Between Potions and Quidditch von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 9: Im Krankenflügel --------------------------- Das erste, was er spürte, war Schmerz.   Draco stöhnte. Der Schmerz war überall. In seinen Beinen und seinen Armen, in seiner Brust und in seinen Fingern, auch sein Gesicht brannte. Der Schmerz pulsierte und kroch in jede Zelle seines Körpers. Er wünschte sich, es würde wieder aufhören. Was bei Salazar war geschehen? Als er sich bewegte nahm der Schmerz noch zu. Es schien, als stünde sein Körper in Flammen, als hätte jemand den Cruciatus-Fluch an ihm angewendet. Draco wollte die Augen öffnen und blinzelte gegen die Deckenlampe, die ihn blendete. Langsam hob er seine Hand, um sie schützend vor die Augen zu halten, und sah dann, dass sie bandagiert war. Langsam ließ er die Hand wieder sinken und es schob sich ein besorgtes Gesicht in sein Blickfeld. Blaue erschöpfte Augen schauten auf ihn hinab.   „Na endlich! Ich dachte schon, Sie wachen gar nicht mehr auf!“   Das Gesicht verschwand wieder, nur um wenige Sekunden später wieder aufzutauchen. „Hier, mein Lieber. Trinken Sie das, dann wird es Ihnen gleich besser gehen.“ Dracos Verstand arbeitete ganz langsam, und es dauerte mehrere Augenblicke, bis er Madam Pomfrey erkannte, woraufhin er schlussfolgern konnte, dass er im Krankenflügel lag. Sie hielt ihm einen Becher an die Lippen und kippte ihm den Inhalt ohne große Vorwarnung den Rachen hinunter. Das Zeug schmeckte widerlich, aber das konnte ihm in diesem Moment egal sein, hauptsache die Schmerzen hörten auf. Binnen weniger Sekunden spürte er wie der Schmerz langsam nachließ. Wie ein erlöschendes Feuer, dessen glühende Kohlen immer noch warm waren, aber nicht mehr so heiß, wie die züngelnden Flammen. Aber verdammter Doxymist, es tat immer noch weh!   Draco schloss die Augen und versuchte sich nicht allzu sehr zu bewegen, um den Schmerzen vorzubeugen. Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück. Der Zaubertrank. Draco stöhnte erneut, aber diesmal nicht vor Schmerzen. Er ärgerte sich über seine eigene Dummheit. Ihm war der Kessel explodiert. Kein Wunder, dass ihm alles weh tat, denn er hatte sich richtig schön verbrüht. Der Zaubertrank schien ihn ziemlich schwer erwischt zu haben.   Als er die Augen erneut öffnete beugten sich nun schon drei Köpfe über ihn und drei ungleiche Augenpaare starrten auf ihn herab.   „Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, tadelte McGonagall, aber in ihrer Stimme lag auch Besorgnis. „Zum Glück war gerade ein Vertrauensschüler in der Nähe, der den lauten Knall gehört hat.“   „Du siehst ganz schön übel aus“, sagte Longbottom. Wenn Draco so aussah, wie er sich fühlte, musste er schlimmer aussehen als ein an Drachenpocken leidender Filch.   „Nichts was ich nicht wieder hinkriegen würde“, sagte Poppy zuversichtlich. „Gut, dass man sie schnell zu mir gebracht hat. Es dürften keine Narben bleiben.“   Narben?   Ein mulmiges Gefühl überkam Draco. Ein prüfender Blick nach unten besagte ihm, dass nicht nur seine Hand bandagiert war. Sein kompletter Körper war eingewickelt, sodass er aussah wie eine dieser Mumien aus seinem alten Geschichtsbuch. Wenigstens verdeckte die weiße Bettdecke die untere Hälfte seines Körpers.   Neville lächelte ihn aufmunternd an. „Keine Sorge. Es ist noch alles dran.“   „Wie fühlen Sie sich?“, fragte Madam Pomfrey. Mit prüfendem Blick legte sie eine Hand an seine Stirn. Draco hatte sie noch nie so freundlich erlebt.   „Als hätte mich ein Erumpent besprüht“, antwortete Draco schwach. Neville lächelte nervös, schien aber unsicher zu sein, ob Draco einen Witz gemacht hatte oder nicht.   „Das glaube ich gern.“ Madam Pomfrey nickte und tätschelte ihm den Arm, woraufhin er zusammenzuckte. „Oh, Entschuldigung. Der Schmerzlinderungstrank sollte eigentlich schnell wirken. Gleich müsste es erträglicher werden.“   McGonagall schüttelte mit dem Kopf und eine Sorgenfalte erschien zwischen ihren Augenbrauen. „Was machen Sie nur für Sachen?“   Aber Draco antwortete nicht darauf. Dafür war ihm die Situation viel zu peinlich. So etwas durfte nicht passieren. Nicht ihm. Er war Lehrer für Zaubertränke und kein verfluchter Erstklässler. Man würde ihn für eine Witzfigur halten, wenn sich herumspräche, dass er beim Zaubertränkebrauen einen Fehler gemacht hatte. Und der Aufpäppelungstrank galt noch nicht einmal als schwieriger Zaubertrank. Wieso um alles in der Welt hatte er nicht aufgepasst? Das war ihm doch noch nie passiert.   Draco sah sich im Krankenflügel um und bemerkte, dass das Bett neben ihm belegt war. Ginny Weasley saß aufrecht in ihrem Bett und sah ihn geradewegs an. Auch sie hatte Verbände an den Armen und um den Kopf. Einige rote Haarsträhnen lugten daraus hervor. Sie hatte es offenbar nicht so schlimm erwischt, wie ihn, da er näher am Kessel gestanden hatte. Abgesehen davon war nur noch ein weiteres Bett von einem Schüler belegt, der gerade laut nieste, und allem Anschein nach von einer Grippe geplagt wurde. Sonst war der Krankenflügel, Slytherin sei Dank, leer.   „Wer hätte gedacht, dass ich Sie beide mal wieder hier im Krankenflügel verarzten würde?“, schmunzelte Madam Pomfrey, während sie zwischen Draco und Ginny hin und her sah.   „Wie lange muss ich hier bleiben?“, fragte Draco.   „Keine Sorge, es wird ihnen bald wieder besser gehen“, antwortete Madam Pomfrey. „Ich habe sie mit einer speziellen Salbe eingerieben, die sollte gegen die Brandwunden helfen. Ein sehr gutes Heilmittel … Altes Familienrezept, wissen Sie? Es gibt so gut wie keine Nebenwirkungen. Einige Tage müssen sie allerdings noch hier bleiben.“   „Am Samstag ist das Quidditch-Spiel“, warf Ginny besorgt ein. „Ich muss das Spiel beaufsichtigen.“   Madam Pomfrey stemmte entrüstet die Arme in die Hüfte. „Quidditch! Immer nur Quidditch! Als wenn es nichts Wichtigeres gäbe!“ Genervt schüttelte sie den Kopf. Aber auch Draco wartete ungeduldig auf eine Antwort. Er hatte schließlich Schüler zu unterrichten. „Natürlich“, begann Madam Pomfrey augenrollend, „werden Sie bis zum Quidditchspiel wieder wohlauf sein! Sie beide. Ich gebe mir die allergrößte Mühe.“   Ginny atmete erleichtert aus.   „Nun gut“, begann McGonagall mit einem Blick auf ihre Taschenuhr, die sie hastig in ihren Umhang zurücksteckte. „Ich muss heute Abend noch einen wichtigen Brief an den Schulrat schreiben.“ Aus ihrer Tasche zog sie zwei Pergamentrollen. Eine davon übergab sie Neville. „Das sind die Bekanntmachungen für Halloween. Hängen Sie die einfach ans Schwarze Brett, Neville. Und Draco, die für Slytherin werde ich einem Vertrauensschüler übergeben. Seien Sie so gut und sagen Sie mir noch einmal wer die Vertrauensschüler von Slytherin sind.“   Draco musste nicht lange überlegen. „McNally und Norrington.“ Diesen beiden Fünftklässlern hatte er erst vor einigen Wochen die Vertrauensschüler-Abzeichen überreicht. „Richmond, Farley, Snyde und Higgs.“   „Ach ja. Schön. Die werden sich darum kümmern. Einen von denen werde ich schon finden. Werden Sie schnell wieder gesund. Nun denn“, verabschiedete sich McGonagall und sie verließ den Krankenflügel.   In diesem Moment ertönte ein lautes Niesen und Poppy blickte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. „Ich werde mal lieber nach Mister Weatherby sehen“, sagte sie besorgt und eilte davon.   Neville setzte sich auf Ginnys Bett und betrachtete die Pergamentrolle in seinen Händen. „Seit wann gibt es für Halloween eine Ankündigung?“, fragte er irritiert. „Ist das Datum nicht jedes Jahr gleich?“     „Idiot, das ist die Bekanntmachung für den Halloweenball“, sagte Draco, der versuchte sich so vorsichtig wie möglich aufzurichten. Der Trank schien zu wirken und die Schmerzen allmählich zu betäuben. Die unbequemen Betten im Krankenflügel konnte er noch nie leiden. Das Zurechtrücken des Kissens und das Aufsetzen waren so anstrengend, dass es ihm kalten Schweiß auf die Stirn trieb.   „Nenn ihn nicht so“, mahnte ihn Ginny, aber Neville winkte nur ab.   „Ach, lass ihn, ich weiß er meint es nicht so.“ Und gerade als Draco widersprechen wollte fragte er: „Was für ein Halloweenball?“   „Den gibt es erst seit ein paar Jahren“, erklärte Draco, der sich noch gut an das letzte Jahr erinnern konnte. McGonagall hatte diese neue Tradition ins Leben gerufen, vermutlich um in die Geschichte von Hogwarts, die in den vorangegangen Jahren viel Schreckliches durchgemacht hatte, mehr Freude einzubringen. Die Schüler sollten die Schule wieder als einen Ort des Friedens erleben, als Wohlfühlort, nicht als ein zertrümmertes Schlachtfeld inmitten des Zaubererkrieges.   Neville und Ginny sahen ihn neugierig an und er fuhr fort: „Er ist so ähnlich wie das alljährliche Festessen zu Halloween, nur dass es im Anschluss einen Ball gibt und alle Festumhänge tragen und, naja“, er machte eine Geste mit der Hand, wie um das Offensichtliche zu verdeutlichen, „tanzen.“   „Also so wie der Weihnachtsball damals“, erinnerte sich Ginny. Grinsend sah sie Neville an.   Und er fragte sie aufgeregt: „Weißt du noch, wie wir damals getanzt haben?“   Sie nickte. „Na klar!“   Simultan begannen beide eine Melodie zu summen und schunkelten parallel leicht hin und her, sich dabei unablässig in die Augen schauend. Draco hob eine Augenbraue und musterte die Szene skeptisch. Dann schüttelte er den Kopf. Seltsame Gryffindors. Während die beiden kicherten und in Erinnerungen schwelgten, überlegte er, ob er Madam Pomfrey rufen und sicherheitshalber um einen weiteren Schmerzlinderungstrank bitten sollte. Doch sie schien immer noch mit dem Patienten beschäftigt zu sein, der wieder wie verrückt zu niesen angefangen hatte.   „Dann werd‘ ich gleich mal die frohe Botschaft verkünden“, sagte Neville, der die Pergamentrolle wichtig emporhielt. „Und ich werde meiner Großmutter schreiben, dass sie mir meinen Festumhang schicken soll.“ Dann erhob er sich von Ginnys Bett und verabschiedete sich. „Mach’s gut, Ginny, ich besuche dich morgen wieder.“ Dann wandte er sich an Draco und schien einige Sekunden unschlüssig, wie er sich verabschieden sollte. Letztendlich nickte er ihm nur knapp zu und verschwand dann durch die Tür.   „Wusste gar nicht, dass du auf dem Weihnachtsball warst“, sagte Draco beiläufig, den Blick weiterhin auf die Tür gerichtet, durch die Longbottom gerade verschwunden war. Er konnte sich noch gut an den Ball erinnern und wie Pansy ihm beim Tanzen auf den Fuß getreten war. An diesem Abend hatte er herausfinden müssen, dass sie fasst so gut tanzen, wie sie küssen konnte.   „Ich war damals in der dritten Klasse. Neville hatte mich eingeladen, deswegen konnte ich mitgehen.“   „Mhm.“   Natürlich wusste er, dass sie auch auf dem Ball gewesen war. Draco war ein guter Beobachter. Ihm entging nichts. Vor allem nicht, wenn es um die Weasleys ging. Das musste an ihrem auffallend roten Weasleyhaar liegen, das ständig die Aufmerksamkeit auf sich zog.    „Muss ja herrlich gewesen sein, mit einem Trampel wie Longbottom zu tanzen.“   Daraufhin bekam er einen bösen Blick zugeworfen. Ginnys braune Augen schienen geradezu zu glühen. Sie mochte es nicht, wenn jemand ihre Freunde beleidigte. „Er ist ein großartiger Tänzer“, sagte sie.   „Darauf wette ich.“   Lange Zeit war es ruhig, nur das stetige Niesen von Weatherby durchbrach ab und an die Stille. Durch die hohen Fenster konnte man den Mond scheinen sehen. Draco musste mehrere Stunden bewusstlos gewesen sein. Wie spät es wohl war? Er wusste nicht, ob er überhaupt schlafen konnte, bei den Schmerzen, die er hatte. Er versuchte es sich im Bett bequem zu machen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Wie gern läge er jetzt in seinem großen Bett in Malfoy Manor … Oder zumindest in dem Bett in seinem Lehrerzimmer, dass immer noch größer war, als dieses hier. Immerhin war es für Schüler ausgerichtet. Draco konnte sich noch erinnern, wie die Betten im Krankenflügel Jahr für Jahr kleiner zu werden schienen, mit jedem Zentimeter, den er wuchs. Oft hatte er hier die Nächte verbracht. Viel zu oft.   Irgendwann riss Ginny ihn aus seinen Kindheitserinnerungen. „Du warst früher unausstehlich.“ Es war keine Beleidigung, sondern eine Feststellung, und er wusste, dass sie recht hatte. Als er ihrem Blick begegnete, konnte er ihn nicht richtig deuten. „Ich weiß noch“, fuhr sie fort, ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, „wie du mich damals am Valentinstag vor der ganzen Schule bloßgestellt hast. Ich war erst in der ersten Klasse und du hast mich fertig gemacht.“   „Du meinst doch nicht etwa dieses bescheuerte Lied?“ Draco musste lachen. „Wie ging das noch mal? Seine Augen, so grün wie frisch getötete Kröte …“   „Gepökelte.“   „Wie auch immer.“   Daran konnte Draco sich noch gut erinnern. Die Rothaarige hatte damals geheult wie die Maulende Myrte. Und es hatte ihm Spaß gemacht, sie so zu sehen. Dieses Gedicht, das sie für Potter geschrieben hatte, hatte ihn damals einfach rasend gemacht. Schon damals hatte er sich gefragt, was sie an diesem Narbengesicht mit der verstrubbelten Frisur fand. Dabei hatte er keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Er selbst hatte am Valentinstag unzählige an Liebesbotschaften erhalten, und doch schaffte es ein einziger an Potter adressierter Brief, ihm das alles zu vermiesen.   „Einige Jahre später habe ich es dir dafür heimgezahlt“, sagte Ginny grinsend. „Ich weiß gar nicht wie oft wir beide aneinander geraten sind.“   „Ich erinnere mich noch an den Flederwichtfluch, den du mir auf den Hals gejagt hast.“ Die Nacht darauf hatte er ebenfalls im Krankenflügel verbringen müssen.   „Aber nur weil du mir zu unrecht Hauspunkte abgezogen hattest.“ Ginny legte sich auf die Seite, einen Arm unter dem Kopf, und sah ihn an. „Ich bin froh, dass du nicht mehr so bist.“ Und nach einer Pause fügte sie hinzu: „Du hast dich verändert.“   „Ich schätze, wir alle haben uns verändert.“ In seiner Stimme schwang eine Spur Bitterkeit mit.   Kein Wunder, bei dem, was sie alle durchgemacht hatten.   Sein Leben hatte er sich immer komplett anders vorgestellt. Für ihn hatte immer eines festgestanden: Nach Hogwarts würde er ein berühmter Quidditchspieler werden, während Potter in einer Zelle in Askaban verrottete und sein Vater eines Tages Zaubereiminister wird. Stattdessen hatte sein Vater in Askaban gesessen, Potter hatte ihm im Krieg das Leben gerettet und Ginevra Weasley war eine berühmte Quidditchspielerin. Und Neville Longbottom war Professor und unterrichtete in Hogwarts. Wenn ihm das damals jemand in der ersten Klasse erzählt hätte, hätte er sich totgelacht. Kaum zu glauben, wie sie sich alle entwickelt hatten. Da fiel ihm ein, dass er noch irgendwo Longbottoms Erinnermich haben musste, das er ihm in seinem ersten Schuljahr abgenommen hatte. Es musste irgendwo hier in Hogwarts liegen. Irgendwann hatte er es einfach nicht mehr finden können und er hatte schnell etwas anderes gefunden, womit er seine Zeit vertreiben konnte.   „Nur eines wird sich nie ändern“, riss Ginny ihn aus seinen Gedanken. „Wir werden euch immer im Quidditch schlagen.“   Draco schnaubte. „In deinen Träumen, Weasley.“   „Na vielleicht hat Slytherin jetzt eine Chance, wenn du nicht mehr der Sucher bist.“ Er strafte sie mit einem bösen Blick, den sie gekonnt ignorierte. „Naja, nicht mal dann. Und ich glaube du kennst meinen Vornamen.“   Draco legte sich ebenfalls auf die Seite, den Arm unter dem Kopf verschränkt, in der gleichen Position wie sie. Die Bewegungen taten kaum noch weh. „Wie wäre es mit einer Wette, Weasley?“   „Was?“   „So meine Lieben.“ Madam Pomfrey war wieder da und hielt in jeder Hand einen Becher. „Ich gebe Ihnen beiden noch etwas Medizin für die Nacht, damit sie gut schlafen können.“ Sie gab beiden jeweils einen Becher und wenig später löschte sie das Licht im Krankenflügel mit ihrem Zauberstab und Dunkelheit legte sich über den Raum. Der Mond am Himmel war bereits weiter gewandert.   „Wir wetten, welches Team gewinnt“, schlug Draco vor, als Poppy durch die Tür hinaus war. Er leerte seinen Becher in einem Zug.   Diesmal war Ginny diejenige, die schnaubte. „Mit dir wette ich sicher nicht!“   „Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?“   „Ich will einfach nicht!“ Sie hielt sich die Nase zu und trank ihren Becher ebenfalls leer. „Uargh, schmeckt das widerlich.“   „Jemand wettet nur nicht, wenn er weiß, dass seine Siegeschancen gleich null sind“, schlussfolgerte Draco. „Na komm schon, Weasley, so eine Wette wäre doch sicher spannend.“   „Ha, als ob! Ich wette bestimmt nicht mit dir, weil da eh nichts Gutes bei raus kommt. Ich will gar nicht wissen, worum du wetten würdest.“   Draco hob fragend eine Augenbraue. „Woran du schon wieder denkst.“   „Ich würde dir eine Menge zutrauen.“ Abschätzend sah sie ihn an und zuckte mit den Schultern.   Fragend zeigte Draco auf sich und meinte: „Ich bin die Unschuld in Person.“   „Du vergisst, wegen wem wir hier drin liegen.“ Ginny verschränkte die Arme hinterm Kopf und starrte an die Decke. „Mit einem Slytherin zu wetten kann nichts Gutes verheißen. In Slytherin weiß man noch List und Tücke zu verbinden“, zitierte sie den Sprechenden Hut. „Nein, danke. Das würde ich sicher mein Leben lang bereuen.“   Draco musterte sie noch einen Moment, gab sich dann aber geschlagen. Seine Augen wanderten über ihren Körper, dessen Kurven er im schwachen Licht des Mondes ausmachen konnte.   Schade.   Das hätte spannend werden können.   ***   Es regnete in Strömen. Nicht mal zehn Minuten nach Anpfiff des Spiels hatte der Himmel angefangen sich über ihren Köpfen zu entleeren. Die Anfeuerungsrufe der Schüler gingen im lauten Prasseln des Regens unter und die Plakate, die sie für ihre Mannschaften angefertigt hatten, waren durchgeweicht und die Schriften unleserlich verschmiert. Draco verzog genervt das Gesicht. Am liebsten wäre er zum Schloss zurückgegangen, aber Slytherin führte momentan, und falls sie siegen sollten, wollte er sich das keinesfalls entgehen lassen. Allerdings wäre es ihm nur recht, wenn jemand endlich mal den Schnatz fangen würde, damit sie alle raus aus dem Regen und rein ins Trockene gehen konnten. Auch die Mienen der anderen Lehrer wirkten nicht gerade, als würden sie sich amüsieren. Manche von ihnen hielten Regenschirme über ihren Köpfen und versperrten anderen somit die Sicht, und diejenigen, die vergessen hatten einen Schirm mitzubringen, benutzten den Zauberstab, um sich vor dem Regen zu schützen. Das erste Spiel der Saison fiel buchstäblich ins Wasser.   Die Quidditchspieler konnten unter diesen Bedingungen nur schlecht sehen. Einige von Ihnen setzten ihre Brillen und Kapuzen auf, um sich wenigstens ein bisschen zu schützen, doch es half alles nichts. Sie alle waren nass bis auf die Knochen. Der neue Jäger von Gryffindor ließ andauernd die glitschigen Bälle fallen und das wütende Geschrei des Kapitäns der Mannschaft ging im Regen unter. Doch auch die Slytherins litten unter den schlechten Wetterbedingungen. Ihr Hüter konnte so schlecht sehen, dass er mehrere Bälle durch die Torringe fliegen ließ, und die Gryffindors dadurch einige Punkte erzielten. Dennoch führten die Slytherins immer noch haushoch. Bei diesem Vorsprung würde Slytherin selbst dann als Sieger hervorgehen, wenn Gryffindor den Schnatz fangen sollte. Aber keiner der beiden Sucher schien den Goldenen Schnatz finden zu können.   Die Stimme des Stadionsprechers verkündete gerade weitere zehn Punkte für Slytherin, als Draco plötzlich etwas Goldenes aufblitzen sah. Er hatte den Schnatz gesehen, so ziemlich in der Mitte des Quidditchfeldes – als ehemaliger Sucher konnte er es sich nicht nehmen lassen bei den Spielen immer wieder Ausschau nach dem kleinen flinken Ball zu halten –, doch Declan Burke, der Sucher von Slytherin, sah in die genau entgegengesetzte Richtung. Verdammt!   Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der gegnerische Sucher plötzlich zu einem Sturzflug ansetzte. Draco stöhnte frustriert auf.   „Anscheinend hat Eustace Byrne den Schnatz gesehen!“, verkündete Neil Baxter, der Stadionsprecher, durch sein magisches Mikrofon. Ein Raunen ging durch die Menge. Aber es hätte auch genauso gut der heulende Wind im Regen gewesen sein können. Burke sah sich daraufhin suchend um und flog blindlings hinter dem gegnerischen Sucher her, doch der Abstand zwischen den beiden war viel zu groß, um noch aufgeholt werden zu können. „Tja, zu spät für Slytherin!“, sagte Baxter und die Gryffindors jubelten auf. „Na also, Byrne fängt den Schnatz! Hundertfünfzig Punkte für Gryffindor!“       Ginny pfiff kräftig in ihre Pfeife und beendete damit das Spiel. Auch sie saß klitschnass auf ihrem Besen, die nassen roten Haare klebten ihr im Gesicht.   Die Quidditchspieler landeten alle wieder auf dem Boden. Byrne bekam einige anerkennende Schulterklopfer seiner Mannschaftskameraden zu spüren, doch die große Freude über seinen Fang blieb aus, da sie trotz allem verloren hatten. Die Slytherins wiederum johlten und feierten ihren Sieg. Langsam trotteten sie in die Richtung der Umkleidekabinen. Auch die Tribünen begannen sich zu leeren. Die Schüler wollten eilig zurück ins Trockene.   „Gratulation zum Sieg“, beglückwünschte ihn die Schulleiterin. Draco bemerkte, dass sie seinen Blick mied und ihre Mundwinkel wirkten steif.   „Vielen Dank, Minerva“, antwortete er stolz und versuchte dabei möglichst bescheiden zu wirken. Der Sieg über Gryffindor war für ihn zuckersüß und es gab nichts Besseres, als das Gesicht eines enttäuschten Löwen. Trotzdem konnte er sich ein Feixen nicht verkneifen. „Ein verdienter Sieg, möchte ich meinen.“   Professor McGonagall tätschelte ihm unbeholfen die Schulter und ging mit den Worten „dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen“ davon.   Auch andere Lehrer gratulieren dem Hauslehrer von Slytherin im Vorbeigehen und Draco verließ als Letzter die Tribüne der Lehrer. Er war zufrieden. Slytherin hatte zwar nicht den Schnatz gefangen, aber dafür immerhin das Spiel gewonnen. Somit waren sie dem Traum vom Quidditchpokal ein Stückchen näher. Nachher würde es im Gemeinschaftsraum sicher eine große Party geben. Das hatten sich die Spieler auch verdient, nach dem harten Training, das er angesetzt hatte. Vielleicht würde er nachher mal auf ein Butterbier vorbeischauen.   Doch vorher hatte er noch etwas zu erledigen.   Ginny war die Letzte auf dem Feld. Sie war gerade dabei die Bälle in der Holzkiste zu verstauen, als sie Draco bemerkte.   „Was willst du? Ich hab’s eilig“, blaffte sie ihn an, als sie über ihre Schulter schaute. Der Regen ließ sie blinzeln. Sie klappte den Deckel zu, verriegelte die Kiste und griff nach ihrem Besen. Zügig schritt sie an ihm vorbei, mit den Quidditchbällen unter dem Arm. Das Gesicht war vom Fliegen gerötet. Während sie klitschnass war blieb Draco trocken. Er hielt seinen Zauberstab locker in der bandagierten Hand, als hielte er einen unsichtbaren Regenschirm, an dem der Regen abprallte, die andere Hand in der Hosentasche. Seine Verbrühungen waren beinahe gänzlich verheilt und bei Ginny waren überhaupt keine Spuren mehr von dem Tränkeunglück zu erkennen.   Draco ging unbekümmert hinter ihr her. Es fiel ihm nicht schwer mit ihr Schritt zu halten. „Warum denn so angespannt? Traurig, dass Gryffindor verloren hat?“   Als Antwort bekam Draco nur einen wütenden Blick über die Schulter zugeworfen. Ohne ein Wort ging Ginny weiter. Ein fieses Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Er liebte es, sie zu ärgern. „Sei kein schlechter Verlierer.“ Seine Augen wanderten über ihre Kleidung, die nass an ihrem Körper klebte, wodurch ihre Kurven betont wurden. Das, was er sah, gefiel ihm. „Und wo sind eigentlich deine Manieren?“, fragte er. „Du solltest mir gratulieren.“   Ginny blieb abrupt stehen und drehte sich um, sodass er beinah in sie hineingelaufen wäre. Die Kiste ließ sie einfach auf den Boden fallen, wobei Schlamm sie beide bespritzte, was Draco missbilligend beäugte. Jedoch hatte er keine Zeit, sich darüber zu beschweren, da sie ihm bereits das Ende ihres Besenstiels gegen die Brust drückte. Wütend funkelte sie ihn an. „Wieso sollte ich ausgerechnet dir gratulieren, Malfoy?!“   Anscheinend war sie wieder bei seinem Nachnamen angelangt. Draco rollte mit den Augen und gestikulierte mit der Hand, als wäre das, was er meinte, offensichtlich. „Weil Slytherin gewonnen hat.“   Mit Genugtuung beobachtete er, wie ihr Gesicht noch röter wurde. „Das war nicht dein Verdienst!“   „Ich werde nachher über deine Worte nachdenken“, lächelte er, „wenn ich mit den anderen Slytherins im Gemeinschaftsraum feiere.“   Wenn Blicke töten könnten.   „Tu, was du nicht lassen kannst!“ Ginny starrte ihn noch einige Sekunden böse an, ehe sie auf dem Absatz kehrtmachte und mit dem Besen in der Hand davonstapfte. Draco hätte schwören können, sie noch einige wüste Beschimpfungen murmeln zu hören, was aber bei dem Prasseln des Regens schwierig zu sagen war. Kurz überlegte er, ob er ihr vielleicht einen Stolperfluch aufhalsen sollte, damit sie im hohen Bogen im Matsch landete, entschied sich dann aber doch dagegen. Die Euphorie des Sieges hatte ihn gnädig gestimmt.   Er hob die Kiste mit den Bällen auf. Es dauerte nur wenige Schritte, bis er sie wieder eingeholt hatte. „Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte er unschuldig.   Abrupt blieb Ginny stehen. Sie fluchte laut.   Dann blieb plötzlich der Regen über ihr aus. Überrascht sah sie nach oben. Langsam drehte sie sich um. Draco stand dicht vor ihr. Sie starrte ihn einfach nur an, aus großen braunen Augen. Ihre Wimpern waren nass und verklebt. Mehrere Regentropfen tropften aus ihrem Haar ihr sommersprossenbesetztes Gesicht hab. Seine grauen Augen folgten ihnen, während sie ihre blasse Haut hinabliefen.   Draco legte den Kopf leicht schief. Mit einem süffisanten Lächeln sagte er: „Dein Glück, dass wir nicht gewettet haben.“   Ginny lief knallrot an.   Mit sanfter Gewalt drückte er ihr die Kiste mit den Quidditchbällen in die Hand, bevor er an ihr vorbeiging, Richtung Schloss, und dabei eine verwirrte Ginny Weasley zurückließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)