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Dark Blood

Du kannst dir nicht aussuchen was du bist, nur wer du sein willst
von

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Ein perfekter Tag

„Sie sollten endlich damit aufhören. Dieses Thema haben wir schon hundert Mal besprochen. Er hat sich als ein loyaler und verlässlicher Agent erwiesen und ich sehe keinen Grund, weshalb ich ihm eine Sonderbehandlung zukommen lassen sollte.“

Shadow hatte sich an die Tür gelehnt und lauschte den Stimmen in dem Zimmer hinter ihm. Die eine davon gehörte dem Commander des Sektors um Station Square herum, die andere einem Beamten der G.U.N. Zentrale.

„Aber bitte verstehen Sie doch...“, begann der Beamte wieder.

Der schwarze Igel wusste, worüber sich die beiden unterhielten, auch wenn er gerade eben erst vorbeigekommen war und beschlossen hatte mitzuhören. Normalerweise war das nicht Shadows Art, aber immerhin ging es in dem Gespräch um ihn.

Der Commander wurde allmählich wütend. „Nein, Sie sollten endlich verstehen, dass ich darüber nicht mit mir diskutieren lasse. Wie ich meine Agenten behandle ist meine Sache und ich werde Shadow nicht unter Bewachung stellen, ohne dass es dafür einen guten Grund gibt – Haben Sie das verstanden?“

„Natürlich!“, sagte der andere schnell, „Aber wir wissen nun einmal nicht, ob wir ihm wirklich trauen können.“

„Haben Sie mir nicht zugehört?“, donnerte der Commander, „Solange Sie mir keinen handfesten Beweis für Illoyalität irgendeiner Form liefern, werde ich ihn genauso behandeln, wie meine anderen Agenten.“

Shadow konnte sich bildlich vorstellen, wie der Mund des Beamten auf und wieder zuklappte, ohne ein Wort herauszubringen.

Der Commander fuhr fort: „Nun, wenn das alles war, weswegen Sie gekommen sind, möchte ich Sie bitten zu gehen. Ich habe noch viel Papierkram zu erledigen und ich würde mich ungern am Wochenende hinter den Schreibtisch setzen.“

Lautlos trat Shadow zur Seite und kurz darauf schwang die Tür auf. Der Beamte beachtete den schwarzen Igel gar nicht, sondern lief einfach frustriert den Gang hinunter. Shadow klopfte kurz zweimal gegen die Tür und betrat dann das Büro seines Vorgesetzten. Der Commander, ein Mann Mitte sechzig und schon grauen Haaren, wo nur noch vereinzelte Strähnen vermuten ließen, dass es früher einmal braun gewesen sein musste, saß hinter seinem Schreibtisch vor einem großen Papierstapel und sah kurz auf, offenbar in Erwartung, den Beamten wiederzusehen. Als er jedoch den Igel erkannte, lehnte er sich seufzend in seinem Drehstuhl zurück und sagte: „Diese ganzen Formulare und Schreiben bringen mich noch eines Tages um. Manchmal wünsche ich mir wirklich, dass Michelle zu uns zurückkommt.“

Michelle war die Sekretärin des Commanders gewesen, aber seit ein paar Wochen ist sie in Mutterschutz gegangen und niemand kann genau sagen, ob sie jemals wieder ihren alten Beruf wiederaufnehmen wird.

Mit seinem Kugelschreiber deutete der Commander auf einem Stuhl ihm gegenüber. „Bitte, setz dich doch.“

Shadow durchquerte den Raum, in dem jede Wandfläche mit Bücherregalen oder Fotos und Zeitungsausschnitten aus der Jugend des Commanders bedeckt war, und ließ sich auf den Stuhl fallen. Dann sah er seinen Vorgesetzten an und wartete darauf, dass er zuerst das Wort ergreifen würde.

Nachdenklich betrachtete der den schwarzen Igel und stellte fest: „Du hast also mitgehört.“, wobei in seiner Stimme kein Vorwurf zu hören war.

Shadow nickte und der Commander seufzte.

„Ich kann dir wirklich nicht sagen, warum die so besessen davon sind, dass du ein Verräter bist. In der ganzen Zeit, die du nun schon als G.U.N. Agent arbeitest, hast du dir nichts zu Schulden kommen lassen, aber manchen Leuten genügt das wohl nicht als Beweis.“

Shadow zuckte die Schultern. „Sie können halt einfach nicht akzeptieren, dass ich anders bin.“

Der Commander nickte. „Ja, das stimmt wohl. Obwohl man von Leuten dieses Berufes eigentlich eine objektive Betrachtungsweise erwarten würde.“

„Und was machen Sie jetzt?“, fragte der Igel.

„Ich mache so weiter wie bisher. Solange sie mir keinen Beweis vorliefern, werde ich ihren Forderungen nicht nachkommen.“, meinte der Commander.

Shadow nickte dankbar. „Aber damit werden Sie sich nicht gerade Freunde in der Zentrale machen.“

Freudlos lachte der Commander. „Ich werde alt, Shadow. Ich habe nicht mehr die Kraft und Lust mich in diesem ganzen Chaos von Vorurteilen, Anschuldigungen und Intrigen zurechtzufinden. Ich glaube nur das, was ich mit meinen eigenen Augen sehe und, wie ich schon sagte, hast du dich als verlässlicher Agent erwiesen, auch wenn du nicht gerade dem normalen Durchschnittsmitarbeiter entsprichst.“

Ernst sah er den schwarzen Igel an. „Du musst sehr vorsichtig sein, Shadow. Deine Feinde mögen zwar keine Beweise gegen dich haben, aber leider genießen sie einen hohen Stellenwert innerhalb der G.U.N.. Tue nichts, was ihnen irgendeine Handhabe gegen dich liefern könnte, auch wenn es manchmal schwer sein mag.“

„Keine Sorge.“, sagte Shadow, „Ich werde vorsichtig sein.“
 


 

Am späten Abend lief Shadow durch die Wälder außerhalb der Stadt und dachte nach.

Sie hatten also wieder einen Beamten geschickt, der seinen Vorgesetzten davon überzeugen sollte, dass Shadow nicht zu trauen sei. Zu Shadows Glück gehörte der Commander allerdings zu der Sorte von Menschen, die sich nicht von solchen Leuten beeinflussen lassen. Wiedereinmal war der schwarze Igel dem alten Mann dankbar für das Vertrauen, das er ihm entgegenbrachte. Denn er wusste, dass sich der Commander damit in Schwierigkeiten brachte, auch wenn er selbst das nicht ernst nahm. Auch wenn es sein gutes Recht ist, mit seinen Angestellten umzugehen wie er es für richtig hält, ist es nie ratsam sich der Obrigkeit zu widersetzen.

Besonders wenn es sich dabei um so ein sensibles Thema handelt.

Denn es war niemand geringeres als der General der G.U.N., der Shadow Illoyalität vorwarf. Am liebsten hätte er den schwarzen Igel wohl auf direktem Wege nach Prison Island geschickt, aber das Argument, das Shadow irgendwann vielleicht einmal Verrat begehen könnte, würde bei einem Prozess vor dem Kriegsgericht wohl kaum anerkannt werden.

Dabei hatte Shadow doch wirklich nichts falsch gemacht. Sicherlich hatte er einmal mit Dr. Eggman gemeinsame Sache gemacht, aber hatte er nicht danach Sonic geholfen Finalhazard zu besiegen und die Erde zu retten? Obwohl er dabei fast gestorben wäre und sein Gedächtnis verloren hatte? Und auch als die Black Arms die Erde bedroht hatten, hatte er für die Menschen gekämpft.

Und jetzt, wo es Frieden gab und Eggman die einzige Gefahr war, wurde fieberhaft nach irgendeinem Grund gesucht, um ihn hinter Gitter zu bringen.

Wütend trat der schwarze Igel gegen einen Stein. Er hasste es so ein dämliches Spiel spielen zu müssen. Gegen einen richtigen Gegner konnte er kämpfen, aber gegen den G.U.N. General konnte er nichts ausrichten.

Er spürte ein seltsames Kribbeln und hielt inne. Angestrengt achtete er auf die Geräusche der Nacht und spähte in die zunehmende Dunkelheit.

Dann hörte er etwas. Es klang wie Schritte von etwas sehr großem und schwerem.

Schnell glitt er in den Schatten hinter einem Baum und versuchte, die Geräuschquelle ausfindig zu machen. Es schien näher zu kommen.

Shadow hielt den Atem an. Bei genaueren Hinhören erkannte er das metallische Knirschen von Scharnieren. Es handelte sich also um einen Roboter. Es gab jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder es war einer von Eggmans Robotern, oder einer der G.U.N.

Vorsichtig spähte Shadow um den Baumstamm herum und sah den Roboter ein paar Meter entfernt auf einer kleinen Lichtung stehen. Es schien einer von Eggman zu sein.

Der schwarze Igel fragte sich, was ein Roboter hier zu suchen hatte. Aber da er zu Eggman gehörte konnte es nichts Gutes sein.

Es wäre wahrscheinlich das Beste, ihn schnell zu erledigen, bevor noch mehr Schrotthaufen hier auftauchten. Also schlich er lautlos über die Lichtung, sprang in die Luft und schoss mit einer Homing Attack auf den Roboter zu. Der schien bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte, und drehte sich zu dem Igel um.

„-Alert-“, sagte er mit seiner Computerstimme, ehe er getroffen wurde und auseinander fiel.

Shadow stand wachsam auf der Lichtung. Er war sich nicht sicher, ob der Roboter noch einen Notruf gesendet hatte oder nicht. Wenn doch, dann würden sicherlich bald weitere Roboter kommen.

Bevor Shadow sich entschieden hatte, was jetzt zu tun sei, hörte er einen Knall. Instinktiv teleportierte er sich ein paar Schritte weiter weg und sah sich um. Da, am Rande der Lichtung, stand ein zweiter Roboter und zielte auf den schwarzen Igel.

„-Target locked-“

Shadow machte einen Satz nach vorne und duckte sich unter dem Schuss hindurch. Dann kugelte er sich zusammen und rammte den Roboter so heftig, dass er den Metallpanzer zerstörte und auf der anderen Seite wieder herauskam. Als er sich wieder umdrehte, musste er feststellen, dass gerade noch zwei weitere Roboter auf die Lichtung stürmten und sich zum Angriff bereitmachten.

„Großartig.“, dachte der schwarze Igel, „Somit wäre mein Tag perfekt.“

Shadow rannte den Angreifern entgegen, duckte sich unter einem Schlag des ersten hinweg und rammte ihm einen Chaos Spear in die Brust. Dann sprang er in die Luft, um einem Schuss des zweiten auszuweichen und setzte wieder seine Homing Attack ein.

Dabei musste er feststellen, dass bereits Verstärkung anrückte, denn weitere Roboter erschienen gerade zwischen den Bäumen und drei von ihnen rannten sofort auf den schwarzen Igel zu. Shadow erledigte sie kurzerhand ebenfalls mit einer Homing Attack und wandte sich dann den anderen zu. Er wich geschickt ihren Schüssen aus und konterte mit Chaos Spears, wodurch drei der fünf Roboter zerstört wurden. Daraufhin entschloss sich einer der beiden anderen für einen direkten Angriff und lief auf Shadow zu. Der Igel sprang und trat dem Roboter kräftig gegen die Brust, sodass er zurücktaumelte und gegen den zweiten stieß, dann erledigte er beide mit einem Chaos Spear.

Eine gespenstische Stille lag in der Luft, als der schwarze Igel sich umsah und langsam wieder aufrichtete. Alle Tiere hatten sich angesichts des Kampfes in Sicherheit gebracht, nur eine mutige Eule ließ ihren Ruf von einem nahe gelegenen Baum aus ertönen. Das Gras auf der Lichtung war zertrampelt und teilweise ausgerissen und die Bäume waren von Schüssen getroffen worden. Aber wenigstens schien es jetzt vorbei zu sein.

Doch irgendetwas alarmierte Shadow, obwohl er nicht wusste was. Ein Gefühl sagte ihm, dass der Kampf noch nicht vorüber war und immer noch war da dieses seltsame Kribbeln, das er einfach nicht zuordnen konnte. Vielleicht litt er schon unter Verfolgungswahn, da er immer auf der Hut sein musste.

Er drehte sich um und wollte gerade gehen, als auf einmal ein Vogel laut aufschrie und wegflog. Sofort war er wieder kampfbereit und dann hörte er es auch: Schritte. Dem Klang nach zu urteilen Roboter, wahrscheinlich solche wie die, die er gerade erledigt hatte.

„Eggman hat wirklich viel zu viele von denen.“, stellte Shadow genervt fest und wandte sich der Richtung zu, aus der die Roboter kamen.

Eine Schrittfolge war aber anders. Sie war langsamer und dumpfer. Dieser Roboter war wahrscheinlich größer als die anderen.

Als dann die Roboter am Rand der Lichtung erschienen, sah Shadow das er Recht hatte. Dort standen ein paar Roboter und der in der Mitte war bestimmt doppelt so hoch und auch doppelt so breit wie die anderen.

„Vielleicht wird das ja doch noch interessant.“, dachte der schwarze Igel und ging in Kampfstellung. Aber er wollte sich lieber keine falschen Hoffnungen machen. Eggmans Roboter waren immer leicht zu besiegen. Er sollte das besser schnell zu Ende bringen und dann zur Basis zurückkehren, ehe man ihn vermisste.

Shadow lief los, wich den gegnerischen Schüssen aus und erledigte die kleinen Roboter kurzerhand mit einem Spin Dash, worauf sie nur noch Metallschrott waren. Den großen griff er mit einer Homing Attack an und landete ein paar Schritte entfernt auf der Lichtung. Doch der Metallpanzer hatte noch nicht einmal eine Macke.

„Was zum...!“, sagte Shadow überrascht und machte einen Sprung nach hinten, um den Laserschüssen auszuweichen. Dann lief er wieder auf seinen Gegner zu und versuchte es noch einmal mit einer Homing Attack, aber die Panzerung schien einfach zu stark zu sein. Der Roboter holte aus und Shadow duckte sich, sodass der Schlag ihn knapp verfehlte und stattdessen einen Baum traf, der mit einem splitternden Geräusch umfiel. Daraufhin schoss er mit einem Spin Dash gegen den metallenen Riesen und sorgte somit dafür, dass dieser tatsächlich ein paar Schritte rückwärts machte, ehe er scheppernd auf den Boden krachte. Doch auch das schien ihm nichts auszumachen, denn er stand schon wieder auf.

„Verdammt! Was soll ich denn noch versuchen?“

Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung im Dickicht und drehte den Kopf. Aber da war nichts. Hatte er sich getäuscht?

Als er wieder zum Roboter hinübersah, fing dieser gerade an zu schießen und Shadow hatte keine Zeit mehr nachzudenken. Es war bestimmt sowieso nur ein Tier gewesen.

Geschickt sprang er zwischen den Laserstrahlen hindurch und konterte mit Chaos Spear. Aber sogar die Energiespeere prallten einfach am Metall ab.

„Ausnahmsweise hat der Doktor wohl doch etwas nützliches gebaut“, dachte Shadow, „Aber das wird dieser Blechbüchse auch nicht weiterhelfen.“

Der Roboter feuerte immer noch und der schwarze Igel musste erst einmal zurückweichen. In sicherer Entfernung überlegte er, was er als nächstes probieren sollte.

Da hörte er einen Schuss. Zwei Sachen fielen ihm sofort auf: Erstens kam der Schuss eindeutig von links, aber der Roboter stand etwas rechts von ihm. Zweitens machte keine von Eggmans Waffen so ein Geräusch. Es hörte sich an wie... eine Pistole der G.U.N.?

Plötzlich spürte Shadow einen stechenden Schmerz in der Seite und taumelte ein paar Schritte nach rechts. Vorsichtig tastete er nach der Wunde und betrachtete überrascht die im Mondlicht rot glänzende Flüssigkeit an seinen Fingern. Blut...

Er brauchte eine Sekunde bis er verstand. Aber das konnte doch nicht sein. Wieso sollte ein G.U.N.-Soldat auf ihn schießen?

Zu spät bemerkte er das der Roboter auf ihn zukam. Er holte aus und rammte den schwarzen Igel mit einer seiner metallenen Hände in den Boden. Shadow wand sich und versuchte irgendwie freizukommen aber ohne Erfolg, der Roboter war einfach zu stark. Er spürte wie er keine Luft mehr bekam und noch dazu fühlte es sich bei jedem Atemzug so an, als ob ein Messer in seine Seite gerammt würde. Gleichzeitig schien das seltsame Kribbeln stärker zu werden und brachte jetzt auch noch ein dumpfes Pochen mit sich.

„Verdammt, was mache ich jetzt?“, überlegte er. Ihm fiel nur noch eine einzige Möglichkeit ein.

Er mobilisierte seine ganze Kraft und rief: „Chaos Blast!!“

Eine Explosion erschütterte den Wald und sämtliche Tiere der Umgebung ergriffen panisch die Flucht. Danach war es wieder still. Nur noch das Rauschen der Blätter im Wind war zu hören. Sogar die tapfere Eule hatte sich in Sicherheit gebracht.

Schwer atmend lag Shadow auf dem Boden der Lichtung und sah hinauf in den Sternenhimmel. Der Roboter war nur noch ein Haufen Schrott und den G.U.N.-Soldaten hatte es wahrscheinlich auch erwischt, sowie sämtliche Verstärkung, die auf dem Weg hierher gewesen sein könnte. Der Kampf war vorbei und er hatte gewonnen.

Er rollte sich auf den Bauch und richtete sich mühsam auf Händen und Knien auf. Die Schussverletzung in seiner Seite machte jede Bewegung zur Qual, aber darauf durfte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Er musste zurück zur Basis.

Aber das Pochen war immer noch da, ebenso dieses seltsame Kribbeln. Was hatte das zu bedeuten? Er hatte das Gefühl, das dort irgendetwas war. Aber als er den Waldrand mit den Augen absuchte, war da nichts. War das wirklich nur Einbildung?

Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit für soetwas.

Irgendwie schaffte er es aufzustehen, auch wenn es sich anfühlte, als ob in seiner Seite ein Feuer wüten würde. Er schwankte leicht, blieb aber trotzdem stehen. Und wohin sollte er jetzt gehen? Wahrscheinlich würde er es nicht schaffen den ganzen Weg zurückzulaufen.

Ruckartig hob er den Kopf und sah zum Nachthimmel hinauf. Irgendetwas war da, auch wenn er keine Ahnung hatte, woher er das so genau wissen wollte.

Da sah er auf einmal einen schwarzen Schatten zwischen den Sternen, der sich schnell der Lichtung näherte. Das Pochen wurde stärker und verursachte ihm jetzt höllische Kopfschmerzen. Was auch immer da auf ihn zukam: es war eindeutig der Grund für dieses seltsame Pochen.

Dann landete es ein Stück von ihm entfernt im Gras. Es sah aus wie eine Schlange mit riesigen, federlosen Flügeln und schwarzer Haut mit roten Zeichnungen. Irgendwo hatte er soetwas schon einmal gesehen.

In dem Moment wurde er einfach von der Erschöpfung übermannt. Seine Beine knickten ein und er fiel in das Gras der Lichtung. Aus den Augenwinkeln sah er noch wie das Wesen auf ihn zuglitt, dann versank seine Welt in schwarz.

Black Arms

Das erste, was Shadow wieder wahrnahm, war dieses seltsame Pochen, begleitet von rasenden Kopfschmerzen. Es war viel stärker als letztes Mal und schien von überall zu kommen.

Er brauchte ein paar Sekunden ehe er irgendetwas anderes spüren konnte.

Die Verletzung an seiner Seite schien etwas abgeheilt zu sein. Sie tat zwar immer noch so weh, dass er sich lieber nicht zu viel bewegte, war aber deutlich besser als vorher.

Mittlerweile hatte er sich etwas an das Pochen gewöhnt und wagte es die Augen zu öffnen. Über ihm erstreckte sich eine Decke aus schwarzgrauem Stein, die von flackerndem Licht erhellt wurde. Vorsichtig drehte er den Kopf und sah sich genauer um.

Die Wände bestanden ebenfalls aus Stein und jetzt wusste Shadow auch woher das Licht kam. Aus dem Fels ragten Schüsseln aus goldenem Metall, in denen rote Flammen brannten.

Um das Feuer herum schienen Glaskugeln zu sein, doch würden die Flammen dann nicht ersticken? Nun ja, das Feuer flackerte jedenfalls munter vor sich hin, also musste er ja irgendwie funktionieren.

Shadows Blick glitt wieder an den Wänden entlang und jetzt bemerkte er, das dort teilweise rote Streifen im Stein waren. An einer Stelle war die Wand außerdem kreisförmig hellblau und schien aus einem anderen Material zu bestehen. Aber hier gab es weder Fenster, noch eine Tür.

Wie war er dann hier herein gekommen?

Nachdenklich legte er den Kopf zur Seite und zuckte zusammen als seine Wange etwas warmes und weiches berührte, was er mit einem stechenden Schmerz in der Seite bezahlte. Der Boden bestand auch aus Stein und trotzdem lag Shadow eindeutig auf etwas weichem. Neugierig sah er sich seinen Untergrund genauer an.

Das war kein Stein. Es hatte die gleiche Farbe wie die Streifen in der Wand, dunkle Rot- und teilweise Violetttöne, und sah aus als ob es fließen würde. Vorsichtig grub er die Finger in dieses etwas und stellte überrascht fest, dass es problemlos nachgab. Als er wieder losließ wabbelte das etwas sofort wieder an seinen Platz zurück.

Shadow runzelte die Stirn. Was sollte das sein? Wackelpudding? Wohl eher eine Art Schleim.

Aber noch etwas anderes irritierte ihn. Es war fast als ob...

Er legte wieder die Wange auf den Schleim und schloss die Augen.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Dieser seltsame Schleim schien zu pulsieren und Shadow spürte das in Form von jenem seltsamen Pochen.

Vielleicht sollte er sich wundern, ausflippen oder zumindest ein mulmiges Gefühl haben, aber dem war nicht so. Dieses stetige Pochen, das fast wie der Puls eines anderen Lebewesens war, hatte irgendwie etwas Beruhigendes. Es gab ihm ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn das ganze total absurd war.

Dieser Schleim kam ihm irgendwie bekannt vor und er überlegte fieberhaft, wo er soetwas schon einmal gesehen hatte. Dann erinnerte er sich wieder.

Ein Komet im All aus schwarzgrauem Stein... durchzogen von roten pulsierenden Adern...

überall war dieses Pochen... es kam von den dunklen Kreaturen... den Bewohnern des Kometen... den Black Arms...

Shadow öffnete wieder die Augen. Natürlich. Das er da nicht eher drauf gekommen war.

„Aber warum haben sie mich hierher gebracht?“

Nun, er würde das nicht herausfinden, indem er hier weiter herumlag.

Langsam setzte er sich auf und sofort meldete sich seine Verletzung. Er versuchte das bestmöglich zu ignorieren und stand auf. Jetzt, wo er wusste wo er war, fiel ihm wieder ein, was der blaue Wandteil zu bedeuten hatte. Zielstrebig ging er auf den Kreis zu, der ungefähr die Höhe einer Tür hatte. Aus der Nähe bemerkte der schwarze Igel, dass er aus gebogenen Dreiecken zusammengesetzt war, deren Spitzen sich in der Kreismitte berührten. Wie bei einer automatischen Schiebetür zogen sich die Dreiecke in die Wand zurück, sodass ein runder Durchgang entstand.

Shadow ging durch die Tür und sah sich um. In beide Richtung erstreckte sich ein leicht gewundener Gang aus Stein, an dessen Wänden wieder diese Schüsseln zu finden waren, die manchmal auch von kreisrunden, blauen Türen abgelöst wurden.

Unschlüssig blieb der schwarze Igel stehen. Was jetzt?

Er wusste nicht, wie die Black Arms auf ihn reagieren würden. Einen Kampf würde er in seinem angeschlagenen Zustand sicher nicht überstehen und wenn er hier wirklich auf dem Black Comet, dem Heimatkometen der Black Arms, war, konnte er auch nicht einfach weglaufen. Die einzige Möglichkeit zu entkommen war Chaos Control und Shadow hatte mit Sicherheit nicht genug Kraft, um sich zur Erde zurückzuteleportieren.

Bevor er sich entschieden hatte, spürte er das vertraute Pochen, dass die Anwesenheit eines anderen Black Arms ankündigte. Und tatsächlich bog kaum eine Sekunde später einer der Aliens um eine Kurve und blieb stehen, als er den schwarzen Igel sah.

Ein paar Augenblicke starrten sich die beiden einfach nur an, dann drehte der Black Arm sich um und bedeutete Shadow mit einer Kopfbewegung ihm zu folgen.

Da er immer noch nicht wusste, was er tun sollte, folgte der Igel einfach dem Alien durch die felsigen Gänge.

Shadow musste feststellen, dass die Black Arms scheinbar keine Dinge wie Lineal oder Winkelmesser besaßen, denn überall waren die Wände und die Decke uneben, nur der Boden war glatt. Außerdem ging ein Gang nie exakt gerade aus, immer war er leicht kurvig.

Irgendwann gelangten sie in einen größeren Gang, in den mehrere kleinere Gänge mündeten, die teilweise auch gute fünf Meter über dem Boden endeten. Nur die seltsamen Schlangenvögel der Black Arms waren wohl in der Lage, solche Gänge zu nutzen.

Langsam begann Shadow sich zu fragen, wie viele von diesen ganzen Gängen wirklich von den Aliens gebaut worden waren und welche es schon immer gegeben hatte.

Hin und wieder begegneten ihnen andere Black Arms, die den schwarzen Igel neugierig ansahen. Aber Shadow konnte nicht sagen wie sie wirklich zu ihm standen und er beschloss sich besser erst einmal defensiv zu verhalten.

Sie gelangten schließlich zu einer Treppe mit grob gehauenen Steinstufen, die in eine große Halle führte, die so groß war, dass mit Sicherheit zwei der riesigen Krieger der Black Arms übereinander hier herein gepasst hätten. Mehrere Gänge führten in diesen runden Raum und an einer Seite war eine riesige Kreistür.

Der Black Arm ging auf das Portal zu, blieb ein paar Schritte davon entfernt stehen und drehte sich zu Shadow um. Mit einer Handbewegung bedeutete er dem Igel durch die Tür zu gehen.

Langsam ging Shadow auf den hellblauen Kreis zu. Er konnte die Anwesenheit eines anderen Black Arms dahinter spüren. Eine Präsenz, die viel stärker war als die der anderen Aliens.

Die Dreiecke gaben den Weg frei und Shadow betrat einen weiteren Raum. Er spürte sofort, dass hier eine ganz andere Atmosphäre herrschte. In dem Raum herrschte eine fast ehrfurchtsvolle Stille, wie man sie von Kirchen kannte. Der Stein auf dem Boden war komplett eben und auch die Wände waren nicht so rau wie sonst, auch wenn sie nicht so glatt waren wie die Steinwände der Menschen. Die Decke wölbte sich kuppelförmig über den ganzen Raum und wurde, wie auch die Wände und der Boden, von Adern in verschiedenen Rottönen geziert, die fremdartige Muster formten. Am anderen Ende des Raumes gab es einen erhöhten kreisförmigen Abschnitt, zu dem flachen Steinstufen hinaufführten.

Und genau dort stand, oder eher gesagt schwebte, der Anführer der Black Arms.

Shadow blieb stehen. Selbst über diese Entfernung konnte er das starke Pulsieren spüren, das von dem ältesten der schwarzen Aliens ausging. Sein Fell fing an zu kribbeln und er spürte etwas wie Ehrfurcht. Kurz schloss er die Augen und versuchte das Pulsieren auszublenden. Danach sah er wieder zu dem Black Arm hinüber.

„Willkommen auf dem Black Comet, Shadow the Hedgehog.“, hallte Black Dooms tiefe Stimme durch den Raum und der schwarze Igel schauderte unwillkürlich.

„Warum habt ihr mich hierher gebracht?“, fragte Shadow.

„Du warst verletzt.“, antwortete Black Doom und ging scheinbar davon aus, das mit diesen drei Worten alles gesagt war.

Shadow erwiderte: „Ihr hättet mich auch einfach sterben lassen können.“

Daraufhin schüttelte der schwarze Alien den Kopf. „Nein. Du bist ein Black Arm, egal ob du es willst oder nicht.“

„Was hat das damit zu tun?“, fragte der Igel stirnrunzelnd.

„Du weißt nicht was es heißt ein Black Arm zu sein. Du hättest die Zeit bei uns gebraucht um zu verstehen wer du bist.“

„Wie meint Ihr das?“

Doch Black Doom antwortete nicht. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Shadow meinte zu spüren, dass der Anführer der Black Arms traurig war. Eine tiefe Trauer, die ihren Ursprung weit in der Vergangenheit hatte. Aber da war etwas anderes, das er nicht deuten konnte. Es fühlte sich an wie...Schuldbewusstsein?

Black Doom sah den schwarzen Igel an.

„Ich möchte, dich bitten, dass du bei uns bleibst.“, sagte er.

„Bitten?“, wiederholte Shadow. 'Bitten', das bedeutete, dass er die Wahl hatte.

Der Black Arm nickte. „Ja, es steht dir frei zu gehen. Ich kann dich nicht zu einem Leben zwingen, das du nicht leben willst.“

Shadow war irritiert. Warum verhielt Black Doom sich so anders? Warum ließ er ihn das selbst entscheiden?

Was sollte das alles?

War es am Ende wieder nur irgend so ein Spiel, das mit ihm gespielt wurde?

Black Doom hatte ihn die ganze Zeit beobachtet.

„Du musst dich nicht jetzt entscheiden.“, sagte er dann, „Du kannst bleiben solange du willst und auch jederzeit gehen. Aber du wirst hier bleiben bis du wieder gesund bist.“

Jetzt war das wieder der Alien, den er kannte. Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch und Shadow musste sich wohl oder übel damit abfinden.

Also war er doch irgendwo ein Gefangener, zumindest für ein paar Tage.
 

Jetzt war Shadow wieder in dem Raum, in dem er aufgewacht war. Der Black Arm, der ihn auch zum Anführer der Aliens geführt hatte, hatte ihn wieder hierhin zurückgebracht. Nun lief der schwarze Igel auf und ab und überlegte sich, was er als nächstes tun sollte.

Eines war ihm klar: Wenn er wieder zurück zur Erde gehen würde, würde er sich erst einmal eine Standpauke vom Commander anhören müssen und der General würde seine Abwesenheit sicherlich als einen Beweis für seinen angeblichen Verrat auffassen. In der Hinsicht war es egal, ob er nur ein paar Tage oder Wochen lang hier oben blieb.

Aber sollte er bei den Black Arms bleiben oder nicht? Black Doom hatte Recht, Shadow wusste wirklich nicht viel über die schwarzen Kreaturen und er hatte keine Ahnung wie sie sich untereinander verhielten. Auf der anderen Seite waren sie aber feindliche Aliens und die Bewohner der Erde würden sicherlich nicht begeistert sein, wenn er ihnen sagte, wo er gewesen war.

Aber das war Shadow relativ egal. Entweder sie akzeptierten das oder halt nicht, das war nicht sein Problem. Und wenn er hier bliebe, würde er sicherlich viel über die Black Arms lernen, was ihm auch nutzen würde, falls er wieder gegen sie kämpfen müsste.

Noch dazu würde er vielleicht endlich Antworten auf die Frage bekommen, wer er eigentlich war.

Und was hatte er denn schon zu verlieren?

Aber trotzdem. So eine wichtige Entscheidung sollte er nicht leichtfertig treffen. Vielleicht wäre es besser erst einmal abzuwarten wie diese paar Tage verliefen, danach konnte er sich immer noch entscheiden.

Shadow atmete auf. Wo das geklärt war, konnte er sich darum kümmern, was er jetzt tun sollte.

Black Doom hatte ihm gesagt, dass er hingehen konnte wo er wollte, nur den Black Comet durfte er nicht verlassen, wozu er aber eh nicht in der Lage war. Also sollte er sich erst einmal hier umsehen, wo er doch sonst nichts besseres zu tun hatte.

Er ging durch die Tür und lief auf Geratewohl die Gänge entlang. Seltsamerweise machte er sich keine Sorgen, dass er sich verlaufen könnte oder wie die Black Arms reagieren würden, wenn er plötzlich um die Ecke spaziert käme. Er wusste nicht warum das so war, aber es war ihm auch relativ egal.

Eine Weile lief er durch die Steingänge und spürte dabei die Anwesenheit anderer Black Arms. Mit der Zeit fiel es ihm leichter zu erkennen, wie weit sie von ihm entfernt waren und in welche Richtung sie sich bewegten. Die meisten gingen in normaler Schrittgeschwindigkeit, manche eilig, andere langsamer. Einige hatten ein schwerfälligeres Schrittmuster und Shadow vermutete, dass es sich dabei um die riesigen Black Oaks handelte. Hin und wieder gab es welche, die nur kurz durch Shadows Wahrnehmungsfeld zischten und dann schon wieder verschwunden waren. Dem Bewegungsmuster zufolge schienen diese Kreaturen zu fliegen, also mussten es Black Wings oder Black Hawks sein, die drachenartigen Vögel unter den schwarzen Aliens, die sich nur durch ihre Größe voneinander unterschieden.

Plötzlich spürte er wie sich ihm etwas schnell näherte und blieb stehen. Wachsam spähte er den Gang entlang und sah dann etwas schwarzes auf ihn zuschießen. Es flog geradewegs an ihm vorbei und auf direktem Wege gegen eine Wand, wo es schließlich hängen blieb.

Jetzt erkannte Shadow auch was es war. Dort an der Wand war einer der vogelartigen Aliens und hielt sich, ähnlich wie eine Fledermaus, mit Krallen an den Flügeln am Fels fest. Es war hauptsächlich schwarz, hatte aber rote Querstreifen auf Kopf, Rücken und Schwanz.

Neugierig sah es den schwarzen Igel aus zwei neongrünen Augen an. Dann stieß es sich von der Wand ab und flog ein paar Runden um Shadow herum, ehe es sich wieder auf einen Felsvorsprung niederließ.

Shadow wusste nicht, was er davon halten sollte. Diese Kreatur war kleiner als alle Black Wings, die er jemals gesehen hatte, und somit erst recht zu klein für einen Black Hawk. Immerhin hatte sie kaum die Größe einer Katze. Vielleicht war sie sehr jung?

Wenigstens schien ihm von ihr keine Gefahr zu drohen.

In dem Moment flog der kleine Black Wing los und so dicht an Shadow vorbei, dass seine Flügel die Kopfstacheln des schwarzen Igels streiften. Dann hing er wieder an der Wand und in seinen Augen leuchteten Überraschung und Neugier.

Der Black Wing flog zu der gegenüberliegenden Wand und kletterte daran entlang, dann hüpfte er auf einen Stalagmiten, der kaum einen Meter von Shadow entfernt aus dem Boden ragte.

Der schwarze Igel sah ein paar Augenblicke lang in die neongrünen Augen, dann streckte er vorsichtig die Hand dem Black Wing entgegen. Er wusste selbst nicht genau, warum er das tat, aber ein Gefühl sagte ihm, das es richtig war.

In einer blitzschnellen Bewegung stupste die kleine Kreatur mit der Schnauze gegen den roten Streifen auf Shadows Arm und spätestens jetzt war alle Vorsicht vergessen.

„Du bist ja ganz weich!“

Klar und deutlich konnte Shadow die Stimme in seinem Kopf hören. Sie klang sehr jung und war voller Faszination.

Vorsichtig schnupperte der Black Wing an Shadows Arm. „Was ist das?“

„Fell.“, sagte Shadow, obwohl er nicht wusste, ob wirklich das gemeint war.

„Fell...“, wurde das neue Wort wiederholt.

„Wer oder was bist du?“, fragte Shadow irritiert.

Er hatte nicht gewusst, dass andere Black Arms auf diese Weise mit ihm reden konnten. Bisher hatte das nur Black Doom getan und auch nur dann, wenn er nicht Doom's Eye schicken konnte.

Stolz richtete sich das kleine Wesen zu seiner vollen Größe von gut gemeinten 30cm auf und verkündete: „Mein Name ist Kiara und ich bin ein Black Hawk!“

Zweifelnd legte Shadow den Kopf schräg. „Bist du nicht etwas... zu klein?“

„Ich bin doch noch Mitten im Wachstum!“ Empört schlug Kiara mit den Flügeln.

Aber sie war nicht lange beleidigt, denn kaum einen Atemzug später fragte sie: „Und wer bist du?“

„Shadow.“, stellte der schwarze Igel sich vor.

Kiara musterte ihn von oben bis unten und wollte dann wissen: „Und zu welcher Art gehörst du? Ich habe noch nie etwas von Black Arms mit Fell gehört.“

Erst jetzt wurde Shadow klar, dass die Aliens vielleicht wirklich nicht wissen konnten, was Fell war. Denn tatsächlich gab es keine Black Arms mit Fell und da sie ein kriegerisches Volk waren, achteten sie bestimmt nicht auf soetwas, wenn sie einer anderen Spezies gegenüber standen.

„Ich bin auch der einzige.“, erklärte er.

Kiara fragte weiter: „Und zu welcher Art gehörst du?“

Das war eine gute Frage – Shadow wusste es auch nicht. Er konnte sich keiner der Gruppen innerhalb der Black Arms zuordnen.

Daher zuckte er mit den Schultern und meinte: „Zu keiner.“

Kiara sah ihn erstaunt an und starrte dann nachdenklich auf das rote Adermuster des Bodens.

„Seltsam.“, meinte sie nach einer Weile, „Du bist kein Black Hawk und auch kein Black Wing, aber trotzdem fühle ich mich mit dir genauso verbunden.“

„Wie meinst du das?“ Verwirrt runzelte Shadow die Stirn.

In den neongrünen Augen lag jetzt Überraschung. „Na man fühlt sich doch mit jeder Art unterschiedlich stark verbunden. Wusstest du das nicht?“

Der schwarze Igel dachte kurz nach. Er hatte nie darauf geachtet mit wem er sich mehr oder weniger verbunden fühlte. Ehrlich gesagt hatte er die meiste Zeit versucht die Verbindung zu den anderen Black Arms auszublenden.

„Also“, begann Kiara und Shadow musste schmunzeln als er den Oberlehrerton in der Stimme des kleinen Black Hawk bemerkte, „Alle Black Arms fühlen sich, unabhängig von der Art, mit allen anderen Black Arms verbunden. Das liegt daran, dass wir alle mit Black Doom verwandt sind. Die Verbundenheit zu der eigenen Art ist aber größer, weil man mehr Gemeinsamkeiten hat. Das ist sehr wichtig für uns, damit wir immer wissen, wo die anderen sind. Verstehst du?“

Shadow nickte. Das ergab Sinn – irgendwie.

„Aber ich habe keine Ahnung, warum das bei dir anders ist.“, gab sie zu, „Die anderen haben mir gesagt, dass ich mich von allem fernhalten soll, wo ich nicht sicher sagen kann, dass es ein Black Arm ist. Aber ich habe doch gespürt, dass du einer von uns bist! Von Anfang an wusste ich, dass du irgendwie anders bist als wir, aber trotzdem zu uns gehörst.“

Irgendwie versuchte Kiara zu rechtfertigen, dass sie einfach so zu ihm gegangen war, obwohl sie das anscheinend nicht durfte.

Shadow ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen.

War es das, was Black Doom meinte als er davon sprach, was es bedeutete ein Black Arm zu sein? Diese Verbundenheit, die die schwarzen Kreaturen untereinander spürten?

Auch Shadow hatte sie gespürt. Er hatte sich immer mit diesen Aliens verbunden gefühlt von dem Tag an, als er ihnen zum ersten Mal begegnet war. Es war ein Gefühl, dass er nirgendwo sonst fand, das Gefühl zu wissen, dass er zu den Black Arms gehörte, Teil dieser Gemeinschaft mordender Monster war.

Er wurde erst aus seinen Gedanken gerissen, als Kiara ihn vorsichtig anstupste.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt und Shadow nickte.

„Ich habe nur über etwas nachgedacht, das Black Doom zu mir gesagt hat.“

„Du hast mit Black Doom gesprochen?!“, rief der kleine Black Hawk aufgeregt, „Wie ist er so?“

Shadow runzelte verwundert die Stirn. „Du hast ihn noch nie gesehen?“

Bedauernd schüttelte Kiara den Kopf. „Die älteren Black Hawks erzählen manchmal etwas über ihn. Er ist schon seit tausenden Jahren unser Anführer und der älteste und weiseste Black Arm, den es gibt. Aber getroffen habe ich ihn noch nicht.“

Der schwarze Igel fragte sich wie realistisch das Bild, dass Kiara und vielleicht auch andere Black Arms von ihrem Anführer hatten, wohl war. Er wusste gut genug, dass das, was das Volk glauben sollte, nicht immer das war, was auch wirklich Tatsache war.

„Ich weiß nicht genau wie ich ihn finden soll.“, begann Shadow, „Ich bin mir nie sicher, ob ich ihm auch wirklich trauen kann oder ob er mir nur etwas vorspielt.“

Kiara sah ihn verblüfft an. „Warum sollte er nicht die Wahrheit sagen?“

Shadow zuckte mit den Schultern. Er wollte diesen kleinen Black Hawk nicht mit seiner eigenen tragischen Lebensgeschichte belasten.

„Es wäre nicht das erste Mal, dass mich jemand belügt.“

Kiara schüttelte den Kopf. „Black Arms lügen nicht!“, sagte sie voller Überzeugung.

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“

„Sierra hat es mir erklärt. Sie hat gesagt, dass es für uns viel zu gefährlich wäre zu lügen, weil Lüge führt zu Misstrauen und Misstrauen würde unsere Einigkeit zerstören und wenn das passiert, wird unser Volk untergehen.“

Wer auch immer diese Sierra war, sie schien Recht zu haben. Ein kriegerisches Volk wie die Black Arms konnte nur überleben, wenn es in vollkommener Einigkeit in die Schlacht zog. Denn wenn ein Volk unter inneren Unruhen litt, konnte es keine Kriege gewinnen.

Aber war das genug Grund um nicht zu lügen?

„Außerdem“, fuhr Kiara fort, „würde es jeder sofort mitbekommen, wenn jemand lügt. Das ist der Vorteil – oder Nachteil, wie man's nehmen will – an unserer Verbindung.“

„Wie das?“

„Wir bekommen doch unsere Gefühle mit. Da fällt es doch auf, wenn jemand lügt.“

Nachdenklich sah sie den schwarzen Igel an. „Wie kommt es, dass du so wenig über uns weißt?“

„Ich habe lange nicht bei den Black Arms gelebt.“, sagte Shadow leise, „Ich wusste noch nicht einmal, dass es sie gibt, geschweige denn, dass ich einer bin.“

Tröstend stupste Kiara ihn an. „Das muss schlimm gewesen sein. Ich könnte es mir nicht vorstellen ohne die anderen zu leben. Du warst bestimmt sehr einsam.“

Voller aufrichtigem Mitleid sah sie ihn an und als Shadow jetzt darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass sie vielleicht sogar damit recht hatte. Er WAR einsam gewesen, hatte aber nicht in Erwägung gezogen, dass es etwas mit seiner Herkunft zu tun haben könnte.

Und jetzt verstand er einen wichtigen Bestandteil der Gesellschaft der dunklen Kreaturen:

Die Blutsverwandtschaft.

Die genetische Ähnlichkeit unter den Black Arms bewirkte, dass sie andere Black Arms spüren konnten, was wiederum ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugte.

Deshalb konnten sie einander blind vertrauen, da keine der schwarzen Kreaturen auf die Idee kommen würde ihre 'Familie' zu verraten. Gleichzeitig garantierte das absolute Loyalität gegenüber Black Doom, der so regierte wie es am besten für sein Volk war, da er seinen 'Kindern' kein unnötiges Leid zufügen wollte.

Nach außen hin wirkten die Black Arms aber als gnadenlose Monster, die alle Lebewesen auslöschten und kein Mitleid oder Liebe kannten, und ihr Anführer schien keinen Deut besser zu sein.

Wer würde da so ein inniges Verhältnis zwischen den schwarzen Kreaturen erwarten?

Er, der er aber nie diese Gesellschaft gekannt hatte, hatte sich von allen anderen distanziert, da er keine besondere Verbindung zu ihnen gespürt hatte. Es hatte lange gedauert bis er jedem auf der ARK vertrauen konnte und eine der ersten war Maria gewesen, die schon immer für ihn da gewesen war. Vielleicht lag sein enges Verhältnis zu ihr daran, dass Maria für ihn eine Art Ersatz für die Black Arms gewesen war.

Wenn er so darauf zurückblickte, wurde ihm klar, dass er jetzt etwas gefunden hatte. Etwas, wonach er schon sein ganzes Leben lang gesucht hatte: seinen Platz in dieser Welt.

Black Doom hatte Recht: Er WAR ein Black Arm. Es spielte überhaupt keine Rolle, dass er erschaffen worden war, er hatte das Blut der schwarzen Aliens. Und das machte ihn zu einem Teil von ihnen.

Da spürte er wie sich ihnen ein weiterer Black Arm näherte. Auch Kiara hatte ihn bemerkt und flog freudig auf den Black Warrior zu, der die beiden etwas überrascht ansah. Dann streckte er aber die Hand vor und der kleine Black Hawk berührte sie kurz mit der Schnauze. Danach flatterte Kiara wieder zu Shadow zurück und drehte noch ein paar Kreise, ehe sie sich wieder auf den Stalagmiten setzte. Der andere Black Arm kam jetzt vorsichtig auf den schwarzen Igel zu und blieb wenige Schritte vor ihm stehen. Dann streckte er wie schon bei Kiara die Hand mit der Fläche nach vorne ihm entgegen und wartete. Shadow zögerte kurz, dann legte er aber seine Hand gegen die des anderen. Sofort spürte er wieder das vertraute Kribbeln und ein dumpfes Pulsieren.

Dann hörte er klar und deutlich die Stimme des Black Arm in seinem Kopf.

„Endlich redest du mit uns.“, sagte er fröhlich. Er war deutlich älter als Kiara, sofern Shadow das beurteilen konnte war er so ungefähr in Sonics Alter, und er erkannte in ihm den Black Arm, der ihn auch zu Black Doom gebracht hatte. Auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er sich da so sicher sein konnte.

„Habt ihr denn schon vorher versucht mit mir zu sprechen?“, fragte Shadow etwas verblüfft.

Der andere nickte. „Ja, aber du hast einfach nicht geantwortet. Irgendetwas war um dich herum, wie eine Wand, und deshalb hast du uns wahrscheinlich nicht gehört.“

Shadow rief sich die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal ins Gedächtnis. Vielleicht hatte er diese Wand ja erschaffen, als er versuchte, das Pulsieren auszublenden.

„Kiara hat Recht.“, meinte da der Black Arm unvermittelt, „Ich fühle mich auch mit dir verbunden, obwohl du kein Black Warrior und kein Black Oak bist.“

„Woran liegt das denn?“, mischte sich da Kiara ein und Shadow bemerkte, dass sie von ihrem Stalagmiten aus neugierig zu ihnen herübersah. „Er muss doch zu irgendeiner Gruppe gehören.“

Nachdenklich sah der Black Warrior den Igel an, dann sagte er: „Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen, dass du zu Black Doom gehörst.“

„Aber wir gehören doch alle zu Black Doom, oder?“, merkte Kiara an.

„Das stimmt.“, meinte der schwarze Alien und sah zu dem Black Hawk, „Aber er ähnelt unserem Anführer mehr als wir. Er ist enger mit ihm verwandt, weil er unmittelbar von ihm abstammt. Deshalb fühlen wir uns auch so sehr mit ihm verbunden.“

Shadow wusste nicht so ganz, was er davon halten sollte. Zwar mochte er Kiara irgendwie und war auch bereit, die anderen Black Arms kennenzulernen, aber trotzdem war er sich nicht sicher, ob er auch Black Doom so akzeptieren konnte. Und jetzt hieß es, dass er von allen schwarzen Kreaturen am ehesten ihm ähnelte.

„Das wird schon werden.“, sagte da plötzlich der Black Warrior und Shadow merkte, dass der Alien ihn ansah und scheinbar ahnte oder wusste woran er dachte, „Du wirst mit der Zeit lernen zu verstehen wie wir denken. Unser Denken ist nämlich doch schon etwas anders als das der Menschen, inwiefern genau kann dir nur Black Doom sagen, aber wenn du erst einmal einige Zeit lang bei uns bist, wirst du auch nicht mehr zweifeln.“

„Das werden wir sehen.“, meinte Shadow, „Ich bin nicht besonders gut im Anpassen.“

„Du kannst dir alle Zeit lassen, die du brauchst. Wichtig ist nur, dass du auch bereit bist uns verstehen zu lernen.“, sagte der Black Arm, „Da fällt mir ein, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Zerok.“

Dann warf er einen Blick zu Kiara hinüber. „Du solltest langsam wieder zurückgehen, ehe die anderen wieder den ganzen Black Comet nach dir absuchen müssen.“

„Das mussten sie noch nie!“, rief der Black Hawk empört, verzieh Zerok aber schnell.

Sie schwang sich in die Luft und fragte: „Kommt ihr mit?“

Der Black Warrior schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, ich habe leider noch zu tun. Aber vielleicht kann Shadow mit dir gehen.“

Nun warfen beide einen Blick hinüber zu dem schwarzen Igel, der nur mit den Schultern zuckte.

„Von mir aus.“

„Toll!“, rief Kiara und umkreiste die beiden anderen, „Komm, Shadow! Auf Wiedersehen, Zerok!“

Dann flog sie den Gang entlang und wartete ein paar Meter weiter ungeduldig.

Shadow musste lächeln. Sie war wirklich wie ein kleines Kind.

„Lebt wohl.“, meinte Zerok, ehe er in die entgegengesetzte Richtung verschwand.

Der schwarze Igel fragte sich, was er hier eigentlich machte. Vorhin hatte er sich noch mit dem Commander darüber unterhalten wie vorsichtig er sein musste, dann hatte er gegen Roboter gekämpft, wurde von einem G.U.N.-Soldaten angeschossen und jetzt folgte er einem Black Hawk mit dem Intellekt eines sechsjährigen Kindes durch die Gänge des Black Comets und sah sich mit dem Gedanken konfrontiert seinen Platz in dieser Gesellschaft einzunehmen.

Falls sein Leben in letzter Zeit wieder etwas Normalität bekommen hatte, so war jetzt wohl endgültig Schluss damit.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Shiritsu
2013-05-22T18:15:36+00:00 22.05.2013 20:15
Mir gefällt es was du für Ideen hast und wie du die Story nach dem Game fortsetzt...ich finde es auch interessant ausgedacht diese Blutsbrüderschaft...und es zeigt die Black Arms von einer ganz anderen Seite...ich mag es sehr, und freue mich, wenn es (hoffentlich) weitergehen wird!^^


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