fragte er.

„Ich weiß nicht genau. Nagato hat mir vor einigen Jahren mal gesagt, dass es in Ame Gakure früher viele solcher Besonderheiten gab. Seine Rinnegan und mein Kaeshi müssen auch so etwas sein.“ antwortete Konan, „aber da keiner von denen, die solche Dinge konnten, den Krieg überlebt hat, werde ich wohl selbst nie erfahren, warum meine Augen so sind, wie sie sind. Es ist ja auch nur eine Kleinigkeit, ich kann ganz normal sehen.“

„Und die Farbe hängt von deiner Stimmung ab?“

„Ich glaube schon. Meine Augen werden silbern, wenn ich richtig wütend bin und braun, wenn es mir gut geht. Ich kann das nicht kontrollieren, auch vor dem Spiegel nicht.“

Konan steckte voller Geheimnisse. Dinge, die Itachi gern herausfinden würde. Es war, als würde sein Herz sich brennend danach sehnen, Konans Gedanken, ihre Gefühle und die Art, wie sie zu den Dingen stand, kennen zu lernen.

Er dachte auch an ihr Verhalten abends, wenn sie Stück für Stück, Abend für Abend, seine Zurückhaltung auflöste und ihn damit weiter an diese, für ihn noch immer neuen Gefühle gewöhnte.

Besuch bei Tobi

Auf dem Rückweg in Richtung Hauptquartier kamen sie an dem kleinen Dorf vorbei, in dem Tobi jetzt lebte. Sasori wollte sich bei ihm entschuldigen, Konan wollte sichergehen, dass Tobi gut versorgt wurde und nichts über Akatsuki ausplauderte und Itachi wollte einfach nur nachsehen, ob es Tobi gut ging. Obwohl er das Gerede über Madara nicht glaubte, fühlte er sich mit Tobi irgendwie verbunden.

Laut Sayus Informationen hatte die Familie, bei der Tobi jetzt lebte, fünf Kinder und drei Generationen lebten unter einem Dach. Es war das perfekte Zuhause für jemanden wie ihn.

Schon von weitem hörte Konan diese hohe, fröhliche Stimme, die unverkennbar zu Tobi gehörte: „Juppidu, wir gehen fiiiischeeeen!“ er kam mit fröhlichen Hüpfern zwischen den Häusern hervor, einen Käscher in der Hand und begleitet von drei Kindern. Tobi trug immer noch die orangene Maske. Die nahm er wohl auch hier nicht ab. Aber es schien ihm bei seiner neuen Familie sehr gut zu gehen.

„Da is‘ ja die süße, liiiieeeebeee Koooonaaan!“ rief er, als er sie bemerkte und rannte auf sie zu, „hallooo, Konaaaan!“

„Geht’s dir hier gut?“ fragte Konan.

Tobi nickte lebhaft und wedelte mit dem Käscher durch die Luft: „Tobi geht zum Fischefangen! Blubb!“

„Das ist schön, dass es dir gut geht.“ sagte Itachi und lächelte ein wenig.

„Bist du wieder froh? Geht’s dir prima, kannst wieder lachen, Itachi?“ fragte Tobi und legte den Kopf schief.

„Ein wenig.“ antwortete Itachi.

„Sag mal, Tobi, benimmst du dich auch?“ wollte Konan wissen.

„‘türlich! Tobi ist ein gutes Kind, ganz lieb!“

„Schön.“ sagte Konan und lächelte, „du kannst ja doch ein lieber Junge sein. Siehst du, man muss nicht immer was anstellen.“ sie bemerkte, wie sich ihre eigene Sprache langsam Tobis Kindersprache anpasste.

„Ihr könnt alle mit zum Fischen kommen!“ Tobi tanzte durch die Gegend, wischte mit dem Käscher durch die Luft und machte seinem Namen alle Ehre.

Später, als sie am See waren, der in der Nähe des Dorfes lag, fiel Konan auf, wie geschickt Tobi eigentlich sein konnte. Er hatte auf sie immer sehr chaotisch und ungeschickt gewirkt, aber trotzdem fing er jetzt eine Menge Fische. Sie beobachtete ihn genau, wollte herausfinden, wie es Tobi gelang, mit nur einem Auge und einer solchen Tollpatschigkeit Fische zu fangen.

Ein großer Karpfen schwamm wie ein dunkler Schatten unter Wasser auf Tobi zu, der am Ufer stand und gerade seine bereits gefangenen Fische betrachtete. Erst sah es aus, als würde er den Karpfen überhaupt nicht bemerken, aber als der Fisch nahe genug war, sprang Tobi auf, ins Wasser, griff mit beiden Händen zu und zog den dunkelgrünen Karpfen aus dem trüben Seewasser. Mit einem Schwung, der tobitypisch unkoordiniert aussah, landete der Fisch im Eimer bei den anderen Fischen. Konan hätte schwören können, dass er danebenfiel, aber anscheinend hatte Tobi Talent im Fischen und konnte auf einmal sogar zielen.

„Schön gemacht!“ rief sie ihm zu und klatschte.

Tobi freute sich so darüber, dass er am Ufer wild herumhüpfte, mit den Armen wedelte und dabei aus Versehen die Fische von den Angeln seine Pflege-Geschwister vertrieb.

„Juppiduppidu, yuhuhu, Tobi kann fischen und die liebe, süße Konan findet’s toll! Gaaaanz viele supertolle Fische hat Tobi gefangen! Tobi ist ein gutes Kind! Die Fische kriegt Itachi, damit er wieder lachen kann! Tobi freut sich!“

„Hey, hör mal auf, so rumzuschreien, Tobi-chan!“ rief eines der Kinder, ein Mädchen von etwa zehn Jahren, „du vertreibst uns damit die Fische!“

„Sag mal…“ fragte Konan einen kleinen, etwa siebenjährigen Jungen, der neben ihr saß, „hat Tobi euch von uns erzählt?“

„Ja. Er hat erzählt, ihr seid seine Freunde und ihr habt mit ihm in der Stadt Akatsuki gewohnt, bis er vom Anführer der Stadt weggeschickt wurde. Und dann hat Tobi noch gesagt, dass wir nichts weitersagen dürfen, weil sonst ein paar sehr böse Menschen erfahren könnten, dass du den Jungen da drüben sehr lieb hast.“ der Junge zeigte auf Itachi, der ein Stück entfernt neben Sasori auf dem grasbewachsenen Boden saß.

„Aha.“ sagte Konan, „und hat Tobi auch mal den Namen Madara benutzt?“

„Wir schlafen fast alle in einem Raum. Nur unsere Eltern schlafen woanders. Tobi redet nachts manchmal komische Sachen, wenn er schläft. Er sagt dann irgendwas von einem Typen, der Madara heißt. Und ab und zu ist er auch tagsüber komisch, weiß nicht mehr, wer und wo er ist und sagt dann, dass er eigentlich dieser Madara ist.“ antwortete der Junge, „wer ist denn Madara?“

„Ich weiß es nicht. Er soll früher mal in Akatsuki gelebt haben, aber er ist seit mindestens acht Jahren verschwunden und keiner kann sich an ihn erinnern. Ihr wisst sicher, dass Tobi nicht… normal ist. Er ist etwas zurückgeblieben. Was hat er euch gesagt, wie alt er ist?“ fragte Konan weiter.

„Tobi sagt immer, dass er sieben ist, aber das stimmt wohl nicht. Wie lange kennst du ihn schon?“

„Ungefähr acht Jahre vielleicht.“ antwortete Konan, „er ist auf jeden Fall älter als zwanzig.“ auf einmal kam es ihr schon etwas seltsam vor, dass Tobi älter war als sie, aber trotzdem für sie wie ein Kind wirkte.

„Koooonaaan-chaaaan!“ schrie Tobi und hielt einen weiteren großen Fisch hoch, „den hab ich gefaaaaangeeeen!! Biiiin iiiich eeeiiin guuuteees Kiiiind?“

„Ja, bist du!“ rief Konan ihm anerkennend zu.

„Itachiiii! Willst den Fischi haben?“ quietschte Tobi.

„Das ist lieb gemeint, Tobi, ich weiß. Aber es ist doch besser für den Fisch, wenn du ihn wieder ins Wasser lässt.“ sagte Itachi.

„Magst keinen Fisch?“

„Du hast schon so viele gefangen. Setz ihn wieder ins Wasser.“

„Okay!“ rief Tobi, „tschüss, Fischi!“ und warf den Fisch wieder in den See.

„Tobi, komm mal her. Und du auch, Sasori.“ sagte Konan, „Sasori, du willst Tobi doch was sagen, oder?“

„Ja.“ Sasori sah wirklich aus, als täte es ihm leid, oft so gemein zu Tobi gewesen zu sein, „Tobi, ich muss mich bei dir entschuldigen. Das mit den Spinnen und Schildkröten war nicht nett von mir und es tut mir leid.“

„Alles prima!“ erwiderte Tobi und wenn er nicht die Maske im Gesicht gehabt hätte, wäre sein strahlendes Lächeln zu sehen gewesen, „Tobi ist Sasori gar nicht böse. Tobi gibt zu, dass er auch nicht immerzu ein ganz gutes Kind gewesen ist.“

„Siehste, Sasori, ist doch ganz einfach, sich zu entschuldigen.“ sagte Konan und grinste ihren Sensei ziemlich respektlos an.

Sasori beachtete das nicht weiter, schließlich verhielt Konan sich immer so. Er war viel mehr mit einer anderen Entschuldigungssache beschäftigt, die ihm in einigen Jahren höchstwahrscheinlich bevorstand.

„Hoffentlich bringt Oma Chiyo mich nicht um, bevor ich mich bei ihr für Sunakazes Entführung entschuldigen kann. Wenn sie erfährt, dass ich das war… die killt mich doch auf der Stelle!“ er war sich ziemlich sicher, dass Chiyo ihm die Rückkehr nach Suna Gakure (auf die er nach wie vor hoffte) alles andere als einfach machen würde und er wusste, dass er sich das durch die vielen, verbotenen Dinge, mit denen er sich ständig befasste, selbst schwer machte. Aber das war für ihn kein Grund, um damit aufzuhören.

Am Abend verabschiedeten sie sich von Tobi und versprachen, irgendwann wiederzukommen, sobald sich eine sichere Gelegenheit ergab. Tobi versprach seinerseits, sich gut zu benehmen und weiterhin ein gutes Kind zu sein.

Während sie dem Hauptquartier wieder näher kamen, fiel Konan auf, dass Itachi begonnen hatte, immer öfter leise mit sich selbst zu reden. Und eines Abends erwischte sie ihn dabei, wie er im Zelt saß, ihren Handspiegel vor sich an den Stützpfeiler des Zeltes gehängt hatte und übte, ein undurchschaubares, kaltherziges Gesicht aufzusetzen. Er bereitete sich auf die Zusammenarbeit mit Kisame vor. Als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete, drehte er den Spiegel um und legte ihn mit der Rückseite nach oben in ihre Tasche zurück.

„Du übst Lügen?“ fragte Konan.

Itachi nickte und sah zur Seite. Dann streifte er schnell und wortlos Mantel und Schuhe ab, legte sich auf seine Schlafmatte und zog sich die Decke bis über den Kopf. Konan kniete sich daneben und begann nach einer Weile, über die Decke zu streicheln, da, wo sich Itachis zitternden Schultern deutlich unter dem grauen Tuch abzeichneten.

„Hoffentlich schafft er das.“ dachte sie besorgt, „ich bin mir da nicht so sicher.“

Sie lehnte ihren Kopf an seinen Rücken, wartete, bis er nicht mehr weinte und sie seine schlafenden Atemzüge erkannte. Dann zog sie sich aus, legte sich auf ihre eigene Matte und wandte ihren Blick nicht mehr von Itachi ab, bis ihr die Augen zu fielen.

Am Abend, bevor sie das Hauptquartier erreichten, saßen Konan und Itachi wieder zusammen am Feuer. Sasori war, wie so oft, irgendwohin verschwunden und sie wussten beide nicht genau, was er tat.

„Kommst du klar? Schaffst du das mit Kisame?“ fragte Konan.

„Ja.“

„Ich denk an dich.“

„Danke.“

„Danach… wenn du wieder da bist, ziehen wir beide wieder mit Sasori los. Und dann… Konan wusste auf einmal nicht mehr genau, wie sie es sagen sollte. Die Worte waren in ihrem Kopf, doch irgendetwas, ein übertriebenes Schamgefühl vielleicht, hielt sie davon ab, sie auszusprechen.

Itachi legte einen Arm um sie und sah sie mit dunkelgrauen Augen an. Er wusste genau, was sie meinte und verstand auch, was sie daran hinderte, es offen und unverschlüsselt auszusprechen. Aber er selbst fühlte sich gerade danach, diese Dinge beim Namen zu nennen: „… mit mir schlafen, damit ich glücklicher werde?“

Konan nickte und war froh, dass Itachi ihr das Aussprechen dieser schwierigen Worte abgenommen hatte.

„Wenn ich sie nicht hätte…“ dachte Itachi, halb glücklich, dass er sie hatte und halb traurig, weil er einfach nicht besonders glücklich war, „ich will gar nicht daran denken, was dann wäre…“

„Wenn Kisame gemein zu dir ist, sag’s mir und ich sag’s Pain. Ich krieg den schon dazu, dass er auf mich hört.“ sagte Konan, „lass dir nichts gefallen.“

„Ich muss da einfach durch.“ antwortete Itachi nahezu tonlos, „für meine Familie.“ es klang wie ein auswendig gelerntes Mantra, das er sich immer wieder selbst vorgesagt hatte.

„Sag mal, kann es sein, dass du nicht nur selbstlos, sondern auch noch ein bisschen masochistisch veranlagt bist?“ fragte Konan, „ständig mutest du dir solche Strapazen zu!“

„Ich war schon immer so. Aber wenn es mir gut geht, fällt es nicht so sehr auf.“

„Maso zu sein ist aber nicht sehr gesund. Ich mach mir ständig Sorgen um dich. Aber wenn du schon immer so warst, kannst du es selbst auch nicht ändern, oder?“ sagte Konan und stellte fest, dass Itachis selbstlose, schon selbstzerstörerische Ader ihn auf irgendeine, besondere Art attraktiv für sie machte. Er weckte damit unbewusst einen Gluckeninstinkt bei ihr, einen starken Wunsch, sein verletzliches Herz zu beschützen.

„Ich habe schon einmal versucht, mich zu ändern. Aber ich kann es nicht.“ antwortete Itachi.

Konan hatte das bestimmte Gefühl, Itachi mit anderen Augen zu sehen als denen, mit denen sie normalerweise die Menschen um sich herum sah. War das normal, wenn man verliebt war? Es war nicht so, dass sie nur seine guten Seiten, seine liebe, zurückhaltende und zuvorkommende Art sah. Sie sah seine Selbstzerstörung und sein zerstörtes Selbstwertgefühl genau so deutlich, aber trotzdem blieb das Gefühl eines großen Unterschiedes zwischen ihm und den anderen. Deshalb konnte sie gar nicht anders, als ihr Leben von jetzt an nach seinem zu richten und nach dem, was gut für ihn war. Denn was ihm guttat, würde auch sie glücklich machen. Da war sie sich trotz der Unglaubwürdigkeit dieses Gedankens sehr, sehr sicher.

Ein zweites Gesicht

Gleich am ersten Tag zurück im Hauptquartier rief Pain Konan wieder auf sein Zimmer. Eigentlich hatte Konan nicht die geringste Lust, mit ihm zu reden und zum gefühlten tausendsten Mal darüber zu streiten, was richtig und was falsch war, aber sie wollte nicht durch eine erneute Absage unnötig verdächtig erscheinen.

Pain war wie immer und sah auch wieder wie Nagato aus. Er hatte sich während Konans Abwesenheit einen Plan überlegt, wie er sie zurück gewinnen konnte. Aber er hatte natürlich nicht über das nachgedacht, was Konan an Akatsuki störte, weil das ja seine wertvollen Pläne in echte Gefahr gebracht hätte. Aus diesem Grund hatte er zum wiederholten Mal vollkommen übersehen, dass genau die Dinge, über die er nicht weiter nachdenken konnte, die waren, wegen denen Konan immer so wütend wurde. Und da er all das übersehen hatte, verstand er auch nicht, was sie zu ihm sagte und verhielt sich entsprechend falsch.

„Was willst du schon wieder?“ fragte Konan genervt, als sie Pains Zimmer betrat, „fass dich kurz, ich hab noch zu tun.“

„Ich würde gern wissen, was du an Uchiha findest.“

„Das geht dich gar nichts an!“ fauchte sie.

„Doch. Du gehörst schließlich zu mir, Konan.“

„Ich gehöre nur mir selber! Und wenn du dich weiter so benimmst und so tust, als würde alles dir gehören und du könntest tun, was du willst, dann bin ich weg. Ich gehe und ich meine das sehr ernst, falls du’s vergessen hast!“ Konan drehte sich um und wollte aus dem Zimmer, aber Pain war schneller und stellte sich ihr in den Weg.

„Verdammt!“ dachte er und verdrängte das Gefühl, gerade etwas sehr falsch zu machen, an den Rand seines Bewusstseins, „ich muss besser mit ihr umgehen!“

„LASS MICH SOFORT DURCH!!“ kreischte Konan wütend.

„Konan, es tut mir leid. Ich will dich nicht verlieren. Ich habe dich sehr gern und das weißt du.“ doch die Worte erreichten nicht den Ausdruck seiner Augen. Worte wie Augen wurden kalt und falls er es ernst gemeint hatte mit dem, was er da sagte, so kam die Botschaft bei Konan nicht als das an, was sie war.

„Er hat mich nicht gern, er liebt das Bild, das er von mir hat. Seine Gefühle sind unecht und kalt. Wo ist Nagatos Herz? Es muss sehr tief vergraben sein, so tief, dass er es selbst überhaupt nicht mehr spürt. Der Mann, der hier vor mir steht, das ist nicht Nagato, das ist Pain. Ich muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich seine Gefühle nicht erwidere.“ beim Gedanken an den Ausdruck kalter, wahnsinniger Gefühle in seinen Rinnegan lief es ihr kalt den Rücken herunter. Er wurde ihr von Tag zu Tag unheimlicher.

Pain streckte seine weiße Hand aus, berührte Konans Haar und versuchte, die weiße Blüte daraus zu lösen. Bevor Konan richtig bemerkte, was geschah, hatte Pain sie fest umarmt und die Blüte aus ihrem Haar genommen.

„PAIN!! LASS MICH LOS!! SOFORT!!“ schrie sie. Ihre Hände suchten nach irgendeinem Punkt, an dem sie ihn kratzen oder irgendwie anders verletzen konnte, fanden eines der Piercings auf seinem Rücken und drückten es ihm, so tief es ging, in die Haut. Pains Griff um sie lockerte sich, er stieß ein leises Keuchen aus und Konan nutzte die erstbeste Chance, um ihn mit aller Kraft von sich wegzustoßen.

„Ha-hast du sie noch alle…?“ fragte sie wutkeuchend und noch ganz verwirrt.

„Tut mir leid, Konan.“ wieder erreichte das, was er sagte, seine Augen nicht.

„Vergiss es!“ zischte sie und rannte hinaus. Dabei schlug sie die Tür mit einem lauten Knall zu. Pain hörte noch, wie sich ihre schnellen Schritte auf dem Gang entfernten.

„Ich kann es mir bald nicht mehr leisten, bei ihr Fehler zu machen. Irgendwann ist ihre Geduld am Ende. Aber ich ertrage es einfach nicht, dass sie so viel Zeit mit Itachi Uchiha verbringt! Wenn ich also etwas gegen ihn unternehme, darf sie auf keinen Fall etwas davon erfahren!“ dachte Pain und dann fiel ihm etwas ein, eine Idee, wie er gegen Itachi kämpfen konnte, ohne dass Konan etwas davon erfuhr.

Er rief Kisame in sein Arbeitszimmer.

„Ich habe noch einen Auftrag für dich. Es ist eine äußerst geheime, interne Sonderaufgabe, über die du mit niemandem sprechen wirst.“

„Was denn?“ fragte Kisame.

„Sagen wir es mal so: Ich will, dass du Uchiha das Leben ein bisschen schwer machst. Finde heraus, was ihn verletzt und verwende es gegen ihn. Ich will, dass er die Akatsuki wieder verlässt.“ erklärte Pain seine Idee.

„Sowas mache ich aber nicht umsonst.“

„Ich bezahle dich ja dafür. Es ist schließlich ein Sonderauftrag.“ Pain ging zum Schreibtisch und öffnete einen der darauf stehenden Holzkästen. Er nahm ein Bündel Geldscheine heraus und gab es Kisame.

„Warum willst du ihn denn so schnell wieder loswerden?“ wollte der Haifischninja wissen.

„Er ist mir im Weg. Ich bin der Anführer und diese Position könnte mir jemand, der über Mangekyou-Sharingan verfügt, streitig machen.“

„Verstanden, Pain!“ Kisame grinste, „der wird verschwinden.“ er steckte das Geld ein und verließ das Arbeitszimmer.

„Wenn Konan das erfährt…“ dachte Pain, „daran denke ich besser nicht.“

Schon wieder etwas, worüber er nicht nachdenken durfte.

Solche Geschäfte gab es öfter zwischen den Mitgliedern der Organisation. Jeder versuchte, sich so viele Vorteile wie möglich zu verschaffen, eine Menge Geld zusammen zu bekommen und das alles auf möglichst illegale Weise. Kakuzu war am besten darin, dicht gefolgt von Kisame. Pain überwachte das Ganze nur teilweise, hatte selbst derartige Geschäfte am Laufen und wusste auch nicht, was genau die gefährlichsten Mitglieder außerhalb des Hauptquartiers taten. Er verlangte zwar Berichte über jede Außenmission, aber dass in diesen Berichten längst nicht alles stand, was wirklich ablief, war ihm vollkommen klar.

Sasori beteiligte sich ebenfalls an illegalen Geschäften, hielt sich jedoch im Vergleich zu den anderen zurück. Die verbotene Atmosphäre und das Pokerspiel um die Erträge reizten ihn und sorgten dafür, dass er nicht damit aufhören konnte, obwohl er sich selbst eigentlich als Teil der guten Seite sah.
 

Nach dem Streit mit Pain saß Konan in ihrem Zimmer und räumte ihre Tasche aus. Sie war unendlich wütend auf Pain, so wütend wie zuletzt vor zwei Jahren, als sie erfahren hatte, dass Jinchu-Kräfte keine besonderen Gefäße, sondern Menschen waren. Was dachte sich Pain dabei, ihr so nahe zu kommen? Es war der bisherige Höhepunkt an Unverschämtheit! Noch nie hatte Pain sich so direkt an sie herangemacht.

„Sowas hab ich im Leben noch nicht erlebt!“ schimpfte Konan wütend.

„Beruhige dich, Konan.“ sagte Hiruko-Sasoris tiefe Stimme hinter ihr. Er war, von ihr unbemerkt, hereingekommen. Konan drehte sich zu ihm um.

„Schleich dich nicht so an, Holzhirn!“ fuhr sie ihn an.

„In Ordnung. Ich habe gerade mit Itachi gesprochen. Er ruht sich einen Tag aus und dann zieht er mit Kisame los.“

„Kisame… wie ich den hasse!“ zischte Konan.

„Muss ich dir noch einmal sagen, dass du dich beruhigen sollst?“ ermahnte Sasori sie und setzte den unheimlichen Blick auf. Konan kannte diese Masche schon mehr als genug. Darauf fiel sie nicht mehr herein.

Aber sie beruhigte sich trotzdem etwas. Es hatte keinen Sinn, sich immer wieder aufzuregen. Obwohl sie fest davon überzeugt war, dass diese Idioten – Pain, Kisame, Kakuzu, Zetsu und Deidara – allesamt geschlagen gehörten. Pain hatte nur eine einzige Chance: wenn er wieder zu Nagato wurde, würde Konan ihm vielleicht verzeihen können.

„Es ist immer so dunkel hier.“ dachte Itachi, als er die Halle betrat, um hier mit Kisame zu sprechen. Er trug schon das zweite, dunkle Gesicht und versuchte mit aller Kraft, die unregelmäßig zunehmenden Herzschmerzen auszublenden.

„Da bist du ja!“ Kisame stand auf seinem Platz auf den Händen der Statue.

„Es geht los. Ab jetzt zählt jedes Wort.“ dachte Itachi und sagte: „Ich habe auf dich gewartet.“ seine Stimme klang anders als sonst, viel tiefer und kälter.

„Morgen gehen wir los. Mal sehen, was wir an interessanten Informationen finden können.“ sagte Kisame und bleckte seine dreieckigen Zähne.

Itachi spürte etwas wie ein dunkles Schutzschild um sich. Es war wie Nebel, hüllte ihn ein und machte ihn für den Moment zu einem anderen Menschen. Es war ein gespieltes Selbst, eine Rolle, die er jetzt zu spielen hatte. Er würde sie spielen, bis er Konan wiedersah. Dann würde diese Dunkelheit von ihm abfallen und er würde Konan in seine Arme nehmen… Aber jetzt hatte er keine Zeit, an sie denken. Er musste darauf achten, überzeugend zu wirken.

„Informationen sind im Augenblick das Wichtigste, da hast du Recht. Bevor wir uns mit Bijuu-Geistern befassen, haben wir noch einiges zu klären. Und wir haben nicht unendlich viel Zeit dafür.“ während Itachi das sagte, sah er sich selbst wie in einem Spiegel: dunkel, geheimnisvoll, kalt und hasserfüllt. Das war ein vollkommen neuer Itachi, der mit seinem wahren Selbst nichts außer den Namen und das Aussehen gemeinsam hatte. Sogar seine Stimme war anders. Er hatte diese Rolle in den letzten Tagen oft geübt und sie wurde ihm mit jedem Wort, das er sprach, ein Stück vertrauter.

Es gab etwas, das ihm dieses Maskenspiel erleichterte: Hass. Er spürte tatsächlich Hass, wenn dieser auch Orochimaru und nicht Konoha Gakure galt. Aber wenn er dieses finstere Gefühl in sich weckte, verlieh dessen Ausdruck seiner Lüge mehr Glaubwürdigkeit.

„Du hast das Feuer-Element, oder?“ fragte Kisame.

„Ja. Und du bist einer der sieben Schwertkämpfer des Nebels. Ich habe einiges über dich gehört, auch, dass du das Wasser-Element verwendest.“ er hatte im Geheimarchiv von Konoha einiges in den Büchern mit den Aufzeichnungen über abtrünnige Ninja gelesen und hatte dabei auch eine nicht unerhebliche Menge an Informationen über Kisame Hoshigaki gefunden. Offensichtlich gehörte Kisame zu der Sorte kampfsüchtiger Typen, die gern Aufmerksamkeit auf sich zogen und sich dann nicht die Mühe machten, ihre Spuren und die Informationen ihrer Gegner über sie zu vernichten.

„Das freut mich aber!“ erwiderte Kisame und grinste, „dass du mich schon kennst.“ er verließ seinen Platz und landete vor Itachi auf dem Boden der Halle.

Itachi drehte sich um, sagte „Dann sehen wir uns also morgen.“ und ging. Sobald er wieder in seinem Zimmer war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fiel das Dunkel von ihm ab und er war wieder er selbst. Den Rest des Tages verbrachte er mit Lernen, während Konan draußen mit Sasori trainierte.
 

Ikue stand allein mitten in der Dunkelheit. Sie weinte. Itachi konnte sie sehen, hörte ihre Stimme, leise und verzweifelt, immer wieder Sasukes und seinen Namen sagen.

„Mama!“ rief Itachi und wollte zu ihr laufen. Aber er konnte sich nicht bewegen. Kein bisschen. Wasser kam von irgendwoher und stieg mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter an. Itachi sah bewegungsunfähig zu, wie das Wasser seine Knie erreichte und irrational schnell immer tiefer wurde. Als es ihm bis zum Hals stand, spürte er Druck in den Lungen und konnte seine Mutter nicht mehr sehen. Sie war einfach verschwunden. Er sah sich suchend nach ihr um, rutschte dabei auf dem glitschigen Boden aus und tauchte unter. Der Druck in Herz und Lungen wurde unerträglich…

Mit einem leisen Keuchen wachte Itachi auf. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es ein Albtraum gewesen war und er sich in seinem Zimmer im Akatsuki-Hauptquartier befand. Als er sich aufsetzte, sah er die roten, blutigen Flecken auf dem Kopfkissenbezug. Vorsichtig löste er das getrocknete Blut von seinen Wimpern, stand auf und nahm Halskette, Ring und das Haargummi vom Nachtschrank. Während er sich anzog, Ring und Kette anlegte und sein Haar im Nacken zusammenband, versuchte er, den Albtraum aus seinen Gedanken zu vertreiben.

„He, Uchiha! Beeil dich mal!“ rief Kisame vor der Tür.

„Ja. Ich komme schon.“ sagte Itachi und ließ die Dunkelheit in sich aufsteigen. Die geistige Verwandlung in sein falsches Selbst dauerte nicht einmal mehr eine Minute. Einen Moment lang dachte er an das, was Konan ihm über Nagato erzählt hatte: dass Nagato sich nicht mehr selbst aus der Dunkelheit befreien konnte und sich deshalb so verändert hatte.

„Aber ich tu ja nur so. Das ist nicht mein wahres Selbst, sondern nur eine Rolle, die ich spielen muss, um meine Familie zu beschützen. Mir kann nicht das passieren, was Nagato passiert ist.“ sagte er sich.

Kisame stand, fies grinsend wie immer, vor der Tür und sah Itachi abschätzig an.

„Gehen wir. Oder willst du dich noch von deiner kleinen Freundin verabschieden?“ fragte Kisame.

„Ich habe keine Freundin.“

Itachi nahm seine Tasche, die nur halbvoll gepackt war. Er hatte nur Kleidung, Bücher, einfache Schreibsachen und Waffen eingepackt. Das Adressbuch hatte er gestern Abend Konan gegeben, sie hatte es irgendwo in ihrer Kleidung verborgen und versprochen, sehr gut darauf aufzupassen. Es war sicherer, wenn er nichts Verdächtiges dabei hatte und was das Adressbuch betraf, wollte er auf keinen Fall ein Risiko eingehen.

Als sie den Turm verließen und in die bläulich-gelbe Morgendämmerung hinaustraten, setzte Itachi den Hut mit den langen Bänden auf. Die Glöckchen klingelten bei jedem Schritt und Windstoß, die weißen Bänder wehten um sein Gesicht und der weite Mantel flatterte leicht. Itachi spürte deutlich den Ring an seinem rechten Ringfinger und die Gewöhnung an seine neue Rolle, die er von jetzt an bei Akatsuki spielen musste: Itachi Uchiha, der junge, hochtalentierte Ninja, der seine eigene Familie auf dem Gewissen hatte. Kaltherzig, intelligent, stark und voller Hass. Der zinnoberrote Feuervogel, dem niemand in die Augen sehen wollte. Und der viele Geheimnisse hatte, die geheim bleiben mussten.

Er warf einen kurzen Blick auf Kisame. Der wirkte kein bisschen geheimnisvoll, sondern zeigte offen seine Kampflust. Jeder bei Akatsuki wusste, wie Kisame tickte und dass er für jeden Kampf zu haben war.

Eine ganze Weile gingen sie nur nebeneinander her. Kisame überlegte, wie er Itachi angreifen sollte und Itachi versuchte, zu erraten, wohin diese Reise gehen sollte. Die Schriftrolle mit der Auftragsbeschreibung hatte Kisame.

Als sie mehrere Kilometer gegangen waren, drehte der Haifischninja sich plötzlich um.

„He, Uchiha! Da läuft doch was zwischen dir und Konan, oder?“ fragte er.

„Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“

„Sie ist ein hübsches Mädchen. Und sie scheint dich zu mögen.“

„Halt dich da raus. Konan ist ein guter Mensch, aber ich habe keine solchen Gefühle, die du meinst. Dafür habe ich keine Zeit.“ sagte Itachi und fühlte sich furchtbar dabei. Sein Herz tat wieder weh, aber er schob den Schmerz beiseite.

„Du bist doch mit ihr zusammen auf Reisen gegangen.“ beharrte Kisame weiter.

„Es ist nicht schwer, sich gut mit ihr zu verstehen.“

„Es sah so aus, als hättest du was mit ihr.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass mich solche Gefühle nicht interessieren. Zu dieser Art von Empfindungen bin ich nämlich gar nicht in der Lage.“

„Das dachte ich mir, Uchiha. Wenn du irgendwelche Gefühle hättest, wärst du wohl kaum fähig gewesen, deine Familie zu killen.“

Itachi fühlte sich, als würde sein Herz ein Stück weiter zerreißen. Er hätte Kisame am liebsten ins Gesicht geschlagen. Oder wäre weggelaufen, an einen Ort, an dem er zusammenbrechen und weinen konnte, ohne dass es jemand bemerkte. Aber das war jetzt unmöglich.

Damit Kisame nicht sah, wie schlecht es ihm ging, zog Itachi den Hut ein Stück weiter nach vorn und drehte den Kopf weg. Kisame grinste. Er hatte erkannt, dass es ganz offensichtlich ein paar empfindliche Schwachstellen in Itachis Fassade gab. Das würde Pain gefallen. Kisame hatte zwar keine Ahnung, warum Pain so viel Geld dafür bezahlte, um Itachi loszuwerden, aber da es ein ungeschriebenes Gesetz bei Akatsuki war, nicht nach den Beweggründen des Anführers zu fragen, ließ Kisame es erst einmal sein. Und auch ohne den Grund dafür zu kennen: es versprach, interessant zu werden, Itachis Fassade zu brechen und zu sehen, wie stark er wirklich war.

Am Abend erreichten sie ein Ryokan. Itachi war froh, einen Raum für sich allein zu haben. Und Kisame war weit weg genug, um nichts davon mitzukriegen, wie schlecht es Itachi ging.

„Ich hab mich überschätzt. Es ist viel schwerer als ich dachte.“ flüsterte er, als er die Tür hinter sich zu schob. Ein brennender Schmerz schoss durch sein Herz, er keuchte, fiel auf die Knie und spürte heiß und kribbelnd das Blut in seinen Augen. Er wollte nicht ohnmächtig werden, falls Kisame ins Zimmer kam, um mit ihm die Informationssuche zu besprechen. Aber noch bevor er nach den Medikamenten, die er von Sayu bekommen hatte, in seiner Tasche greifen konnte, überfiel ihn wieder eine Hasswelle Sasukes. Er drückte die rechte Hand auf sein Herz, Blut aus seinen Augen tropfte auf die Tatami-Matte. Es gelang ihm geradeso, die kleine, braune Flasche mit den grün-weißen Tabletten, die Sayu ihm gestern noch mitgegeben hatte, aus der Umhängetasche zu nehmen. Er konnte sie nur undeutlich sehen, alles verschwamm vor seinen Augen und seine Hände zitterten. Als sich schon die Dunkelheit aufkommender Bewusstlosigkeit über seine Augen legte, löste er zitternd den Deckel des Fläschchens, kippte sich ein paar der Tabletten in den Hals und schluckte sie ohne Wasser. Er spürte ein fast unerträgliches Kratzen im Hals, aber irgendwie bekam er die Tabletten herunter.

Itachi war so erschöpft, dass er auf Knien zum Futon rutschte, sich angezogen hinlegte und sofort in einen tiefen Schlaf fiel. Was genau er träumte, wusste er später nicht, aber offenbar taten die Tabletten eine gute Wirkung, denn der Traum ähnelte sehr denen, die er seit seinem dreizehnten Lebensjahr hatte. Diesen Träumen, in die er alle Begierden und Gefühle, mit denen er damals noch unbedingt hatte warten wollen, verbannt hatte. Und jetzt kam Konan in diesem Traum vor.

Mitten in der Nacht wachte Itachi auf und hatte dasselbe bestimmte Gefühl wie immer nach einem Traum dieser Art. Ihm war sehr warm, er stand schwankend auf und zog Mantel, Schuhe und Shirt aus. Sein Herz klopfte laut, in seinem Körper war noch immer eine gewisse Reaktion aus dem Traum und seine Gedanken kamen nicht von Konan los. Nachdem er noch zwei Tabletten genommen hatte, legte er sich wieder hin und dachte weiter an Konan:

an ihren schönen, weißen Körper, ihre braunen Augen, ihre Stimme, ihr glattes lila Haar, ihre Hände und ihre Atemzüge, wenn sie schlief…

Je mehr er an sie dachte und sich, zuerst unbewusst, vorstellte, sie würde jetzt hier neben ihn liegen, umso mehr Sehnsucht bekam er nach ihr. Einen Moment lag war dieses Verlangen so stark, dass er fast so etwas wie schmerzhafte Traurigkeit darüber empfand, dass sie jetzt nicht bei ihm sein konnte.

Wie es wohl sein würde, mit ihr zu schlafen? Er konnte es sich nicht richtig vorstellen, die einzigen Gefühle, die er in dieser Richtung kannte, waren die aus seinen Träumen und der kurze Moment auf der ersten Reise mit Konan.

Während er an sie dachte, bewegte sich seine Hand unter der Decke. Noch bevor er es selbst wirklich bemerkte, tat er zum ersten Mal das, was andere Jungen seines Alters schon oft getan hatten. Die innere Tür, hinter der er all das verschlossen hatte, war durch Konan geöffnet worden.

Als er einschlief, spürte er eine erwartungsvolle, angenehm erregte Vorfreude.

Am nächsten Morgen ging es ihm einigermaßen gut, sein Bewusstsein war klar und er setzte die Reise mit Kisame fort.

„Ich darf mich nicht verrückt machen. Konan hat es mir versprochen, dass wir es tun werden und sie wird ihr Versprechen halten. Sie hat gesagt, dass sie es will. Es sind nur noch ein paar Tage.“ dachte er und bei einer kurzen Pause nutzte er die Gelegenheit, um zu meditieren und ruhig zu werden.

Die vertrauten Meditationsübungen, die er seit seiner Kindheit regelmäßig machte, hatten dieselbe Wirkung wie früher: sie machte ihn ruhig, gefasst und gelassen, gaben ihm etwas neue Kraft und bauten sein Chakra wieder auf. Aber Itachi wusste, dass eine einzige Hassattacke von Sasuke ausreichen würde, um all das, was er mithilfe dieser Übungen aufgebaut hatte, wieder in sich zusammenbrechen zu lassen.

Der zweite Reisetag verlief ruhig. Kisame stellte keine Fragen mehr, jedenfalls keine, die Itachi aus der Bahn warfen. Und während Kisame mit Informanten sprach, hörte Itachi sehr aufmerksam zu und bemühte sich darum, sich alles zu merken, da er alles später an Sasori weitergeben würde. Er sagte kaum etwas und wenn er auf die an ihn gerichteten Fragen der Informanten antwortete, dann nur so knapp wie möglich.

Der dritte Tag verlief ähnlich. Itachi bemerkte, wie er sich ein Stück weit mit Kisame und der Situation arrangierte und daran anpasste.

Aber am vierten Tag der Reise begann Kisame wieder, Fragen zu stellen. Er wollte wieder Dinge über Konan wissen, aber Itachi blockte vollkommen ab. Sie waren schon wieder auf dem Weg zurück ins Hauptquartier und eigentlich ging es Itachi den Umständen entsprechend gut. Er freute sich darauf, Konan wiederzusehen und hatte, sobald er an sie dachte, ein gutes Gefühl, dass alles schon irgendwie gut werden würde, wenn sie bei ihm war.

Kisame ging ein Stück voraus, er war ja größer als Itachi und hatte mehr Kraft. Er war der Meinung, Itachi noch nicht hart genug angegriffen zu haben und wollte das nachholen. Schließlich wollte er auch weiterhin von Pain gut dafür bezahlt werden. Und jetzt glaubte er, einen sehr verletzlichen Punkt bei Itachi gefunden zu haben.

„He, Uchiha, du musst deine Eltern ja wirklich gehasst haben. Mich würde mal interessieren, warum so ein Junge wie du seine Eltern ermordet.“

Es war ein direkter Stich, mitten ins Herz. Itachi spürte ihn so deutlich, als hätte Kisame ihm ein Kunai ins Herz gestoßen. Die Dunkelheit wurde dichter und eine glühend heiße Wut stieg wie emporzüngelnde, rote Flammen in ihm hoch. Sein einziger Gedanke in diesem Moment war, Kisame zu erschlagen.

„Davon verstehst du gar nichts.“ sagte er mit gefährlich ruhiger Stimme. Er spürte seine Fingernägel, die sich tief in seine Handflächen bohrten und wie seine Wut auf Kisame und der Hass auf Orochimaru immer stärker wurden. Die Wut konzentrierte sich in seiner rechten Faust, bereit, um Kisame zu schlagen.

„Ich hab gehört, du hast in Konoha ziemlich bequem gelebt. Da muss es dir wohl irgendwann zu langweilig geworden sein. Aber deinen Bruder konntest du nicht erschlagen. Meinen Informationen nach lebt er noch. Warum eigentlich? Warum hast du ihn nicht gleich mit gekillt?“ fragte Kisame und grinste herausfordernd.

Itachi spürte kaum, wie in ihm die Sicherung blitzschnell durchbrannte. Er sah nur noch rot, bekam nicht viel von der Umgebung mit, aber er hörte, wie Kisame noch etwas sagte. Irgendwas über Sasuke. Mit einem leisen Klingeln fiel Itachis Strohhut raschelnd zu Boden, als er sich blitzschnell und ohne zu denken auf Kisame zubewegte, voller Wut und nur noch Rot vor Augen.

Ein Knochen knackte, brach mit einem hässlichen Knirschen, etwas Lilablaues und flüssiges spritzte auf Itachis Handrücken. Er hörte seinen eigenen, schweren Atem, ließ langsam den Arm sinken und sah erst jetzt, was passiert war: er hatte Kisame mit aller Kraft mitten ins Gesicht geschlagen. Und das flüssige Zeug war das ungewöhnlich gefärbte Blut des Haifischninja.

„Halt meinen Bruder da raus.“ sagte Itachi und hörte selbst, dass seine Stimme, tief und kalt, vor Wut zitterte. Er war immer noch wütend, aber dieses glühende, blutrote Gefühl von eben hatte sich in dem Schlag entladen.

„Wenn Kisame Sasukes Namen benutzt hätte, dann hätte ich ihn wirklich erschlagen.“ dachte er und wusste, dass es durchaus möglich war.

Kisame grinste, wischte sich das Blut von der gebrochenen Nase und wollte wohl noch etwas sagen, aber Itachi unterbrach ihn: „Solltest du noch einmal so etwas fragen, dann bringe ich dich wirklich um. Dann bleibt es nicht bei einem Schlag. Denn dann werde ich meine Mangekyou-Sharingan benutzen.“ er schüttelte sich Kisames Blut von der Hand, ging an ihm vorbei und setzte dabei den Hut wieder auf. Kisame grinste nicht mehr, aber er hatte nichts eingesehen. Natürlich nicht, dazu fehlte ihm jede Rücksicht. Er war eben ein absolut unverbesserlicher, fieser Verbrecher.

Das letzte Stück Weg bis zum Hauptquartier sprachen beide kein Wort mehr. Itachi dachte mit aller Kraft an Konan, musste aber darauf achten, dass Kisame nichts davon mitbekam.

Zurück im Hauptquartier schloss Itachi sich in sein Zimmer ein, weinte sich ausgiebig aus und vertiefte sich dann ins Lernen. Es wurde zu einer Art Betäubung für seine verletzte Seele und je öfter er die unzähligen Schriftzeichen, Chakra-Aufbau-Zellstrukturregeln und die Kombinationen der Fingerzeichen wiederholte, desto mehr kamen sie ihm wie Mantras vor, die er mechanisch immer wieder vor sich hersagte, bis er fast nichts mehr spürte und auf dem Boden, inmitten seiner Bücher, einschlief.

Wenig später wachte er wieder auf, weil Konan ihn sanft mit der Handfläche an die Schulter stupste.

„He, Itachi, was soll das denn?“ fragte sie leise und lächelte ihn an.

Itachi wischte sich mit dem Unterarm über die Augen, blinzelte und setzte sich auf. Der Eckpfosten seines Bettes, an den er sich gelehnt hatte, drückte ihn unangenehm am Rücken.

„Du hast mir vor dem Trip mit Kisame versprochen, dass wir danach und bevor wir wieder losziehen, nochmal lernen.“ sagte Konan.

Itachi stand auf, streckte den Rücken und setzte sich an den Schreibtisch.

„Geht’s dir gut?“ fragte Konan.

„Es geht so.“ antwortete er, ausnahmsweise ehrlich, und schlug das Buch auf, in den er mit ihr zuletzt gearbeitet hatte.

Konan stand hinter ihm und während er ihr weiter Schriftzeichen erklärte, massierte sie seinen verspannten Rücken. Itachi blieb beim Lernstoff, erzählte noch nichts von der Reise mit Kisame. Konan war sicher, dass sie das, was da passiert war, noch erfahren würde.

Nach dem Lernen konnte sie ihm endlich auch erzählen, was sie von den Anbu erfahren hatte: wie Sasuke versorgt wurde, wo Naruto jetzt wohnte und dass Yuki und Mi nicht mehr in Konoha waren, weil Danzo sie für verdächtig hielt.

Itachi nahm alles recht gelassen, nein, vielmehr regungslos, auf. Er wusste, dass es so kommen musste und hatte keine Kraft mehr, sich darüber aufzuregen, obwohl er innerlich kochte vor Wut auf Danzo und die anderen beiden Ältesten. Dass diese engstirnigen Alten alle jungen Ninja, die mit Itachi befreundet gewesen waren, mitsamt ihren Familien aus dem Dorf geschickt hatte, machte ihn so wütend wie bei dieser Sache mit Naruto damals, als er Homura angeschrien hatte. Dass Yuki und die anderen unter Verdacht standen, von Itachis angeblichen Mordplänen gewusst zu haben und jetzt in dieses Unglück mit hineingezogen wurden, als wäre es nicht schon groß genug… Itachi wollte nicht noch mehr hassen, aber er konnte nicht anders. Bisher hatte er Danzo, Homura und Koharu nur sehr unfreundlich gegenüber gestanden, doch jetzt hasste er diese Alten fast so sehr wie Kisame und den, dessen Namen er in diesem Moment vor Hass nicht einmal denken konnte.

Konan beruhigte ihn, indem sie weiter seinen Rücken massierte, bis jede Verspannung gelöst und er wieder einigermaßen gelassen war.

„Morgen gehen wir wieder los.“ sagte Konan, „Sasori hat noch mehr Ort gefunden, wo es Informanten gibt. Geht es dir soweit gut oder sollen wir vielleicht noch einen Tag warten?“

„Nein, mir geht es gut. Wenn ich mit dir zusammen bin, geht es mir immer besser als hier.“

„Ich freu mich schon!“ flüsterte Konan und küsste Itachi sanft auf die Wange, „das wird bestimmt schön!“

„Geht mir genauso.“ antwortete er, ebenso leise, „obwohl ich… ein wenig aufgeregt bin…“

„Das wird schon.“ sie lächelte und beobachtete Itachis Hand, die sich, ohne dass er es selbst bemerkt hatte, vor Konans Brust erhoben hatte, jedoch noch nicht wagte, sie zu berühren.

Heilende Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Sandra-Lavi-Bookman
2012-11-10T13:02:21+00:00 10.11.2012 14:02
wow ich mag deine ff echt
das ist echt eine schöne story
ich werd auf jeden fall weiterlesen^^
und ich finde es echt schön itachi mal von einer anderen seite zu sehen
hast du echt super gemacht
weiter so ;)


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