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Naél - Eine neue Kraft

von

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Naél kehrt zurück...

Domino City. Ein Tag wie jeder andere. Unsere allseits bekannten Freunde waren auf dem nach Hause weg zu Yugi. Des Öfteren lädt er sie zu sich nach Hause ein – welches ein Wunsch seines Großvaters war. Entweder zum Essen, oder einfach nur zum Sehen oder Da sein. In ihrer Freizeit unternahmen sie alle vieles gemeinsam. Es war eine Zeit zwischen Frühling und Sommer. Eine Zeit voller Freude und Spaß. Auch Tea hatte mit ihren Freunden großen Spaß. Doch obwohl sie sich so gut amüsierten, bedrückte Yugi etwas.
 

„Du bist den ganzen Tag schon so merkwürdig drauf. Was ist los?“, fragte sein anderes ich ihm im Inneren. Yugi lächelte. „Es ist eigentlich nichts. Es ist nur so, es gibt derzeit zu wenige Duelle, die wir ausführen könnten. Desweiteren kommen mir alte Erinnerungen wieder zum Vorschein.“ Yami fragte nach. „Was denn für Erinnerungen?“ Yugis Blicke wandten dem blauen, wolkenlosen Himmel zu. „An meine Schwester, Naél.“ Yami zuckte zusammen, als er dies hörte. Yugi hatte nie eine Schwester erwähnt, geschweige Bilder von ihr im Haus gesehen. Er wusste demnach überhaupt nicht, wie sie aussah. Ob sie Yugi sehr ähnlich sah? Doch ehe er erneut nachfragen konnte, fiel Yugi ihm ins Wort. „Sie wurde vor etwa sechs Jahren von hier weggeschickt. Es geschah an einem Morgen. Als ich aufwachte, bemerkte ich, dass sie nicht mehr in ihrem Bett lag. Ich sprang auf und lief hinunter, wobei ich merkte, dass unsere Eingangstür offen war. Dort entdeckte ich meinen Großvater mit Naél.“
 

„Yugi! Wo bleibst du nur?“, unterbrach ihn Tea. Als Yugi hochschaute, bemerkte er, dass seine Freunde weit vorn von ihm entfernt waren. Freundlicherweise, wie sie auch alle waren, warteten sie auf Yugi, als er schließlich in einem schnelleren Tempo bei ihnen ankam.

„Bedrückt dich etwas?“, fragte Tea ihn anschließend. Yugi zwang sich zu einem Lächeln. „Alles in Ordnung, Tea. Mach dir da keine Sorgen.“ Tea fragte auch nicht mehr nach.

„Hey Yugi. Was gibt’s denn eigentlich bei euch zu essen?“

„Typisch Joey.“, meinte Tristan dazu.

„Na und! Das muss ich wissen!“

„Du musst aber auch alles wissen!“

„Wenn‘s ums Essen geht schon!“ Joey und Tristan hatten erneut ein Thema zum streiten gefunden. Doch auch wie jeder andere aus dieser Gruppe, wussten sie, dass ihre Streitigkeiten ganz schnell vorüber gingen und meist auch nicht ernst gemeint waren. „Hey…ihr müsst euch jetzt nicht deswegen streiten. Was hättet ihr denn gerne? Ich kann’s meinem Großvater ausrichten, er macht uns dann etwas“, versuchte Yugi die beiden damit auseinanderzuhalten. „Er soll nicht unseretwegen sich überanstrengen.“, sagte Tea. Doch Yugi lächelte nur. „Das ist schon ok, Tea. Du weißt, wie gerne er etwas für uns kocht.“
 

„Heute gibt’s Pizza!“, rief Yugis Großvater aus der Küche heraus. „Super! Endlich wieder Pizza!“ Tristan verdrehte seine Augen, als er diesen Satz von Joey hörte. So typisch, dachte Tea. „Ich gehe mich kurz umziehen. Gleich wieder da.“ Yugi lief die Treppen zu seinem Zimmer hoch. Doch als er die Tür hinter sich zuschloss, fühlte er erneut diese Einsamkeit in seinen Herzen und die Erinnerungen an seine Schwester Naél. Sechs Jahre sind nun vergangen, als er Naél das letzte Mal sah…

„Möchtest du gerne mit mir darüber reden?“, fragte ihn Yami. „Außerdem hattest du vorhin nicht weitererzählt.“ Yugi setzte sich auf sein Bett. „Ich entdeckte meinen Großvater mit Naél, wie sie Koffer in ein schwarzes Auto legten. Naél bemerkte mich und kam mit einem Lächeln im Gesicht auf mich zu. Doch als sie mich zum letzten Mal umarmte, bekam sie Tränen, die nur aus ihren Augen quollen. Ich werde an ein Internat geschickt, in der ich die Schule fortsetze. Wir werden uns leider nicht mehr sehen können, Bruder. Pass‘ gut auf Großvater auf, verstanden? Das waren ihre letzten Worte, die sie mir sagte und stieg ins Auto ein…“. Obwohl Yami selbst nie so etwas durchgemacht hatte, verstand er die Sorge von Yugi sehr. Fertig umgezogen, ging Yugi hinunter zu den anderen zum Essen.
 

Zur selben Zeit fuhr ein Auto durch die Straßen Domino Citys. Darin saß eine junge Frau, die hinaus in die Stadt guckte und dessen Einwohner beobachtete. Ob er sich noch an mich erinnert?, war der Gedanke der jungen Frau. Sie fuhren an der Kaiba Corporation vorbei. Die Frau lächelte. „Es hat sich hier vieles verändert.“ Schließlich hielten sie an einem kleinem Spielladen an. Die junge Frau stieg aus und atmete die frische Abendluft tief ein und wieder aus. „Ich bin wieder zu Hause…“, sagte sie mit einer aufgeregten und freudigen Stimme. Sie lief zum Hintereingang, welches gleichzeitig die Eingangstür eines Hauses war. Dort blieb sie einen kurzen Moment stehen und hielt inne.
 

Sie waren gerade alle mit dem Essen fertig, als es an der Tür klopfte…

„Nanu? Wer mag das sein?“, fragte sich der alte Salomon Muto. „Ich gehe sie öffnen.“ Yugi und seine Freunde blickten gespannt, wie sein Großvater die Tür öffnete, um womöglich der dahinterstehenden Person hereinzulassen. Doch was sein Großvater sah, hätte sich keiner in dem Haus jemals Gedacht. Nicht einmal Yugi, obwohl es so viele Jahre her ist…
 

„Hallo, Großvater.“, begrüßte sie ihrem Großvater mit einem sanften Ton. Dieser jedoch stand mit weit geöffnetem Mund am Eingang und konnte immer nicht fassen, wen er vor sich hatte. „Naél?“ Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht der jungen Dame. Salomons Hände näherten sich ihrem Gesicht, bis er es fühlen konnte. Aus seinen Augen bildeten sich kleine Tränen, die langsam seinem Gesicht hinunterliefen. Naél umarmte ihren Großvater. Selbst sie konnte ihre Tränen nicht unterdrücken. „Ich bin wieder daheim“, sagte sie. Ihr Blick ging weiter zu Yugi, der nicht mehr saß, sondern sie stehend mit großen Augen ansah. Naél löste sich von ihrem Großvater und lief mit mäßigem Gang zu ihrem Bruder. „Du hattest immer die schöneren lila Augen als ich, mein Zwillingsbruder. Yugi Muto.“ Sie blieb vor ihm stehen. Yugi konnte es immer noch nicht fassen, dass er seine Schwester Naél vor ihm sah. Sechs lange Jahre waren‘s her…
 

Yami beobachtete die beiden aus kleiner Entfernung. Er hatte sich an einer Wand angelehnt. Seine Freunde hätten ihn sehen müssen, doch Yugi war der einzige, der ihn in dieser Form sehen konnte. Naél war für ihn neu. Es dauerte eine Weile, bis er Ähnlichkeiten mit Yugi fand. Als Zwillingsgeschwister hätte er sie niemals gedacht. Aber er fragte sich immer noch, warum Yugi ihm nie etwas über seine Schwester erzählt hatte. Schämte es ihm? Und wenn ja warum? Doch obwohl er sich solche Fragen stellte, interessierte Naél ihn immer mehr. Er konnte dieses Gefühl, was er empfand, wenn er sie immer wieder ansah, nicht beschreiben. Was ist das? Doch plötzlich spürte er eine starke Aura in dem Raum. Eine Macht, die er vorher nicht kannte. Doch das meiste, was ihn beunruhigte, war, dass diese neue Macht von Naél ausging. Als er hochblickte sah er, wie Naél ihren Blick ruckartig in seine Richtung richtete. Sie guckte sich umher. Hatte sie ihn bemerkt?

„Naél? Alles in Ordnung?“

„Jaa…Alles ok…Ich werde in mein Zimmer gehen. Es war eine anstrengende Fahrt.“ Ohne ein weiteres Wort, lief Naél gewohnt ins Zimmer hoch.

Ihr Bruder hatte das Zimmer verändert. Ihr Bett, das früher unter dem Fenster stand, war weg. Ebenso ihr Schrank, ihre Spielsachen, ihre Bilder. Sie erinnerte sich noch an ein Foto von Yugi und ihr, das ihr Großvater vor sechs Jahren in ihren Lieblingspark geschossen hatte. Das hatte sich Yugi als Erinnerung auf seinem Schreibtisch gestellt. Weg… Das Foto stand nicht mehr da… „Ich kann deinen Hass verstehen, Yugi. Ich wollte auch nicht, dass ich gehen musste… Aber es ging nicht anders…“ Sie setzte sich auf sein Bett und blickte quer in sein Zimmer. „Du hast es dir hier sehr schön eingerichtet. Die Sachen deiner Schwester hast du wohl in den Keller gestellt? Du hattest den Grund dazu…“ Ach Yugi, wenn ich es dir doch erklären könnte…

Erste Bekanntschaft...

Neugierig, wie er war, folgte Yami Naél in Yugis Zimmer. Er wollte wissen, was es mit ihr auf sich hatte – falls es etwas gab. Wunderschön, dachte er. Naél hatte dieselben lila Augen, wie Yugi. Mittelblondes, langes und glattes Haar verschönerte ihr Gesicht. Das meiste aber, was Yami faszinierte, war ihre schwarz-lila Strähne. Die Strähne fing am Haaransatz mit schwarz an und ab der Mitte lila bis in die Spitzen. Man könnte sie also schon als eine Familienangehörige einsortieren. Yami musste lächeln, als er daran gedacht hatte. Langsam näherte er sich Naél und kniete sich vor ihr hin. Sie sah traurig aus. An was hatte sie gedacht? Mit seiner rechten Hand versuchte er Naéls Wangen zu erfühlen und zu streicheln. Doch kaum, als er Naéls Wärme in seinen Finger spürte, floss dieselbe Kraft durch seinen Körper und zeigte Bilder, die er vorher nie gesehen hatte. Aber auch Naél reagierte, denn nun blickte sie ihm in die Augen. Geschwind sprang sie auf. „Wer ist da!“ Ängstlich sah sie sich im Raum um. Was? Sie hat mich nicht entdeckt?, dachte Yami nur. Kann sie mich nicht sehen? Genau wie die anderen? „Wer ist hier in diesem Raum?“ Naél atmete unregelmäßig ein und aus. Ihr gefiel diese Art von Spaß nicht – falls es ein Spaß von Yugi sein sollte…
 

In der Zwischenzeit verabschiedeten sich Joey und die anderen von Yugi.

„Danke nochmal, Yugi.“, meinte Joey

„Danke und bis morgen vielleicht.“, sagte Tristan.

Tea war die letzte, die das Haus verließ. Kurz vorher drehte sie sich zu Yugi um. „Wir sehen uns.“, sagte sie lächelnd. Yugi nickte. Doch bevor sie sich den anderen gesellte, sagte sie noch einen Satz.

„Grüß ihn von mir…“

„Werde ich ausrichten.“, meinte Yugi daraufhin. Lächelnd ging sie fort und Yugi schloss die Tür. Er wusste, was Tea damit meinte. Es war schon seit langem offensichtlich, welche Gefühle sie für Yami empfand. Doch obwohl sie immer den näheren Kontakt zu ihm suchte, lehnte er sie im Vorfeld schon ab. Sie ist eine gute Freundin von uns…Ich kann mit ihr keine Beziehung eingehen... meinte er immer zu Yugi. Doch Yugi kannte Tea. Er wusste dass sie niemals aufgeben würde und es weiterhin versuchen würde. Auch wenn Yami sie jedes Mal abblitzen lassen würde. Sie wird nicht aufgeben! Yugi fragte sich, wie es seiner Schwester wohl gehen würde und lief in sein Zimmer, die Treppe hoch.

Yugi entdeckte seine Schwester völlig aufgebracht und nervös. „Naél? Was ist los?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Yugi…Wer ist noch in diesem Zimmer?!“ Yugi zuckte zusammen. Er sah sein anders Ich hinter ihr stehen. Als Naél bemerkte, das Yugi an ihr vorbeischaute, drehte sie sich um. Vergeblich, denn sie sah nichts. „Wer befindet sich noch in diesem Raum?!“ Yugi schwieg. Wie konnte er es ihr nur erklären? Schweigend drehte er sich um. Den Kopf gesenkt. Kurz daraufhin erstrahle ein helles grelles Licht. Naél hielt sich ihre Hand vor den Augen und konnte deswegen nicht genau erkennen, was vorging. Doch dieser Augenblick dauerte nicht sehr lange. Naél blickte sich um, doch schien alles unverändert zu sein. „Yugi? Was war das?“ Naél bekam keine Antwort und auch Yugi bewegte sich nicht von seiner Stelle. Als Naél immer noch keine Antwort bekam, näherte sie sich ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. „Yugi?“ Erst jetzt drehte er sich ihr langsam um. Naél war wie festgefroren, als sie in andere lila, wunderschöne Augen sah…
 

Es fiel ihm schwer, in ihre Augen zu blicken. Er hatte ihr schon zu viel Aufregung und Nervosität bereitet. Beide schwiegen. „Wer…bist…du?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Sie nahm Abstand von ihm. Als Yami sich ihr nähern wollte, hielt sie ihn davon ab. „Halt! Wer bist du und was hast du mit Yugi gemacht?!“ Yami seufzte. „Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll…“ Naél antwortete darauf nicht. Sollte er es doch versuchen. Doch Yami konnte ihr nicht einfach so sagen, dass er ein 5000-jähriger Geist war, der im Milleniumspuzzle lebte und ab und zu den Körper mit Yugi tauschte. Aber ihm fiel nichts anderes ein…
 

Naél gefiel dieses Schweigen nicht. Dieser Andere, der ihr gegenüber stand, hatte zwar eine sehr große Ähnlichkeit mit ihrem Bruder Yugi, aber konnte es nicht sein! „Du bist nicht Yugi, richtig?“, fing sie ungewollt an zu fragen. Er schüttelte seinen Kopf.

„Was ist dann mit Yugi? Was ist mit ihm geschehen?“

„Er ist immer noch da. Ich tauschen nur manchmal unsere Körper.“

„Die Körper?!“

„Sagen wir die Seele?“

Naél wurde schwindelig.

„Stört es, wenn ich kurz das Fenster aufmache?“

„Natürlich nicht.“

Naél trat an das Fenster und öffnete diese. „Wenn ich also wiederholen darf: Du bist also eine Seele, die den Körper meines Bruders benutzt, damit du dich unter uns gesellen kannst?“ Yami nickte. „So in etwa…Ja…“ Naél blickte hinaus in die Dunkelheit. Erneut war es still und keiner sagte etwas. Selbst Yami traute sich keinen Schritt in ihre Richtung zu machen. Doch plötzlich drehte sie sich um und blickte in seine Augen. „Er ist hier im Raum…Hab ich recht?“ Erneut nickte Yami. „Er steht genau hinter dir.“ Naél blickte in den Raum, doch sah nichts.

„Ich sehe ihn nicht…“

„Streck‘ deine Hand aus.“

„So?“

„Warte.“ Yami näherte sich ihr und stellte sich genau neben ihr. Langsam nahm er ihre Hand und streckte sie in Yugis Nähe. Sein Herz pochte, als er Naéls Hände berührte. Sie selbst hatte zuerst ein wenig gezuckt.

„Und nun?“, fragte sie.

„Vielleicht wirst du etwas merken.“ Yugi streckte selbst seine Hand aus und hielt ihre fest. In dem Moment spürte Naél einen kalten Schauer am Rücken. Sie erschrak. „War er das?“ Yami nickte. Zum ersten Mal wurde Naél klar, das sie lieber hier geblieben wäre, als weggeschickt zu werden. Das sie auf ein Internat geschickt werde musste, war schon gelogen. Sie hatte schwere sechs Jahre hinter sich. Wäre da bloß nicht dieser Fluch…

Der Phönix...

Naél zog ihren Arm zurück. Ihr Blick war kühl und endlos. Für sie war das alles zu viel. „Entschuldige mich bitte kurz…“ Naél verließ in einem hurtigen Tempo das Zimmer. An ihrem Großvater vorbei, der ihr überraschend hinterher sah, öffnete sie die Badezimmertür. Über dem Waschbecken gebeugt hielt sie sich mit ihrer Hand den Mund zu. Ihre Augen kniff sie sich zusammen. Naél hatte in ihrer Zeit vieles gesehen, erlebt und gehört, aber so etwas? Als sie ihre Augen öffnete, entdeckte sie die Stehstellen von Spritzen, die man ihr gab…
 

Sie war nicht die Art von Frau, die auf Drogen oder Alkohol stand. Eigentlich hatte Naél nie den Zwang danach gehabt. Mit Ausnahme von Zigaretten…Heimlich hatte sie bei ihrem Aufenthalt eine geraucht, aber schon nach zwei Monaten aufgehört. Naél blickte in den Spiegel. Sie sah überhaupt nicht gut aus. Leichte Augenringe, kraftlos, müde und dazu hatte sie Kopfschmerzen. Als sie das Badezimmer verließ, sah sie ihren Großvater, der sich mit Yugi unterhielt. „Alles in bester Ordnung, Naél?“, fragte Salomon. Sie nickte. „Ich bin nur müde. Ich denke, ich werde im Wohnzimmer auf der Couch schlafen.“ Sie wandte sich ihnen ab.

Der alte Salomon verstand Naéls Kummer. Er war dabei gewesen, als Yugi ihre Sachen aus dem Zimmer entfernte.

„Junge, was machst du denn da?“

„Ich beseitige Naéls Sachen! Ich will mich nicht mehr an sie erinnern! Von einem Tag zum anderem ist sie einfach weggegangen und hat sich nicht mehr gemeldet! Nicht mal den genauen Grund hat sie mir verraten“ Unter Tränen hatte sein Enkel diese Sätze gesagt. Doch auch er durfte Naéls wahren Grund nicht preisgeben. Nicht einmal seinem Enkel Yugi…
 

Yugi fiel es schwer, daran zu denken, dass er Naéls Sachen aus dem Keller wieder hochholen müsse. Vor Jahren hatte er sie vor Wut dort gebunkert und den Keller seitdem nie mehr betreten. Was hätte er denn tun sollen? Auch er wurde etwas größer und brauchte Platz im Zimmer. Da waren ein Bett und ein Schrank zu viel. Außerdem erreichten die Geschwister nun ein Alter, wo sie miteinander wenig zu tun hätten. Naél wäre spätestens mit 18 Jahren hier ausgezogen und hätte eine eigene Wohnung gesucht. Aber Yugi verstand immer noch nicht, warum gerade jetzt Naél nach Hause kam? Sie war jahrelang weg, hatte sich jahrelang nicht gemeldet und auf einmal war sie wieder da?

„Großvater? Warum war eigentlich Naél die jahrelang über fort?“
 

Salomon schwieg. Er wusste, dass er nun Yugi nichts mehr vortäuschen könne. Nicht mehr die Lüge erzählen, von wegen, sie sei auf einem Internat. Aber die Wahrheit würde nicht er sagen. Nein! Naél solle das machen. Er würde kein einziges Wort sagen! Als Yugi keine Antwort von ihm bekam, hakte er nach.

„Großvater?“ Er lächelte seinen Enkel an. „Warum fragst du nicht deine Schwester?“

„Aber warum sagst du es mir nicht?“

„Naja…Ich war ja nicht fort…Sie wird dir schon nicht böse sein, wenn du sie fragst. Trau dich einfach. Ich werde mich auch hinlegen. Gute Nacht.“ Ohne noch einmal ins Gesicht seines Enkels zu blicken wandte auch er sich ab. Yugi bekam Schuldgefühle…
 

Naél konnte in dieser Nacht schlecht schlafen. Es war für sie neu, auf der Couch im Wohnzimmer zu schlafen. Sonst war sie immer mit ihrem Bruder in einem Zimmer gewesen. Aber diese Nächte waren nichts gegen die in Europa. Es gab Nächte, da kamen die Ärzte ins Zimmer geplatzt und rissen sie aus dem Schlaf. Sie zerrten sie zu Räumen, in der sie sich den Untersuchungen unterwarf. Es waren anstrengende Nächte und nur selten konnte sie ausschlafen. Und das sechs Jahre lang… Keiner war wach, als sie vom Wohnzimmer ins Esszimmer lief. Warum auch? Es war sechs Uhr morgens und Samstag. Sollte immerhin ihre Familie ihre Ruhe haben. Naél setzte sich auf einen der Stühle um den Esstisch. Es war ein komisches Gefühl, ganz alleine im Dunkeln zu sitzen. Sie entdeckte eine Kerze in der Mitte des Tisches. Plötzlich bildete sich ein sarkastisches Grinsen auf ihrem Gesicht. Naél machte eine elegante Handbewegung und plötzlich…brannte der Kerzendocht…
 

Naél wusste nicht, wie sie zwei Stunden still schweigend das Kerzenlicht beobachtet hatte. Lag es daran, dass sie vom Kerzenlicht sentimental geworden ist? Kerzenlichter haben etwas an sich. Sie sind nicht hell und nicht dunkel und manchmal kommt es vor, dass Personen im Feuer tanzen. Menschen und Wesen die mit dem Feuer spielen, als sei das für sie Alltag. Das Element Feuer! Das stärkste und anziehendste Element! Der Phönix… Ein Mythos? Nein! Naél wusste so gut wie alles über den Phönix. Der Vogel, der aus seiner eigenen Asche wiedergeboren wird. Naél war der Phönix… Ihr Fluch, der sie mehrere Jahre über in den Wahnsinn trieb und weswegen sie ihre Familie verlassen musste, um niemanden zu verletzten… Gerade Yugi wollte sie nicht verletzen… Seinetwegen musste sie unter Schmerzen leiden und seinetwegen ist sie zu einer starken, selbstbewussten und mutigen Frau geworden. Sie wusste, dass Yugi sie fragen würde, warum sie zurückgekehrt ist und sie wusste, dass sie es ihm so schnell möglich erzählen müsse um nicht noch mehr Ärger zu veranstalten…
 

Verschlafen und mit müden Augen lief Yugi die Treppen hinunter. Er meinte, etwas gehört zu haben und tatsächlich sah er seine Schwester, noch im Nachthemd, am Esstisch sitzen. Naél war überrascht ihren Bruder so früh auf den Beinen zu sehen. „Was machst du so früh hier? Geh wieder schlafen, Yugi.“

„Was bist du denn so früh wach?“

„Ich konnte nicht schlafen.“

„Und ich bin wach geworden.“

Naél lächelte. „Dann komm. Setz‘ dich.“ Sie winkte ihn zu sich. Er setzte sich ihr gegenüber. Dann blickte er zur Kerze, die selbst ihn in einen Band zog. Aber er bemerkte etwas…

„Naél?“

„Ja?“

„Ich sehe keine Streichhölzer, womit du hättest die Kerze anzünden können.“ Sie hatte es schon geahnt…

„Ich denke Yugi, ich muss die etwas erzählen.“

„Das denke ich auch!“

„Bist du alleine hier in dem Raum?“, fragte sie. Yugi schwieg. Bis er sich in dem Raum umsah. „Ja!“…

Ein Geständnis?

Yami blickte hinaus aus dem Fenster. Er liebte es, den Sonnenaufgang zu beobachten, auch wenn die Hochhäuser davor standen und nur ein Teil des Lichtes durchließen. Seit dem Vorfall am gestrigen Tag, dachte er nochmal über Naél nach. Als er ihre Wangen berührte, sah er Bilder vor sich, die ihm einerseits recht eigenartig, aber andererseits vertraulich vorkamen. Es waren Bilder aus dem alten Ägypten, in der Zeit, wo er gelebt hatte. Er sah eine junge, attraktive junge Frau in traditionellen Kleidern. Neben ihr seinen Vater, der anscheinend mit ihr sprach und dabei auf Yami zeigte. Die Frau drehte erschrocken ihren Blick zu ihm um und damit verschwanden die Bilder. Was hatte das zu bedeuten? Yami bemerkte, wie sein erneut zu pochen begann, als er an Naél dachte. Selbst in ihrer Gegenwart, war er nervös und unkonzentriert. Einmal hatte er die Gelegenheit gehabt, ihre Hand zu berühren. Sie waren warm, zärtlich und weich. Yami dachte daran, wann er das letzte eine weibliche Hand in seiner gehalten hatte. Es war lange her. Wenn er richtig lag, hatte er nur einmal Teas Hände berührt, wobei es nicht von ihm kam. Tea war die, die sich mit ihm treffen wollte. Sie war es, die in der Schule neben Yugi saß und sie war es, die immer hinter ihm her lief. Klar fand er Tea freundlich und hilfsbereit, aber da war nichts Gefühlvolles. Aber bei Naél war es etwas anderes. Sie interessierte ihn. Nicht nur, weil sie Yugis Zwillingsschwester war. Nein, sie hatte etwas an sich. Etwas geheimnisvolles, was er zu liebend gerne erfahren würde…
 

Yugi wartete auf eine Antwort von Naél. „Was genau weißt du von mir? Auf meine Abwesenheit bezogen?“ Naél blickte ihm gezielt in die Augen. „Soll das hier ein Verhör werden? Ich will einfach nur wissen wo du warst und warum du gerade jetzt wiedergekommen bist? Ich meine…du hast uns nie eine Nachricht oder etwas Ähnliches geschickt… Ich habe mir Sorgen gemacht Naél!“ Naél schwieg. „Großvater selber hatte mir nichts erzählt, oder durfte er mir nichts verraten?“ Naél hörte weiter Yugi zu. Aus seiner Stimme konnte sie heraushören, dass er eine gewaltige Wut auf sie hatte. „Die ganzen sechs Jahre mussten ich alleine aufwachsen. Ohne dich! Kannst du es dir vorstellen, wie schwer es war? Gerade während der Schule? Ich wurde gehänselt, geschubst, zusammengeschlagen! Du hattest mir an meiner Seite gefehlt, Naél! Deswegen habe ich deine Sachen aus meinem Zimmer entfernt!“

„Beruhige dich Yugi…“

„Nein, ich werde mich nicht beruhigen! Sollst du doch wissen, wie es war, ohne dich!“

„Du weckst noch Großvater auf!“

Yugi wurde sofort still. Gerade an seinen alten Großvater hatte er nicht gedacht. Er hatte nur eines im Sin: Naél mit seinen Worten fertig machen. Es war nicht einfach, die eigene Schwester anzuschreien, aber das ungewöhnlichste für ihn war, dass Naél dabei ganz ruhig blieb. Sie hörte ihrem Bruder zu, nahm jedes Wort, jeden Buchstaben, den er sagte in sich hinein. Als eigene Strafe! Als Yugi kein Wort mehr sagte, war Naél an der Reihe. „Ich kann dich sehr gut verstehen, Yugi…Ich werde versuchen die Zeit, in der ich weg war, mit dir nachzuholen…“ Yugi schwieg. „Es war richtig, dass Großvater dir nichts erzählen sollte. Ich habe es ihm so beauftragt.“

„Aber warum?“

„Ich wollte dich damit beschützen.“

„Wovor denn?“ Naél hielt kurz inne, bis sie schließlich seufzte. Sie beugte sich über den Tisch und pustete das Kerzenlicht aus. Nun war es dunkel im Zimmer. Außer ein paar Sonnenstrahlen der Morgensonne, musste man sich anstrengen, um etwas zu betrachten. „Ich werde dir etwas zeigen…Aber verspreche mir bitte, dass du es keinem, außer der Familie, weitererzählst!“ Yugi nickte. Erneut seufzte Naél. Sie wollte es nicht, aber sie musste es tun. Für ihren Bruder…
 

Yami hörte, wie sich Yugi aufregte. Anscheinend war er mit Naél im Esszimmer, denn nicht umsonst, hätte er ihren Namen in einigen Sätzen erwähnt. Neugierig öffnete Yami die Zimmertür und lief die Treppen hinunter. Tatsächlich sah er Naél mit Yugi am Esstisch sitzen. Es war dunkel, außer dem Kerzenlicht. „Ich werde dir etwas zeigen…Aber verspreche mir bitte, dass du es keinem, außer der Familie, weitererzählst!“, waren ihre Worte gewesen. Er beobachtete, wie Naél ihre Augen schloss. Doch als sie mit etwas fortfahren wollte, riss sie ihre Augen weit auf und blickte in die Ferne. Im gleichen Moment, spürte Yami dieselbe Aura wie die vorherigen Male. Naél stand von ihrem Stuhl auf und blickte Yugi mit ernstem Gesicht an. „Du hast mir gesagt, du seist allein in diesem Raum!“, schrie sie ihn an. Yugi verstand nicht, bis er sich umguckte und Yami an der Treppe entdeckte. Naél blickte ebenfalls in die Richtung und es sah so aus, als würde sie Yami in die Augen schauen. Ohne ein Wort entfernte sie sich von Yugi und lief ins Wohnzimmer. Nach stillem Warten, kam sie angezogen zurück und lief direkt, an Yugi vorbei, zur Eingangstür. Was hatte sie jetzt vor? Naél holte ihre Jacke, öffnete die Tür und lief hinaus. „Naél!“, rief Yugi ihr hinterher und lief ihr nach. Doch an der Tür blieb er stehen und sah seine Schwester, wie sie sich dem Haus entfernte. Was habe ich da bloß getan ?, war Yamis Gedanke in dem Moment…
 

Naél war sauer auf ihren Bruder. Sie war nicht nur sauer sondern auch enttäuscht. Sie stapfte durch die leeren Straßen von Domino City. Schnurrstrak lief sie in den nahegelegenen Park, der ebenfalls am frühen Morgen leer war. In der Nähe eines Springbrunnens, setzte sie sich auf eine Bank. Das Wetter war kühl und leicht windig. Naél bemerkte nicht, dass sich eine Jungs–Bande sich ihr näherte. „Na? Auch so früh wach?“, fragte einer von ihnen. Naél reagierte nicht drauf. Sie sah ihn nicht einmal an. Erst, als die anderen leise zu kichern begangen, blickte sie auf. Die Person, die sie ansprach, wartete auf eine Antwort von ihr. „Hat dich dein Freund aus dem Haus geworfen?“, fragte er weiter. Erneut kicherten seine Kumpane. Naél knirschte erzürnt ihre Zähne. Der Junge, der wahrscheinend älter als sie war und dazu vielleicht noch der Gruppenanführer, blickte sie erstaunt an. „Oh, ein Kätzchen.“ Die Gruppe lachte mit ihm. Wütend stand sie auf und blickte ihm tief in die Augen. „Verschwindet hier!“ Der Junge grinste sarkastisch und trat näher an sie heran, sodass sie schon seinen elenden Atem spüren konnte.

„Und wenn nicht? Meine Hübsche?“

„Muss ich mich wohl wehren!“

„Naél!“, rief jemand ihren Namen. Als sie sich umdrehte sah sie ihren Bruder in ihre Richtung rennen.

„Yugi…“

„Bleib da stehen!“, rief ihm der Gruppenanführer zu und hielt dabei ein Messer an Naéls Kehle. Yugi blieb sofort stehen. Es fehlten ihm nur wenige Meter zu ihr. Aber als Naél genauer hinsah, war es nicht ihr Bruder, der hinterhergelaufen ist. „Nein…“ Sie schüttelte langsam ihren Kopf. So sollte es nicht kommen. Aber es kam anders…
 

Yami hatte einen schweren Fehler begangen. Nach langer Zeit hätten Bruder und Schwester sich endlich ausreden können, aber er musste die beiden ja unbedingt stören. Andererseits, woher konnte er es wissen, dass Naél mit ihm alleine reden wollte. Sie und Yugi waren alleine, bis er kam. Yugi schloss die Tür und setzte sich auf den Stuhl. Er ließ sich regelrecht darauf fallen. „Es hat keinen Zweck mehr, hinter ihr her zu rennen…“, meinte Yugi. Doch Yami ließ sich das nicht gefallen. Sie wechselten ihre Körper und sofort lief er ihr nach, unwissend, wohin sie gelaufen ist. Er würde sie schon finden, denn er wusste jetzt, dass sie ihm sehr wichtig geworden ist, auch wenn er es selber noch nicht ganz begriffen hatte, warum es so war… Yami fand Naél in dem städtischen Park. Es sah so aus, als wäre sie von einer Gruppe belästigt worden. Und das traf genau zu, als er sich ihr näherte. „Naél!“, rief er zu. Sie drehte sich ihm um, als plötzlich einer der Gruppe ihn zum stehen aufforderte und Naél festhielt…Nebenbei hielt er ein Messer an ihre Kehle. „Ein Schritt und deine Freundin ist Tod!“

Verdammt!

Die neue Kraft...

Naél konnte es nicht anders. Sie musste ihre Gestalt freigeben. Ihre verborgene und gefährliche Gestalt. Yami sah sie mit flehendem und sorgendem Blick an. Doch Naél schloss ihre Augen. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten Reaktionen des Festhalters. Ihr Körper wurde heiß, sodass er vor Schmerzen sie losließ. „Was zum…?“ Doch plötzlich ging Naél in Flammen auf, die sie ganz umhüllten. Yami konnte nicht fassen, was er da zu sehen bekam. Auch die Jungs–Gruppe traten einige Schritte zurück. Doch als die Flammen weniger wurden, kam eine Gestalt zum Vorschein, die man nur aus Mythen und Legenden kennt. Das kann doch nicht wahr sein!, dachte Yami. Es war ein gewaltiger, mächtiger und großer Phönix. Er war nicht in Flammen, sondern mit prächtigen roten Federn bedeckt. War das wirklich Naél? Vorsichtig näherte sich Yami ihr, doch plötzlich riss der Vogel seine Augen auf und starrten in die seine. Ihre Augen waren blutrot. Der Vogel wandte sich der Gruppe zu, die nun schon mehrere Schritte zurückgegangen waren. „Ein Monster! Das ist ein Monster!“, meinte der eine. Doch ehe der Phönix eine Attacke ausüben konnte, rannten sie davon. Wie schade! Es hätte ihr bestimmt Spaß gemacht. Der Phönix wandte sich nun Yami um und blickte erneut in seine Augen. Yami zeigte ihr keine Angst und Gefahr. Aber als sich Yami erneut sich ihr nähern wollte, ging der Vogel in Flammen auf, wobei diesmal die alte Naél zum Vorschein kam. Die Ärmste konnte nicht einmal vor Erschöpfung auf ihren Beinen stehen und fiel zu Boden…
 

Yami hatte viel über den Phönix gehört, aber nie gedacht, dass es einen in so einer Größe geben würde. Als Naél auf dem Boden fiel, rannte er sofort zu ihr los. „Naél?“ Keine Antwort. Langsam nahm er sie auf seine Arme und setzte sich auf die Bank, auf der Naél vorher gesessen hatte. Naél atmete noch. Das war bis jetzt das mindeste, um das Yami sich keine Sorgen machen musste. Die ersten Menschen liefen schon durch den Park. Meistens waren es Pärchen, oder Eltern mit ihren Kindern. Immer, wenn jemand vor den beiden entlang lief, schauten die Personen sie an und hatten meist ein kleines Lächeln im Gesicht. Yami konnte sich vorstellen, wie es aussah, eine bewusstlose Frau in den Armen zu halten und abzuwarten, ob sie sich regte. Dazu aber war das nicht irgendeine Frau. Was er gesehen hatte, war unbeschreiblich. In den Jahren hatte er vieles miterlebt und so einige komischen Geschichten gehört, aber etwas wie Naél gab es noch nie. Yami spürte ein Bewegen. Naél rekelte sich leicht und öffnete langsam ihre Augen.

„Wo bin ich?“

„Du bist jetzt in Sicherheit.“

„Was ist geschehen?“

„Weißt du das nicht mehr?“

Naél hielt sich eine Hand an ihren Kopf, als sie plötzlich realisierte auf wem sie da eigentlich lag. Sie sprang auf und hielt sofort einen kleinen Abstand. Yami zuckte vor Schreck zusammen und konnte der jungen Dame nur zusehen. „Warum lag ich in deinen Armen?“, fragte diese.

„Du bist in Ohnmacht gefallen.“

„Aha…in Ohnmacht…Und weswegen?“

Yami seufzte. „Du hast dich transformiert.“ Naél riss ihre Augen weit auf. „Was…?“ Yami nickte. Naél hatte erneut ihren endlosen und geschockten Blick. Hat er es gesehen…?
 

„Sag mir bitte nicht, dass du meine andere, dunkle und gefährliche Gestalt gesehen hast…“ Er nickte. Naél hielt sich vor Schreck eine Hand vor ihrem Mund. Langsam rannen ihre kleinen Tränen das Gesicht entlang. Yami stand auf und näherte sich ihr. Plötzlich – damit hätte auch Naél nicht gerechnet – umarmte er sie. Naéls Augen wurden groß. „Du weißt gar nicht, was ich alles gesehen habe. Du denkst bestimmt, da ich jetzt weiß, was du verbirgst, dass ich dich abstoßen würde?“ Er blickte in ihre Augen. „Das Yugi dich jetzt hassen würde?“ Was ist das?, dachte Naél. Sie war noch nie einem Jungen – ausgeschlossen Yugi – so nah gewesen. Ihr Herz pochte. Ebenso aber auch Yamis. Er hoffte, dass sie es nicht spüren würde. Naél räusperte sich.

„Es fällt mir schwer das zu sagen, aber…“

„Ja?“

Sie lächelte. Wollte sie ihm jetzt das sagen, was sie Yami erhofft hatte?

„Du bist…mehr oder weniger…mein Bruder…“ Yami ließ sie los, aber schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht dein Bruder. Wie ich es dir schon einmal versucht hatte zu erklären, wir teilen uns einen Körper.“ Naél schwieg. Sie wusste auch nicht, was sie darauf antworten sollte. Aber plötzlich finge sie zu lächeln an. „Und ich dachte, ich sei die einzige, die etwas unnatürliches hat…“

„Du bist nichts Unnatürliches.“

„Doch!“

„Nenn mir ein Grund!“

„Man nennt mich ein Monster!“ Langes Schweigen. „Das bist du nicht.“, meinte Yami daraufhin. Er klang sanfter und ruhiger, aber Naél lachte nur. „Du hast doch keine Ahnung.“

„Dann erklär‘ es mir, bitte.“

„Ich kann es nicht.“

„Und warum nicht?“ Naél bekam Schwierigkeiten ihm zu antworten.

„Du würdest es nicht mal verstehen.“

„Versuchs doch.“ Sie seufzte. Gibt er denn nie auf?, dachte sie. Anscheinend nicht, denn Yami hatte ein kleines, tückisches lächeln auf dem Gesicht. „Lust auf einen kleinen Spaziergang?“, fragte Yami und bot ihr seine Hand an. Naél stutze ein wenig, aber nahm das Angebot an. Jedoch ohne ihm ihre Hand zu geben. Yami lächelte. Sie fasziniert mich immer wieder.
 

„Erzähl‘ mir doch bitte etwas von dir.“, wollte Yami wissen. Naél sah keinen Grund.

„Weshalb?“

„Na, ich will dich näher kennenlernen.“

„Weshalb?“

„Weshalb denn nicht? Wir könnten Freunde werden.“

„Das können wir eben nicht. Jemand wie mich hat keine Freunde!“

„Woher willst du das wissen, meine Hübsche?“

Naél erzürnte. Sie blieb stehen und fauchte ihn an. „Pass ja auf, was du da sagst! Das meiste, was ich abscheure sind Kerle, die denken, sie können mit ein paar netten und schönen Worten das Herz jeder Frau erobern!“

„Du kennst mich doch gar nicht.“ Yamis lächeln kam erneut zur Geltung. Naél zuckte zusammen. Nach kurzem Zähne blitzen, lief sie weiter. Du wirst mich noch kennenlernen, mein schöner Phönix

Ein alter Freund...

Yami und Naél waren noch immer in der Stadt unterwegs. Sie hatten wenig miteinander gesprochen. Naél war schon genervt von ihm.

„Hör mal…“, fing Naél an, „…wäre es vielleicht für dich in Ordnung, wenn du mit meinem Bruder tauschen würdest?“

„Warum?“

„Naja… ich würde ganz gerne schon mit ihm die Zeit verbringen. Ich war immerhin eine Zeitlang weg und hab‘ ihn vermisst…“

Yami schwieg und Naél wartete auf eine Antwort. Doch gerade als Yami etwas sagen wollte, wurden sie gestört. „Na schau mal einer an, wen wir hier treffen.“ Die beiden Angesprochenen drehten sich um und erblickten Joey, Tea, Tristan und Duke. „Wo lang müsst ihr denn?“, fragte Joey. „Nirgends, wir liefen nur umher und unterhielten uns.“, antwortete Yami. „Oho~. Haben wir euch etwa gestört?“ Joey grinste. Naél hielt eine Hand an ihr Gesicht und verdrängte ein Lächeln. Auch Yami konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Naél antworte. „Nein. Wie gesagt, wir haben uns nur unterhalten.“ Joey näherte sich ihr.

„Ich bin übrigens Joseph Wheeler, aber nenn mich ruhig Joey. Wir haben uns gestern leider nicht richtig kennengelernt. Das sind Tristan, Tea und Duke. Wir sind alle Yugis Freunde.“

„Naél“, erwiderte sie. „Freut mich euch kennenzulernen.“ Naél ließ ihren Blick bei den anderen umherwandern. Sie alle kamen ihr sehr sympathisch und freundlich, außer aber der jungen Frau mit den kurzen, braunen Haaren. Tea blickte sie ernst und leicht erzürnt an. Naél fühlte sich unwohl und überlegte, was sie falsch gemacht hätte. „Nun, da wir uns jetzt alle zusammengefunden und kennengelernt haben, können wir doch gemeinsam irgendwohin gehen.“, schlug Joey vor. Alle bewilligten. Erneut blickte Naél zu Tea und versuchte es diesmal wenigstens mit einem Lächeln. Doch Tea blieb ernst und sagte kein Wort. Naél wusste auch nicht mehr weiter und folgte den anderen…
 

„Hey Yugi. Ich muss schon ehrlich sagen, deine Schwester sieht nicht schlecht aus. Man kann von Glück reden, dass sie so liebevoll und freundlich ist.“ Yami wurde verlegen, versuchte es aber so zu verstecken, dass Joey es nicht sehen könnte. „Aber etwas bedrückt mich schon. Warum war sie überhaupt weg und warum hast du uns nichts davon erzählt? Allgemein warum hast du nicht erwähnt, dass du eine Schwester hast?“ Yami konnte Joey diese Frage nicht beantworten. Das sollte Yugi machen. Es ist immerhin seine Schwester… Als Yami sich umdrehte und zu Naél blickte, sah er, wie sie mit gesenktem Kopf lief. Er wandte sich ihr zu. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er sie sanft. „Natürlich. Mir geht’s gut.“ Yami sah sofort, dass dennoch etwas nicht stimmte. „Ich merk‘ doch, dass da etwas nicht stimmt. Magst du es mir vielleicht sagen?“ Naél schwieg vorerst. „Tea ist die ganze Zeit so ernst und hat noch gar kein Wort gesagt. Mir gegenüber verhält sie sich ebenfalls sehr abwesend und sieht mich so gezürnt an…“ Yami wusste, warum Tea sich so verhielt. Er drehte sich um und blickte an Tristan und Duke vorbei zu Tea. Diese erschrak, bei seinem Anblick. Das sollte ihr recht sein!, dachte er. Es war nicht Yamis Art seinen Freunden gegenüber wütend zu sein oder sogar zu beschimpfen, aber Teas Verhalten machten ihn einfach nur wütend. Plötzlich blieb Joey stehen und verrichtete damit, dass alle hinter ihm an ihn stoßen. „Wisst ihr, wohin wir gehen könnten?“

„Zum Pizza–Restaurant?“, fragte ihn Tristan.

„Haha, sehr witzig. Nein. Dahin.“, er zeigte auf ein sehr hohes Gebäude.

„Die Kaiba Corporation.“
 

Im obersten Stockwerk saß ein genervter Firmenchef an seinem PC und überprüfte das letzte Zukommen. Gerade vor wenigen Minuten hatte er weitere Bedienstete fristlos entlassen. „Gönn' dir eine Pause, großer Bruder.“

„Die Arbeit macht sich nicht von alleine, Mokuba.“

„Aber du brauchst sie dringend.“

„Danke, aber ich bin gerade sehr beschäftigt.“ Der junge schwarzhaarige seufzte und lief ans Fenster. Es war wirklich sehr hoch, doch liebte er die schöne Aussicht. Mokuba war gerade 14 Jahre alt und stand in der Firma neben seinem größeren Bruder. Wegen seines jungen Alters war er weniger dort zuständig, half seinem Bruder aber dennoch viel. Doch plötzlich bemerkte er, wie sein Bruder sich zurücklehnte. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst eine kleine Pause machen. Ich weiß immerhin mehr über deine Gesundheit Bescheid.“ Seto lächelte. Er öffnete eine Schublade zu seiner linken und holte eine Karte heraus. Sie sah genau wie die Duellkarten aus. „Was ist das, Seto?“

„Nichts. Ist unwichtig.“ Mokuba mochte es nicht, wenn sein Bruder ihm etwas verschwieg. Was für eine Karte war das also? Plötzlich klingelte das Telefon. Seto hob genervt ab. „Ja, was gibt’s?!“

„Hier sind welche, die möchten Sie gerne besuchen, Herr Kaiba.“, sprach eine seiner Sekretärin von unten.

„Wer sind die?“

„Sie meinen Sie würden sie kennen. Es wären Freunde.“

Seto erzürnte. Das war nicht die Antwort auf seine Frage.

„Wer sind dir?!“

„Äh…einer meinte, er hieße Joseph Wheeler.“

„Was, Joey?“, fragte Mokuba überraschend.

„Na toll. Gut, lass sie hoch!“ Seto knallte den Hörer auf seine Ablage. Er hatte zwar gerad echt keinen Nerv für die, aber mal zur Abwechslung sollte er sich doch anhören, was sie diesmal wollten…
 

Es dauerte keine fünf Minuten, da klopfte es an der Tür. „Ja?!“, entgegnete Seto. Die Tür knallte auf und ein hitziger, wirbelnder Joey rannte hinein. „Seto~.“, schrie er. Um Gottes Willen bitte nicht! , dachte der Ärmste. Yami und die anderen lachten vor sich hin. Selbst Mokuba konnte ein Lachen nicht verbergen. Joey liebte es den Firmenchef auf die Nerven zu gehen. „Was wollt ihr denn hier?“, fragte er

„Wir wollten mit dir reden. Mehr nicht“, meinte Joey.

„Dann könnt ihr ja gleich wieder gehen!“

„Wir sind doch erst hier oben angekommen. Du musstest aber auch immer weiter höher bauen, oder?“

Seto gab den Blondschopf keine Antwort. Er saß stillschweigend in seinem Sessel und beobachtete die Gruppe. „Hallo, Seto…“, ertönte es von der hintersten Reihe. Seto blickte sofort genauer hin und entdeckte eine junge Frau an dem Türrahmen gelehnt. Naél näherte sich ihm und blieb wenige Meter vor seinem Tisch stehen. Seto brachte kein einziges Wort von sich. „Überrascht mich zu sehen?“

„Schon.“

„Vermisst?“

„Schon.“ Naél lächelte. Yami und ebenso auch die anderen verstanden nichts. Kannten sie sich etwa? „Wer ist das, großer Bruder?“, fragte Mokuba. Naél sah zu ihm herüber und lächelte. „Ich war eine gute Freundin von Seto.“ Seto stutzte. „War?“, wiederholte er. Naél nickte. „Ja, mein Lieber. War! Ich denke wir haben etwas zu besprechen!“ Seto schwieg. „Ich will euch ja nicht stören, aber…um was geht es eigentlich?“, fragte Joey. Keiner Antwortete ihm. „Ich denke es ist besser, wenn wir gehen.“, schlug Yami vor. Er verließ mit den anderen das Zimmer. Kurz vorher, drehte er sich um und blickte zu Naél, die immer noch schweigend im Zimmer vor Seto stand.

„Mokuba?“

„Ja, Seto?“

„Würdest du uns auch bitte alleine lassen?“

„Aber…“

„Bitte!“, wiederholte er. Mokuba schreckte zusammen. „Einverstanden.“ antwortete er. Mit senkendem Kopf verließ auch er das Zimmer. Nun waren Naél und Seto ganz alleine.

„Seit wann bist du wieder hier?“

„Seit gestern Abend!“

„Das ist schön.“

„Find ich auch!“ Seto konnte ahnen, weshalb sie mit ihm reden wollte und worüber.

„Ich will eine Erklärung von dir haben!“

„Wofür?“

Dafür!“ Naél hob ihren Arm und zeigte Seto die Einstichstellen der Spritzen. Seto schwieg. „Warum hast du das getan?“ Er musste sich etwas einfallen lassen. Aber das fiel ihm diesmal sehr schwer. Warum hast du das getan, Seto…?

Das Kalte in dir...

Seto schwieg. Er spürte, wie Naéls Blick an ihm heftete. Es musste schnell eine Ausrede finden um Naél vom Thema abzubringen. „Denk‘ jetzt gar nicht daran, wie du mich am liebsten hier weghaben willst! Ich gehe erst, bevor du mir alles erklärt hast!“

„Wo soll ich denn mit dem Erklären, deiner Meinung nach, anfangen?“

„Vielleicht fängst du da an, warum ich vor sechs Jahren meiner Familie entrissen wurde?“

Seto stand von seinem Sessel auf und beugte sich über dem Schreibtisch. Er blickte nun starr in Naéls Augen und spürte ihren Atem. „War es nicht deine Entscheidung gewesen, zu gehen? Wolltest du nicht, aus Schutz, deine Familie verlassen?“ Naél schwieg. Seto hatte in den Punkten völlig recht. „War es denn nicht so, weil du deine Kräfte nicht kontrollieren konntest? Habe ich dir demnach nichts Gutes getan?“, fuhr er fort. Naél schwieg weiter. Nun hatte er sie, wo er sie haben wollte. Sie konnte sich nicht wehren. Diese Aussagen waren alle richtig. Seto setzte sich zurück auf seinem Sessel und beobachtete sie. Aber Naél ließ sich nicht von seiner kalten, arroganten Art unterdrücken lassen. „Du magst zwar recht haben, Seto…Aber hieß es nicht, dass du Hilfe leistest?“, fragte sie.

„Hab‘ ich doch!“

„Nein, Seto! Du hast mir keine Hilfe geleistet, sondern Qualen!! Schmerzen, die mich Nacht für Nacht wach gehalten haben! Schmerzen, die mich zu Grunde warfen! Schmerzen, die mich sechs Jahre lang verdammt haben!! Und wofür?!“ Naél schrie aus der Seele heraus. Ihre ganze Wut konnte sie der einen Person nun endlich auslassen. Seto öffnete die Schublade, die er davor schon einmal geöffnet hatte und holte erneut dieselbe Karte heraus. Er führte sie Naél vor, die sofort ihren Blick darauf warf. „Du willst diese hier haben?“, fragte er sie. Es war keine normale Duellmonsterskarte. Der unbesiegbare Phönix, Naél. Das stand als Name. „Du kennst sie, hab‘ ich recht?“ Naél nickte. Und wie sie die Karte kannte…
 

Vor vielen Jahren, als Naél und Seto sich noch besser verstanden hatten, hatte Naél ihm ihr Geheimnis erzählt und vorgeführt. Er war zu derzeit 14 Jahre alt und es war genau eine Woche vorher, bevor Naél nach Europa gesandt wurde. Seto wusste seitdem an, was er erreichen wollte: Er wollte ihre Kräfte ausnutzen und sie zu Gebrauch machen. Nur wusste er noch nicht genau, wie er das erreichen solle. Er war immerhin noch ein Kind. Damit Naél die Zeit über niemanden davon erzählen könne, geschweige selbst ihre Kraft zu Gebrauch machen würde, sandte er sie fort aus Japan. Ihm fiel sofort Europa ein. Er erzählte ihr, man würde ihr dort helfen, ihre Kräfte zu kontrollieren. Doch was er versprochen hatte, wurde nicht gehalten. Er hatte nur ein Ziel im Kopf und den hatte er, mit mehreren Experimenten und Jahre später, erreicht. Er hatte es geschafft, ihre Kraft in eine Karte zu speichern und diese nach Bedarf bei Duellen auszuspielen. Aber auch Naél wurde in den Jahren älter, schöner und schlauer. Sie verstand den Ernst der Lage und auch wofür sie eigentlich genutzt wurde. Bevor sie flüchten konnte, stahl sie die Karte…
 

„Du kamst nicht weit, weil die Sicherheitskräfte dich aufhielten, hab ich recht?“, fragte Seto. „Sie haben mir gedroht, meiner Familie etwas anzutun. Soweit ließ ich es immerhin nicht gehen.“

„Du hattest schon immer ein großes Herze gehabt. Gerade deine Familie war dir sehr nahe und immer Yugi…Wie ist das möglich?“

„Wir sind Zwillingsgeschwister. Das ist ebenso…Du hast doch auch eine kleinen Bruder, Seto. Warum denkst du nicht daran? Er liegt dir doch auch nahe, oder?“ Ohne weiteres dachte Seto sofort an seinen kleinen Bruder. Mokuba war ihm wichtiger als alles andere. Er war immer an seiner Seite und hatte ihm auch immer geholfen. „Seto…ich will das hier auf einen Punkt bringen…Am besten, du gibst mir die Karte einfach…Sie steht dir nicht zu. Lass mir meine Freiheit, die mir zusteht…“ Naél klang sanfter. Sie war nicht mehr die ernste und strenge, eher die schüchterne süße. Seto sah in ihre lila Augen. Sein Blick wechselte immer von der Karte zu ihr. „Unter einer Bedingung.“, fuhr er fort.

„Die da wäre?“

„Du wirst mit mir Ausgehen…“ Naél lächelte sarkastisch. „Du willst, dass ich mit dir ausgehe? Interessant…“ Seto nickte. Beide schwiegen für eine kurze Zeit, bis Naél zu Wort kam. „Einverstanden.“ Sie lief zum Schreibtisch und wollte gerade die Karte ergreifen, als Seto sie am Handgelenk festhielt. „Wenn du dann aber hier erscheinst…wirst du das tun, was ich dir sage! Bis dahin, bleibt die Karte bei mir!“ Daraufhin ließ er sie los. „Das ist nicht gerecht, Seto!“

„Wenn ich sie dir geben würde, woher sollte ich dann wissen, ob du hier wirklich erscheinen würdest?“ Naél knirschte ihre Zähne vor Wut. Sie verließ Wutentbrannt das Zimmer und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Sie konnte nicht fassen, was Seto ihr da erzählt hatte. Er konnte sie doch einfach nicht als ein Spielzeug behandeln! Seto lächelte vor sich hin. Er freute sich über seinen Triumph. Du gehörst mir, Naél
 

Unten angekommen lief sie versehentlich, aber andererseits mit Absicht, an Yami und seinen Freunden vorbei. Yami merkte sofort, dass sie angespannt war. „Holla, was ist denn mit ihr auf einmal los?“, fragte sich Joey. Alle blickten ihr hinterher und alle hatten denselben fragenden Blick auf den Gesichtern. Naél lief den weiten Weg nach Hause. Dort schlug sie die Tür auf. Ihr Großvater erschrak und sprang sofort auf. „Naél, Kindchen, was ist denn los?“

„Lass mich, Großvater.“ Sie lief geschwind die Treppen hinauf in Yugis Zimmer und schmiss sich auf sein Bett. Sie wollte für einen Moment alleine sein. Nicht wenige Tränen flossen ihrem Gesicht entlang. Womit hatte sie das alles bloß verdient? Wo ist nur die alte gute Zeit geblieben, die sie geliebt hatte, die alte gute Zeit, die sie mit Yugi verbringen konnte, die alte gute Zeit, in der sie ihre Freiheit ausleben konnte…

Nur im Traum, bin ich frei...

„Habt ihr eine Ahnung, was da oben abgelaufen ist?“, fragte Joey. Alle zuckten mit den Schultern. Kurz nachdem Naél an ihnen vorbeigelaufen war, hatten auch sie die Kaiba-Corporation verlassen. „Eine Frage mein Lieber…Kannten sich Kaiba und Naél schon vor Jahren?“ Yami zuckte mit den Achseln. „Anscheinend…“

„Kaiba war aber ganz schön geschockt, als er sie gesehen hatte…“, sagte Tristan. Joey nickte. „Es kommt vielleicht blöd herüber, aber…kann es vielleicht sein, dass er auf sie steht? Ich meine…sie sieht ja nicht übel aus und die Reaktion die er hatte?“ Er hatte sein bekanntes grinsen im Gesicht. Yami gefiel das gar nicht, wenn er über das, was Joey gesagt hatte, dachte. „Hey Tea…du bist die ganze über so still. Was ist los?“ Tea blickte ruckartig auf. Alle sahen sie an und warteten auf eine Antwort. Sie antwortete ihnen verzögert. „Nichts…Mir geht’s gut.“

„Das glaube ich dir nicht.“, meinte Joey.

„Doch!“

„Nein.“

„Doch!!“

„Nein!“

Tea erzürnte. Selten bekam man Tea verärgert zu Gesicht. Die meiste Zeit über war sie die freundliche, hilfsbereite und lustige Freundin der Gruppe gewesen. Aber seit Naéls Ankunft, hatte sich ihr Verhalten verändert. „Macht was ihr wollt! Ich werde nach Hause gehen!“, sagte sie und wandte sich ihnen ab.

„Hey warte doch! Das war nicht so gemeint! Tea!“, rief Joey ihr hinterher. Doch sie reagierte nicht darauf und ging weiter. „Was hat sie denn bloß? Gestern war sie überhaupt nicht so drauf.“ Yami seufzte. Der Rest der Gruppe sah ihn verwundert an. „Warum hab ich das Gefühl, dass du etwas darüber Bescheid weißt?“, fragte ihn Joey. Yami nickte. „Ja ich weiß darüber Bescheid, Joey.“

„Und? Kannst du uns etwas darüber berichten?“ Alle warteten gespannt auf Yamis Antwort. „Sie ist Eifersüchtig!“ Joey zuckte zusammen.

„Aber warum sollte sie Eifersüchtig sein und auf wen?“

„Auf Naél.“

„Und warum?“

„Weil sie befürchtet, dass ich etwas mit Naél zu tun hätte.“ Joey schwieg. „Aber hattest du ihr nicht schon frühere Male gesagt, dass du nichts von ihr wolltest, weil sie unsere Freundin ist?“, fragte Duke. Yami nickte. „Und sie hat immer noch nicht aufgegeben?“, wandte sich Tristan mit ein. Erneut nickte er. „Das ist nicht gut…“, meinte Joey darauf. „Aber du und Naél ihr seid doch Geschwister?“ Yami blickte ihn mit einem Lächeln ins Gesicht.

„Oh…“

„Genau…nur Naél und Yugi sind Geschwister und nicht sie mit mir. Und das wusste Tea, deswegen war sie gegenüber Naél so abwesend gewesen.“

„Weißt du was?“, fragte Joey. „Es ist mir egal, was mit wem läuft und warum! Mir ist nur wichtig, dass du glücklich und zufrieden bist. “ Yami lächelte. „Danke, mein Freund.“

„Hey, dafür sind doch Freunde da, oder etwa nicht?“ Er nickte. „Na dann lass uns noch in der Stadt herumlaufen.“ Das taten die Jungs auch. Joey hatte völlig recht gehabt. Die Sache mit Naél ging nur Yami etwas an und nicht Tea! Und das solle auch so bleiben…
 

Naél hatte das Zimmer nicht mehr verlassen. Sie wusste nicht, wie spät es schon war, aber als sie hinaus blickte, bemerkte sie die Abenddämmerung. Ihr Gesicht war nass von den vielen Tränen. Aber nicht nur die Gesichtsfläche war nass, sondern auch Yugis Kopfkissen. Oh nein, dachte sie. Sofort sprang sie auf und wechselte den Bezug. Aber sie fühlte sich so schwach, dass sie selbst dazu nicht kam und am Boden zusammenbrach. Sie brach erneut in Tränen aus. Ihre Hände schützend vors Gesicht. Naél hatte Setos Plan durchschaut, denn wie bei einem Puzzle passten die Teile perfekt aneinander. Ihr hätte das eigentlich vor Jahren schon klar sein müssen. Seto und Naél waren nicht nur Freunde. Seto wollte mehr als nur mit ihr befreundet sein und gestand ihr mehrmals seine Liebe. Doch Naél blitzte ihn ab. Es war ein Fehler eines Kindes, ihm ihr Geheimnis zu verraten. Wenn sie zuerst Yugi davon erzählt hätte und nicht Seto, wäre sie vielleicht nie weggewesen. Sie hätte in gewissen Umständen ein Leben führen können, wie normale Menschen es geführt hätten. Sie hätte erfahren können, was für eine wichtige Rolle Freundschaft, Zuneigung und Vertrauen in einem Leben spielen… Liebe… Was war das schon für sie? Sie kannte das Gefühl nicht. Wie sollte sie erkennen, dass sie sich einem Menschen hingezogen fühlte? Gab es schon einen? War er ganz in ihrer Nähe? Plötzlich kam ihr Yami in Gedanken. War er es vielleicht? Hatte sie sich demnach zum ersten Mal verliebt?
 

Naél setzte sich an Yugis Schreibtisch. Ihr kamen Gedanken in den Kopf, was Seto mit ihr anstellen würde, wenn sie ihn die Woche über mehrmals besuchen müsse? Sie konnte sich ihm nicht wehren. Er besaß eine Karte, die eine unglaubliche Kraft besaß. Ihre Kraft! Mit dieser Karte würde er sie zwingen Befehle auszuführen, die sie sich nicht einmal erwünscht hätte! Seto würde mit ihr jeden Kampf gewinnen können. Jedoch nicht nur in seinen bekannten Spielen, sondern auch in der Realität. Er würde seine Firma auf der ganzen Welt aufbauen! Jeden, der ihm Konkurrenz machen würde, auslöschen! Und das will sie nicht zulassen…Sie braucht diese verdammte Karte. Es muss in sicheren Händen gelangt werden…In Yugis… Dort wäre es sicher…
 

Yugi…Warum verabscheust du mich so? Wieso verzeihst du deiner Schwester nicht? Siehst du denn nicht, dass sie nur deinetwegen zurückgekommen ist? Willst du etwa, dass ich wieder gehe? Fürchtest du dich vor mir? Nennst du mich ein Monster? Yugi… Sie schlief ein und träumte, was ihr die Jahre über untersagt wurde. Es war ein tolles Gefühl, in den Unterbewusstsein einzutauchen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Freiheit
 

Es war spät in der Nacht, als Yami vor der Haustür stand. Joey und die anderen hatten ihn an diesem Abend in verschiedene Bars gezerrt und viele verschiedene Frauen vorgestellt bekommen – die alle nicht sein Interesse weckten. Er hatte nur eine Frau im Kopf: Naél. Leise öffnete er die Haustür. Es war dunkel und anscheinend war keiner mehr wach. Er schloss hinter sich die Tür und zog seine Jacke und Schuhe aus. Als er Yugis Zimmer betrat, entdeckte er sofort die schlafende Naél. Es sah sehr unbequem aus, wie sie schlief. Ein Wunder, dass sie überhaupt so einschlafen konnte. Yami näherte sich ihr und hob sie auf seine Arme. Dann näherte er sich Yugis Bett und legte sie dort ab. Als das vollbracht war, konnte er Naél erst einmal so richtig bewundern. Ihr langes Haar, ihre lustige Strähne, ihr wunderschönes Gesicht, ihre weichen Lippen… Wovon träumst du?, fragte er sich. Er erhob seine Hand und legte sie auf Naéls Stirn. Somit konnte er in ihr Unterbewusstsein eindringen…
 

Yami öffnete seine Augen und spürte sofort einen kalten, frischen Wind. Was er zu Sehen bekam, ließ ihn eine Zeit lang schweigen… Eine Wiese, voller bunter und wunderschöner Blumen. Ein unerreichbarer Horizont, blauer Himmel und die Sonne. Vögel und ein Bach mit Fischen. Es war einfach unbeschreiblich schön. Erst in der Ferne, konnte er Naél erkennen, die diese Blumen pflückte. Auf ihren Armen trug sie schon einen großen Strauß. Sie erschrak, als sie plötzlich Yami sah, der sich ihr genähert hatte. Vor Schreck ließ sie versehentlich den Blumenstrauß fallen. „Was tust du hier?“, fragte sie ihn. Sie bückte sich, um die Blumen aufzuheben. „Hast du diese Welt erschaffen?“ Naél sah ihn an. „Äh…ja…Sie ist in den vergangenen Jahren entstanden.“

„Sie ist wunderschön.“

„Danke schön.“

„Soll ich dir helfen?“ Er kniete sich und half ihr beim Aufheben.

„Das sind wunderschöne Blumen.“

„Das finde ich auch…Es sind ganz besondere, denn nirgends auf der Welt gibt es Blumen, wie diese.“

„Alles aus deiner Fantasie?“ Naél nickte.

„Die ganze Zeit über war ich alleine. Ohne Familie und Freunde. In meinem Unterbewusstsein erschuf ich diese Welt, damit ich eine Sache haben konnte, an der ich mich erfreuen durfte…Aber andererseits war ich bekümmert, denn ich hatte niemandem, mit dem ich das hier alles teilen konnte. Keinem, dem ich diese wunderschönen Blumen schenken konnte…“ Naéls Stimmton war viel trauriger und zärtlicher als jemals. Yami verstand ihren Kummer. Schließlich erfasste er einen Entschluss. „Teile ihn mit mir!“ Sie blickte ihn verwundert an.

„Was…?“

„Teile diese Welt mit mir! Lass mich ein Teil deines Lebens werden!“ Vorsichtig, berührte er Naéls Hände. Sie zuckte etwas zusammen, doch fühlte sie in dem Moment eine Wärme, die all‘ ihre Ängste von ihr nahm.

„Ein Teil meines Lebens…“, wiederholte sie. Yami nickte. Naél spürte ein Drücken in ihrem Herzen. Ein Gefühl, welches einerseits total fremd, aber andererseits sehr bekannt war. Sie näherte sich ihm, bis schließlich ihre Lippen auf seinen lagen… Doch dieses schöne Gefühl blieb nicht lange…Naél löste sich und wandte ihren Blick von ihm ab. In ihren Augen war eine Leere, die sich Yami nicht erklären konnte. „Was hast du?“, fragte er sie in einem sanften und zärtlichen Tonfall. Naél schwieg.

„Sag es mir, bitte.“

„Ich kann das hier nicht tun.“

„Warum denn nicht?“

„Ich bin ein Monster!“ Yami zuckte zusammen, als er dies hörte.

„Nein! Das bist du nicht!“

„Doch, das bin ich. Ich bin kein normaler Mensch. Ich bin mit einem Fluch aufgewachsen, mit dem ich viele Menschen verletzt habe…“

„Bezeichne das doch nicht als Fluch.“ Naél blickte in seine schimmernden Augen. „Nennst du das etwa kein Fluch, übermenschliche Kräfte zu besitzen?“

„Ich habe vieles erlebt, was für einige unglaubwürdig sein können!“

„Aber keinen wie mich!“ Yami schwieg. Etwas wie Naél ist ihm noch nie begegnet. Da hatte sie völlig recht.

„Ich kann nicht sterben!“

„Sieh‘ es doch als Vorteil.“

„Das ist kein Vorteil! Jedes Lebewesen stirbt in seinem Leben und auch ich müsste das demnach tun…“ Naél stand auf und wandte sich ihm ab.

„Naél! Warte!“ Doch sie hörte nicht und lief weiter. „Naél!“ Er rannte zu ihr hin. Als er sie erreicht hatte, stürzten beide auf den Wiesenboden. Umschlungen von den Blumen darum herum. Er lag auf ihr, sodass sie nicht noch einmal versuchen konnte ihm zu entweichen. „Du sagst, du seist gefährlich und ein Monster! Du meinst, es sei ein Fluch! Du denkst, du würdest deine Mitmenschen damit verletzen! Du versuchst, dich selbst mit diesen Gedanken zu betrafen! Soll ich dir etwas sagen?“ Naél nickte. „Ich weiß nicht, ob du schon mit diesem Fluch geboren worden bist, aber ich denke, dass das ein Segen sein soll. Du bist etwas ganz besonderes, denn nur du kannst diese Kraft beherrschen und andere in Not helfen. Erinnerst du dich noch an heute Morgen? Aus Schutz hast du dich verteidigt und das fand ich sehr mutig von dir. Kein anderer Mensch hätte sich daraus befreien können. Als schlag dir diese Gedanken aus den Kopf, dass du etwas ausstehest und unmenschliches bist!“ Naél wurde innerlich angeschlagen. Endlich konnte jemand ihr die Welt öffnen. Yami fixierte ihre Lippen und er zögerte nicht, bis er diese schließlich spüren konnte. Diesmal hinderte Naéls nichts. Sie konnte dieses Gefühl in aller Ruhe genießen. Sie wünschte sich, dass dieser Traum nie enden würde. Sie wollte nicht aufwachen. Nicht in der grauen, trüben, realen Welt leben. Hier war es viel schöner. Und ebenso war es schön, mit Yami an diesem Ort sein zu dürfen. Aber nur in ihren Träumen war sie frei… Spätestens am nächsten Morgen, wird sie diese Welt verlassen müssen. Doch bis dies geschehen würde, genoss sie diesen Moment mit Yami. Man wisse ja nie, wann der nächste käme…

Geschwisterliebe...

Die Sonne schien durch Yugis Fenster und strahlte in Naéls schlafendem Gesicht. Naél öffnete ihre Augen langsam und sah sich um. Sie lehnte sich auf und rieb sich ihre Augen. Doch plötzlich riss sie diese Schlagartig wieder auf. Was such‘ ich hier?, dachte sie. Als sie realisiert hatte, dass sie sich in Yugis Zimmer befand, sprang sie vom Bett und lief im Zimmer auf und ab. Bin ich etwa eingeschlafen? Natürlich bin ich eingeschlafen! Sofort viel ihr der Traum ein. Sie wurde rot im Gesicht, als sie sich erinnerte, was geschehen war. Noch in Gedanken versunken, bemerkte Naél nicht, dass die Zimmertür aufging und Yugi hineinkam. Sie sah ihn überrascht an. „Das Frühstück ist fertig.“ Naél dachte, sie würde nicht richtig hören.

„Frühstück?“

„Ja…“

„Aber seit wann, bereitest du das Frühstück vor?“

„Ist doch jetzt egal, oder? Kommst du?“ Genervt verließ er sein Zimmer. Naél konnte es immer noch nicht fassen. Aber sein abweisendes Verhalten ihr gegenüber konnte sie auch nicht genau erklären. Naél zog sich etwas über und ging dann auch hinunter zu Yugi und ihrem Großvater…
 

„Ah, guten Morgen Naél.“, begrüßte sie ihr Großvater. Er hatte in einer Zeitung gelesen.

„Guten…Morgen…“

„Was ist los? Du schaust so überrascht.“ Naél schüttelte den Kopf. Salomon las weiter in seiner Zeitung. „Nein schon gut.“ Sie setzte sich auf einen der Stühle. „Yugi hat heute das Frühstück vorbereitet. Das erste Mal wieder seit Jahren.“ Er lächelte sie an. Das erste Mal nach Jahren?, fragte sie sich. Yugi kam von der Küche mit einem Tablett heraus. Darauf waren gefüllte Gläser, die er einzeln vor jedem Abstellte. Danach verschwand er wieder in die Küche. „Großvater? Ist etwas mit ihm?“ Ihr Großvater nahm erneut seine Zeitung herunter und blickte sie an. „Wie hat er es herausgefunden, Naél?“ Naél schwieg vorerst. „Er muss es ja irgendwie herausgefunden haben. Also frag‘ ich dich wie?“

„Es ist etwas gestern vorgefallen…“

„Was denn?“

„Naja…wie soll ich das erklären?“

„Versuch‘ es einfach…“ Naél schwieg. Sie spürte die Blicke ihres Großvaters. Sie fühlte sich fehl am Platz. Am liebsten wäre sie aufgestanden, hätte sich die Jacke übergezogen und hinausgelaufen und den Rest des Tages dort verbracht. Aber irgendwann musste alles aufgedeckt werden. Sie konnte nicht mehr das Spiel spielen, welches sie sechs Jahre gespielt hatte. Sie hatte ihren Bruder angelogen. Es war ihr Fehler, dass sie ihm nicht sofort die Wahrheit gesagt hat.

„Ich bin gestern Morgen früh wach geworden. Dort sah ich die Kerze auf dem Tisch stehen.“, sie zeigte auf dieselbe Kerze, „und hab sie angezündet…“ Yugi bekam alles aus der Küche mit. Er hatte alles liegen gelassen, um das Gespräch mit anzuhören. Er musste sich zusammenreißen, damit er vor Hass und Wut nicht aufsprang und Naél anschreien wollte. Sollte sie doch ruhig erzählen…
 

„Yugi kam die Treppen herunter und setzte sich zu mir. Er bemerkte die brennende Kerze und ihm fiel sofort auf, dass weder Streichhölzer noch ein Feuerzeug in der Nähe lag…“

„Und du wolltest die Chance haben, ihm das zu erklären…“ Naél nickte.

„Doch dies kam nicht dazu, weil…?“

„Weil ein jemand uns unterbrochen hatte.“, sagte sie den Satz in einem arrogantem Ton. Salomon seufzte. Das hatte für Yugi gereicht. Er ging im schnellen Tempo hinaus und lief direkt zu seiner Schwester. Dicht vor ihr blieb er stehen und blickte ihr von oben herab in ihre Augen. „Denkst du wirklich, dass sei eine Entschuldigung genug, die du hier auftischst!? Fandest du es richtig, dass du dann einfach so abgehauen bist?! Du kannst von Glück reden, dass er dir hinterhergerannt ist! Ich hätte das nicht getan! Außerdem haben wir doch gesehen, dass du dich doch sehr gut selbst befreit hast!?“ Naél seufzte. „Ich weiß, dass ich selber an das, was gestern geschehen ist, schuld dran bin. Bitte verzeih‘ mir…“ Yugi setzte sich und schaute sie weiterhin an. „Wie kann ich dir das verzeihen!“ Salomon wollte dazu nichts sagen. Er würde die Situation noch viel schlimmer machen... Ihm gefiel es nicht, dass seine Enkelkinder sich stritten. Wem würde das nicht gefallen? Gerade weil er seine Naél wieder da ist. Er hatte sich natürlich sehr über ihre Ankunft gefreut, aber hatte er es schon von Anfang an geahnt, dass etwas schief gehen würde…
 

„Er hat mir angeboten, dass ich dort in Sicherheit bin, Großvater!“

„Aber Naél, dein Bruder?“

„Ihm werde ich sagen, dass ich auf ein Internat geschickt werde. Bitte Großvater, ich will nicht mehr andere Menschen verletzten. Seto hat es mir angeboten. Er ist doch ein sehr netter Freund.“Ihr Großvater seufzte. Er wollte seine liebste Naél nicht hergeben. Gerade bei dem jungen Seto Kaiba hatte er Bedenken. Erneut seufzte er. „Na gut…Yugi ist noch unterwegs, also pack‘ am liebsten ganz schnell deine Sachen…“ Naél sprang vor Freude auf. „Hui, danke Großvater, danke.“ Sie umarmte ihn. In ihrem Gesicht war Freude zu sehen. „Ich werde bei Kaiba anrufen…Ich denke, spätestens Morgen, wird er dich hier abholen…“

„Solange werde ich den Koffer unter meinem Bett verstecken, damit Yugi nichts merkt…Armer Yugi...Wenn ich ihm das doch alles erklären könnte…“
 

Noch ganz genau blieb ihm dieser Satz in seinem Gedächtnis. Naél stand jähzornig von ihrem Stuhl auf und beugte sich über den Tisch. Nun war sie diejenige, die von oben herab in seine Augen blickte. „Was ist dein Problem?! Bist du sauer, will ich dir nicht von Anfang an gesagt habe, dass ich eine übernatürliche Fähigkeit habe?! Das ich dich angelogen habe, dass ich auf ein Internat gehe, obwohl dies nicht der Fall war?! Soll ich dir mal was dazu sagen?“ Sie näherte sich ihm noch mehr. „Ich habe das aus Schutz getan!“ Yugi riss seine Augen weiter auf. „Aus Schutz, weil ich Großvater und dich nicht in Gefahr bringen wollte! Denkst du, ich hätte in diesen sechs Jahren Urlaub gemacht? Dann hast du falsch gedacht, Yugi! Ich musste unter Schmerzen leiden!“ Innerlich durchlief Yugi ein kalter Schauer, der sich immer weiter verbreitete. Naél setzte sich wieder auf ihren Stuhl hin. In Yugis Gesicht sah sie Schuldgefühle und Entsetzen. „Ich habe keinen einzigen Tag nicht an euch gedacht… Keinen einzigen Tag…“, sagte sie in einem sanfteren Ton. Dabei wechselte sie ihren Blick von Yugi zu ihrem Großvater. Ohne es zu wollen, und ganz plötzlich, liefen kleine Tränen ihrem Gesicht entlang. Yugi zuckte zusammen, als er das sah. Naél wischte sich mit einer Hand diese Tränen vom Gesicht, was aber nicht viel brachte, da immer neue herunterliefen. Doch dann tat Yugi das, was er eigentlich schon längst hätte machen sollen. Er stand von seinem Stuhl auf und lief direkt auf Naél zu. Bevor selbst Naél realisieren konnte, was er vorhatte, hatte Yugi sie schon umarmt. Er hatte sie so fest umarmt, dass sie ihre Arme nicht mehr bewegen konnte. „Es tut mir Leid, Schwester…“ Naél lächelte. „Nein…mir tut es leid. Ich war es immerhin, die dich angelogen hatte und zu Großvater meinte, er solle dir nichts sagen…“

„Aber ich hab‘ dich die Jahre über vergessen…Hast du eine Ahnung, wie scheußlich es mir in der Zeit ging?“

„Ja…das hattest du mir erzählt…“ Salomon war gerührt, als er die beiden so zusammen sah. Genau das hatte in dieser Familie die Jahre über gefehlt. Auch Yami, der das Gespräch mit angehört hatte, konnte diese Stärke in deren Herzen spüren. Eine Liebe, die nur Geschwister spüren konnten…

Die Geschwisterliebe…
 

Doch obwohl sich Yami sehr über die beiden freute, erinnerte er sich an eine Sache, die ihm beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Es waren die Illusionen, die er bei Naéls erster Bekanntschaft gesehen hatte. Ihm war klar, dass er eindeutig sie gesehen hatte! Er konnte sich das nicht erklären, aber war es wirklich so gewesen, dass auch sie früher einmal gelebt hatte? Kam ihm deswegen diese Kraft so bekannt vor? Was auch immer das für ein Gedanke war, er war froh, dass sich Yugi nun endlich mit seiner Schwester versöhnt hatte…

Grausame Erinnerung...

Die Familie Muto saß nun friedlich am Tisch. Der alte Salomon las noch immer in seiner Zeitung. Man hatte sich schon gefragt, ob er jeden Artikel dreimal liest. Naél hatte sich auf ihrem Stuhl zurückgelegt und war in Gedanken versunken. Ihr Blick starr auf Yugi gerichtet und eine Hand abstützend an ihrem Kinn. „Naél?“, fragte Yugi. Er legte seine Gabel auf den Teller und wartete auf eine Reaktion. Nichts geschah. Naél blieb immer noch starr. „Naél?“, fragte er erneut mit einem etwas lauterem Ton. Sofort zuckte Naél zusammen und schauten Yugi an.

„Ja?“

„Verzeihung, dass ich dich erschreckt habe.“

„Ach…keine Sache…“ Sie lächelte ihren Bruder an.

„Ich muss dich aber etwas fragen…“

„Frag‘ ruhig.“ Yugi schwieg vorerst und seufzte. Yami beäugte ihn misstrauisch. Was Yugi Naél fragen würde war ihm schon klar, er konnte Yugis Gedanken mit verfolgen. Aber warum hatte er diesen einen anderen Gedanken?

„Wann ist es genau passiert? Also…das…mit deiner…“

„…Kraft?“, unterbrach sie ihn. Yugi nickte. Nun musste auch Naél seufzen. Ihr Großvater legte nun endlich seine Zeitung beiseite und wandte sich seiner Enkelin zu.

„Ich war zehn…als es passierte…“

„Als was passierte?“ Naél wollte sich nicht mehr daran erinnern. Sie wollte diesen Abschnitt endgültig vergessen. Doch sie wollte mit der Wahrheit leben und deswegen erzählte sie die Geschichte ihrem Bruder und ihrem Großvater…
 

Die zehnjährige junge Naél war auf dem Weg zur Schule. Wie fast jeden Schultag ging sie mit ihrem Bruder in die Schule, aber dieses Mal lag Yugi mit Fieber im Bett. Mit gängigem Tempo lief sie durch den Park, den ihr Bruder und sie meistens als Abkürzung benutzten. Da es noch früh morgens war, fand man fast keinen, der in dem Park durchging. Nicht mehr lange, dann hätte sie die Schule erreicht. Ihr fehlte nur noch die Unterführung – die sie nicht besonders mochte…
 

Naél mochte die Jugendlichen nicht, die dort immer hausten. Meistens waren es Jungs, die noch heimlich vor der Schule alkoholische Getränke zu sich nahmen. Yugi und sie nahmen diese Abkürzung nur, wenn die Zeit wirklich knapp war und leider war dies der Fall. Naél erreichte die Unterführung und zu ihrem Pech sah sie dort vier Jugendliche. Jeweils zwei waren an einer Wand gelehnt. Die anderen gegenüber. Naél blieb kurz stehen. Ihr Herz pochte. Am liebsten wäre sie den normalen Weg gegangen, aber da sie unter Zeitdruck stand, konnte sie nur diesen hier nehmen. Die vier Jugendlichen bemerkten sie und drehten ihre Blicke zu ihr hinüber. Langsam, aber mit großer Furcht, lief sie in die Unterführung hindurch.

Die Vier blickten sie immer noch an, der eine hatte schon ein sarkastisches Lächeln im Gesicht. Nur noch wenige Meter, dann hätte sie es geschafft. Doch kurz bevor sie an den Jugendlichen vorbeilaufen wollte, drückten sich zwei von der Wand ab und versperrten ihr den Weg. Die anderen gingen unbemerkt an ihr vorbei und stellten sich hinter ihr. „Wo wollen wir denn hin, meine Kleine?“, fragte der eine. Naél hörte ihr Herzschlagen viel deutlicher als die Minuten davor. Sie atmete unregelmäßig ein und aus und ihre Blicke wechselten zwischen dem einen und dem anderen. „Es sieht ganz danach aus, als hätte sie Angst vor uns.“, sagte der andere. Als Naél einige Schritte nach hinten gehen wollte, hinderten die anderen zwei sie davon ab. Sie wollte nach Hilfe schreien. Aber sie konnte es nicht! Sie betete, dass jemand die Unterführung hinunterkäme und sie retten würde. Aber es kam keiner! Sie überlegte, ob sie eine Möglichkeit hätte, an den Jungs vorbeizurennen. Aber das gelang nicht!
 

Einer der vier hatte sich genähert und eine Hand nach ihr ausgestreckt. Mit dieser Hand wollte er ihre Wangen streicheln. Reflexartig entwich sie ihm.

„Oh…ein ganz zähes Mädchen!“

„Aber verdammt hübsch.“

„Da hast du recht!“

„Lasst mich bitte in Ruhe.“, konnte Naél nur von sich geben. Die anderen lachten. „Und was, wenn nicht?“ Naél riss ihre Augen weit auf. Sie hatte panische Angst. Sie dachte nur noch an ihr Großvater und Yugi. Wäre sie doch auch zu Hause geblieben. Ohne es vorherzusehen, griff der eine Junge nach ihr und zog sie hoch. Naél zappelte wild mit den Füßen, doch diese wurden schnell festgehalten. Sie konnte sich nicht wehren!

„Was machen wir mit ihr?“

„Hmm…für so ein hübsches junges Ding kann man viel verlangen. Warum verkaufen wir sie nicht?“

„Spinnst du?“

„Hey da kommt jemand!“ Naél hatte nur einen Gedanken. Endlich würde sie gerettet werden. Aber leider kam es ganz anders…

„Vorbeigelaufen.“ Nur im Augenwinkel konnte sie das blitzen eines Messers sehen. Sofort fing sie wieder wild an zu zappeln.

„Lass das! Steck das sofort weg!“

„Ist doch nichts dabei. Ich will sie nur nervös machen!“ Naél kniff die Augen zusammen. Gab es denn niemanden, der ihr helfen konnte?

„Grausam…was ihr mit der Seele eines kleinem Mädchens antut! Wirklich grausam…“, sagte eine unbekannte Stimme. Die vier Jungs blickten an Naél vorbei. Wem gehörte diese Stimme? „Habt ihr keine Vernunft?“, fragte diese erneut. Es war eine Frauenstimme. Wer war das?

„Wer bist du?“, fragte einer der Jungs. Die Frau lächelte.

„Das ist dir egal!“

„Nein! Sonst hätte ich nicht gefragt!“

„Lasst das Mädchen frei.“ Der Junge, der Naél festhielt lächelte.

„Und warum?“, fragte er. Mit einem Zeichen, schickte er die zwei anderen los. Mit einem Lächeln liefen sie auf die Frau zu. Kurz bevor die zwei Jungs die Frau erreichen konnten, machte diese eine elegante Armbewegung, die sich keiner erklären konnte. Denn nach dieser Bewegung lagen die zwei Jungs bewegungsunfähig am Boden. Vor Schreck ließ der eine Junge Naél los und sie fiel auf dem Boden. Vor Schmerz schrie sie auf, als sie auf dem Boden lag. Doch sie wollte unbedingt wissen, wer diese Frau war, der sie wahrscheinlich ihr Leben danken würde. Gequält versuchte Naél sich umzudrehen. Mit Mühe schaffte sie es und blickte in die Richtung der Frau. Bei ihrem Anblick erschrak Naél und hielt sich mit ihrer Hand den Mund zu. Ihre Augen waren blutrot. An ihren Händen loderten Flammen.

„Was bist du?!“, rief der eine. Doch die unbekannte Frau antwortete nicht sondern lächelte. Naél blickte auf die zwei anderen liegenden Jugendlichen auf dem Boden. Ihre Augen waren starr und leer. Sie hatten keine Pupillen mehr und bewegten sich keinen Millimeter. Die Frau ging in ihre Richtung zu und sie merkte, dass die zwei anderen hinter ihr wegrannten. Doch nach einer weiteren Armbewegung und einem qualvollem Schrei, waren auch diese erledigt. Erneut kniff sich Naél vor Angst die Augen zu. Sie meinte, das alles zu träumen, aber dem war nicht so. Sie riss ihre Augen erst wieder auf, als sie eine Hand auf ihrem Arm spürte. Ihr Blickt wandte sich sofort dem Gesicht der Frau zu. Doch diese sah sehr verändert aus. Ihre Augen waren nicht mehr blutrot sondern lila. Erst jetzt konnte Naél sie richtig erkennen. Die Frau hatte ebenfalls lange mittelblonde Haare und sah nicht älter als 18 aus. „Beruhige dich…Es ist vorbei…“ Sie half Naél beim Aufstehen. „Danke…“, konnte sie zerbrechlich und noch immer mit Furcht herausbringen. Die junge Frau lächelte. „Dafür gibt es nichts zu danken.“ Naél beobachtete sie. „Was war das eben? Was hast du mit den anderen getan?“

„Fragen über Fragen…Das wird sich noch alles aufklären…Aber ich bin hier, weil ich etwas geben will…“

„Was willst du mir geben?“

„Ich habe großen Mut in deinem Herzen gesehen. Kraft und Güte…Ich werde dir ein Geschenk überreichen, welches dir Schutz für dich und deine Familie bringen soll… Benutze es weise.“ Die junge Frau berührte Naéls Stirn. Plötzlich durchrann eine Kraft in Naéls Körper. Vor Schmerz schrie sie auf. Es war, als würde sie von innen heraus brennen. Erneut rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Als die Frau ihre Hand wegzog, sackte Naél ein. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie atmete hastig ein und aus. „Mein Aufgabe ist hiermit getan…Mögest du ab jetzt ein besseres Leben führen, mit der Kraft des Phönix‘…“ Die Frau wandte sich ihr ab und lief dahin, von wo sie gekommen ist. Aber von wo kam sie? „Warte!“, rief Naél ihr nach. Die Frau drehte sich ihr um und sah ihr in die ebenfalls lila schimmernden Augen. Mühsam zog sich Naél an der Wand hoch. Mit wackeligen Beinen näherte sie sich ihr. „Wie heißt du?“ Die Frau lächelte.

„Ich bin Amitiel…“

„Amitiel? Ich kenne keine Amitiel!“

„Das ist auch besser so…“ Mit diesem Satz löste sich die Frau in Luft auf. Naél konnte das alles nicht erklären, genauso wie das, was sie mit ihr gemacht hatte. Welches Geschenk wurde ihr übergeben? Und was hatte es damit auf sich? Naél hatte aber nur einen Gedanken: Sie wollte in die Schule…
 

Natürlich kam Naél zu spät zur Schule. Es war gerade die große Pause, als sie das Schulgeländer betrat. Sie lief an Mitschülern vorbei, die ihr hinter sahen. Dann kam sie an einem Mitschüler vorbei, den sie überhaupt nicht leiden konnte. „Hey Naél. Heute ganz schön spät, oder?“ Naél wurde zwar nie schnell zornig, aber in dem Moment spürte sie eine Wut, der zum ersten Mal ihre geschenkte Kraft zum Vorschein zeigte. Ungewollt verletzte sie den Jungen mit schweren Verbrennungen. Panik und Geschrei übte sich auf dem Schulhof aus. Alle rannten umher, stoßen den anderen an, drängelten, prügelten, rannten. Alle wollten weg von dort. Selbst die Lehrer schafften es nicht, die Schüler zu beruhigen. Naél rannte nach Hause zu ihrem Großvater und Yugi. Sie selbst wollte nicht wahr haben, was geschehen ist und wer überhaupt diese Amitiel war…
 

Es war für einen Moment lang still. Yugi musste erst wieder zu sich kommen, als er diese Geschichte hörte. Naél seufzte. „Das war meine Vorgeschichte… Ich weiß es hörte sich sehr harmlos an…aber für mich war es grausam…“ Yugi blickte auf und sah in die nassen Augen Naéls. „Harmlos? Diese Geschichte nanntest du harmlos?“ Naél antwortete ihm nicht. Sie blickte ihn nur weiter an.

„Ist noch etwas danach geschehen?“, fragte er.

„Ich weiß noch, dass der Junge, den ich versehentlich verletzt hatte, wenige Stunden später daran starb. Ich konnte es mir nicht erklären warum, aber es ist so geschehen…“ Naél holte tief Luft. „Als ich auf dem Weg nach Hause war, traf ich zufällig auf Kaiba. Wie du sicher weißt, waren wir zu der Zeit sehr gute Freunde gewesen…“

„Ja…das habe ich mitbekommen…“ sagte Yugi. Naél lächelte. „Ich war dumm und habe ihm von meiner Fähigkeit erzählt…Anstatt ich weiter gelaufen wäre, vertraute ich ihm und geriet in diese verfluchte Situation!“ Naél brach in Tränen aus. Yugi war sprachlos. Er durfte nun endlich die Wahrheit über seine Schwester erfahren. Schwer konnte er sich an diesen Tag erinnern. Er lag krank im Bett und hörte plötzlich, wie die Eingangstür abrupt aufgeschlagen worden ist und jemand weinend und schreiend das Haus betrat. Danach hörte er die Stimme seines Großvaters, wie er jemanden beruhigte. Es dauerte nicht lange, bis Yugi verstand, dass es Naél war, die weinte. Aber er wusste nicht weshalb und hatte nicht einmal die Kraft dazu aufzustehen und nachzuschauen…
 

Plötzlich klopfte es an der Tür. Yugi und Naél schreckten auf. „Ich werde schon aufmachen. Bleibt sitzen.“ Ihr Großvater stand auf und lief in Richtung Tür. Als er diese öffnete, wunderte er sich, wen er vor sich hatte. Naél stand auf, um nachzusehen und auch sie war überrascht.

„Du?“

„Mein Bruder schickt mich. Ich soll dich mitnehmen…“ Naél schaute zur schwarzen Limousine hinter dem kleinen schwarzhaarigen Jungen.

„Hab ich richtig gehört, Mokuba? Dein Bruder schickt dich?“, fragte sie nach. Mokuba nickte. Naél wusste, weshalb er sie zu sich rief. Sie hatten eine Vereinbarung, aber ihr gefiel es ganz und gar nicht, dass Seto seinen kleineren Bruder schicken ließ! Nach einem seufzen entschied sie sich schließlich. „Na gut…Ich werde mitkommen…“ Als Yugi dies hörte sprang er auf und lief zu seiner Schwester. Er sah sie, wie sie in das Auto einsteigen wollte. „Naél, warte!“ Naél drehte sich um und plötzlich spürte sie eine Umarmung. „Bitte…bitte versprich mir, dass du wieder kommst! Versprich es mir!“ Sie lächelte. „Ich werde wiederkommen. Ich werde euch nie mehr verlassen! Das steht fest!“ Ihr Feuer im inneren brannte. Keiner konnte sie nun mehr zwingen, ihre Familie zu verlassen! Nicht einmal Kaiba! Sie löste sich von Yugi und sah in seine Augen, indem sie sich widerspiegelte. „Warte auf mich…Einverstanden? Ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern.“ Sie stieg ins Auto zu Mokuba. Ohne zu warten, fuhren sie fort. Yugi blieb nichts anderes übrig, als hinter herzuschauen. Warum auch immer dieses Gefühl hatte, aber in seinem inneren sagte etwas, dass es länger dauern würde, als sie vermutet hatte…
 

„Sagt dir der Name Amitiel etwas?“, fragte Yugi sein anderes Ich. Dieser seufzte. „Ich habe diesen Namen nie vorher gehört, aber ich denke, dass wir es herausfinden werden. Egal wie!“ Yami musste erneut an diese Vision nachdenken. Was hat das zu bedeuten? Wer bist du?
 

Die Limo erreichte die Villa der Kaibas. Mit staunen stieg Naél aus. „Nett habt ihr es hier.“ Auf ihrem Gesicht bildete sich ein kleines sarkastisches Lächeln. Ich bin gespannt, was du von mir willst! Kaiba…

Der erste Besuch bei Seto Kaiba...

Mokuba führte Naél zu dem Anwesen. Schon beim Hinweg fühlte Naél die eiskalten Blicke Setos. Sie blickte sich umher und bemerkte die verschiedenen Gartenbeete. Rosen, Tulpen, Lilien, Hibisken. Die Bediensteten, die für die Gärten zuständig waren, beäugten Naél durchdringend. Als hätte vorher nie eine Frau die Villa besucht. Vielleicht war es auch so? Als Naél und Mokuba an den Bediensteten vorbeiliefen, fingen sie an über sie zu sprechen.

„Schon wieder eine?“

„Der Herr ist ziemlich wählerisch!“

„Das ist schon die dritte in dieser Woche.“

„Und alle hat er abserviert.“

„Oh…man frage sich, wie es mir ihr ergehen wird…“

„Sie ist sehr jung!“

„Ziemlich jung!“

„Der Herr ist auch sehr jung!“

„Sehr jung!“

„Hey!! Wir bezahlen euch nicht fürs Reden!! Arbeitet!!“, schrie Mokuba die Bediensteten an. Sie zuckten und schrien auf. Sofort wandten sie sich ihrer Arbeit zu.
 

Mokuba wurden die Eingangstüren geöffnet und man ließ sie eintreten. „Willkommen, Naél. Fühl dich wie zu Hause.“

„Mein Zuhause ist woanders!“ Sie blickte sich um und entdeckte die vielen Türen zu verschiedenen Räumen. Vor ihnen führte eine große Treppe hinauf in die nächste Etage. Von draußen wirkte die Villa sehr klein, aber erst im Inneren merkte man, wie sich die Räumlichkeit nach hinten strebte. „Seto wartet in seinem Zimmer auf dich…“, meinte Mokuba. Naél hörte einen sorgenden Tonfall in seiner Stimme. „Du bist ganz anders als dein Bruder…Hab ich recht?“, fragte sie. Mokuba schwieg. „Du bist schüchterner, sorgender und freundlicher – abgesehen von der Sache von vorhin mit euren Bediensteten…“ Er errötete. „Ich kann nicht ernst und gemein sein…So bin ich nicht…“ Er richtete seinen traurigen Blick auf den Boden. „Wir kennen uns zwar noch nicht genug, aber trotzdem sehe ich in dir großen Mut und Hilfsbereitschaft. Ich denke wir könnten gute Freunde werden.“ Sie zwinkerte ihm zu und erreichte damit ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht. Naél seufzte. „Mal schauen, was dein Bruder mit mir zu bereden hat. Ich kann es ja kaum erwarten.“, sagte sie sarkastisch. Sie stieg die Treppe hinauf in die erste Etage, wo Seto schon auf sie wartete…
 

Yugi bekam unerwarteten Besuch von Tea. Kurz nachdem Naél abgeholt worden ist, bemerkte Yugi sie, als sie sich dem Haus näherte.

„Hallo Yugi…“

„Hallo, Tea. Komm doch herein.“

„Danke.“ Yugi räumte noch schnell das restliche Geschirr vom Tisch weg. Sein Großvater ließ die beiden vorerst alleine.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte Yugi sie.

„Nein danke…“ Sie setzte sich auf eine der Stühle am Tisch und Yugi ihr gegenüber. Eine Weile schwiegen sie sich still an, bis Tea erneut zu Wort kam.

„Ich…wollte mich entschuldigen…“ Yugi war überrascht.

„Wofür?“ Tea blickte von ihm weg. „Ich denke, du weißt, wovon ich rede.“ Yugi verstand. Nicht er war gemeint, sonder sein anderes Ich. Doch kurz bevor er seine andere Seele zum Vorschein zeigen wollte, unterbrach ihn Tea erneut. „Ich wollte mich ebenso bei deiner Schwester entschuldigen. Ich war gegenüber ihr sehr unfreundlich… Vielleicht ginge es besser mit einem Neubeginn?“ Was sollte Yugi bloß darauf antworten? Er überlegte und hoffte, dass er Hilfe vom Pharao bekam. „Jeder hat eine zweite Chance verdient und sie ist eine gute Freundin…Also soll sie einen Neubeginn mit Naél versuchen…“, antwortete dieser. Danke, dachte Yugi. Er räusperte sich und lächelte Tea zu. „Ich denke, das kannst du gerne versuchen“ Teas Gesicht wurde heiterer und zufriedener. Erleichtert atmete sie aus.

„Danke. Ich dachte schon, du würdest mir nie wieder vertrauen.“

„Naja, bei mir brauchtest du dich ja nicht zu entschuldigen. Aber ich versichere dir, dass dir verziehen worden ist.“ Tea verstand sofort und fragte auch nicht nach. Sie dachte daran, wenn sie sich besser mit Naél verstehen würde, dass sie dann vielleicht doch noch einen Weg zu Yami finden würde. Aber dies behielt sie im Inneren.

„Kann ich mit Naél sprechen?“

„Ich muss dich leider enttäuschen, aber…sie ist nicht da.“ Tea zuckte zusammen.

„Sie ist nicht da? Was willst du damit meinen?“

„Sie wurde zu Kaiba gerufen.“

„Oh…“ Fürs erste nicht gelungen. „Naja ich denke, ich werde dann gehen. Man sieht sich, Yugi. Vielleicht kommen Joey und die anderen dich noch besuchen.“ Sie stand auf und lief in Richtung Tür. Yugi, der leicht vom plötzlichen Entscheiden irritiert war, stand ebenso auf und führte sie hinaus.

„Danke, Yugi.“

„Ach, keine Ursache.“ Zum Dank umarmte sie ihn. Tea tat sich schwer, sich von ihm zu lösen. Doch irgendwann musste sie ihn loslassen. Mit einem Lächeln im Gesicht verabschiedete sie sich und ging. Yugi schloss die Tür und ging hoch in sein Zimmer. Er öffnete seinen Schrank und suchte nach etwas. „Was suchst du denn, Yugi?“, fragte Yami. Er bekam keine Antwort. Doch nach einer Weile ließ sich Yugi wieder blicken und hatte etwas in seiner Hand. Es war ein Bilderrahmen. Yugi lief in Richtung seines Schreibtisches und legte den Bilderrahmen dort ab. Yami erschrak, als er diese Bild erblickte. Zu sehen waren Yugi und Naél. Man konnte ahnen, dass die beiden um die zehn Jahre alt waren. Das Foto wurde in einem Park geschossen und ähnelte dem Park, indem er meistens mit den anderen unterwegs war. Yugi war im Mittelpunkt und Naél umschlang ihn von hinten um den Hals. Beide lachten und sahen überglücklich aus. „Dieses eine Bild habe ich nicht übers Herz bekommen wegzuräumen oder zu vernichten… Ich kann mich noch ganz genau erinnern, als Großvater das Foto gemacht hatte…“ Yugi schloss seine Augen, um sich wieder an diesen Tag zu erinnern. Er konnte alles vor sich sehen…
 

In der Zwischenzeit hatte Naél Setos Gemach erreicht. Zwar war er nicht einfach, das Gemach zu finden, da jede Tür genauso wie die andere aussah, aber das große S und K war unübersehbar. Naél klopfte an der Tür, wie es sich gehörte. Nach einem stumpfen Herein, betrat sie das Zimmer. Seto Kaiba stand am Fenster und blickte hinaus. Naél schloss hinter sich die Tür und schwieg. Er drehte sich nicht um, sondern schwieg ebenso. Naél seufzte. Ihr war die Zeit, die sie hier verbrachte zu schade, aber nun endlich drehte sie Seto Kaiba ihr um und sah stillschweigend in ihre Augen. Diese wunderschönen eiskalten blauen Augen. Wie kann ein Mann nur so wunderschöne Augen haben. „Du bist also gekommen?“, fragte er. Naél stutzte.

„Was heißt gekommen? Dein Bruder war so freundlich und hat mich abgeholt.“

„Er ist doch ein Lieber, oder?“

„Ja…sehr.“ Seto seufzte. „Komm bitte her.“ Naél näherte sich missmutig Seto. Doch als sie ziemlich dicht vor ihm stand, konnte sie nicht so schnell reagieren, als er sie schon umarmt hatte. Naél war sprachlos. „Ich hab‘ dich vermisst, Naél. Du kannst nicht glauben, wie sehr du mir gefehlt hast!“ Als er sich ihr löste und sie auf die Lippen küssen wollte, wich sie ihm zurück. Mit großen Augen sah sie in die seine. „Vermisst? Ich hätte dir gefehlt? Hast du schon vergessen, was du mir angetan hast?“ Seto schwieg. Erneut seufzte er. „Du hattest mir versprechen, dass man mir dort helfen würde und nicht, dass man mir wehtut und droht!“ Naél wurde zorniger. Sie musste jedoch darauf achten, dass sie vor Wut nicht ihre Phönix-Gestalt zeigen würde und Seto womöglich verletzen.

„Naél, ich habe dir geholfen! Kannst du denn nicht deine Kräfte kontrollieren? War das nicht Hilfe genug?“

„Aber nicht, dass man mir Schmerzen zufügt und meine Kraft in irgendeine Karte gespeichert wird!! Wie, im Gottesnamen, hast du das bloß geschafft!!“

„Jahrelange Forschung! Du weißt nichts, was hinter meiner Firma noch alles abläuft.“ Naéls Wut erreichte die Grenze. Ein Funke und sie wurde ihre Kraft zur Geltung bringen. Doch Seto näherte sich ihr und hielt ihre Schultern fest. „Du kannst die große Chance bekommen, mit mir zusammen zu sein und die Firma zu leiten! Stell‘ dir vor, wir würden in der ganzen Welt berühmt sein, um nichts Sorgen machen und glücklich sein!“ Naél schwieg. Ein verlockendes Angebot. Sollte sie dies annehmen? „Keine andere Frau hatte es in den vergangenen Jahren geschafft, mich zu erweichen…“ Also waren schon mehrere Frauen hier in der Villa und Naél lag falsch in der Theorie, sie wäre die Erste. Seto ging hinter ihr und küsste ihre rechte Schulter. „Nimmst du dieses Angebot an?“ Er wartete auf eine Antwort. Doch das einzige, was Naél von sich gab, war ein sarkastisches Grinsen. Sie drehte sich ihm um und blickte ihn starr an. „Und was wird mit deinem Bruder? Willst du ihn nicht zu deinem Nachfolger machen? Soll er seinen eigenen Weg gehen, außerhalb der Kaiba-Corporation? Er ist dein Bruder, Seto! Dein Bruder!“ Seto zuckte zusammen. Mit dieser Konterattacke hatte er nicht gerechnet. Er entfernte sich ihr und lief in Richtung Fenster. „Mokuba ist gerade 15 Jahre alt. Er kann noch keine Firma leiten. Wenn er ein rechtmäßiges Alter erreicht hat, werde ich darüber nachdenken.“

Rechtmäßiges Alter?! Hast du vielleicht mal nachgedacht, wie alt du warst, als du diese Firma leiten musstest?!“

„Nicht 15!“

„Sondern 14!“ Naél hatte damit genau sein Herz getroffen. Man hätte meinen können, sie hätte sein Eis zum Einbrechen gebracht. Seto konnte nicht kontern. Jetzt war sie es, der ihn in die Enge gezogen hatte. Naél näherte sich ihm und hielt ihre Hand an seine Wange. „Denk‘ zuerst an deine Familie, Seto. Sie steht vor alles anderem an erster Stelle. Vor der Firma, vor Freunden, vor mir.“ Seto blickte auf ihre Lippen. Wie sehr er sich doch gehofft hatte, diese warmen Lippen auf seinen zu spüren. Die Jahre über ist ihm Naél nicht aus dem Kopf gegangen. Bei jeder Frau, mit der er schlief, hatte er nur ihren Namen im Kopf. Nun stand sie genau vor ihm und in einer extremen Nähe. Er spürte, wie sein Herz anfing zu pochen. Er hatte diesen einen Drang. Er wollte mit Naél schlafen! Ohne nachzudenken lagen auch schon seine Lippen auf ihre. Naél versuchte sich ihm zu wehren, doch dies war wehrlos, denn Seto hatte seine Arme so um sie geschlungen, dass sie sich nicht befreien konnte. Naél wollte das nicht! Sie konnte ahnen, was Seto vorhatte und die Wahrscheinlichkeiten, das sie stimmen würde standen sehr hoch. Mit aller Kraft versuchte sie sich zu lösen. Erneut versag sie. Seto zog sie in Nähe seines Bettes und schubste sie darauf. Zwar landete sie sanft, aber der Aufstieß ging in ihren Rücken. Vor Schmerz kniff sie ihre Augen zu. Ein fataler Fehler ihrerseits, denn in diesen Sekunden konnte Seto sich leicht über ihr beugen. „Seto…bitte hör‘ auf damit! Bitte!“ Ihr Flehen und Bitten konnte nichts bewirken. Kaiba riss ihr Shirt auf und küsste ihren Nacken. Ein ungewöhnliches Gefühl für Naél und dies gefiel ihr nicht! Sie hatte die Chance, ihre rechte Hand zu bewegen. Auch wenn sie versprochen hatte, ihre Kraft nicht mehr zu Gebrauch zu machen und niemanden mehr zu verletzten, musste sie dies tun. Sie spreizte ihre Hand und sofort loderten die Flammen. Mit einem Klatsch in Setos Gesicht, ließ er sie los und sie hatte die Möglichkeit sich zu entfernen. Ihre erlisch sofort ihre Flammen. Als sie auf den Beinen stand, drehte sie sich zu Seto, der sich mit einer Hand das Gesicht hielt und vor Schmerz schrie. Als er sich ihr zuwandte und sie ansah, konnte Naél von Glück reden, dass ihm nichts im Gesicht passiert ist. Es war demnach nur ein Handschlag. Ohne nachzudenken rannte sie aus dem Zimmer hinaus aus der Villa. Selbst als sie draußen war und sich über die Dunkelheit wunderte rannte sie hinaus. War die Zeit so schnell vergangen? Hatte sie nichts mitbekommen? Es hatten sich Tränen gesammelten, die nur so tropften. Das alles hatte sie sich nicht vorgestellt. Nicht so... Sie wollte nur nach Hause… Zu ihrer Familie…

Der Liebste...

Als schließlich Naél den Park erreichte, war es schon spät in der Nacht. Es war ein weiter Weg von der Villa bis hierher. An einem Lampenpfosten hielt sie kurz inne. Sie musste erst realisieren, was eben geschehen ist, bzw. was geschehen sollte. So hatte sie sich Seto niemals vorgestellt! War er das wirklich? Naél riss sich zusammen. Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Zuhause. Langsam lief sie weiter. Sie war müde und schwach und wollte nur noch ins Bett…
 

Naél hatte es dann endlich geschafft. Sie stand vor ihrem Zuhause. Dem Spielladen ihres Großvaters. Sie lief zur Haupteingangstür ihres Heimes und öffnete diese ganz leise. Erleichtert seufzte sie aus. Sie zog ihre Schuhe aus und legte den Schlüssel auf die Kommode. Um ins Wohnzimmer zu gelangen musste sie durch das Esszimmer und tat das sie auch. Doch als sie das Zimmer betrat, bemerkte sie sofort eine dunkle Silhouette, die am Tisch saß, und die brennende Kerze. Er ist noch wach?, dachte Naél. Als ihr klar wurde, wer da überhaupt saß, schossen ihr die Erinnerungen letzter Nacht in den Kopf. Ganz schnell wurde sie rot im Gesicht. Yami saß am Tisch und hatte anscheinend auf Naél gewartet. Er blickte sie nicht an. Naél seufzte. Sie erinnerte sich: Sie hatte Yugi versprochen schnell wiederzukommen, aber dass es einen ganzen Tag dauern würde, konnte sie doch nicht ahnen. „Du kommst ziemlich spät zurück.“, sagte Yami. Erneut blickte er sie nicht an, sondern beobachtete das Flackern der Kerzenflamme. Naél schwieg und lief einige Schritte ins Zimmer hinein.

„Ja, es wurde etwas später…“

„Etwas?“

„Ich musste nach Hause laufen!“ Nun richtete Yami seinen Blick auf sie und bemerkte sofort das aufgerissene Shirt.

„Was ist geschehen?“ Naél zuckte zusammen, als ihr bewusst wurde, dass ja Seto ihr Shirt aufgerissen hatte. Schützend legte sie ihre Arme vor der Brust und blickte mit rotem Kopf weg. „Nichts…“ Yami fand das jedoch gar nicht witzig und wollte wissen, ob ihr etwas angetan worden ist.

„Naél, bitte…Sag‘ mir, was passiert ist…“

„Ich sagte doch nichts…“

„Und weshalb ist dein Oberteil aufgerissen?“

„Auf dem Weg bin ich gestolpert.“ Yami lächelte. Dass sie nicht gestolpert ist, das wusste er, denn sonst hätte sie Schürfwunden an Armen und Beinen. Und das hatte sie nicht. „Ich habe im Wohnzimmer den Futon fertig gemacht.“ Naél sah ihn überrascht an. Damit hatte sie nicht gerechnet. „D-Danke…“ Yami lächelte sie nur an. „Komm, ich bring dich noch hin.“ Er stand auf und führte Naél ins Wohnzimmer, als würde sie den Weg nicht kennen. Aber wegen der Güte, war Naél so sprachlos, dass sie es alleine nicht geschafft hätte. Sie betraten das Wohnzimmer und Naél bemerkte sofort, dass Yami recht hielte. Der Futon lag fertig. Vor Müdigkeit konnte Naél gar nicht mehr richtig stehen und laufen und schwankte nur ins Bett. Als sie darauf lag und sagte sie unverständliche Worte und schlief sofort ein. Dies nutzte Yami um erneut in ihr Unterbewusstsein einzutauchen um herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Er näherte sich der schlafenden Naél und legte wie beim ersten Mal seine Hand auf ihre Stirn. Sie bekam von allem nichts mit…
 

Ihre Welt hatte sich verändert… Die schönen Blumen, die Vögel, die Fische, alles war weg! Der Himmel war nicht blau sondern rötlich und die Gräser verwelkten. Was ist hier los?, fragte sich Yami. Er konnte Naél nirgends finden. Selbst wenn er nur so herumschaute, er fand sie einfach nicht. In der Ferne sah er eine große Gestalt im Himmel schweben. Als er sich dem näherte, war es die Gestalt eines großen Vogels. Naél! Yami rannte sofort in Richtung des Vogels. Tatsächlich war es der Phönix, der über den Himmel herrschte. Als Naél ihn schließlich bemerkte, flog sie in seine Richtung und landete wenig entfernt vor ihm. Sie transformierte sich in die alte Naél. Ihr Blick war zornig. „Was hast du hier zu suchen!?“ Yami konnte darauf nicht antworten. Er war immer noch geschockt, was er hier zu sehen bekam.

„Was ist geschehen? Warum ist die Welt so verändert?“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet!?“ So kannte Yami Naél nicht. „Ich hab‘ mir Sorgen gemacht.“, antwortete er ihr. Naél grinste sarkastisch.

„Sorgen? Was ist das schon. Um mich hat niemand Sorgen gemacht! Ich war für die Menschen nichts mehr als ein Spielzeug!“

„Hat dir Kaiba also doch etwas angetan?“ Naél zuckte zusammen und Yami hätte meinen können, dass sich die Farbe des Himmels in der kurzen Zeit von rot ins blau überlief. Ihre Stimmung beeinflusste demnach die Umgebung. Wenn also Yami es nur schaffen würde, sie zu beruhigen.

„Naél, ich kann dir nur helfen, wenn du anfängst mir zu vertrauen!“, meinte er. Naél grinste.

„Dir vertrauen? Warum gerade dir? Meinst du, wir kennen uns so gut?“

„Ich weiß, was du für mich empfindest!“ Naél schreckte zurück. Genau wie sich Yami gedacht hatte, veränderte sich die Umwelt. Der Himmel wurde blau und auf den Wiesen blühten Blumen. Jedoch spürte er, dass sich diese Zeit nicht lange anhalten würde und versuchte, weiter auf sie drauf zu reden.

„Kannst du dich noch an das letzte Mal erinnern? Du warst sehr glücklich…“ Und ob sich Naél daran erinnern konnte… „Du wolltest diese Welt mit mir teilen.“ Ja, dass wollte sie. Sie hielt sich eine Hand an ihren Kopf. Wie konnte sie das bloß vergessen? Ist ihr Seto so in den Kopf gewachsen, dass sie ihn total vergessen hatte? Yami näherte sich ihr und als er schließlich vor ihr stand konnte er nur seine Arme um ihren Körper schlingen. „Was ist bloß mit dir geschehen? Was hat er dir angetan, Naél?“ Mit seiner sanften Stimme versuchte er Naél sicherzustellen, dass sie ihm voll und ganz vertrauen würde. Sie fing an zu weinen und krallte sich an Yami. „Lass mich bitte nicht los.“ Er hielt sie noch fester fest. „Ich würde nie auf so eine Idee kommen…“ In der Ferne schienen die ersten Sonnenstrahlen. Nun war es wieder ein wundervoller Anblick, so wie man es sich in den Träumen gewünscht hätte…
 

Naél und Yami lagen auf der Wiese. Naél lag auf seiner Brust und starrte in die Ferne. „Bei solchen Träumen wünscht man sich nur, dass man nie aufwachen würde…“ Yami schaute sie an und schwieg. Sollte er ihr sagen, dass sie das nicht träumte und dass er in ihr Unterbewusstsein geschlichen ist? „Ich weiß gar nicht, wie ich dich lieb gewonnen habe, dass du mir erneut erscheinst…“ Was sollte er darauf antworten? Naél seufzte.

„Es war ein anspruchsvoller Tag heute gewesen…“

„Magst du mir nicht berichten, was du erlebt hast?“, fragte er sie nun. Naél zweifelte. Es konnte nicht so weitergehen… Sie musste ihre Sorgen jemanden berichten damit ihr geholfen werden musste und er war die einzige Möglichkeit in diesem Moment… „Kaiba ist über mich hergefallen…“ Yami schreckte auf.

„Was?! Aber wie…?“

„Es ist nichts passiert…Aber hätte ich mich nicht gewährt, dann wäre etwas geschehen…“ Naél fing an zu zittern. Ihr war nicht kalt oder derweilen, aber sie hatte Angst…

„Wie ich vermutet hatte, war ich nur ein Versuchsobjekt… Er wollte mich an seiner Seite haben, damit ich mit ihm die Firma leiten würde – so seine Ausrede… In Wahrheit will er doch nur, dass ich ihm mit meiner Kraft zur Seite stehe, sprich, Probleme beseitige…“

„Aber warum sollte er auf so eine Idee kommen?“ Naél lächelte. „Er steht auf mich… Und als er von meiner Macht erfuhr, wollte er mich unbedingt in seinem Besitz. Und das hat er auch geschafft…“

„Ich verstehe nicht.“ Naél blickte ihn an. Yami sah die Trauer in ihrem Gesicht.

„Er kopierte mich in eine Karte. Mit dieser Karte könnte er, wenn er nur wollte, mich kontrollieren bzw. ich könnte ihm Befehle aller Art ausführen… Ich wäre ihm unterlegen…“ Naél schloss ihre Augen. Yami verstand nun einiges besser. Jetzt wusste er, warum Seto sie zu sich gerufen hatte. Er drohte ihr. Deswegen befolgt Naél ihm. „Einmal wünschte ich, ich könnte eine eigene Familie haben…“ Sie riss Yami damit aus seinen Erinnerungen und weckte sein Interesse.

„Warum einmal? Das kannst du dir doch jetzt auch wünschen.“ Naél schüttelte den Kopf.

„Nein… Ich kann mir eine eigene Familie nicht mehr wünschen, weil ich nie eine bekommen könnte.“

„Warum?“ Naél seufzte. „Ich kann keine Kinder kriegen…“ Yami zuckte zusammen. Mit so einer Antwort hätte er nicht gerechnet.

„Verzeih‘, dass ich jetzt damit anfange…“

„Keine Ursache.“

„Sagen wir’s mal so… Gar kein Kind ist nicht ganz richtig… Als Phönix darf ich nur einen Nachfahren gebären. Dieses Kind vererbt meine Fähigkeiten weiter… Es ist auch nicht einfach, dieses eine Kind zu bekommen. Es verläuft alles anders. Ebenso wie der Tod…“

„Der Tod? Meintest du nicht, du kannst nicht sterben?“ Naél lächelte.

„Nicht durch Mord. Ich sterbe auf anderer Weise…“

„Das interessiert mich, wie denn?“ Naél atmete tief ein.

„Der Phönix ist meist ein weibliches Geschöpf. In seinem einzigen Leben hat er nur einen einzigen Partner, mit dem er einen einzigen Nachkommen zeugen kann. Wird diesem Partner Schmerzen zugeführt, oder er sich selbst bei irgendetwas schwer verletzt, leidet der Phönix so unter Trauer und Schmerz, dass er sich schließlich, im schlimmsten Fall, selbst umbringt. Im wenigen Fall schläft er ein… Ein trauriger Tod… Im Schlaf zu sterben… Und auch nur, weil der Liebste sich verletzt hat oder gequält wurde… Jedoch kann mir so etwas nicht passieren weil ich keinen Liebsten habe und kann deswegen auch kein Kind bekommen…“ Ein kompliziertes Thema.

„Was empfindest du für mich?“, fragte er sie plötzlich. Naél lief rot an und schaute von ihm weg.

„Es ist ok… Ich möchte es nur wissen.“ Er bekam jedoch von ihr keine Antwort. Er beugte sich auf und schaute sie erwartungsvoll an. „Hey, alles ok mit dir?“, fragte er sie fürsorglich. Sie nickte bloß.

„Also?“

„Was also?“

„Magst du mir eine Antwort geben?“

„Worauf?“

„Du weißt worauf.“

„Nein, weiß ich nicht.“ Yami lachte. Er mochte es, wenn sie mit ihm spielte.

„Wenn du mir keine Antwort geben willst, dann muss ich dir wohl mein geben.“ Kaum als sich Naél ihm zuwenden wollte, spürte sie seine warmen Lippen auf ihre. Erneut durchfloss dasselbe Gefühl in ihrem Körper. Warum träume ich von so etwas?, dachte sie. Es war ein langer inniger Kuss. Doch mit jeder Minute, die sie zusammen verbrachten, spürte Naél wie sich ihre Gefühle zu Yami weiter öffneten. Es ist nur ein Traum…nur ein Traum…ein Traum… Als sie sich lösten, war Naél überglücklich. Sie dachte schon, sie wäre ihr ganzes Leben über nur alleine. Eigentlich war sie das auch, aber hier in ihrer Welt, kann sie mit ihrem Liebsten zusammen sein…
 

„Es wird dich vielleicht ein wenig verwundern, aber… sind wir uns schon einmal in einem früheren Leben begegnet?“ Naél schüttelte den Kopf.

„Das einzige Leben, an das ich mich erinnern kann, ist das jetzige. Also nein, ich denke nicht. Warum fragst du?“

„Ach nur so…“ Yami konnte sich das nicht erklären. Aber in diesem Moment viel ihm nur eine einzige Person ein, die ihm vielleicht weiter helfen würde… Ishizu…

„Lust mit mir morgen auszugehen?“

„Wohin geht’s denn?“

„Das verrate ich dir nicht.“ Er lächelte sie an.

„Bist du gemein.“ Lachend fiel sie auf ihn ein.

„Au…“ Versehentlich hatte Naél Yamis rechte Hand gekratzt.

„Als Strafe!“

„Na warte!“ Sie konnte wieder richtig lachen. Wie ein normaler Mensch. Was sie sich je gewünscht hatte…

Königin Ägyptens...

Naél öffnete ihre Augen. Sie fühlte sich gar nicht gut dabei, wenn sie daran dachte, was in ihrem Unterbewusstsein vor sich gegangen war. Sie kam hoch und hielt eine Hand an ihre Stirn. Ihre Augen geschlossen. Warum erscheinen mir diese Träume? Warum gerade jetzt und warum er? Langsam öffnete sie ihre Augen. Sie waren starr und leer. Was mache ich da bloß… Sie konnte sich schwach an den gestrigen Abend erinnern. Verblüfft sah sie zu sich herunter und bemerkte das zerrissene Oberteil und die Hose, die sie vor dem Schlafen gehen nicht ausgezogen hatte. Vor Müdigkeit konnte sie nicht einmal das. Doch das löste in Naél die Erinnerungen wieder auf! Sofort und in Mengen sah sie die Bilder vor sich. Jedoch auch die unschönen Bilder mit Kaiba. Ist ihr das wirklich geschehen…?
 

Es klopfte an der Tür und riss Naél aus den Gedanken. „Ja?“ Langsam öffnete sich die Tür und Yugi blickte hervor.

„Guten Morgen, Schwesterchen.“

„Guten Morgen, Yugi.“

„Gut geschlafen?“ Naél antwortete nicht, sondern wich seinem Blick aus.

„Geht’s dir gut?“

„Hmm…hab nur Kopfschmerzen, aber geht schon…“

„Soll ich dir etwas zu trinken bringen?“

„Das wäre nett…danke.“ Yugi verschwand hinter der Tür. Naél hörte seine entfernenden Schritte. Erschöpft ließ sie sich nach hinten auf das Kopfkissen fallen. Sie hatte wirklich Kopfschmerzen gehabt. Es dauerte nicht lange, da kam Yugi mit einem Glas Wasser ins Zimmer zurück.

„Hier bitte.“

„Danke, Yugi.“ Langsam trank sie das Wasser.

„Geht’s dir besser?“

„Ja viel, danke.“ Naja, so besonders besser ging es ihr nicht, aber sie wollte Yugi keine Sorgen bereiten.

„Ich habe vorhin mit Joey telefoniert. Sie wollen in etwa einer Stunde hier sein.“

„In einer Stunde? Wie spät ist es denn?“

„Du hast ziemlich lange geschlafen. Es ist gleich zwölf Uhr.“

„Zwölf?“ Yugi nickte. Für Naél kam die Zeit viel früher vor. Sie dachte, es wäre erst acht. Das lag wohl daran, dass sie in Europa immer um sechs Uhr morgens aufstehen musste.

„Ich werde gleich kommen.“

„Soll ich auf dich warten?“

„Ich glaub‘ es wäre besser, du würdest draußen warten.“

„Weshalb?“ Naél guckte ihn schief an. War das nicht offensichtlich?

„Ich würde mich ganz gerne umziehen.“

„Oh…stimmt. Entschuldigung.“

„Nicht schlimm.“ Yugi wurde verlegen und schloss die Tür zu, sodass nur noch Naél im Wohnzimmer war. Sofort stand sie auf und lief zu ihrem Koffer um sich umzuziehen. Hmm…was ziehe ich heute an? Wird es heute warm werden? Sie holte ein grünes T-Shirt hervor und dazu noch eine sehr kurze Jeans. Zufrieden lächelte Naél und zog sich sofort an.
 

Yugi wartete ungeduldig auf seine Schwester. Er hörte die Tür aufgehen und drehte seinen Kopf sofort in die Richtung. Dort sah er Nel, wie sie mit einem zufriedenen Gesicht ihn Anblickte. Yugis Mund blieb vor Staunen offen und auch Yami konnte seinen Blick nicht abwenden.

„Ich bin fertig.“ Noch immer konnte Yugi nichts von sich geben.

„Ist das einigermaßen in Ordnung?“

„Du siehst toll aus!“, konnte Yugi als einziges von sich bringen. Naél lachte kurz auf.

„Danke schön. Ich geh‘ noch schnell ins Bad. Bin gleich fertig.“ Naja, dass es nicht schnell dauern würde, das war Yugi schon im Vornherein klar – bei einer Frau.

„Man kann sagen, der Tag wird nicht langweilig werden.“, sagte Yami.

„Du hast gut reden… Ich denke, der Tag wird, wenn er schon so anfängt, viel anstrengender, als gedacht.“ Yami verzog ein kleines Lächeln.

„Es wundert mich, dass du mir diese eine Frage noch nicht gestellt hast, Yugi.“

„Hmm…Ich denke, dass brauch ich nicht mehr. Es ist doch offensichtlich, Pharao.“ Er seufzte.

„Erlaubst du es mir zu mindestens?“

„Mit ihr zusammen zu sein?“ Yami nickte.

„Das kann ich doch nicht bestimmen. Da musst du schon Naél fragen.“ Er lächelte seinem anderen Ich an.

„Ich hab‘ rein gar nichts dagegen, da ihr in gewisser Hinsicht nicht verwandt seid.“

„Danke, Yugi.“ Yugi konnte Yami voll und ganz vertrauen. Er will seine Schwester nicht traurig sehen, sondern sie soll wieder wie früher lachen und frech sein. Das hatte er nämlich vermisst.

„Wann wirst du Naél erzählen, dass du dich nachts in ihre Träume rein schmuggelst?“ Yami hatte ein Lächeln im Gesicht, als hätte man ihn erwischt.

„Wer weiß… Aber sie kann ganz schön kratzen. Das tat weh!“

„Und weswegen willst du heute zu Ishizu?“

„Das ist schwer zu erklären, aber manchmal sah ich Bilder aus dem alten Ägypten vor mir, indem Naél vorkam. Ich will unbedingt wissen, ob sie in einem früherem Leben gelebt hatte und welche wichtige Rolle sie in meinem spielte.“

„Verständlich.“ Naél öffnete die Badzimmertür und trat mit frischem Gesicht und gemachten Haaren heraus.

„Fertig.“

„Wurde aber auch Zeit.“

„Hey, werd‘ nicht frech!“

„Bin ich doch gar nicht.“

„Zwing mich nicht, dir hinterherzujagen!“

„Versuchs doch.“

„Na warte!“

Naél jagte Yugi bis in sein Zimmer hoch. Als sie ihn gefangen hatte, stolperten sie auf den Boden. „Kinder, ihr bringt noch das gute alte Haus zum Einstürzen.“, hörten sie ihren Großvater meckern. Sie lachten darauf und fühlten sich wie die Zwillinge vor sechs Jahren.

„Was ist das?“ Naél blickte auf und bemerkte das Bild, welches Yugi auf dem Schreibtisch gestellt hatte. Naél trat näher heran und schaute es an. Genau dieses Bild hatte bei ihrer Ankunft gefehlt. Er hat das Bild ernsthaft wieder aufgestellt?, fragte sie sich. In diesem Moment fühlte Naél eine Wärme, die ihr umgab. Die Wärme ihres Herzens.

„Freut es dich?“ Was für eine Frage. Sie blickte Yugi an.

„Hast du das meinetwegen wieder aufgestellt? Ich dachte, du hättest es vernichtet?“

„Wie könnte ich dieses Bild bloß vernichten?“ Naél war erstaunt über seine Antwort. Ihre ganzen Sachen fand sie nicht mehr vor, aber dieses Bild, hat er dennoch aufgehoben. In diesem völlig überraschenden Moment umarmte sie ihren Bruder zärtlich und vertraut.

„Danke.“ Er erwiderte ihre Umarmung.

„Nichts zu danken.“
 

Wie aufs Stichwort klingelte die Türklingel. Sie hörten nur, wie ihr Großvater diese öffnete.

„Hallo Herr Muto, sind Yugi und Naél da?“ Es war Joey, der mit ihm sprach.

„Ja sie sind oben. Naél! Yugi! Eure Freunde sind hier!“, rief er die beiden herunter. Es dauerte nicht lange, bis die beiden herunter kamen.

„Holla, Naél du siehst toll aus.“, sagte Joey. Naél musste lächeln. Den Satz hörte sie nicht zum Ersten Mal.

„Danke, Joey.“

„Hey, vergesst uns nicht!“ Naél blickte an Joey vorbei und sah den Rest der Gruppe. Auch Tea war anwesend. Langsam trat sie näher heran. Überraschend rechte sie Naél ihre Hand.

„Hallo.“

„Guten Tag.“

„Wir haben uns nicht richtig vorgestellt. Ich bin Tea.“

„Naél.“

„Yugis Schwester. Ich weiß.“ Yugi hatte Naél nichts von dem Besuch von Tea erzählt. Er hielt es für besser. Außerdem fand er die Entscheidung richtig, dass Tea sich mit Naél versöhnen wollte.

„Worauf warten wir? Wollen wir los?“ Nach dieser Frage von Joey, mussten alle lachen und machten sich schließlich auch auf den Weg. Naél wusste zwar nicht wohin, aber das war ihr in diesem Moment egal…
 

„Wie ist es eigentlich, die Schwester eines weltberühmten Duellanten zu sein?“, fragte Tea Naél. Diese stutzte zuerst.

„Naja… wie soll es denn sein? Wir sind halt Geschwister…Nichts Besonderes.“ Naél verstand Teas Frage nicht. Musste sie sich Berühmt fühlen, weil sie mit einer Berühmtheit verwandt ist? Und auch noch als Zwilling?

„Auf welchem Internat warst du eigentlich?“ Diese Frage kam komischerweise von Tristan.

„Äh… Nun, das war ein europäisches Internat. Ganz anders, als die hier in Japan. Denk Namen konnte ich mir nie merken, tut mir leid.“ Naél fiel es schwer zu leugnen. Aber in diesem Moment konnte sie nichts anderes, als irgendeine Geschichte zu erzählen. Glücklicherweise fragte Tristan auch nicht mehr nach. Joey wandte sich an Yugi und musste ihn etwas fragen.

„Sag‘ mal Yugi, sagtest du nicht, du wolltest zu Ishizu?“

„Genau Joey, deswegen sind wir auch diesen Weg gegangen. Es ist der schnellste zum Museum.“

„Und weswegen willst du unbedingt mit ihr reden? Hoffentlich keine Zeitreisen, oder?“ Yugi schüttelte seinen Kopf.

„Nein. Es ist nur… ich will sie etwas fragen, bzw. der Pharao.“

„So…“

„Ich denke, dass wird nicht lange dauern, du könntest ja mit den anderen draußen warten.“

„Ich lass mir etwas einfallen.“

„Danke mein Freund.“

Naél fühlte sich in dieser Gruppe wohl. Sie selbst wunderte sich, dass Yugis Freunde so schnell Freundschaft mit ihr geschlossen hatten. In ihrer Abwesenheit hatte sie gar keine Freunde gehabt. Wie denn auch, wenn man Tag für Tag an Kabel und Schläuche verbunden war. Doch Naél wollte nicht in die Vergangenheit blicken, sondern in die Gegenwart. Sie lief tatsächlich mit ihrem Bruder und ihren neuen Freunden in der Stadt herum. Wie es sich für einen normalen Menschen gehörte. Sie konnte endlich dazu gehören. Vorübergehend…
 

Die Gruppe hatte das Altägyptische Museum erreicht, indem anscheinend Ishizu arbeitete.

„Naél und ich kommen gleich wieder. Am besten ihr wartet hier.“

„Ich? Aber was willst du mit mir da drinnen?“

„Erklär‘ ich dir gleich. Komm mit.“ Er zerrte seine verwirrte Schwester die Treppen hinauf.

Naél fühlte sich unwohl, als sie und Yugi das Gebäude betraten.

„Yugi, was willst du hier?“, fragte sie ihn.

„Ich will dir jemanden vorstellen. Eine alte Freundin, die uns sehr geholfen hat. Warte einen kleinen Augenblick.“ Er entfernte sich von ihr und blickte sich umher. Es dauerte nicht lange, bis er Ishizu entdeckte. Sie kam direkt auf ihn zu. Über seinen Besuch war sie informiert und deswegen nicht sonderlich überrascht.

„Ich wusste, dass Ihr erscheinen würdet.“ Von einem zum nächsten Moment wechselten sich die Körper von Yugi und Yami.

„Ich will dir gerne jemanden vorstellen.“ Er blickte zu Naél und deutete, dass sie kommen solle. Naél näherte sich ihnen langsam. Mit ihr hatte Ishizu nicht gerechnet. Sie zuckte zusammen und hielt vor Erstaunen eine Hand vor dem Mund.

„Das ist Naél. Die Zwillingsschwester von Yugi.“ Ishizu konnte es immer noch nicht fassen.

„Ist das möglich?“ Naél verstand nicht.

„Verzeihung?“

„Seid Ihr es wirklich?“

„Ähm… wer bitte soll ich denn sein?“

„Seid Ihr das Mädchen mit den Phönix-Kräften?“ Nun wurde Naél ernster.

„Woher wisst Ihr das?“ Ishizu atmete erleichtert aus.

„Folgt mir bitte.“
 

Ishizu führte die beiden in eine für Besucher unzugängliche Abteilung. Yami kam dieser Bereich äußerst bekannt vor. Sie blieb vor einer Tafel stehen.

„Seht Ihr diese Gestalt neben dem Pharao?“ Sie zeigte auf eine weibliche Figur. Die Frau ähnelte Naél im Grob und Ganzem. „Das seid Ihr!“ Naél schreckte auf. Es war nie möglich, dass sie diese Frau sein konnte.

„Was wollt Ihr meinen, dass sei ich?“

„Vor vielen Jahren lebtet ihr an der Seite des großen Pharaos! Ihr ward die Königin Ägyptens... Amitiel!“ Naél sowohl auch Yami erschraken in diesem Moment. Yami hatte demnach mit seiner Vermutung völlig recht. Das ist nicht möglich… Sprach sie von derselben Amitiel, die sie als Kind gerettet hatte?

„Genau wie in der früheren Dynastie besaßt Ihr Eure Begabung und ward ein Schutz des Volkes. Ihr könnt von Glück reden, dass…“

„Moment!“, unterbrach Naél Ishizu. „Ich weiß ja nicht, was hier vor sich geht, aber ich kann kein bisschen – nie und nimmer – diese Frau sein, geschweige denn Königin!“

„Ihr könntet in die Zeit zurück gelangen.“ Yami blickte zu Ishizu.

„Das ist erneut möglich?“ Ishizu nickte als Bestätigung. Schließlich wandte sie sich erneut der verwirrten und ängstlichen Naél zu.

„Hört mir zu… Ich kann euch in die frühere Zeit zurück schicken. Ihr müsst mir nur eines geben. Nämlich eure Karte!“ Sie wartete auf eine Antwort von Naél. Doch diese kam zu sich und musste lächeln.

„Redet ihr von der Karte?“

„Ja, das tue ich.“

„Nun…Ich habe sie nicht!“

„Ihr habt sie nicht? Wie darf ich das verstehen?“

„Kaiba hat sie!“ Yami erinnerte sich. Naél hatte ihm davon erzählt.

„Gibt es eine Möglichkeit sie irgendwie zu beschaffen?“

„Ich glaube nicht…“ Ishizu fragte nicht nach. Das war schlecht, denn nur diese Karte war der Schlüssel für das Tor ins alte Ägypten.

„Ich verstehe… Ich hoffe, Ihr findet einen Weg, wie ihr an die Karte herankommt.“

„Das werde ich!“ Es war schon immer die Absicht gewesen die Karte persönlich aus den Händen Kaibas zu reißen. Yami blickte sprachlos zu Naél. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie an seiner Seite gelebt hatte. Amitiel… Nun war ihm auch der Name klar.

„Wenn ihr fragen habt, kommt einfach wieder hierher. Ich bin hier…“ Die beiden nickten. Doch gerade als sie sich verabschieden wollten, fiel Ishizu noch etwas ein.

„Auch wenn Ihr es nicht glauben mögt, aber Ihr habt früher sehr viel Gutes für Euer Volk getan. Ihr hattet das Böse mit besiegt und die Stadt vor Feinden beschützt. Gerade den Kindern habt ihr große Zuneigung gezeigt, meine Königin…“ Naél schaute in die Augen Ishizus.

„Danke…“

„Ich danke Euch.“ Ohne ein weiteres Wort entfernten sie sich ich und gingen hinaus zu den anderen.

„Was ist denn mit euch los? Ihr seid so blass?“, fragte Joey. Sie waren immer noch sprachlos von dem Ganzen. Am besten war es, dass Yami und Naél es für sich behielten. Auf jeden Fall…

Der zweite Besuch...

Yami und Naél waren still, seitdem sie aus dem Museum herauskamen. Weder hatten sie ein Wort gewechselt, noch sich angesehen. Die Zweisamkeit gefiel Tea ganz und gar nicht und überlegte sich, was sie Fragen könnte. Doch dann fiel ihr etwas ein.

„Naél?“ Diese wurde aus ihren Gedanken gerissen und blickte Tea fragend an.

„Hast du eigentlich einen Freund?“ Naél zuckte zusammen als sie dies hörte. Diese Frage weckte bei den anderen das höchste Interesse. Doch Naéls Blick ging zu Yami herüber. Er war der einzige, der sich ihr nicht zuwandte, sondern sich eher abwandte… Wollte er die Antwort nicht hören? Hatte er Angst, sie wurde die Frage bejahen? Naél konnte ihn schlecht einschätzen. Es war ihr offensichtlich, dass sie etwas für ihn empfand, auch wenn er komischerweise eine andere Art ihres Bruders war. Genau das machte ihr Sorgen. Wäre es verboten?

„Nein! Ich habe keinen Freund!“ Die Blicke der anderen waren überrascht, als hätten sie mit dieser Antwort nicht gerechnet.

„Was? Echt nicht?“, fragte Joey. Sie schüttelte ihren Kopf.

„Nein…wirklich.“

„Nicht mal in einem verliebt?“ Naél zuckte erneut zusammen. Was sollte sie nun darauf antworten? Sollte sie dem zustimmen? Oder ausweichen? Das wäre zu auffällig gewesen. Lieber ablehnen? Sie versuchte Blickkontakt mit Yami aufzunehmen, doch leider vergeblich. Tea bemerkte dies und hatte schlimme Vermutungen. Liefe da etwas zwischen den beiden?

„Mit unserem Yami?“, fragte Joey. Plötzlich guckte dieser verschreckt auf.

„Also doch…aha…“ Verspielt näherte sich ihm Joey und legte seine Arme über seine Schultern.

„Hast du es also doch gewagt, ja?“

„Bitte?“, fragte Yami. Er war über Joeys Frage mehr als überrascht.

„Warte mal, Joey. So ist das nicht…“

„Wie? Doch etwa nicht? Wie schade…“ Was sollte das? Tea war anwesend. War das seine Absicht, sie zu provozieren?

„Nein, schon… Naja, nicht…“ Joey änderte seinen Tonfall.

„Schon ok. Es war nur ein Spaß. Ich weiß doch, dass da nichts ist. Wäre ja auch komisch gewesen.“

Naél schwieg. Sie war froh, als das Thema abgeschlossen war. Jedoch war ihr die Situation so peinlich gewesen, dass man ihren rötlichen Hautton im Gesicht nicht übersehen konnte. Hoffentlich hat es keiner gemerkt?, fragte sie sich.

„Hey, habt ihr auch so einen großen Hunger, wie ich? Wollen wir was essen gehen?“

„Typisch, dass diese Frage wieder vom richtigen kam.“, meinte Tea.

„Hey, es ist nun mal Tatsache.“

„Ach ja?“

Joey und die anderen liefen diskutierend unbemerkt weiter vornehinweg und merkten gar nicht, dass Naél und Yami dahinter blieben. Sie liefen nebeneinander und blickten sich nicht an. Soll ich was sagen?, dachte sich Naél.

„An was denkst du gerade?“, wurde sie gefragt. Überrascht blickte sie auf.

„Äh…an nichts…“

„Sicher?“ Sie nickte. Naél spürte seine Blicke auf ihrem Körper und fing an zu zittern.

„Du musst Joey entschuldigen, manchmal sagt er Sachen, die er erst später im Klaren ist. Ist dir kalt? Du zitterst ja?“ Er berührte ihre Schulten, doch Naél wich ihm ruckartig aus.

„Alles bestens!“, sagte sie zögernd. Yami schwieg. Was ist mit ihr?

„Wirklich?“ Sie nickte.

„Ja…wirklich…danke…“ Yami gefiel ihre Art nicht. Irgendetwas bekümmerte sie.

„Naél, ich…“

„Nein! Am besten vergessen wir das, was eben gewesen ist. Es ist für alle das Beste.“

„Aber…“

„Lass es bitte…Mach es nicht schlimmer als es schon ist…“

„Schlimmer? Wovon redest du?“ Naél blickte ihn mit großen Augen an, als sie sich ihnen abwandte und ihren Blick nach unten heftete. Doch dann bemerkte sie plötzlich etwas, was sie sich lieber erträumt hätte...
 

„Deine Hand!“ Yami zog seine rechte Hand hinter sich, welche die Kratzerspuren von Naél vorzufinden waren. Doch Naél ließ sich nicht abwinden, näherte sich Yami und holte seine Hand hervor.

„Diese Kratzer!“

„Naél, ich…“

„Wieso hast du dort Kratzer an der Hand, genau wie…“ Naél hatte es begriffen. Sie musste bloß eins und eins zusammen zählen.

„Naél, ich kann es dir erklären…“

„Bitte sag nicht, dass…du…?“ Yami nickte bloß.

„Hey! Wollt ihr da hinten noch länger Wurzeln schlagen?“, rief Joey den beiden rüber. Doch anstatt er eine Antwort bekam, sah er nur, wie Naél sich rennend von Yami entfernte.

„Naél!“, rief Yami ihr hinterher.

„Hey, was ist denn jetzt los?“ Yami zögerte nicht lange und rannte ihr hinterher. Die anderen verstanden rein gar nichts und konnten nur fragend hinter herschauen.
 

Naél rannte durch den Park, in dem sie vor wenigen Tagen von der Jungs –Gruppe überwältigt wurde und in dem sie ihre Kräfte erlangt hatte. Sie rannte an der Unterführung vorbei und an der Bank, als sie erschöpft vor einem großem Springbrunne kurz inne hielt. Doch als sie die Rufe Yamis hörte, versuchte sie mit aller Kraft weiter zu fliehen. Doch das gelang ihr nicht. Yami holte sie ein und hielt ihr Handgelenk fest, womit er ihre Flucht verhindern konnte.

„Warte doch bitte…“

„Nein! Lass mich los! Ich will nicht!“ Sie kämpfte darum, sich ihm zu befreien, als ihr die Erinnerungen von Seto hochkamen. Ihr Herz pochte vor Angst. Sie fürchtete sich davor, dass auch er ihr etwas Schlimmes antun würde. Jedoch ist die Wahrheit das Schlimmste, was man je erfahren kann.

„Wieso hörst du mir nicht zu?“

„Du brauchst mir nichts zu erklären!“

„Aber du siehst das ganz falsch.“

„Lass es einfach!“

Sie hatte Kraft, das musste man sagen. Er tat sich schwer, sie richtig fest zu halten. Was man ihm jedoch nicht ansah: Er hatte Angst…

Angst um sie, Angst sie zu verlieren und Angst, dass sie ihn hassen würde. Vielleicht wäre es besser gewesen, gleich die Wahrheit zu sagen und ihr nicht vorzutäuschen, dass sie träumen würde. Zögernd hatte Yami es geschafft, sie einigermaßen in Griff zu halten. Er hielt ihre beiden Hände hinter ihrem Rücken fest. Naél schrie vor Schmerzen kurz auf, jedoch war sie danach still und Yami nutzte diese Chance, um sachte mit ihr zu reden.

„Verzeih‘ mir, aber bitte gib mir die Gelegenheit es dir nun zu erklären. Ich möchte nicht, dass es nun so enden muss.“, sagte er. Naél schwieg und blickte von ihm weg. „Ich nehme das als ein Ja an.“ Er bekam keine Antwort.

„Ja, du liegst richtig. Ich habe mich nachts in dein Unterbewusstsein eingedrängt, aber nur um dich besser kennen zu lernen und dir zu helfen.“

Naél grinste sarkastisch.

„Und ich habe mich in dich verliebt…“

Naél versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Doch wie das Schicksal es nun mal wollte, liefen sie unaufhaltsam ihr Gesicht entlang. Ihr war es schon unangenehm, da sie in letzter Zeit viel weinen musste.

„Lass mich bitte los.“, sagte sie. Es war schon fast ein flehen, so wie es aus ihrem Mund herauskam. Zögernd ließ Yami ihre Hände los. Naél rieb sich ihr Handgelenk und lief einige Schritte beiseite.

Doch plötzlich wandte sie sich ihm zu, näherte sich ihm so nah, bis schließlich Yami eine Hitze an seiner Wange spürte. Schützend hatte er seine Hand drauf gelegt. Diese Hitze wandelte sich in Schmerzen um. Brennender Schmerz.

„Das geschieht dir recht!“, meinte sie gezürnt. Yami schwieg. Sie hatte ihm wahrhaftig einen Klatsch ins Gesicht gegeben. Aber in einer Geschwindigkeit, welches er nicht vorhersehen konnte, bzw. ihr ausweichen würde. Aus dem Blickwinkel merkte er, wie Naél sich ihm näherte und sein Gesicht zu ihr drehte. Sie war ihm verdächtig nahe.

„Ich muss jedoch gestehen, dass ich diese Träume genossen habe.“ Yami spürte ihren Atem auf seinen Lippen. Doch plötzlich entfernte sie sich ihm und ging ganz von ihm weg.

„Wohin gehst du?“, rief er ihr nach.

„Zu Kaiba!“

„Und was willst du bei ihm?“

„Meine Karte wiederholen!“

Verschreckt blieb er auf der Stelle stehen. Hatte sie das wirklich vor? Yami schwieg und blickte ihr nur nach, als er Fußstapfen hörte. Er drehte sich um und entdeckte Joey, der seine Hände in seiner Hosentasche hatte und mit einem Lächeln zu ihm kam.

„Sie hat noch etwas zu erledigen, so wie sie weggegangen ist?“

Yami nickte bloß und lächelte in sich hinein.

„Tea ist ausgeflippt, als sie gesehen hat, dass du ihr hinterhergerannt bist. Sie muss ja höllisch eifersüchtig sein. Was grinst du so?“

„Ach nichts. Es ist nur…“

„Ja?“

„Lass uns zu den anderen gehen.“

„Und Naél?“

„Die wird später kommen.“

„Na wenn du meinst.“

Die beiden Freunde gingen erzählend davon und sie hatten sich nicht wenig amüsiert…
 

Naél war auf dem Weg zur Villa von Seto Kaiba. Wütend stampfte sie den Asphalt entlang, die Blicke der Mitmenschen ignorierte sie. Warum muss er auch unbedingt so weit entfernt wohnen!, dachte sie sich. Es dauerte eine Weile bis sie vor dem Gittertor stand und wild klingelte.

„Hallo?“

Sie erkannte Mokubas Stimme.

„Mokuba ich bin es…Naél. Mach bitte auf.“

„Naél? Aber warum bist du hier?“

„Erklär‘ ich dir gleich. Machst du bitte auch?“

„Ähm, ja…einen Moment.“

Das Tor öffnete sich und Naél spazierte stolziert hinein. Mokuba wartete schon an der großen Eingangstür auf sie.

„Ich möchte gerne mit deinem Bruder sprechen.“

Mokuba machte große Augen.

„Ach ihm? Ähm, nun ja… das geht gerade sehr schlecht…“

„Ist er beschäftigt?“

„In gewisser Weise…“

„Na umso besser!“

Naél lief an ihm vorbei die Treppen hinauf.

„He, warte mal…Du kannst doch nicht einfach…“

„Ich muss mit ihm sprechen, Mokuba!“, unterbrach sie ihn. In Mokubas Gesicht erkannte sie Furcht. Naél seufzte.

„Verzeih‘ mir Mokuba…“

„Schon verziehen.“

Sie lächelte ihn an.

„Es ist nur so…dein Bruder hat etwas in seinem Besitz, dass einmal mir gehört hatte und ich möchte es gerne wiederhaben. Meinst du, du könntest mir helfen?“

„Was war es denn?“

„Eine Karte, die mir wirklich sehr viel bedeutet. Deswegen muss ich jetzt zu ihm.“

„Aber…“

Naél lief an ihm vorbei in Richtung des Zimmers von Seto. Ohne Vorwarnung öffnete sie die Türen. Als sie sich umblickte, hörte sie kurz eine Frauenstimme aufschreien. Diese blickte sofort in Naéls Richtung.

„Mokuba, ich habe doch gesagt, dass ich beschäftigt bin!“

„Ich bin nicht Mokuba!“, entgegnete sie. Ruckartig drehte Seto sich um und sah in die wütenden lila Augen. Die Frau sträubte sich auf und beäugte Naél von oben bis unten.

„Wer ist das, Seto?“, fragte diese. Sie hatte lange schwarze lockige Haare und tief grüne Augen.

„Es ist besser, du gehst jetzt!“, meinte er zu der Frau. Diese blickte ihn verschreckt an.

„Was? Aber…“

„Verschwinde!“

Die Frau schwieg, nahm ihr Jackett und ging. Sie blieb nochmal bei Naél stehen und blickte sie exzentrisch an.

„So toll bist du nun auch nicht!“, giftete sie Naél an.

„Dafür sind meine echt!“

Empört stampfte sie an Naél vorbei und verließ das Zimmer und Naél grinste triumphierend in sich hinein. Seto setzte sich an seinem Schreibtisch und hielt seine Hand an seine Stirn.

„Was willst du hier?“, fragte er sie. Naél näherte sich und lehnte sich gegen das Schreibtisch an.

„Du weißt warum ich hier bin!“

„Sie liegt in der Schublade…“

„Warum so freundlich?“

Naél öffnete die Schublade neben dem Schreibtisch und entdeckte ihre Karte. Sie nahm sie heraus und hielt diese eine Weile in ihrer Hand. Ein komisches Gefühl, so eine harmlose Karte in der Hand zu halten, die eine unglaubliche Macht innewohnt.

„Ich brauche sie nicht mehr…“

Hörte sie wirklich das Flehen und Scheitern in seinem Tonfall?

„So kenne ich dich gar nicht, Seto. Was hat die Frau dir bloß gegeben?“

„Nichts! Das ist es ja…Keine kann mir das geben, was du mir geben könntest.“

„Und das wäre?“

Er lehnte sich zurück und blickte sie an.

„Du bist einzigartig, Naél. Du bist die einzige, bei der mein Eis zu schmelzen beginnt.“ Er stand auf und näherte sich ihr. Erneut war er ihr gefährlich nahe. Ihr Blick sagte nur eines: Bleib bloß von mir fern!

„Wieso bleibst du nicht bei mir?“

„Das kann ich dir nicht erklären!“

„Und wieso nicht? Welchen Grund hast du? Gibt es einen anderen?“

Bei der letzten Frage erschien Yami in ihren Gedanken.

„Keine Antwort? Ist es demnach deswegen?“

„Du hast keine Ahnung!“

Sie stieß ihn weg und war gerade auf dem Weg, das Zimmer zu verlassen, als er ihr Handgelenk festhielt und sie demnach – wie beim ersten Mal – davon hinderte. Naéls Geduld erreichte ihre Grenzen. Was kann er nicht verstehen? Seto wollte erneut etwas sagen, als überraschend Mokuba ins Zimmer platzte.

„Lass sie gehen, großer Bruder!“

„Mokuba…“, konnte Naél es nicht fassen.

„Was willst du, Mokuba?!“

„Lass sie gehen! Du kannst sie nicht zwingen hier zu bleiben! Du kannst sie nicht wie ein Vogel in einen Käfig einsperren, nur damit er dir etwas vorsingt! Lass sie frei! Bitte!“

Mokubas Worte wirkten wie ein Wunder auf Seto. Zögernd ließ er ihr Handgelenk los. Naél blickte noch zu ihm, bevor sie das Zimmer mit Mokuba verließ.

„Danke…Seto…“

Sie bekam keine Antwort. Dann machte sie sich mit Mokuba auf.
 

„Kannst du mir noch einen Gefallen tun?“

„Welchen denn?“

„Könntest du mich vielleicht nach Hause fahren?“

Mokuba willigte ein und rief sofort nach Roland, der die beiden zurück fuhr. Naél blickte erneut auf ihre Karte. Der unbesiegbare Phönix, Naél.

Er hätte sich auch einen besseren Name ausdenken können!, dachte sich Naél. Doch im Endeffekt konnte sie nur darüber lachen, welches die Aufmerksamkeit von Mokuba weckte.

„Was ist denn?“

„Ach ist schon in Ordnung. Ich fand‘s nur toll, wie nett es ist, dass man mich nach Hause fährt.“

„Ich war es dir schuldig.“

„Du bist wahrhaftig ein guter Freund. Nimm deinen Bruder nicht so ernst, er wird sich schon wieder einkriegen.“ Hoffe ich zu mindestens…
 

„Wir sind da.“, verkündete Roland. Mokuba bedankte sich und stieg gemeinsam mit Naél aus.

„Ich danke dir vielmals, Mokuba.“

Zum Dank umarmte sie ihn freundschaftlich. Der schwarzhaarige wurde ganz rot. Doch als sie sich ihm löste zwinkerte sie ihn an.

„Unser Geheimnis, in Ordnung?“

Dieser nickte, verabschiedete sich und stieg ins Auto ein, bis sie davonfuhren.

Naél schaute noch hinterher, bis sie schließlich ins Haus eintrat.

„Na wer kommt denn da?“

Naél brauchte sich nicht umdrehen. Sofort hatte sie ein Lächeln im Gesicht. Es war Joey, der sie begrüßte.

„Bin ich spät?“

„Nicht ganz.“

Sie betrat das Esszimmer, als sie Yami entdeckte. Keiner sagte etwas, sondern blickte sich einander an. Doch er musste das Schweigen brechen.

„Hast du, was du wolltest?“

Naél verstand sofort und legte die Karte auf dem Tisch.

„Da ist sie. Die Karte!“

„Eine Duellkarte? Lass‘ mal sehen.“

Joey nahm die Karte von Tisch und blickte sie genauestens an. Naél durchlief ein kalter Schauer, als er sie in den Händen hielt.

„Wegen so einer Karte, macht ihr so einen Stress?“

„Es ist nicht nur eine Karte, Joey.“

„Was?! Sehe ich richtig? Unendliche Lebens– und Verteidigungspunkte?!“

Naél seufzte und Yami lachte. Man konnte es nicht glauben, aber irgendwie ist Joey der Titel der Karte gar nicht aufgefallen. Ein Glück nicht. Joey, noch immer ganz verblüfft, legte geschwind die Karte auf den Tisch und hielt Abstand. Kaum war sie auf dem Tisch gelegen, griff Yami nach ihr und sah sich an. Er war fasziniert gewesen und blickte zu Naél.

„Willst du das wirklich?“

„Ich will nur die Wahrheit wissen…Mehr nicht!“

„Ich will dich nicht zwingen.“

„Dann mach dich fertig.“

Und das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er selber war Aufgeregt, was passieren würde. Welche Wahrheit steckt dahinter? Werden sie je wieder zurückkommen? Doch in diesem Moment war er froh, dass Naél er sich nicht anders überlegt hatte. Wenige Minuten konnte er in Domino City verbringen, bevor er erneut eine Zeitreise durchführen würde. Er war bereit…

Das alte Ägypten...

Joey hatte sich auf dem Weg zum Museum verabschiedet. Er konnte nicht mit verfolgen, was die beiden vorhatten. Schon am Eingang wartete Ishizu auf die beiden.

„Kommt bitte mit.“

Still folgten sie ihr erneut in den Raum.

„Habt Ihr die Karte?“

Naél nickte undreichte ihr die Karte herüber. Ishizus Augen glänzten vor Freude, als sie die Karte in den Händen hielt.

„Eine starke Macht geht von ihr aus.“, meinte sie.

„Was wollt Ihr jetzt damit machen?“, fragte Naél nach. Ishizu richtete sie Karte auf die Tafel, als diese plötzlich aufleuchtete.

Schützend hielten sich Yami und Naél ihre Arme vors Gesicht. Keiner von den beiden konnte sehen, was passiert ist. Es war, als würden sie in eine Art Trance verfallen, denn sie befanden sich nicht mehr in ihrer Zeit…
 

Die Sonne schien auf das Land Ägypten. Die Menschen gingen ihrem Alltag nach. Nur ein junges Mädchen lief den sandigen Weg zum Palast auf Hoffnung, dort etwas zu erreichen. Doch dort angelangt wurde sie weniger freundlich aufgenommen. Die Wachen schieben sie zurück.

„Ich muss mit dem Pharao sprechen.“

„König Aknamkanon hat keine Zeit mit dir zu sprechen!“

„Aber…“

„Verschwinde von hier!“

Das Mädchen erschrak und ging mit gesenktem Kopf den Weg zurück, von dem sie gekommen ist.

In dem Palast herrschte ein Durcheinander.

„Mein Pharao sie sind auf dem Weg hierher.“

„Wer ist auf dem Weg?“

„Diebe! Gauner! Es sind hundert! Wir haben keine Chance gegen sie.“

Mit schüttelndem Kopf hielt er seine Hand vor der Stirn. Warum musste gerade jetzt sein Land angegriffen werden? Viele Jahre lebten sie friedlich und ohne Kampf. Warum jetzt?

„Holt mir mein Pferd, ich werde ihnen entgegenkommen.“

„Mein König das wäre Selbstmord!“

„Es ist das mindeste für mein Volk…“

„Tut es nicht!“

Seine Leibwachen konnten ihn nicht davon abwinden.

„Denkt doch nur an Euer Sohn!“

„Mein Sohn wird es schon verstehen!“

König Aknamkanon stieg auf sein Pferd. Sofort öffneten sich die Toren. Das junge Mädchen, welches davor abgewandt wurde, drehte sich verschreckt um und sah den Pharao hinausreiten. Noch unwissend von der Gefahr.

„Bitte riskiert nicht Euer Leben!“

„Mein Volk darf nicht sterben!“, meinte er.

Volk? Sterben? Was hat das zu bedeuten? Das Mädchen hörte aufmerksam zu.

„Wenn es keiner schafft, dann sollte ich mit Ehre sterben!“

Nun wurde ihr einiges Verständlicher. Sie sah den Pharao auf seinem Pferd losgaloppieren. Das wäre ihre Chance gewesen.

„Halt!“

Sie stellte sich ihm in den Weg. Gerade noch konnte er ihr ausweichen und das Pferd zum stehen bringen.

„Mädchen, was tust du da? Weißt du was mit dir passiert wäre?“

„Ich kann Euch helfen!“

Aknamkanon lachte.

„Du? Uns helfen? Wie kommst du auf so eine dumme Idee?“

„Lasst mich gegen den Feind kämpfen!“

„Es sind hunderte, mein Kind. Bitte geh‘ mir aus dem Weg. Es ist freundlich, dass du helfen willst, aber das wäre viel zu gefährlich. Gerade für ein junges Mädchen wie dich.“

In der Zwischenzeit hatten seine Leibwachen die beiden erreicht.

„Mädchen, ich möchte es nicht noch einmal sagen. Lass mich bitte durch. Es geht um dein Bestes.“

„Dann lasst mich kämpfen!“

Aknamkanon sah keine weitere Möglichkeit. Von ganzem Herzen wollte er das Mädchen und auch sein Volk vor den Gefahren bewahren.

„Na schön…Versuch dein Glück.“

Seine Leibwachen wollten ihren Ohren nicht trauen, als sie dies hörten.

„Ihr wollt ein Kind zum Kampf schicken?“

„Wenn sie darauf besteht…“

Das Mädchen willigte ein und lief sogleich zum Ort. Dicht gefolgt vom König und den Leibwachen. Diese jedoch blieben am Stadtrand stehen und blickten dem Mädchen nach, welches sich dem Tod entgegen lief.

„Das Mädchen wird sterben…“, meinte Mahado.

„Lasst uns Abwarten…“
 

Es waren hunderte, wie schon der König meinte, von den Feinden anwesend. Sie lachten, als sie das Mädchen sahen, die ihnen entgegenkam.

„Seht! Der König schickt ein Bauernmädchen gegen uns an. Das zeigt seine Schwäche!“

Doch sie ließ sich nicht abwinden und hielt vor dem Anführer an.

„Ihr solltet unser Land verlassen.“, meinte sie.

„Weshalb? Uns gefällt das Land, abgesehen die Schätze, die es im Palast vorzufinden gibt!“

„Ich warne Euch!“

Doch dieser lachte. Er lachte sich aus der Seele hinaus.

„Was kannst du, kleine Göre, gegen uns anrichten?“

Mit einem Handzeichen befahl er zwei seiner Kämpfer, sie untüchtig zu machen. Sie lächelte bloß, denn dazu kam es nicht. Kaum, als man ihr an die Kehle gehen wollte, ging sie in Flammen auf. Mit Leichtigkeit brachte sie die zwei Krieger um. Ihre Augen waren rot. Rot wie die Abendsonne und voller Zorn und Wut. Was der Pharao und die anderen zu sehen kamen, blieb auf ewig in ihren Erinnerungen. Das Mädchen kämpfte ganz allein gegen die hundert und siegte. War es Hexerei? War das real? Man sah Flammen. Einer nach dem anderen fiel zu Boden. Ihre Augen waren leer. Ohne ein weiteres nahm sie ihnen ihr Leben.

„Das ist unfassbar.“

„Das ist kein Mensch.“

„Sie hat unser Land gerettet!“

Aknamkanon lächelte in sich hinein. Ja…Sie hatte das Land gerettet und er wüsste, wie er ihr danken würde…

Die Konkurrentin Kisara...

Der Pharao nahm das Mädchen mit zu seinem Palast. Noch immer erstaunt und verwundert über das Geschehen, welches er mit verfolgt hatte. Als sie an den Wachen vorbeiliefen, welche ihr den Weg versperrten, konnte sie ein Lächeln nicht verbergen. Noch nie war sie in dem Palast gewesen und noch nie, konnte sie diese Schönheit sehen.

„Willkommen, junges Mädchen.“

König Aknamkanon führte sie in den Thronsaal. Dort wurde er schon sehnsüchtig erwartet.

„Vater!“

„Mein Sohn.“

„Ich will nicht wahrhaben, was Ihr vorhattet!“

„Wir haben einen Gast.“

Der Prinz richtete seinen Blick dem jungen Mädchen zu. Diese verbeugte sich.

„Warum habt Ihr sie hergebracht?“

„Dieses Mädchen, mein Sohn, hat unser Land gerettet.“

Der Prinz lachte.

„Sie?“

Doch sein Vater nickte. Schließlich setzte er sich auf seinen Thron. Mit einem Handzeichen befahl er dem Mädchen näher zu kommen.

„Wie heißt du, mein Kind?“

Sie schluckte.

„Amitiel, mein Pharao.“

„Und wie alt bist du?“

„18!“

Der Pharao machte ein überraschtes Gesicht.

„18?“

Amitiel nickte.

„Du siehst jedoch ziemlich jung aus. Aber deine Haare würden mich faszinieren. Bitte leg‘ dein Kopfbedeckung ab.“

Amitiel zögerte. Jeder wartete darauf, dass sie ihr Gewand ablegen würde. Schließlich musste sie es tun.

„Blond…“

„Eine Seltenheit in Ägypten…“

Der König zeigte im Äußerem keine Veränderung. Man sah ihn nicht an, dass er innerlich sehr überrascht war und dieses Mädchen für unmenschlich ansah.

„Sag, Amitiel, woher hast du deine Kräfte?“

„Ich bin damit geboren!“

„Damit geboren? Wie darf man das verstehen?“

„Meine Mutter verfügte über dieselbe Macht!“

„Wo ist deine Mutter jetzt?“

Amitiel schwieg und senkte ihren Blick.

„Was für eine Macht soll das sein, Vater?“

„Eine sehr starke, mein Sohn… Darf ich dich meinen Leibwachen vorstellen, Amitiel?“

Diese nickte still. Der König lächelte.

„Der junge Mann neben mir ist Seto, der Hohepriester. Die Frau neben ihm ist seine Gefährtin Kisara.“

Amitiel verbeugte sich vor ihnen. Sie spürte, als sie Kisara anblickte, eine weitere starke Macht, die ihr Fremd war.

„Daneben ist Isis. Unsere Wahrsagerin.“

Isis lächelte Amitiel freundlich an.

„Es ist mir sehr neu, aber dich habe ich nicht vorhersehen können, mein liebes.“, meinte sie.

„Es folgen Mahado, Karim und Shada und nicht zu vergessen Shimon, mein engster Vertrauter.“

Amitiel verbeugte sich vor jedem einzelnen. Doch ihr Blick richtete sich zu einer weiteren Person.

„Ah…das ist mein Sohn, Atemu. Der zukünftige Pharao…“

Auch vor ihm verbeugte sie sich ehrenvoll. Den Blick nicht von ihm abweichend.
 

Kisara hatte ihren Blick nicht von Amitiel abgelassen.

„Was ist mit dir?“, fragte Seto sie.

Doch diese schüttelte ihren Kopf.

„Amitiel, wie würdest du es finden, bei uns im Palast zu leben?“, meinte König Aknamkanon. Amitiel verstand nicht.

„Im Palast? Aber weshalb?“

„Als Dank. Dafür, dass du unser Land beschützt hast.“

„Das kann ich nicht annehmen, mein König.“

„Wieso nicht?“

„Ich bin nur ein einfaches Bauernmädchen…“

„Wahre Schönheit kommt von innen.“

Amitiel lächelte. Plötzlich näherte Seto sich der Runde.

„Woher wissen wir, dass diese Macht – oder was es auch sein mag – einen Platz in dem Palast gewährleistet?“

„Nun Seto, da du das fragst, würde ich sagen, warum lässt du Kisara nicht gegen Amitiel antreten. Sie beherrscht doch ebenso starke Kräfte.“

Kisara schreckte auf.

„Das lasse ich nicht zu!“

„Wollt Ihr mir widersetzten, Seto?“

Keine Antwort. Sein Blick wechselte zu seiner Gefährtin Kisara. Diese sah negativ beeindruckt aus. Jedoch grinste sie und trat näher an den Pharao heran.

„Was ist, wenn ich gewinne?“

„Dann wird sie wieder dahin gehen, wo sie herkam. Und wenn du verliest, liebe Kisara, dann wird sie ein Teil des Palastes.“

„Einverstanden.“

Kisara wollte sich auf den Kampf vorbereiten, als Seto sie davon abhielt.

„Ich will nicht, dass dir etwas zustößt.“, flüsterte er ihr zu.

„Ich werde nicht verlieren!“

„Das hoffe ich.“

Sorgend und voller Furcht streichelte er ihr noch das Gesicht, bis sie sich bereit machte.

„Ist das eine gute Idee, Vater?“

„Das werden wir gleich sehen, mein Sohn. Mein Gefühl sagt mir, dass wir ein sehr interessanten und spannenden Kampf sehen werden.“

„Was wollt Ihr mit dem Mädchen machen, wenn sie hier lebt?“

Sein Vater lächelte.

„Warte nur ab, mein Sohn. Warte nur ab.“
 

Amitiel stand Kisara gegenüber. Vom äußerem sah Kisara sehr schüchtern aus. Ihre langen weißen Haaren und der zärtliche fast zerbrechliche Körper. Doch genau wie die anderen, konnten man selbst Kisaras versteckte Kraft im inneren nicht einschätzen. Dies machte es für Amitiel noch schwieriger, die so gesehen selbst ihre Macht in Maßen beherrschen konnte. Die anderen waren gespannt. Es würde ein Kampf zwischen zwei Göttern stattfinden. Der Phönix gegen den weißen Drachen mit eiskaltem Blick. Beiderseits sehr stark und beiderseits sehr gefährlich. Mit dem ersten Schritt von Amitiel fing alles an. Kisara schwör ihre Bestie hervor. Ein heller Strahl erhellte den Saal. Erst nach einer Weile konnte Amitiel ihren wahren Gegner sehen.

„Na wunderbar.“, meinte sie ironisch. Nicht lange ließ sie auf sich warten und transformierte sich in ihren ersten Modus. Eine Art Kampfmodus. Rote Augen, flammende Hände, knappere Kleidung, dass waren die Kennzeichen. In diesem Modus konnte sie sich schneller bewegen und reagieren. Das führte schon dazu bei, dass sie die erste Attacke des Drachen geschickt ausweichen konnte. Amitiel hatte kein leichtes Spiel mit Kisara und das führte dazu bei, dass sie immer wütender wurde. Doch plötzlich hatte sich Amitiel falsch Verhalten und riskierte einen Kratzer im Gesicht. An der Schnittwunde rannte das Blut.

„Jetzt bin ich richtig wütend!“, meinte sie. Sie transformierte sich in den zweiten Modus: Den Phönix. Ihre Federn flammten, ihre Augen waren schwarz. Jeder im Saal war sprachlos. Selbst Atemu, der sie vorher noch nie gesehen hatte. König Aknamkanon war überwältig von dieser Stärke, die von ihr ausging. Er hatte Ideen, zu was sie fähig sein könnte. Sie könnte es bis zum Thron schaffen, an der Seite seines Sohnes. Diese und viele weiteren Gedanken, durchflossen seinen Kopf. Amitiels Angriffsstärken sind mit jeder Wut weiter angestiegen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie den Kampf gewinnen würde. In schnellen Angriffen schaffte sie es, Kisara so zu schwächen, dass sie in ihre menschliche Gestalt zurück verwandelte. Sie lag am Boden und das nutzte Amitiel aus, ihr den Gnadenstoß zu geben. Auch sie transformierte sich zurück in die Kämpferische und lief zu ihr. Ihre Hand in Flammen. Kisara schluchzte, blickte von unten auf ihr herauf, für ihren Tod bereit. Amitiel erhob ihren Arm.

„Halt!“

Ruckartig zog Amitiel ihren Arm wieder zurück und blickte in die blauen Augen Setos, der sich ihr in den Weg stellte.

„Ich lasse es nicht zu, dass du das Leben dieses Mädchens entnimmst!“

Amitiel hielt inne. Ihr Körper war voller Zorn und Wut, dass sie gar nicht mehr im Klaren war, was sie da hätte anstellen können. Ihre Flammen entzündeten sich und sie stand in ihrer menschlichen Gestalt vor ihm.

„Ich bin keine Mörderin…“

Kisara blickte noch immer zu ihr herauf, als schließlich Seto ihr beim Aufstehen half. Zusammen verließen sie den Saal…
 

Amitiel hatte ihren Blick gesenkt. Hatte sie den Kampf gewonnen? Oder verloren? Hätte sie beide umbringen müssen? Sie war keine Mörderin! Auch wenn sie am selben Tag hunderte Menschen das Leben entnommen hatte, das war kein Mord! Sie hatte ihr Land gerettet. Nicht nur das Land, sondern auch das Volk und den Pharao!

„Tritt näher mein Kind.“, meinte dieser. Amitiel tat, was ihr befohlen worden ist und trat näher heran. So nah, dass sie mit dem Prinzen auf selber Ebene stand. Einem Bürger wäre es ihm untersagt, auf derselben Ebene mit einem Königssohn zu stehen. Aber ihr stand es zu und der Pharao bat darum.

„Du hast sehr großen Mut bewiesen, Amitiel. Du hast Stärke gezeigt. Jedoch – und das ist das wichtigste – hast du das Leben einer unschuldigen Person geschont! Ich wollte nicht sehen, ob du einen Menschen umbringen kannst, oder einen besiegst! Ich wollte sehen, ob du das Leben anderer respektieren kannst, bzw. schonen. Dies hast du wahrhaftig gezeigt und ich heiße dich in unserem Palast willkommen! Amitiel!“

Amitiel verbeugte sich ehrenvoll vor ihm.

„Danke…mein Pharao…“

„Nein. Ich danke dir, Amitiel.“

Sie lächelte und wurde leicht verlegen.

„Atemu?“

„Ja, Vater?“

„Würdest du Amitiel ihr neues Zimmer zeigen? Sie soll den rechten Flügel bekommen.“

„Der rechte Flügel? Aber da ist doch…“

„…dein Gemach? Ja, das stimmt. Du wirst sie in dem Palast herumführen, ihr die Gärten zeigen, die Bibliothek. Sie soll sich wie zu Hause fühlen.“

„Sie soll bei mir untergebracht werden?“

Sein Vater lachte. Auf so eine Idee wäre er nicht gekommen.

„Nein, mein Sohn. Das Gästezimmer reicht vollkommen aus.“

Das Gästezimmer war nicht das, was es vom Wort her zusagte. Dieses Zimmer hatte einen Balkon mit Sicht zur Stadt und einen kleinen Innenhof mit Blumen und Vögeln. Passend für eine Frau. Atemu seufzte leicht. Er richtete seinen Blick auf Amitiel und reichte ihr seine Hand.

„Dann komm bitte mit. Ich werde dich in dein Zimmer führen.“

Seine Augen strahlten und sein attraktiver Körper weckte Interessen in Amitiel auf. Aber nur zögernd und noch unwissend lehnte sie sein Angebot nicht ab und gab ihm ihre Hand. Für einen Jungen war seine Hand weich und warm. Angenehm warm. Dann führte er sie in ihr neues Gemach. König Aknamkanon schaute den beiden zufrieden nach. Sie wäre die richtige…

„Karim?“

„Ja, mein König?“

„Ich möchte dich gerne um etwas bitte.“

„Immer, mein König.“

„Ich möchte, dass Ihr das Mädchen untersucht.“

„Ich denke, ich habe verstanden…“

Still schweigend verschwand auch er aus dem Blickfeld des Pharaos, welcher zufrieden in sich hinein lächelte und den Tag segnete. Ja, er war anstrengend und er hätte ganz anders verlaufen können…
 

Atemu natte nun Amitiel in ihr Zimmer geführte. Auf dem Weg lernten sie sich ein wenig besser kennen.

„Du hast wunderschöne Haare, das ist eine Seltenheit. Von wem hast du es geerbt?“

„Von meiner Mutter.“

„Du hattest sie vorhin nur kurz erwähnt…Was ist mit ihr?“

„Sie lebt nicht mehr…“

„Verzeih‘ mir, bitte…“ Er fühlte sich schlecht, dieses Thema angesprochen zu haben.

„Das geht schon in Ordnung.“

„Und was ist mit deinem Vater?“

„Ebenso verstorben.“

Ein Waisenkind. Die beiden standen nun vor dem Zimmer.

„Es tut mir unendlich leid, wenn ich gewusst hätte, dann…“

„Es ist nicht schlimm.“, unterbrach sie ihn. In ihrer Stimme war kein trauriger Tonfall zu hören.

„Mein Vater wurde von Räubern ermordet. Ich war gerade sieben Jahre alt, als das passierte. Meine Mutter ist durch den Trauer verstorben…“

„Durch den Trauer?“

„Der Phönix kann nicht sterben. In seinem Leben hat er nur einen Partner von dem er nur einen Nachfahren bekommen kann und wenn dem Partner etwas zustößt, dann stirbt auch der Phönix. Aus Trauer…“

„Wie hast du die elf Jahre überstanden?“

„Ich musste mich versteckt halten. Aufgrund meiner blonden Haare und der besonderen Fähigkeit waren viele Sklavenhändler scharf mich zu verkaufen…“

„Komm, ich zeige dir dein Zimmer.“

Atemu wollte mit dem Thema aufhören und unterbrach sie. Das Mädchen hat so viel Schlimmes hinter sich. Sie war tapfer, dass konnte man sagen, elf Jahre ohne einen Verwandten oder Freunden aufzuwachsen. Amitiel war verblüfft, als sie das Zimmer sah. Sie hatte sich ein etwas kleineres Zimmer vorgestellt mit nur einem Bett, aber dies war einfach fantastisch.

„Wenn du etwas brauchst, oder fragen hast, dann komm‘ einfach zu mir. Mein Gemach ist gleich hier in der Nähe…“

„Danke, mein Prinz.“

Dieser lächelte. Er mochte sie. Das konnte man in seinen Augen erkennen und er wollte sie auch besser kennenlernen. Ein verlorener Teil in ihrem Leben sein, ein Freund…
 

Kisara lag auf dem Bett in Setos Gemach. Noch immer erschöpft vom Kampf. Seto saß daneben und blickte sie besorgt an. Doch langsam rekelte sie sich und öffnete ihre Augen.

„Sag, mein Geliebter, habe ich gewonnen?“, fragte sie mit schwacher Stimme.

„Ich weiß es nicht, aber sie haben das Mädchen hier aufgenommen.“

Kisara seufzte.

„Dann habe ich verloren…“

„Vielleicht mag es so sein, aber ich wollte nicht, dass sie dir dein Leben nimmt!“

„Danke, Seto…“
 

Der Tag neigte sich dem Ende zu. Amitiel konnte auf ihrem Balkon den Sonnenuntergang beobachten. Ein wundervoller Anblick, wenn die roten Farben ins gelb-orange vermischten. Ein neuer Anfang…

Das Eheversprechen...

Amitiel wurde durch das Klopfen an ihrer Tür aufgeweckt. Verschlafen stand sie auf und öffnete diese.

„Guten Morgen. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen?“

Es war Karim, der sie herzlichst begrüßte.

„Es war fantastisch.“

„Das freut mich. Ich wurde geschickt um euch zu untersuchen.“

„Danke, ich bin gesund.“

„Das sagt Ihr, aber ich muss wissen, dass ihr psychisch und körperlich in Ordnung seid.“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Nun ja…Anordnung vom Pharao…“

Zögernd stimmte sie dem zu.

„Nun gut, tretet ein…“
 

König Aknamkanon war im Thronsaal aufzufinden. Karim betrat diesen und richtete ihm die Ergebnisse.

„Mein König, ich habe das Mädchen wie befohlen untersucht.“

„Und?“

„Sie ist vollkommen gesund und ohne Schäden.“

„Und?“

„Äh…und…sie hat sich keinem Mann hingegeben…“

„Sehr schön. Du hast deine Arbeit sehr gut ausgeführt, aber sag‘ mir, gab es Komplikationen?“

„Nun…“, er räusperte sich, „Ich kann nur sagen, dass sie sich sehr gut wehren kann…“

Der Pharao lachte.

„Kein einfaches Spiel, das gefällt mir. Was macht mein Sohn?“

„Er führt das Mädchen in den Gärten herum.“

„Sind sie sich demnach näher gekommen, ja?“

„Es scheint so, ich kann es aber nicht versichern.“

„Wenn sie fertig sind, sag‘ meinem Sohn, er soll sich bei mir melden.“

„Selbstverständlich, mein Pharao.“

Karim trat ab. König Aknamkanon lächelte. Es gefiel ihm, dass sein Sohn Interesse an das Mädchen gefunden hatte, denn das vereinfachte die Sache umso mehr…
 

Wie Karim schon berichtet hatte, befanden sich Amitiel und der Prinz in den Palastgärten. Amitiel hatte ihm nichts von dem Besuch von Karim erzählt. Weshalb auch. Ihr war es schon peinlich genug, was er überhaupt gemacht hat. Es fing harmlos an. Karim fühlte ihren Hals ab, Rücken, Bauch. Schon bei der Brust, hatte sie gezuckt und sich gewehrt. Karim fiel es schwer ihr Vertrauen zu gewinnen. Als dies erledigt war, ging er an ihren Unterleib und das war für ihn das schwerste. Mit Vertrauen und Worten konnte er es nicht schaffen. Wenn man es sich genauer betrachten würde, kam er eigentlich gar nicht dazu. Amitiel hat sich gewehrt und gezappelt, dass er sich seufzend zurückzog. Auf ihre Frage, was er überhaupt untersuchen würde, gab sie ihm solange eine mündliche überzeugende Antwort, bis er schließlich fertig war und ihr Zimmer verließ.

„Was ist los? Du bist so still?“, wurde sie von Atemu unterbrochen. Diese lächelte kurz.

„Nichts, ich war nur in Gedanken versunken.“

Auch sie bekam als Gegenantwort ein Lächeln zurück. Sein Interesse an ihr verstärkte sich. Es verstärkte sich so sehr, dass er sich die komischsten Gedanken ausdachte. Sie war wunderschön – das konnte man feststellen – und freundlich. Sollte sie seine Geliebte werden? Er beobachtete sie, wie sie die Vögel fütterte. Ein kleines Lächeln verzierte ihr Gesicht. Es war dir Richtige Entscheidung seines Vaters gewesen, sie in dem Palast aufzunehmen. Doch plötzlich hörte er hinter sich ein rascheln. Er drehte sich um und näherte sich neugierig dem Busch.

„Hui…“ Jemand sprang aus dem Busch hervor und direkt auf den Prinzen. Dieser fiel aufgrund der Wucht um.

„Ich wollte mal wieder meinen besten Freund besuchen.“

„Mana!“

Das Mädchen lachte und half dem Prinzen beim Aufstehen. Amitiel wurde dadurch aufmerksam und näherte sich den beiden.

„Oh…du hättest sagen müssen, dass du Besuch hast.“

Doch Atemu wandte sich Amitiel zu.

„Darf ich vorstellen, dass ist Mana. Eine Freundin.“

„Eine sehr gute Freundin.“, verbesserte sie ihn.

„Freut mich.“

„Mich ebenfalls.“

Die beiden Frauen gaben sich die Hand.

„Und du bist seine Verlobte?“

Atemu senkte seinen Kopf und vergrub sein Gesicht in seine Hände. Amitiel grinste.

„Nein…ich bin eher ein Gast hier in dem Palast…“

„Oh… Schade eigentlich, denn der Prinz hier hätte eine Frau an seiner Seite gebraucht.“

„Mana, bitte…“

„Was denn? Ist doch wahr. Du musst wissen, der König hat ihm viele junge Prinzessinnen vorgestellt, aber keine weckte seine Interessen.“

„Mana…“

Mana entfernte sich mit Amitiel ein wenig.

„Aber so unter uns Frauen, du hättest bestimmt eine Chance bei ihm. Mit deinen tollen blonden Haaren. Hach…“

„Danke, aber ich denke, der König würde ihn nie mit einem Bauernmädchen vermählen.“

„Wer weiß.“

„Seid ihr Frauen auch mal fertig?“, unterbrach Atemu die beiden.

„Hey! Du hattest sie die ganze Zeit! Jetzt lass‘ mich sie kennenlernen!“

Atemu seufzte. Frauen…

„Mein Prinz.“, rief ihn jemand. Als Atemu sich der Person zuwandte erkannte er Karim.

„Was gibt es?“

„Euer Vater verlangt nach Euch.“

„Ich werde erscheinen.“

Karim verbeugte sich und verschwand so schnell, wie er auch gekommen ist. Atemu richtete noch einen letzten Blick zu den unterhaltenden Frauen, bis er sich ihnen abwandte und zu seinem Vater ging.
 

Sein Vater sprach im Thronsaal mit einem der Priester, des Landes. Doch als er seinen Sohn entdeckte, beendete er das Gespräch. Sein Sohn war ihm nun viel wichtiger.

„Du hast nach mir verlangt, Vater?“

„Komm mal mit mir mit, mein Sohn.“

König Aknamkanon führte seinen Sohn die Gänge entlang.

„Du weißt, dass ich in wenigen Tagen abreisen werde.“

„Das weiß ich, Vater.“

„Es wird langsam Zeit, dass du der neue Pharao dieses Landes sein wirst.“

„Das weiß ich.“

„Und du brauchst einen Nachfahren, mein Sohn.“

„…“

„Deswegen solltest du dir eine Frau an deine Seite holen!“

„Vater, wir hatten das doch Besprochen.“

„Schon, aber ich habe da eine andere Idee.“

„Die da wäre?“

Sie gelangen zu den Gärten, befanden sich jedoch eine Etage darüber. Ihre Blicke richteten sich zu Mana und Amitiel, die sich immer noch unterhielten. Sie lachten und hatten ihren Spaß.

„Wie würdest du es finden, Amitiel zu deiner rechtmäßigen Frau zu nehmen?“

Atemu schreckte zurück.

„Amitiel? Aber sie ist…“

„Die Richtige! Das Land wäre unter ihrem Schutz.“

Atemu blickte herüber zu Amitiel, die ihn zufällig entdeckte. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Denk darüber nach, mein Sohn.“

„Das werde ich…“
 

„Du und der Prinz…läuft da wirklich nichts?“, wollte Mana unbedingt wissen.

„Das sagte ich doch mehrmals. Da läuft nichts. Was solle er auch mit mir anfangen? Ich bin keine Prinzessin. Er wird zukünftig über dieses Land herrschen…“

„Naja so, wie er dich schon ansieht.“

„Das sagt doch nichts aus!“

„Wer weiß, was der König und der Prinz miteinander besprechen?“

Amitiel wusste es nicht. Sie wusste, dass sie den Prinzen nie näher kommen würde. Wieso denn auch? Sie kam nicht aus einer Adel– Familie…

Der neue Pharao...

Seit zwei Monaten lebt Amitiel in dem Palast…

Seit wenigen Tagen trauert das Land…

Seit wenigen Tagen ist der König verstorben…

Seit wenigen Tagen hat das Land einen neuen Pharao…

Seit wenigen Stunden steht Amitiel auf ihrem Balkon und beobachtet die Ferne…

Seit wenigen Minuten hatte sie angefangen zu weinen…
 

Der Tod schmerzte ihr. Sie hatte sich gut mit dem König verstanden. Sogar sehr gut. Atemu hat sein Zimmer, seitdem er dies erfahren hat, nicht mehr verlassen. König Aknamkanons Tod kam plötzlich, unerwartet und der Grund unbekannt. Er reiste wenige Tage nach dem letzten Gespräch mit ihr ab. Von den Plänen, mit der Ehe, wusste sie nicht Bescheid. In ihrem letzten Gespräch hatte der König gefragt, wie es ihr hier gefiele, ob sie sich gut eingelebt habe. Er würde ihr erlauben, in die Öffentlichkeit zu treten, jedoch nur mit angemessenem Schutz. Auf ihre Frage, warum nur mit Schutz, gab er ihr keine Antwort. In Wahrheit wollte er verhindern, dass sie in Gefahr gerieten würde. Es würden falsche Verdächte und Gerüchte auftauchen. Dagegen wäre auch sein Recht machtlos. Amitiel wischte sich ihre letzten Tränen ab. Sie wollte zu Atemu, ihn trösten, oder zu mindestens mit ihm reden. Sie verließ ihr Zimmer und ging in dessen Richtung. Als sie vor seiner Tür stand, hielt sie kurz inne. Sie atmete tief ein und aus und klopfte. Keine Reaktion. Erneut klopfte sie und erneut bekam sie keine Antwort. Schließlich öffnete sie die Tür. Zuerst nur einen kleine Spalt um hineinzublicken. Als sie nichts erkannte öffnete sie diese ganz. Sie sah keinen.

„Mein Pharao?“

Nirgends zu sehen. Sie trat näher in das Zimmer herein, als sie ihn auf dem Balkon entdeckte. Auf seinen Armen abgestützt und sein Gesicht in seinen Händen vergraben.

„Mein Pharao?“

Er schwieg. Wieso schwieg er? Amitiel näherte sich ihm, bis sie schließlich neben ihn stand. Vorsichtig berührte sie mit ihrer Hand die seine.

„Was willst du hier?“

Amitiel schreckte zurück und zog ihre Hand wieder weg.

„Äh…ich hatte mir Sorgen um Euch gemacht.“

Atemu lehnte sich auf und blickte in ihre lila Augen. Sie zitterte. Aus Angst.

„Du machst dir Sorgen um mich?“

Sie nickte, jedoch blickte Atemu in die Ferne.

„ Das ist freundlich, dass du mich besuchen kommst…“

„Das ist das mindeste, was ich für Euch tun kann, mein Pharao.“

„Hmm…ich muss mich wohl an den Titel gewöhnen…“

„Das wird schon…“

Atemu wandte sich ihr zu. Er war sanfter und zärtlicher als kurz vorher.

„Verzeih‘ mir bitte, aber ich habe so viel zutun…“

„Es geht schon…“

Er lächelte.

„Sag‘, geht es dir gut? Brauchst du etwas?“

„Mir geht es bestens. Ich werde heute mit Mana in die Stadt gehen.“

„In die Stadt?“

Amitiel nickte. Sie bemerkte seinen besorgten Blick.

„Was habt Ihr?“

Er schüttelte seinen Kopf.

„Ist schon in Ordnung. Hab‘ deinen Spaß mit Mana. Ich will dich ja hier nicht festhalten.“

„Danke…“

Atemu näherte sich ihr. Er war ihr schon so nah, dass sie seine Wärme auf ihrer Haut spüren konnte. Doch er tat nicht das, was sie gedacht hatte. Er umarmte sie.

„Nein…Ich danke dir, Amitiel…“

Sie erwiderte ihn.

„Gern geschehen…mein König…“
 

Immer, wenn Amitiel in seiner Nähe war, begann sein Herz zu pochen. In den zwei Monaten ist sein Interesse noch mehr gewachsen. Es war keine Freundschaft, welches er für sie empfand. Es war schon Liebe und gerade deswegen machte er sich am meisten Sorgen um sie. Er vertraute Mana. Er wusste, dass sie gut auf sie Acht nehmen würde. Mana war eine ausgezeichnete Magierin. Zwar noch in der Ausbildung, aber bei Gefahr würde sie sich wehren. Atemu dachte über die Worte seines Vaters nach. Er bräuchte auf jeden Fall eine Frau, um einen Nachkommen zu gebären. Aber das, was er von Amitiel gehört bekommen hat, fürchtete ihn. Es war nicht die richtige Zeit, für eine Vermählung. Viele Verträge müssten abgeschlossen werden, Königreiche des Nachbarlandes würden eintreffen, um mit ihm über das Geschäftliche zu sprechen. Er würde Amitiel vernachlässigen. Er hatte Angst, dass sie ihm von anderen Königen zerrissen werden würde. Mit Gewalt, oder Entführung. Die Götter allein wüssten, was sie mit ihr angestellt hätten. Bei diesen Gedanken bekam er Kopfschmerzen und hoffte, dass diese bald vergehen würden. Er fasste sich Mut und verließ sein Zimmer. Den direkten Weg zum Thronsaal. Einige der Leibwachen – er hatte sie selbstverständlich behalten – warteten schon sehnsüchtig auf ihn.

„Mein Pharao…“

Zielstrebig lief er zum Thron, als er kurz vorher inne hielt.

„Ihr habt meinem Vater so viel Gutes getan… Wie könnte ich euch bloß danken?“

„Es genügt uns, wenn wir dem neuen Pharao ebenso dienen und helfen können.“, meinte Shimon.

„Danke…“

Er setzte sich. Ein komisches Gefühl. Lange war ihm der Platz nicht gewehrt worden und nun war die Zeit da. Zwar plötzlich, aber sie war da…

Ein Stadtausflug...

Amitiel traf sich mit Mana am Haupttor des Palastes. Freundlich begrüßte sie ihre Freundin.

„Wie eine Prinzessin…“

Amitiel schaute sich an.

„Das sind ganz normale Palastkleider, die ich von Isis bekommen habe!“

„Aber du siehst wie eine Adlige aus.“

„Ich weiß, worauf du hinaus willst…“

„Ach wirklich?“

„Mana…das geht nicht…der Ärmste hat vor wenigen Tagen seinen Vater verloren und hat viel mit seine Gefühlen zu kämpfen…“

„Ich weiß…davon habe ich auch gehört…“

Die beiden Frauen schwiegen. Amitiel holte plötzlich ein großes Tuch hervor.

„Was machst du damit?“

„Ich werde es um meinen Kopf binden.“

„Aber weswegen?“

„Damit meine Haare abgedeckt werden. Ich denke, es ist besser so…“

„Wenn du es so meinst. Lass‘ uns erst einmal weiter gehen.“

Sie gingen weiter ins Stadtinnere. Überwältig von der Größe. Amitiel war seit Monaten nicht mehr hier gewesen und merkte sofort die Veränderung. Die vielen verschiedenen Stände überraschten sie. Zu viel Auswahl.

„Lass uns dorthin gehen und schauen, was es gibt.“, meinte Mana.

Sie blieben an einem Stand, wo man Tüchern und Kleidern kaufen konnte.

„Oh, schau mal! Das würde dir super stehen!“

Mana hielt ihr ein Seidenkleid hin. Es sah wirklich wunderschön aus mit den Verzierungen und Stickereien.

„Das ist wirklich wunderschön, aber leider zu teuer!“

„Doch nicht für dich! Du lebst doch immerhin im Palast!“

„Mana!“, versuchte Amitiel sie wieder auf die richtige Schiene zu richten. Mana erschreckte, als ihr Bewusst wurde, was sie gesagt hatte.

„Verzeihung.“

„Schon in Ordnung. Hat zum Glück keiner so richtig bemerkt.“

Sie standen dicht beieinander, als sie miteinander redeten.

„Wieso fragst du nicht den Pharao, dass er dir ein paar Goldmünzen gibt?“

„Er braucht sie doch selber.“

„Für ein Kleid?“

„Lass es gut sein, Mana. Komm wir gehen weiter.“

Amitiel gefiel das Kleid wirklich sehr. Hätte sie das passende Gold gehabt, würde sie es sofort kaufen. Nur schwer konnte sie sich davon trennen.

„Schau mal dort.“

Mana zeigte auf eine Menschenmenge.

„Lass uns schauen, was dort ist.“

Mana zerrte sie zum Ort. Sie bemühten sich durch die Menschenmenge hindurch zukommen. Was sie sahen faszinierte die beiden. Es waren Artisten. Diese waren jedoch auf das Feuer spezialisiert. Einer der fünf bemerkte die zwei hübschen Damen und gab eine besondere Vorstellung.

„Wie kann man bloß so gut mit dem Feuer umgehen?“

„Wenn man‘s kann…“

Das Highlight der Vorstellung war das Feuerspeien. Alle applaudierten. Selbst Amitiel, welches für sie nicht unbedingt besonders war.

„Gehen wir weiter.“, schlug sie vor.
 

Die beiden Frauen hatten sich am Nil niedergelassen.

„Das Wasser ist so klar und erfrischend.“, meinte Mana.

Sie legten ihre Füße ins Wasser.

„Brr…ist das kalt!“

Mana kicherte.

„Das vergeht nach einer Weile. Warte nur ab.“

Mana hatte recht. Es dauerte nicht lange, bis sich ihr Körper an das kalte Wasser gewöhnt hatte.

„Wie ist es, in dem Palast zu leben?“, fragte Mana Amitiel.

Diese überlegte und versuchte eine Antwort darauf zu geben. Ja, wie war es bloß?

„Es ist ganz nett.“

„Ganz nett?“

„Naja…es ist schon ein Luxus, wenn man bedient wird…“

„Hmm…ich wünschte ich würde auch eines Tages dort leben…“

Amitiel zuckte zusammen.

„Wieso solltest du das nicht?“

Mana lächelte.

„Nun ja… ich komme nur den Pharao besuchen, aber so richtig dort leben, wurde mir nicht genehmigt…“

„Aber wieso denn?“

„Ich weiß es nicht…“

Sie schwiegen. Amitiel fand es schade. Sie war die engste Freundin des jetzigen Pharaos und durfte nicht mit im Palast leben? Sie nahm sich vor mit Atemu darüber zu reden, wenn sie wieder daheim war. Die beiden wurden plötzlich gestört.

„Guten Tag meine Damen.“

Es war eine ihnen unbekannte Stimme. Überraschend drehten sie sich um. Es war der Artist, der die beiden bemerkt hatte.

„Äh…guten Tag.“, antwortete Mana.

Amitiel durchfloss ein unwohles Gefühl beim Anblick der Person. Er sah ganz und gar nicht übel aus. Eher attraktiv. Mana war sofort in ihn verschossen.

„Darf ich mich den Damen dazugesellen?“

„Natürlich.“

Mana bat ihm einen Platz zwischen ihnen an. Genüsslich setzte er sich zwischen den Damen. Amitiel gefiel die Nähe des jungen Mannes nicht. Sie schätzte ihn auf Anfang zwanzig.

„Was machen denn so zwei hübsche Frauen alleine am Nil?“

„Wir hatten uns nur unterhalten.“

„So? Dann komme ich doch ungelegen.“

„Oh nein! Das hat sich schon erledigt.“

Der junge Mann drehte sich zu Amitiel um.

„Und wer bist du?“

Amitiel zögerte. Sie sah, wie er auf eine Antwort wartete.

„Ich heiße Amitiel.“

„Ein hübscher Name. Passend zu deinem hübschen Gesicht.“

„Das ist nicht das einzige was hübsch ist.“, musste Mana dazwischen gackern.

Dies erweckte das Interesse des Jungen.

„Was versteckt Ihr mir denn noch? Sind es Eure Haare? Bitte zeigt sie mir.“

„Das geht nicht!“

Amitiel versuchte sich rauszureden.

„Wieso denn nicht?“, meinte Mana.

„Mana!“

Sie wusste nicht, was mit Mana los war.

„Ihr müsst wissen, ihre Haare sind nämlich blond.“

„Blond?“

Amitiel erschreckte sich. Was sollte sie tun? Sie wollte nur noch hier weg. Mana an die Hand nehmen und weg! Aber ihr Körper blieb dort. Er rekelte sich nicht von der Stelle. Anstatt ihm nicht zu antworten, tat sie das Gegenteil.

„Ja, ich habe blonde Haare…“

„Könntet Ihr sie mir zeigen?“

Zögernd und mit zittrigen Händen legte sie ihre Kopfbedeckung ab. Ein Fehler, welches sich jedoch erst später zur Geltung kam…
 

Der junge Mann stellte sich als Azul vor. Er war, wie Amitiel schon vermutet, 21 Jahre alt. Er erzählte den Frauen über seinen derzeitigen Beruf.

„Eigentlich sind wir nur auf Durchreise. Nur zur Rast sind wir hier geblieben. Jedoch, wenn ich euch hier sehe, würde ich schon ganz gerne länger hier bleiben…Wir kennen uns schon jetzt etwas genauer, wäre es denn in Ordnung, wenn ich euch Duzen würde?“

„Ich hätte damit kein Problem.“, meinte Mana.

Azul wandte sich zu Amitiel.

„Und du?“

Sie nickte bloß.

„Dürfte ich dich etwas fragen?“

Erneut nickte sie.

„Bist du verheiratet?“

Amitiel riss ihre Augen weit auf. Weshalb sollten ihn diese Fragen interessieren?

„Nein…“, antwortete sie mit zittriger Stimme.

Diese Antwort überraschte ihn. Seine Blicke fürchteten ihr. Ihr ist schon aufgefallen, dass er sich mehr für sie interessierte als für Mana. Aber jetzt musste sie doch einen Schlussstrich ziehen!

„Ich muss leider gehen. Verzeihung.“

„Schon? Aber das wurde doch erst amüsant.“

„Verzeih‘ mir bitte Mana, aber ich habe noch etwas zu tun.“

Mühselig entfernte sie sich. Sie spürte diese intriganten Blicke auf ihrem Körper. Sie bog in eine Gasse ab. Obwohl es helllichter Tag war, war dieser Bereich besonders schattig und eng. Langsam ging sie hinein. Blickte sich umher. Sie meinte, Schritte hinter sich zu hören, jedoch schaute aus Angst nicht nach. Amitiel wusste nicht, wo lang es hier ging. Sie hörte die Leute, meinte, dass sie ganz in der Nähe wäre, aber fand den Weg nicht. Doch gerade, als sie um eine Ecke laufen wollte, hielt jemand ihr Handgelenk fest. Nun drehte sie sich ruckartig um und erkannte Azul. Sie kam nicht zum Wort, denn gleich sofort danach, stieß er sie gegen eine Hauswand. Amitiel schrie vor Schmerz auf.

„Was willst du?“

Sie bekam keine Antwort. Stattdessen liebkoste er ihren Hals. Amitiel konnte sich nicht wehren. Irgendwie hatte er sie im Griff gehabt. Als er sich ihr löste, gab er ihr auf ihre Frage eine Art Antwort.

„Hast du eine Ahnung, was du auf dem Sklavenmarkt wert bist?“

Seine Hand streichelte ihr Gesicht.

„Schon mit deinen Haaren wärst du mindesten 10.000 Goldmünzen wert.“

„Ich lasse mich nicht verkaufen!“

„Du kannst nichts dagegen machen!“

„Verflucht seist du!“

„Sei still!“

Er schlug sie ins Gesicht. Das führte dazu bei, dass sie auf den Boden fiel. In Amitiel wuchs der Zorn. Diese Chance konnte sie ausnutzen, um sich zu verwandeln. Schon bei dem Anblick trat Azul einige Schritte nach hinten.

„Was bis du?“

Amitiel grinste. Sie war in ihrem Element. Dem Feuer!

„Was du kannst, konnte ich schon seit langem!“

Doch Azul ließ sich nicht kalt kriegen und schlug zu. Geschickt wich sie ihm aus und konterte. Nun lag er auf dem Boden. Amitiel kniete sich neben ihn, hob seinen Kopf und drehte diesen in ihre Richtung.

„Merk‘ dir meinen Namen: Amitiel!“

Dann schlug sie noch einmal zu, wobei er bewusstlos wurde. Keiner würde es schaffen, sie an einem Sklavenhändel zu verkaufen. Nicht für 10.000 Goldmünzen. Sie wäre das Zehnfache wert. Lächelnd schaffte sie es doch noch hinaus in die Öffentlichkeit und Menschenmenge. Nur ganz schwer fand sie ihre Freundin Mana.

„Oh meine Güte, was ist bloß geschehen?“

Mana meinte die große Schlagwunde.

„Ein kleiner Vorfall. Nichts Besonderes.“

Nichts Besonderes? Das kannst du doch nicht sagen! Bitte, Amitiel, was wurde dir angetan? War das dieser Azul?“

Amitiel konnte ihr nicht antworten. In diesem Moment flossen ihr die Tränen. Als dies Mana merkte, wartete sie nicht lange, sondern umarmte ihre Freundin.

„Und ich konnte dir nicht helfen kommen! Das ist alles meine Schuld!“

„Hör auf so etwas zu sagen! Lass uns gehen. Ich will nur zurück!“

Und das taten die zwei Frauen auch. Sie waren auf dem direkten Weg zurück zum Palast. Amitiel fürchtete sich, was ihr dort erwarten würde. Wie Atemu reagieren würde, wenn er sie so sehen würde. Am liebsten würde sie unbemerkt an ihm vorbeischleichen. Andererseits hatte sie auch Ängste um Mana. Was würde mit ihr geschehen? Würde er sie bestrafen?
 

Amitiel wurden die Tore des Palastes geöffnet. Missmutig betrat sie diesen mit Mana. Sie bekam Herzklopfen, als sie die Türen des Thronsaals sah, welche ihr danach geöffnet wurden. Der Saal war nicht leer. Atemus Leibwachen waren anwesend und er selber.

„Habt ihr euch amüsiert?“

Amitiel versuchte ihren Kopf wegzudrehen, um nicht ihre Wunde zu zeigen.

„Amitiel?“

„Ja?“

„Alles in Ordnung?“

„Selbstverständlich, mein Pharao.“

Doch er ließ sich nicht abwinden und stand von seinem Thron auf, näherte sich den Frauen und blieb vor Amitiel stehen.

„Was ist mit deinem Gesicht?“

„Nichts.“

„Dann dreh‘ dich doch mir bitte um.“

Er berührte ihr Kinn und drehte ihn in seine Richtung. Als er die Wunde sah, riss er seine Augen auf.

„Was ist dir zugestoßen?“

Amitiel schwieg. Was sollte sie ihm bloß sagen?

„Wer hat dir das angetan?“

Sie konnte ihm nicht antworten.

„Mana?“

Er wandte sich ihr zu. Nein! Nicht Mana!

„Was ist geschehen?“

„Äh…nun ja…Ein Überfall.“

„Ein Überfall!? Wie ist es dazu gekommen?“

„Mein Fehler! Mana hat mich gerettet!“, unterbrach Amitiel ihn. Sie wollte verhindern, dass er Mana die Schuld geben würde.

„Jemand wollte mich überfallen, aber Mana hat mich gerettet.“

„Ist das wahr?“

Mana blickte überrascht zu Amitiel.

„Ja…das stimmt.“

„Ich finde, man sollte ihr danken.“, meinte Amitiel. „Ich finde, sie sollte im Palast leben.“

Mana erschrak. Sie meinte nicht richtig zu hören. Amitiel näherte sich dem Pharao. Sehr nah.

„Was würdet Ihr meinen? Lässt Ihr sie hier Leben?“

Atemu musste sich anstrengen. Ihre Nähe machte ihn nervös. Doch sein Blick wandte sich sofort Mana zu. Mit einem Lächeln antwortete er ihr.

„Selbstverständlich. Sei willkommen, Mana.“

Mana wurde ein Traum war. Sie wusste nicht, wie sie Amitiel danken würde. Auch sie hatte große Angst, was ihr bester Freund mit ihr angestellt hätte. Sie blickte hinüber zu ihrer Freundin, welche ebenso lächelte.

Danke, formte sie mit ihren Lippen. Amitiel nickte bloß mit ihrem Kopf, als Antwort. Sie sind gerade noch davon gekommen. Gerade so…

Ein nächtlicher Besuch...

Mana saß auf dem Balkon in Amitiels Zimmer. Sie war noch immer sprachlos über die Überraschung. Amitiel wandte sich zu ihr und setzte sich zu ihr.

„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“

„Gar nicht. Sieh‘ es als Geschenk an.“

Mana bekam Freudentränen. Amitiel konnte die Tränen ihrer Freundin nicht mit ansehen und umarmte sie.

„Tut es noch weh?“

„Nein, es geht schon wieder.“

„Hmm…Wie bist du ihm entflohen?“

Amitiel schwieg. Ihr fiel nichts ein, was sie antworten würde.

„Nun…ich bin irgendwie davon gekommen…“

„Welch ein Glück du doch hattest.“

„Ja…welch ein Glück.“
 

Mana verabschiedete sich von Amitiel. Sie bedankte sich noch einmal und verschwand. Auf dem Weg in ihr neues Zuhause. Amitiel blieb noch auf dem Balkon und blickte hinaus. Unbemerkt, dass eine Person ihr Zimmer betrat. Sie war in Gedanken versunken und merkte nicht, wie diese sich ihr näherte. Langsam und still.

„Ah!“

Jemand hatte seine Arme um ihren Körper geschlungen.

„Haha, hab‘ ich dich erschreckt?“

Sie erkannte diese Stimme.

„Ja, mein König. Ihr habt mich ganz schön erschreckt.“

Er ließ von ihr los. Sofort drehte sie sich ihm um. Atemus Blick ging sofort wieder auf die Wunde.

„Das passt nicht zu deinem wunderschönem Gesicht.“

„Ich weiß. Aber in wenigen Tagen wird das auch verheilt sein.“

„Das hoffe ich doch.“

Sie lächelten.

„Was verschafft mir die Ehre, dass Ihr mich um diese Zeit besucht?“

„Ich wollte mit dir reden?“

„Reden?“

„Ja?“

„Nur reden?“

Amitiel spielte mit ihm und das wurde Atemu auch bewusst.

„Wer weiß?“

Er brachte sie zum lächeln.

„Hast du gerade den Sonnenuntergang beobachtet?“

„Ja, er ist so wunderschön. Diese Farben, wenn sie sich ineinander vermischen. Dieses rot. Einfach fantastisch. Einen großen Dank, dass ich dieses Zimmer bekommen durfte.“

„Hättest du gerne ein anderes? Wir haben hier viele. Die können ganz allein dir gehören.“

„Oh nein. Dieses hier reicht mir vollkommen. Fast schon zu groß…Für einen Gast…“

„Warum denkst du, dass du nur ein Gast hier bist?“

„Was wäre ich denn sonst?“

„Hmm, vielleicht schon eine Art Familienmitglied?“

„Mein König!“

Amitiel entfernte sich ein wenig von ihm und schaute ihn überrascht an. Dieser jedoch lächelte ganz genüsslich.

„Ich habe nicht den Rang ein Mitglied Eurer Familie zu werden. Ihr kennt mich doch nur wenige Monate.“

„Na und? Ich kann es bestimmen, oder nicht?“

„Ihr habt recht, mein Pharao.“

Sie seufzte. Den Blick nach unten gerichtet.

„Was ist mit dir?“

„Es ist nur so… Ich weiß nicht, wie ich Euch bloß danken würde? Ihr und Eurer Vater habt so vieles für mich getan und ich hingegen gar nichts…“

Atemu näherte sich ihr und hielt sie an ihren Schultern fest.

„Es reicht einfach, dass du da bist, Amitiel. Hier in meiner Nähe.“

„Was meint Ihr damit?“

Sie bekam vorerst keine Antwort, als sie merkte, dass er sich ihr abwandte.

„Ach nichts…“

Amitiel fühlte sich schlecht.

„Habe ich was Falsches gesagt?“

„Nein, das hast du nicht. Es ist nur…“

Er konnte seinen Satz nicht beenden. Er fürchtete sich ihr die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit, dass er sich nichts Sehnlicheres wünscht, Amitiel zur Frau zu nehmen. Er könnte es, wenn er es wollte. Er könnte auch ohne ihre Zustimmung sie nehmen, aber das würde er nicht über sein Herz bringen. Was sollte er mit ihr anfangen, wenn sie danach nur Trauer und Schmerzen empfindet und – er wünschte es sich natürlich nicht – er sie irgendwann Tod im Bett auffindet.

„Was habt Ihr?“

Sie riss ihn aus seinen Gedanken.

„Nichts…Ich habe nur nachgedacht.“

Sie blickten sich lange gegenseitig in die Augen, bis er sich ihr schließlich näherte. Er erhob seine Hand und hielt sie an ihre Wange. Amitiel zuckte. Auch wegen der Schmerzen. Doch er blieb nicht stehen, sondern näherte sich ihr immer mehr. Amitiel konnte nur ahnen, was sie vor hatte. Sie fürchtete sich. Doch obwohl es gegen die Regeln brechen würde, widersetzte sie sich ihm und wich in einigen Schritten nach hinten aus. Amitiel war sprachlos. Aber nicht nur sie, sondern auch Atemu kam wieder zur Besinnung.

„Verzeih‘ mir bitte.“

„Schon in Ordnung.“

„Ich weiß nicht, was mir wiederfahren ist. Ich denke, ich sollte lieber gehen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht…“

Er ging zurück ins Zimmer und verließ es. Amitiel war nun ganz allein im Zimmer. Sie musste erst das Geschehen realisieren.

„Verdammt!“

Als würde sie ungeduldig auf jemanden warten, lief sie den Balkon auf und ab.

„Verdammt, verdammt, verdammt!“

Mehrere Male wiederholte sie dieses Wort. Wütend ging sie in Richtung ihres Bettes und schmiss sich hinein. Wühlte sich wie ein wildes Tier.

„Verdammt!!! Hätte ich doch zugestimmt!!“

Sie stand auf und verließ sogleich ihr Zimmer. Stampfend lief sie den Gang entlang und hielt vor Atemus Zimmer an. Wild klopfte sie mehrmals daran, bis sie schließlich geöffnet wurde.

„Einmal hätte vollkommen gereicht.“

In seinem Gesichtsausdruck waren keine Anzeichen von Wut. Eher ein kleines Grinsen.

„Ich wollte nur sicher gehen, dass Ihr mich auch gehört habt.“

„Das habe ich. Auch beim Ersten Mal.“

„Sehr schön.“

„Und was möchtest du mit mir besprechen?“

„Äh…“, sie blickte sich umher, um ihr etwas einzufallen, „es geht um die Goldmünzen!“

„Goldmünzen?“

„Ganz genau. Da ich nun hier lebe, habe ich ein Recht ein gewisses Vermögen zu besitzen!“

Ein Recht?“

„Ja!“

Atemu blickte sie schief an, doch Amitiel blieb ganz ernst. Sie ließ sich nicht von ihm weich kriegen.

„Ich werde darüber schlafen.“

Er wollte gerade die Türen schließen, als Amitiel ihn jedoch davon abhielt.

„Ich bin noch nicht fertig!“

„Was gibt es denn noch?“

„Nun…“

Ihr fiel es schwer, was sie machen sollte. Doch dann hatte sie den dümmsten Gedanken gehabt, der nur ihr einfallen würde. Sie hatte Atemu ganz überraschend und flüchtig auf dem Mund geküsst. Sofort lief sie rot an, als er sie danach verwundert anblickte.

„Verzeihung…“

Ihre Stimme übertönte schon fast die Palastvögel. Doch als Antwort bekam sie ein Lächeln. Warum lächelt er denn so?, dachte sie in diesem Moment. Das Lächeln wandelte sich in ein leises Lachen über.

„Ich werde darüber schlafen.“, sagte er ihr zu zwinkernd.

Und dann schloss er die Türen zu. Amitiel blieb sprachlos.

„Was? Hee! Was fällt Euch ein, die Türen einfach so, vor der Nase einer Frau, zu schließen?“

Natürlich keine Antwort. So typisch! Stampfend lief Amitiel in ihr Zimmer zurück. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und dachte über das eben nach. Bei den Gedanken wurde ihr erneut ganz rot. Jetzt ist aber gut!
 

Sie wusste nicht, das Atemu noch hinter der Tür stand und jedes Wort mitgehört hatte. Er konnte nur innerlich lachen. So viel Spaß hatte er lange nichtmehr gehabt und diese regelrecht vermisst. Er fühlte noch die Wärme ihrer Lippen, auch wenn diese seine nur ganz kurz berührt hatten. Weich waren sie auf alle Fälle. Weich und zärtlich. Genau wie sie. Beruhigt konnte auch er nun schlafen gehen und über die Forderungen Amitiels nachdenken. Welches er jedoch schnell erledigt hatte.
 

Es war ruhig im Palast. Ruhig und dunkel. Nur die wenigsten waren wach und diese waren überwiegend die Wachen. Nur Mana hatte Schwierigkeiten einzuschlafen. Das erste Mal im Bett des Plastes war ihr ungewöhnlich. Sie hatte sich fest entschlossen morgen mit dem Pharao zu reden. Amitiel musste für ihre Tat bedankt werden und sie wusste auch schon wie…

Palastfest – aber ohne mich!

Amitiel konnte wunderbar schlafen. Sie träumte von Blumen, Vögeln, eine Wiese mit einem kleinen Bach und ein blauer Himmel. In diesem Traum konnte sie frei sein und tun und lassen was sie nur wollte. Doch dieser Traum verblasste, als die ersten Sonnenstrahlen ihre Nase kitzelten. Nörgelnd stand sie auf. Mit noch müden Augen machte sie sich fertig, bis sie dann ihr Zimmer verließ und den direkten Weg zu Mana machte. Doch was sie dort sah, lies sie erst einmal richtig erwecken. Mana war nämlich nicht da. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Was für Frühaufsteher…, meckerte Amitiel. Sie hatte schon eine Ahnung, wo Mana sein könnte…
 

„Meinst du, ihr würde es gefallen?“, fragte der König seine beste Freundin.

„Mit Sicherheit.“, antwortete diese.

„Und meinst du, dass sie das heute tragen wird?“

„Mit Sicherheit.“

Der Pharao seufzte.

„Was ist mit Euch?“

Doch dieser lächelte bloß und schüttelte seinen Kopf. Mana konnte ihm ansehen, dass er sich Gedanken über Amitiel machte.

„Ihr mögt das Mädchen, nicht wahr?“

„Mana, wir kennen uns schon so lange. Ich vertraue dir. Kannst du etwas für dich behalten?“

„Weshalb sollte ich nein sagen?“

Atemu näherte sich ihr und flüsterte etwas in ihrem Ohr.

„Oh…“

„Aber wie gesagt, bitte behalte das für dich.“

„Das werde ich. Verlasst Euch auf mich.“

Mit ihrem Zwinkern brachte sie ihm sogar zum Lachen. Jedoch wurden die beiden durch ein Türklopfen gestört.

„Ich mach schon auf.“, meinte Mana und öffnete diese sogleich.

„Wusste ich es doch, dass du dich hier aufhältst.“

„Amitiel? Du?“

„Was machst du hier?“

„Äh…Ich habe mit dem Pharao gesprochen.“

Atemu hörte Amitiels Stimme und wandte sich den beiden Frauen zu.

„Möchtest du gerne hereinkommen?“, schlug er vor.

„Nein danke, ich bleibe lieber hier draußen!“

„Gar nicht gut geschlafen?“

„Ganz und gar nicht!“

„Lag das an gestern Abend?“

„Wer weiß!“

Mana verstand rein gar nichts.

„Ich glaube ich lasse euch allein.“

Ohne einen Grund verschwand sie schnell aus dem Zimmer und ließ die beiden allein. War das Absicht von ihr?

„Was gestern passiert ist, tat mir furchtbar leid…“, meinte sie.

„Mir nicht.“

„Ja, Euch vielleicht nicht, aber…Moment…Euch nicht?“

„Nein.“

„Ja, aber…“

„Komm‘ doch erst mal herein.“

Atemu zerrte sie schon regelrecht hinein, denn freiwillig würde sie ja nicht herein kommen.

„Setz‘ dich doch bitte.“

„Aufs Bett?“

Er zuckte mit den Achseln.

„Magst du lieber stehen?“

Sie zog eine Augenbraue hoch und setzte sich eingeschnappt.

„Warte bitte hier.“

Nein wirklich?, dachte sie sich.

Sie nickte grinsend und sah noch, wie Atemu verschwand. Doch obwohl Amitiel ihre zickige Seite zeigte, fragte sie sich, was er ihr wohl zeigen würde? Würde er ihr die Goldmünzen geben, nach denen sie gefragt hatte? Stattdessen kam er mit einer Art Stofftasche wieder.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Das ist für dich.“

Er reichte ihr das Geschenk. Mit strahlenden Augen nahm sie ihm das Geschenk ab und öffnete dieses vorsichtig und voller Neugier.

„Ja, aber…“

„Gefällt es dir?“

Es war das Kleid, welches Amitiel auf dem Markt gesehen hatte. Das Kleid, welches sie sich sofort geholt hätte, wenn sie Goldmünzen gehabt hätte. Amitiel bekam Freudentränen. Sie stand auf und ging in Atemus Richtung. Ohne zu überlegen umarmte sie ihn.

„Danke, danke, danke.“

Atemu erwiderte sie und lächelte.

„Gern geschehen.“

„Wie könnte ich Euch danken?“

„Indem du das Kleid heute zum Palastfest trägst.“

Ruckartig ließ sie von ihm los.

„Palastfest? Ein Fest?“

„Ja. Du bist herzlichst eingeladen.“

Amitiel durchlief ein kalter Schauer.

„Ohne mich!“

„Bitte?“

„Ohne mich! Ich kann nicht zu diesem Fest kommen!“

„Aber warum denn nicht?“

„Ich äh…das geht einfach nicht!“

„Ich bitte dich darum.“

„Verzeiht mir.“

Amitiel lief fort. Sie war noch nie zu einem Fest eingeladen worden oder hatte jemals an einem teilgenommen. Sie wurde rot bei den Gedanken, wenn sie in der Saalmitte stehen würde und jeder seine Blicke auf sie richtet. Sie wollte erst gar nicht darüber denken, was wäre, wenn man sie zum tanzen auffordern würde. Katastrophe, kam ihr in den Sinn. Blamage! Höllentrip! Ich kann einfach nicht tanzen! Zufall oder nicht, jedoch begegnete sie auf dem Weg Mana.

„Amitiel? Warum so eilig?“

„Ich muss mit dir reden.“

Amitiel zerrte sie in ihr Zimmer, um sie zur Rede zu Stellen.

„Hast du dem Pharao gesagt, er solle mir dieses Kleid schenken?“

„Ja, schon.“

„Aber du brauchtest mir doch nicht danken.“

„Du hast es verdient.“

„Aber wie oft habe ich es dir doch schon gesagt, dass du mir nicht zu danken brauchst!“

„Es war auch seine Idee gewesen.“

Seine Idee?“

„Ja. Er hatte mir vom heutigen Fest erzählt. Ihm fiel auf, dass du keine Kleider für solche Veranstaltungen hast, deswegen habe ich ihm erzählt, dass dir auf dem Markt ein Kleid sehr gefallen hat und er ließ es sofort kaufen. Sieh‘ es demnach als ein Geschenk von uns beiden an.“

Für einen Moment hörte man nur die Vögel zwitschern. Keiner der zwei Frauen sagte etwas und Amitiel konnte sich das überhaupt nicht vorstellen.

„Er tut so viel Gutes für mich und ich habe nichts für ihn…“

„Er will dich glücklich sehen. Er mag dich. Naja…“

„Ist es nur mögen? Hat er dir etwas gesagt?“

Mana schwieg. Ja, Atemu hatte ihr etwas gesagt, aber sie versprach ihm zu schweigen. Amitiel wurde die Welt etwas klarer. Ihr wurde deutlich, warum Aknamkanon sie in dem Palast aufnahm, oder warum sie unter seinem Schutz stand. Warum sie von Karim untersucht wurde und warum Atemu so ergreifend reagiert hatte, als er ihre Wunde auf der Wange sah. Das Schweigen von Mana beantwortete ihre Frage. Musste es soweit kommen?

„Mana? Ich möchte gerne für einen Moment alleine sein…Bitte nimm das mir nicht übel.“

„In Ordnung, aber wenn etwas ist, ich bin in meinem Zimmer.“

„Danke…“

Mana ließ sie allein. Kurz bevor sie die Türen schloss, wagte sie einen Blick zu ihr. Ein trauriger Blick. Was ging ihr gerade durch den Kopf? Amitiel lief auf den Balkon und blickte zum Horizont. Unendlich frei und ohne Grenzen. Als sie ihre Harre aus dem Gesicht entfernen wollte, fiel ihr etwas auf. Sie spürte keine Schmerzen mehr an ihrer Wange. Flott ging sie zurück und lief zum Innenhof, welches zum Glück ein kleines Becken mit Wasser hatte. Dort konnte sie einigermaßen ihr Spiegelbild erkennen und merkte, dass ihre Wunde wie aus dem Nichts geheilt war. Im ersten Moment war das für Amitiel unerklärbar, doch dann fiel ihr ein, dass sie geweint hatte. Die Tränen eines Phönixes heilen alle Art von Wunden…Wie konnte ich das nur vergessen? Lächelnd saß sie auf dem Beckenrand und blickte in die Leere, als sie jedoch aus heiterem Himmel aufsprang und energiegeladen zurück in ihrem Zimmer umherlief. Das Kleid lag ausgebreitet auf ihrem Bett. Nur dazu bereit, es anzuziehen. Amitiel nörgelte. Nervös blickte sich umher und kam zu keinem Entschluss. Was mache ich bloß nur?
 

„Es werden Könige und Herrscher der Nachbarländer kommen. Der Saal wird reichlich voll sein.“

Shimon hatte den Pharao in seinem Gemach besucht, um ihn über die Besucher zu informieren. Atemu konnte sich schon ahnen, welche Fragen man ihn stellen würde. Es war wirklich schwer Pharao eines Landes zu sein. Die ganze Arbeit machte ihn müde. Er kam nicht einmal dazu sich für wenige Minuten zu entspannen. Immer war er auf den Beinen und musste von einem Ort zum anderen laufen. Doch dieses Fest gehörte mit zu seiner Arbeit. Nicht umsonst wurden die Könige der Nachbarländer eingeladen. Sie werden über das Geschäftliche sprechen, wie zum Beispiel die Landerweiterung.

„Ihr solltet Euch fertig machen. Die ersten Besucher werden in Kürze erscheinen.“

„Ja, das sollte ich…“

Der Abend würde nur halb so viel amüsant werden, wenn Amitiel nicht anwesend sein wird. Sie würde in ihrem Kleid wunderschön aussehen. Sie wäre das Licht, die alle blenden würden, nur ihm nicht. Und wer weiß, vielleicht würde er sie schon heute zu seiner Königin nennen. Aber das konnte er sich nur erträumen…
 

Es dämmerte schon, als die meisten Besucher erschienen. Atemus Leibwachen waren anwesend und sogar Kisara, die jedoch in der Nähe ihres Setos blieb und keinen Ton von sich gab. Mana blieb lieber hinter Säulen versteckt und blickte in die Runde. Da Mana nie richtige Kleider besaß, hatte ihr Isis eines für den Abend geliehen. Es sah vom Schnitt her ähnlich wie Amitiels Kleid aus, jedoch stand das Kleid Mana hervorragend. Amitiel wo bleibst du nur? Sie entdeckte ihre Freundin nicht und machte sich schon große Sorgen. Ganz alleine würde sie sich nicht in die Menge trauen.

„Ah, endlich begegne ich den großen Pharao höchstpersönlich.“

„Seid willkommen.“

Atemu hatte Sätze dieser Art an diesem Abend schon mehrere Male gehört. Er war jedoch überrascht an die große Anwesenheit der Königskinder. Die meisten dieser Prinzen waren in seinem Alter gewesen wenn nicht noch jünger. Atemu blickte sich um und musste feststellen dass er Amitiel ebenso nirgends finden konnte. Er hoffte, dass sie noch erscheinen würde…

Die Toren schlossen sich, als auch der letzte Gast eintrat. Man spielte Musik, es wurden Getränke ausgeteilt, geredet und gelacht. Priester mit Priestern, Könige mit Königen und die Prinzen mit den Prinzen. Atemu lächelte in sich hinein und war gerade in Gedanken versunken, als jemand von hinten an seine Schulter fasste.

„Euch steht so ein schweigendes Gesicht nicht. Es ist Euer Fest und auch Ihr solltet Euren Spaß daran haben. Ich kannte Euren Vater sehr gut, mein großes Beileid.“

„Danke…Es freut mich wirklich sehr, dass es Euch hier gefällt.“

„Immer wieder gerne und auch Ihr seid bei mir in meinem Palast herzlich eingeladen.“

„Vielen Dank, ich hörte, Ihr Syrier seid wirklich sehr Gastfreundlich.“

„Warum wollt Ihr das nicht selbst überprüfen? Ich lad‘ Euch wie gesagt ein. Wenn wir schon dabei sind, dürfte ich Euch meinen ältesten Sohn vorstellen?“

Der König rief seinen Sohn her. Er war im selben Alter, wie Atemu, war stark und muskulös gebaut, seine Haare gingen ihm bis zu seinen Schultern.

„Das ist mein Sohn Farin.“

Stolz klopfte sein Vater ihn auf die Schulter.

„Man kann nur Stolz auf seine Söhne sein. Wenn ich fragen darf, wo sind Eure?“

„Ich habe keine.“

„Was? Ihr habt keine? Heißt das, dass Ihr auch kein Weib an Eurer Seite habt?“

Atemu schüttelte den Kopf. Der syrische König schien überrascht zu sein. Mit so einer Antwort hätte er niemals gerechnet.

„Ich hörte in Ägypten gäbe es die schönsten Frauen, die ein Mann sich nur wünschen kann.“

„Da habt Ihr womöglich nichts falsches gehört.“

„Aber wo sind denn hier die Frauen?“

Plötzlich öffneten sich die Tore des Saals. Keiner der Anwesenden hätte damit gerechnet und richteten ihre Blicke in die Richtung. Sie erkannten eine junge Frau, die den Saal betrat. Sie trug ein langes, traditionelles und elegantes Kleid. Atemu strahlte, als er sofort erkannte, wer diese junge Frau war und auch Mana kroch aus ihrem Versteck hinaus. Amitiel tappte sich langsam nach vorne. Sie spürte die stechenden Blicke der Gäste auf ihrer Haut. Für einen kurzen Moment wollte sie umdrehen und zurück in ihr Zimmer flüchten, doch als sie Atemu entdeckte, da konnte sie nicht anders als in seine Richtung laufen. Sie war stolz auf sich, diesen schweren Schritt getan zu haben. Auch wenn sie von vielen Leuten – nicht irgendwelchen Leuten, sondern Könige, Prinzen, Priester – angeguckt wurde. Passend zu ihrem Kleid hatte sie sich Ketten in ihr Haar gesteckt, Armreifen und Ohrringe angelegt. Das einzige, was noch in ihrem Besitz war. Amitiel sah einfach hinreißend aus…
 

Amitiel war Gesprächsthema Nummer Eins an diesem Abend gewesen. Als sie Atemu erreicht hatte, wurde sie sofort vom syrischen König für ihre Schönheit gelobt. Verlegend bedankte sie sich bei ihm, als sie sich Atemu zuwandte, der ebenso nur sprachlos daneben stand.

„Du…siehst wunderschön aus. Das Kleid steht dir…“

Der Ärmste konnte nicht richtig in ihre Augen blicken, so angerührt war er. Amitiel lächelte und bedankte sich, als sie von Mana an dem Arm gepackt und weggezogen wurde.

„Ah…Au…Mana!“

Sie zog sie an eine der Säule hinter der sich Mana aufhielt.

„Was sollte das gerade?“

„Was sollte was?“

„Dein Auftritt?“

„Was sollte damit gewesen sein?“

Mana umschlang ihre Freundin. Mit dieser Umarmung hatte Amitiel nicht gerechtet und schreckte erst einmal auf.

„Und ich dachte, du kämest gar nicht mehr. Weißt du wie peinlich es gewesen wäre, wenn ich ganz alleine hier mit den attraktiven, starken und jungen Prinzen geredet hätte?“

Amitiel zog eine Augenbraue hoch. Das war ja wieder typisch, dass Mana wieder nur das eine im Kopf hatte.

„Warum warst du nicht beim Pharao?“

Mana ließ von ihr los und blickte überrascht in dessen Augen.

„Man hätte ja was ganz falsches gedacht, wenn ich das getan hätte!“

„Ach wirklich…“

„Ja!“

Die beiden Frauen merkten nicht, wie sich eine weitere ihnen näherte. Es war Kisara, welche jedoch in einem entfernten Abstand stehen blieb. Amitiel bemerkte sie als erste und blickte zu ihr herüber. Sie trug ebenso ein langes Kleid, jedoch war ihres weiß und nicht cremefarben. Schlicht und einfach – demnach also total uninteressant.

„Du siehst gut aus. Dein Kleid gefällt mir, muss ich zugeben. Woher hast du es?“

„Ein Geschenk!“, antwortete ihr Amitiel kurz und knapp.

„Ein Geschenk? Von wem?“

„Dürfte ich erfahren, was es dich interessiert?“

Kisara zuckte kurz zusammen, als sie diese Gegenfrage an den Kopf geworfen bekam.

„Neugierde!“

„Ist das so, ja?“

Zornig und empört wandte sich Kisara den beiden Frauen ab. Wohin sie ging, interessierte Amitiel kein bisschen, aber man konnte sich das ja denken.

„Oh…die hat wohl nicht so gut geschlafen.“, meinte Mana.

„Seto sollte sich nachts besser um seinen Drachen kümmern!“

Mana musste laut lachen, als sie dies hörte und auch Amitiel konnte ein Lachen nicht verkneifen. Dies weckte bei einigen das Interesse und sie waren mit ihren Blicken sofort bei der Sache.

„Wie ich höre, habt ihr zwei Damen großen Spaß?“

Atemu brachte die beiden Frauen wieder in die Realität zurück.

„Verzeiht, aber wir hatten gerade über etwas sehr witziges gesprochen…“, fing Mana an zu erzählen, als jedoch Atemu ihr dazwischen redete.

„Oh nein, das ist überhaupt nicht schlimm. Es freut mich, dass ihr euren Spaß habt. Jedoch…Amitiel?“

Sie schaute ihn wartend an.

„Würdest du bitte kurz mitkommen?“

Amitiel folgte ihm. Er brachte sie zum syrischen König und dessen Sohn, die schon sehnlichst auf die beiden wartete.

„Verzeiht, dass ich Euch erneut riefen ließ, jedoch mein Sohn hatte großes Interesse Euch kennenzulernen.“

Amitiels Blick richtete sich ruckartig zu dessen Sohn. Sie war in diesem Moment sprachlos. Das hatte ihr an diesem Abend noch gefehlt. Farin lächelte sie an und näherte sich ihr.

„Dürfte ich Euch um diesen Tanz bitten?“

Tanz? Oh nein!

„Gerne…“

Amitiel konnte es nicht fassen, was sie sich selber antat. Sie kannte den Prinzen nicht und hatte Vorahnungen, was er von ihr wolle, dazu konnte sie nicht einmal tanzen.

„Sagt, woher habt ihr das Mädchen her?“, fragte der König Atemu.

„Nicht ich habe das Mädchen gefunden, sondern sie mich…“

Atemu tat es schwer, ihr zuzusehen, wie sie mit einem anderem tanzte. Aber was sollte er auch machen? Er musste sich einigermaßen um die Gäste kümmern. Sein Blick war leer, sein Gesicht gesenkt. Mana konnte vom weitem seinen Kummer sehen.

„Mein Pharao, hättet Ihr vielleicht Interesse an ein Angebot, was das Mädchen betrifft?“
 

Amitiel war verfangen, in den Armen des Prinzen. Auf seinen Wunsch, ließ er eine etwas schnellere und rhythmisch anspruchsvollere Musik spielen. Er konnte sie wirklich gut führen, dass man als Zuschauer gar nicht mitbekam, dass Amitiel das erste Mal mit einem Jungen tanzte. Aber Farin merkte es sofort.

„Euer erster Tanz?“

Amitiel nickte wirr. Unter diesen Umständen konnte sie ihm nicht antworten. Doch Farin lächelte.

„Das macht nichts. Irgendwann ist immer das erste Mal.“

Es war für einen Moment still.

„Ihr habt mir noch nicht Euren Namen verraten.“

„Amitiel.“

„Ein wunderschöner Name. Passend zu einer wunderschönen Frau, wie Ihr.“

„Danke schön.“

Kisara beobachtete das Ganze mit einem kaltvollen Blick. Sie konnte das alles nicht verstehen, warum ein Bauernmädchen so viel Interesse wecken kann. Für sie hatte Amitiel nichts besonderes, was die Herzen der Männer schneller schlugen ließ und fast alle hier im Saal hypnotisierte. Was hieß das schon, blonde Haare zu haben? Sie hatte weiße. War das nicht beeindruckend?

„Du machst dir viel zu viele Gedanken, Kisara.“

„Seto…“

„Lass‘ dich nicht von ihr unterkriegen. Es hat nichts zu bedeuten, wenn sie von vielen umgeben wird.“

„Es ist nicht das, was mich zornig macht. Es gefällt mir nicht, dass sie ohne einen rechtlichen Grund als etwas Besonderes eingestuft wird!“

„Und du meinst, du seiest es nicht?“

Kisara schwieg und Seto verzog ein kleines Lächeln.

„Vergiss nicht, wer an deiner Seite steht. Wenn der Pharao, mein lieber Cousin, einen der Auslandsbesuche vollzeiht, werde ich ihn vertreten und dann wirst du deine Rache schon bekommen.“

„Du meinst…“

„Du wirst es schon sehen!“

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von ihr ab. Kisara verstand nicht ganz, was Seto ihr damit sagen wollte, aber die Idee davor gefiel ihr und das machte sie wieder munter.
 

„Welchen Beruf übt Ihr hier im Palast aus?“, fragte Farin Amitiel.

„Nun, in gewisser Hinsicht mache ich eigentlich hier gar nichts. Aber wenn ich mal dazu komme, füttere ich die Vögel in den Palastgärten.“

„Das ist wirklich toll. Ich merke schon, wie Ihr lockerer beim Tanzen wird.“

„Ach wirklich? Vielen Dank.“

„Gern geschehen.“

Die beiden verstanden sich immer mehr. Amitiel fand ihn wirklich nett und freundlich, aber diese ständige Nähe machte sie ein wenig nervös. Keiner war ihr so nah gewesen, ausgeschlossen der Pharao und Azul. Bei Azul gab es eine Erklärung und bei Atemu? Ja bei ihm konnte sie keine richtige Antwort finden. Als sie einen kurzen Blick in seine Richtung wagte merkte sie, wie er sie mit einem traurigen Blick ansah. Er schwieg, redete mit keinem, sondern schaute den beiden nur zu. Amitiel fühlte sich unwohl in dem Moment.

„Was habt Ihr?“

„Verzeiht mir bitte…“

Sie ließ von ihm los und lief hinaus. Beim Hinauslaufen spürte sie erneut Atemus Blicke, wie sie an ihr klebten. Vermischt mit denen von Farin, der zu seinem Vater hinüber blickte und nickte, als eine Art Bestätigung. Dieser wandte sich dem Pharao zu.

„Es fehlt nur noch Eure Einwilligung, mein Pharao.“

Er schwieg. Noch nie war er in so einer Situation gewesen. Noch nie fühlte er sich so leer. Noch nie musste er so eine schwierige Entscheidung treffen…

Die Entscheidung muss fallen...

Amitiel atmete heftig ein und aus. Ihr war das alles ein wenig zu viel und schwindelte. Der Körper heiß, der Atem stockend. Doch nach einer Weile ging es ihr auch wieder besser. Amitiel dachte an das eben noch einmal nach. Weswegen hatte sie eigentlich den Saal verlassen? Was war der Grund gewesen? Selbst dies fiel ihr nicht ein, so durcheinander war sie. Sie sah die Gärten zum Ersten Mal im Dunkeln. Eine ganz andere Sicht. Unheimlicher…

Zwar fürchtete sie sich nicht, aber sie fühlte sich unwohl und beobachtet, deswegen trat sie unbewusst Schritte nach hinten, als sie an jemanden anstieß. Amitiel schrie kurz auf, doch als ihr bewusst wurde, wer ihr gegenüber stand, fing sie an zu weinen. Sie konnte nicht aufhören zu weinen. Ja, sie fürchtete sich, das musste sie nun doch feststellen. Aber wovor? Was bedrückte sie?

„Ruhig…Beruhige dich…“

Doch Amitiel weinte heftiger.

„Es…es tut mir Leid…“

Atemu zog sie näher an sich heran und streichelte ihr über das Haar.

„Was tut dir denn Leid?“

„Ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich bin völlig verwirrt!“

Atemu schwieg. Er richtete seinen Blick in den dunklen Garten. Er war wirklich unheimlich in der Nacht und er dachte sich, dass Amitiel vielleicht deswegen in Tränen ausbrach. Aber da muss es doch noch etwas anderes geben!?

„Komm bitte mit…Wir gehen woanders hin…“, schlug er vor und verließ mit ihr auch sogleich den Ort…
 

Hinter sich schloss er die Türen seines Zimmers. Amitiel hatte sich auf sein Bett gesetzt. Sie schluchzte, weinte nicht mehr. Jedoch richtete sich ihr Blick ins Leere und nahm sich selber in den Arm. Atemu trat näher an ihr heran, als er sich neben ihr sitze und sie besorgt anblickte.

„Amitiel?“

Sie wandte sich ihm zu und blickte in seine Augen, welche jedoch nicht mehr so strahlten, als er sie sah.

„Ich möchte dich gerne etwas fragen…Bist du hier glücklich?“

Amitiel zuckte zusammen. Warum fragte er das?

„Ich verstehe nicht.“

„Ich meine… Gefällt es denn dir hier?“

„Warum fragt Ihr so etwas?“

Amitiel zitterte. Atemu senkte seinen Blick. Er wollte es nicht ansprechen, aber wie sollte er es ihr sonst erklären?

„Man hat um deine Hand angehalten…“

Amitiel riss ihre Augen auf.

„Was…?“

„Prinz Farin und sein Vater wollen dich gleich am nächsten Morgen mitnehmen…“

Für Amitiel brach eine Welt zusammen. Sie sollte einen Fremden heiraten? Einen Fremden, den sie überhaupt nicht kennt? Den sie überhaupt nicht liebt?

„Und Ihr lässt dies zu?“

Atemu ahnte mit dieser Frage und seufzte.

„Ich dachte, es wäre für dich das Beste…“

Sie erzürnte als sie dies hörte und sprang auf.

Das Beste!? Ihr meint, nur weil ich einen Tanz mit dem Prinzen gewagt habe und er sich sofort mich als seine Frau sieht, dass Ihr ihm zustimmt?“

„Nein, aber ich habe deine Gefühle gemerkt, Amitiel…“

„Ihr habt keine Ahnung über meine Gefühle!“

Sie konnte es selbst nicht glauben, was sie tat. Sie schrie den Pharao an, gab ihm Vorwürfe. Jeder normale Mensch wäre bestraft worden, aber sie war ja kein normaler Mensch. Amitiel tränten erneut die Augen. Dieses Mal jedoch mit vollem Grund. Es konnte doch nicht stimmen, dass er sie aus heiterem Himmel wegschickt! Sie wollte es nicht wahr haben!

„Sagt mir bitte, dass Ihr nur einen Spaß gemacht habt.“

„Nein, Amitiel…Das war kein Spaß.“

Sie kniff ihre Augen und versuchte nicht in Tränen auszubrechen. Warum nur, warum, warum, WARUM?!

Amitiel sprang auf und rannte hinaus. Ihr war das alles egal, sie wollte bloß weg!

„Ihr seid das allerletzte!“

Atemu blickte ihr nach, lief ihr jedoch nicht hinterher. Ja, er hatte einen großen Fehler gemacht. Er musste ihn nur wiedergutmachen. In diesem Moment betrat Mana sein Zimmer. Sie blickte Atemu mit einem sehr traurigen Gesicht an.

„Wird sie uns verlassen?“, fragte sie.

„Nein! Das werde ich nicht zulassen!“

Er stand auf und lief hinaus zurück in dem Saal. Er wusste, was er vorhatte und wie er seine Amitiel doch noch behalten würde…
 

Amitiel lag auf ihrem Bett in ihrem Zimmer. Sie hatte die Türen zugeschlossen, sodass keiner hereinkommen konnte. Sie schrie aus der Seele hinaus. Es tat ihr schon fast weh. Sie hasste sich. Hasste alles an ihr, ihre blonden Haare, ihre lila Augen, ihre Leben! Sie wollte sterben! Aber das ging nicht…

Es klopfte an ihrer Tür.

„Wer ist da?“, fragte sie mit krächzendem Ton.

„Amitiel ich bin es, Mana.“

„Was willst du?“

„Mit dir reden, bitte.“

Amitiel zögerte, bis sie sich jedoch entschloss doch die Türen zu öffnen. Sie brauchte ihre Freundin in diesem Moment. Mana trat herein, bemerkte sofort ihre nassen Augen und das nasse Gesicht. Sie konnte nicht anders, als sie zu umarmen.

„Mana…“

„Beruhige dich erst einmal.“

Mana spürte ihren pochenden Herzschlag. Sie war aufgeregt, verwirrt, dass konnte sie daraus entschließen.

„Wie konnte er mir das bloß antun!“

„Amitiel…“

„Ich meine, ich lebe schon so lange hier! Warum sollte ich nicht glücklich sein?“, unterbrach sie sie.

„Amitiel…“

„Ich liebe ihn doch…“

Mana erschrak, als sie dies hörte. Eigentlich wollte sie ihr ebenso sagen, was der Pharao für sie empfindet, obwohl sie ihm Versprochen hatte es ihr vorerst nicht zu erzählen. Sie behielt es dennoch erst einmal für sich und überlegte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, unterbrach erneut Amitiel sie.

„Ich lasse mir das nicht dulden!“

Sie löste sich von ihrer Freundin und war auf dem direkten Weg zum Thronsaal. Ich lasse mich nicht auf diese Art und Weise behandeln!

Voller Wucht öffnete sie die Pforten. Der Saal war etwas leerer geworden, dass fiel ihr zuerst auf. Sofort sah sie Atemu, wie er mit dem syrischen König und dessen Sohn redete. Ohne Nachzudenken lief sie auf die drei zu. Farin bemerkte sie als erste. Freute sich sie zu sehen und lächelte, jedoch entgegnete sie ihm nicht. Die nächsten Blicke waren von den beiden anderen. Amitiel blieb mit Abstand vor ihnen stehen und wollte mit gehobenem Finger sagen, dass sie sich weigert mitzukommen, als der König ihr die Sprache entschlag.

„Ah, Amitiel. Schön das du noch gekommen bist. Ich habe mit dem Pharao alles abgesprochen. Wir haben vereinbart, dass er zuerst mit uns mitkommt um dein neues Heim anzusehen. Anschließend wird man dich schicken. Du kannst also noch etwas länger hier bleiben.“

Amitiel verabscheute sein Lächeln. Wenn er nur wüsste! Aber dann ging sie den Satz noch einmal durch und ihr wurde etwas in den Sinn. Erschrocken blickte sie zu Atemu hinüber, der ein kleines, verzogenes Lächeln zog. Amitiel schüttelte bloß den Kopf. Was für ein krankes Spiel wurde hier nur gespielt.

„Gut…dann wird es wohl so sein…“, sagte sie, um nicht blöd da zu stehen.

Farin hatte in dieser Zeit seinen Blick nicht von ihr gewendet. Er näherte sich ihr und wagte es sogar, von hinten ihr an die Taille zu fassen.

„Ich freu mich schon auf dich, wenn du kommst, meine Schöne.“

Verschwinde einfach!, dachte sie in diesem Moment. Als er von ihr ließ und mit seinem Vater den Saal verließ, so wie die anderen, spürte sie noch seinen Abdruck an ihrem Körper. Die Stellen, die er berührt hatte, brannten wie Feuer, so unangenehm fühlte sie sich. Ihr durchlief ein kalter Schauer durch den Körper, als er nur an seine Worte eben dachte. Atemu wandte sich ab und wollte den Saal verlassen, als Amitiel versuchen wollte ihn davon abzuhalten. Sie schaffte es, seinen Arm zu berühren und festzuhalten, jedoch riss er sich wieder los und ging still schweigend davon. Mit aufgerissenen Augen blickte sie ihm nur nach. Starr blieb sie auf der Stelle und senkte ihren Kopf. Ihr gingen die schlimmsten Vorahnungen durch den Kopf. Enttäuscht und voller Furcht verließ auch sie den Saal. Ich liebe dich doch…Warum dann das…
 

Mana fing sie in dem Gang auf. In einem ernsten Ton zerrte sie den Gang hinunter in eines der Innenhöfe, wo sie alleine unter sich reden konnte. Mana konnte ihr nichts mehr verschweigen. Sie musste nun Klartext reden.

„Weißt du eigentlich, welchen Aufwand man um dich macht?“

„Ich weiß gar nichts mehr, Mana…“

„Hast du eigentlich eine Ahnung, für wen er das alles tut?“

Amitiel schwieg und antwortete ihr nicht.

„Denkst du etwa, dass er dich hier nicht mehr haben will und versucht einen Weg zu finden, dich loszuwerden?“

„Wenn er dem zugestimmt hat, dann…“

„Ja er hat einen Fehler gemacht, Amitiel!! Und es tut ihm auch leid! Aber Fehler passieren nun mal jeden, auch dem Pharao! Das ist kein Grund ihm Vorwürfe zu machen!“

Damit konnte Mana Amitiel zum Nachdenken fördern.

„Ich möchte gerne wissen, Amitiel, ob du nicht siehst, was er eigentlich für dich hergibt. Siehst du denn nicht, dass er dich…“

Sie stoppte ihren Satz mittendrin und das machte Amitiel neugierig.

„Was?“

„Ach nichts…Vergesse bitte den letzten Satz. Nachdem, was ich gesehen und gehört habe, ist es besser, du findest es selber heraus. Als Entschädigung.“

zum ersten Mal sah sie die ernstere Seite von Mana. Sie wusste, dass Mana es ernst meinte und sah auch ein, dass sie vielleicht ein bisschen übertrieben hatte. Der Pharao würde morgen in der Frühe abreisen und ab dann würde sie ihn Wochen nicht mehr sehen. Und das alles nur wegen einem kleinen Fehler… Vergib mir, mein Liebster…Bitte…
 

Amitiel konnte in dieser Nacht überhaupt nicht gut schlafen…

Sie hatte Angst. Sie hatte Schuldgefühle. Sie dachte schon, dass dies ihr Ende sein werde…

Verbannt!

„Das, was du getan hast, kann man nicht mehr Wiedergutmachen, Amitiel! Der Schmerz sitzt zu tief!“

„Ihr gebt nach allem mir die Schuld?“

„Ich verbanne dich hiermit aus dem Land, Amitiel! Man möge dich weit, weit hinaus in die Wüste wegschicken und wenn du es wagst – und das ist mein völliger Ernst – einen einzigen Schritt in diese Stadt zu setzen, dann bedeutet das dein Ende!! Führt sie ab!“

„Halt wartet! Ich bin unschuldig!“
 

„NEIN!!“

Amitiel schrak auf. Sie atmete heftig ein und aus.

Es war nur ein Traum? Es war nur ein Traum…nur ein Traum…ein Traum…

Als es ihr einigermaßen besser ging, schmiss sie sich in ihr Bett zurück und ging sie mit ihrer Hand über die Stirn, um einige Haarsträhnen aus dem Gesicht zu nehmen. Der Traum schien ihr Real. Beinahe zu Real…

Atemus Leibwachen und er selber standen um ihr herum. Er beschuldigte sie für irgendeine Tat, aber um welche konnte sie sich nicht erinnern. Eigenartig…

Doch kurz danach riss sie erneut ihre Augen auf. Ihr fiel der gestrige Abend ein. Was geschehen war und was sein sollte. Amitiel sprang auf, zog sich nicht einmal um, nur ihr Nachtkleid, so eilig hatte sie es. Sie wollte noch jemanden Abfangen…
 

Als sie im Saal ankam, bemerkte sie keinen. Der Saal war Leer…

Amitiel hoffte noch ihn draußen aufzufinden, doch als sie sich auf dem Weg machen wollte, gingen kurz davor die Toren auf. Ihre Enttäuschung war groß, als sie erkannte, dass Seto ihr entgegen kam. Auch er zuckte kurz, als er sie bemerkte.

„Du? Ich muss dich leider enttäuschen, der Pharao ist leider schon weg.“

Als könnte er ihre Gedanken lesen, schon hatte er ihre Frage beantwortet.

„Wie lange schon?“, fragte sie.

Doch Seto grinste, was Amitiel nicht verstand.

„Nicht sehr lange.“, gab er ihr als knappe kurze Antwort.

Mit einem weiterem grinsen lief er an ihr vorbei. Seine Worte schlugen wie ein Blitz in ihr ein. Sie bemerkte nicht, wie Kisara ebenso den Saal betrat und sich leise von hinten ihr näherte.

„Was tust du jetzt?“, flüsterte sie in ihr Ohr, was daraus folgte, dass Amitiel einige Schritte von ihr auswich.

„Ups…Das tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“, sagte sie in einem sarkastischem Ton. Amitiel sah sie erwartend an.

„Was hab‘ ich dir getan, dass du mich mit so einem Blick anschaust, Amitiel?“

„Was willst du von mir, Kisara?“

„Nur reden.“

„Und worüber?“

Kisara wandte sich ihr grinsend, genau wie Seto, ab.

„Ich an deiner Stelle würde mich erst einmal richtig anziehen. So läuft man nicht herum.“

Na du weißt ja viel Bescheid!, dachte sie sich. Jedoch, dass musste sie leider gestehen, hatte Kisara recht. In diesem knappen Nachthemd konnte sie nicht so wild im Palast herumlaufen, also musste sie in ihr Zimmer zurücktippeln…
 

Da Atemu nicht mehr anwesend war, musste Seto ihn vertreten und wenn er nun die Führung übernahm, stieg gleichfalls Kisara einen Rang höher und konnte demnach ebenso im Palast bestimmen. Diese Chance wollte sie gegen Amitiel ansetzen. Sie wollte sie nicht mehr hier haben, eigentlich hätte sie sich gewünscht, dass Prinz Farin sie gleich mitgenommen hätten. Was machte diese Amitiel schon groß in diesem Palast? Kisara hingegen musste in der Bibliothek Schriften überprüfen, Dokumente abschreiben, diese sortieren, usw. Doch diese Amitiel hingegen tut gar nichts! Ihr wurde das lesen und schreiben von Seto – ein Priester – beigebracht und ihr? Wer hatte ihr das lesen und schreiben beigebracht? Konnte sie überhaupt lesen und schreiben?

„Was bedrückt dich?“

„Es ist dieses Mädchen, Seto. Ich will sie endlich hier weg haben!“

„Gedulde dich noch einen Moment. Gleich wirst du deine Chance bekommen.“

Kisara grinste in sich hinein. Eigentlich war sie keine so ernste und gemeine Frau, aber ihr störte Amitiel einfach. Kisara erinnerte sich an die Zeit, bevor Amitiel kam. Sie konnte lachen, manchmal Seto bei seiner Arbeit helfen, oder sogar in den Gärten spazieren. Als dann aber Amitiel kam und sie sogar in einem Kampf besiegte, zerbrach sie sich nur noch ihren Kopf darüber. In ihr wohnte die Kraft des weißen Drachen. Die Stärkste die es jemals gab und dann kommt sie!? Kisara stieß vor Wut eine Vase mit Blumen um. In dem Moment, als sie hörte, wie die Vase auf dem Boden zerbrach, verflog ihre Wut und erschrak. Ihr Blick hypnotisierte sich, als sie die Scherben sah. Das Wasser verteilte sich auf dem Boden und die schönen Blumen lagen überall verteilt.

Oh nein auch das noch, dachte sie sich. Sie bückte sich und hob die verstreuten Blumen auf. Es waren Dahlien, Gladiole, Veilchen und Stockrosen. Alle Sommerblumen aus den Gärten des Palastes. Sie liebte diese Blumen überalles, deswegen hatte sie sich einige gepflückt und sie in einer Vase dort aufgestellt. Und nun sind sie verstreut und teils abgeknickt. Kisara blickte die Stockrose an. Dies war für sie eine ganz besondere Blume. Seto hatte es ihr geschenkt, als Zeichen, dass er zu ihr steht. Wenn das auch dieses Mal der Fall sein würde…
 

Amitiel hatte keine Schwierigkeiten gehabt, ein Kleid auszusuchen und anzuziehen. Sie hatte nicht so viele, was sollte ihr auch da schwer fallen? Jedoch fiel ihr Blick an ihr gestriges Kleid. Bei dem Gedanken, dass Atemu nicht mehr da war, bekam sie erneut Tränen. Wie lange würde er schon wegbleiben? Eine Woche? Zwei? Ein Monat? Wie würde sie die Zeit bloß überstehen? Jetzt, wo sie ihm doch alles sagen wollte…

Es klopfte und Mana betrat vorsichtig ihr Zimmer. Langsam trat sie näher an Amitiel, welche an der Bettkante saß. Sie legte ihre Hand auf ihre Schulter.

„Ist er fort?“

Amitiel nickte bloß. Ihr Blick gesenkt. Mana hatte es schon geahnt. Er würde nun alles daran setzten, sie irgendwie vom Handel abzubringen. Diese ganzen Probleme, nur um diese eine junge Frau. Diese unerreichbare Liebe.

„Mana, was soll ich tun?“

„Nun…hinterherlaufen ginge schlecht…Du kannst nur noch warten…“

Amitiel seufzte.

„Weißt du, Mana…Die ganze Zeit über dachte ich, dass ich in meinem Leben alleine sei. Ich wuchs ohne Eltern und Freunde auf. Immer auf der Hut vor Sklavenhändlern und Räubern. Eigentlich lebte ich die meiste Zeit über im Versteckten, in Dunkelheit, ohne Licht. Doch dann hörte ich von einem Pharao, der gütig zu seinem Volk sei und ihnen in den schlimmsten Situationen helfe. Ich traute mich aus meinem Versteck und blickte in die mir unbekannte die Welt und Stadt. Voller Stolz und Hoffnung trat ich an die Palastoren, doch leider wurde ich zurückgewiesen, aber ich sagte mir, dass ich nicht aufgeben werde! Zu meinem Glück kam König Aknamkanon aus seinem goldenen Haus und blickte mich an. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber in diesem Moment fühlte ich ein Vertrauen zu diesem Menschen. Eine Nähe…“

Mana erweichte beim Anhören ihrer Geschichte. Sie konnte ihre Gefühle verstehen. Auch sie hatte es nicht leicht.

„Amitiel…“

Doch plötzlich stürmten Wachen ihr Zimmer. Erschrocken blickten die Frauen sich um.

„Was wollt ihr hier?“, wollte Amitiel wissen.

„Mitkommen!“

Einige der Wachen traten näher an Amitiel und griffen sie an den Armen. Schreiend zerrten sie aus dem Zimmer hinaus und führten sie in den Thronsaal. Mit einer für sie schlimmen Überraschung…
 

Seto hatte sich auf dem Thron gesessen. Amitiel verstand nicht, weshalb er das tat. Die Wachen schmissen sie wie einen Sandsack vor ihm hin, sodass sie hinfiel und schmerzhaft nach oben blickte.

„Was soll das?“

„Überrascht?“

Amitiel versuchte sich herzurichten.

„Wie kann ich das verstehen?“

„Was? Das ich auf dem Thron bin? Hat man dir das etwa verschwiegen?“

Sie konnte keine Antwort dafür finden.

„Der Pharao und ich…wir sind Cousins.“

Amitiel riss ihre Augen auf. Klar…Wenn der Pharao nicht im Land war, muss er vertreten werden und da Seto nun der Cousin war…

„Was wollt Ihr von mir?“

„Du hast hier einen Platz nicht verdient!“

Nicht verdient?! Was meint Ihr damit?“

In diesem betrat Kisara den Raum und blieb zuerst erschrocken stehen. Ihr Blick wandert von Amitiel zu Seto. Auch sie konnte erst die Situation nicht verstehen, als ihr jedoch etwas klar wurde: ihre Rache! Sofort trat sie näher an Seto heran und blickte mit erhobenem Kopf auf Amitiel herunter.

„Amitiel! Hiermit verbanne ich dich aus dem Land!“

Mana erschrak und hielt vor lauter erstaunen eine Hand vor dem Mund. Sie wollte nicht glauben, was sie da von Seto hörte. Amitiel hatte ebenso einige Schritte nach hinten gemacht.

„Ihr wollt mich verbannen?!“, schrie sie.

„Du hast es verdient!“, konterte ihr Kisara.

„Wachen! Zerrt sie hinaus!“, befahl Seto.

Sofort betraten einige Wachen den Saal und griffen nach Amitiel und schleppten sie hinaus. Amitiel versuchte sich zu wehren, scheiterte jedoch. Draußen landete sie nicht sanft. Erneut wurde sie wie davor auf den Boden geworfen.

Zornig blickte sie hinauf auf die verschlossenen Tore. Das werdet ihr noch bereuen!
 

Amitiel war da, wo sie vor Monaten auch war. Ihr wurde der Zugang zum Palast erneut verweigert. Sogar schlimmer: Sie wurde aus dem Land verbannt. Sie konnte sich das nicht erklären. Es gab keinen Grund, warum man sie so behandeln musste. Jedoch würde es nichts bringen die ganze Zeit vor dem Eingang zu warten und zu hoffen, dass man sie doch noch hinein ließe. Arme Mana…, dachte sie. Bekümmernd schaute sie nach oben, blickte zu ihrem Balkon, den man gerade noch so erkennen konnte und entdeckte sogar die Silhouette von Mana. Mana war noch immer geschockt von dem Rauswurf ihrer Freundin. Aber was konnte sie dem schon machen? Sie konnte Seto nicht wiedersetzen. Er vertritt den Pharao… Arme Amitiel… Amitiel entfernte sich von ihrem ehemaligen Heim. Lief in die Stadt hinein und sogar darüber hinaus. Hinaus in die Wüste. Dorthin, wo es nur staubig und sandig war. Kein Wasser zum Trinken. Nur Dünen und endlose Horizonte…
 

Amitiel konnte nur ein kleines Teil der Stadt sehen. Sie wusste nicht, wie weit sie gelaufen ist und wo sie sich befand. Sie wusste nur, dass sie es nicht mehr lange schaffen wird. Die Sonne prallte auf ihrem Kopf. Mühevoll zerriss sie ein Stoffteil ihres Kleides und benutzte es als Kopftuch. Immerhin ein kleiner Schutz. Doch die Strahlen der Sonne waren zu intensiv, dass sie schon zu schwanken begann. Ihr Mund war trocken, ihre Füße taten weh, die Sonne blendete sie… Ich bin verloren… Sie fiel auf den Sand. Ihre Augen wurden schwer und sie konnte nur Umrisse erkennen. Wie die Umrisse einer sich nähernden Person. Diese blieb neben ihr stehen und bückte sich herunter.

„Wer…ist…da?“, versuchte sie noch herauszufinden, doch sie fiel in Ohnmacht und bekam nichts mehr mit…
 


 

Soooo :3 hier melde ich mich mal zum ersten Mal *halloo*

als erstes ein rieeessenn großßenn Dank für die Kommis *ihr seid die Besten!!* Es hat mir immer so viel Spaß gemacht sie zu lesen ( und ich hab sie mir mehrmals gelesen weil sie so toll waren ) und es macht mir auch deswegen immer wieder Mut die Fanfic weiterzuschreiben.
 

Es freut mich wirklich, dass euch Naél bzw. Amitiel gefallen *Fähnchen schwenk* (Mensch ihr zwei Mädels ihr seid beliebt!!) hahaha xD Ich geb' mir natürlich seehhrr viel Mühe für die Kapis und versuche einiger Maßen nicht so kurze zu schreiben^^
 

Vielleicht könnte ich euch beruhigen, dass die Fanfic sich noch nicht (!) dem Ende nähert. Wir wollen ja noch alle wissen, was mit Amitiel passiert, oder? ;)

Deswegen bleibt gespannt :D Nächste Kapi wird bald hochgeladen *yeah*

Danke schöööön und bis demnächst *alle ganz doll knuddle* <3

Die andere Seite...

„Pst…seid still. Sie wacht sonst auf…“

Amitiel hörte Stimmen, konnte diese jedoch keinem zuordnen. Sie kniff ihre Augen und rekelte sich.

„Guckt! Jetzt wacht sie auf.“

Amitiel öffnete langsam ihre Augen und bemerkte, noch ganz verschwommen, Silhouetten. Sie sah genauer hin und…erkannte Kinder…

„Wer…wer seid ihr?“

Amitiel rieb sich ihre Augen. Die Kinder guckten sie mit großen Augen an. Doch nun schaute sich Amitiel um. Sie lag in einem großen Zelt, auf vielen Decken. Neben ihr lag eine Schüssel mit klarem Wasser und daneben ein Lappen. Ihr Blick wandte sich den drei Kindern zu. Zwei Jungs, ein Mädchen.

„Habt ihr mich gefunden?“

Diese schüttelten ihre Köpfe. Amitiel schätzte die kleinen Kinder auf ungefähr sieben oder acht Jahren. Die Person, die neben ihr gestanden hatte, war definitiv älter und größer gewesen. Die Kinder konnten es also nicht gewesen sein.

„Das war unser Großvater!“, sagte plötzlich der eine Junge.

Er riss damit Amitiel aus den Gedanken.

„Wer? Dein Großvater?“

Dieser nickte. In diesem Moment kam eine Frau ins Zelt hinein und blickte sich erstaunt umher. Sie hatte lange, schwarze, lockige Haare.

„Malika, Aziz, Tamer! Lasst das Mädchen ausruhen!“

Sie näherte sich den Kindern.

„Los raus mit euch!“

Lachend verließen die Kinder das Zelt. Die Frau seufzte und wandte sich Amitiel zu.

„Verzeiht…Meine Kinder sind manchmal echt anstrengend. Ich hoffe, sie haben dich nicht aufgeweckt?“

Amitiel lehnte sich auf.

„Oh nein, ganz und gar nicht…Wo bin ich hier?“

„Wir haben dich in der Wüste aufgefunden. Naja…besser gesagt mein Vater.“

„War ich lange bewusstlos?“

„Einen ganzen Tag. Und du warst heiß, deswegen habe ich versucht deinen Fieber mit dem nassen Lappen zu senken. Du hattest Glück Mädchen, nicht viele überleben den Fieber.“

„Es scheint so…“

„Woher kommst du?“

Amitiel schwieg. Sollte sie ihr die Wahrheit sagen?

„Ich weiß es nicht…“

„Du weißt es nicht? Oh, das ist schade. Vater meinte, er habe dich im Süden gefunden. Nahe der Stadt und dem Palast. Eine Ahnung?“

„Nein…“

Die Frau glaubte es ihr.

„Komm ich helfe dir beim Aufstehen.“

Sie näherte sich Amitiel und half ihr auf den noch wackeligen Beinen zu stehen. Amitiel schwankte zwar noch ein bisschen, aber nach einer kurzen Weile konnte sie auch wieder stehen. Eine weitere Person betrat das große Zelt.

„Ist das Mädchen aufgewacht?“

„Ja, Vater. Schaut!“

Amitiel blickte sofort zu dem älteren Herrn und auch sie wurde von ihm verwundert angeschaut.

„Ihr habt mich gerettet?“

„Das trifft wohl zu. Du wärst beinahe gestorben, Kindchen.“

„Dann bin ich Euch wohl etwas schuldig…“

„Ach Quatsch! Es ist schon in Ordnung. Ich konnte dich doch nicht sterben lassen.“

Amitiel lächelte und nickte. Der alte Mann winkte sie zu sich her.

„Dann komm‘ bitte mit. Ich zeige dir wo wir hier sind.“

Sie folgte ihm, dicht gefolgt von der Frau…
 

Amitiel hielt sich schützend ihr Arm vors Gesicht, als die Sonnenstrahlen ihr aufs Gesicht schienen. Doch ihr Blick verbesserte sich kurz danach. Sie war in keiner Stadt. Man konnte es ein großes Lager nennen. Überall waren Zelte aufgestellt und es waren vielleicht höchstens 30 Menschen.

„Hier leben wir.“, sagte die Frau.

„Hier lebt ihr?“

Sie nickte. Amitiel konnte sich das gar nicht vorstellen. Sie war zu sehr an das Palastleben gewöhnt, dass sie die andere Welt total vergaß.

„Kommt, ich führe dich herum.“

Der alte Mann ging vorneweg und die zwei Frauen dahinter. Amitiel war erstaunt, was sie dort sah. Kinder liefen umher, spielten, lachten, tanzten. Sie entdeckte die drei Kinder, die bei ihr waren. Amitiel versuchte sich an die Namen zu erinnern. Malika, Aziz und Tamer. So hießen sie.

„Das sind meine Kinder. Du hattest ja schon die Bekanntschaft gemacht.“

„Ihr habt ihnen wirklich wunderhübsche Namen gegeben.“

„Danke…Wie lautet eigentlich deiner?“

„Amitiel.“

„Ein wunderschöner Name.“

„Danke schön.“

Die Frau lächelte.

„Lilian! Warum fragst du nicht unseren Gast, ob sie zum heutigen Fest erscheint?“

„Vater, dass hättest du auch machen können!“

Sie seufzte.

„Und?“

„Was?“, fragte Amitiel nach.

„Hättest du Lust zum heutigen Fest zu erscheinen?“

Ihr durchlief ein kalter Schauer durch den Körper, als sie dies hörte. Nicht noch ein Fest…

„Was ist mit dir?“

„Äh…Ach es geht schon…“

„Wirklich?“

„Ja…“

Sie wollte sich nicht daran erinnern, aber die Gedanken kamen wieder hoch. Warum muss es ausgerechnet ein Fest sein…

„Ich werde erscheinen!“, schlug sie fest.

Lilian freute sich.

„Das ist schön. Es wird ganz bestimmt sehr witzig. Vertrau‘ mir, Liebes.“

Amitiel nickte bloß. Zwar hatte sie leichte bedenken über ihre Entscheidung, aber wenn sie die Einladung abgesagt hätte, dann wäre ihre Lüge womöglich aufgegangen. Doch ein Problem gab es…

„Ich habe kein passendes Kleid…“

„Ach…das macht nichts. Ich werde dir eines von mir leihen.“

„Aber das geht doch nicht…“

„Warum denn nicht? Du bist unser Gast hier.“

Amitiels Wangen rötteten sich. Sie hatte Glück gehabt, dass sie in solch guten Händen gelandet war…

„Amitiel? Spielst du mit uns?“

„Oh ja, Amitiel. Bitte spiel‘ mit uns.“

„Malika! Aziz! Ihr seht doch, dass Amitiel gerade beschäftigt ist.“, sagte Lilian.

„Ach Menno.“

Amitiel lächelte. Sie waren gerade dabei ein Zelt wieder aufzubauen, als die Kinder ankamen. Lilians Kinder hatten sofort enge Freundschaft mit Amitiel geschlossen. Amitiel selber konnte das nicht genau verstehen. Sie ließ alles liegen und näherte sich den Kindern.

„Wisst ihr was?“

Sie schüttelten ihren Kopf.

„Wenn ich eurer Mutter geholfen habe das Zelt aufzubauen, dann werde ich auf jedem Fall mit euch spielen.“

Ihre Augen wurden größer, als sie dies hörten. Freuend lachend tanzten sie umher. Amitiel lächelte in sich hinein. Was für liebe Kinder…

„Was sehe ich denn da?“, fragte Lilian.

„Was denn?“

„Dein Gesicht!“

„Was ist damit?“

„Ich sehe Trauer!“

Amitiel zuckte zusammen. Konnte man das ihr schon ansehen?

„Ach Quatsch.“

„Doch! Wirklich! An wen denkst du gerade?“

An Atemu, hätte sie am liebsten geantwortet.

„An eine Freundin… Ich erinnere mich nur schwach…“

„Das tut mir leid…“

„Ach, das geht schon…“

Amitiel befestigte das letzte Teil des Zeltes, als sie erschöpft seufzte. Doch sie konnte sich nicht lange entspannen, denn sofort kamen Lilians Kinder angerannt.

„Amitiel! Amitiel! Spielst du mit uns?“

Sie lächelte und nickte. Ja…Kinder konnten etwas wundervolles sein, wenn sie mal lieb waren und das tat, was man ihnen sagte. Auch Amitiel wünschte sich ein Kind. Nur ein einziges konnte sie gebären. So war ihre Natur…

Sie mochte Lilians Kinder wirklich sehr. Sie waren Engel, sanfte Wesen und auf jeden Fall witzig. Sie alberten herum, lachten, taten alles, was den Kindern Spaß bereitete. Ihnen wurde nicht einmal klar, wie schnell die Zeit vorüber ging und der Tag anfing zu dämmern. Amitiel bemerkte schon das erste Gähnen der Kinder.

„Ich denke…es reicht für heute, meint ihr nicht auch?“

Wie Kinder nun mal waren, schüttelten sie alle ihre Köpfe.

„Nein…Ihr seid noch gar nicht Müde…“, sagte sie ironisch.

Malika rieb sich schon ihre Augen.

„Na kommt. Es war ein anstrengender Tag und es hat wirklich Spaß mit euch gemacht.“

Missmutig hielten sie Amitiels Hand und folgten ihr in dessen Zelt. Lilian bemerkte sie als erste.

„Ja, es ist schon Zeit ins Bett zu gehen, meine Kleinen.“

Sie nahm die drei Amitiel ab und brachte sie in eine mit Decken gestapelte Stelle. Sachte legte sich jedes einzelne Kind hin und schlief sofort ein. Lilian gab jedem noch einen Kuss und ging zurück zu ihrem Vater und Amitiel.

„Danke schön, dass du dich so lieb um die drei gekümmert hast.“

„Es war das mindeste, was ich tun konnte.“

Lilian lächelte bloß und setzte sich zu ihrem Vater.

„Hast du dich schon hier bei uns gut eingefunden, Amitiel?“

„Ja, es ist wirklich schön hier.“

Im Palast war es noch schöner. Ach wie Amitiel die Gärten und den Duft der Blumen vermisste. Wie sie Mana vermisste. Sie fürchtete sich, was man ihr wohl antun würde.

„Ich solltet euch langsam fertig machen. Das Fest könnte jeden Augenblick beginnen. Es wird ein großes Feuer geben und eine Sensation.“

„Eine Sensation?“

„Eine Vorstellung, wie es noch keiner vorher gesehen hatte.“

„Das hört sich spannend an, Vater. Du kannst ja schon mal voraus gehen. Vielleicht triffst du ja deine Freunde, die alten Saids.“

Lilian wollte ihren Vater vom Zelt haben, damit die beiden sich ruhig umziehen und sich schick machen konnten. Ihr Vater ging dann auch, sodass dann nun die beiden Frauen alleine waren.

„Lilian?“

„Ja?“

„Durfte ich dich etwas fragen?“

„Selbstverständlich, Amitiel.“

„Wer ist der Vater dieser Kinder?“

Lilian schwieg. Ihr Gesichtsausdruck wurde trauriger.

„Er lebt nicht mehr…“

„Oh nein…das tut mir leid, ich wollte nicht…“

„Ist schon gut… Mein Mann ist vor ungefähr fünf Jahren verstorben. Aziz, unser ältester Sohn war zu der Zeit drei Jahre alt. Malika noch ein Kleinkind und Tamer gerade vier Monate… Räuber überfielen unser Lager und raubten uns aus. Zu mir meinte er, ich solle mit den Kindern im Zelt bleiben, er gehe nach draußen und würde die Räuber bekämpfen. Ich rief, er solle bei mir bleiben, uns hier drinnen verteidigen…Eigensinnig, wie ich war, folgte ich ihm. Als ich hinausblickte, brannten einige Lager. Frauen schrien, Männer starben, Kinder wurden von den Familien getrennt…Am meisten wurden die Frauen mitgenommen, um sie auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen. Als mich einer dieser Bande angriff, trat mein Mann dazwischen. Er konnte ihn töten, wurde jedoch selbst schwer verwundet…Er starb noch in derselben Nacht…Es war ein Wunder, dass ich und meine Familie überleben konnten…Aber er…“

Lilians Augen tränten, doch sie wisch sich diese sofort weg.

„Jede Nacht bete ich, dass er friedlich endet. So soll auch dieser Tag enden…“

Lilians Geschichte ähnelte Amitiels. Auch sie wurden von Räubern angegriffen, wobei ihr Vater starb. Ihre Mutter und sie konnte fliehen, doch darauf starb auch Amitiels Mutter…

„Verzeih‘, dass ich dich damit belästigt habe. Hier ist ein Kleid für dich. Es ist leider nicht das Beste. Ich würde dir auch gerne ein passendes Kopftuch geben.“

„Danke, das wäre sehr freundlich.“

Lilian wandte sich ab und kam mit einem längeren Tuch wieder zurück. Amitiel fürchtete sich, was passieren würde, wenn sie ihr ihre Haare offenbarte. Langsam nahm sie ihr zerrissenes Stoffteil vom Kopf ab. Lilian erstarrte, als sie ihre Haare sah.

„Blond?“

Amitiel senkte ihren Blick. Sie ahnte schlimmes.

„Das ich das noch erleben darf, dass ich blonde Haare sehe…“

Was? Sie wusste nicht, wer sie eigentlich war? Lilian reichte ihr das Tuch hin, welches sich Amitiel sogleich umband. Es war eindeutig länger als ihrs und sah viel hübscher aus. Viele Muster und Stickereien. Das liebte sie ja. Als letztes zog sie sich das geliehene Kleid von Lilian an. Lilian erweichte beim Anblick ihrer Schönheit.

„Es steht dir hervorragend.“

Das hatte sie von Atemu auch gehört… Ob er wohl an sie dachte?

„Ich denke, du bist fertig, meine Liebe.“

„Ich denke auch.“

Als sie das Zelt verließen war es bereits spät am Abend geworden. Sie brauchten nicht lange, als sie die Mitte des Lagers erreichten. Eine große Fläche. Teppiche wurden ausgebreitet, wo teils Menschen schon drauf saßen. Ganz in der Mitte war ein großes Lagerfeuer. Die Flammen reichten hoch hinaus. Feuer…

„Ich glaube, es fängt an.“

Lilian war aufgeregt. Ein älterer Herr, nicht ihr Vater, näherte sich dem Feuer und blieb kurz davor stehen. Er drehte sich dem Publikum zu. Musik ertönte. Eine typische Volksmusik für deren Zeit.

„Heute, an diesem wunderschönen Abend, werde ich Euch eine Geschichte erzählen… Eine Geschichte, die so wahr ist, dass sie schon wieder unglaubwürdig ist… Eine Geschichte voller Magie und Zauber.“

Er warf etwas ins Feuer, sodass sie für einen kurzen Moment noch höher stiegen und sie blendeten.

„Eine Geschichte von einem Mädchen…“

Einige der jungen Männer fingen sofort an zu pfeifen.

„Das war mal wieder so typisch.“, meinte Lilian zu Amitiel, welche sofort anfing zu lächeln.

„Dieses Mädchen war jedoch kein normales Mädchen. Oh nein…Dieses Mädchen war eine Kämpferin…Sie kämpfte gegen hundert Räuber und siegte…“

Was?! Amitiel traute ihren Ohren nicht. Was hatte er da eben gesagt? Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sieg wollte einfach nicht glauben, was er eben gerade gesagt hatte…Er sprach von ihr…Ganz eindeutig...

In deinen Augen sehe ich mich wieder…

Amitiel konnte sich das nicht erklären. Wie kam ein alter Mann nur an solche Informationen? Von wo hatte er das gehört? Wer wusste noch davon? Der alte Mann spielte mit dem Feuer, warf nach und nach immer mehr etwas ins Feuer, damit er diese Effekte hervorrief. Das Publikum applaudierte und staunte. Lilian war völlig außer sich.

„Sowas habe ich noch nie gesehen.“

Es traten Tänzerinnen auf, die zum Rhythmus der Musik tanzten. Gleichzeitig erzählte der Mann weiter…

„Hundert Räuber – das war nicht gelogen – versuchten die Stadt anzugreifen. Der Pharao – ganz hoch auf dem Ross – wollte sich selbst für das Volk opfern. Sein reines Herz, welches für sein Volk schlug. Ihm tat es leid, wenn es untergehen würde…“

Amitiel blickte sich umher. Keiner blickte zu ihr herüber.

„…Doch trat ein Mädchen vor ihm nieder, bat um eine Bitte: Lasst mich gegen den Feind kämpfen! Er ließ es zu, sie trat den hundert gegenüber. Man lachte über sie, sahen den König als einen Schwächling an und mit ihm sein Land!“

Das waren ihre Worte gewesen. Lasst mich gegen den Feind kämpfen…

„Wie ein Mädchen das wohl schaffen konnte? Ich mein…ein Mädchen…“, sagte Lilian.

Amitiel antwortete ihr darauf nicht, sondern hörte weiter zu. Eine weitere Person näherte sich. Eine junge Frau, welches ein langes rotes Kleid trug. Dazu rote Seidentücher, mit denen sie sich elegant bewegte. Sie sollte wohl Amitiel darstellen?

„Das Mädchen zeigte ihre Macht. Eine verborgene Seite. Rote Flammen! Rote Augen! Roter Zorn… Brachten den Tod…“

Er hielt kurz inne und auch die Tänzerinnen knieten auf dem Boden. Nur eine stand und das war das Mädchen mit den roten Kleidern, welche zu singen begann…

Das Mädchen hatte so eine wunderschöne Stimme, wobei Amitiel ganz schwach wurde. Wie sie hervorragend die höheren Töne traf.

„Das Mädchen, aufgenommen in die Familie des Pharaos, versprochen an den Prinzen, der sie als seine rechtsmäßige Frau nehmen wollte…“

Als Amitiel dies hörte, riss sie ihre Augen auf.

„Eine wunderschöne Geschichte…Das größte Geschenk, was dieses Mädchen je bekommen würde…Königin über Ägypten…Hach…“

Lilian schwärmte von Amitiel, doch dann musste sie lächeln.

„Aber das ist ja nur eine Geschichte…Es gibt kein Mädchen mit solchen Kräften, die gegen hundert Räubern kämpfte…“

Langsam entflammten auch die Flammen des Lagerfeuers. Der Mann entfernte sich. Verschwand in der Dunkelheit. Amitiel konnte immer noch nicht fassen, was sie zu hören bekam… Wie war das möglich?
 

Es wurden Getränke, Brot, Weintrauben und Datteln verteilt. Zur Musik wurde rhythmisch getanzt, gesungen und gelacht. Das kam für Amitiel alles bekannt vor.

„Na komm, lass‘ uns auch tanzen.“

Sie zerrte Amitiel mit in die Mitte.

„Lilian, ich kann nicht tanzen!“

„Dann bringe ich dir es bei. Das meiste wird von alleine kommen. Fühle den Rhythmus.“

Lilian hielt sie an ihren Händen und bewegte sie passend zu ihrem Tanz. Amitiel fiel es zu Anfang noch schwer, als sie sich schließlich einfand und mit Lilian die meiste Aufmerksam der Menschen erweckte. Amitiel fühlte sich anders…Neu… Man konnte es nicht beschreiben. Sie fühlte sich frei… Doch auch wie jedes Lied, ging dieses zu Ende und die beiden Damen setzten sich zurück auf ihre Plätze.

„Du konntest super tanzen und du meintest, du könntest es nicht.“

„Dem war auch so.“

„Ich denke, das genügt für heute. Es ist schon ziemlich spät. Wollen wir gehen?“

Amitiel blickte noch in die Runde. Alle hatten ihren Spaß. Sie lebten hier glücklich, was ihnen wohl nichts ausmachte. Doch dann nickte sie.

„Ja, gehen wir zurück. Die Kinder sind ja auch alleine…“

Amitiel hörte die Musik noch bis spät in die Nacht. Sie legte sich neben den Kindern. Wie süß sie aussahen, wenn sie schliefen.

„Brauchst du noch etwas? Eine weitere Decke?“, fragte Lilian sie.

„Oh nein. Das geht schon. Danke schön.“

Lächelnd schloss sie ihre Augen und träumte. Von was sie träumte, konnte selbst sie nicht sagen…
 

Amitiel erwachte durch laute Schreie. Sie riss ihre Augen sofort auf, blickte sich umher und erleichterte, als sie die Kinder noch neben sich sah. Doch die Schreie kamen von draußen und es waren nicht wenige. Sofort sprang sie auf und rannte hinaus. Sie wollte nicht glauben, was sie dort sah. Das Lager wurde angegriffen. Wie üblich waren es Räuber und Banditen.

„Lilian! Lilian!“

Amitiel rief und rief, bekam jedoch keine Antwort. Sie hatte schon das Schlimmste geahnt. Oh nein!

Amitiel blickte umher und fand Lilian mit ihrem Vater. Sie liefen in ihre Richtung. Bückend und sich immer umschauend.

„Lilian!“

„Amitiel!“

„Was ist passiert?“

„Wir wurden überfallen! Seit langen Jahren wieder mal!“

„Geht hinein und bleibt drinnen!“

Das taten sie auch. Amitiel wusste, was sie tun könnte, um die Menschen hier zu retten.

„Na wen haben wir denn hier?“

Ruckartig drehte sie sich um und blickte in eine Fratze, die sie lüstern angrinste. Schnell hatten sich viele um sie versammelt und starrten sie alle an. Amitiel sah keine Chance um hindurch zu rennen, aber drüber!

„Ihr wollt mich?“

Sie bekam ein Gelächter als Antwort.

„Kommt und holt mich doch!“

Kaum, als man sich auf sie stürzen wollte, ging Amitiel in Flammen auf. Sie verübte solch eine große Wucht, womit sie die Gegner einige Meter von sich entfernen konnte. Rote Flammen…Rote Augen…

Sofort stand sie Kampfbereit da. Für einen kurzen Moment hörte man den Windstoß hören, dicht gefolgt von den Schreien der Frauen und Kinder. Lilian!

„Ein Monster!“

Amitiel grinste bloß, holte mit ihrem Arm aus und führte eine Bewegung aus, was daraus folgte, dass plötzlich einige reglos auf den Boden fielen. Doch das war nicht alles…

Sie transformierte sich in ihre Phönix–Gestalt und flog in die Höhe empor. Von dort oben hatte sie besseren Überblick und konnte somit schnell reagieren. Sie sah, wie einer über eine Frau herfallen wollte. Amitiel griff ihn im Sturzflug an und konnte der Frau vor dem Schlimmsten bewahren. Nur der leblose Körper blieb zurück und ängstliche Blicke der Frau. Es war lange her, dass Amitiel sich in dieser Gestalt zeigte.

„Nein! Meine Kinder!“

Es war Lilian, die schrie. Amitiel blickte sich um und sah sie in nicht allzu entfernter Weite. Ihr Zorn wuchs. Ihre roten Federn flammten auf. Ihr ganzer Körper war nur noch aus Feuer…

Schnell setzte sie ab und flog in rasanter Geschwindigkeit auf sie zu.

„Nein! Lasst mich los!“

„Sei still, Weib!“

„Nein! Hilfe!“

Der Mann kam nicht zu seinem Geschehen. Amitiel riss ihn von Lilian weg und schleuderte ihn auf den harten Sandboden. Als sie sah, dass er sich noch bewegte, formte sie sich als Mensch vorher zurück, lief mit gängigem Tempo auf ihn los und hielt an seiner Kehle.

„Verschwindet hier, oder es werden noch mehr sterben!“, sagte sie.

„Was bist du?“

„Hüterin!“

Nach diesem Satz versetzte sie ihm den Gnadenstoß. Sie schaffte es, die restlichen in die Luft zu jagen. Das Lager war zerstört…

„Amitiel?“

Sie drehte sich um und blickte in die ängstlichen, verwirrten Augen von Lilian.

„Amitiel, bist du das wirklich?“

Amitiel senkte ihren Blick.

„Also waren die Geschichten doch wahr…“

Amitiels eigentliche Gestalt kam zur Geltung. Ihre lila Augen, ihre blonden Haare, der zarte Körper…

Es hatten sich weitere Bewohner versammelt. Amitiel entfernte sich.

„Halt! Warte!“

Lilian griff nach Amitiels Arm und hinderte sie daran weiterzulaufen.

„Danke…“

„Wofür?“, fragte sie.

„Danke, dass du uns vor den Räubern gerettet hast…“

Amitiel wandte sich ihr zu und blickte in ihre dunkelgrünen Augen.

„Ihr habt die Wahrheit über mich herausgefunden…Ich kann hier nicht länger bleiben…“

„Du hast uns gerettet und das überbietet alles andere. Egal, was oder wer du bist…Wir stehen in deiner Schuld…“

Sie verbeugte sich vor ihr.

„Bitte bleibe bei uns und werde unsere Beschützerin…“

Amitiel blickte sich um und sah, wie die anderen Menschen sich ebenso verbeugten.

„Es werden Wunder wahr…“

Lilians Augen tränten. Amitiel näherte und beugte sich ihr herunter.

„Was ein Wunder doch alles vollbringen kann…“

Amitiel schwieg, sagte nichts und umarmte sie. Sie hatte Angst…Angst, dass man sie verstießen würde, dass man sie verbannen würde… Doch das taten sie nicht. Sie sahen sie als ihre Retterin an und das war sie in gewisser Hinsicht auch… Amitiel entschloss sich zu bleiben…
 

Seit diesem Tag war ein Monat vergangen…

Es gab keine Überfälle mehr…

Amitiel hatte Lilian und ihrem Vater die Wahrheit gesagt. Die Wahrheit, dass sie verbannt worden ist und die Wahrheit, dass sie im Palast lebte. Lilian und ihr Vater verstanden nicht, warum man eine Person, wie Amitiel, bloß verbannen würde…
 

In der Mittagssonne spielten Lilians Kinder vor den Zelten.

„Ich bin die unbesiegbare Amitiel und ich verjage euch, ihr Banditen!“, rief Malika.

„Oh nein! Wir sind verloren!“, meinten darauf die beiden Jungs.

Amitiel lächelte und amüsierte sich ihnen zuzuschauen. Lilian näherte sich ihr.

„Amitiel?“

Sie drehte sich um und wartete ab.

„Ich muss in die Stadt. Vorrat für uns alle kaufen… Hättest du vielleicht Lust mitzukommen?“

In die Stadt…

Es war lange her, als sie das letzte Mal da war. Naja…das letzte Mal war es, als sie es verlassen musste…

„Ich werde mitkommen…“

„Bist du dir sicher?“

Sie nickte.

„Ok…Vater holt die Kutsche.“

Sie wandte sich ihr ab und ging zurück ins Zelt. Amitiel blickte in die Ferne auf den Horizont, als Lilians Vater mit der alten Holzkutsche ankam.

„Steig hinten drauf.“

Amitiel tat, was man ihr befahl und stieg hinten ein. Es dauerte nicht lange, bis Lilian wieder rauskam.

„Auf die Kinder wird sich die Alte Bea kümmern. Wir können los…Bei dir alles ok, Amitiel?“

Sie nickte als Antwort. Lilians Vater knallte die Peitsche und die zwei Pferde zogen die Holzkutsche an. Amitiel war in Gedanken versunken. Dachte nach, wie sehr sich die Stadt verändert hätte… Der Palast…Ob Mana noch drinnen lebte…Ob Atemu schon wieder zurück war…

Ihr kam die Vorahnung, dass er sie womöglich schon vergessen hätte…

Sonst hätte er doch Soldaten geschickt, um sie zu suchen… Aber sie kamen nicht… Ihr Lager wurde immer kleiner und kleiner. Irgendwann sah man es gar nicht.

„Amitiel, sing‘ uns doch etwas Schönes vor.“, schlug Lilian vor.

„Singen? Ich?“

„Warum nicht? Es dauert schon noch eine kleine Weile, bis wir ankommen. Nur, damit ich mich nicht hier langweile.“

Amitiel seufzte. Was sollte sie denn vorsingen? Ihr fiel nichts ein? Doch dann erinnerte sie sich plötzlich an ihre Kindheit. An ihre Mutter…

Sie brachte ihr ein Volkslied bei. Leise summte sie vor sich her.

„Ich kann dich nicht hören.“

Lilian lächelte. Amitiel summte etwas lauter.

„Nicht summen.“

Amitiel gab’s auf und sang mit Text. Sie hatte eine zarte Stimme. Lilian erkannte dieses Lied und sang gemeinsam mit ihr mit. So wurde auf der Fahrt für Unterhaltung gesorgt und es war nicht mehr allzu langweilig…
 

„Brr…Langsam…“

Lilians Vater hielt die Pferde an.

„Wir sind da.“

Amitiel drehte sich um und blickte in die Stadt hinein. Ihr Blick fiel zuallererst auf dem Palast… [o]Mein Heim…Nein…das war es mal…

Traurig setzte sie sich wieder zurück und zog ihre Beine an.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Lilian sie.

Sie nickte bloß. Lilian stieg aus.

„Ich werde hier wieder auf euch warten.“, meinte ihr Vater.

„Ist gut. Kommst du, Amitiel?“

Langsam setzte sie sich in Bewegung und kam von der Holzkutsche herunter. Ihr Bauch kribbelte, als sie die ersten Schritte in die Stadt setzte. Doch gleichzeitig durchfloss in ihr große Angst. Sie hielt ein Teil ihrer Kopfbedeckung vors Gesicht, sodass man nur ihre Augen sehen konnte.

„Lass uns da vorne erst einmal hingehen.“, schlug Lilian vor.

Amitiel folgte ihr nur, bis sie an einem der Obststände stehen blieben. [o]Hier hat sich überhaupt nichts verändert...

„Macht Platz für den Pharao!“

Amitiel erschrak, als sie dies hörte und drehte sich ruckartig um. Tatsächlich sah sie in der Ferne Reiter, wie sie sich näherten. An der Spitze ritt Atemu…

Die Mitte wurde frei gemacht.

„Ich bin hier fertig. Gehen wir?“

Amitiel sah noch aus dem Blickwinkel, wie Lilian unaufmerksam die Mitte überquerte. Die Reiter waren nicht sehr weit entfernt. Sie waren sogar gefährlich nahe.

„Halt! Warte!“

Amitiel rannte zu Lilian und im letzten Moment, konnte sie sie von den Reitern wegziehen. Atemu brachte kurz danach sein Pferd zum stehen und blickte zurück. Amitiels Herz pochte, als sie ihn sah. Ihr Gesicht hielt sie immer noch verdeckt.

„Ihr solltet das nächste Mal vorsichtiger sein! Das war ziemlich knapp.“

Lilian nickte bloß und verbeugte sich. Atemus Blick wandte zu Amitiels. Sie konnte es nicht glauben, dass er wirklich vor ihr stand. Lilian schaute auf sie rauf und zog sie an ihrem Ärmel herunter, sodass auch sie sich ihm verneigte.

„Es wird nicht wieder vorkommen, mein Pharao…“, meinte Lilian. Amitiel blickte wieder auf. Atemu blickte sie noch immer an, dachte nach, ob er das Mädchen irgendwoher kannte. Erkennt Ihr mich nicht?

Zu ihrer Enttäuschung ritt der Pharao davon. In Richtung seines Palastes. Wie festgefroren starrte sie ihm hinterher… Er hat mich nicht erkannt…

Die Suche...

Er konnte es kaum erwarten in seinen Palast einzutreten und sich zu erleichtern. Wie er doch sein Heim vermisst hatte. Seine Leibwachen, Mana, Amitiel…

Einen ganzen Monat war er verreist gewesen. Einen verdammten ganzen Monat…
 

Der Hin– und Rückweg von Ägypten nach Syrien verbrauchten schon eine ganze Woche. So gesehen verbrachte er gute zwei Wochen in diesem Land. Das Königreich, das ihm gezeigt wurde, war eindeutig größer als sein Städtchen, der Palast war mindestens drei Mal so hoch. Jedoch verabscheute er dessen Volk. Es war aufgeteilt in ein Armenviertel und Bürgerviertel. Die im Bürgerviertel – das war klar – lebten im Wohlstand und Reichtum. Zwischen diesen beiden Stadtteilen gab es eine Mauer, damit man beide Klassen voneinander fernhielt. Die Menschen im Armenviertel waren krank und hatten fast nichts zu essen. „Ein Königreich profitiert nicht von armen Nichtsnutzigen!“, hatte der König einmal gesagt. Atemu konnte sich das in seinem Land nicht vorstellen. Sein Vater hatte großen Wert auf die Gesundheit und auf die Nahrung für das Volk gesetzt. Für ihn stand allgemein das Volk an erster Stelle, denn was wäre ein Land ohne seine Eidgenossen?

Der Palast hatte ihn am meisten abgeschreckt. Nicht von der Einrichtung, welche sehr für einen König und seinem Sohn passte. Es war der Harem, der etwa ein Drittel des Palastes einnahm. „Das sind unsere Schätze, wenn Ihr versteht, was ich meine.“ Natürlich hatte er es verstanden. „Ihr seht, Amitiel wäre bei uns in guten Händen. Sie wird sich mit den anderen Frauen prima verstehen, sofern diese nicht eifersüchtig werden.“ Der König hatte nach diesem Satz gelacht. Atemu fand es ganz und gar nicht witzig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Amitiel eines seiner Palastsklavinnen werden sollte!
 

Atemu stieg von seinem Pferd ab und lief die ersten Schritte zum Eingang des Thronsaals. Als er diese öffnete, erwarteten ihn schon seine Leibwachen. Endlich daheim…

„Willkommen zurück, mein Pharao.“

„Es fühlt sich so schön an, wieder daheim zu sein.“, meinte er nur.

Er sehnte sich jedoch an etwas anderes, als jetzt sich auszuruhen und seinem Alltag nachzugehen.

„Amitiel?“, rief er.

Er blickte sich umher, sah sie jedoch nicht.

„Amitiel?“, rief er sie erneut.

Wieder keine Antwort. Langsam zweifelte er und wollte zu seinem Zimmer laufen, als ihn auf den Gängen Kisara begegnete.

„Kisara? Was ist los mit dir?“

Kisaras Augen tränten.

„Amitiel ist…sie ist…“

„Was ist mit ihr?“

„Sie ist fort!“

Atemu wollte seinen Ohren nicht trauen.

„Was meinst du mit fort?“

„Sie ist davongelaufen! Ohne einen Grund. Ich wollte sie noch aufhalten, aber es war zu spät…“

„Nein…“

„Es tut mir leid…“

„Nein nicht doch!“

Atemu hielt sich die Hände an den Kopf. Dieser ganzer Aufruhr und nun das? Er wollte es nicht wahr haben und lief an Kisara vorbei, direkt in Amitiels Zimmer. Unwissend, dass Kisara sarkastisch grinste…
 

„Amitiel!“, rief er, als er ihre Zimmertür aufschlug, doch zu seiner Enttäuschung fand er das Zimmer leer auf. Langsam ging er ins Zimmer hinein und blickte sich um, als er Mana auf dem Balkon entdeckte.

„Mana?“

Langsam drehte sie sich ihm um. Ihr Gesicht war nass, sie musste wohl geweint haben. Bei seinem Anblick traten ihr erneut die Tränen ins Gesicht. Sie brach zusammen und hockte auf dem Boden. Atemu reagierte schnell und hielt sie fest.

„Mana, was ist hier los?“

„Ich…ich kann es nicht!“

„Was kannst du nicht?“

Flüsternd sprach sie weiter.

„Ich kann es nicht sagen…“

„Was denn? Was ist geschehen?“

„Sie ist nicht freiwillig geflohen!“

„Nicht?“

Mana schüttelte ihren Kopf.

„Sie wurde verbannt, mein Pharao! Verbannt!“

Sein Körper erstarrte, als er dies von ihr hörte. Verbannt…

Mana lag in seinen Armen, konnte nicht aufhören zu weinen. Er konnte es nicht begreifen. Kisara meinte, Amitiel sei geflohen, Mana jedoch sagt, sie sei verbannt worden…Was stimmte nun?

„Wer hat ihr das zugetan?“

„Euer Cousin Seto…Er und Kisara verjagten sie aus dem Palast…“

„Seto? Aber das würde er doch niemals tun…Was hat sie denn verbrochen…“

Er fand keine Antwort und Mana konnte in ihrer Situation auch keine geben. Das einzige, was er in diesem Moment tun konnte war sie zu trösten und nach einer Idee zu suchen…
 

„Er wird sie suchen, Seto! Sie wird wieder hier im Palast leben!“

„Nicht, wenn er sie nicht findet, Kisara!“

„Du weißt doch auch nicht, wo sie sich befindet!“

„Denkst du, ja?“

„Was meinst du damit?“

Seto grinste.

„Vor einem Monat gab es in einem Lager, nicht sehr weit von hier entfernt einen Überfall. Wenige Tage später kam ein junger Mann zu mir. Er gestand, dass er an dem Überfall mitbeteiligt war, berichtete mir jedoch sehr wichtige Informationen, was Amitiel betrifft.“

„Zum Beispiel?“

„Nun…Er hat sie dort gesehen. Diese Amitiel. In ihrer Phönix-Gestalt konnte sie die Räuber verjagen. Ach und noch etwas…“

Kisara wurde neugierig.

„Was?“

„Der junge Mann stellte sich als Azul vor. Eigentlich war er Artist und nur auf Durchzug in unserem Land, aber er erzählte mir, dass er schon einmal Amitiel begegnet war. Sie hätte ihn fast todgeschlagen, so sagte er.“

„Du weißt also, wo sie derzeit ist?“

Er nickte.

„Dann tu doch etwas!“

„Was kann ich denn schon anrichten, Kisara! Atemu ist wieder in dem Land, das bedeutet, dass er die ganzen Rechte hat!“

Kisara schwieg, als sie dies hörte.

„Und warum hast du nichts unternommen, als du noch regiert hattest?“

„Ich war anderweitig beschäftigt.“

Anderweitig? Für mich scheint es so, dass du das Mädchen ein wenig in Schutz nimmst!“

„Hör auf so etwas zu sagen, Kisara!“

„Warum gibst du es nicht zu, dass du sie viel interessanter findest!“

„Hör sofort auf damit!“

„Sag es doch!“

„Hör auf!“

Alles verlief ganz plötzlich. Seto hatte seine Hand ausgeholt und Kisara auf die Wange geschlagen. Durch die Wucht, fiel sie auf den Boden. Kisara spürte nur, wie ihre Wange brannte und hielt sich schützend ihre Hand daran. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie in die seine.

„Was…“

Seto kniete sich zu ihr herab. Sofort versuchte Kisara sich ihm zu entfernen, denn sie fürchtete sich, dass er ihr noch mehr zu leide kommen würde, doch er hielt sie davon ab.

„Wieso denkst du so etwas von mir, hm?“, fragte er mit einer sanften Stimme.

Kisara verstand nicht. Vorher hatte er sie angeschrien und jetzt war er wieder der sanfte?

„Glaubst du wirklich, dass sie dich ersetzen würde? Du gehörst mir, Kisara. Du bist mein Drache…“

Er half ihr beim Aufstehen. Noch ganz verwirrt umarmte sie ihn und brach in Tränen aus.

„Verzeih mir bitte…“

Er streichelte ihr über die langen weißen Haare.

„Schon gut…Beruhige dich…“

Ihr Weinen schallte im ganzen Palast…
 

„Isis, bitte sagt mir, wo sie sich aufhält.“

„Verzeiht mir, mein Pharao, aber aus irgendeinem Grund kann ich sie nicht sehen. Es scheint mir so, dass sie mit Absicht nicht gefunden werden möchte.“

„Was soll das heißen? Versuch es bitte noch einmal.“

Nervös lief er auf und ab. Dachte nach, wo sie stecken könnte. Ob er ihr vielleicht über den Weg gelaufen wäre? Plötzlich blieb er stehen. Das Mädchen auf dem Markt!

Er erinnerte sich an den kleinen Vorfall auf dem Marktplatz. Das Mädchen mit den roten Gewändern und dem Gesichtstuch. Ihre Augen…Sie waren lila! Amitiel!

„Holt mir mein Pferd!“, befahl er und machte sich sogleich auf den Weg.
 

Atemu ritt im schnellen Galopp durch die Stadt. Blickte umher, auf die Hoffnung Amitiel doch noch irgendwo zu finden. Doch nach langem Suchen gab er die Suche in der Stadt auf.

„Habt ihr schon gehört?“hörte er plötzlich.

„In einem Lager, nicht sehr weit von hier, hat eine Frau ganz alleine einen Überfall bewältigt.“

Was?

„Nie im Leben! Was hast du dir da bloß ausgedacht.“

„Nein, es ist wirklich so!“

„Komm lass es gut sein.“

Die Personen entfernten sich. In einem Lager? Nicht weit von hier entfernt?

„Mein Pharao!“, rief ihn jemand.

„Mahado?“

„Ihr solltet nicht alleine gehen. Lasst mich Euch begleiten.“

Atemu nickte bloß als Bestätigung. Beide ritten aus der Stadt hinaus, mit der Hoffnung Amitiel doch noch zu finden…

Komm' zu mir zurück...

Amitiel ging die Wege im Lager auf und ab und war am überlegen…

„Das Mädchen ist seit etwa einer halben Stunde am nachdenken. Sollten wir ihr nicht etwas zu trinken geben, Lilian?“, fragte ihr Vater sie.

Lilian schwieg und beobachtete weiter Amitiel. Sie konnte verstehen, wie sie sich in diese Moment fühlte. Ihr wäre es ebenso vergangen…

Lilian griff nach dem Wasserbecher und ging in Amitiels Richtung. Amitiel war nicht einmal im Klaren, dass Lilian genau neben ihr stehenblieb. Sie erschrak, als man ihren Arm berührte.

„Hier trink‘ etwas…Solange es noch kalt ist.“

„Danke.“

Amitiel trank aus dem Becher. Sie spürte, wie das kalte Wasser ihre Kehle herunterlief. Es kribbelte und kitzelte, war jedoch angenehm.

„Es ist nicht gut, so lange in der Sonne zu stehen. Setze dich für einen Moment ins Zelt rein. Gerade am Nachmittag…“

„Du hast recht…Ich werde mich ein wenig ausruhen. Der Tag war schon anstrengend genug…“

Amitiel wandte sich ihr ab und betrat das Zelt. Lilians Kinder spielten im Zelt. Sie stoppten, als sie Amitiel sahen und rissen ihre Äugelein weit auf.

„Amitiel!“, riefen die Kleinen.

„Hey!“

Die Kinder sprangen auf und umarmten Amitiel.

„Erzählst du uns eine Geschichte?“

„Spielst du mit uns?“

Sie nörgelten, waren ungeduldig. Amitiel seufzte. Eigentlich wollte sie sich ja ausruhen, aber wie konnte man diese Kleinen bloß abschlagen?

„Nicht alle auf einmal…Ich denke…ich werde euch eine Geschichte erzählen.“

„Au ja!“

Sofort setzten sich die drei brav auf die Decken und warteten gespannt ab. Amitiel setzte sich zu ihnen und begann zu erzählen…
 

Vor langer Zeit, lebte ein junger Mann, der seine Arbeit auf dem Land verrichtete. Tag ein Tag aus musste er die Tiere füttern und auf dem Acker sähen. Die Leute, für die er arbeitete, waren glücklich über seine Arbeit und bezahlten ihn gut. Doch eines Tages, als er wie immer zuerst die Tiere füttern wollte, entdeckte er am Horizont eine Silhouette. Es kam immer näher und näher, bis er merkte, dass es eine junge Frau war…

Die Frau war schwach und konnte kaum noch laufen. Der junge Mann rannte zu ihr und half ihr. Er rief zu Hilfe und hoffte, dass die Leute aus dem Haus ihnen helfen würden. Tatsächlich kamen sie heraus und blickten erschrocken. Sie brachten das Mädchen hinein, legten sie auf das Bett und warteten ab. Ihre Stirn war heißt, weswegen sie immer einen kalten Lappen drüberlegten. Der junge Mann versuchte sie anzusprechen, doch leider vergeblich. Zu gerne wäre er noch bei ihr geblieben, doch seine Arbeit ging nicht von alleine…

Den ganzen Tag hatte er nur an die junge Frau gedacht. Wo kam sie her? Wer war sie? Warum war sie ganz alleine? Wie würde man ihr helfen…

Als es Abend wurde, wollte sich der Mann verabschieden, als er merkte, dass das Bett, indem das Mädchen lag, leer war…

Er blickte sich um, entdeckte sie jedoch nirgends. Doch plötzlich hörte er ein Geräusch, welches von draußen kam. Verwunderlich, denn er kam doch von draußen. Er blickte hinaus in den dämmernden Abend und plötzlich – er konnte sich das nicht erklären – stand sie vor ihm. Er machte einige Schritte beiseite, sein Herz pochte vor Schrecken. Noch in ganzer Aufruhr fragte er sie, wer sie war, doch bekam keine Antwort. Jedoch offenbarte sie ihm etwas…
 

„Was offenbarte sie ihm? Sag schon Amitiel!“

Amitiel lächelte.

„Beruhigt euch. Ich bin ja noch gar nicht fertig…“

Die Kinder hörten weiter gespannt zu…
 

Die junge Frau war kein normaler Mensch, für die er gehalten hatte. In ihr lebte eine mystische alte Kraft. Sie konnte über das Feuer bestimmen und – wenn sie es gewollt hätte – das Leben nehmen…

Der junge Mann war erstaunt, was er von ihr zu sehen bekam. Andererseits empfand er eine Nähe zu ihr, eine wohlige Wärme…
 

„Verliebten sie sich ineinander?“, fragte das wild Malika.

Die beiden Jungs ekelten sich. Amitiel konnte in dieser Situation nur lachen.

„Haben sie sich denn nun?“

„Ja, meine liebe Malika…Das haben sie sich…“

„Erzähl bitte weiter!“

„Nun, das einzige was noch kommt ist, dass sie glücklich bis an ihr Lebensende lebten und eine ganz reißende, liebe Tochter hatten. Und wisst ihr, wer dieses Mädchen war?“, fragte sie die Kinder.

„Nein! Wer?“

„Das Mädchen bin…“

„Amitiel!“, wurde sie plötzlich unterbrochen.

Als Amitiel sich umdrehte entdeckte sie Lilian.

„Was gibt es?“

„Wir bekommen Besuch!“

„Wer?“

„Der Pharao…“

Amitiel sprang sofort auf, als sie dies hörte.

„Jetzt wagt er es zu kommen? Nach über einem Monat?!“

Wütend verließ sie das Zelt. Draußen vor dem Lager stand schon Lilians Vater und blickte in die Ferne. Ganz schwach erkannte man die Umrisse zweier Reiter.

„In wenigen Minuten werden sie uns erreichen.“, meinte er.

Amitiel schwieg. Ihr Blick zentrierte sich auf den Horizont, als sie sich langsam umblickte.

„An was denkst du gerade?“, fragte Lilian sie.

„Ich werde ihn testen!“

Dann wandte sie sich ab und blieb im Versteckten…
 

„Was ist das für ein Lager, Mahado?“

„Nun…Man sagte sich, dass dort die Verbannten und Vergessenen leben. Die Menschen, die dort leben habe jedoch ihr eigenes kleines Volk gegründet…“

Verbannten und Vergessenen, sagst du?“

Mahado nickte.

„Dann wird dort sicherlich Amitiel sein…Hoffentlich…“

Sie erreichten das Lager. In einem langsamen Tempo ritten sie voran. Keiner war zu sehen, man hörte nur den Wind wehen.

„Verlassen?“, fragte Atemu.

Doch er verspürte ein komisches Gefühl. So, als würde man ihn beobachten…

Wie aus dem Nichts kreuzte eine Person ihren Weg. Sofort hielten Atemu und Mahado an.

„Was wollt ihr hier?“, fragte die Person.

„Wir suchen eine Frau…“

„Das haben viele gesagt, als sie hier ankamen!“, unterbrach er ihn.

„Ich jedoch suche eine ganz bestimmte!“

Atemu gefiel es überhaupt nicht, wenn man ihn mitten im Satz unterbrach.

„Wir sind die Verbannten und Vergessenen… Es wird schwer werden, hier jemanden zu finden…“

Atemu blickte sich um und bemerkte die Gesichter und Blicke der Einwohner. Lilian hielt ihre Kinder an den Händen und blickte zu ihrem Vater, der sich gewagt dem König stellte. Atemu stieg von seinem Pferd ab.

„Ihr steigt von Euerem hohen Ross? Ihr wisst, was das bedeutet.“

„Dem bin ich mir bewusst. Ich möchte nichts anderes, als das Mädchen finden…Bitte…“

Er bemerkte, wie immer mehr der Einwohner ihre Zelte verließen und sich ihm näherten.

„Schaut Euch gerne hier um. Vielleicht findet ihr Eure Herzensdame.“

Atemu schaute sich um, ging einige Schritte ins Lager hinein und wechselte andauernd seinen Blick von beiden Seiten. Doch dann blieb er plötzlich stehen. Er blickte in die Menschenmenge, war sich sicher und näherte sich einer verhüllten Person.

„Amitiel…“

Die Person senkte ihren Kopf und schwieg.

„Amitiel, ich weiß, dass du es bist…“

Die Person wollte ihm einfach nicht antworten. Atemu hielt die Kapuze ihres Mantels und richtete ihn nach hinten, sodass ihr Gesicht zur Geltung kam. Es versteckte sich wirklich Amitiel darunter.

„Hatte ich also doch recht…“

Doch plötzlich entriss sie sich seinen Armen und blickte ihn wütend an.

„Wenn ich mich recht erinnere, dann habt Ihr mich beim ersten Mal nicht erkannt!“

„Ich weiß und es tut mir auch unendlich leid, Amitiel…“

„Es tut Euch leid!? Meint Ihr, mit einer einfachen Entschuldigung wäre das getan?!“

Atemu lächelte, riss Amitiel näher an sich und legte seine Lippen auf ihre. Er erreichte damit, dass Amitiel für einen Augenblick still sein konnte und in sich hineindenken würde. Amitiel war wirklich hin– und hergerissen. Als er sich von ihr löste, waren ihre Augen groß.

„Ich habe dich vermisst… Komm‘ zu mir zurück…“

Immer noch ganz sprachlos, versuchte sie einen Satz herauszubringen.

„Ihr habt mich warten lassen…“, sagte sie schüchtern.

Wenn kann genau hinsah, sah man auch, wie ihre Wangen sich leicht röteten. Doch Amitiel erinnerte sich, weshalb der Pharao das Land verlassen hatte.

„Werdet Ihr mich wegschicken?“

„Verzeihung?“

Atemu wusste nicht, was er eben falsch gemacht hätte, damit sie ihm so etwas fragen würde.

„Werde ich nach Syrien verschickt?“

„Du bist auch nicht die hellste, oder?“

Sie wurde ernster und verzog ihr Gesicht.

„Wollt Ihr damit sagen, ich sei dumm?“

Atemu lachte.

„So will ich es nicht ausdrücken.“

Amitiel blieb ernst. Atemu beruhigte sich wieder.

„Du meinst es ernst, oder?“, fragte er sie.

Sie nickte. Er versuchte einen Satz zu finden.

„Der König hatte nichts anderes vor, dich als seine Konkubine zu benutzen!“

Amitiel zuckte zusammen, als sie dies hörte.

Konkubine?“

„Ja…Ich wollte dies nicht zulassen! Ich hätte es nicht ertragen können, wenn ich daran denken würde, wie dieser verachtungslose Mann und sein Sohn dich anfassen würden!“

Amitiel konnte es nicht fassen, was sie zu hören bekam.

„Und ich wollte nicht, dass jemand anderes dich zur Frau nimmt!“

Was!?“

Atemu kniete sich vor ihr nieder und hielt ihre Hand.

„Amitiel…“

Ihr Herz pochte.

„Willst…Willst du meine Königin werden?“

Sie erstarrte, zog ihren Blick nicht von ihm weg. Wie antwortete man darauf? Sie hatte noch nie einen Antrag bekommen. Aber im Endeffekt war es doch das, was sie sich die ganze Zeit über gewünscht hatte…

„J–Ja.“

Die Einwohner jubelten, klatschten, pfiffen. Lilian bekam Freudentränen. Ihre Kinder verließen das Zelt und rannten zu Amitiel.

„Ami? Wirst du uns verlassen?“, fragte Aziz.

Amitiel lächelte und umarmte die drei ganz fest.

„Leider ja, aber ich werde euch niemals vergessen.“

„Wir dich auch nicht, Ami.“

„Du hast uns die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt!“

„Ach ja, die Geschichte…Wisst ihr was? Denkt euch euer eigenes Ende aus.“

Mit Tränen drückte sie die Kleinen noch einmal, bevor sie sich der ebenso weinenden Lilian wandte. Es war für beide schwer. Amitiel hatte sich mit allen so gut verstanden und nun musste sie gehen…

„Ich werde euch immer in Schutz halten…Das habe ich versprochen…“, sagte sie.

Lilian lächelte.

„Bitte vergess‘ uns hier nicht.“

„Wie könnte ich.“

Sie umarmten sich.

„Passt gut auf Euch auf…meine Königin…“

Sie lösten sich voneinander. Amitiel nickte. Dann ging sie zu Lilians Vater und verneigte sich.

„Was machst du denn da, mein Kind. Komm steh‘ auf.“

Er richtete Amitiel wieder auf und blickte sie an.

„Ihr habt mich in der Wüste gerettet… Ich danke Euch…“

„Das, was du für uns getan hast war mehr wert, als das, was ich für dich getan habe. Mögen die Götter dich beschützen, Amitiel…“

Sie ging zurück zu Atemu, der ihr beim Aufsteigen auf sein Pferd half. Einen letzten Blick wagte sie zum Lager zurück. Nasse Gesichter, trauernde Augen, winkende Arme…

Ich werde euch in Erinnerung behalten…

Grenzenlos...

„Wie kam es eigentlich dazu, dass ich dich nicht im Palast antraf?“, fragte Atemu sie.

„Was hat man Euch denn erzählt?“, fragte sie zurück.

„Nun… Ich hörte eine Variante, dass du fortgelaufen seist und dann, dass du verbannt worden bist…“

„Und was haltet Ihr für wahr?“

„Also beim besten Willen könnte ich mir nicht vorstellen, dass du fortgelaufen bist!“

„ Beantwortet mir eine Frage: Hat Kisara Euch gesagt, dass ich fortgelaufen bin?“

„Ja, warum?“

Amitiel stutzte. War ja klar, dass sie so etwas von sich gibt!

„Amitiel?“

„Ja?“

„Warum hast du das gefragt?“

„Ach nur so…“

Doch Atemu ließ nicht locker und wollte mehr wissen.

„Wer hat dich denn nun verbannt? Mana kann es ja wohl schlecht gewesen sein.“

Doch Amitiel schwieg. Anstelle seiner zu antworten, sprang sie von seinem Pferd. Sofort hielt Atemu an.

„Was hast du vor?“, fragte er.

„Wie weit ist es noch bis zum Palast?“

Atemu war überrascht über ihre Frage gewesen.

„Schlecht einzuschätzen, aber immer den Weg gerade aus. Warum?“

„Was haltet ihr von einem Wettrennen?“

Atemu lachte.

„Willst du zu Fuß rennen?“

„Wer sagt denn, dass ich laufe?“

Atemu bemerkte ein grinsen auf ihren Lippen. Amitiel schloss für einen Moment ihre Augen. Das nächste, was sie sah, war der erstaunte Blick von Atemu. Sie hatte sich in ihre Phönix-Kreatur transformiert. Elegant und herrschend, so sah sie aus. Ein heiliges und atemberaubendes Wesen.

„Kannst du mein Tempo einhalten?“, fragte er sie ironisch.

Als Antwort kreischte sie und stieg in die Höhe. Versuch‘ es doch!

„Du bist einfach fantastisch, Amitiel.“, und ritt im schnellen Galopp los.

Es wollte ungern gegen sie verlieren. Mahado seufzte. Ihm war nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu reiten…
 

Amitiel überflog die Stadtgrenze, dicht gefolgt von Atemu. Nur noch wenig Meter blieben ihr bis zum Palast. Sie konnte es schon fühlen. Der Marmorboden, die Gärten, die Vögel, Mana…
 

Kisara lief in diesem Moment auf ihren Balkon und blickte auf den Horizont. In ihrer Hand hatte sie einen Apfel, den sie essen wollte, als sie in der Ferne den gigantischen Vogel sah. Ihr war klar, wer das war und zerquetschte den Apfel in ihrer Hand. Der süße Saft lief ihre Hand entlang und tropfte auf den Boden.

„Seto!“
 

Die Pforten erreichte Amitiel als erste. Schnell formte sie sich in ihren menschlichen Körper zurück und lehnte sich gegen diese an. In ihrem Gesicht ein siegreiches lächeln. Atemu stutze, als er dies sah.

„Mein Pferd ist übermüdet.“

„Sicher.“, sagte sie ironisch.

Sie brachte ihn zum lächeln und das gefiel ihr. Ja, das alles hatte sie vermisst. Atemu befahl den Wachen die Pforten zu öffnen und mit betrat den Palast gemeinsam mit Amitiel. Für sie schon vorhergesehen, gesellten sich Seto und Kisara zu deren Begrüßung. Die Blicke der beiden Frauen hätten töten können, so gefährlich fauchten sie sich an. Atemu verstand, zog sie von dem Ort weg und brachte sie in ihr Gemach. Nichts hatte sich verändert, alles war an seinem rechtmäßigen Platz.

„Mana sperrte dieses Zimmer ab und versteckte den Schlüssel. Keiner sollte das Zimmer betreten, so sagte sie es…“

„Ach Mana…“

Wie aus heiterem Himmel lief Mana den Gang entlang und bemerkte die offene Zimmertür. Vorsichtig blickte sie hinein. Die Türen knatschten und dies führte dazu, dass die beiden sich umdrehten und Mana mitten in die Augen sahen. Mana blieb wie angewurzelt an der Stelle stehen, als sie Amitiel erblickte.

„Oh ihr Götter Ägyptens…“

„Mana…“

Sie näherte sich Amitiel. Immer näher und näher, bis sie direkt vor ihr stehen blieb.

„Bist du das wirklich?“

„Ich bin es, Mana.“

Hysterisch kreischend umarmte sie ihre Freundin. Amitiel war überrumpelt, erwiderte jedoch ihre Umarmung.

„All die Wochen hast du mir Sorge bereitet! All die Zeit wartete ich sehnsüchtig am Balkon und hoffte, dass du wiederzurückkehren würdest!“

„Nun bin ich wieder zurück, Mana.“

Mana bekam Freudentränen und drückte ihre Freundin noch fester.

„Und ich komme mit einer weiteren Nachricht…“

Sie löste sich von ihr und blickte in dessen Augen.

„Die da wäre?“, fragte Mana.

„Ich werde heiraten!“

Mana lachte ironisch. Sie hielt es für einen Scherz, den man nicht wahrhaben konnte.

„Welcher Narr hat denn schon wieder dein Herz gestohlen?“

Atemu räusperte sich.

„Das habe ich jetzt aber überhört.“

Mana riss ihre Augen weit auf, als ihr bewusst wurde, was vor sich ging. Ihr Blick wechselte zwischen Amitiel und dem Pharao.

„Oh~ Dann muss ich dich wohl demnächst mit Königin ansprechen.“

„Ich verlange keine Förmlichkeiten.“

„Wann findet die Hochzeit denn statt?“

Amitiel wandte ihren Blick Atemu zu. Dieser stützte sich von der Wand ab und näherte sich Amitiel. Er umarmte sie von hinten und blickte über die Schulter zu Mana.

„Wie wäre es…mit Morgen?“

Was?!“, kreischten die zwei Frauen gleichzeitig.

„Schon morgen?“, fragte Amitiel.

„Willst du etwa noch warten?“

„Nein, aber…“

„Aber?“

„Es geht ziemlich schnell…“

Atemu lächelte, drehte Amitiel zu sich und blickte tief in ihre funkelnden Augen.

„Ich kann nicht länger auf diesen Tag warten…Ich musste schon so lange dir widerstehen…“

Er näherte sich ihren Lippen, bis er ihre spüren konnte. Mana blickte unauffällig umher und versuchte auf andere Gedanken zu kommen…
 

„Er hat sie gefunden!“

„Es war nur eine Frage der Zeit, Kisara, bis er sie finden würde.“

„Die Schlampe wird uns verraten! Wir werden nicht länger hier leben!“

„Nein, dazu wird es nicht kommen… So streng wird Atemu nicht handeln.“

„Mana konnte auch nichts verschweigen!“

„Das war ja auch klar, so wie du ihr gedroht hast! Meinst du wirklich, gegenüber dem König würde sie schweigen?“

Kisara lief im Zimmer auf und ab. Ihr viel keine weitere Antwort ein. Seto wünschte sich nichts sehnlicheres, dass sie für einen Moment still sein würde. Seine Dokumente würden nicht von allein fertig werden. In diesem Moment schlugen die Türen auf. Einige der Wachen und der Pharao selber betraten dieses Zimmer.

„Was kann ich tun?“, fragte Seto.

Atemus Blick wechselte zwischen Seto und Kisara, die ebenso erstaunt blickte.

„Es tut mir leid das ich das tun muss, Seto, aber…ich werde dich als Hohepriester nicht mehr gebrauchen!“

Seto erschrak, als er dies hörte.

„Was wollt Ihr…?“

„Du wirst von nun an nur als Priester zuständig sein! Zimmer und Gänge werden für dich und Kisara unzugänglich sein – und das ist mein völliger ernst!“

Seto traf es wie ein Blitz. Jahrelang über arbeitete er als Hohepriester für den Pharao und nun…ist er abgestuft worden.

„Ach und noch etwas…“

Atemu näherte sich seinem Cousin und blieb direkt vor ihm stehen.

„…und das gilt auch ganz besonders an dich, Kisara…“

Sie ahnte das Schlimmste.

„Lasst die Finger von meiner Frau!“

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ließ sich an diesem Tag nicht mehr gegenüber den beiden Blicken. Seto stand regungslos da. In Kisara wuchs die Wut. Mit voller Wucht stieß sie die Obstschale zu ihrer rechten um und ging stampfend davon…
 

Amitiel lächelte. Sie stand an ihrem Balkon mit Mana und beobachtete die Abenddämmerung. Sie ist wieder da… Sie gibt niemals auf… Sie ist grenzenlos...

An einem sonnigem Tag...

Amitiel konnte es nicht glauben…

Heute, an diesem schönen, sonnigen Tag, würde sie als Königin über Ägypten herrschen.

Aber was tat man denn alles als Königin?

Musste sie Dokumente sortieren? Die Sorgen des Volkes anhören? Atemu auf Reisen begleiten? Schöne Kleider tragen?

Kleider in so vielen Farben…

Lange, kurze, bunte…

Amitiel träumte. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie überhaupt nicht merkte, wie jemand sich in ihr Zimmer schlich.

Buh!“

Amitiel sprang auf, hielt sich ihre Hand an die Brust und blickte mit großen Augen auf die lachende Mana. Sie rang hastig nach Luft, ihr Herz hörte nicht auf zu pochen.

„Mana! Erschreck‘ mich doch nicht so!“

Mana lächelte und neigte ihren Kopf zur Seite, als sie ihr antwortete.

„Nun, einmal musste dies gewesen sein. Dafür, dass wir nicht einmal einen Junggesellinnenabend verbringen konnten.“

Amitiel wurde es unangenehm. Sie konnte nicht beschreiben, was genau sie fürchtete, oder wovor, aber es war komisch, dass sie nun heiratet…Und das schon heute…

„Was hast du?“, fragte Mana.

„Ach nichts…Weißt du, es ist nur…naja…was passiert danach?“

Mana verstand nicht recht.

„Was meinst du mit danach?“

Amitiel schluckte.

„Naja…was ist meine Pflicht?“

Mana überlegte.

„Nun, das ist schlecht zu sagen, da ich ja nie viel mit dem Palast zu tun hatte… Aber ich vermute, dass dir der Pharao schon alles genau sagen wird.“

„Hmm…das hoffe ich auch…“

Amitiel schwirrte ein anderer Gedanke, den sie vor Mana nicht aussprach…

Der Pharao würde nicht für immer regieren…

Sie müsse einen Nachfahren gebären…

Der Gedanke daran fürchtete ihr und führte sogar dazu, dass sie kurz nachdachte, die Hochzeit doch abzulehnen. Doch diesen Gedanken verschlug sie gleich wieder, als ihr klar wurde, dass sie nicht deswegen ihn heiratete…

„Willst du dich nicht fertig machen?“

„Wie denn? Was zieht man denn an?“

Wie aufs Sprichwort betrat Isis das Zimmer. Mit einem Lächeln gesellte sie dich den zwei Frauen. In ihren Händen trug sie ein Gewand.

„Der ist für dich, Amitiel.“

Sie reichte ihr das Gewand hin. Dankend nahm Amitiel es entgegen und betrachtete das Kleidungsstück.

„Das soll ich tragen?“

Isis nickte. Amitiel war sprachlos. Sie konnte einfach darauf nicht antworten. Es ging nicht. In ihr breitete sich ein wolliges Gefühl aus. Das, was sie in ihren Händen trug, war kein Kleid, welche man sonst bei Festen oder Veranstaltungen trug. Dieses Kleid war nur den Göttern vorenthalten! Diese Feinarbeit, Verzierungen, Details, Farben, Schmuck. Amitiel schätzte die Arbeit des Kleides auf etwa ein Jahr.

„Ich werde dir beim Einkleiden helfen.“

Amitiel entkleidete sich. Isis half ihr beim Überziehen und strich die Falten glatt. Das Gewand lag eng an Amitiels Körper und betonte Brust und Taille hervorragend. So, als wäre es für sie angefertigt.

„Das ist wirklich wunderschön, Isis…Woher habt Ihr das?“, fragte Amitiel sie.

Diese lächelte, als hätte sie die Frage im Voraus geahnt.

„Es ist ein sehr heiliges Gewand. Vor Jahren trug es die Mutter, von unserem König, bei ihrer Hochzeit. Dieses Gewand wird traditionell weitergegeben und vererbt…“

Amitiel hielt einen Moment inne. Auch Mana hörte diese Geschichte zum ersten Mal. Beide waren ungewöhnlich still.

„Wir müssen dich fertig machen. Die Zeit drängt.“

„Ja…“

Amitiel setzte sich auf einen der Stühle nahe ihres Bettes. Isis stellte sich hinter ihr und frisierte ihre Haare. Sie sollten hochgesteckt werden, genau, wie es in dem Buch der Königinnen stand. Die Krone, welches ebenso einst die Königin trug, sollte darauf gesteckt werden.

„Isis?“

„Mhm?“

„Wer war die frühere Königin? Also Atemus Mutter? Er hat sie nie erwähnt…“

Isis atmete tief ein, bevor sie eine Antwort geben konnte.

„Nun ja…Ich selbst habe sie nie kennengelernt. Der alte Shimon müsste sie gekannt haben. Was ich hörte war, dass sie kurz nach der Geburt Atemus starb. Ich kann es leider nicht bestätigen, wie gesagt frag‘ Shimon, meine Liebe.“

Sie setzte die Krone auf, welches genau auf den Kopf passte. Sie war nicht leicht, jedoch auch nicht besonders schwer.

„Wie alt ist Shimon eigentlich?“, fragte Amitiel.

Isis seufzte.

„Er hat die Angewohnheit, dass er keinem sein wahres Alter verrät. Als ich jünger war, meinte er einmal zu mir, dass er über 100 Jahre alt wäre. Natürlich ist er es nicht. Demnach weiß ich das leider auch nicht, tut mir leid.“

„Stimmt es, dass du in die Zukunft blicken kannst?“

„In gewisser Weise ja, warum?“

Amitiel zögerte. Wollte sie wirklich in ihre Zukunft blicken?

„Sagen wir es mal so, richtig blicken kann ich sie nicht. Ich deute nur die Visionen an, welche je nach dem variieren.“

„Na dann…“

Mana blickte sie verwundert an.

„Was ist mit dir?“

„Ach nichts, schon in Ordnung.“

Zum ersten Mal, seit sie sich auf dem Stuhl hingesessen hatte, blickte Amitiel in den Spiegel. Sie riss ihre Augen weit auf, der Mund öffnete sich und sie legte eine Hand an ihrer Brust. Bin ich das?

„Amitiel, du siehst wunderschön aus. Wie eine richtige Königin.“

„Das wird sie in wenigen Stunden auch werden, Mana.“

Es fehlten nur noch die großen Ohrringe, die Ketten und der dünne Seidenschleier, welches zum Gewand passte.

„Bist du aufgeregt? Ich merke, wie du zitterst, meine Liebe.“

„Ein wenig schon.“

„Das ist normal. Aber vor der Hochzeit müsstest du eigentlich nicht aufgeregt sein. Viel mehr solltest du dich vor heute Abend fürchten…“

„Das ist nicht witzig, Mana!“

„Hihi, wobei ich mir denken kann, dass es zugleich amüsant werden könnte…“

„Hör‘ auf!“

„Hm, aber ich denke, er wird ganz zart sein…“

„Na warte!!“

Amitiel sprang auf. Mana flüchtete sofort aus dem Zimmer und rannte den Gang entlang. Isis rief ihr noch hinterher, jedoch vergeblich, Amitiel war ebenso schnell, wie Mana, aus dem Zimmer verschwunden…
 

Amitiel jagte Mana bis in den Thronsaal, welches schon voll mit Blumensträußen gefüllt war. Es waren Geschenke des Volkes, zu Ehren der beiden und Glückwünschen der neuen Königin…

Atemus Leibwachen, einige der Bedienstete und unter anderem Kisara, halfen den Saal für das Fest vorzubereiten. Sie waren gerade dabei, die Blumen in Gefäße und Kübel zu legen, als sie durch den unerwarteten Besuch der zwei Damen überrascht wurden. Mana stolperte über eine Vase, welches vor ihren Füßen lag und fiel zugleich auf den Boden. Amitiel blieb vor Schreck stehen und blickte sie mit großen Augen an.

„Mana, geht’s dir gut?“

Schnell näherte sie sich ihr und half ihr auf.

„Au…meine Hüfte…Mir geht’s soweit in Ordnung, aber…die Vase hat es mitgenommen.“

Die Vase lag in mehreren großen Scheiben verteilt. Kisara erzürnte beim Anblick der zerbrochenen Vase. Stampfend lief sie auf die beiden zu.

„Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? Einfach hier reinzuplatzen und den Saal zu verwüsten?“

„Nun bleibe mal ruhig, Kisara.“, meinte Amitiel daraufhin.

Kisaras Wut wuchs noch mehr. Ihre Augen waren voller Hass.

„Es war doch nur eine Vase. Davon hat der Palast eine ganze Menge.“

„Du bist es aber nicht, der die Scherben zusammen räumt und alles in Ordnung bringen muss!“

Amitiel blickte sie schief an. Blickte ihr tief in die Augen und ohne davon abzuwenden bückte sie sich und hob jede einzelne Scherbe auf. Amitiel war unvorsichtig, schnitt sich bei einer Scherbe ihren Finger, jedoch war ihre Reaktion darauf – abgesehen von einem kleinen Zucken – gleich null. Sie wollte zeigen, dass auch sie zu etwas fähig war. Kisara zog nur eine Augenbraue hoch, drehte ihnen den Rücken zu und wandte sich ab. Amitiel verzog ein kleines siegreiches lächeln. Erneut hatte sie gewonnen.

„Ich hörte, dass der Pharao Seto vom Hohepriester zum Priester heruntergestuft hat. Als Strafe.“, meinte Mana.

„Was sagst du da?“

„Nun ja, für Seto war es immer eine Ehre gewesen Hohepriester zu werden. Nun ist er aber nur noch Priester und das verärgerte ihn. Dazu noch wurden den beiden einige Gänge und Räume im Palast versperrt. Zwar eine sanfte Bestrafung, jedoch für die beiden von großer Bedeutung… Und ich denke mal, da sie erfahren hat, dass du Königin wirst, wird sie noch mehr sauer auf dich sein.“, erklärte Mana ihr.

„Während meiner Abwesenheit, haben sie dir etwas getan?“

Mana seufzte.

„An Gewalt nicht, jedoch verbaten sie mir, etwas über dein Verschwinden zu äußern, jedoch konnte ich dies nicht halten…Du kennst mich und die Befehle des Pharaos würde ich immer befolgen.“

„Wo ist er eigentlich? Ich habe ihn noch nicht gesehen.“

„Oh weh…da fragst du die richtige…Ich weiß es nicht. Tut mir leid.“

„Schon in Ordnung.“

In diesem Moment gesellte sich Shimon und erschreckte die beiden jungen Frauen von hinten.

„Ihr solltet nicht hier sein, meine Gnädigsten. Insbesondere dich, Amitiel. Wie ich sehe bist du noch nicht ganz fertig, was den Schmuck betrifft.“

„Verzeiht uns, Shimon.“, meinte sie daraufhin.

Er verzog ein kleines Lächeln.

„Ihr seht hervorragend aus. Ich erinnere mich noch an die Hochzeit von Aknamkanon und seiner Gemahlin. Sie trug ebenso dieses Kleid…“

„Wer war sie eigentlich?“

Shimon blickte zur Seite.

„Äh…Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Oh nein, das nicht. Es ist nur…Wegen der langen Jahre habe ich ihr Aussehen einfach vergessen. Sie starb sehr früh und jegliche Erinnerungen wurden entfernt…“

„Das tut mir leid.“

„Das muss dir nicht. Man hat es dir nicht erzählt. Du konntest davon nichts wissen.“

Beide lächelten.

„Aber jetzt solltet ihr gehen. Ihr habt nicht mehr viel Zeit.“

„Beantwortet mir eine Frage.“, sagte noch Amitiel.

„Die da wäre?“

„Verratet mir Euren Alter.“

Shimon lachte.

„Wieso sollte ich das tun?“

„Neugierde.“

„Soso…nun…ich bin über 100 Jahre alt!“

„Ihr könnt mich nicht reinlegen.“

„Welchen Grund hätte ich dafür?“

„Nun, vielleicht fürchtet Ihr Euch davor, dass man Euch alt nennt?“

Der alte Mann lachte.

„Du bist sehr raffiniert, Amitiel. Dazu noch klug und liebevoll. So sollte Ägyptens Königin sein.“

Sie verbeugte sich vor ihm, als Zeichen des Respekts und Ehre. Shimon lächelt ein sich hinein. Nun meldete sich auch Mana zu Wort. Sie konnte doch nicht einfach still danebenstehen.

„Wir wollten ebenso wissen, wo sich der Pharao aufhält? Ich meine, er ist doch, der diese Frau neben mir zu seiner macht.“

Leichte Ironie war in dem Tonfall von Mana zu hören. Amitiel tat so, als hätte sie es ignoriert, wagte aber einen leicht genervten Blick zu ihr herüber. Sauer konnte man auf Mana nicht sein. Sie war eine, die einfach jeden irgendwie zum Lachen brachte.

„Soweit ich weiß hält er sich in einer der Tempel außerhalb des Palastes auf.“, antwortete er.

„Was macht er dort?“, fragte Amitiel.

„Ein Ritual. Nichts von Bedeutung für dich. Er müsste auch eigentlich gleich fertig sein. Ich muss auch leider schon wieder gehen. Ihr entschuldigt mich?“

„Wir müssen auch gehen, stimmt’s Mana?“

Sie griff nach ihrem Ohr und zog die kreischende Mana aus dem Saal heraus. Als Revanche…
 

Es war längere Zeit her, dass Atemu eines der Tempel betrat. Als Kind war er öfters dort gewesen. Als Kind hatte er auch mehr Zeit gehabt und musste keine Verträge beschließen oder Kriegsausbrüche verhindern. Kriegsausbrüche…

Der Grund, warum er den Tempel betrat, war nicht nur wegen der Hochzeit, sondern weil er den Göttern anflehte, dass es nie zu einem weiterem Ausbruch kommen sollte. Er hatte Amitiel nicht die ganze Wahrheit über seinen Aufenthalt in Syrien erzählt. Ägypten war für Syrien immer ein Dorn im Auge gewesen. Es herrschte in den letzten mehreren Jahren Krieg gegen dieses Land, welches zum Glück Ägypten immer siegreich zurückkam. Nun hatten diese die Perser an der Seite und gegen Persien hatte man keine Chance. Die Heirat zwischen Prinz Farin und Amitiel sollte einen weiteren Krieg zwischen den Ländern verhindern und eine gewisse Stabilisation aufbauen. Durch Atemus Verweigerung gegen diese Heirat, vergrößerte sich der Hass des syrischen Königs noch mehr und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem weiteren Krieg kommen würde, ist um einen großen Teil gestiegen. Kniend stand er dem Altar gegenüber.

„Ihr Götter Ägyptens…Bitte lasst den Frieden in unserem Land noch lange anhalten. Verschont unsere Stadt, unser Volk und – ganz besonders – Amitiel. Ihr trifft keine Schuld… Wenn ihr jemanden bestrafen wollt, dann mich… Aber nicht ihr…Ebenso flehe ich euch an, dass ihr sie mir nicht wegnimmt. Lasst sie glücklich sein. Sie soll nicht trauern, oder unglücklich sein… Bitte…gestattet uns die Heirat…“

Mahado betrat den Tempel. Er wollte den Pharao holen und ihm Bescheid sagen, dass nun die Zeit gekommen war. Mit einem Lächeln stand er vom Marmorstein auf und folgte Mahado hinaus. Die Sonne strahlte in sein Gesicht. Schützend richtete er seine Hand dagegen aus. Momente später wurde ihm klar, dass dies ein Zeichen war. Ein Zeichen der Götter…
 

Es war ein sonniger Tag, als sie sein wurde…

Zitternd lag ihre Hand auf seiner…

An ihren Armen und Händen hingen goldene Reifenschmucke…

An ihrem Hals eine Kette…

Ihre Haare hochgesteckt, die Krone aufgesetzt…

Mache sie glücklich, solange du noch lebst, denn sie wird von großem Nutzen sein

Die letzten Worte von Shimon ließ Amitiel einen kalten Schauer über den Rücken laufen…

Das werde ich, war die Antwort ihres Ehemannes…

Er näherte sich ihr, strich über ihre Wangen und küsste sie auf die Stirn…

Der Stirnkuss war eine Besonderheit. Es war ein Zeichen der aufrichtigen Liebe, Schutz und Geborgenheit…
 

Mana tränten die Augen und sie konnte sich nicht – wie so einige andere – zurückhalten. Amitiel fühlte sich komisch. Der Gedanke daran, dass sie ab diesem Moment nun Königin war, konnte ihr nicht Wahrhaftig genug sein…

Halb im Bewusstsein näherte sie sich den Pforten, welche ihr sofort geöffnet wurden. Draußen war das Volk versammelt und wartete nur auf diesen Moment. Amitiel blickte sich um. Jeder Blick war auf sie gerichtet. Jeder wartete auf eine Reaktion, oder einem Befehl.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Zögernd hob sie eine Hand. Das Volk jubelte, klatschte, pfiff, etc.

Ihr Herz pochte. Es pochte so stark, dass ihr fast die Brust schmerzte.

Atemu gesellte sich dazu, hielt ihre andere Hand fest.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe…Amitiel…“

Amitiel zog ihre Hand herunter, blickte in die Augen ihres Gemahls.

Freuend rannte Mana zu ihnen heraus und richtete die Aufmerksamkeit auf sich.

„Aber ich möchte noch in meinen jungen Jahren Tante genannt werden! Einverstanden?“

In Amitiel begann die Wut zu brodeln. Wie war das klar, dass sie so etwas sagen würde…

„Mana!! Kaum eine Minute vermählt, schon beginnst du erneut damit!“

Es begann eine neue Verfolgungsjagd durch den Palast.

Atemu schüttelte lächelnd seinen Kopf…

Frauen

Eine andere Sicht...

So wie jeden Tag ging auch dieses Mal die Sonne am Horizont unter. Die Nacht wurde kühl, die Pforten wurden geschlossen, die Kerzen entzündet. Amitiel stand mit Mana vor dessen Gemach. Atemu hatte sich an der Wand angelehnt und wartete.

„Gute Nacht, Mana. Wir sehen uns morgen.“

Mit einem Lächeln umarmte sie ihre Freundin. Am liebsten hätte Mana einen Satz gesagt, doch sie entschied sich dagegen. Sie würde Amitiel nur wieder aufregen. Amitiel war müde. Das sah man deutlich an ihren Augen. Verständlich, denn es war ein anstrengender Tag für sie gewesen.

„Dir auch eine gute Nacht. Meine Königin.“

Sie zwinkerte ihr noch zu, bevor sie die Türen verschloss. Es war für einen Moment ruhig. Amitiel spürte die Blicke ihres Gemahls, traute sich nicht ihm ins Gesicht zu blicken. Atemu hingegen drückte sich von der Wand ab, näherte sich ihr und legte seine Hände um ihre Taille.

„Na komm‘.“

Wie in Trance hörte sie auf ihn und folgte ihn den Gang hinunter bis zu seinem Gemach.

„Du bist so still. So kenne ich dich gar nicht. Hast du etwas?“

Amitiel schüttelte ihren Kopf.

„Nein, es ist nur…komisch zu wissen, dass man ab heute über ein Land herrscht…“

„Was meinst du, wie es mir ging?“

„Ihr wurdet hineingeboren. Ich bin doch nur ein einfaches Mädchen aus einfachen Verhältnissen gewesen.“

„Aber 18 Jahre lang nur der Prinz zu sein und im nächsten Moment der Pharao? Vielleicht sah man mir es nicht an, aber ich war sehr Überfordert.“

Mit einer Hand hob er ihr Kinn an. Ihr Blick fiel sofort auf seinem.

„Du wirst dich schon daran gewöhnen.“

Langsam zog er sie zu sich und küsste sie sanft auf ihren Lippen. Ihr Atem stockte, als sie seine weichen Lippen spürte. Sie fühlte, wie seine Hand langsam ihren Körper hinunterglitt. Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Er wollte sie nicht mehr loslassen, sie noch mehr spüren. Doch selbst dieser Moment löste sich auf und ihre Lippen trennten sich voneinander.

„Ich denke, ich werde auch gehen.“

Kaum, als sie sich ihn abwenden wollte, hielt er ihr Handgelenk fest und hinderte sie daran. Überrascht blickte sie ihn an, doch was sie fand war nur ein zynisches Lächeln.

„Wohin willst du denn gehen?“

„In mein Zimmer.“

„Aber das ist doch hier.“

Amitiel riss ihre Augen auf. Ihr wurde klar, was er meinte. Atemu öffnete die Türen und führte sie hinein. Ihr Körper zitterte. Sie war – soweit sie sich erinnern konnte – nur einmal in seinem Zimmer gewesen und heute Nacht sollte sie bei ihm schlafen? Atemu schloss die Türen hinter sich, ging in Richtung seines Bettes und legte seinen Umhang ab. Amitiel blieb still stumm in der Mitte des Raumes stehen und blickte auf den Boden.

„Amitiel?“

Sie richtete ihren Blick zu ihm.

„Alles in Ordnung?“

Zögernd nickte sie. Langsam trat sie näher zu ihm und setzte sich.

„Du fürchtest dich doch vor etwas. Was ist es?“

„Es ist nichts.“

„Sag‘ doch nicht so etwas. Ich weiß doch, dass etwas nicht stimmt.“

Amitiel seufzte.

„Also?“

„Es ist die Nacht nach unserer Hochzeit…“

Atemu verstand sofort, was sie meinte. Er wollte ihr eine Antwort geben, doch sie sprach ihm vorweg.

„…und ich fürchte mich, was Ihr mit mir machen werdet…“

„Ach Amitiel.“

Er umarmte sie und gab ihr einen Stirnkuss.

„Ich zwinge dich zu nichts, was du nicht möchtest. Hast du gehört?“

Er spürte ihr Nicken.

„Na also… Du solltest dich nun ausruhen, der Tag war lang. Soll ich dir bei dem Kleid helfen?“

„Nein…ich denke, ich werde das schon schaffen…“

Sie stand auf, ging in Richtung des Tisches und setzte ihr Diadem ab. Ihre hochgesteckten Haare konnte sie nur schwer aufkriegen. Als sie auch dies geschafft hatte, bemerkte sie die wellige Form. Neugierig schaute Atemu ihr zu, wie sie ihr Armschmuck und ihre Kette ablegte. Doch dann geschah das, was er sich schon erdacht hatte. Amitiel bekam Schwierigkeiten, sich aus dem Kleid zu befreien. Er lächelte, als sie sich erfolglos auf den Stuhl setzte.

„Soll ich dir wirklich nicht helfen?“

Sie nickte bloß und stand auf. Atemu trat näher, wollte ihr gerade helfen, als sie sich ruckartig umdrehte.

„Aber nur, wenn Ihr nicht hinguckt!“

Er zuckte kurz zusammen und blickte sie überrascht an.

„Wie soll ich dir aber daraus helfen, wenn ich nicht hinsehen kann?“

„Versucht es doch einfach.“

Noch vor kurzem fürchtete sie sich vor ihrer Hochzeitsnacht und nun?

„Soll ich dir nun helfen, oder nicht?“

Eingeschnappt drehte sie sich um und wartete. Atemu öffnete nach einander die Knöpfe auf der Hinterseite des Kleides.

„Wusstest Ihr, dass dieses Kleid einmal deine Mutter getragen hat?“

Sofort stoppte Atemu und blieb einen Moment still.

„Isis hat es mir erzählt…“

„Hat sie es ja?“

Er fuhr fort, hatte schon über der Hälfte geschafft.

„Mögt Ihr mir nicht etwas über sie erzählen?“

„Warum musst du gerade ein Kleid tragen, bei dem man so viele Knöpfe aufknüpfen muss?“

Sein Tonfall war leicht angereizt. Als es Amitiel auffiel schwieg sie lieber, als das sie ihn noch weiter reizen würde.

„Verzeih‘ mir bitte…Es ist nur so…naja ich rede nicht gerne über meine Mutter…“

„Ist schon in Ordnung…Es war mein Fehler, ich hätte Euch nicht fragen dürfen…“

Nach diesem Satz hatte auch Atemu den letzten Knopf geschafft zu öffnen. Er erblickte ihren kahlen Rücken. Er wagte es mit seiner Hand drüber zugehen. Ein kalter Schauer durchfloss Amitiels Körper und erneut stieg die Furcht. Doch ehe sie sich das Schlimmste erdenken konnte, wandte er sich ihr ab und legte sich auf sein Bett.

„Du kommst dann, wenn du fertig bist?“

Mit rotem Gesicht nickte sie. Zögernd entkleidete sie sich ihrem Kleid, legte es auf die Stuhllehne und näherte sich ebenso dem Bett. Atemus Augen waren geschlossen. Schläft er etwa schon?

Schnell legte sie sich hin und deckte sich mit der Decke bis zu ihrem Hals zu.

„Gute Nacht…“, sagte sie.

Amitiel bekam keine Antwort. Nicht mal eine Reaktion sah sie. Enttäuscht und mit traurigem Blick drehte sie sich um. Sie würde in dieser Nacht nicht einschlafen können. Doch plötzlich spürte sie eine Umarmung von hinten und wie eine Hand ihre festhielt.

„Gute Nacht, meine Liebste.“

Ihre Augen tränten, versuchte keinen Ton von sich zu geben und verdrängte das Schluchzen. Doch, sie würde in dieser Nacht einschlafen…

Sogar sehr gut…

Mit einem Lächeln schloss sie ihre Augen und träumte…
 

Amitiel erwachte wie immer von den Sonnenstrahlen, die bei diesem Zimmer direkt auf ihr Gesicht schienen. Sie blickte sich überraschend umher, als ihr klar wurde, dass sie diese Nacht nicht in ihrem Zimmer schlief. Doch ihr fiel etwas Weiteres auf: Sie war allein. Neben ihr lag nicht, wie erhofft, ihr Gatte. Sie stand auf, blickte sich noch einmal um, entdeckte ihn trotzdem nicht. Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Herein?“

Die Türen knallten auf und eine glückliche Mana betrat das Zimmer. Sie stürzte sich auf Amitiel und fielen gemeinsam zurück aufs Bett.

„Guten Morgen, du Sonnenkind.“

„Dir auch…einen guten Morgen…Mana.“, versuchte sie ihr zu antworten.

Mana drückte sie so fest, dass Amitiel fast gar keine Luft mehr bekam.

„Und wie war die Nacht?“

„Mana, ich bekomm‘ keine Luft!“

„Oh, Entschuldigung.“

Sie löste sich von ihr. Amitiel hustete kurz auf, kam aber schnell wieder zu sich.

„Also?“

„Was?“

„Wie war die Nacht?“

Amitiel seufzte.

„Es ist nichts geschehen…“

„Wie…?“

„Es war nichts!“

„Das verwundert mich ein wenig.“

„Mana, ich möchte nicht so früh darüber sprechen. Bist du nur deswegen hergekommen?“

Man schüttelte eifrig ihren Kopf.

„Nein, nein. Ich habe deine Kleider gebracht, da du nun umgezogen bist.“

Sie stand auf, hob die Kleider vom Boden auf und legte diese auf dem Tisch.

„Das ist nett von dir, danke.“

„Für meine Königin, mache ich doch alles.“

„Könntest du vielleicht damit aufhören?“

„Aber womit denn?“

„Mich mit Königin anzusprechen…Das ist mir unangenehm. Nenn‘ mich doch einfach bei meinem Namen.“

„Ja, aber…hm…geht klar, wenn du es so verlangst.“

„Danke…“

Mana lächelte.

„Magst du dich vielleicht nicht anziehen?“

„Ich denke, das werde ich. Immerhin hast du ja meine Kleider hergebracht.“

„Welches hättest du gerne? Magst du vielleicht das weiße anprobieren?“

„Warum nicht?“

Amitiel stand auf, näherte sich Mana und ließ sich das Kleid ankleiden. Es ähnelte dem Kleid, welches Lilian ihr gegeben hatte. Ach Lilian…

„Dir steht aber auch jedes Kleid, meine Liebe.“

„Meinst du?“

Sie schaute sich an.

„Na aber hör‘ mal.“, meinte Mana darauf nur.

„So einen tollen Körper, wie du, hätte ich auch gerne.“

„Du hast doch einen.“

„Mhm, ein paar Gramm müssten noch weg.“

„Du spinnst doch.“

„Gar nicht!“

Die Frauen blickten sich an und konnten sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Wo ist eigentlich dein Mann?“

„Ich weiß es nicht, er war schon weg, als ich aufgewacht bin.“

„Uh~“

Amitiel blickte sie schief an.

„Was?“

„Nichts, nichts.“

„Weißt du, wo er ist?“

„Sehe ich so aus?“

„Wenn ich ehrlich sein darf…Ja?“

Mana kicherte.

„Er ist im Thronsaal. Er bekam Besuch von den Priestern und ist gerade dabei mit ihn zu verhandeln. Ich würde ihn nicht dabei stören.“

„Das werde ich auch nicht. Ich wollte nur wissen, wo er ist.“

„Du hast dir Sorgen gemacht stimmt’s?“

„Mhm…“

„Ah~, ich wusste es doch. Er muss dir ja in der Nacht den Kopf verdreht haben.“

„Mana!“

„Hab’s schon verstanden, ich bin ruhig.“

Sie hob die Hände in die Luft und plötzlich seufzte sie.

„Ich muss noch in die Bibliothek, für meine Ausbildung lernen.“

„Deine Ausbildung?“

„Wusstest du das nicht?“

„Was?“

„Ich bin eine Magierin.“

Amitiel überraschte sich, als sie dies hörte. So lange lebten sie gemeinsam hier und ihr ist es gar nicht aufgefallen.

„Pass‘ auf, ich zeig‘s dir.“

Mana schloss ihre Augen und konzentrierte sich. Es war eigenartig, dass Mana so still war. Doch plötzlich schwebte ein Kissen vor Amitiels Augen in der Luft. Sie war überrascht und gleichzeitig erstaunt.

„Ist das toll. Was kannst du noch?“

„Hm…Ich versuch eine Flamme hinzubekommen, aber ich bin noch nicht gut darin, deswegen garantiere ich nicht, ob es klappen wird.“

„Das macht nichts.“

Sie hielt ihre Hand vor ihrem Körper, kniff ihre Augen zu und hoffte, dass eine kleine Flamme zur Geltung kam. Eine Flamme war es nicht, sondern eher ein kleines Flämmchen, das kurz aufglühte.

„Verzeihung. Wie gesagt, da bin ich noch in Übung.“

„Jetzt bin ich an der Reihe.“

Amitiel formte mit ihrer Hand eine Art Kugel und nach einer Weile flammte sie einen Feuerball. Manas Augen rissen sich weit auf.

„Das ist aber schön. Was kannst du noch?“

„Siehst du den Kerzenständer dort drüben?“

Mana nickte ganz eifrig. Amitiel knipste mit ihren Fingern und sofort zündeten sich die Kleinen Flammen an. Mana klatschte.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du auch eine Magierin bist? Dann kannst du mir ja so einiges Beibringen.“

„Ich denke, das wird nicht gehen…“

„Warum denn nicht?“

„Ich bin keine Magierin…“

„Nein? Aber was bist du dann?“

Amitiel stand mit einem traurigen Blick auf und ging hinaus auf den Balkon, stützte sich auf ihren Armen ab und blickte hinaus auf das Land.

„Ich bin ein Mensch mit Phönix-Kräften…“

Mana trat näher an ihr heran. Wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie fürchtete sich, tiefer in ihre Vergangenheit zu graben und unerwünschte Erinnerungen hervorzurufen. Ihr musste etwas einfallen.

„Dann sind wir beide ja schon etwas Besonderes!“

Mit einem breiten Grinsen blickte sie in die Augen von Amitiel. Diese Hingegen machte zuerst ein fragendes Gesicht, bis auch sie schließlich lächeln musste.

„Wolltest du nicht in die Bibliothek?“

„Magst du mitkommen?“

„Warum nicht? Ich meine, was sollte ich schon tun?“

Mana zuckte mit den Achseln, nahm Amitiels Hand und zog sie hinaus aus dem Zimmer in die Bibliotheksräume…
 

Die Bibliothek erstreckte sich auf mehrere Abteilungen. Es gab Bücher über Astrologie, Mathematik, Physik, Medizin, etc. Ebenso fand man dort sehr wichtige Dokumente, wie Verträge und der sozialen Wirtschaft. Mana durchwühlte sofort die Magier-Abteilung nach ihrem Buch. Fand jedoch ihr gewünschtes Buch nicht.

„Sollte ich vielleicht dort drüben nachschauen?“, fragte Amitiel sie.

„Das wäre echt nett. Es ist blau gebunden und hat eine goldene Inschrift. Es müsste das einzige Buch von dieser Art hier sein. Aber wo ist das bloß?“

Amitiel zuckte mit den Achseln und ging die Wege entlang. In fast jeder Abteilung, dass etwas mit Magie, schwarzer Zauber, oder jeglicher Art zu tun hatte, durchsuchte sie gründlich die Regale. Erfolglos seufzte sie, als sie plötzlich jemanden bemerkte, der an einem Tisch saß und arbeitete. Sie näherte sich der Person und erkannte sofort, wer es war. Die Person blickte kurz auf, wandte sich jedoch schnell ihrer Arbeit zu.

„Hey…“, versuchte Amitiel das Gespräch anzufangen.

„Hallo!“, antwortete Kisara ihr straff.

„Was machst du da?“

„Ich arbeite!“

„Was ist das für eine Art Arbeit?“

Genervt legte Kisara den Stift beiseite und blickte in die Runde.

„Ich kontrolliere die Dokumente und sortiere sie nach Themen!“

„Könnte ich dir vielleicht helfen?“

Nein!!“

Amitiel fühlte sich angegriffen. Sie verstand nicht, warum Kisara ihr die kalte Schulter warf. Was hatte sie ihr denn getan?

„Hör‘ mal…Kisara…“

Erneut ließ Kisara den Stift auf den Tisch fallen und verschränkte ihre Arme.

„Was gibt es?“

„Ich möchte ungern mit dir so verfeindet sein… Können wir uns nicht irgendwie ausplaudern? Was hast du denn gegen mich?“

Kisara gab ihr keine Antwort.

„Wolltet Ihr mir nicht helfen?“, fragte Kisara sie in einem etwas sanfteren Ton.

Amitiel nickte ganz zart.

„Wartet hier bitte.“

Kisara verschwand hinter Regalen. Amitiel wagte einen Blick in die Dokumente, die Kisara zu bearbeiteten versuchte.

Instandhaltung des sozialen Umfelds, Landwirtschaft,…

Womit sich Kisara aber auch beschäftigen musste, konnte Amitiel sich nicht erklären. In diesem Moment kam Kisara mit einem Stapel Bücher in der Hand zurück. Schnell wich sie einige Schritte zur Seite. Ihr Glück, dass Kisara von dem nichts mitbekam.

„Ihr wäret eine große Hilfe, wenn Ihr diese lesen würdet.“

„Das alles?“

Sie riss ihre Augen weit auf. Kisara legte die Bücher auf den Tisch und wartete darauf, dass Amitiel diese abnahm, verschwand und sie in Ruhe weiterarbeiten lassen würde. Seufzend versuchte sie den schweren Stapel aufzuheben. Ihr Rücken krümmte sich. Sie versuchte ihr Gleichgewicht zu halten. Als sie bei Mana vorbeikam, stieß diese einen leisen hysterischen Schrei aus.

„Du meine Güte! Amitiel!“

Sofort half sie ihrer Freundin die Bücher tragen.

„Warum so viele auf einmal?“

„Kisara hat mir die Bücher gegeben.“

„Was?“

„Ich könnte ihr dabei helfen, indem ich diese Bücher mir durchlese.“

„Was sind denn das für welche?“

Mana überflog die Überschriften.

„Disziplin? Die Lehre der Vernunft? Nachkommen für das Land? Also für mich sind das keine Bücher, die man für eine Hilfe durchlesen muss!“

Nun überflog auch Amitiel die Überschriften.

„Ich weiß nicht Mana…Vielleicht muss ich dies als Königin auch tun? Ich weiß überhaupt nicht, was meine Pflichten sind? Es kann doch nicht sein, dass ich jeden Tag nichts tue!“

„Es wird bestimmt eine Aufgabe geben, aber doch nicht in dieser Art! Aber das war ja typisch für Kisara.“

Amitiel antwortete ihr nicht, nahm sich still den Stapel und verließ die Bibliothek. Mana rief ihr noch hinterher, doch der Klang des Rufes schallte in den großen Gängen des Palastes…
 

Auf ihrem Weg zu ihrem Gemach, gesinnte sich zufällig Seto zu ihr.

„Meine Königin. Welch ein Zufall, Euch hier sehen zu dürfen.“

„Danke, Seto…“

„Nicht gesprächig heute?“

„Verzeiht mir…, aber ich habe…diese Bücher zu schleppen.“

Amitiel bemühte sich, einigermaßen gerade zu laufen, stolperte jedoch.

„He, Vorsicht.“

Seto griff sie kurz dem Sturz auf. Die Bücher lagen auf dem Boden verteilt, Amitiel jedoch fiel in seine Arme…
 

Ihr Körper erstarrte, als ihr klar wurde, wer sie eigentlich festhielt.

„Ihr müsst vorsichtiger sein, sonst werdet Ihr Euch noch verletzen.“

Seine Hand glitt von ihrem Rücken höher zu ihren Schultern und zu ihrem Kinn.

„…und wir wollen ja nicht, dass unserer Königin etwas zu stößt, oder?“

Auf seinem Gesicht bildete sich ein kleines aasiges Lächeln. Seine Finger strichen über ihre Wangen. Ihre Nervosität stieg um ein vielfaches. Seto verhielt sich anders als zuvor. Aus welchem Grund auch immer.

„I-Ich muss jetzt gehen…“

Rasant entfernte sie sich ihm und lief den Gang weiter entlang. Sie traute sich nicht umzudrehen, konnte sich nicht umdrehen, wollte sich nicht umdrehen! Doch trotzdem spürte sie seine hinterhältigen Blicke an ihrem Körper.

Sie knallte regelrecht die Türen auf, schloss diese sofort wieder, nachdem sie die Stapel Bücher auf dem Tisch niedergelassen hatte. Ihre Augen tränten. Unerklärbar…

Geschwächt kniete sie sich auf dem Boden und hoffte, dass schnell jemand kommen würde, um ihr aus der Sache heraus zu helfen…
 

Wer ist da…?

Jemand hatte Amitiel auf das Bett gelegt und hielt sie fest im Arm.

Wer ist das…?

Sie konnte nur verschwommene Umrisse erkennen...

„Bleib‘ ruhig… Alles wird gut…“

Wer bist du…

Die etwas andere Überraschung…

Es tut mir ja sooooooo Leid, dass ich euch warten gelassen habe mit diesem Kapitel T_________T Leider hatte ich in den letzten Tage eine blöde Erkältung und kam nicht dazu an der FF weiterzuschreiben *heul* Aber ich habe mich trotzdem zusammengerissen und es fertig gebracht. Also hier das ersehnte Kapitel...
 

Sie wachte in ihrem Bett auf. Halb benommen blickte sie sich um. Erkannte wenige Augenblicke später, dass sie von jemandem festgehalten wurde.

„Ich kann mir nicht erklären, wie du dich in Schwierigkeiten bringen kannst…“

Sie erkannte diese Stimme. Sie war mehr als nur vertraut.

„Mhm…Ich habe mich überanstrengt…“

Überanstrengt? Indem du Bücher schlepptest?“

Amitiel schloss ihre Augen. Wollte diesen Moment innig genießen. Wann konnte sie ihn schon sehen?

„Interessant, was du dir für Bücher liest, meine Liebste.“

„Nun, ich wollte lernen, was meine Aufgaben als Königin wären.“

„Fängst du schon wieder an? Das ist dein erster Tag, Amitiel.“

Sie schwieg und hielt ihre Augen geschlossen. Ihm erzählte sie nicht, dass eigentlich Kisara ihr die Bücher in die Hand gedrückt hatte. Plötzlich kamen ihr die Erinnerungen an Seto wieder hoch. Bei jedem Gedanke daran, wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte, seine Berührungen, lies ihr einen kalten Schauer durchfließen. Atemu merkte das natürlich sofort und fragte nach.

„Ist mit dir alles in Ordnung? Du bist so blass.“

Amitiel nickte bloß.

„Alles bestens.“

Sie traute sich nicht die Wahrheit zu sagen. Sie fürchtete sich zu sehr…

Atemu wusste, dass sie ihm etwas verschwieg, fragte jedoch nicht nach. Es würde nichts bringen, sie würde ihm immer erneut dieselbe Antwort geben: Alles bestens

„Du wirst schon genug Aufgaben bekommen. Vertraue mir.“

„Mhm…“

Sie schlief in seinen Armen erneut ein. Warum sie so erschöpft war, konnte er sich nicht erklären. Was ist geschehen…?
 

Als sie das nächste aufwachte, war sie erneut alleine gewesen. Hatte sie das alles geträumt? Aber er war doch hier gewesen? Er hatte sie in den Armen gehalten…

Langsam stand sie auf und blickte sich umher. Alles lag noch am selben Platz. Sie näherte sich dem Tisch mit den Büchern, nahm eines in die Hand und schlug diesen auf. Der alte Papyrus war rau und leicht abgefärbt. Die Schrift konnte sie schwer lesen. Eigentlich konnte sie diese Art von Schrift gar nicht lesen…

Enttäuscht legte sie das Buch wieder zurück und lehnte sich zurück. Ihr Blick richtete sich hinaus in die Stadt. Die Sonne neigte sich dem Abend zu. Der Himmel wurde leicht orange-gelb und im Nachhinein hatte sich Amitiel überlegt, was sie nun heute erreicht hatte. Nichts…
 

Überlegend strich Atemu seine Hand durch die Haare und seufzte.

„Ach Amitiel…“

Er war an einer Wand angelegt, nicht weit von ihrem Zimmer entfernt. Mana bemerkte ihn zufällig und blieb in geringer Entfernung vor ihm stehen.

„Mana?“

Diese nickte.

„Kann ich etwas für dich tun?“

„Oh, nein nein…Mit mir ist alles in bester Ordnung…“

Er merkte, dass sie ihren Satz nicht vollendete.

„Aber?“

Sie zuckte etwas zusammen.

„Äh…“

Sein Blick senkte sich hinab.

„Ich brauche deine Hilfe…Mana…“

„Was wünscht Ihr?“

„Könntest du herausfinden, was Amitiel bedrückt? Ich fühle nämlich, dass sie mir etwas verheimlicht…“

„Ich werde mein bestes tun.“

„Danke…“

Atemu lief den Weg entlang. Mana biss sich auf ihre Lippen. Wie würde sie das nur erreichen können…
 

Es vergingen Wochen…

Amitiel hatte sich – nachdem man ihr immer noch keine Aufgaben erteilt hatte – sich die Arbeit gemacht, die Pflanzen im Garten zu pflegen und die Tiere zu füttern. Die ganze Arbeit dauerte, wenn sie sich anstrengte, einen ganzen Tag und abends schmiss sie sich erschöpft ins Bett. Für Zärtlichkeit mit ihrem Gatten war keine Zeit. In der Regel schlief sie viel früher ein und ging auch, im Gegensatz zu den anderen, viel früher ins Bett. Doch eines Tages bekam sie während ihrer Arbeit im dichten Garten Besuch. Sie war gerade dabei die Wüstenrosen zu beschneiden.

„Habt Ihr Euch schon in Eurem Titel gewöhnt?“

Amitiel erschrak, lies dabei die Schere fallen. Sie rang kurz nach Luft, als sie sich umdrehte und den Gast bemerkte. Sie hob die Schere wieder auf und setzte ihre Arbeit fort.

„Ihr habt mich erschreckt…“

„Das tut mir leid.“

Gefährliche Stille.

„Nicht das Ihr Euch schneidet. Man will ja nicht, dass Euch etwas zu stößt!“

Diesen Satz hatte er ihr schon einmal vor einigen Wochen erwähnt. Ihre Finger zitterten.

„Ich werde aufmerksam sein.“

Doch ehe sie sich versah, schnitt sie sich an ihrem Finger.

„Och man, wie tollpatschig von mir.“

Sie versuchte das Blut von ihrem Finger abzulecken, als Seto ihre Hand nahm und sich selbst daran bediente. Amitiel riss ihre Augen weit auf. Setos Augen waren geschlossen, so, als würde er es genießen ihr das Blut zu saugen. Ihr Herz raste. Ein komisches Gefühl verbreitete sich in ihrem inneren. Sie spürte seine Zunge an ihrer Fingerspitze. Was soll das?

Sie kam zu sich und zog ihre Hand hastig zu sich. Noch immer mit großen überraschten Augen blickte sie ihn an. Seto wischte sich genüsslich den Mund.

„Ich habe doch gesagt, Ihr sollt vorsichtiger sein, meine Königin.“

Ganz recht! Sie war die Königin! Sie konnte entscheiden und sie duldete dieses Verhalten nicht! Ihr Blick wurde sofort ernster und bedrohlicher.

„Hütet Eure Zunge, Priester!! Ihr wisst, wen Ihr vor Euch habt, also verhaltet Euch auch so!!“

Seto zog eine Augenbraue hoch und grinste sarkastisch, bis er kurzerhand zu lachen begann.

„Wisst Ihr…Ihr interessiert mich Tag für Tag immer mehr…“

Amitiel zuckte zusammen.

„…aber Ihr könnt Euch noch lange nicht Königin nennen!“

Erschrocken hielt Amitiel eine Hand vor dem Mund.

„Wie wagt Ihr es mit mir zu reden!?“

„Beantwortet mir eine Frage!“

„Welche?“

„Erwartet Ihr ein Kind?“

In diesem Momente wehte ein kühler, frischer Wind durch den Garten. Die Wüstenrosen schwankten hin und her und die Blätter raschelten. Die Vögel zwitscherten und das Wasser des Springbrunnens sprudelte…

Amitiel rang nach Luft, bevor sie ihm antworten konnte.

„Verschwindet!! Sofort!“

Seto wandte sich ihr ab. Er hatte erreicht, was er erreichen wollte…

Verärgert schmiss sie die Schere auf den Marmor Boden und fiel auf die Knie. Dicke Kullertränen tropften aus ihren Augen. Sie hatte geahnt, dass so etwas geschehen würde. Ihre Schreie versuchte sie zu verdrängen, damit sie keinen Aufstand erregen konnte. Als sie erneut Schritte hörte, stand sie sofort auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie versuchte weiter an den Blumen zu schneiden.

„Amitiel?“

Sie drehte sich um und blickte in die Augen von Shimon.

„Ja, Shimon?“

„Würdest du bitte mit mir kommen? Der Pharao verlangt nach dir?“

„Was?“

„Keine Angst. Er will dich nur jemanden kennenlernen.“

„Äh…Geht klar…“

Sie folgte Shimon zum Saal, wo sie schon sehnlichst erwartet wurde.

„Ah~…meine Herren, darf ich Ihnen meine Frau vorstellen?“

Sie stellte sich neben ihrem Gemahl, der ihr an die Taille griff und sie etwas näher zu sich zog. Ihr Blick wandte sich den Gästen zu.

„Einige könnten dir vielleicht bekannt vorkommen.“

„Warum sind sie hier?“, fragte sich Amitiel.

„Nun, alle drei Monate muss eine Versammlung stattfinden. Du wirst das vielleicht noch nicht ganz verstehen können.“

Tatsächlich kamen ihr einige Gesichter in Erinnerung. Sie hatte nie mit ihnen geredet.

„Wenn das so ist…Werdet Ihr dann auch wieder gehen müssen?“

Atemu lächelte fürsorglich und strich ihr übers Gesicht.

„Nur, wenn du es willst…“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Natürlich wollte sie es nicht. Es war schon schlimm, als er das letzte Mal gehen musste und sie einen ganzen Monat ohne ihn verbringen.

„Mein König, wir wollen Euch nicht stören, jedoch…“, fing einer der Anwesenden an.

„Was gibt es?“

„Es geht um das Königreich Syrien…Und das war auch unser eigentlicher Grund Euch zu besuchen…“, antwortete ein anderer.

Amitiel riss ihre Augen auf. Atemu merkte, wie ihr Griff an seinem Arm fester wurde.

„Was ist damit?“

„Nun, wir hörten, dass es sich auf einen Krieg gegen Ägypten vorbereitet. Mit dem Königreich Persien.“

Was!?“

Amitiel schrie auf, als sie dies hörte. Hat denn dieses Land nicht genug?

„In diesem Monat wollen sie Kriegsmaterial herstellen. In den weiteren Monaten würden sie ins Land einmarschieren und Euch angreifen.“

Atemu knirschte die Zähne. Sie würden seine Amitiel ihm nicht wegnehmen, wenn dies der Grund wäre. Soweit würde es nicht kommen!

„Dann müssen wir uns wehren!“

Alle Blicke richteten sich der Königin.

„Amitiel wie willst du das erreichen? In einem Monat können wir keine Armee aufstellen.“, fragte ihr Gatte sie.

Doch Amitiel lächelte bloß und Atemu verstand, was sie zu meinen versuchte. Er schüttelte seinen Kopf.

„Nein…bitte nicht…“, flüsterte er ihr zu.

„Lasst das meine Sorgen sein…“

„Ich will dich nicht verlieren.“

„Das werdet Ihr nicht…Vertraut mir.“

Sie lies wehmütig von ihm los und verließ den Saal. Hinter den Türen lehnte sie sich gegen eine Wand und dachte an das Gesagte noch einmal nach. Was habe ich getan
 

„Willst du mir etwa klarmachen, dass du dich einer Armee vor dem Weg stellen und sie ganz alleine besiegen willst?!“, schrie Atemu sie beinahe an.

Beide befanden sich in ihrem Gemach. Es war schon früher Abend geworden und die Gäste hatten den Palast verlassen. Dazu herrschte zwischen dem Königspaar eine drastische Stimmung.

„Ihr habt keinen Grund mich so anzuschreien!“

Keinen Grund?! Wird dir eigentlich klar, was ich dir erklären will?!“

Amitiel schwieg und ignorierte seinen Blick.

„Antworte mir!“, befahl er ihr.

Sie blieb stur und ignorierte ihn weiter.

„Amitiel! Das ist ein Befehl!! Antworte mir!!“

Tatsächlich weigerte sie ihn immer noch. Wutentbrannt lief er auf sie zu, griff nach ihrem Handgelenk und drückte sie gegen die Wand. Vor Schmerz schrie sie auf.

„Hört auf damit! Bitte!“, flehte sie ihn an.

Mit tränenden Augen blickte sie in die seine. Nach einer Weile erst merkte sie, wie der Griff an ihrem Handgelenk lockerer wurde.

„Verdammt…Amitiel…“

Er stützte seinen Kopf auf ihren Schultern und seine Arme umarmten ihre Taille.

„Verzeih mir bitte…“

„Schon in Ordnung…“

Sicher fühlte sie sich nicht. Hatte er sie ernsthaft gewalttätig gegen die Wand gedrückt? Aber warum? Nun in diesem Moment war er der fürsorgliche, liebevolle und gutaussehende Gatte, aber im nächsten…

„Ich will dich nicht verlieren, Amitiel…Ich liebe dich zu sehr…Deinen Tod könnte ich nicht verkraften…“

„Ich kann nicht sterben…Ich bin ein Phönix…“

Atemu blickte in die Augen seiner Gemahlin. Sie funkelten nicht, oder leuchteten. Sie waren matt und grell.

„Was habe ich dir bloß angetan…“

Sein Blick wanderte weiter zu ihren Lippen, die er ohne nachzudenken sofort küsste. Amitiels Arme umschlangen ihn sofort. Diese Zweisamkeit hatte sie vermisst. Sogar sehr…

Der Kuss wurde leidenschaftlicher und er trug sie in Richtung des Bettes, als er sie sanft drauflegte und er sie leicht ins Kissen drückte. Seine Hand glitt hinunter zu ihrem Hals, weiter an ihren Brüsten, Taille, Hüfte, Beinen. Er strich ihr Ende des Kleides hoch, sodass er ihre Beine locker anwinkeln konnte.

„Wartet!“, kam es plötzlich von Amitiel.

Mit erschrockenem Blick schaute er sie an.

„Was ist denn?“

„Sagt…liebt Ihr mich?“

„Was ist das für eine Frage? Natürlich! Ja!“

„Ich meine…liebt Ihr mich von ganzem Herzen?“

Er verstand nicht, warum sie ihm solche Fragen stellte. Ihr kamen die Erinnerung an Seto wieder hoch und das, was er sie gefragt hatte.

„Aber natürlich doch, Amitiel.“

Ein kleines Lächeln bildete sich auf den Lippen von Amitiel. Sie streichelte mit ihrer Hand seine Wange.

„Dann wird alles gut…“

Er wusste nicht, was sie damit sagen wollte, doch gerade als er dies nachfragen wollte, lagen ihre Lippen auf den seinen, als sie sich schlussendlich miteinander verschmolzen
 

Zur selben Zeit brennten in den Gemächern von Seto und Kisara noch die Kerzen. Sie saßen gemeinsam an einem Tisch.

„Stimmt es, Seto, dass Syrien und Persien unser Land angreifen wird?“

Ihre Stimme klang zarter und ängstlicher, als sonst. Ihr Gefährte seufzte, als er ihr eine Antwort gab.

„Ja, es stimmt…“

„Nein…“

„…aber wir werden von unserer Seite aus ebenso bewaffnet sein. Ägypten hat Syrien schon einmal besiegt und diesen würden wir auch gewinnen, verlass‘ dich drauf, meine Liebste.“

„Ich hoffe es…Seto…“

Mit einem sorgenden Blick pustete sie die Kerzen aus und es wurde dunkel in dem Zimmer…
 

Einige Tage später…

Amitiel war an einer Wandseite angelehnt und blickte mit starrem Blick hinaus in die Morgensonne…

Ihre Arme verschränkt…

In diesem Moment klopfte es an der Tür und – wie immer – trat Mana ein, jedoch hielt sie in ihren Händen ein Tablett mit sämtlichen Obst.

„Einen wunderschönen, guten Morgen wünsche ich dir. Wie geht es uns heute?“

Sie bekam keine Antwort.

„Oh…nicht gut geschlafen? Hm…Ich habe in den letzten Tagen weiter in der Bibliothek gelernt. Ich beherrsche das Feuer schon richtig gut. Nicht perfekt, aber schon gut.“

„Mana…“

„Warte, warte. Gerade bin ich dabei, Wasser in Eis zu verwandeln. Bei dieser Hitze, wäre das wirklich angebracht.“

Sie legte das Tablett auf den Tisch und nahm sich ein paar Äpfel in die Hände.

„Mana…“

„Gucke mal, ich zeige dir etwas.“

Mit ihren Kräften jonglierte sie die Äpfel in der Luft.

„Mana, ich bin schwanger!“

Man hörte nur die Äpfel runterfallen…

Der erste Monat...

Mana stand wie hypnotisiert da…

„Du bist was?“, fragte sie sie erneut.

Amitiel senkte ihren Blick. Sie ahnte etwas Schlimmes…

Doch stattdessen kreischte Mana laut auf, sprang im Zimmer umher und fiel Amitiel um den Hals.

„Ich freue mich ja so für dich!“

Sie drückte Amitiel fester an sich, sodass diese schon nach Luft rang. Mana löste sich von ihr und bewegte ungeduldig ihre Hände umher.

„Ich kann es immer noch nicht fassen….Mensch Amitiel!“

Als Antwort gab sie ihr ein kleines Lächeln.

„Das muss ich schnell dem Pharao erzählen!“

Nein!!“

Abrupt blieb Mana stehen. Sie hatte schon die Türen erreicht.

„Was...? Aber warum?“

„Bitte, Mana. Du darfst das keinem erzählen! Hast du verstanden? Keinem!“

„Ja, aber…“

Mana verstand ihre Freundin nicht. Was war denn schlimm daran?

„Syrien wird unser Land in ungefähr zwei Monaten angreifen…Der Pharao hat viel zu tun und muss vieles vorbereiten…Wenn er erfährt, dass ich ein Kind erwarte…“

Sie hörte mitten im Satz auf. Allmählich wurde Mana klarer, was Amitiel zu meinen versuchte. Mit einem Lächeln trat sie näher, legte ihre Hand auf ihre Schulter und blickte ihr tief in die Augen.

„Wie du es wünschst…Amitiel…“

Danke, formte sie mit ihren Lippen.

Obwohl es erst einige Tage her ist, spürte sie, wie etwas in ihr heranwuchs. Amitiel konnte es aufgrund ihrer Art noch intensiver spüren als die anderen Menschen. Doch etwas fürchtete ihr trotzdem. Die Schwangerschaft eines Menschen würde neun Monate dauern…Ihre hingegen braucht nur drei
 

„Seto…glaubst du wirklich, dass wir gegen diese Länder gewinnen können?“, fragte ihn Kisara. Sie saß besorgt auf ihrem Stuhl, stützte ihr Kinn an ihrer Hand und biss sich in ihre Lippen.

„Du machst dir ziemlich viel Sorgen darüber, was?“

„Sollte ich mir keine machen? Ägypten steht kurz vor einem Krieg gegen Syrien und Persien!“

Seto trat hinter ihr und strich über ihren weißen Haaren.

„Warum unterschätzt du dich so, Kisara? Wir sind schon eine lange Zeit zusammen und das problemlos. Keiner kennt dich besser als ich und ich weiß, was für eine gewaltige Kraft in dir innewohnt…“

Kisara seufzte.

„…und deswegen wirst auch du mitkämpfen!“

Sie sprang auf und drehte sich Seto um.

„Du willst was?!“

„Mit deiner Kraft des weißen Drachens könntest du gegen die anderen antreten.“

„Willst du, das ich sterbe?!“

Seto griff nach ihrem fuchtelnden Arm und zog sie zu sich, sodass Kisara genau in seine Arme fiel.

„Komm nicht auf solche Gedanken, Kisara…Es würde nichts Schlimmeres geben, als deinen leblosen Körper in den Armen zu halten.“

Kisara erweichte vom Tonfall seiner Stimme.

„Aber warum verlangst du dann so etwas von mir?“

„Ich habe nicht gesagt, dass du alleine kämpfen sollst.“

Kisara zuckte zusammen. Spontan kam ihr Amitiel in den Sinn, zudem sie ja auch eine mächtige Kraft besaß.

„Verbünde dich mit unserer Königin zusammen. Mit deiner Kraft vereint, würdet ihr sie mit großer Sicherheit besiegen…“

Der Gedanke, dass Kisara sich mit Amitiel zusammenfügen sollte, wollte ihr zuerst überhaupt nicht gefallen, aber wenn sie dafür ihr Land retten würde…
 

Gestresst lehnte Atemu sich auf seinem Thron zurück. Ihm wurde die ganze Hektik zu viel. Er schloss seine Augen um sich zu entspannen, doch wie sehr er es versuchte, kamen ihm neue Gedanken in den Sinn, die ihm nur zum Aufregen brachten.

„Ihr arbeitet zu viel, mein König…“, sagte plötzlich jemand.

Er brauchte seine Augen nicht einmal öffnen, da wurde ihm die Stimme bekannt. Seine Lippen formten ein kleines Lächeln.

„Ihr braucht jemanden, der Euch behilflich sein könnte…“

„Ach und da willst du dich gerne dafür einsetzen?“, entgegnete er.

Er hielt seine Augen noch immer geschlossen, hörte jedoch, wie die vertraute Person sich ihm näherte. Diese hielt ihre Hände an seinen Wangen.

„Aufgrund deines Verhaltens schätze ich mal, dass du die letzten Nächte gut geschlafen hast…stimmt‘s? Amitiel?“

Sie näherte sich ihm so nah, dass ihre Lippen beinahe die von seinen berührten und er ihren Atem spüren konnte.

„Wer weiß?“, fügte sie noch hinzu, als sie ihn schließlich küsste.

Doch bevor er diesen Moment im Innigsten genießen konnte, löste sie sich schon von ihm. Nun öffnete er seine Augen und blickte in die seiner Gattin.

„Was ist los mit dir?“

„Was sollte denn sein?“

„Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder…Ist mit dir etwas geschehen?“

Amitiel lächelte bloß.

„Ich liebe Euch…mehr nichts…“

Atemu lächelte darauf.

„Ich höre das zum ersten Mal von dir…“

„Ich böses Mädchen…“

Er musste sich das Lachen verkneifen. War das wirklich seine Amitiel? Was ist nur los mit ihr?, fragte er sich.

Doch in diesem Moment schrie Amitiel kurz auf. Sie hatte sich schützend ihre Arme vor ihrem Bauch gelegt. Ihr Unterleib schmerzte ihr. Amitiel erhoffte sich, keinen Verdacht auszuschöpfen. Verdammt!

„Amitiel? Alles in Ordnung?“

Atemu stand auf und ging in ihre Richtung, als kurz davor Amitiel ihn hinderte sich ihr zu nähern.

„Es geht schon… Macht Euch keine Sorgen um mich…“

Ihr fiel keine Ausrede ein, den sie ihm erzählen könnte, deswegen entfernte sie sich ihm und verließ den Saal. Zu ihrem Glück begleitete er sie nicht…
 

Amitiel wollte in ihr Gemach. Die Schmerzen erschwerten ihren Weg jedoch erheblich, was dazu führt, dass sie sich immerzu an der Wand anlehnen musste, um in gewisser Ruhe Luft einzuatmen. Kind, was machst du mit deiner Mutter? Man konnte es Amitiel nicht ansehen, jedoch konnte sie es immer noch nicht fassen, dass sie tatsächlich schwanger war, wobei eine Schwangerschaft bei Wesen ihrer Art nicht einfach ist…

Sie erreichte ihr Zimmer noch mit letzter Kraft. Sofort öffnete sie die Türen und ließ sich aufs Bett fallen. Sie zog ihre Beine an sich, verrenkte ihre Arme vor ihrem Körper und kniff ihre Augen zusammen. Noch immer schmerzte ihr Unterleib. Ich habe Angst…große Angst… Wovor hatte sie Angst? Welchen Grund sollte es dafür geben? Bitte…lass es aufhören… Ihr tropften Tränen aus den Augen. Hilfe…hilft mir jemand… Ihr war gar nicht bewusst geworden, dass sich jemand ihr Zimmer betrat und eine Hand auf ihre Schulter legte.

„Beruhige dich…“

„Was? Wer ist da?“

Sie blickte sich um und erblickte die Person, welches ihr einen gefüllten Becher hinhielt.

„Trinkt das.“

Ohne nachzudenken nahm sie den Becher und trank die Flüssigkeit aus. Ein Gebräu, das nicht sonderlich schmeckte, jedoch ihre Schmerzen linderte.

„Ich danke Euch, Shimon.“

Erschöpft legte sie sich zurück und versuchte ruhig zu atmen.

„Dieser Tee wird deine Schmerzen lindern. Du solltest ihn immer trinken, wenn du dich nicht wohl, oder übel fühlst. Das tut dir und dem Kind gut.“

„Ihr wisst davon? Hat es Euch jemand gesagt?“

„Nein, nein. Es war nicht schwer dies zu erraten. Jedenfalls für mich.“

„Bin ich so leicht durchschaubar?“

„Nur für mich, meine Königin. Jedoch…weiß der Pharao davon?“

„Nein…“

„Willst du es ihm gar nicht erzählen?“

Sie brauchte eine Weile, bis sie ihm antworten konnte. In Gedanken versuchte sie die richtigen Antworten zu finden.

„Vorerst wollte ich dies für mich behalten. Atemu ist gerade anderweitig beschäftigt. Er wird für mich keine Zeit mehr haben…und dann noch das Kind…“

Sie seufzte und kniff ihre Augen zusammen, damit sie nicht erneut in Tränen ausbrechen würde.

„Du kannst eine Schwangerschaft nicht ewig geheim halten. Das weißt du doch hoffentlich.“

„Natürlich ist mir das bewusst, Shimon. Aber was sollte ich tun? Es war ein falscher Zeitpunkt…“

Sie konnte ihre Tränen nicht mehr unterdrücken, welche nur so ihre Wangen hinunter rangen. Shimon seufzte. Sie hatte recht, der richtige Zeitpunkt war es wirklich nicht gewesen, aber selbst in solchen Situationen dürfte sie sich nicht verlieren. Tröstend legte er seine Hand auf ihren Kopf und erreichte damit, dass Amitiel einen Blick zu ihm wagte.

„Ich weiß, wie schwer es für dich nun werden wird, aber wenn du dich selber aufgibst, dann schädigst du dich nur selber und deinem Kind… Auch wenn es wirklich nicht passend ist, solltest du es dem Pharao erzählen. Es kann sein, dass er zuerst verwirrt sein könnte, aber er dich niemals vernachlässigen….Das weißt du, meine Liebe.“

„Ihr habt ja so recht…Shimon…“

Sein lächeln trocknete ihre Tränen. In Amitiel stieg ein komisches Gefühl hoch. Sie fühlte sich stärker, mutiger und selbstbewusster. Der alte Mann schien wirklich magische Kräfte zu besitzen – so sagte man es ihr.

„Wie kann ich Euch nur danken?“

„Ach…das brauchst du nicht. Das einzige was ich will ist, dass du gesund bleibst und deinem Kind nichts passiert.“

Er stand auf, verließ das Zimmer und ließ sich an dem Tag nicht mehr blicken. Lächelnd schloss Amitiel ihre Augen. Es dauerte nicht lange bis sie einschlief und träumte. Sie träumte von ihrem Kind…

Wie sie es an der Hand hielt und gemeinsam einen unendlichen Weg gingen…
 

Amitiel erwachte in der Nacht plötzlich auf. Schweißgebadet und mit hastigem Atem blickte sie sich umher. Ihr musste erst klar werden, dass sie eingeschlafen ist und dass sie sich in ihrem Gemach befindet. Irgendwer hatte sie zugedeckt und sie umgezogen, aber mit einem Blick zu ihrer Rechten, wurde ihre Frage auch beantwortet. Atemu schlief und wurde durch ihr Erwachen nicht aufgeweckt. Welch ein Glück, dachte sie sich nur. Langsam stand sie auf und trat hinaus auf dem Balkon. Der kühle Wind blies ihr durch die Haare und den frischen Duft atmete sie tief ein. Amitiel versuchte einigermaßen auf den Beinen zu stehen, doch ihr schwindelte ein wenig und sie musste sich wohl oder übel am Steinvorhalt festhalten. Was passiert nur mit mir?

Sie atmete hastiger ein und aus, hoffte, dass es schnell vorrübergehen würde. Ich muss mich beruhigen…Das ist alles ganz normal…

Was es das wirklich? Ihr war es nicht klar, ob das normale Symptome waren. Der Gedanke fürchtete ihr. Was, wenn es nicht so sein sollte? Wäre ihr Leben in Gefahr? Aber sie konnte doch nicht sterben…

Je mehr sie nachdachte, desto mehr wurde ihr nicht bewusst, dass sie anfing zu zittern. Diese Nacht war besonders kalt, anders als die Nächte davor. Sie wollte ins Zimmer zurück, doch irgendetwas fesselte ihr doch zu bleiben. Ihr schien es, als würde in der Ferne etwas aufleuchten. Kaum zu erkennen flackerte ein Licht. Ein kleiner gelber Punkt. Eine Fackel. Plötzlich fing sie an zu schwanken. Was bedeutete dies? Doch plötzlich kam in Amitiel ein Gedanke auf. Lilian…

War sie es, die ihr dieses Zeichen vermachte? Ein Zeichen, dass sie an sie dachte? Wie lange machte sie das schon? Seitdem sie fort war? Amitiel formte mit ihren Händen eine kleine Feuerkugel und warf sie in die Nacht hinaus. Sie hoffte, dass man ihr Zeichen auch erkennen konnte…
 

Der erste Monat ging schneller vorbei als gedacht. In den letzten Wochen wurden viele Versammlungen stattgefunden und viele Entscheidungen mussten fallen. Der Palast war belebter als vorher. Es wurde zum Schutz mehr Wachen aufgestellt, die nachts patrouillierten und vor der Stadtmauer standen. Doch auch Amitiel hat sich verändert. Ihr Bauch begann sich zu wölben. Jeder Außenstehende würde sofort ihre Schwangerschaft erkennen. Gerade deswegen versuchte sie sich mit Schäle zu bedecken. Es war bei dieser warmen Jahreszeit nicht einfach gewesen, jedoch half es ihr um einiges mehr…

„Amitiel, wie lange willst du es noch verheimlichen? Es ist doch auffällig mit einer Anzahl von Schälen im Palast rumzulaufen…Und dann noch bei dieser Hitze…“, meinte Mana.

„Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

„Sage es doch einfach. “

„Das geht eben nicht…“

Mana seufzte. Wann würde Amitiel über ihren Schatten springen?

„Mhm… Mich wundert‘s, dass dein Bauch schon Form annimmt, obwohl du erst im ersten Monat bist.“

„Bei euch Menschen wäre es der dritte Monat gewesen.“

„Bitte was?“

Sprachlos ließ sich Mana auf einem Stuhl fallen.

„Du hast schon richtig gehört. Eigentlich wäre ich im drittem Monat.“

„Ja…aber…“

Amitiel seufzte und trat näher an ihre Freundin heran.

„Weißt du…bei Wesen wie mir verläuft es etwas anders… In der Regel bin ich eigentlich ein Vogel und bei Vögeln geht es nun mal schneller… Ich hätte mir auch gerne gewünscht, dass es länger dauern würde, gerade bei einer Zeit wie diesem… “

„Du meinst den Krieg?“

Amitiel nickte traurig. Mana blickte sie an. Sie verstand, was Amitiel meinte und sie verstand auch, in was für einer schrecklichen Lage sie sich befindet. Ein kleines zierliches Lächeln bildete sich auf ihrem Mund.

„Darf ich dich jedoch fragen, wer noch davon weiß?“

Amitiel blickte sie ganz überrascht an, als ihr klar wurde, was Mana sie eigentlich gefragt hatte.

„Äh…Shimon weiß davon. Ansonsten denke ich gar keiner.“

„Ah…und was sagt Shimon dazu?“

„Er bringt mir immer Tee, damit ich keine Beschwerden habe und ich muss sagen, der wirkt wirklich.“

„Na wenn das so ist… Aber eine Frage hätte ich da schon.“

„Nämlich?“

„Wird es ein Mädchen oder ein Junge?“

Amitiel schwieg vorerst.

„Habe ich etwas falsches gesagt?“, fragte Mana sie ganz zierlich.

„Nein, nein. Es ist nur so…Aufgrund meiner Fähigkeiten kann es nur ein Mädchen werden…“

„Oh… aber was, wenn es doch ein Junge wird?“

„Die Wahrscheinlichkeit bei einem Jungen liegt bei einem Prozent und wenn es ein Junge wäre, dann ohne die Phönix-Kräfte.“

„Das heißt, es wird eine Prinzessin geboren?“

„Ich gehe davon aus, ja.“

Überraschend kreischte Mana herum. Sie freute sich sehr für sie und wollte unbedingt die Hebamme werden. Amitiel hatte nichts dagegen, denn sie vertraute ihrer Freundin sehr. Mana fiel ihr um den Hals und schrie. Sie freute sich so sehr, was für Amitiel wiederrum neu war…

Ja, Amitiel freute sich auch…Sogar sehr…

Der zweite Monat...

„Syrien und Persien haben 500 Meter vor der Stadt ein Lager aufgeschlagen, mein König und meine Königin. Es scheint jedoch, als würden sie Rast machen…“

„Danke, Karim.“

Karim verbeugte sich und verließ das Gemach.

Ein weiterer Monat war vergangen und die beiden Länder sind wahrhaftig in ihr Land, samt Armee und Waffen, eingetreten um es anzugreifen. Amitiel ließ sich weniger im Palst blicken. Aus gutem Grund, denn ihr Äußeres hat sich weit mehr verändert. Die ganzen letzten Abende saß sie am Balkon, blickte in die Nacht hinein und betete unter Tränen zu den Göttern, sie mögen ihr doch um Verzeihung bitten.

„Amitiel?“

Atemu riss sie aus den Gedanken.

„Äh… ja, mein Pharao?“

„Ist etwas mit dir? Du warst die letzten Tage so still und hast dich nicht blicken lassen?“

„Äh…“

Was sollte sie ihm nun sagen?

„Findest du es nicht warm in deinen Kleidern?“

„Äh…“

„Nachts wachst du plötzlich auf und hast Beschwerden.“

„Ihr wollt so einiges von mir wissen, mein König…“

„Ich will nur dein Bestes. Was hast du also?“

„Nun…“

Jetzt musste sie sich schnellstens etwas ausdenken.

„In der Tat geht es mir nicht gut…und äh…ich denke, ich habe etwas Schlechtes gegessen, deswegen auch die Beschwerden…“

Verzweifelt blickte sie ihn in die Augen und hoffte, dass er die Ausrede abkaufen würde. Doch an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er sich nichts vormachen ließ. Amitiel seufzte. Nun musste sie es sagen.

„Ich werde dir glauben…“

Was?, dachte sie sich und blickte überrascht auf. Sie sah ein kleines Lächeln in seinem Blick.

„Um ehrlich zu sein, dachte ich schon, dass du schwanger wärest.“

Was!?

Amitiel lächelte. Die Angst in ihre stieg. Sie stieg schon so weit, dass ihr vorkam, ihr ganzer Körper wäre ein Eisblock.

„Ich und schwanger? Das wäre doch ganz unpassend…“

„Ich weiß!“

Amitiel zuckte zusammen. Hatte sie richtig gehört?

„Es wäre sehr unpassend, deswegen war ich selbst etwas verängstig gewesen…“

Ihre Hände zitterten. Sie merkte, wie ihr Kopf zu schwindeln anfing und hielt sich an einer Stuhllehne fest.

„I-Ihr…braucht nicht verängstig sein. Demnach ist nicht so.“

Sie zwang sich um ein kleines Lächeln. In diesem Moment wäre sie lieber im Erdboden versunken. Ihr war nicht zu Lachen zumute noch spürte sie den Drang irgendwie glücklich zu sein. Aus dem Blickwinkel sah sie nur, wie sich Atemu ihr näherte und neben ihr stehen blieb.

„Danke…“

„Wofür?“, fragte sie sich.

„Dass es dich einfach gibt…“

Erneut zwang sie sich ein Lächeln. Doch in diesem Moment knallten die Türe auf und Karim kam mit den anderen Leibwächtern hereingeplatzt.

„Mein Pharao!“

„Was gibt es?“

„Man verlangt nach Euch!“

„Wer verlangt nach mir?“

„Der syrische Prinz!“

Amitiel riss ihre Augen auf. Nein…nicht der!

„Weshalb verlangt er nach mir in meinem Land!?“

„Ich weiß es nicht…“

Atemu erzürnte. Es war eine Weile her, dass sie ihn wütend sah. Amitiel sprach dazwischen. Sie wollte nicht, dass die Situation eskalierte.

„Ich werde mit dem Prinzen reden!“

Viele überraschende Augen blickten sie tief an.

„Was wollt Ihr?“, fragte Karim sie.

„Ich werde zum Lager gehen und ein nettes Gespräch führen.“

„Seid Ihr Euch da sicher, meine Königin?“, sprach Seto.

Sein typischer eiskalter Blick ließ sie erstarren.

„Wir wollen doch nicht, dass Euch etwas passiert.“

Wie üblich von ihm zeigte er sein zynisches, sarkastisches Lächeln.

Zum Teufel mit Eurem Wollen, hätte Amitiel am liebsten gesagt. Stattdessen stutzte sie.

„Warum? Meint Ihr, Priester, ich würde das nicht hinbekommen?“

Zwar sah man es Seto nicht an, aber in diesem Moment zuckte er zusammen, als sie sie widersetzte.

„Das habe ich nicht gesagt, meine Königin. Ich meinte nur, dass Ihr vorsichtiger sein solltet.“

„Das kann ich sehr gut, danke schön!“

Seto zog nur eine Augenbraue nach oben und blickte sie weiterhin still schweigend an. Amitiel reichte es nun endgültig. Keiner wird ihr mehr sagen, wie sie zu leben hat, oder was das Beste wäre, bzw. was angemessener wäre!

Stampfend verließ sie das Zimmer. Auf den Gängen begegnete sie Mana, der sie beinahe die Obstschale aus den Händen geschlagen hätte, wäre Mana nicht ausgewichen.

„Huch? Was geht bloß in ihr vor?“, fragte sie sich nur.

Amitiel lief direkt zu den Palastpforten, die ihr per Handzeichen geöffnet wurden und ging hinaus. Ihr schien die Sonne ins Gesicht und praktischerweise band sie eines ihrer Schale um den Kopf und vorm Gesicht. Ein komisches Gefühl, den Sand und die Erde unter ihren Füßen zu spüren. Wie lange war es her, dass sie die Stadt betrat? Sie wusste es gar nicht mehr…
 

Sie ignorierte die Menschen um ihr herum, die sie trotz ihrer Verkleidung erkannten und teilweise vor ihr knieten.

„Ist das ihr Ernst, dass sie 500 Meter laufen will?“, fragte sich Atemu.

Er schnappte sich sein Pferd und ritt sogleich los, um Amitiel zu erreichen. Diese hatte schon die Stadt verlassen und lief durch den hohen Sand.

„Amitiel warte!“, rief er ihr zu.

Sie wartete nicht sondern stolzierte weiter.

Atemu kreuzte ihren Weg und blieb vor ihr stehen.

„Wenn du schon zu ihnen willst, dann solltest du nicht zu Fuß hingehen. Der Weg ist weiter als es aussieht. Komm, ich reite dich dorthin.“

Liebend gerne wäre sie zu ihm hochgestiegen, wäre nicht diese Kleinigkeit und ihre lästigen Stimmungsschwankungen.

„Danke, aber ich bevorzuge den Fußweg!“

„Bitte was? Amitiel?“

„Ja?“

„Hast du mir eigentlich zugehört?“

„Das habe ich mein König und wenn Ihr mir zugehört habt, dann möchte ich gerne weiterlaufen.“

Atemu seufzte vergeblich. Diese Frau bringt mich noch um…

„Na schön, dann bleibe wenigstens im Schatten, wenn immerhin das in Ordnung wäre.“

Ohne ein weiteres Wort lief Amitiel weiter. Im Schatten des Pferdes und dem Pharao. Amitiel konnte in der Ferne schon erkennen, dass die anderen sie bemerkt hatten und sich gegenseitig absprachen, wie man das Königpaar am besten begrüßen könnte? Doch plötzlich trat eine ihr bekannte Person auf. Farin!
 

Mit offenen Armen empfang Prinz Farin die beiden. Seine Soldaten standen aufgereiht hinter ihm.

„Welch‘ eine große Freude, dass ihr euch zu uns gesellt. Ihr hattet einen langen Weg.“

Er lächelte sie an, als wäre nichts geschehen. Amitiel blieb erst gar nicht stehen, näherte sich ihm mit zornigem Blick und blieb dicht vor ihm stehen. Ebenso blieb Atemu auf seinem Pferd sitzen und stieg nicht, wie gewohnt, ab.

„Schön dich wiederzusehen, meine Liebste.“, fuhr er fort.

Amitiel zeigte keine Reaktion, sondern zeigte mit einem Finger auf den Sand.

„Kniet nieder!“

Prinz Farin zuckte zusammen.

„Was?“

„Kniet nieder!“

„Hach, du willst mir befehlen? Ich bitte dich, wo sind wir hier?“

„In meinem Land! Hier gelten andere Gesetze! Also: Kniet nieder!! Ich will es nicht noch einmal sagen!“

Mit überraschendem Blick tat er das, was er ihr Befahl und kniete sich missmutig in den Sand. Amitiel spürte, wie sein Atem unregelmäßiger wurde. Herrschend blickte sie auf ihn herab.

„Amitiel was soll das werden? Ich meine…wir hatten uns doch so gut verstanden…“

„Küsst den Ring!“, unterbrach sie ihn.

Ring?“

Sie hielt ihm ihre Hand hin und zeigte ihm ihren Ring, den sie an ihrem Zeigefinger trug und ihren Stand als Königin symbolisierte.

„Was? Aber…Amitiel…“

Sie blickte ihn mit ernstem Blick an. Farin nahm ihre Hand und küsste ihren Ring. Atemu musste in diesem Moment grinsen, als Prinz Farin ihn anschließend anblickte.

„Ich gebe Euch kein Recht mich mit meinem Vornamen anzureden!“

Prinz Farin seufzte.

Königin, wie würdet Ihr…“

Meine Königin!“, korrigierte sie ihn.

Meine Königin…“, er stoppte, da er dachte, sie würde ihn erneut berichtigen. Doch dem war nicht so.

„Wie würdet Ihr es finden, wenn wir uns nicht in mein Zelt zurückziehen und uns dort aussprechen?“, schlug er vor.

Zynisch blickte sie umher und bemerkte die überraschenden Blicke seiner Soldaten. Sie lächelte in sich hinein und fasste eine Entscheidung.

„Nur, wenn wir unter uns sind! Farin!“

„Wie Ihr es wünscht.“

Bevor sie ihm folgte, trat sie zu Atemu zurück.

„Was hast du vor?“

„Ich werde versuchen mit ihm zu verhandeln, dass er unser Land samt seinen Soldaten verlässt und uns endlich in Ruhe lässt.“, sprach sie leise zu ihm.

„Meinst du, du wirst das schaffen?“

„Ich werde es versuchen.“

Sie wandte sich ab und wollte gerade gehen, als Atemu noch einmal ihren Namen rief.

„Amitiel?“

Sie drehte sich ihm um und wartete auf eine Antwort.

„Sei vorsichtig…“

Ihre Antwort war ein kleines nicken. Doch obwohl sie sich so sicher fühlte, fürchtete sie sich um ihr Kind. Sie war im zweiten Monat schwanger. Nicht mehr lange…
 

Amitiel betrat das Zelt. Innen war es recht gemütlich eingerichtet. Kleine Tische, Sitzkissen, Kerzen, etc.

„Bitte, setzt Euch.“, sagte Farin.

Amitiel setzte sich auf eine der Kissen und machte es sich gemütlich.

„Ich hörte, Ihr hattet nach uns verlangt, bzw. nach meinem Mann?“

Deinem Mann? Heißt das, Ihr habt den Pharao geheiratet?“

Von seinem Tonfall aus konnte man denken, dass es nicht verständlich wäre, welches Amitiel nicht verstand.

„Ja, wieso? Sollte ich das etwa nicht?“

„Ihr gabt einmal mir das Wort.“

„Ach echt? Tut mir leid, ich kann mich nicht mehr erinnern.“

„Ich denke schon, dass ihr das könnt!“

Amitiel räusperte sich, bevor sie ihm antworten konnte.

„Nun, sofern ich weiß lief das ganze so ab, dass Euer Vater hinter meinem Rücken – und zwar war es der Moment gewesen, als wir getanzt hatten – mit meinem Gemahl über eine Vermählung gesprochen hat. Erfahren habe ich das durch ihn und – ich versichere – dem zugestimmt habe ich nicht…“

„Und weswegen kam er mit uns?“

„Hm, vielleicht weil er sich bewusst machen wollte, welch schreckliches Land ihr eigentlich seid?“

„Meine Königin, ich weiß nicht, ob ich mich über Antworten wie die Eure amüsieren, oder ernst nehmen sollte. Jedoch denke ich, dass wir zum Üblichen kommen sollten, nämlich, dass wir euer süßes kleines Ländchen in unseren Besitz nehmen wollen!“

Amitiel musste ihre Wut zügeln, sonst würde sie das ganze Zelt in Flammen setzen. Sie dachte erneut an ihr Kind.

„Was genau wollt Ihr von Ägypten, nach dem Ihr Euch so sehr sehnt? Ist es der Sand? Bitte, wir haben genügend davon. Sind es die Schätze? Eigentlich haben wir keine, also demnach… Sind es die Frauen? Tut mir leid, die bekommt Ihr leider nicht.“

„Der eigentlich Grund seid Ihr…“

Amitiel zuckte zusammen.

„Ich?“

Prinz Farin nickte und senkte seinen Blick.

„Ihr müsst wissen, seid wir uns das erste Mal begegnet sind, bin ich in Euch verliebt… Ich sah Euch nur noch an meiner Seite…Vater versprach es…“

„Wo ist Euer Vater?“

„Er ist kurz vor dem Anmarsch erkrankt. Sein Zustand ist kritisch…“

„Das tut mir leid…“

Für kurze Zeit war es still und keiner blickte den anderen an.

„Prinz Farin, warum zieht Ihr nicht mit Eurem Heer zurück nach Hause? Ich gehöre hierher… Ich regiere als Königin an der Seite meines Gemahls. Geht zurück, verliert keinen Eurer Soldaten und das von Persien. Ich bitte darum.“

Es schien, als würde sie erreichen, was sie sich erhoffte. Farin sah nachdenklich aus und lächelte. Doch schien das alles nur eine Fassade gewesen zu sein.

Nein!“, sagte er schlussendlich.

„Was?“

„Ihr habt richtig gehört! Wir werden dieses Land nicht verlassen! Euer Pharao ist ein weiterer Grund geworden!“

„Was wollt Ihr damit meinen?“

„Nun… eine Königin…ohne einen König…kann nicht für immer regieren!“

Amitiel riss ihre Augen auf, als ihr bewusst wurde, was er zu meinen vermag.

„Ihr macht einen großen Fehler, Prinz Farin…“

„Und Ihr solltet uns jetzt verlassen. Ich denke, es ist überaus höflich noch eine Woche zu warten, bevor wir Euren Palast stürmen!“

Sie knirschte ihre Zähne. Wie gerne hätte sie ihn an den Hals gepackt und ihn hinaus geworfen! Wie gerne hätte sie ihn ihre Fähigkeit preis gegeben und ihn an Ort und Stelle erledigt! Doch sie riss sich zusammen und verließ das Zelt. Draußen hatten sich die Leibwachen dazu gesellt. Als sie sie erblickten, warteten sie neugierig auf die Nachrichten.

„Und? Wie ist es gelaufen?“, fragte Karim.

„Nun ja…“, fing Amitiel an. „Er sieht keinen Grund abzureisen und will uns unbedingt angreifen…“, gestand sie.

Eine gefährliche Stille folgte daraufhin. Keiner traute sich darauf zu antworten.

„Also sind wir verloren?“

„Verloren sind wir erst, wenn nichts mehr von uns übrig bleibt!“, sprach Atemu dazwischen. Er trieb sein Pferd an und richtete es auf den Rückweg. Neben Amitiel hielt er an und hielt ihr seine Hand hin. Diese zögerte, lies sich jedoch von ihm hochhelfen. Gemeinsam mit den anderen ritten sie zum Palast zurück. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Farin tatsächlich vorhatte, Atemu gewaltsam von ihr zu trennen. Ebenso konnte sie sich nicht erklären, warum er nach allen, was geschehen ist, nicht aufgab…

„Über was habt ihr gesprochen?“, sagte Atemu plötzlich.

„Nun…über seinen Gedanken, warum er eigentlich hergekommen ist…“

„Und was war sein Gedanke?“

„Wohl oder übel war ich der Gedanke.“

Sie bekam keine Antwort darauf und das verstand sie.

„Mana kam zu mir und meinte, dass sie mit dir besprechen wollte. Am besten gehst du sofort zu ihr, wenn wir wieder im Palast sind.“

„In Ordnung…“

Seit ihrem letzen Satz war es still zwischen ihnen und auch als sie ankamen herrschte eine angespannte Stimmung. Amitiel ging, wie abgemacht, den direkten Weg in Manas Zimmer. Sie war gespannt, was sie ihr erzählen wollte. Hoffentlich etwas positives, nach all dem Negativem…
 

Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr :D Bis demnächst :3

Ihr letzter Atemzug...

Mana schloss die Tür hinter sich zu, als sie die keuchende und panische Amitiel hineinließ. Diese legte sofort ihre Verhüllung ab, sodass ein runder Bauch zum Vorschein kam.

„Das hört sich nicht gerade gut an…Ist es nun bald soweit?“, fragte Mana besorgt.

„In den nächsten Wochen…Mana ich habe so fürchterliche Angst…“

„Das kann ich verstehen…Hast du aber jetzt in der Zwischenzeit mit dem Pharao darüber gesprochen?“

„Nein…und es hat seine Gründe!“

Mana füllte eine Schale mit Wasser auf und brachte es Amitiel, welche das Wasser sofort trank.

„Nicht so schnell, du verschluckst dich noch.“

Amitiel lächelte.

„Du bist ein Engel, Mana…Was würde ich ohne dich nur tun…“

„Oh~ da fällt mir so einiges ein, meine Liebe. Aber wie geht es unserem Nachwuchs?“

„Nun ja, wie du schon meintest dauert es nicht mehr so lange…“

„Welche Gründe meintest du eigentlich?“

„Bitte?“

„Du sprachst vorhin von Gründen, warum du deine Schwangerschaft deinem Mann verheimlichst. Welche sind es?“

Amitiel seufzte. Ungern erinnerte sie sich an die Worte des Pharaos, welche er zu ihr sagte.

„Er dachte schon, dass ich schwanger sei…“

„Und?“

„Ich habe verneint!“

Mana zuckte zusammen, als sie dies hörte.

„Aber Amitiel! Wieso hast du es nicht gesagt, wo du einen passenden Moment gefunden hattest? Willst du etwas warten, bist du dein Kind gebärst?“

„Ja?“, antworte sie schraff.

Mana seufzte und hielt sich ihre Hand an die Stirn.

„Ich kann dich nicht verstehen…Warum nur? Wie auch immer, sieh nur, was ich heute auf dem Markt gekauft habe.“

Sie griff zu einem Korb und holte allerlei Schmuck heraus.

„Schau, diese Armreifen würden dir bestimmt gut stehen und diese Ketten erst einmal…Hach ich beneide dich.“

„Aber ich habe das doch alles gar nicht nötig, Mana…“

„Papperlapapp, als Königin muss du doch besonders schön auffallen…“

Sie steckte ihr die Armreifen an den Arm. Jeden Ring einzeln. Jedes Mal, wenn ein Armreif über ihr Handgelenk streifte, zuckte Amitiel zusammen.

„Bezaubernd!“, sagte Mana stolz. „Und wenn die Ketten dazukommen.“

„Sag mal Mana, hast du auch etwas für dich gekauft? Ich sehe dich kaum mit irgendwelchem Schmuck!“, fiel Amitiel auf.

Mana schwieg vorerst, leerte den Korb auf ihr Bett aus und verteilte den restlichen Schmuck auf dem Laken.

„Mana?“

Diese blickte hoch und tat so, als hätte sie Amitiels letzte Frage überhört.

„Was ist los mit dir? Ich hatte dich etwas gefragt.“

„Verzeiht mir, meine Königin, aber es ist mir nicht gestattet, als Eure Bedienstete, jeglichen Schmuck zu tragen.“

Amitiel zuckte zusammen. Warum benahm sie sich so förmlich?

„Das ist doch Unsinn! Hier! Ich verzichte auf diesen Schmuck und gebe es dir. Schau! Er steht dir viel mehr als mir.“

Die Armreifen standen Mana wirklich besser. Es war unerklärbar, warum Mana keinen Schmuck tragen durfte? Nur weil sie die Königin war? Doch beim Überfliegen des ganzen Schmucks, fiel ihr noch etwas auf.

„Mana? Für wen ist das?“

Sie hielt eine Kette hoch, an der eine Art Amulette und eine Feder hing.

„Ach dies. Das ist für die Prinzessin.“

„Für die…Prinzessin?“, wiederholte Amitiel.

Ihr Blick richtete sich erneut dem Anhänger, der im Sonnenschein wunderschön funkelte.

„Mana, ich weiß nicht, was ich sagen soll…“

„Es reicht, wenn du dich freust. Genauso, wie ich mich darüber gefreut habe.“

Zufrieden blickte sie zu ihren Armreifen hinunter, die Amitiel ihr schenkte.

Doch plötzlich stand Amitiel auf und wickelte sich in ihre Tücher ein.

„Wohin willst du?“, fragte Mana sie verwundert.

„Ich werde in die Bibliothek gehen und dort studieren. Immerhin haben wir nur eine Woche Zeit, bis unsere Stadt von den barbarischen Persern und Syrern überrannt wird.“

Das hatte Mana total vergessen. Syrien war ja eingereist und wollte ihr Land einnehmen.

„Wie wollt ihr gegen die Länder antreten?“

Amitiel blieb stehen, bevor sie die Tür öffnen wollte.

Ich werde gegen sie antreten!“

Mana trat einige Schritte zurück.

„Was? Ist das dein Ernst? Amitiel, du bist schwanger! Du kannst nicht gegen eine Armee antreten!“

„Wer sollte es sonst tun?“

Mana fiel darauf keine Antwort ein. Verdammt, dachte sie sich. Ihre Kräfte waren nicht fortgeschritten genug, wie ihre, damit sie im Kampf zur Hilfe sein könnte.

„Ich muss jetzt gehen, aber ich denke, wir werden uns heute noch über den Weg laufen, Mana.“

Gerade wollte sie die Türklinke senken, als sie ein klappern der Armreifen hörte und ein ziehen an ihrem Kleid spürte.

„Danke…“, hörte sie Manas zärtliche Stimme.

„Gern geschehen…“, antwortete Amitiel daraufhin und verschwand hurtig aus dem Zimmer. Ein kalter Wind wehte durch das Zimmer. Der Wind mit dem süßen Duft des Todes…
 

Amitiel schloss sachte und vorsichtig die Tür zur Bibliothek hinter sich zu. Als sie sich umdrehte erkannte sie das Flackern einer Kerze. Neugierig näherte sie sich dem Licht und entdeckte Kisara, wie sie Bücher in das Regal einsortierte. Kisara erschrak, als sie Amitiel erblickte und ließ vor Schreck die Bücher in ihren Händen fallen.

„Oh nein, das tut mir leid.“, sagte Amitiel.

Mühevoll versuchte sie Kisara beim Aufheben der Bücher zu helfen.

„Könnte ich dir vielleicht helfen?“, fragte sie sie vorsichtig.

„Danke, aber ich denke, ich schaffe das schon.“

Kisaras ruhiger Tonfall verwunderte sie. Sie war doch sonst so schnell gereizt, wenn sie Amitiels Namen hörte.

„Ich helfe, dann geht es viel schneller.“

Sie legte die aufgehobenen Bücher in das Regal und seufzte. In ihrem jetzigen Zustand sollte sie sich eigentlich schonen, aber wie Amitiel nun mal ist, nahm sie jegliche Art von Arbeit an.

„Was führt Euch in die Bibliothek?“, fragte Kisara sie.

Amitiel blickte in die blauen Augen der Person gegenüber.

„Ich…äh…Ich wollte mir nur ein Buch ausleihen…“, stotterte sie.

„Welches wäre es? Vielleicht könnte ich Euch helfen?“

„Danke, ich werde es bestimmt auch alleine finden.“

Schnell wandte sie sich Kisara ab und verschwand zwischen den vielen Regalen. Aber wonach wollte sie denn suchen? Welche Absichten hatte sie? Nach langen Suchen fand sie schließlich ihr langersehntes Buch.

„Gefunden, was Ihr wolltet?“, hörte sie dicht hinter ihr hören.

Amitiel ließ das Buch fallen. Aufgeschlagen lag es auf dem Boden. Ehe sie sich bücken konnte, hatte Kisara das Buch schon aufgehoben und den Titel gelesen. Ihr Blick änderte sich in ein geschocktes und überraschtes.

„Aber…wie?“, fing sie an.

„Komm‘. Wir setzten und lieber hin. Das wäre für mich auch lieber.“

Kisara folgte ihr und setzte sich mit Amitiel an dem Tisch, an dem sie meistens über arbeitete.

„Jetzt wird mir auch einiges klar, warum Ihr Euch so kleidet.“, meinte sie.

„Es ist nicht einfach so etwas vor jedem geheim zu halten.“

„Aber warum verheimlicht Ihr denn das? Es ist doch nichts Schlimmes dabei. Im Gegenteil! Es wird nur darauf gehofft.“, erklärte Kisara.

Amitiel aber rieb sich die Stirn und zweifelte.

„Der Krieg macht mich zu schaffen. Ich weiß nicht, wie ich das bewältigen kann. Aufgrund der Schwangerschaft sind meine Kräfte nicht allzu stark…Ich fürchte mich um unser Land, Kisara…“

Amitiel versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, doch konnte sie nicht verhindern, dass ihre Hände zu zittern anfingen. Kisara legte ihre auf Amitiels und blickte sie mit einem Lächeln an.

„Ich werde an Eurer Seite mitkämpfen!“

Amitiel zuckte zusammen. Hatte sie gerade richtig gehört?

„A-Aber, das geht doch nicht! D-Du kannst mir doch nicht helfen! Sie würden dich umbringen! Ich kann immerhin nicht sterben!“

„Du nicht, aber dein Kind womöglich! Außerdem ist es meine Pflicht Euch zu beschützen! Mein Tod wäre weniger dramatisch als Eurer…“

„Seto würde das nicht verkraften.“, antwortete Amitiel daraufhin.

Kisara nickte. Wie recht sie doch hatte.

„Ja…Er würde meinen Tod nicht verkraften, aber auch er als Leibwache des Königs weiß, was er zu tun hat, auch wenn er sein Leben aufs Spiel setzen würde. Demnach also werde ich Euch im Kampf zur Seite stehen. Gegen zwei mächtige Kreaturen haben Syrien und selbst Persien keine Chance!“

Amitiel fiel ihr um den Hals, wobei Kisara kurz aufschrie vor Schreck.

„Wie könnte ich dir nur danken, Kisara? Wenn du wüsstest, welche Angst ich hatte?“

„Ich kann es mir gut vorstellen, aber Ihr braucht mir nicht zu danken.“

In jeder Person steckt doch eine gute Seele, so musste auch Amitiel feststellen. Kisara schien ihr gegenüber zu Beginn unsympathisch und sie war auch nicht gerade freundlich, aber wie sie nun sehen konnte, war sie eine hilfsbereite junge Frau geworden.

Amitiel ließ von ihr ab und blickte ihr in die Augen.

„Ich wüsste schon, wie ich dir danken würde.“, meinte Amitiel.

„Ach wirklich?“
 

Seto saß in seinem Zimmer und überarbeite Dokumente der letzten Monate um irgendwelche Hinweise auf die angebliche Freundschaft zwischen Ägypten und Syrien zu finden. Doch zu seinem Pech fand er nichts. Nicht mal einen Friedensvertrag, oder eine Bescheinigung für den Einmarsch ins jeweilige Land. Nichts lag vor. Rein gar nichts…

„Verdammt!“, fluchte er.

Er hörte, wie sich seine Zimmertür öffnete und erblickte seine Liebhaberin, die mit Büchern in den Händen versuchte, die Türen wieder zu schließen. Spontan stand Seto auf und half ihr.

„Ach, danke schön.“, sagte Kisara.

„Du hast gearbeitet?“, fragte er kühl.

„Ja wieso nicht? Es ist doch immer meine Arbeit. Außerdem könnte ich dasselbe zu dir sagen.“

„Im Gegensatz zu dir suche ich nach Hinweisen, meine Liebe.“

„Ach und meinst du, ich hätte das nicht getan, mein Lieber?“

Seto zog eine Augenbraue hoch und blickte sie mit seinem eiskalten Blick an.

„Guck‘ mich nicht so an. Du weißt, wie sehr du mich damit verrückt macht.“

„Willst du mich etwa anmachen? Dir sind schon einmal bessere Sprüche eingefallen.“

Er ließ seine Hand über ihr Gesicht gleiten.

„Du weißt, dass es mir als Priester verboten ist. Aber leider muss ich dir widerstehen…“

Hohepriester!“

Seto zuckte zusammen und schaute sie überrascht an.

„W-Was?“

„Ja. Die Königin hat dir deinen Titel wiedergegeben. Deinen Titel als Hohepriester und dafür auch die Rechte sämtliche Räume aufzusuchen.“

Noch immer konnte er nicht fassen, was sein wunderschöner Drache ihm da erzählte.

„Die Königin hat…“

„Ja. Ist das nicht wunderbar?“

Sie fiel um seinen Hals. Endlich konnte sie ihn wieder spüren.

„Wie hast du das geschafft? Ich meine…“

„Nun ja, ich habe an ihrer Seite im Kampf bereitgestellt.“

„Das hat sie zugelassen?“

„J-Ja.“

Seto hätte nie damit gerechnet, dass sie seine Königin doch noch fähig zu etwas war. Aber im inneren war er glücklich seinen Titel wiedergekriegt zu haben. Kisara verschwieg ihm jedoch die weitere Neuigkeit…
 

„Ich hörte, du hast Seto seinen Titel als Hohepriester wiedergegeben?“, fragte am Abend Atemu sie, als sie gerade dabei war ihren Schmuck zu entfernen. Das Licht des Mondes schien ins Zimmer. Amitiel hielt kurz inne, als sie ihn durch den Spiegel anblickte.

„Wieso nicht? Ist es schlimm?“, fragte sie zynisch entgegen.

„Nein, ganz im Gegenteil. Ich find‘s gut, dass du selbst Entscheidungen triffst. Hoffentlich auch dir richtigen?“

Erzürnt knallte sie ihre Kette auf den Tisch. Zu ihrem Glück ging das empfindliche Goldstück nicht kaputt.

„Was wollt Ihr damit aussagen?“

„Ich meine nur, war es gut überdacht? Du weißt, was er dir angetan hat.“

„Es war eine richtige Entscheidung! Immerhin eine, die mir keinen Ärger ins Land bringt!“

Atemu brauchte nicht lange, bis er verstand, woraufhin sie anspielte.

„Gibt’s du etwa mir die Schuld, dass ein eifersüchtiger Nichtsnutz in unser Land rein spaziert und dich mir wegnehmen will?!“

Sein lauter Tonfall fürchtete Amitiel. Vielleicht hatte sie auch ein wenig übertrieben?

„Regt Euch doch nicht so schnell auf.“, sie wollte ungern, dass er wütend wurde.

Doch zu ihrem Bestaunen, seufzte er und hielt sich eine Hand an die Stirn.

„Ich gehe schlafen…Der Tag war anstrengend und morgen wird er nicht anders ausgehen, schätze ich…“

„Gute Nacht…“

Wo war die Zeit gewesen, als er ihr jeden Abend liebevoll einen Gute-Nacht-Kuss gab und zärtlich Ich liebe dich sagte? Wo war die Zeit gewesen, als sie sich erst ineinander verliebten? Als sie sich erst kennenlernten? Als sie sich noch verstecken musste…
 

Die Woche verging schneller, als für alle gedacht. Niemand hoffte, dass dieser Tag je anbrechen würde. In der Nacht davor konnte Amitiel nicht einschlafen. Sie blieb wach, beobachtete das Lager des Feindes von ihrem Balkon aus. Das einzige was sie erkannte waren die Flammen der Fackeln. Barbaren, dachte sie sich.

Atemu, seine Leibwachen, Mana, Kisara und Amitiel selber, standen vor dem Stadteingang und blickten in die Ferne. Die Sonne knallte auf den Sand, die Hitze machte allen schwer – Amitiel besonders – und der heiße Wind wehte durch das Land. Sie erkannten, dass sich eine Armee auf dem Weg ihrer Stadt machte, aber sie würden nie einen Schritt in die Stadt wagen.

„Da kommen sie…“, entkam es von Mana.

Ihrer Stimme her konnte man ihre höllische Angst spüren.

Amitiel hingegen blieb taff und bewegte sich in Richtung des Feindes.

Alle Blicke richteten sich ihr zu und keiner wusste, weshalb sie dies gerade tat, aber stattdessen folgten sie ihr. Sie folgten ihr, bis sie schließlich in die Augen Farins blicken konnten.

„Welch einen wundervollen Tag, findet Ihre nicht auch?“

„Nicht anders, als die Tage davor.“, wiedersprach Amitiel ihm.

Farin blickte sie empört an.

„Euch wird noch das Lachen vergehen, meine Liebste. Ihr hättet Euch eben früher für mich entscheiden müssen und nicht…“, sein Blick wanderte zu Atemu, „…für einen wie diesem, der meinen Vater hintergangen war!“

„Mein Mann hat niemanden hintergangen! Euer Vater war es gewesen, der einem hintergangen war.“

„Beleidigt nicht noch einmal meinen Vater! Ihr seht, was hinter mir steht! Wo ist eigentlich Eure? Ihr wollt uns doch nicht etwa mit dem Gesindel angreifen?“

„Deine Armee macht mir keine Angst!“

Ihr Blick erzürnte ihn. Er machte ein Handzeichen, woraufhin einer seiner Männer Amitiel angriff. Blitzschnell stellte Kisara sich dazwischen und schnitt mit einem Dolch seine Kehle durch. Sofort fiel der Soldat auf dem Boden und blieb mit starrem Blick auf den rauen Sand liegen. Ein Lächeln beider Frauen bildete sich auf den Mündern. Farin erschrak und trat einige Schritte zurück.

„Und wie Ihr sehen könnt ist mein Gesindel zu großen Überraschungen bereit.“

Erneut ein Handzeichen und diesmal attackierten gleich zwei Soldaten die beiden Frauen. Doch auch die lagen wenig später Tod am Boden. Amitiel pustete die Flammen an ihrer Hand aus.

„Was seid ihr für Wesen?“, fragte Farin panisch.

Götter!!“, entgegnete Kisara.

Farin brach in lautes Gelächter aus.

„Götter? Dann zeigt doch, was ihr gegen meine Armee und das des Persischen Reiches anrichten könnt!“

Mit diesen Worten verschwand er unter seinen Männern, welche sich sofort kampfbereit aufstellten. Kisara und Amitiel wechselten kurz ihre Blicke, als Kisara sich ihr näherte und etwas in ihr Ohr flüsterte.

„Bleibt hinter mir.“

Amitiel nickte bloß, als Kisara vor ihr trat und ihre Augen schloss. Seto zuckte zusammen als er sie so sah. Er hoffte sehr im Inneren, dass ihr nichts zustoßen würde. Kisara leuchtete in ein helles Licht auf und ihre langen Haare flogen im Wind. Anschließend riss sie ihre Augen weit auf, welche blau leuchteten und schrie aus der Seele hinaus. Das nächste, was Amitiel zu sehen bekam, war die Gestalt eines gewaltigen weißen Drachens mit demselben eiskalten Blick, die Seto ähnelten.

Viele der Soldaten fürchteten sich vor der Gestalt des Drachens und traten einige Schritte zurück. Einige – so meinte man – seien umgekehrt und hätten Schutz in den Zelten gesucht.

„Dann zeig mal, was du drauf hast, Kisara.“, sagte Amitiel als sie sich mit flammenden Händen und roten Augen in die Meute drängte und einen nach dem anderen umbrachte…
 

Der Kampf dauerte ewig…

Man wusste nicht, ob bereits hunderte oder tausende Soldaten gefallen waren…

Tief im inneren des Kampfes wütete ein weißer Drachen und am Rande des Schlachtfelds stand Amitiel mit lodernden Händen und verbrannte jeden, der sich ihr in den Weg stellte. Die Hitze der Sonne erschwerte ihre Taten um ein vielfaches, der Wind wehte feine Sandkörner in die Augen und behinderte die Sicht beider Völker. Amitiels Kräfte wurden schwächer. Ihr Atem wurde schwerer und sie spürte, wie ihr Unterleib zu Schmerzen begann. Nein, jetzt war nicht der richtige Augenblick, sie musste durchhalten! Sie durfte nicht einmal daran denken!

„Mein Prinz!“, sprach ein kniender Soldat.

„Sprich!“, befahl dieser.

„Mir scheint, als hätten wir die Götter erzürnt, mein Prinz…Vielleicht sollten wir uns zurückziehen und dieses Land in Ruhe lassen…“

Farin erzürnte, als er dies von dem armseligen Soldaten hörte.

Nichtsnutziger Mann!“

Er schubste ihn zur Seite, sodass der Soldat ruckartig auf den Boden fiel.

„Bringt mir Pfeil und Bogen!“

Sofort brachte einer seiner Gehilfen die erwünschten Waffen und richtete sie auf. Sein Ziel: Kisara!

Er spannte den Bogen und zielte auf die Gestalt des Drachens. Der schöne Drache, wie er sich elegant gegen jede Gefahr wehrte und die Angriffe der Perser auswich. Farin zweifelte erst. Sollte er diese schöne Gestalt wirklich umbringen? Oder fangen und ausstopfen? Oder ihn zähmen, sodass er seinen Befehlen gehorchen würde? Kisaras kalter Blick traf ihn und bemerkte den Pfeil, der auf sie gerichtet war. Amitiel durchblickte seine Absichten.

„Kisara! Nicht!!“, schrie sie ihr zu.

Doch durch die weite Entfernung, die sich zwischen sich hatten, war es nutzlos.

Sofort reagierte sie, transformierte sich mit ihrer letzten Kraft in ihre Phönix-Gestalt und flog zu ihr. Im letzten Moment…schoss Farin den Pfeil ab…
 

Setos Hände zitterten…

Aber auch nicht nur seine, sondern allen der Anwesenden…

Mana stockte der Atem, als sie die beweglose Gestalt des Drachen sah. Er stand noch, bewegte sich jedoch nicht und man ahnte das schlimme. Atemu entdeckte Amitiel nicht.

„Amitiel?“, rief er.

Keine Antwort…

„Amitiel?“, versuchte er es erneut.

Erneut keine Antwort. Sein Atem wurde schwerer. Verdammt, bitte nicht!

Sofort rannte er los.

„Kisara?“

Seto hoffte, dass der Pfeil sie verfehlt hätte, aber einen gewaltigen Drachen konnte man schwer verfehlen. Auch er rannte los um an ihrer Seite zu sein. Kurz bevor sie sie erreichen konnten, rührte sich Kisara und drehte ihren Kopf zu ihnen. In ihren Augen sah man, dass etwas nicht stimmte.

„Nein…“, entfloh es aus Atemu.

Er näherte sich ihr und erblickte seine Amitiel, wie sie am Boden hockte. Der Pfeil steckte in ihrer linken Brust. Kisara nahm ihre menschliche Gestalt. Sie blieb unversehrt. Seto fiel ein Stein vom Herzen. Sofort fiel er um ihren Hals und küsste sie. Doch Kisara löste sich schnell von seinen Armen und wandte sich Amitiel zu. Ihr Atem war sehr schwach und ihr Blick leer.

„Sie stellte sich vor mir und wehrte den Pfeil ab…“, sagte Kisara mit tränenden Augen. Das Kleid, welches Amitiel trug, lief auf der ganzen linken Seite rot an.

„Wir müssen sie zurück in den Palast bringen! Shimon könnte ihr vielleicht helfen.“, sagte Atemu.

„Ich übernehme das.“, sagte Seto und hob die reglose Amitiel vorsichtig auf.

„Seid vorsichtig, Cousin.“

„Das werde ich.“

Kisara folgte ihm. Atemu blickte ihnen hinterher, als er Schritte hörte. Ruckartig drehte er sich um und erblickte Farin. Mit gesenktem Blick näherte er sich dem Pharao und blieb mit genügend Abstand vor ihm stehen.

„Habt Ihr endlich erreicht, was Ihr erreichen wolltet? Prinz Farin?“

Farin widersetzte seinen Blick.

„Dem Pharao nicht zu antworten zeigte von großer Respektlosigkeit!“

Erzürnt näherte er sich ihm und griff nach seinem Hals.

„Antwortet mir!“

„I-Ich…“

Farin kam nicht dazu ihm zu antworten, denn Atemus Griff war einfach viel zu stark.

Mit Mühe entriss er sich ihm und konnte ihm eine Antwort geben.

„I-Ich wollte nie…dass ihr etwas zustößt…“

Lügner!!“

„Ich gebe Euch mein Wort…“

Atemus Augen erröteten sich vor Zorn.

„Verlasst mein Land und wagt Ihr einen Schritt auf diesen Boden, dann schwöre ich, dass Ihr kopflos zurückgeschickt werdet!“

Farins Angst stieg an. Welch düstere Wörter sein Gegenüber ihm sagte, obwohl er im selben Alter war.

„Ihr habt mein Wort…“, und mit diesen Worten wandte sich Farin ihn ab und verließ das Land…
 

Amitiel schrie. Shimon hatte ihr Pfeil herausgezogen und eine heilende Salbe auf die Wunde gelegt. Doch Amitiel schrie nicht nur aus diesem Grund…

Sie rief nach ihrer Freundin Mana, nach Shimon, sie sollen ihr helfen.

„Mana, hilf mir sie hinzulegen.“, sagte Shimon.

Gemeinsam legten sie Amitiel auf ein Bett.

„Sie ist sehr schwach, du musst mir helfen, Mana!“

„Ich versuche es.“

„W-Wo… i-ist…“, versuchte Amitiel etwas zu sagen.

„Ihr dürft jetzt nicht reden, meine Königin. Euer Körper ist zu sehr geschwächt!“

Shimon versuchte sie mit seiner Stimme zu beruhigen, doch ihre Schmerzen waren zu stark. Sie konnte nicht sterben…Aber womöglich ihr Kind…

Als sie ihre Augen öffnete, spürte sie eine ihr unbekannte Präsenz im Raum. Verwundert blickte sie sich um.

„W-Wer ist da?“, fragte sie.

„Amitiel! Hier sind nur Shimon, Isis und ich im Raum! Sonst niemand.“, erklärte ihr Mana.

„N-Nein…hier ist noch jemand…“

„Du hast eine starke Seele…mein Kind…“

„W-Wer ist da?“, fragte sich Mana.

„Amitiel, hier ist niemand.“, versuchte Mana weiterhin ihr zu erklären.

In diesem Moment musste Amitiel erneut schreien.

Wer, verdammt, befindet sich hier noch im Raum?, sagte sie sich.

„Es ist nutzlos…Deine Freunde können mich nicht sehen.“, sagte erneut diese Stimme.

„Wer bist du?“

„Ich? Ich bin eine der Götter Ägyptens, meine Liebe…“

„Götter Ägyptens?“

„Shimon! Mit wem redet sie?“

„Ich weiß es nicht, Mana. Lass sie reden, wir müssen uns hier rauf konzentrieren! Stütze ihr Kopf ab!“

Amitiel spürte, wie man ihren Kopf anhob.

„Amitiel? Ich bin hier, weil ich dir etwas sagen muss…“

„Was wollt Ihr mir sagen?“

„Dein Kind…Amitiel…wird die Geburt nicht überleben.“

Nein!“, schrie sie unter Tränen.

Das durfte nicht sein! So lange musste sie warten und am Schluss war alles umsonst?

„Aber es gibt noch eine Möglichkeit sein Leben zu retten.“

Sein? W-Wollt Ihr damit sagen…“

„Ja, Amitiel…Du bekommst einen Sohn…“

„Einen Sohn…“

Amitiel schloss ihre Augen…

Einen Sohn bekommt sie also. Sie wusste, was es bedeutete. Ihr Sohn würde nicht ihre Fähigkeiten übernehmen.

Er wäre ein ganz normaler Mensch…

So, wie sie es immer sein wollte…
 

In diesem Moment spürte sie weder Schmerzen, noch hörte sie die schreienden Rufe von Shimon. Als sie ihre Augen öffnete, befand sie sich an einem ihr unbekannten Ort.

„Wo bin ich hier?“

Verwundert blickte sie sich um. Sie befand sich nicht mehr im Raum, sie befand sich an einem recht wunderschönen Garten. Doch nicht in einem üblichen Garten, wie sie es aus ihrer Heimat kannte.

„Das, Amitiel, ist die Zukunft. Dieser Ort hier nennt sich Domino City…“

„Die Zukunft?“

Plötzlich lief an ihr ein kleines Mädchen vorbei. Ein Mädchen mit blonden Haaren und einer schwarz-lila Strähne.

„Wer ist das?“

„Das bist du! In 3000 Jahren. Dein Name lautet Naél.“

„Naél…“

Sie beobachtete das Mädchen, wie es durch den Park lief, als es plötzlich vor einer Unterführung stehen blieb.

„Was…?“

Zögernd lief das Mädchen durch die Unterführung und verschwand im Tunnel.

Amitiel rannte dem Mädchen hinterher und blieb am Tunneleingang stehen. Sie sah, wie einige Jugendliche sie belästigten und sie am vorbeigehen hinderten.

„Hört auf damit! Lasst sie ihn Ruhe!“, schrie Amitiel, doch anscheinend konnte keiner sie hören. Das Mädchen schrie und man konnte ihre Angst spüren.

„Wieso hilft ihr denn keiner?“

In dem Moment lief gerade jemand an der Unterführung vorbei. Amitiel stellte sich ihm in den Weg, sprach ihn an, er solle doch etwas unternehmen, aber die Person lief einfach durch sie hindurch. In ihrem inneren wuchs die Wut. Ihre Augen verfärbten sich blutrot.

Ihr blieb wohl keine andere Chance…

Sie musste alleine gegen diese Jugendlichen klar kommen…
 

„Grausam…was ihr mit der Seele eines kleinem Mädchens antut! Wirklich grausam…“, sagte sie.

Die vier Jungs, die das Mädchen festhielten, blickten sie an

„Habt ihr keine Vernunft?“, fragte sie erneut die Gruppe.

„Wer bist du?“, fragte einer der Jungs.

Amitiel lächelte.

„Das ist dir egal!“, konterte sie. „

Nein! Sonst hätte ich nicht gefragt!“

„Lasst das Mädchen frei.“

Der Junge lächelte sarkastisch.

„Und warum?“, fragte er.

Amitiel sah, wie er mit einem Handzeichen zwei seiner Freunde auf sie losschickte, doch das würde ihm nichts bringen. Sie machte eine Handbewegung und prompt…lagen die zwei leblos auf dem Boden.

Vor Schreck ließ der Junge das junge Mädchen los, welche auf dem Boden fiel und vor Schmerz aufschrie. Das Mädchen quälte sich und mit Mühe drehte sie sich um und blickte in die Augen von Amitiel. Anschließend hielt sie sich jedoch eine Hand vor dem Mund. Amitiel blickte an sich hinunter.

Natürlich… Sie hatte sich transformiert. Ihre Hände loderten und ihr Blick müsste blutrot sein.

„Was bist du?!“, wurde sie gefragt.

Als Antwort lächelte sie ihn an und näherte sich ihm. Sie sah noch, wie das Mädchen aus Angst ihre Augen zukniff. Bei jedem Schritt, den sie machte, trat der Junge einige Schritte nach hinten, bis sie schließlich eine erneute Handbewegung machte und der Junge in Flammen aufging. Das einzige was von ihm zurückblieb, war ein Schrei…
 

Amitiel lächelte siegreich.

Sie blickte nach unten und bemerkte das zitternde Mädchen, kniete zu ihr herunter und legte ihre Hand auf ihren Arm. Sofort riss das Mädchen ihre Augen auf. Welch' wunderschöne Augen…, dachte sie sich in diesem Moment.

„Beruhige dich…Es ist vorbei…“

Sie half dem Mädchen beim Aufstehen.

„Danke…“, konnte diese zerbrechlich sagen

Amitiel lächelte.

„Dafür gibt es nichts zu danken.“

Das Mädchen beobachtete sie aufmerksam.

„Du könntest deinen Sohn retten, wenn du diesem Mädchen deine Kräfte vermachten würdest…“

Amitiel zweifelte, was ihr dieser Gott sagte. Wenn sie diesem ihre Kraft übergeben würde, hieße das ihr Tod…

Jedoch würde sie ein anderes retten…

„Was war das eben? Was hast du mit den anderen getan?“, fragte das Mädchen plötzlich.

Amitiel blickte sie verwundert an und lächelte schließlich.

„Fragen über Fragen…Das wird sich noch alles aufklären…Aber ich bin hier, weil ich dir etwas geben will…“

„Was willst du mir geben?“

Amitiel hielt kurz inne und nahm tief Luft.

„Ich habe großen Mut in deinem Herzen gesehen. Kraft und Güte…Ich werde dir ein Geschenk überreichen, welches dir Schutz für dich und deine Familie bringen soll… Benutze es weise.“

Somit berührte sie die Stirn des kleinen Mädchens. Ihre Kraft durchrann durch ihren Körper, verließ ihren und überging zu dem des Mädchens, welche vor Schmerzen schrie.

Ihr tat das Mädchen leid…

Sie konnte ihre Schreie und ihre Tränen nicht sehen, wollte sie loslassen, aber sie musste ihren Sohn retten…
 

Amitiel zog ihre Hand weg, als es vollbracht war. Das Mädchen atmete hastig ein und aus.

„Meine Aufgabe ist hiermit getan…Mögest du ab jetzt ein besseres Leben führen, mit der Kraft des Phönix‘…“

Sie wandte sich ihr ab und lief in Richtung des Ausganges, wo die Gottheit schon auf sie wartete.

„Warte!“, rief das Mädchen ihr nach.

Amitiel drehte sich ein letztes Mal ihr um und blickte ihr in die ebenfalls lila schimmernden Augen. Das Mädchen zog sich mühsam an der Wand hoch und näherte sich ihr mit wackeligen Beinen.

„Wie heißt du?“

Amitiel lächelte.

„Ich bin Amitiel…“

„Amitiel? Ich kenne keine Amitiel!“, sagte sie.

„Das ist auch besser so…“

Mit diesem Satz löste sie sich in Luft auf und verließ diese Welt. Sie hatte ihre letzte Aufgabe vollbracht und konnte in Frieden Ruhen. Ihr letzter Atemzug…
 

Endlich ist dieses Kapitel fertig ~____________~

Trotz meiner (erneuten) Krankheit habe ich diese Seiten endlich geschafft

*meine finger in heißes Wasser tunk'*

Und hiermit ist auch die Vergangenheit zu Ende und kommen in die Gegenwart zurück

Aber auch die gesamte Geschichte geht langsam dem Ende zu.. *heul*

Bis demnächst

*ganz viele kekse dalass*

:3

<3

Daheim...

Naél öffnete langsam ihre Augen. Sie befand sich in einem ihr unbekannten kleinen Raum und hatte auf einem Futon gelegen. Wo sie nur gelandet war und seit wann sie hier lag, waren ihre ersten Fragen gewesen.

Ihr Blick richtete sich auf die Person, die neben ihr lag.

„Oh nein…“, entwich es ihr.

Wer hatte sie hierher gebracht und warum tat ihr Kopf so weh?

Naél fiel ihre farbige Strähne ins Gesicht, die sie sofort wieder zurückstrich.

„Ich bin wirklich wieder zurück…“

Zu ihrem Erstaunen rangen große Tränen ihr Gesicht entlang.

„ICH BIN WIEDER DAHEIM!!“

Fröhlich sprang sie auf und lief umher, als sie ein nörgeln hörte.

„Sei doch nicht so laut…“

Naél zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte, kniete sich jedoch zu ihm nieder und blickte ihn seine Augen.

„Wir sind wieder zu Hause! Ist das nicht toll?“

Yami zeigte keinerlei Anzeichen von Freude. Nicht einmal ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht und das bemerkte Naél, woraufhin sie besorgt nachfragte.

„W-Was ist denn? Freust du dich denn nicht?“

„Doch…schon. Es ist nur…“

Mit seiner Hand strich er zart über ihre Wangen, als Naél spontan ihren Mund öffnete. Plötzlich ging die Zimmertür auf und Ishizu betrat den Raum.

„Ah, ihr seid aufgewacht. Wie geht es euch, nach all den Erlebnissen?“

Naél stand auf und näherte sich ihr.

„Isis, wie lange haben wir geschlafen?“

„Hm, gute sechs Stunden.“

Sechs Stunden?!“, schrie Naél.

„Euch kam die Zeit länger vor, habe ich recht?“

Naél fand wieder zu sich und nickte als Antwort. Komischerweise konnte sie sich an alles erinnern, was ihr in der Vergangenheit vorgefallen war.

„Ishizu?“

Ihre Stimme war so leise, das man sie überhört hätte.

„Hast du eine Frage?“

„Ist das alles wirklich so geschehen?“

Naéls Blick senkte sich auf den Boden.

„Wenn das so ist, dann hieße es ja, dass die Person, die vor sieben Jahren mich gerettet und mir die Fähigkeit vermach, ich selbst war?“

„Genau so heißt es, Naél.“

„Aber was ist aus mir geworden?“

„Du starbst nachdem du deinem Kind das Leben geschenkt hast.“

Naél stutzte.

„Was wurde aus dem Kind?“

„Euer Sohn, Prinz Laertes, war schon mit seinen jungen Jahren sehr beliebt gewesen. Beim Volk, als auch bei den Frauen.“

Ishizu zauberte ein kleines Lächeln auf Naéls Lippen.

„Ach übrigens – sicher habt ihr euch schon gewundert – ich war so gütig und habe euch in ein Zimmer untergebracht. Die Besucher hätten komisch geguckt, wenn sie euch auf den Boden gesehen hätten.“

„Danke schön, Ishizu.“

Naél nahm ihre Jacke, öffnete die Tür und verließ das Museum. Draußen war es schon dunkel geworden.

„Mein Gott, hoffentlich macht sich Großvater keine Sorgen…“

Yami wollte sich ebenso auf dem Weg machen, als Ishizu ihn auf seine Besorgtheit zu sprechen kam.

„Ihr wisst jetzt, wer sie war. Eigentlich solltet Ihr fröhlich darüber sein.“

„Sie sieht ihr so ähnlich…“

„Nun ja, vom Körper her ist sie Yugis Schwester, von der Seele, ist sie nicht zu verwechseln mit Eurer Gemahlin Amitiel.“

„Ihr habt ja so Recht, Ishizu…“

„Es war mir eine Ehre Euch behilflich zu sein.“

Ishizu wollte sich gerade auf dem Weg machen, als Yami sie davon abhielt.

„Ishizu?“

„Ja?“

„Ich denke, Ihr wisst, worauf ich hinaus will?“

Ishizu lächelte.

„Gibt es eine Möglichkeit?“, fragte er.

„Nun…“, sie näherte sich ihm und blieb vor ihm stehen, „seit sie Euch wiederbegegnet ist, steht es Euch zu sich von Eurem Partner zu trennen.“

„Wirklich?“

Ishizu nickte.

„Wollen wir das angehen, Partner?“, fragte ihn Yugi.

„Wenn ihr euch jedoch trennt, gibt es keinen Weg wieder zusammen zu kommen.“

„Ich denke, das brauchen wir auch nicht, oder?“

Yugi nickte.

Beide waren zutiefst aufgeregt. Wie lange sehnte er sich, in einem eigenen Körper zu leben und nicht immer Yugi auszunutzen. Außerdem würde er Naél somit noch näher kommen und man würde sie nicht als Geschwister ansehen.

„Also dann.“
 

Naél wurde ungeduldig.

„Was braucht er nur so lange?“, fragte sie sich.

Nervös tippte sie mit ihren Fingern an ihrem Arm herum und lief hin und her. Ihr kamen die Erlebnisse wieder hoch…

Naél konnte sich das nicht vorstellen, dass sie tatsächlich mit ihm verheiratet war und zum Schluss auch noch einen Sohn gebar. Lächerlich schüttelte sie den Kopf. Jedoch fiel ihr die Erinnerung vor sieben Jahren wieder ein…

Amitiel – also sie selbst – war diejenige, die sie gerettet hat und im hellen Licht verschwand. Wer würde ihr das schon glauben wollen…

„Yugi, bist du langsam mal fertig?“, schrie sie.

„Ich bin doch schon da!“, kam ihr entgegen.

Yugi lief die Treppen hinunter und stellte sich neben seiner Schwester.

„Warum brauchtest du nur so lange? Was hast du noch gemacht?“

„Ach, ich habe sie noch einiges gefragt, aber hat sich erledigt.“

Yugi lächelte verdächtigt und das bemerkte Naél, ging aber nicht weiter darauf ein.

„Hm, nun gut. Lass uns nach Hause gehen. Großvater macht sich bestimmt große Sorgen.“

Gerade wollte sie losgehen, als jemand an ihre Schulter griff und sie davon abhielt.

„Nicht so schnell, meine Liebe.“

Starr wie festgefroren blieb sie stehen. Sie kannte diese Stimme…

Aber das war unmöglich…

Ihr Bruder stand doch neben ihr, wie kann dann er

„Magst du dich nicht zu mir umdrehen?“

Nein, wollte sie nicht. Sie wollte sich nichts erhoffen und dann enttäuscht werden, falls sie falsch liegen würde. Aber sie lag nicht falsch! Es war seine Stimme! Ganz sicher!

Zögernd drehte sie sich um, sah das kleine hinterhältige Lächeln ihres Bruders, bis sie zu den Augen kam, die sie über alles liebte.
 

„W-Wie ist das möglich?“, stotterte sie.

Yami lächelte.

„Überrascht?“

Naél brachte keinen weiteren Satz aus ihr heraus. Natürlich war sie überrascht, was für eine Frage. Ist das real?, fragte sie sich.

Bevor sie zu sich kommen konnte, bemerkte sie, wie sich ihr gegenüber ihr immer näher kam und anschließend seine warmen, weichen Lippen auf den von ihren lagen. Ja, dies war die Realität. Er stand wirklich vor ihr. Sie erwiderte den Kuss und schloss ihre Augen. Doch diesen innigen Moment konnten sie nicht allzu lange anhalten, da Joey wie wild zu ihnen angerannt kam und außer Atem vor ihnen stehen blieb.

„Welch ein Zufall, dass ich euch hier antreffen.“

Naél hoffte, Joey wäre einige Minuten später gekommen.

„Tristan und die anderen wollen bisschen feiern gehen und fragten, ob ihr nicht auch Lust hättet mitzukommen? Mich würde es auf jeden Fall freuen.“

Naél blickte zu ihrem Bruder und Yami, welche beide mit den Achseln zuckten. „Äh…geht klar. Wann sollen wir uns treffen?“

„Huch? Sehe ich gerade doppelt, oder warum stehen Yugi und der Pharao so weit auseinander? Naja egal, jedenfalls wollten wir uns gegen 20.30 Uhr dort treffen. Wolltet ihr euch noch fertig machen?“

Naél hielt sich ihre Hand gegen die Stirn. Das war gerade wieder typisch Joey.

„Es wäre wirklich nett.“, sagte sie.

„Na worauf warten wir dann?“

Gemeinsam liefen sie die dunklen Straßen von Domino City hinab. Naél zog ein kleines inniges Lächeln. Es fühlte sich gut, wieder in ihrer eigenen Haut zu stecken, auch wenn es in ihrem früheren Leben nicht wenig abenteuerlustig war. Aber daheim war es immer noch am besten…

Daheim bei ihrer Familie…

Einfach nur daheim…

Eine große Fete und der Morgen danach…

Joey hatte es dann doch noch gemerkt, dass Yugi und Yami ihre eigenen Körper hatten und klebte längere Zeit bei Naél, die sich die Situation selbst noch erklären musste. Wenn Naél jedoch wüsste, was Joey schon alles gesehen und erlebt hat, hätte sie auch verstanden, warum er dann wenige Minuten später schon wieder zwischen den beiden lief und fröhlich lachte. Joey konnte man einfach nicht verstehen. Aber genau diese Art macht diesen Jungen außergewöhnlich witzig und beliebt.

„Ach da fällt mir gerade ein, als ihr im Museum wart und ich mich zu den anderen gesellen wollte, ist mir dieser Kaiba über den Weg gelaufen.“

„Seto?“, hakte Naél sofort nach.

Joey nickte.

„Ja. Der Ich-kann-alles-besser-Typ mit seiner Visage meinte mal wieder, er müsse mir den Weg versperren und mich anrempeln.“

„Gib zu, Joey, du hast nicht aufgepasst und bist selber an ihn gestoßen.“, meinte Naél prompt.

„Ja, du hast recht.“

In diesem Moment mussten Naél, als auch die anderen anfangen laut zu lachen. Sie konnten sich zu gut vorstellen, wie das Treffen abgelaufen ist.

„Joey, wie er leibt und lebt. Ihr seid beide einfach ein Traumpaar.“, sagte Yugi.

„Hey! Sag‘ das noch einmal und…“

„…und was?“, konterte sie.

Mit ihrem durchdringenden Blick schaffte sie es Joey doch noch zu erweichen. Er nuschelte Worte, die sie nicht verstehen konnte, als sie spontan ihren Arm um ihn schlang und er sie überraschend anblickte.

„Steh‘ es dir ein… Du stehst auf ihn.“

Joey wurde rot, woraufhin Naél zynisch lächelte.

„Was sollte ich mit einem stinkenden Geschäftsführer anfangen, der nur sich und seine Firma im Auge hat.“

Naél ließ von ihm los, als ihr die Erinnerungen hochkamen, bevor sie diese Zeitreise machte. Yami griff nach ihrer kalten Hand. Sofort fiel ihr Blick auf seinen und auf sein Lächeln, die sie wieder in die Realität zurückholten. Er hatte völlig recht. Sie musste ihn vergessen…

Yami zog sie näher zu sich, umarmte sie und gab ihr noch, während sie liefen, einen Stirnkuss.

„Ähm…“, fing Joey an zu sagen, „Wie darf ich das eigentlich zwischen euch nun verstehen? Ihr seid doch keine Geschwister, oder?“

„Nein.“, antwortete Yami, „Das sind wir nicht.“

Naél schien, als wollte er noch etwas dazu sagen, es aber nicht tat. Sie hatte ahnte schon das gewisse.

„Na wenn das so ist, dann braucht man sich ja keine Sorgen machen.“, meinte noch Joey.

Naél blieb nichts anderes übrig als zu lächeln und den Jungs das Wort zu überlassen.
 

Naéls Körper zitterte, als sie den Spielladen ihres Großvaters erblickte. Der Laden selbst war geschlossen, aber im eigentlichen Wohnhaus brannte noch Licht, was so viel bedeutete, dass Großvater noch wach war. Sie löste sich von der Gruppe und rannte sogleich los, öffnete die Tür und lief ins Wohnzimmer, indem der alte Salomon sehnlichst auf sie wartete.

„Großvater!“, rief Naél.

Sofort bildeten sich Tränen in ihrem Gesicht. Salomon sprang vom seinem Sessel auf und entgegnete seine Enkelin mit einer festen Umarmung.

„Was ist denn los? Wo ist dein Bruder?“, fragte er.

Yugi und die anderen betraten in diesem Augenblick erst das Haus, bevor sie dann ebenso das Wohnzimmer aufsuchten. Bei dem Anblick von Yami und Yugi, fiel Salomon vor Schreck in seinem Sessel zurück.

„W-Was…Aber wie ist das möglich?“, fragte er.

„Das ist eine laaaange Geschichte.“, antwortete Naél.

Ihr Großvater seufzte.

„Lange Geschichten habe ich in meinen Jahren schon oft genug gehört und selbst welche erlebt. Dann fangt mal an zu erzählen.“

Naél grinste verlegend.

„Äh… Nun ja, eigentlich wollte ich dich um Erlaubnis bitten, ob wir heute Abend feiern gehen könnten?“

„Feiern? Heute noch? Aber Naél! Es ist doch schon nach halb elf.“

„Ach bitte Opa…“, flehte sie auf Knien und gefalteten Händen.

Dieser seufzte nur schwer und erlaubte es ihnen schließlich. Springend kreischend lief Naél in Yugis Zimmer hoch und durchwühlte ihren Koffer nach passenden Kleidern.

„So kenne ich meine Naél…Immer um alles flehen…“

Sein Blick fiel auf den von Yami.

„Und ihr habt euch entschlossen getrennte Wege zu gehen, ja?“

Yugi nickte.

„Ich denke, das war eine richtige Entscheidung, denn so können wir getrennte Wege gehen.“

Salomon lächelte. Er kannte seinen Enkel sehr gut und er wusste, dass er das richtige tun würde.

„Und ihr wart also im alten ägyptischen Museum? Habt ihr dort Ishizu getroffen?“

„Ja. Ich soll dir von ihr grüßen.“

„Ah, danke…“

„Großvater?“

„Hm?“

„Hast du dir große Sorgen um uns gemacht?“

Yugis Großvater lächelte und winkte ihm zu sich.

„Weißt du Yugi, ich habe großes Vertrauen zu dir und deiner Schwester, worauf ich sehr stolz sein kann. Ihr seid keine zehn mehr und habt Erfahrungen gesammelt. Das eigentliche, was ich damit sagen will ist, dass ich mir keine so großen Sorgen in Eurer Abwesenheit mache…“

Ein kleines Lächeln bildete sich auf Yugis Mund.

„…Aber das heißt noch lange nicht, dass ihr euch bis 22 Uhr draußen aufhalten müsst!“, entgegnete er ihm noch.

Yugi fiel rückwärts auf dem Boden und lies einen kurzen schmerzvollen Schrei auf, woraufhin alle im Raum anfingen zu lachen. Seinem Großvater fiel nichts Weiteres ein, als ein zwinkern.
 

„Brauchen Frauen immer so lange um sich umzuziehen?“, fragte Joey gelangweilt.

Eine ganze halbe Stunde warteten sie auf Naél, damit sie endlich zu den anderen gehen konnte, die womöglich schon auf der Tanzfläche tanzten.

„Naél beeile dich ein wenig!“, rief er ihr zu.

„Jaja, komm ja schon.“, kam es entgegen.

Joey seufzte, als man auf den Treppen zwei elegante, schwarze, hochhakigen Schuhe erblickte, gefolgt von einem schwarzem Kleid, das bis über die Knie reichte. An ihrem Handgelenk klimperten passende Armreifen und eine Kette, die ihr bis ins Dekolleté hing. Ihre Haare hatte sie sich hochgesteckt und mit schwarzen Kunstblüten geschmückt.

„Wooooooow“, entging es Joey.

Bei ihrem Anblick erstarrte auch Yami – im positiven Sinne.

„Was?“, fragte sie sich.

„Du siehst wunderschön aus…“

Yamis sanfte Stimme lies Naél einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er reichte ihr eine Hand hin, welches sie sofort entgegnete und sich in seine Arme fallen ließ.

„Du siehst echt heiß aus.“

„Danke, Joey.“

„…aber unpassend für eine Fete!“

„Danke… Bitte was?“

Naél hörte wohl nicht richtig.

„Nichts gegen dich, wie gesagt du siehst umwerfend aus – schuldige mein Freund – aber so geht man vielleicht auf eine Hochzeit, oder zum Essen, aber nicht auf eine Party, wo man tanzt und Spaß hat.“

Naéls fröhlicher Blick wechselte sich sofort in einen eingeschnappten. Nenn mir einen Grund, warum ich ihm nicht den Kopf verdrehen sollte!, sagte sie zu sich.

„Joey, meinst du nicht, dass das so in Ordnung geht?“, fragte Yugi. „Ich meine, sie muss sich doch darin wohlfühlen, oder nicht?“

Danke Bruderherz! Danke!

„Naja wenn ihr meint…Lasst uns einfach jetzt gehen, bevor wir noch später ankommen.“

Joey verließ als erstes das Haus, bevor aber auch Naél einen Fuß hinaus setzte, griff Yugi nach ihrem Arm.

„Er meint das nicht so. Du siehst wirklich toll aus.“

„Danke, ich denke auch, dass er das nicht so ernst meinte. Wollen wir?“

Er nickte und verließ gemeinsam mit Naél das Haus…
 

„Wo bleiben sie? Es ist schon viertel nach elf!“

„Bleib gelassen Tea. Vor Mitternacht ist doch eh nichts los.“, sagte Tristan.

„Du hast ja vielleicht recht, aber dennoch…“

„Na nun schau doch mal dort. Ich glaube das sind sie doch.“

Joeys fuchtelnde Arme konnte keiner übersehen. Teas Blick fiel sofort auf Naél, welche Hand in Hand mit ihrem Yami durch die Nacht lief. Doch dann fiel ihr Blick auf Yugi.

„Aber seit wann…“

„Hey! Wie geht’s euch denn so? Musstet ihr lange warten? Tut mir leid, aber die Dame hier konnte sich nicht für das passende Outfit entscheiden.“

Yugi und Yami mussten Naél zurückdrängen, damit sie nicht wirklich Joey den Kopf verdrehen würde.

„Und worauf warten wir? Auf morgen? Lasst uns reingehen!“, und sofort verschwand er durch die Tür, gefolgt von den anderen.

Die Musik dröhnte in ihren Ohren und die verschiedenen Farblichter verbesserte die Umgebung noch mehr.

„Joey warte! Nicht so schnell!“, rief ihm Tristan hinterher.

Joey hatte seinen Rhythmus schon gefunden und bewegte sich passend zur Musik.

„Na kommt schon!“

Naél befand sich zum ersten Mal an so einem Ort, indem man Spaß haben sollte. Sie spürte einen festeren Händedruck, als sie ihren Blick auf ihre Hand richtete, die noch immer von Yami festgehalten wurde.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er sie.

Naél blickte bloß als Antwort und lief hinter den anderen her. Undbemerkt von den zynischen Blicken Teas. Joey kam – ebenso wie Tristan – mit Bechern in den Händen zu den anderen zurück und überreichte jedem einen.

„Hier, probier das mal.“, sagte er zu Naél, die verwundert blickte.

„Was ist das?“

„Ach, damit wirst du aufgelockerter. Probier einfach mal.“

Sie probierte einen gewagten Schluck.

„Pfui! Das schmeckt ja widerlich!“

„Daran gewöhnt man sich schon noch!“

„Übertreib es aber nicht, Joey!“, sagte Yugi.

Dieser fuchtelte bloß mit den Händen und ging mit Tristan zurück auf die Tanzfläche, bei dem sie sofort zwei junge Frauen antanzten.

Naél verkniff sich ein lachen. Es war ein witziger Anblick, wie die beiden Jungs versuchten, andere Mädchens anzubaggern und deren Aufmerksamkeit zu erregen. Doch ihr Blick richtete sich wieder dem Becher und dem Getränk mit dem widerwärtigem Geschmack zu. Tea beobachtete sie gezielt, als sie plötzlich lächeln musste. Sie näherte sich Naél, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie mit sich auf die Tanzfläche.

„Tea, warte! Nicht so schnell!“, sagte Naél.

„Na komm schon. Ihr seid doch zum Spaß hier!“, antwortete sie lachend.

Naél hielt noch immer den Becher in der Hand, welches sie zögernd mit einem Mal austrank. Kurz fuchtelte sie mit ihrem Kopf, als sie ebenso mit Tea die Fläche betrat. Sie fühlte sich im ersten Moment unwohl. Viele Blicke der tanzenden und ihr unbekannten Personen wandten sich ihr zu. War sie wirklich zu auffällig angezogen? Woher sollte sie denn auch wissen, wie man sich zu solchen Feiern anzieht, wenn sie noch nie auf einer war? Tea war auch feiner als sonst angezogen.

„Na komm schon.“

Tea griff nach ihren Händen und versuchte damit Naél zum Tanzen aufzufordern. Naél versuchte dieselben Tanzschritte wie Tea zu machen, doch fiel es ihr schwerer als gedacht.

„Du musst deinen eigenen Rhythmus zur Musik finden. Bleib locker.“

Es fiel Naél schwer diesen Rhythmus zu finden. Es dauerte eine Weile, bis sie sich schließlich der Musik anpasste und mit den anderen feierte…
 

Es war schon weit nach ein Uhr. Der Saal wurde voller, so wie von Tristan vorherbesagt. Die Musik lauter und der Bass stärker. Aus einem einzigen Becher wurden mehrere. Durch das Tanzen hatte sich Naéls Frisur geöffnet und ihre langen Haare schwebten. Sie war nicht mehr nüchtern, das konnte man an ihrem Schwanken feststellen. Auch Joey und Tristan waren nicht mehr fit.

„Hey, Joey!“, versuchte Yugi ihn anzusprechen.

„W-Was gibt’s?“

„Meinst du nicht auch, dass es langsam für heute reicht?“

„S-Spinnst d-du? Es fängt doch erst richtig an.“

Vergeblich ging er zu seinem anderen Ich zurück, der an einer Wand gelehnt seine Freunde beobachtete.

„Findest du nicht auch, dass wir gehen sollten?“

„Mehr als das, ich bin sogar dafür. Ich mache mir nur Sorgen um Naél.“

Naél fiel es immer schwerer auf den Beinen zu bleiben. Wie fiel hatte sie getrunken? Fünf Becher? Sieben? Ihr Kopf fing an zu schmerzen und ihr Blick verschlechterte sich. Sie versuchte sich an Joey zu stützen, der es ebenso nicht so einfach hatte. Verdammt!

Mit mäßigen Schritten entfernte sie sich der Masse und wollte sich für einen Moment hinsetzten. Doch immer wieder wurde sie von anderen Personen weggedrängt und gelang somit immer wieder in die Mitte. Verdammt!

Doch plötzlich merkte sie einen Handgriff und wurde sogleich aus der Menge weggezogen.

„Ich denke, es ist besser, wenn du bei mir bleibst. Wenn man bedenkt, wie angetrunken du bist.“

Naél ging auf die Worte von Yami nicht ein, näherte sich ihm bloß und küsste seine Lippen, die ihn erstarren ließen. Nicht allzu lange dauerte der Kuss, denn kurz danach verschwand sie wieder in die tanzende Menge. Sie fing an zu schwindeln und versuchte dagegen anzukämpfen. Die vielen Personen erschwerten ihr dies und schließlich geschah das, was sie verhindern wollte…

Ihr Blick verdunkelte sich, bis sie bewusstlos wurde…

Was noch in dieser Nacht alles geschah, bekam sie nicht mehr mit…
 

Langsam öffnete sie ihre Augen. Das helle Licht, welches durch das Zimmer schien, ließ ihre Augen wieder zukneifen. Noch immer dröhnte ihr Kopf von der gestrigen Nacht. Was war bloß geschehen? Sie konnte sich an nichts mehr erinnern, außer dem vielen Alkohol. Nörgelnd quälte sie sich aufrecht und rieb sich ihre Augen, als sie zu sich nach unten blickte.

„Ich bin in Unterwäsche…“

Ihr schwarzer BH war das einzige gewesen, welches sie oberhalb trug. Doch dann blickte sie sich mit müden Augen um.

„Das ist nicht das Wohnzimmer…“

Es brauchte seine Weile, bis ihr dies bewusst wurde.

Moment! Das ist nicht das Wohnzimmer!!

Ihre Augen erweiterten sich.

Das ist Yugis Zimmer!!

Ihr Blick wanderte weiter, als sie bemerkte, dass eine weitere Person mit ihr im Bett lag. Naél legte die Decke etwas zur Seite, damit sie die schlafende Person erkennen konnte und diese Person kam ihr mehr als bekannt vor. Es war jedoch nicht ihr Bruder. Als auch noch dessen verschlafenen lila Augen in ihre blickten, schrie Naél sich ihre Seele aus dem Leib.

Warum muss ausgerechnet mir das passieren?

Der Brief...

„W-Was machst du hier?! Mit mir?! Und warum bin ich nicht im Wohnzimmer, sondern in Yugis Zimmer? Und warum hab ich nur Unterwäsche an?!“, fragte sie Yami mit hysterischer Stimme. Dieser ist gerade zu sich gekommen und hatte sich die Stirn gerieben, als er ihr antwortete.

„Sei doch nicht so laut! Die anderen könnten vielleicht noch schlafen…“

„Welche anderen?“

„Joey und Tristan.“

„Die sind auch hier?!“

Gerade als sie sich zurücklegen wollte, stieß sie mit ihrem Hinterkopf an die Bettkante an. Vor Schmerz schrie sie kurz auf und vergrub ihr Gesicht in ihre Hände.

„Alles ok bei dir? Hast du dir sehr wehgetan?“

Vorsichtig beugte er sich über ihr und blickte auf ihr verdecktes Gesicht. Doch sein Blick glitt von ihrem Handgelenk weiter zu ihren zärtlichen Lippen. Er zögerte nicht lange, da lagen seine schon auf die ihren. Naél zuckte kurz zusammen, als sie seine warmen Lippen spürte. Doch als sie spürte, dass seine Hand weiter die Brust hinunterglitt, drückte sie ihn von sich weg.

„Was ist gestern Nacht geschehen?“

Sie bekam ein kleines zynisches Grinsen seinerseits zu sehen, welches ihr überhaupt nicht gefiel.

„Das ist nicht witzig, Yami. Was ist gestern Nacht noch alles geschehen?“

„An was kannst du dich denn noch erinnern?“

„Ich weiß nicht…“, sie hielt sich ihre Hand an die Stirn und kniff ihre Augen zusammen. „Da war diese Tanzfläche, die Menschen, die vielen Lichter…und dann wurde es auf einmal schwarz… Und dann bin ich in dieser Situation aufgewacht!“

„Bei mir…“

Er wollte sich ihr erneut nähern, als sie ihn davon abhielt.

„Was ist noch geschehen? Ich würde es gerne erfahren.“

Yami seufzte. Sie würde nicht aufhören, bis sie es endlich erfahren würde.

„Wir haben miteinander geschlafen!“

Man konnte es Naél ansehen, wie sich ihre Haare sträubten, wie sie ihre Augen aufriss und ihr ganzer Rücken kalt auflief.
 

Das einzige, was sie in diesem Moment wollte, war es, im Erdboden zu versinken. Sie wollte nicht wahr haben, was sie da zu hören bekam.

„W-Wie bitte?“, fragte sie vorsichtig.

Sie bekam wie üblich keine Antwort von ihm. Doch in diesem Moment trat er näher zu ihr. Was ist bloß letzte Nacht geschehen?
 

Yami drückte sie mit einer Hand ins Kissen und strich mit seiner anderen über ihren Hals, weiter über ihre Brust, Bauch und ihren schönen Beinen.

Naél schämte sich ein wenig. Zwar liebte sie ihn und hatte in ihrem früheren Leben einen Sohn von ihm, jedoch lebte sie nun im 21. Jahrhundert und war charakterlich auch zynischer als ihre Vorfahrin.

„W-Was soll das werden, wenn du fertig bist?“, fragte sie ihn.

Sie konnte natürlich schon vorher ahnen, dass er – wie immer – ihr keine Antwort geben würde.

„Ok, langsam fang ich an zu zweifeln, was wirklich vorgefallen war.“

„Ich möchte dich gerne etwas fragen…“

Naéls Herz pochte gegen ihre Brust. In ihrem Kopf flossen so viele Gedanken. Viele Fragen, die er ihr nun stellen würde.

„Die da wäre?“, fragte sie vorsichtig nach.

Er näherte sich ihr noch mehr, sodass sich ihre Lippen wenige Zentimeter entfernt waren und sie seinen Atem auf ihrem Mund spürte. Ihre Hände fingen in diesem Moment an zu zittern.

„Denkst du wirklich, ich falle über meine betrunkene Freundin her?!“, platze es ihm in einem ironischem Ton heraus. Ein fieses Lachen folgte sogleich.

Naél erzürnte, stieß ihn von sich weg und verließ das Zimmer im hurtigen Tempo. Doch vorher griff sie zu ihrer Strickjacke und zog diese über…
 

„Ah guten Morgen, Naél. Hast du gut geschlafen?“

Yugi stand mit einem Frühstückstablett neben dem Esstisch. Gerade als er das Tablett ablegen wollte, lief Naél an ihm vorbei und schaffte es, ihm unabsichtlich zu streifen. Noch gerade konnte Yugi sein Gleichgewicht widerfinden und das Schlimmste verhindern.

„He! Was sollte das denn?“

Doch das einzige, was Yugi im nächsten Moment vernahm, war das zuknallen der Badezimmertür. Ein kleines Seufzen entging Yugi, als er Yami die Treppen hinunter laufen sah.

„Scheint, als hättest du sie wieder zum Kochen gebracht.“

Doch der Angesprochene zuckte mit den Achseln.

„Es war doch nur ein kleiner Scherz.“

„Hm…vielleicht solltest du Tristan und Joey wecken gehen. Sie haben sich auf einem Futon im Wohnzimmer nieder gemacht.

Ohne etwas dazu zu sagen, verschwand Yami im Wohnzimmer.
 

Naél beugte sich über dem Waschbecken. Sie ließ das Wasser laufen und tauchte ihren Kopf ins volle Becken. Nicht sehr lange blieb sie unter Wasser, bis sie nach Luft schnappend ihren Kopf erhob.

Sie dachte an das eben nach. Hatte sie übertrieben? Es war immerhin ein Scherz gewesen…

Doch Naél schüttelte ihren Kopf. Scherz hin oder her! Ihr wäre fast das Herz stehengeblieben! Dann blickte sie auf ihre Arme.

„Diese Stichwunden verheilen wohl nie, was?“

Sie blickte in den Spiegel und erblickte Setos Gesicht im Hintergrund. Naél schrie auf, drehte sich um und sah… nichts… Es war kein weiterer außer ihr im Bad.

„Naél?“

Yugi klopfte an die Tür.

„Ist bei dir alles in Ordnung? Ich habe soeben einen Schrei gehört.“

„Äh…ja, alles in Ordnung, Yugi. I-Ich bin gleich fertig. Einen Moment.“

„Ist gut.“

Naél hörte, wie er sich dem Bad entfernte. Ihr Herz raste noch immer. Was war das bloß? Warum habe ich sein Gesicht im Spiegel gesehen?

Es war ihr unerklärbar…
 

„Naél du siehst so blass aus, ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte Yugi erneut.

Mittlerweile sind auch Tristan und Joey aufgewacht und haben sich noch ganz verschlafen auf eine der Stühle am Esstisch hingesetzt.

Naél hielt ihre Hand an ihrem Arm.

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass alles in bester Ordnung sei…“

Yami beäugte sie skeptisch an. An in ihrem Tonfall konnte er Furcht spüren. Aber wovor?

„Magst du dich auch zu uns setzen?“

Naél antwortete ihm gar nicht, sondern setzte sich still zu ihnen an den Tisch.

„Mein Schädel brummt noch immer…Was ist denn gestern Nacht alles passiert?“, versuchte Joey herauszufinden.

„Wir haben euch über Nacht bei uns untergebracht. Bei eurer gestrigen Lage konnten wir nicht zulassen, dass ihr alleine nach Hause läuft.“

„Danke Mann…“, sagte noch Joey, bevor er sich ans Frühstück machte.

Yamis Blick heftete noch immer an Naéls. Noch immer hielt sie ihren Arm fest und blickte mit leerem Blick auf ihrem Teller. Als er ihre Schulter berührte, zuckte sie zusammen und sah ihn erschrocken an.

„Können wir kurz miteinander reden?“

Naél zögerte, bevor sie ihm ein kurzes Nicken gab und gemeinsam aufstanden.
 

Yami schloss die Zimmertür hinter sich zu. Naél hatte sich derweilen auf einen Stuhl niedergesessen. Langsam näherte er sich ihr und kniete sich vor ihr hin. Von unten versuchte er ihren Blick zu finden.

„Du magst vielleicht deinen Bruder täuschen, aber mir kannst du nichts vormachen. Vor wenigen Minuten warst du noch völlig aufgebracht und nun… So erkenne ich dich nicht wieder! Was ist in der Zeit, als du im Bad warst, geschehen?“

Sie atmete tief ein, bevor sie ihm das Gesehene erzählte.

"Ich habe ihn gesehen!"

"Wen?"

"Seto."
 

In der Kaiba-Villa herrschte größte Aufruhr. Schon früh morgens waren die Bediensteten mit ihrer Arbeit beschäftigt. Seto, der sich mit Mokuba an einem großen Esstisch im Saal niedergelassen hat, hielt in den Händen einen Brief.

„Was liest du da, großer Bruder?“, fragte Mokuba, während er seine Brötchen schmierte. Seto hingegen grinste, lag den Brief beiseite und blickte zu seinem kleineren Bruder.

„Das ist ein Brief der Klinik in Europa. Sie verlangen nach Naél Muto!“

Schicksalhafte Wendung...

Seto hielt den Brief aus der Untersuchungsanstalt noch immer in seinen Händen. Er konnte noch immer nicht glauben, dass sie weiter an Naél Muto forschen wollen und nach ihr verlangten.

„Wirst du das zulassen, großer Bruder?“

Seto lächelte. Natürlich würde er es zulassen. Obwohl Naél ihn abgewiesen hat und er ihr die Freiheit bot, ist die Eifersucht, die ihn plagt, noch immer groß.

„Reich‘ mir bitte das Telefon, Mokuba.“

„Wen willst du anrufen?“

„Tu‘ es einfach bitte.“

Mokuba schwieg und tat widerwillig, was sein großer Bruder ihm befahl. Seto tippte die Nummer ein und hielt den Hörer an sein Ohr.

„Verbindet mich mit der Anstalt!“
 

Naél wollte den restlichen Tag an der frischen Luft verbringen. Sie versuchte nicht an das Geschehen von eben nachzudenken. Der kühle Wind spielte mit ihren Haaren und lies diese in der Luft wehen. Sie hörte die Vögel zwitschern, das Wasser plätschern, die Bäume rascheln. Es genügte nur ihre Augen zu schließen und in einer eigenen Welt zu verschwinden…
 

„Herr Kaiba, wenn Ihr erlaubt uns das zu erklären. Es gibt ein Problem entsprechend der Karte.“

„Was für ein Problem?“

„Nun ja…“, ertönte es aus der anderen Seite des Hörers, „…es kann sehr gut vorkommen, dass Frau Muto nicht für immer in der Karte eingesperrt bleiben kann. Nach einer Weile wird sich die Kraft entfalten und die Karte wird nutzlos werden.“

In jedem Augenblick hätte Seto etwas auf dem Boden geschmissen, wäre etwas in seiner Nähe gewesen.

„Und wie kann man das verhindern?!“

„Nun, genau deswegen wollen wir Frau Muto wieder bei uns aufnehmen, damit ihr weiter forschen können.“

Sein zynisches Grinsen verriet Mokuba, welche Gedanken er hatte. Er würde Naél dorthin schicken. Er würde sie erneut quälen, damit sie sein wird…

Nachdem Kaiba aufgelegt hatte, ging er zu Mokuba und bat ihm um einen Gefallen.

„Kleiner Bruder…“

Mokuba ahnte schon, was er von ihm wollte.

„Könntest du für mich Naél anrufen und sie hierher bitten?“

Sein kleiner Bruder schwieg. Ihm gefiel es nicht, was er mit ihr vorhatte. Aber dennoch nickte er und nahm sofort den Hörer aus Setos Hand. Als Dank strich Seto ihm über die Haare und ging mit einem Lächeln davon.

„Du hast was gut bei mir.“

Seto schloss die Tür und Mokuba war alleine im Zimmer. Stillschweigend tippte er die Nummer von Naéls Haus ein…
 

„Hallo?“, fragte Salomon.

„Äh…hi, hier spricht Mokuba Kaiba. I-Ich wollte gerne mit Naél Muto sprechen?“

„Ah, Mokuba. Tut mir leid, aber die Naél ist leider außer Haus. Sie wollte ein wenig spazieren gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Soll ich ihr etwas ausrichten?“

„Wann kommt sie wieder?“

„Tja…das kann ich schwer sagen…Sie schon eine ganze Weile weg, also wird sie vielleicht schon bald wieder kommen. Soll ich ihr etwas ausrichten?“

„Wo genau ist sie hingegangen?“

„Hmm…Tut mir leid, Mokuba, aber sie könnte überall sein.“

Salomon wunderte sich über Mokubas Art. Er war noch nie so direkt gewesen, oder hätte so dringend nach jemandem gefragt.

„Mokuba?“

„Ja?“

„Ist alles in Ordnung bei dir?“

Er bekam keine Antwort. Stattdessen ertönte ein stilles Tschüss und das Freizeichen. Seufzend legte Salomon den Hörer zurück. Er hoffte, dass seiner Naél nichts zustoßen würde.
 

Naél hingegen hatte sich in einem Cafe niedergelassen und trank ihren Tee still vor sich hin. Es dämmerte schon und der Himmel verfärbte sich in einen gelb-rötlichen Ton. Ein wunderschöner Sonnenuntergang, dachte sie sich. Im nächsten Moment, als sie gerade ihren Tee in der Hand hielt und ihn genüsslich trank, saß sich eine weitere Person zu ihr an den Tisch.

„Ich hoffe es schmeckt dir…“

Sofort fokussierte sie mit ihren Augen die ihr sehr bekannte Person. Mit einem kleinen sarkastischen Lächeln legte sie die Tasse auf den Tisch zurück und hielt ihre Augen geschlossen.

„Ein typisch türkischer schwarzer Tee schmeckt immer, mein Lieber…“

Langsam öffnete sie ihre Augen und blickte in zwei schöne eiskalte blauen.

„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass du im selben Moment, zur selben Zeit und am selben Ort mich in einem Cafe aufsuchst und findest? Ich nehme an…sehr gering.“

Seto lächelte und ließ seine Augen nicht von ihren weichen.

„Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, sofern man einen eingespeicherten Chip in seiner Teuersten platziert, damit man sie zu jeder Zeit an Ort und Stelle finden kann!“

Das Glas in Naéls Hand bekam Risse. Ihre Augen glühten und ihre Wut im Inneren kochte. Erneut konnte Seto ein boshaftes Lächeln nicht verschlagen. Naél hatte schon den Gedanken, den noch heißen Tee in sein Gesicht zu schütten und wutentbrannt das Cafe zu verlassen, als Seto plötzlich zu lachen begann.

„Was gibt es da zu lachen?“, fragte sie zurück.

„Du müsstest dein Gesicht mal sehen. Diese Wut mich zu zerreißen…Das gefällt mir.“

„Und was genau soll daran witzig sein?“

„Das mit dem Chip war ein Scherz! Ich habe dir nie einen platziert. Es war wirklich reiner Zufall, dass ich dich hier sitzen sah.“

Schon wieder wurde sie reingelegt und das zum zweiten Mal am Tag. Sie verlor langsam die Geduld über sich.

„Und wie kommt es, dass du gerade hier vorbeiläufst?“, fragte sie erzürnt zurück.

„Ich war auf dem Weg zu dir.“

„Ohne deine Bediensteten, die dich fahren?“

„Ich gönne ihnen nun mal auch einen freien Tag.“

„So~“

Beide lächelten zynisch, aber Naél blieb trotzdem neugierig.

„Was wolltest du bei mir?“

„Ich wollte dir das zeigen!“

Seto holte den Brief hervor und überreichte ihn Naél. Für einen kurzen Moment konnte er ihre Hand berühren. In dem Moment, wo sie ihm den Brief entnahm. Eine Kälte schoss durch seinen Körper und ließ ihn zittern. Naél hingegen las sich den Brief durch. Erst als sie fertig war, ließ sie den Brief auf den Tisch fallen und blickte mit traurigem, gesenktem Blick aus dem Fenster hinaus. Sowas hatte sie nicht geahnt und nicht gerechtet.

„Mein Urlaub endet aber erst in zwei Monaten. Weswegen wollen sie mich eher zurück haben?“, fragte sie.

Seto erkannte Naél nicht mehr. Warum tat sie plötzlich auf schüchtern? Sie war doch sonst immer die Vorlautige. Eigentlich hatte er mit einem Widersatz gerechnet, aber sofern es aussah, gab sie ihm sich hin.

„Zu mir meinte sie auch nur, dass es ein Problem gibt und dass sie dich gerne wiederhaben wollen. Ich würde dem Zustimmen, sofern du deiner Familie nicht schaden willst.“

Naél überlegte. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie Domino City durchfuhr und ihren Großvater wiedersehen konnte. Sie erinnerte sich, wie sie die Beziehung zwischen Yugi wieder erlangt hatte und wie sie ihre Liebe kennenlernte. Und das alles sollte sie im nächsten Augenblick verlieren?

„Seto, ich kann das nicht. Du hast keine Ahnung was für eine Zeit ich durchgemacht habe. Sieben Jahre lang musste ich für eine dämliche Forschung das Versuchskaninchen sein. Sieben Jahre lang konnte ich meine Familie nicht mehr sehen. Sieben verdammte lange Jahre musste ich unter Schmerzen leiden…Und nun soll es weitergehen?“

„Darf es noch etwas sein?“, fragte plötzlich die Kellnerin.

Naél schüttelte ihren Kopf.

„Nein, aber ich hätte gerne die Rechnung.“

„Kommt sofort.“

Die Kellnerin entfernte sich ihnen und das führte dazu, dass sie sich weiter anschwiegen. Der Himmel verdunkelte sich und Naél fürchtete, dass sich zu Hause alle Sorgen machen würden.

„Ich kann dich sehr gut verstehen, Naél…“, unterbrach Seto das Schweigen, „…aber du musst auch mich verstehen. Ich bat dir meine Hilfe an, deine Kräfte unter Kontrolle zu bringen, da du sie zu der Zeit nicht beherrschen konntest.“

Naél nickte bloß. Seto beugte sich nach vorn und näherte sich ihrem Gesicht.

„Also kannst du auch nicht bestreiten, dass ich es geschafft habe!“

Sie schwieg. Doch plötzlich ergriff Seto ihre Hand und strich diese zärtlich.

„Und du weißt, was deine Abwesenheit bei mir bewirkt hat…“

„Hier die Rechnung.“, sagte plötzlich die Kellnerin.

Naél bezahlte und zögerte nicht lange sich auf dem Weg zu machen. Hastig verließ sie das Cafe. Mit einem kleinen Abstand war ihr Seto auf den Fersen.
 

„Meint ihr nicht auch, dass Naél heute ziemlich lange weg ist?“, fragte Yugi.

Sein Großvater und Yami nickten erdenklich.

„Ich hoffe ja nur, dass ihr nichts passiert ist und dass sie bald nach Hause kommt.“

Yugi hatte sich noch nie solche Sorgen um jemanden gemacht. Er fürchtete, dass er seine Schwester diese Nacht nicht mehr wiedersehen wird…
 

Seto hatte Naél gegen einen Baum gedrückt. Er presste seine Lippen auf ihre und hinderte sie daran sich zu wehren. Mit seiner Hand hielt er ihr Kinn fest und mit der anderen strich er ihr den Arm entlang. Im Dunkeln konnte sie keiner erkennen und auch sonst war der Park verlassen. Was mach‘ ich da nur bloß…

Wen wählst du, Naél?

Mit seiner Zunge befeuchtete Seto ihre Unterlippen. Dieser süße Geschmack machte ihn noch mehr an. Er wunderte sich, warum Naél sich ihm so einfach hergab. Er hatte sich eigentlich einen Kampf erhofft, aber was er bekam war ein langweiliges Kuscheln. Erzürnt griff er nach ihrer Hand und drückte sie gegen den Baumstamm. Naél unterdrückte ihr schreien und blickte ihn mit schmerzhaften Augen an. Seine blauen Augen waren weder eiskalt noch schön. In diesem Fall glühten sie vor Zorn.

„Was ist nur los mit dir? Kannst du dich nicht immerhin wehren, sodass ich meinen Spaß haben kann? Ich erkenne dich überhaupt nicht wieder, Naél!“

Naél lachte Leise.

„Du willst, dass ich mich Wehre, damit du die Oberhand über mich hast?“

Seto schwieg, nachdem er diesen Satz aus ihren Lippen sagte.

„Wo ist der Seto aus meiner Kindheit geblieben? Mit dem ich über all‘ meine Probleme reden konnte? Vor dem die anderen großen Furcht hatten, aber ich Ehrfurcht? Der ein wahrer Freund für mich geworden war…Wo ist er nun?

Er strich seine Hand über ihre tränenden Wangen und wischte die fließenden Tropfen ab.

„Aber er steht doch genau vor dir…“

„Nein! Der Seto, der vor mir steht ist einer, der es nicht erwarten kann mit seiner Jugendliebe zu schlafen und ihm ihre Gefühle egal sind! Der Seto, den ich meine, hätte das alles nicht getan und hätte ihr nichts angetan…“

Beide schwiegen für einen Moment. Der Wind blies einen Hauch in deren Richtung und ließ Haare und Kleidungsstücke wehen.

„Aber wie ich sehe, ist der alte Seto wohl in den Jahren verloren gegangen…“

Naél zog ihn näher an sich und gab ihm einen lustvollen Kuss. Vor Schreck öffnete er seine Lippen, welches Naél ausnutzte um mit ihrer Zunge einzudringen. Setos Hand drang langsam unter ihr Hemd, bis er ihre Brust erreichte und diese zärtlich liebkoste. Naéls Augen waren nicht verschlossen, wie es eigentlich sein sollte. Sie konnte diesen innigen Moment nicht genießen. Nicht mit dieser Person, die sie überhaupt nicht liebte. Aber es war der einzige Weg, wenn sie sich freikaufen wollte…

Seto spürte plötzlich einen Widerdruck und merkte, dass Naél ihn von sich schob.

„Was ist denn?“, fragte er sie mit sorgenvoller Stimme.

Mit gesenktem Blick antwortete sie: „Nicht hier…“

Er verstand sehr gut was sie meinte. Es dauerte nicht lange, da zog er sein Handy heraus und rief in der Villa an.

„Roland? Schick uns eine Limousine zum Park!“
 

Yugi saß nervös am Esstisch. Er wartete sehnlichst auf seine Schwester, die sich seit mehreren Stunden draußen aufhielt. Ihr Teller und das gesamte Besteck wurden nicht angerührt, oder abgeräumt.

„Vielleicht hat sie sich verlaufen? I-Ich meine…sie kennt sich hier nicht sonderlich aus…“

Yami, der vor einem Fenster stand, blickte mit düsterem, aber auch traurigem Blick in die Dunkelheit hinaus.

„Nein, das denke ich nicht…“

„Ich hoffe, dass sie irgendwann doch noch wiederkommt. Es ist schon ziemlich dunkel und spät…“

Yugi traute sich nicht auf die Uhr zu blicken. Er dachte, dass es schon weit nach 23 Uhr sein müsste und die Dunkelheit machte ihn schon weit zu schaffen.

Doch plötzlich klingelte das Telefon. Yugi sprang auf, in der Hoffnung, dass es vielleicht seine Schwester sein könnte und er hatte Glück…

„Naél?“

„H-Hey Bruderherz.“, kam es aus der anderen Seite.

Yamis Neugier wurde dadurch geweckt und versuchte eine Art Verbindung mit ihr aufzunehmen. Es schockierte ihn, bei wem sie sich aufhielt.

„Naél, wo bist du? Ich habe mir Sorgen gemacht!“

„Sorry, Yugi. Ich war sehr beschäftigt gewesen und habe nicht daran gedacht, bei euch anzurufen…I-Ich werde heute bei einer Freundin übernachten.“

„Bei einer Freundin?“, fragte Yugi zurück.

[i)Lüge!, dachte Yami.

„Bei was für einer Freundin? Bei Tea?“

„Nein…Ich habe sie heute in einem Cafe kennengelernt. E-Es ist alles in bester Ordnung, ich werde morgen zum Frühstück da sein. Grüß alle lieb von mir. Gute Nacht, Yugi…“

„Moment! Naél warte!“

Doch im nächsten Moment ertönte das Freizeichen.

Yugi konnte sich das nicht erklären.

„Von welcher Freundin spricht sie nur?“, fragte er.

Yami lächelte in sich hinein. Er versuchte seinen Zorn nicht anmerken zu lassen. Leise verabschiedete er sich von Yugi und verschwand in sein Zimmer. Zur Sicherheit verschließ er die Tür, dann trat er in die Mitte des Raumes und blieb im Mondlicht vor Yugis Schreibtisch stehen und erblickte Naéls Bild. Er nahm es in die Hand und betrachtete es von Nahem.

Warum tust du mir das an…

Und im nächsten Moment…zerbrach das Glas im Bilderrahmen und ließ Risse bilden…
 

Naél tat es leid, ihren Bruder angelogen zu haben. Hätte sie ihm jedoch die Wahrheit gesagt, würde es nur mehr Probleme geben und diese wären dann nur schwer zu lösen.

Sie saß noch eine Weile auf dem Sessel, als sie sich nähernde Schritte hörte. Seine Hand strich über ihre nackte Schulter, weiter über ihren Hals, bis er ihren Kopf zur Seite zog, um seine Lippen auf ihre zu drücken. Als er sich nach einem innigen Moment löste, blickte er in ihre violett schimmernden Augen.

„Es war das Beste so.“

Er bekam ein zierliches Nicken als Antwort. Als er seine Hand weiter nach unter streichen wollte, sprang sie auf und drohte ihm mit ihrer flammenden Hand.

„Damit eins klar ist: Ich mache das hier nur, damit ich mich von dir freikaufen kann! Ich mache das nicht zu meinem Vergnügen!“

Nun kam die Naél zum Vorschein, die er eigentlich sehen wollte. Ihre unermessliche Kraft war atemberaubend. Das einzige Licht, was in diesem Zimmer brannte – abgesehen vom Mondlicht – war der rot-gelbe Schimmer ihrer Flammen. Wie sie ihre Eleganz ausbreitete. Nur zu gerne hätte er sie in ihrer Phönix-Gestalt gesehen.

„Hast du mich verstanden?!“, fragte sie nach.

Sie zog ihn aus seinen Gedanken raus und brachte ein sarkastisches Lächeln zum Vorschein.

„Gewiss, meine Teure…Am nächsten Morgen bist du frei und kannst zu deiner Familie zurückgehen und ich…“, er drückte ihren Arm von sich weg, „…rufe in der Anstalt an und sage, dass ihre Arbeit erledigt sei…Sei es dem so?“

Naél wollte ihm nicht ganz trauen.

„Gib‘ mir dein Wort.“

Seto schwieg für einen Moment, ließ seinen Blick aber immer noch an ihren haften.

„Ich werde dich, deine Familie und der ganze Trupp, der dazugehört, in Ruhe lassen. Ist das in Ordnung so?“

Er wusste, dass sie ihm nur zustimmen konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als den Vorschlag anzunehmen. Naél entzündete ihre Flamme und zog langsam ihren Arm herunter. Sie entfernte sich von ihm und trat ins Mondlicht, indem sie sich von oben bis unten entkleidete. Der Mondschein umrandete ihre Körperfigur und ließ diesen erheblich anziehend wirken. Seto näherte sich ihr, bis er hinter ihr stand und zärtlich ihren Nacken küsste. Seine Arme umschlangen ihre Taille und glitten bis zu ihren Beinen. In ihrem Körper flutete die Gänsehaut und sie versuchte ihre Tränen zu verdrängen. Sie war nichts weiteres als sein Spielzeug… Mehr nichts…
 

Bei ihr zu Hause jedoch, gab es jemanden, der seine Tränen nicht verbergen konnte und der die ganze Nacht über alleine blieb…

Ohne eine warme Seele an seiner Seite…

Er wusste, was ihr wiederfahren war…

Und er wusste, dass es sehr schwer für ihn werden würde, dies zu verkraften…

Wen wählst du?

Das Finale!

Naél war schon lange wach, als die ersten Sonnenstrahlen durch das große Fenster schienen. Seto hingegen schlief noch fest. Sie saß eingewickelt in einer Decke auf dem Fensterbrett und blickte hinaus. Die wunderschöne Morgenröte ließ ihr Herz schmelzen. Doch ihr Herz war nicht mehr das von früher. Es tränte, schmerzte und hörte nicht auf zu flehen, sie solle von dem Ort verschwinden.
 

Sie hatte Yugi versprochen zum Frühstück zu Hause zu sein und das wollte sie auch halten. Die Sonne zeigte ihre ganze Pracht in runder Form. Zwar war sie noch immer in einem rötlichen Kleid, jedoch genügte dies aus, um Naél neue Kraft zu geben. Sie stand auf, näherte sich ihrer Kleidung und zog diese an. Jedes Mal, wenn Seto die Seite wechselte, zuckte sie zusammen. Sie wollte ihn ungern aufwecken, damit sie so schnell wie möglich verschwinden könne. Fertig angezogen blickte sie auf die Uhr. Erst halb acht, dass schaffe ich locker…, dachte sie sich.

Jedoch – wie das Schicksal nun so ist – wurde Seto in diesem Moment wach und blickte mit verschlafenen Augen in sein Zimmer. Als er Naél mit angezogenen Sachen sah, war er ganz aufgewacht.

„Du willst schon gehen?“, fragte er sie.

Naél antwortete ihm nicht. Seto hatte es schon geahnt, dass sie ihm nicht antworten würde, seufzte und stand schließlich auf. Als er sich Naél näherte, bereitete sie sich schon vor, nach hinten auszuweichen. Seine Gestalt kam ihr immer näher und näher, bis er schließlich bei zwei Meter Entfernung vor ihr stehen blieb. Naél verstand nicht, was er damit bezwecken wollte.

„Du siehst mich mit einem Blick an, da denkt man, du willst einen umbringen.“

„Warum bist du so sentimental?“

Seto verzog ein kleines Lächeln, als er ihr näher kam. Nun wich Naél einige Schritte nach hinten aus.

„Ich werde dir nichts tun. Das habe ich dir immerhin versprochen.“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“

Es dauerte eine Weile, bis er ihr antwortete. Er blickte sie an, als würde er sie in Gedanken wieder ausziehen wollen.

„Warum sollte ich es nicht sein?“

„Man stellt einer Frau keine Gegenfrage.“

„Du bist wunderschön und die letzte Nacht war einfach herrlich mit dir.“

Sie wollte ihm nicht ganz glauben. Misstrauisch ging sie auf ihn zu und blickte in seine Augen. Keiner von den beiden sagte etwas, als sie ihn plötzlich umarmte. Seto riss seine Augen auf. So etwas hatte er nicht erwartet…

„Das ist unser Abschied…“, sagte sie.

Seto lächelte schmerzlich und erwiderte ihre Umarmung.

„Ja…das ist er…“

Als sie sich lösten, blickten sie ein letztes Mal in die Augen, bevor Naél das Zimmer verließ.

Seto blickte ihr noch hinter her, bevor er sich auf eines der Sessel setzte und die Hände in seine Haare vergrub und eine kleine Träne vergoss.

„Ich werde dich nie vergessen…mein hübscher Vogel…“

Naél öffnete die große Tür und lief hinaus. Wenige Meter entfernte sie bis zu den Toren. Doch plötzlich blieb sie stehen. Gerade, als sie die Klinke vom Tor herunterdrücken wollte, drehte sie sich um und sah ein letztes Mal auf die prachtvolle Villa…

Ein kleines Lächeln zog über ihr Gesicht. Ich hoffe, dass ich dich nicht das letzte Mal gesehen habe… und mit diesen Worten verschwand sie von dem Grundstück…
 

Naél ging alles noch einmal in ihren Gedanken durch. Angefangen bei ihrer Einfahrt in Domino City. Weiter über ihr früheres Leben mit der Geburt ihres Sohnes Laertes und zum Schluss die Nacht mit Seto…

In ihrer kurzen Zeit hat sie so vieles durchgemacht und nun ist sie frei und kann machen und tun, was sie will!

Sie kann nun endlich mit ihrer Liebe zusammen sein, was sie es sich die ganze Zeit über gewünscht hatte. Doch Naél wusste zu der Zeit nicht, dass sie einen großen Fehler begangen hatte, der nicht wieder gut gemacht werden könne…
 

Gegen viertel nach acht erreichte Naél ihr zu Hause. Die Morgensonne ließ die Stadt erwecken und ihre Lichtstrahlen reflektierten von den Glasfenstern. Naél näherte sich dem Haus, als sie abrupt stehen blieb.

Diese Aura…, dachte sie. Irgendetwas oder irgendjemand war erzürnt und hinderte ihr das Betreten in dieses Haus.

Verdammt!

Mit jedem Schritt, den sie machte, wurde der Widerstand größer und machte ihr das Nähern immer schwerer.

Es fehlten ihr noch wenige Meter, bis sie das Haus erreicht hatte, doch die Aura war so stark, dass sie auf die Knie fiel und nach Luft rang. Es drückte sie nach unten, hinderte sie am Aufstehen und gab ihr ein Gefühl, als würde sich ihr Körper einziehen. Tränen rangen ihr Gesicht entlang…

„Hör auf damit!“, schrie sie.

Doch anstatt aufzuhören, wurde die Aura stärker und drückte sie weiter nach unten. Naél konnte sich nur mit müh und Not halten und stütze sich mit einer Hand ab. Mit quälenden Augen sah sie hoch und erblickte zwei lila schimmernde Augen und eine Person, die mit verschränkten Armen an der Wand angelehnt war.

„W-Wieso…tust du das?“, versuchte sie ihn zu fragen.

Doch sie bekam keine Antwort. Erneut schrie sie auf, versuchte sich ihm zu nähern und kroch auf allen vieren.

„W-Wieso tust du mir das an?“, fragte sie erneut.

„Weil du es verdient hast!“, kam es ihr entgegen.

Erschrocken blickte sie hoch zu ihm und versuchte die passenden Worte zu finden.

„Bitte…du musst mir glauben… I-Ich kann das alles erklären…“

„Was kannst du mir erklären? Das du dich einem anderen hingegeben und sogar deine Familie belogen hast!?“

Mit Tränen im Gesicht antwortete sie ihm, doch Yami ließ nicht locker…

Sie solle die gerechte Strafe bekommen, dachte er…
 

Wenige Meter trennten Naél von ihrem Geliebten.

„Wag‘ es dich mir einen Schritt zu nähern!!“

„Verdammt, warum hörst du mir nicht zu?!“, schrie sie ihn an.

Abrupt verschwand die Aura. Yami hatte sich ihr genähert und sie von dem Boden aufgehoben. Er hielt sie am Handgelenk fest und zerrte sie regelrecht ins Haus hinein. Drinnen knallte er die Tür in dessen Verschluss und drückte Naél unsanft gegen diese. Sie schrie vor Schmerz auf und blickte mit ihren unter Tränen laufenden Augen in die seine.

„Warum…tust du das…“

„Sei still, sodass ich keine Lügen mehr aus deinem Mund hören kann!“

„Bitte lass es mich dir erklären…Bitte…“

„Sei still!“

„Bitte…Ich liebe dich doch…“

Nun konnte auch Yami seine Tränen nicht verbergen. Er näherte sich ihr und berührte mit seiner Stirn die von ihrer. Deren Lippen trennte ein Atemzug. Seine Hand wanderte über ihre Wangen und blieb an ihren Lippen stehen.

„Warum hintergehst du mich? War meine Liebe zu dir nicht stark genug, damit du mit einem anderen vergnügen kannst? Auch noch mit Kaiba… Du solltest dich was Schämen! Und dann lügst du deinen Bruder an, der die ganze Nacht über Sorgen um dich gemacht hat! Du Lügnerin!!“

Er griff mit seiner Hand nach ihrem Hals und drückte diese zusammen. Naél rang nach Luft. Ihre Hände schwangen um sich, griffen nach seiner Hand und versuchten diese wegzuzerren. Yami ließ sie nicht los. Doch dann spürte er eine Wärme in seinem Gesicht. Naél hatte ihre zittrige Hand auf seine Wange gelegt und erhoffte sich dadurch ihn zu besänftigen. Dies erreichte sie auch, denn seine Hand löste sich von ihrem Hals. Ein Abdruck hatte sich gebildet und Naél fiel zu Boden. Hustend und nach Luft schnappend versuchte sie einen klaren Kopf zu bekommen. Sie fürchtete sich vor dieser Person, die ihr das antat. Yami kniete sich und suchte nach ihrem Blick. Noch immer versuchte Naél sich zu beruhigen und atmete hastig ein und aus.

„Weshalb bist du zu ihm gegangen?“

Sie antwortete ihm erst gar nicht, bis er ihr wenig später dieselbe Frage mit einem intensiveren Tonfall fragte.

„Ich musste es tun!“, sagte sie ihm ins Gesicht. „Damit ich mich von ihm freikaufen konnte! Nur deshalb!“

Er entgegnete ihre Aussage nicht, sondern schwieg.

Sollte er ihr glauben?

„Warum sollte ich dir das abkaufen?“

„Wenn du mich liebst…solltest du mir glauben!“, entgegnete sie.

„Was ist aber, wenn ich dich nicht mehr liebe!?“

Naél erschrak, als sie dies hörte. Sie wollte nicht wahr haben, was er da gerade zu ihr gesagt hatte…

„Ja…aber…“

Ohne ein weiteres Wort stand Yami auf und lief die Treppen in sein Zimmer hoch. Mit dem knallen der Tür wurde es still im Haus. Nu Naél blieb zittrig auf dem Boden liegen und wimmerte.

Diese Worte...
 

Yami schmiss den Bilderrahmen auf den Boden, welche schon einen Riss im Glas hatte. Die Scherben lagen verteilt im Raum und bildeten im Morgenrot ein verzauberndes Mosaik.

Wie konnte ich nur auf sie reinfallen!?

Er hob den völlig kaputten Bilderrahmen auf und schaute auf das verstellte Bild. Die lächelnde Naél, die einst auf dem Bild zu sehen war, erkannte man nicht mehr wieder.

Verräterin! Und dieses Weib sollte einmal meine Frau gewesen sein?!

Er hatte sie seelisch verletzt…Das wusste er…

Sie wird eine ganze Weile trauern, bis…

Doch dann fiel es ihm wie ein Blitzschlag wieder ein!

Wie konnte ich das vergessen!?

Naél war kein normaler Mensch, für die der Trauer eine Strafe für das Geschehen sein sollte!

Sie wird sterben!!!

Sofort – ohne nachzudenken – öffnete er die Zimmertür und rannte die Treppen hinunter, mit der Hoffnung, sie noch unten anzutreffen.

„Naél?“, rief er.

An der Stelle, an der sie eigentlich liegen sollte war sie nicht mehr…

Nein! Bitte nicht!

„Naél?“, versuchte er es erneut.

Langsam wurde er nervös und blickte sich in den Zimmern um.

Bitte sei noch hier!

Er konnte Naél im gesamten Haus nicht auffinden…
 

Das Licht der Sonne brannte in ihrem Gesicht. Nach Luft keuchend lief sie durch die Stadt und suchte nach Zuflucht. Sie wollte weg von hier! Weg von zu Hause! Weg von ihm! Weg aus ihrem Leben!

Es wurden immer mehr Menschen, die durch die Straßen liefen und Naél beim vorübergehen anblickten. Kein Wunder auch… Ihre Augen tränten Blut…

Nun konnte sie ihre einzige und gefährlichste Schwachstelle am Phönix-Dasein am eigenem Leib erfahren. Ihr Körper wurde schwächer, konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Naél stoppte an einer Gasse und lehnte sich mit einer Hand gegen die Wand. Ein plötzlicher Hustenanfall machte ihr zu schaffen. Als sie ihre Hand vom Mund entfernte merkte sie, dass sie auch noch Blut spuckte.

Warum…warum endet mein Leben so…

„Kann ich dir vielleicht helfen?“, sprach eine ihr unbekannte Stimme zu ihr.

„Nein, danke, es geht schon!“

Naél blickte in die Augen eines kleinen Jungen mit blonden Haaren, dunklen Strähnen und ihr ähnelnden Augen.

„Du siehst verletzt aus…Geht es dir wirklich gut? Du blutest doch! Komm‘ ich bring‘ dich zu meiner Mama!“

Naél wehrte sich nicht. Der kleine Junge nahm sie am Arm und führte sie in die Gasse hinein. Von Naél sah man an dem Tag nichts mehr…
 

Yugi öffnete verschlafen die Tür und trat in die Küche. Er bemerkte, dass sich jemand einen Tee gekocht hatte.

Großvater ist schon wach?

Ohne sich darüber Gedanken zu machen, goss er sich ein Glas ein und ging in Esszimmer.

„Ah, Yami, du bist schon wach?“, fragte er.

Yami hob den Kopf und seine tränenden Augen kamen zum Vorschein.

„Was zum…Was ist denn passiert?“, fragte der Kleinere.

„Sie ist fort…“

„Wer ist fort?“

Yami antwortete ihm nicht und senkte den Kopf. Doch Yugi konnte es nicht zulassen und hakte nach.

„Wer ist fort? Sag‘ es mir, bitte!“

„Naél!“

Yugi erschrak und hielt seine Han vor dem Mund.

„W-Was willst du damit sagen, sie ist fort?“

„Ich habe sie verletzt…“

„Ich verstehe dich nicht!“

Yugi wurde nervös, als er hörte, was mit seiner Schwester geschehen sei. Er setzte sich auf eines der Stühle und hielt sich den Kopf.

„Naél hat uns belogen…Sie war in der gestrigen Nacht bei keiner Freundin…“

„Sondern?“

„Sondern bei Kaiba…“

„Warum sollte sie das tun?“

Yami wollte ihm nicht die Wahrheit sagen, was Naél mit ihm angestellt hat.

„Ich weiß es nicht.“, entgegnete er dem Kleineren.

„Aber weswegen, sollte sie weglaufen?“

Yami versuchte die richtigen Worte zu finden. Es fiel ihm schwieriger als gedacht.

„Weil ich ihr womöglich den Tod gebracht habe…“

Es herrschte eine Stille, die es vorher nie in der Familie gab. Nur das kochende und zischende Wasser des Tees konnte man vernehmen. Die Blicke der zwei Jungs trafen sich.

„Ich habe sie angeschrien, ihr vorgeworfen, dass ich sie nicht liebe…Und das brachte dazu, dass sie trauern musste…“

„Phönixe sterben, wenn sie um ihren Geliebten trauern…“, sagte Yugi in einem verwirrendem Ton und sein gegenüber nickte bloß. Der Gedanke, dass Naél in diesem Moment an irgendeiner Straßenecke tot auf dem Boden liege, wollte beiden nicht aus dem Kopf gehen. In diesem Moment öffnete sich die Tür. Beide sprangen sofort auf, in der Hoffnung Naél vorzutreffen, doch es war nicht sie, sondern Großvater, der mit einer Tüte voller Brötchen wiederkam.

„Nanu? Was ist denn mit euch? Ihr seid so blass.“, fragte er sie unerwartet.

Salomon wartete auf eine Antwort, als Yugi plötzlich in Ohnmacht fiel…
 

Naél ist nicht, wie ihre Familie es dachte, in irgendeiner Gasse tot umgefallen, sondern wurde von einem unbekannten kleinen Jungen gerettet. Sie wusste nicht, wo sie sich befand, oder wer diese Familie war. Es war großes Glück, dass der Junge sie fand und mitnahm, ansonsten wäre Naéls Leben vorbei gewesen. Obwohl der Junge und seine Mutter nicht wussten, was Naél fehlte, oder wer sie war, pflegten sie sie und erreichten dadurch, dass Naél ihr Lebensgefühl wiederbekam und die Trauer bekämpfte…

Sie löschte ihre ehemalige Liebe aus den Gedanken und schwor sich, nie etwas mit dieser Person anzufangen…

Aber Yugi konnte sie nicht vergessen…

Er war ihr Zwillingsbruder und ihn konnte sie nicht die Schuld geben…

Die Familie, bei der sie lebte, war arm …

Sie konnten sich keine richtige Wohnung leisten und lebten in Ruinen auf einem Berg, auf dem man nach Domino City herunterschauen konnte…

Doch obwohl sie so arm und verkommen lebten, machten sie das Beste draus…

Naél beschloss ihrem Bruder zu schreiben…

Sie ahnte, dass er sich zu Tode sorgen würde, deswegen fand sie es für angebracht ihn eine Nachricht zu schicken…

„Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragte der kleine Junge.

„Alles bestens…Danke schön…Aber habt ihr vielleicht ein weißes Papier und einen Stift? Ich möchte gerne einen Brief schreiben…“

„Kein Ding, ich frage kurz Mama. Einen Moment.“

Der kleine Junge verschwand hinter den Mauern und kam wenig später mit Stift und Papier wieder.

„Hier bitte.“

„Danke, schön.“

Naél blickte ein letztes Mal auf die Stadt, bevor sie mit dem Schreiben anfing…
 

Geliebter Bruder…
 


 


 

Und somit endet die Hauptgeschichte :D Ich danke allen, die es bis hierhin geschafft haben *danköööööööööö* <3 <3 <3 Von nun an werden Special-Kapitel hochgeladen, die sich von der eigentlichen Handlung abwenden :3

Bis demnächst

Eure Yurita und nochmals Danke x3

Special Kapitel: Prinz von Ägypten

„Verschwinde! Und lass‘ dich nie mehr wieder blicken!“

Der Bäcker schmiss den Jungen aus seinem Haus und dieser fiel auf den harten, staubigen Sandboden.

„Halte dich von meiner Tochter fern, ist das klar!?“

„Jaja, schon klar…“, entgegnete der Junge nervig.

Dieser richtete sich auf, klopfte den Staub aus seinen Kleidern und richtete seine blonden Haare, welche im frischen Wind wehten.

„Wenn deine Tochter eben nicht Prinzessin werden soll…Meinetwegen.“, sagte er vor sich hin und lief die Straßen Ägyptens entlang.

Er lief in Richtung des Palastes. Dort angekommen öffnete er die Tore und betrat den Königssaal. Der Pharao hatte seinen Kopf an der Hand abgestützt und dabei seine Augen geschlossen gehalten. Seine Leibwächter standen neben ihn und blickten zu dem immer nähernden Gast.

„Du kommst zu spät.“, entgegnete der Pharao.

„Verzeihung, ich hatte da noch ein Hühnchen, welches verspeist werden musste.“

Dem Pharao gefiel die Art von Humor bei dieser Person nicht. Schlagartig öffnete er seine Augen und blickte in die des Jungen gegenüber.

„Wie es aussieht, bist du wohl nicht zum verspeisen gekommen!“

„Sagen wir, es hat nicht geklappt, wie ich es geplant hatte.“

„Mit Recht! Weshalb vergreifst du dich auch an die Tochter des Bäckers?“

„Willst du etwa, dass ich nicht heiraten soll, Vater?“

„Laertes, es geht mir darum, dass das Mädchen an einem reichen Mann im Nachbarland verlobt ist! Sei froh, dass ihr Vater dich nicht umgebracht hat!“

„Ich bin der Prinz! Wenn er mich umgebracht hätte, dann hättest du ihn doch bestimmt hängen lassen, oder?“

Der Pharao zog eine Augenbraue hoch. Laertes stutze und schüttelte nebenbei den Kopf.

„Ich hab sie nicht einmal angefasst, geschweige denn mit ihr geschlafen!“

„Das hoffe ich für dich, denn ansonsten hättest du großen Ärger mit mir gehabt, mein Sohn!“

Laertes schwieg und blickte in die Augen seines Vaters.

„Mutter hätte mich bestimmt gelassen!“, entgegnete er und verließ den Saal.

„Laertes! Komm sofort zurück!“, rief Atemu ihm hinterher.

„Lasst euren Sohn gehen…“, entgegnete Seto.

Seufzend stand Atemu auf und lief in den Garten. Inmitten diesem, hatte man eine Gedenktafel an Amitiel aufgestellt. Still setzte er sich auf eine Bank und blickte den weißen Marmorstein an.

„Wie hättest du an meiner Stelle gehandelt?“
 

„Ich fasse es nicht!“

Wütend schmiss er eine Vase nach der anderen in seinem Zimmer um.

„Wieso lässt er mir nicht mein Leben?“

Mana, die zufällig den Gang entlang lief und ihn hörte, versuchte ihn zu beruhigen.

„Laertes… Was ist nur in dich gefahren?“, fragte sie besorgt.

Noch immer aufgebracht setzte er sich an die Bettkante und seufzte.

„Mein ganzes Leben ist ungerecht! Erst der Vater des Mädchens, der mich wie ein Sack Mehl auf die Straße geworfen hat, obwohl ich nur mit ihr reden wollte und zu ihrer Hochzeit beglückwünschen wollte und dann mein eigener Vater!!“

Mana konnte verstehen, worauf er hinaus wollte.

„Bei Allem, was ich mache, werde ich nur angeschimpft, oder wie Dreck behandelt… Aber ich bin doch der Prinz…Wie kommt es, dass sie keinen Respekt vor mir zeigen?“

Laertes stützte seinen Kopf an seinen Händen ab und vergrub sein Gesicht in diesen. Mana legte ihre Arme um ihn und strich mit ihrer Hand durch seine blonden Haare.

„Sie haben Respekt vor dir. Glaube mir…“, antwortete sie.

Die Haare hatte er eindeutig von seiner Mutter geerbt und die lila-schwarzen Strähnen von seinem Vater. Bei jedem Anblick dieser Haarpracht erinnerte sie sich an Amitiel zurück, als sie noch lebte.

„Ich wünschte, ich würde meine Mutter kennen…Weshalb starb sie eigentlich?“, fragte Laertes.

„Als deine Mutter dich vor 18 Jahren gebar, herrschte ein Krieg zwischen Ägypten und Serbien. Bevor du geboren wurdest, kämpfte sie im Krieg mit und wurde von einem Pfeil in der linken Brust getroffen…Sie starb an den Folgen…Es war ein Wunder, das sie noch die Kraft hatte dich zu gebären.“, gab sie als Antwort.

„Was war sie für eine Person?“

„Nun ja…“, fing Mana an, „Sie war die netteste und hilfreichste Person, die je an der Seite deines Vaters über das Land regierte… Es war eine große Trauer, als sie von uns ging…“

Eine unangenehme Stille legte sich über Zimmer breit. Obwohl Laertes in den Jahren viel über seine Mutter erfahren hatte, konnte er sie dennoch nicht richtig vorstellen. Wie sah sie aus? War sie streng? Hätte sie ihn auch wie sein Vater behandelt? Oder vielleicht noch schlimmer? Hätte sie ihn sein Leben selbst wählen lassen?

„Wusstest du, dass dein Zimmer hier, der Raum deiner Mutter war?“

Laertes blickte hoch und schüttelte den Kopf.

„Dein Großvater gab diesen Raum als Dank.“

„Was für ein Dank? Was hatte sie gemacht?“

Mana stutzte einen Moment, vermied den Blick des jungen Prinzen und suchte nach einer Antwort. Keiner hatte Laertes die Wahrheit über seine Mutter erzählt. Was für ein Wesen sie war, welche Kraft sie besaß und welcher Gefahr sie ausgesetzt war.

„Sie rettete deinem Großvater das Leben?“, antwortete Mana kurz und knapp und versuchte Laertes von den Gedanken loszuwerden.

„Wirklich? Erzähl‘ mir bitte mehr, Mana. Du weißt, ich weiß so wenig über sie und du warst ihre engste Freundin.“

„Warum gehst du bei diesem schönem Wetter nicht in der Stadt spazieren? Sofern ich weiß, sollte heute ein Straßenfest stattfinden.“

Laertes merkte, dass Mana ihm auswich. Von dem Straßenfest hatte er gehört und das wollte er auch nicht verpassen, deswegen fragte er auch nicht weiter nach. Er würde schon noch die richtige Zeit finden ein ernstes Gespräch mit Mana zu führen. Diese strich sich über ihre Haare und ließ ihre silbern-schimmernden Haaransätze an ihrer Stirn zum Vorschein kommen.
 

Mana hatte gute 35 Jahre erreicht. So wie sie es Amitiel versprach, wurde sie die Hebamme des Prinzen und kümmerte sich immer liebevoll. Sie erinnerte sich noch, als sie ihm das Laufen beibrachte. Er war gerade mal ein Jahr alt. An einigen Tagen verbrachte sie Stunden damit, ihn in den Palastgärten zu finden. Größtenteils gab es Momente, da machte sie sich Sorgen um den kleinen Laertes, dass ihm irgendetwas passiert sei, aber genau in diesen Momenten kam er schreiend lachend aus den Büschen hervor und erschrak Mana.

Der Pharao hatte den Tod seiner geliebten Frau schwer überstanden. Mana wusste noch, wie er Wochen lang in seinem Zimmer blieb und keinen zu sich ließ. Nicht einmal seinen Sohn wollte er sehen…
 

An dem Tag, an dem Amitiel ihre letzten Schreie von sich gab, stürzte der Pharao in den Raum und sah seine blutbefleckte Frau auf dem Bett liegen. In den Armen Manas erblickte er ein in Seidentüchern eingewickeltes Baby. Das Gesicht rosig und dessen Augen geschlossen. Sein Blick wechselte sofort zu Amitiel, die reglos auf dem Bett lag. Shimon versuchte ihren Puls zu spüren, als er dann die schlimme Nachricht aussprach…

„Sie ist Tod…“

Atemu brach sofort in Tränen aus und näherte sich seiner Königin. Mana hielt noch immer das Kind in ihren Armen und näherte sich ihm.

„Sie schenkte Euch noch bevor sie ging einen Sohn, mein König…“

Atemu blickte mit feuchten Augen auf und nahm Mana das Kind ab. Noch immer waren die Augen seines Sohnes verschlossen. Atemu spürte seinen Atem und das Heben und Senken des Brustkorbes.

„Das ist…mein Sohn?“, fragte er mit zittriger Stimme.

Mana nickte und setzte sich zu ihm.

„Sie hatte ihre Schwangerschaft vor Euch verheimlicht, weil sie fürchtete, dass Ihr verärgert sein würdet…“

„Nun lässt sich auch einiges erklären…“

„Wie wollt Ihr ihn nennen, mein König?“, fragte Shimon vorsichtig.

Atemu überlegte eine Weile, bis er einen Namen fand.

„Laertes!“
 

„Mana, ist mit dir alles in Ordnung?“

Laertes riss Mana aus ihren Gedanken. Sie bemerkte nicht, dass Tränen ihr Gesicht entlang rannen.

„Was?“

„Ob es dir gut geht?“

„J-Ja ja…alles in Ordnung.“

Mana zwang sich ein Lächeln und legte ihre Hände auf seine Wangen.

„Du solltest jetzt gehen…Sonst beginnt das Straßenfest ohne dich.“

Ohne ein weiteres Wort stand Laertes auf und verließ das Zimmer. Mana blieb noch eine Weile im Raum und blickte hinaus. Obwohl es 18 Jahre her sind, konnte sie nicht aufhören zu weinen…
 

Das Straßenfest war das beliebteste und herrlichste Fest in Ägypten. Jedes Jahr am selben Tag wird zu Ehren der Götter Musik gespielt, getanzt, getrunken, gefeiert und – wenn möglich – die Frau fürs Leben gefunden…

Obwohl Laertes sich im Heiratsfähigem Alter befand, empfand er nicht das Bedürfnis eine Frau zu heiraten. Er hatte schon viele Frauen in der Stadt umgarnt und ihnen seine große Liebe geschworen, aber zu keiner Empfand er die wahre Liebe

In sämtlichen Seidentüchern eingekleidet streifte er durch die Straßen seiner Stadt. Elegant wehten diese im Abendwind. Seine blonden Haare und seine lila-schwarzen Strähnen, welche ebenso im Wind wehten, ließen ihn noch attraktiver Aussehen, als er schon war. Laertes hörte die Musik und sah die Lichter schon vom weiten. Die ganze Stadt hatte sich versammelt. Feuerspucker, Messerwerfer, Bauchtänzerinnen.

Als sie den Prinzen erblickten, verstummte alles und knieten sich auf den Boden.

„Nein, nein! Lasst uns heute das Fest genießen. Lasst die Förmlichkeiten sein und feiert!“

Nach einem kurzen Zögern setzten die Akteure ihre Tätigkeit fort und jeder vergnügte sich prächtig.
 

Stunden vergingen…

Es war schon mitten in der Nacht und gut die Hälfte stand noch auf den Beinen. Laertes hatte schon einige Becher Wein hinter sich und konnte nur gerade Laufen wenn er sich konzentrierte. Das große Feuer in der Mitte brannte noch immer hell. Die Hitze ließ Laertes immer müder werden. Er bildete sich schon ein frauenartige Geschöpfe in den Flammen tanzen zu sehen. Ich glaube der letzte Becher Wein hätte nicht sein dürfen…

Doch dann erblickte er durch die Flammen eine Gestalt an einer Hauswand angelehnt. Laertes konzentrierte sich und sah genauer hin. Tatsächlich erblickte er eine Frau, welche sich ihre schwarzen Locken aus dem Gesicht strich. Sie blickte nicht zu Laertes herüber, sondern kämpfte darum ihre wilde Haarpracht in Ordnung zu bringen.

Laertes näherte sich ihr, bis er schließlich einige Meter vor ihr stand und ihr in die Augen blickte. Die Frau selbst blickte ihn mit ihren saphirgrünen Augen an.

„Ich habe dich hier noch nie gesehen…Wer bist du?“, versuchte Laertes konzentriert einen Satz zu sagen.

Die Frau antwortete ihm nicht, sondern verschwand in einer Gasse.

„Hey, warte!“, rief er ihr hinterher und folgte ihr.

Er versuchte einiger maßen etwas zu erkennen und hielt sich an den Hauswänden fest.

„Warum rennst du vor mir weg?“, fragte er lächelnd. „Ich will dir doch nichts tun…“

Plötzlich wurde er von jemanden hinten ergriffen und gegen eine Wand gedrückt. Seine Arme hinter seinem Rücken verschränkt fest gehalten. Ein leichter Schmerzensschrei entrann Laertes. Obwohl er in dieser Nacht ziemlich viel getrunken hat, konnte er sich das nicht einbilden. Irgendeine Person hielt ihn gerade ziemlich unangenehm fest.

„Was willst du dann?“, fragte plötzlich die Person.

Laertes riss seine Augen auf.

Eine Frauenstimme?

„Damit eins klar ist: Mein schwer verdientes Geld bekommst du nicht!“

„Was für Geld? Ich will dein Geld nicht! Ich will nur mit dir reden!“

Für einen kleinen Moment war es still, bis schließlich der Druck an seinen Armen nachließ. Vorsichtig drehte Laertes sich um und blickte in die grünen Augen der Frau, die er folgen wollte.

„Du bist wunderschön…“, entging es ihm versehentlich.

Die Frau guckte ihn schief an und lächelte verführerisch.

„Für 50 Goldmünzen biete ich dir eine Nacht mit mir…“, sagte sie plötzlich.

„Für 50? Ein teures Angebot.“, antwortete er ihr.

Diese näherte sich ihm so nah, dass Laertes ihren Atem auf seinen Lippen spüren konnte. Sein Herzschlag schlug ihm bis zum Hals.

„Ich bin auch eine Frau, die etwas mehr verlangt und auch das gebe, was Männer wirklich wollen.“

Laertes überzog ein kleines Lächeln. Diese Frau gefiel ihm…

Noch nie empfand er bei dieser Nähe, die sie beide gerade hatten, eine Nervosität. Sein Herzschlag pochte noch immer gegen seine Brust.

Er wollte sie küssen…

Jetzt! Sofort! In diesem Moment!

Gerade als er seine Lippen mit ihren verschmelzen wollte, spürte er eine Wärme. Er riss seine Augen auf und bemerkte, dass die Frau den ersten Schritt gemacht hatte.

Was zum…
 

Laertes erlebte zum ersten Mal, dass er geküsst wurde, anstatt er immer die Frauen verführte. Seine Lippen wurden getrennt und eine warme Zunge spielte mit seiner. Nur zu gerne entgegnete er sie. Automatisch hielt er seine Hand an ihre Wange. Wie weich sie war und warm…

Doch im nächsten Moment ließ sie von ihm los.

„Und? Sind wir für 50 Goldmünzen dabei?“, fragte sie ihn.

Er konnte nicht fassen, was er gerade da hörte. Keine zehn Sekunden her, da fiel sie über ihn her und erweckte ein Gefühl in ihm, welches er nie empfunden hatte…

„Wie heißt du?“, fragte er sie.

Die Frau schwieg, blickte hinab.

Laertes berührte vorsichtig erneut ihre Wange.

„Was ist los?“

„Ich sage meinen Kunden nicht meinen Namen…“

„Ich bin aber kein Kunde.“

Er lächelte sie an und blickte ihr in ihre wunderschönen Augen.

„Sag ihn mir…Bitte…“

Ein langes Schweige herrschte zwischen ihnen, bis die Frau ihm antwortete…

„Malika… Ich heiße Malika…“

Special Kapitel: Prinz von Ägypten – Teil 2

„Malika?“, fragte Laertes.

„Ja…ist etwas damit?“

Laertes schüttelte seinen Kopf.

„Nein…Er passt zu dir…“

Beide zierten ein kleines Lächeln und blickten sich gegenseitig an.

„Und wer seid Ihr?“, fragte sie zurück.

„Du kennst mich nicht?“

Malika schüttelte ihren Kopf.

„Sollte ich?“

Laertes stutze. Noch nie ist ihm so etwas passiert.

„Ähm, nun ja… Ich bin der Prinz dieses Landes. Ich bin Prinz Laertes.“

Malika riss ihre Augen weit auf, als sie diesen Namen hörte. Sie hatte den Prinzen noch nie gesehen, nur vom Namen her gehört...

„Verzeiht mir bitte…“

Sie lies von ihm los und rannte in die Dunkelheit hinein.

„Was? Hee…W-Warte!“

Doch das Rufen in die Nacht hinein brachte ihm nichts. Er bekam keine Antwort zurück…

Kurz hielt er seine Hand gegen seinen Kopf und ging das ganze Geschehen noch einmal in seinen Gedanken durch. Er kam zu keiner Antwort und beschloss schließlich nach Hause zu gehen…
 

Laertes schmiss sich regelrecht in sein Bett. Er war zu müde um sich umzuziehen und beschloss einfach nur die Augen zu zumachen und auf den anstrengenden Tag zu warten. Unglücklicherweise träumte er in dieser Nacht nicht…
 

Irgendeine Person strich ihm über seine Haare. Das konnte er im Halbschlaf noch wahrnehmen.

„Mein Prinz, es wird Zeit für Euer Frühstück…“

„Mhm…“, nörgelte Laertes. „Noch fünf Minuten…“

„Das geht aber nicht. Ihr müsst heute Euren Vater vertreten… Ihr wisst doch, dass er sich auf einer Tagesreise befindet.“

Laertes blickte mit kleinen Augen auf die Person die zu ihm sprach und erkannte Mana, die sich über ihn gebeugt hatte.

Seufzend stützte er sich auf.

„Ich denke, ich frage nicht, wann Ihr gestern, bzw. heute Nacht nach Hause gekommen seid. Wenn Ihr schon mit angezogener Kleidung ins Bett geht…“

„Ich weiß es selber nicht einmal, Mana…“, antwortete er ihr.

„Ich hoffe, Ihr habt Euch amüsiert?“

„Oh ja… Ich habe jemanden kennengelernt.“

„Wirklich? Erzählt mir mehr.“

Mana musste lächeln als sie dies von ihm hörte.

„Es ist eine Frau…“

„Ahaaa…“

Laertes lachte kurz auf.

„Eine sehr schöne Frau… Mit grünen Augen und schwarzen Locken. Ihr Name lautet Malika… Mehr habe ich noch nicht herausgefunden.“

Er verheimlichte Mana ihren Beruf. Er wusste, dass es im Palast großen Aufstand machen würde, wenn sie wüssten, der Prinz vergeht sich an Prostituierten…

„Aber sie erschrak, als sie meinen Namen erfuhr und dass ich der Prinz war… Hat das was zu bedeuten?“, fragte er Mana.

„Nun…“, begann sie, „es kann gut möglich sein, dass sie Euch nur vom Namen her kannte. Sowas kommt vor… Daran müsst Ihr Euch gewöhnen.“

Laertes nickte.

„Außerdem solltet Ihr Euch beeilen. Eure erste Verhandlung beginnt in wenigen Minuten.“

„Ich werde erscheinen. Danke.“

Mana verließ das Zimmer und ließ ihn allein. In diesem Moment dachte Laertes an Malika. Was sie wohl jetzt machen würde? Ob sie gut geschlafen hätte? Und dann ging ihm ein Gedanke auf…
 

Malika lief am späten Nachmittag durch die Gassen Richtung Stadtmitte. Sie musste Lebensmittel einkaufen gehen. Mit dem bisschen verdienten Geld schaffte sie es knapp eine Woche. Wenn es mit ihrem Geschäft gut läuft, dann sogar drei. Aber diesmal hatte sie wenige Kunden und deswegen musste sie versuchen die Woche gut zu überstehen. Die Sonne schien wie jeden Tag auf den Boden und lies den Sand glühen. Wer sich keine Sandalen leisten konnte, war zu dieser Zeit schlecht dran.

Malika erinnerte sich, wie es in ihrem Dorf gewesen war. Sie und ihre Brüder hüteten immer die Schafe und brachten immer Lebensmittel aus der Stadt zum Dorf mit der Holzkutsche. Als dann aber das Geld immer knapper wurde, schickten die Dorfbewohner gegen ihren Willen in die Stadt um dort Arbeit zu finden und regelmäßig Geld zu schicken. Ihre Mutter versuchte sich gegen die Dorfbewohner zu stellen und erreichte dadurch, dass sie zu einer Außenseiterin wurde und keine Anerkennung mehr bekam. Selbst Malikas Brüder Aziz und Tamer hatten es schwer mitzuhalten. Am Anfang durfte Malika als Händlerin arbeiten. Sie verdiente gut und schickte jede Woche Goldmünzen ins Dorf. Bis sie wegen angeblichen Diebstahls verstoßen wurde und keine weitere Stelle mehr zum Arbeiten bekam.

So blieb ihr nur noch die Prostitution…

Seid sieben Jahren geht sie diesem Beruf nach. Mit 17 hatte sie angefangen…
 

In ihren Gedanken versunken bemerkte sie nicht, dass am Ende der Gasse zwei Wachmänner auf sie warteten. Erst, als sie die große Gestalt vor ihr sah, blickte sie in dessen Augen.

„Malika?“, fragte einer der Wachen.

„Wer will das wissen?“

„Mitkommen!“

Unsanft packten die Wachen Malika an den Armen und schliffen sie in Richtung des Palastes. Selbstverständlich versuchte sie sich wehren, welches ihr jedoch nichts brachte. Selbst auf ihre Frage, was sie je angestellt habe, bekam sie keine Antwort.

Die großen Tore wurden geöffnet und man trug Malika noch tief in den Palast hinein. Erst als sie ein großes Zimmer betraten, ließen die Wachen sie los. Malika plumpste auf den Boden.

„Weswegen bringt ihr mich hierher?“

Anstatt sie eine Antwort bekam, wurde die Tür hinter ihr geschlossen.

„Idioten!“

Malika stütze sich ab und klopfte den Dreck aus ihrer Kleidung. Doch dann blickte sie sich um und bewunderte das schöne große Zimmer. Wie schön es doch wäre hier in dem Palast zu leben…

Wenige Minuten später wurde dieselbe Tür eröffnet und eine ihr sehr bekannte Person betrat das Zimmer – begleitet von zwei Wachen.

„So sehen wir uns wieder.“, sprach Laertes.

Malika antwortete nicht, sondern stutze bloß. Sie verschränkte ihre Arme.

„Ich hoffe, die Wachen waren nicht allzu grob zu dir gewesen.“

Sie wechselten ihren Blick den zwei Wachen zu.

„Es wäre auch freundlicher gegangen, anstatt mich wie ein Kartoffelsack durch die Stadt zu tragen und schiefe Blicke der Leute zu kassieren!“

Laertes lächelte und lies seinen Blick nicht von ihr. Mit einem Handzeichen befahl er den Wachen das Zimmer zu verlassen und sie allein zu lassen. Nachdem dies geschah, näherte er sich ihr und blieb wenige Meter vor ihr stehen.

„Ich hätte gerne den Grund erfahren, warum man mich in den Palast zerrte!“

„Gewiss willst du das wissen.“

„Also?“

Laertes schwieg vorerst. Ihm gefiel, die Art der jungen Frau. Er wusste, dass es kein einfaches Spiel war, sie zu verführen, aber er würde sie Stück für Stück für sich gewinnen.

„Ich würde gerne erfahren, warum du gestern Nacht so schnell verschwunden bist!“

„Gestern Nacht?“

„Spiel‘ mir nichts vor.“

Malika zog eine Augenbraue hoch.

„Meint Ihr den Kuss?“

Eine Stille legte sich über den Raum. Beide blickten in die Augen des Gegenübers. Laertes erinnerte sich nur zu gerne an den gestrigen Kuss. So leidenschaftlich, verführerisch und besinnend. Er würde ihn gerne wiederholen.

„Ich meine deine Flucht!“

Er näherte sich ihr gefährlich Nahe und griff nach ihren Oberarmen.

„Ich meine, warum du geflohen bist, nachdem du meinen Namen und meinen Stand erfahren hast?“

Laertes glaubte zu spüren, dass sie zitterte. In ihrem Gesicht jedoch sah man keine Anzeichen von Angst oder desgleichen.

„I-Ihr seid der Sohn von Königin Amitiel… Liege ich da richtig?“

Nun konnte man ihre Furcht hören.

„Du kanntest sie?“

Laertes blickte sie mit großen Augen an und wartete auf eine Antwort.

„Nun ja… Man erzählte mir, dass sie vor etlichen Jahren unser Dorf vor Banditen gerettet hatte… S-So genau weiß ich es nicht, ich war damals zwei Jahre alt, Verdammt!“

„Was weißt du noch über meine Mutter?“

Malika stutze, bevor sie antwortete.

„Man sagte mir…dass Eure Mutter besondere Fähigkeiten besaß.“

„Besondere Fähigkeiten?!“

Versehentlich griff Laertes seine Hände fester zu, woraufhin Malika einen kurzen Schmerzensschrei von sich gab.

„J-Ja… Sie konnte das Feuer beherrschen und sich in einen großen, gewaltigen Vogel verwandeln, der ebenfalls aus Feuer war. E-Einen Phönix! Sie tun mir weh! Lasst mich los!“

Sie zerrte sich aus seinem Griff und entfernte sich einige Schritte von ihm. Laertes konnte nicht wahrhaben, was er soeben gehört hatte. Die ganzen Jahre über verschwieg man die Wahrheit über seine Mutter. Aber weswegen? Was wollte man damit erreichen? Es musste eine Antwort finden!

„Dürfte ich vielleicht fragen…Wo ich Eure Mutter auffinden kann? Ich wollte mich persönlich bei ihr bedanken.“, fragte Malika vorsichtig.

Sie riss Laertes aus den Gedanken. Dieser blickte noch immer mit großen Augen sie an.

„S-Sie ist am Tag meiner Geburt gestorben…“

Malika erschrak und hielt sich ihre Hand vor ihrem Mund.

„Sie starb an den Folgen des Krieges…“

Eine kleine Träne floss seine Wange herunter. Malika konnte ebenso ihre Tränen nicht verbergen. Sie setzte sich auf einem Stuhl und vergrub ihr Gesicht in ihre Hände.

„Entschuldige mich bitte.“

Schnell verließ Laertes das Zimmer. Er lief in den Garten, zum Denkmal seiner Mutter. Er ließ sich zu Boden fallen und blickte mit nassen Augen auf den weißen Marmor.

„Weshalb tut man mir das an, Mutter? Warum erfahre ich nicht die Wahrheit über dein Leben?“

„…Weil Euer Vater es so angeordnet hatte!“, wurde er unterbrochen.

Ruckartig drehte er sich um und erblickte Mana, die auf einer Bank saß.

„Was?“

„Vor 18 Jahren – einige Tage nach Eurer Geburt – erteilte Euer Vater uns den Befehl, die Fähigkeiten Eurer Mutter Euch zu verschweigen.“

„Aber weshalb hatte er es beauftragt?“, hakte Laertes nach.

Mana seufzte.

„Ihr solltet nicht mit dem Gewissen aufwachsen, dass es übernatürliche Kräfte gibt…“, antwortete sie still.

Laertes setzte sich zu ihr und hielt ihre Hand fest.

„Gibt es noch andere von ihrer Art?“

„Eure Mutter war die einzige mit den sogenannten Phönix-Kräften. Doch die Frau eures Groß-Cousin Seto, Kisara, beherrscht die Kraft des weißen Drachen… Nur hat sie ihre zweite Gestalt nach dem Befehl nicht mehr preisgegeben…Und dann gibt es noch mich…“

Laertes schreckte auf.

„Du?“

Diese nickte bloß.

„Ich bin eine Magierin…“

Nun wurde Laertes so einiges klar. Warum sich Mana immer so merkwürdig verhielt, wenn er sie nach seiner Mutter fragte, oder auch nicht viel über sich erzählte…

„Habe…Habe ich auch solche Kräfte, die sie hatte?“

Mana schüttelte den Kopf.

„Nein… sie erzählte mir, dass sie ihre Kräfte nur einem Mädchen weitergeben konnte… Einem Sohn werden diese Kräfte nicht vererbt und er kann wie ein normaler Mensch aufwachsen…“

Laertes nickte verständlich.

„Euer Vater müsste heute Abend von seiner Tagesreise zurück sein. Ich denke…Ihr solltet ihm eure Freundin vorstellen…“

„Meinem Vater Malika vorstellen?!“

„Ja warum nicht? Ihr liebt sie doch, oder?“

Der Prinz errötete bei dieser Frage und blickte von Mana ab. Diese lächelte und gab ihm einen Klaps auf dem Rücken.

„Ihr schafft das schon…“

Als Kostprobe ihrer Kräfte ließ sie ein kleines Flämmchen in seine Richtung gleiten, welches kurz vorher verpuffte. Lächelnd drehte sich Mana um und verließ den Palastgarten. Laertes konnte noch immer nicht fassen, was er gehört und gesehen hatte. Der Gedanke, dass in seiner Familie geheime Kräfte am Werk sind, wollte er immer noch nicht wahrhaben…

Doch er musste Mana zustimmen…

Er sollte Malika seinem Vater vorstellen und dazu noch ein ernstes Gespräch mit ihm führen…
 

Als er das Zimmer betrat, in dem er Malika untergebracht hatte, sah er, dass sie noch immer auf dem Stuhl saß. Ihren Kopf hatte sie an ihrer Hand abgestützt.

„Geht es dir gut?“, fragte er sie…

Malika nickte ihren Kopf.

„Ja…mir geht es gut…Danke…“

Langsam trat er näher zu ihr und kniete sich hin. Von unten blickte er in ihre grünen Augen hinauf.

„Ich würde dich gerne heute Abend meinem Vater vorstellen…“

„Eurem Vater? Dem Pharao?“

Laertes nickte. Malika zögerte, als sie dies hörte.

Weswegen will er das tun? Was hat er vor?

„Ich werde aber nicht allzu lange bleiben… Ich muss noch arbeiten gehen.“

„Ich buche dich für heute Nacht!“

Malika erschrak und wich einige Schritte nach hinten aus.

„W-Was sagt Ihr da?“

„Ich möchte, dass du heute Nacht bei uns im Palast übernachtest!“

„Ja, aber…“

„Ich bezahle dich auch!“

Malika blickte auf den Boden. Eine Nacht im dem Palast? Und sie würde sogar bezahlt werden? Warum nicht?

„Wie alt seid Ihr?“, fragte sie ihn.

„18, warum?“

„Ach nur so…“

„Und du?“

„Ein wenig älter…“

Laertes grinste. Nun hatte sie sein Interesse geweckt.

„Wie viel älter?“

„Sechs Jahre?“

„Du bist 24?!“

„Überrascht?“

Laertes musste sich eingestehen, dass Malika wesentlich jünger aussah. Er hatte sie ebenfalls auf 18 Jahre geschätzt.

„Ein wenig.“, antwortete er ihr lächelnd.

Malika erwiderte und gab ihm ein kleines Lächeln zurück. In ihrem Inneren entwickelte sich das Gefühl von Zuneigung und Geborgenheit…

Und wer weiß? Vielleicht auch Liebe?
 

„Gibt es etwas neues, Mana?“, fragte Atemu seine alte Freundin.

„Nun…“, begann sie und räusperte sich, „Euer Sohn hat Euch heute bei Besprechungen und Bittgesuche vertreten. Ich muss zugeben, er hat eine gute Leistung erbracht.“

„Und sonst so?“

„Naja…Er hat Besuch mitgebracht…“

„Besuch? Wen?“

Mana winkte zu einer der Wachen. Kurz danach verschwand er und brachte Laertes und Malika in den Thronsaal. Kurz vorher kniete sich Laertes vor seinem Vater.

„Vater? Ich möchte dir gerne Malika vorstellen.“

„Wie ich sehe hat sich mein Sohn also zähmen lassen?“

Malika verbeugte sich ebenso. Laertes verdrehte seine Augen und verschränkte seine Arme. Es erfreute den alten Herrn seinen Sohn eine Partnerin gefunden zu haben, mit der er das Königreich weiterführen konnte. Malika gefiel ihm sofort und er hätte nichts dagegen gehabt sie in seine Familie aufzunehmen.

„Malika wird die heutige Nacht bei uns verbringen. Ich bitte dich darum.“

„Darum brauchst du mich nicht zu bitten. Bitte, habt Spaß. Euch stehen die Räume offen.“

„Malika kannte Mutter!“, platzte es Laertes heraus.

Mit ernstem Blick und noch immer verschränkten Armen blickte er zu seinen Vater. Dieser saß wie festgefroren auf seinem Thron und wich seinen Blick nicht von seinem Sohn.

„So…“, entkam es ihm.

„Sie hat mir die Wahrheit über Mutter erzählt!“

Atemu zuckte nicht einmal mit der Wimper. Mana biss sich auf die Lippen. Sie hoffte nur, dass die Sache nicht eskalieren würde.

„Laertes, ich kann das erklären…“, sprach sein Vater.

„Du brauchst mir gar nichts mehr zu erklären! Du hast mich zu lange vor der Nase herumgeführt!“, unterbrach er ihn.

„Laertes, bitte… Lasst es sein!“, versuchte Mana ihn zu beruhigen.

„Lass‘ mich, Mana! Du hast mich ebenso mein Leben lang belogen!“

Schreckliche Stille legte sich im Palast nieder. Keiner traute sich ein Wort zu sagen.

„Verzeiht, dass ich in die Gelegenheiten einmische…Ich denke, es ist besser wenn ich nun gehen würde… Verzeiht mir…“, sprach Malika und ging in Richtung des Haupttors.

„Was? Malika! Warte bitte!“, rief Laertes hinterher und folgte ihr.

Als beide verschwunden waren, waren Atemu und Mana die einzigen im Thronsaal. Atemu hielt sich die Stirn. Er ahnte, dass so etwas kommen musste.

„Was hab‘ ich getan…“

„Was hättet Ihr auch tun sollen? So oder so hätte er es erfahren… Es war Zufall, dass er dem Mädchen über dem Weg lief und diese Eure Frau kannte.“

„Ich bin froh, dass er überhaupt eine Frau gefunden hat… Nach all‘ den Beschwerden, die die Familien mir schickten, dachte ich, mein Sohn würde so enden, wie die Syrier vor 18 Jahren…“

Mana nickte bloß und legte ihre Hand auf seine Schulter.

„Ihr solltet mit Eurem Sohn reden, wenn Ihr den richtigen Zeitpunkt findet… Er ist eine Erklärung schuldig…“

„Ich weiß, Mana… Es war meine Schuld, es schon von früh an zu verschweigen…“

Mana nickte bloß und blieb eine Weile neben ihrem alten Freund…
 

„Malika, bitte warte doch!“, rief Laertes Malika hinterher.

Diese ließ sich nicht abwenden und ging die Straßen entlang. Doch plötzlich spürte sie einen Griff an ihrem Handgelenk. Sie drehte sich um und blickte in die Augen von Laertes.

„Was wollt Ihr?“, fragte sie ihn.

„Bitte bleibe heute Nacht im Palast!“

„Weshalb sollte ich das tun?“

„Weil ich das gerne möchte.“

„Aber anscheinend wollen das andere nicht. Lasst mich bitte los!“

Laertes trat näher an ihr heran und hielt sie an der Taille fest.

„Ich lasse dich nicht los. Nicht, solange du dich entschlossen hast mit mir mitzukommen.“

Malika seufzte.

„Nur für eine Nacht! Oder zwei! Vielleicht auch die ganze Woche… Bitte…“

„Ihr wisst, dass ich das nicht umsonst mache… Ich brauche das Geld…Es ist für meine Familie…“

Laertes nickte verständlich.

„Ich werde dich bezahlen… Je nachdem, wie lange du bei mir bleibst…“

Er zog sie näher zu sich heran, sodass er ihre Lippen beinahe berühren konnte.

„Und?“

Malika überlegte.

Soll ich das Angebot annehmen? Würde ich das Geld wirklich bekommen?

Nach langer Überlegungszeit stimmte Malika ihm zu…

Mit Stolz ging Laertes mit ihr zum Palast zurück.

Am Horizont sah er schon die Sonne untergehen…

Es würde eine spannende Nacht werden…
 

„Das ist mein Zimmer.“

Laertes führte sie durch den Palast und hatte ihr sämtliche Räume gezeigt, in der sie sich in den nächsten Tagen aufhalten konnte.

„Man sagte mir, dass dieser Raum einst meiner Mutter gehörte. Ich finde ihn sehr praktisch. Er hat einen großen Balkon, ein kleines Gärtchen. Findest du nicht auch?“

„Ja, ganz schick…“, antwortete sie.

Sie senkte ihren Kopf. Laertes bemerkte dies und sprach sie darauf an.

„Was hast du?“

„Wisst Ihr… Ich kann es mir immer noch nicht erklären, warum Ihr mich in Eurem Palast aufnehmen wollt… Wollt Ihr mit mir schlafen? Mich wie ein Haustier behandeln? Oder vielleicht als Eure Sklavin einstellen?“

Laertes zuckte zusammen, als er dies hörte. Wieso sollte sie das von ihm denken?

In diesem Moment wehte der Wind durchs Zimmer und ließ Malikas schwarze Haarpracht schwingen. Doch dann entdeckte Laertes etwas an ihrem Hals. Langsam trat er näher an ihr heran und berührte ihre Wange.

„Woher hast du diese Narbe…“

Malika hielt ihre Hand an die Stelle. Von der Stelle genau unter ihrem Ohr hatte sie eine etwa 5cm lange Narbe. Sie war mit bloßem Blick nicht zu sehen, was anscheinend bedeutete, dass es etwas länger her sein musste.

„Wer hat dir das angetan?“

„Nomaden… Auf der Durchreise, die sich etwas Spaß erlauben wollten…“, antwortete sie ihm.

„Aber das kann man doch nicht Spaß nennen! I-Ich meine…die haben dich verletzt!“

Malika strich seine Hand aus ihrem Gesicht und ging auf dem Balkon. Sie blickte in den Sonnenuntergang und kämpfte gegen ihre Tränen. Laertes trat neben ihr und berührte ihre Hand.

„Es ist sechs Jahre her… Ich hatte gerade ein Jahr meines Berufes hinter mir… Nomaden waren auf der Durchreise und suchten eine Unterkunft für eine Nacht… In dieser Nacht fand eines der Feste statt, auf der ich ebenso war. Aber ich war nicht da, um mich zu vergnügen, sondern ich suchte Kunden – und die fand ich auch… Einer der Kunden war ein Mann mittleren Alters, der zu den Nomaden gehörte und mir auch diese Narbe antat…“, erzählte sie.

„Und weswegen?“

„Naja… Er fand meinen Preis zu hoch und verlangte weniger. Obwohl ich ihm sagte, dass ich das Geld brauche, fiel er über mich und fügte mir dies zu… E-Es ist sechs Jahre her und ich möchte nicht darüber reden! Bitte!“

Laertes schwieg. So etwas zu hören schmerzte ihm. Dass jemand es wagte, ihr so viel Leid anzurichten…

Vorsichtig zog er sie zu sich und umarmte sie. Er schwor sich, sie zu beschützen… auch wenn es sein Leben kosten würde.

„Ich weiß nicht, aber… Ich glaube, ich habe die Frau meines Lebens gefunden…“, sagte er mit vorsichtiger, zarter Stimme.

Er sah nicht, wie Malika ihre Augen aufriss. Er sah nicht, wie sie kurze Hand später zu lächeln begann und er sah nicht, dass sie vor Freude weinte… „Willst… Willst du meine Frau werden?“

Ihm war es egal, wie lange und wie gut sie sich kannte. Er wollte nur sie!

Mit kaum hörbarer Stimme und noch immer unter Tränen antwortete ihm Malika zurück.

„Ja!“
 

Einige Monate später, konnte Laertes endlich die Frau heiraten, die er über alles liebte. Als Laertes seinem Vater Malika genauestens vorstellte und ihm auch erzählte, welchen Beruf sie ausübte, war er alles andere als stolz. Zuerst verbat man die Heirat, doch Laertes setzte sich durch und erlangte sie dennoch. Atemu hatte sich mit seinem Sohn ausgesprochen und ihm die ganze Geschichte über Amitiel erzählt. Seitdem verstehen sich Vater und Sohn bestens. Mana und Kisara durften ihre Kräfte wieder zur Geltung lassen. Mana übte eifrig weiter und verbesserte sich, während Kisara sich durch die Lüfte schwang und an einigen Tagen sogar Laertes mitnahm.

Am Tag der Hochzeit, an dem ebenso die Sonne schien, durfte Malika das Hochzeitskleid der Königinnen tragen und damit zum Altar laufen…

Und vom Himmel herab blickte Amitiel mit einem Lächeln zu ihrer Familie herunter…

Special Kapitel: Ein Wiedersehen

„Verdammt ich komme schon wieder zu spät!“, fluchte Naél.

Sie fuhr gerade mit ihrem schicken BMW durch die Innenstadt auf dem Weg zu sich nach Hause. Heute würde ein ganz besonderer Besuch kommen, für den sie noch einmal schnell einkaufen war, da sie nicht viel im Kühlschrank hatte. Sie lebte allein in einem schönen großen Haus mit Garten. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie sich seit über einer halben Stunde verspätet hatte. Sie fuhr weit über der vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbegrenzung, ist einige Male über die rote Ampel gefahren und überholte rücksichtslos. Hätte man sie erwischt, oder angehalten, wäre sie ihren Führerschein schon längst losgeworden, denn es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Naél von der Polizei erwischt wird. An einem Tag da hatte man sie genau aus solchen Gründen angehalten. Es war – zu ihrem Glück – ein junger, hübscher Polizist gewesen, den sie leicht um die Finger gewickelt bekam und sie mit einer harmlosen Geldstrafe davonließ. Wovon sie das ganze bezahlen konnte?

Eines Tages bekam sie von Mokuba Kaiba einen Anruf, indem er ihr als Entschädigung für die Jahre, die sie als Versuchsexperiment diente, eine Monatsgebühr von fünfstelliger Zahl vorschlug. Nach langem überlegen nahm Naél jedoch seinen Vorschlag an, woraufhin sie jedoch fragte, ob es die Idee seines Bruders gewesen sei. Als sie daraufhin keine Antwort bekam, konnte sie sich ihre Antwort schon selbst beantworten.

„Da hat dein Bruder endlich die richtige Entscheidung getroffen!“, sagte sie sich.
 

Mit quietschenden Reifen und nachklingenden Motorengeräusch blieb Naél vor ihrem Haus stehen und blickte zu ihrer Rechten. Ihr Besuch saß auf den Treppen, welche kurz nach ihrem Halt auf die Uhr blickte.

„Du hast mich eine halbe Stunde hier draußen sitzen lassen.“, sagte diese.

„Tut mir leid, ich war noch schnell einkaufen, als mir einfiel, dass ich ja gar nichts zu essen im Haus habe. Das ist eben der Nachteil wenn man alleine lebt.“

Naél fuhr auf ihrem Geländer und direkt in die Garage wo sie elegant aus dem Auto ausstieg.

„Aber lass‘ dich erst einmal ansehen. Du bist gewachsen!“

„Die Jahre können vergehen, nicht wahr?“

Naél hielt kurz inne und überlegte.

„Es war lange her, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, Yugi…“

„Vier Jahre, um genau zu sein.“

„Ein Wunder dass du mein Haus gefunden hast.“

„Es war nicht schwer zu finden.“, sagte er in einem ironischem Ton.

Naél lächelte und umarmte ihren Bruder. Vier Jahre ist es her, als sie von zu Hause davon lief und ihm einen Brief sandte, indem sie ihm erzählte, welche nette Familie sie gefunden und gepflegt hatte und dass sie sich in Sicherheit befand.

Yugi wollte seine Schwester gar nicht loslassen, so sehr hatte er sie vermisst. In den wenigen Telefonaten, die sie in den Jahren führten, konnte er nie herausfinden wo sie sich gerade befand und mit wem sie nun lebte. Ob sie jemand neues an ihrer Seite gefunden hatte?

Yugi hatte unglaublich viele Fragen, die er seine Schwester stellen wollte.

„Komm‘! Lass uns erst einmal hineingehen.“, schlug sie vor.

Ohne eine Antwort von ihm zu bekommen lief sie an ihm vorbei und öffnete sogleich die große Haustür.
 

Kaum hatte man die Tür geöffnet, befand man sich in einem kleinen Vorraum in dem ein großer Schuhschrank stand, den Yugi sofort untersuchte.

Fragend blickte er sie seitlich an, doch Naél zuckte bloß mit ihren Schultern.

„Was? Eine Frau hat nun mal viele Schuhpaare.“

Yugi nickte nur lächelnd seinen Kopf und folgte ihr weiter durch einen langen Flur, wo links und rechts Bilder hingen. Darunter einige Zeichnungen und Fotos von ihr und ihrem Bruder. Von wem sie die bloß hatte?

Am Ende des Flurs bog Naél links ins große Wohnzimmer ab.

„Darf ich fragen, wie du das alles bezahlt hast?“, fragte Yugi sie.

Naél lächelte. Sie lief durch einen Durchgang direkt in die Küche.

„Das werde ich dir gleich alles genau erzählen. Möchtest du etwas trinken? Ich habe noch einen französischen Wein von 2007, oder vielleicht Sake?“

„Ein Glas Orangensaft tut es auch!“

Mit einem grinsen griff sie nach der Flasche und füllte den Inhalt in zwei Gläser ein. Dann kam sie zu Yugi zurück und gab eins in seine Hand.

„Setz‘ dich doch bitte!“

‒ und das ließ Yugi sich nicht zweimal sagen.

Es herrschte eine kurze Stille im Raum. Naél beobachtete, wie ihr Bruder das Zimmer umschaute.

„Hast du was gegessen?“, fragte sie ihn.

„Ja, ich komm‘ direkt von zu Hause.“, antworte er ihr.

Naél nickte.

„Wie geht es Großvater?“, fragte sie nach kurzem schweigen.

Sie sah, wie Yugi tief Luft einnahm und es sofort wieder ausatmete.

„Es ging ihm schlecht, als er erfuhr, dass du nicht mehr wieder zurück kommen würdest. Eines Nachts mussten wir ihn sogar ins Krankenhaus einführen.“

Naél spürte, wie sie ihre Hände fest um die Lehnen griff.

„Er musste einige Wochen dortbleiben, bis sich seine Werte stabilisierten und nachdem ich ihm erzählt hatte, dass es dir gut geht und dass du in Sicherheit bist, da ging es ihm von nun an wieder besser. Er lässt übrigens schön grüßen.“

„Wünsch ihm bitte ganz lieb welche von mir zurück.“

„Werd‘ ich machen.“

Erneut herrschte diese unangenehme Stille.

„Was macht Joey?“

Yugi lächelte kurz, bevor er sprach.

„Joey hat sich in den letzten Jahren oft mit Mai getroffen. Du wirst sie nicht kennen, aber sie war eine sehr gute Freundin von uns gewesen und auf Joey machte es den Eindruck, als weckte sie sein Interesse. Seit einigen Monaten gehen sie miteinander aus und wohnen auch in einer gemeinsamen Wohnung.“

„Das freut mich zu hören und der Rest der Gruppe?“

„Tea war vor zwei Jahren für sechs Monate in Amerika gewesen. Du weißt ja – wegen ihrem Tanzen.“

„Ja, da war ja was.“, antwortete sie ihm.

„Naja und Tristan trifft sich noch immer mit Joeys Schwester auf die Hoffnung, dass er mit ihr zusammen kommen kann. Aber naja…“

Naél musterte ihn und wartete, dass seinerseits noch etwas kommt. Ihr fiel auf, dass Yugi bei seinen Freunden nur über Beziehungen sprach.

„Und wie läuft’s bei dir?“, hakte sie nach, wenn sie schon bei diesem Thema waren. Seine Wangen erröteten leicht.

„Naja…seit ungefähr 13 Monaten bin ich mit Tea zusammen…“

Naél brach in großes Gelächter aus, als sie dies hörte. Sie konnte nicht fassen, dass ihre frühere Rivalin nun mit ihrem Bruder ausging. Immerhin hatte sie nach ihrem Verschwinden die Zeit gehabt sich an ihrem Schwarm ranzumachen. Aber anscheinend hatte sich das Blatt gewendet.

Sie merkte, wie sich Yugi unwohl fühlte, woraufhin Naél das Lachen einstellte und kurz räusperte.

Ja, sie konnte sich gut an die Zeit vor vier Jahren erinnern. Da waren ihr Bruder, Tristan, Joey, Tea und sie gewesen – und…

Sie wollte sich nicht mehr an diese eine Person erinnern, welche den Namen trug, den sie in den Jahren beinahe vergessen hatte. Es wäre besser gewesen, sie hätte diesen Namen vergessen. Schon der Anblick ihres Bruders genügte um diese Person wieder hervorzurufen.

Wie er wohl heute aussieht? Ob er eine Neue gefunden hat? Ob er eine Familie gegründet hat? Kinder? Eins, oder zwei? Sollte ich nachfragen?

Naél traute sich nicht ihre Lippen zu bewegen und Yugi all‘ diese Fragen zu stellen. Ihre ganzen Erinnerungen kamen hoch und machten Naél wütend. Dies bemerkte Yugi, indem er sah, wie sie ihre Couchgarnitur mit ihren Nägeln kratzte und Spuren hinterließ.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so wütend auf mich sein kannst, dass ich mit Tea ausgehe, sodass mir nur ein Gedanke übrig bleibt…“

Naél versuchte sich zu beruhigen. Vier Jahre lang hatte sie es geschafft und nun...

„Naél… er…“

„Er hat geheiratet, habe ich recht?“, kam es plötzlich aus ihr heraus.

Ihr Blick war gesenkt. Yugi konnte nicht in ihre Augen sehen und auch sie sah nicht, wie erschrocken er war.

„Das wollte ich nicht sagen…“

Langsam erhob sich ihr Kopf und erst jetzt konnte Yugi sehen, dass Tränen ihre Wangen entlang rinnen.

„Also doch?“, fragte sie mit leiser Stimme.

Yugi schüttelte seinen Kopf.

„Nein! Im Gegenteil, Naél. Nachdem ihm klar wurde, dass er dich auf ewig verletzt und verloren hatte, schwor er sich keine andere Frau mehr an seiner Seite zu haben… Die ersten Tage saß er immer wartend im Esszimmer und hoffte auf deine Rückkehr. Jedes Mal, wenn die Tür aufging wünschte er sich sehnlichst, dass du es sein würdest…“

Naél stand auf und nahm Yugi das leere Glas ab. In der Küche legte sie diese sofort in den Geschirrspüler. Sie merkte nicht, wie Yugi ihr hinter gekommen war und sich an der Wand anlehnte.

„Er will dich wieder zurück…“

Naél stutzte, als sie dies hörte.

„Das kommt mir so vor, als wäre ich eine Ware, die man verloren hat und wiederfinden möchte. Nur leider ist die Ware verloren gegangen und kommt nicht mehr zurück. Dann bleibt nur noch die Möglichkeit eine andere Ware zu holen.“

„Er will aber keine andere, verstehst du das nicht?“

„Ich habe es schon beim ersten Mal verstanden, Yugi! Aber ich werde nicht mit dir zurück kommen! Dies ist mein neues zu Hause geworden! Ich kann nicht so tun, als hätte ich das Geschehen vor vier Jahren vergessen! Es war nicht meine Schuld gewesen!“

„Dennoch hast du mit Kaiba geschlafen!“

Naél hielt inne als sie dies hörte.

„Weil ich es musste…Yugi…Um euch zu schützen… Nur darum! Nicht weil ich die Lust dazu hatte…“

Sie drehte sich um und kümmerte sich um die vollen Einkaufstaschen, die sie ausräumte und direkt in den Kühlschrank verfrachtete. Yugi war noch immer an der Wand angelehnt und beobachtete seine Schwester stillschweigend.

„Dann tu‘ Großvater bitte den gefallen und besuche uns…“

Yugi drückte sich ab und ging durch den Flur in das kleine Vorzimmer, in der er seine Schuhe anzog. Er bemerkte gar nicht, dass kurze Zeit später Naél zu ihm kam und ebenso ihre Schuhe anzog. Das klimpern ihrer Autoschlüssel verriet sie. Bevor Yugi etwas sagen konnte, kam sie ihm dazwischen.

„Ich fahre dich nach Hause…“
 

Naél überlief es ein unwohles Gefühl. Yugi hatte sofort gemerkt, dass sie mehrere Umleitungen fuhr und sich dem eigentlichen Haus entfernte. Doch er schwieg und wartete einfach nur ab.

„Was ist eigentlich aus der Familie geworden, bei der du gelebt hast?“, fragte er sie vorsichtig.

„Sie sind vor etwa drei Jahren nach Europa ausgewandert.“

Yugi sah, wie Naél an der Villa der Kaibas vorbeifuhr.

„Was ist eigentlich aus den Kaiba Brüdern geworden?“

„Seto reist die meiste Zeit um die Welt. Er ist kaum in der Stadt und Mokuba hat angefangen die Firma zu leiten, wenn sein Bruder gerade nicht da ist. Du wirst dich fragen, warum ich so etwas weiß. Ich habe in der letzten Zeit mit Mokuba geredet und er hält mich eben aufs neueste.“

Naél bog in die Hauptstraße ab und fuhr diese nur geradeaus weiter, bis sie in der Ferne schon den Spielladen ihres Großvaters sehen konnte. Das Kribbeln in ihrem Bauch verstärkte sich. Lange ist es her…
 

Yugi stieg aus dem BMW und näherte sich der Eingangstür. Naél folgte ihm langsamen und entfernt. Was würde sie machen, wenn sie ihrem Großvater in die Augen blickt? Oder Yami? Würde sie wegrennen?

Yugi öffnete die Tür und trat hinein. Es schien als wäre niemand zu Hause.

„Was stehst du da in der Schwelle? Komm‘ doch herein.“

Naél versuchte in ihr altes Heim einzutreten, aber wie aus Zauberhand gelang es ihr nicht. Yugi lächelte und griff nach ihrer Hand.

„Na, nun komm‘ schon.“, und zog sie zu sich.

Nachdem auch Naél ihre Schuhe loswurde, betraten sie beide das Wohnzimmer.

„Yugi? Bist du das?“, sprach eine Stimme.

Naél zitterte, als sie diese gebrechliche, zarte Stimme hörte.

Yugi gab ihr ein Handzeichen kurz zu warten und näherte sich der Couch in der jemand drinsaß. Es dauerte nicht lange, bis sie verstand, dass ihr Großvater darin lag. Yugi kniete sich neben ihm und blickte in seine alten, müden Augen.

„Was habe ich bloß getan…“, flüsterte sie zu sich selbst.

„Wie war dein Tag, mein lieber Enkel?“, fragte Salomon ihn.

„Ganz schön, ich war mit Tea unterwegs und war anschließend bei jemanden zu Besuch…“, antwortete er ihm lächelnd.

„So? Bei wem denn?“

Naél konnte es nicht mehr lange ertragen. Ohne ein Zeichen bekommen zu haben betrat sie das Zimmer und näherte sich ihrem Großvater ganz langsam.

„Bei all‘ den Göttern… Kann das sein? Ist das meine kleine Naél?“

Sofort tränten seine Augen und öffnete seine Arme um sie zu umarmen. Die letzten Meter rannte Naél zu ihrem Großvater. Auch sie konnte ihre Tränen nicht unterdrücken.

„All‘ die Jahre habe ich sehnsüchtig nach dir gewartet… Ich dachte schon, ich hätte dich für immer verloren, meine liebe Enkelin…“

„Verzeih‘ mir Großvater, bitte verzeih‘ mir…verzeih‘ mir…“

„Dir ist schon lange verziehen worden, liebes Kind… Oh wie es mich freut in dein Gesicht zu blicken…“

Er strich ihr über die Wangen und wischte einige ihrer Tränen weg.

„Was für eine wunderschöne, junge Frau du geworden bist…“

Naél lächelte und umarmte ihren Großvater noch einmal kräftig. In diesem Moment hörte sie erneut die Türen öffnen.

„Bin wieder da.“, hörte sie es aus dem Flur rufen.

Diese Stimme…

Die Schritte näherten sich und wurden immer lauter. Wie festgefroren saß sie da.

„Es ist schönes Wetter draußen. Wollen wir nicht hinausgehen? Yugi, du kannst auch Tea mit‒ …“

Nun wusste sie, dass er in dem Raum stand und sie anblickte. Naél schloss ihre Augen und lächelte. Das gewohnte Schweigen brach erneut aus und sie erhob sich langsam. Dann drehte sie sich um, öffnete ihre Augen und blickte in dieselben violette-schimmernden Augen ihres Gegenübers. Yami öffnete seine Mundwinkel.

„Hallo… Yami…“, sprach sie leise.

Niemand konnte zu ihrem Glück ihren wilden Herzschlag hören, der gegen ihre Brust pochte.

„Vier Jahre ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben…Erinnerst du dich noch an mich?“, fragte sie. Langsam trat sie näher.

„Es war an einem Tag, der ebenso schön war wie dieser…“

Wenige Meter blieben noch zwischen ihnen.

„War es auch ein Samstag gewesen? Ich weiß es nicht mehr…“

Ein Meter war noch geblieben.

„Jedoch stand eins fest…“

Sie blieb vor ihm stehen.

„…Dass du mich an diesem Tag beinahe umgebracht hättest!“
 

Ein leichter Windzug blies durchs Zimmer und lies Naéls lila Haarsträhne wehen. Ihr Herz pochte noch immer gegen ihre Brust.

Warum werde ich so nervös?

„Du siehst wunderschön aus…“, sagte plötzlich Yami.

„Wa-Was?“

„Du hast dich verändert. Dein Gesicht sieht viel reifer aus und dein Körper macht dich anziehender.“

Naél errötete.

Warum sagt er nur solche Sachen?

Yami schämte sich nicht so etwas in den Raum zu sprechen.

„Und deine Lippen? Ob die noch immer so süß schmecken wie vor vier Jahren?“

Er konnte gar nicht so schnell reagieren, da hatte Naél ihm eine Ohrfeige verpasst. Seine Wange färbte sich rot, er spürte die Wärme und den darauffolgenden Schmerz, dann drehte er den Kopf zu Naél und lächelte ihr einfach nur ins Gesicht.

„Ich denke, ich habe das mehr als verdient…Nicht wahr?“

„Oh und wie du das verdient hast! Hast du eine Ahnung was du hättest anrichten kön‒…“

Sie brachte den Satz nicht einmal zu Ende, da hatte er seine Lippen schon auf ihre gelegt. Sofort trennte seine Zunge ihre Lippen und drang widerwillig ein. Naél stöhnte kurz auf und kniff ihre Augen zusammen. Sie versuchte ihn wegzudrücken, welches jedoch nicht gelang. Erst als seine Hand ihren Hals herunter strich, schaffte sie es auf seine Zunge zu beißen.

„Au!“, rief er vor Schmerz.

Naél wischte sich über ihre Lippen und blickte ihn erzürnt an.

„Tu‘ das nie wieder! Hast du mich verstanden?!“

Stampfend lief sie an ihm vorbei, zog sich rasch die Schuhe an und ging hinaus direkt zu ihrem Auto. Wütend ließ sie sich auf die Fahrerseite plumpsen und blickte starr nach vorne, als ihr plötzlich die Tränen kamen. Tränen der Wut, des Schmerzens, der Trauer und der Sehnsucht. Sie lehnte ihre Stirn gegen das Lenkrad und dachte an das eben nach.

Was war das bloß für ein Gefühl…?

Wieso kann er nicht einfach aus meinen Gedanken verschwinden?

Wieso nicht? Wieso??

Das Motorengeräusch erklang und die Reifen bewegten sich vorwärts. Naél wollte nur noch ins Bett…
 

In dieser Nacht konnte Naél überhaupt nicht schlafen. Noch immer streiften ihre Gedanken an das Erlebnis in ihrem alten Zuhause und noch immer waren ihre Fragen unbeantwortet.

Total übermüdet stand sie auf und lief direkt in die Küche um sich einen starken Kaffee zu machen. Während die Maschine das Wasser erhitze, drehte sie sich um und blickte wie schon gewohnt auf das Telefon um zu sehen, ob sich jemand gemeldet hätte. Das kleine rote Leuchten verriet ihr, dass tatsächlich jemand in ihrer Abwesenheit angerufen hat.

„5 entgangene Anrufe? Wer mag das sein?“

Die Handynummer kam ihr unbekannt vor und Naél machte sich auch nicht die Mühe diese Person anzurufen.

„Wenn es so wichtig ist, dann soll sie mich eben noch mal anrufen!“, sagte sie zu sich. Sie roch den feinen Geruch des Kaffees und drehte sich um und nahm die Tasse in die Hand. Sie nippte am heißen Getränk und genoss das fein-starke Aroma.

„Das habe ich gebraucht.“

Mit nun klarem Kopf betrat sie das Wohnzimmer und setzte sich in die Couch. Sie wagte einen kurzen Blick auf die große Standuhr, welche zwanzig nach elf zeigte.

Hatte sie heute was vor? Sie wusste es nicht mehr. Der gestrige Tag hatte ihren ganzen Zeitplan durcheinander gebracht. Wollte sie heute nicht Mokuba besuchen gehen? Ein kleines Seufzen entging ihren Lippen und Naél schloss ihre Augen.

„Schlimmer als gestern kann es ja heute nicht werden.“, sprach sie vor sich hin.

Doch plötzlich klingelte es an der Tür und Naél riss ihre Augen fraglich auf.

Besuch? Wen habe ich denn für heute eingeladen? Ist es doch Mokuba?

Naél legte die Tasse auf den Kaffetisch und trat zur Tür. Ohne einen Gedanken öffnete sie die Tür und blickte hinaus.

„NEIN!“, schrie sie und schloss die Tür gewaltig wieder zu.

„Was willst du hier?“, fragte sie mit lauter Stimme.

„Mit dir reden…“, kam es von draußen.

„Hat es dir gestern nicht gereicht? Lass‘ mich doch bitte in Ruhe!“

„Naél ich bitte dich…Nur ein Gespräch, dann verschwinde ich auch wieder…Ich verspreche es…“

Naél hielt kurz inne. Sollte sie Yami wirklich rein beten? Widerwillig öffnete sie die Tür und blickte ihn erzürnt an.

„Aber nur ein Gespräch!“, warnte sie ihn.

Yami nickte und betrat ihr Haus.
 

Sie lief vor und fragte ihn beim Vorbeigehen, ob er etwas trinken möchte.

„Danke, nein.“, kam es seinerseits.

„Wie du willst.“, hörte er sie aus einem anderem Zimmer rufen.

Langsam betrat auch Yami das Wohnzimmer und musterte ihre Einrichtung.

Naél entgegnete nichts, saß sich in ihre Couch und nahm die Kaffetasse in die Hand.

„Wenn du erlaubst? Ich habe heute schlecht geschlafen.“, sagte sie.

Mit einem Handzeichen gab er ihr die Erlaubnis und Naél trank ohne Rücksicht ihren Kaffee.

„Also…was möchtest du unbedingt mit mir besprechen?“, fragte sie ihn desinteressiert.

Yami antwortete ihr nicht, sondern lächelte sie stur an.

„Kannst du mir auch mal antworten? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“

„Ich habe dich vermisst…“

Naél verschluckte sich am Kaffee und musste husten.

„Bitte was?! Sag mal, hast du eigentlich eine Ahnung, was du hättest anrichten können?“

„Ich weiß und deswegen möchte ich mich auch von ganzem Herzen aus bei dir entschuldigen.“

„Wenn du damit denkst, dass ich wieder zu dir zurückkomme, hast du dich gewaltig geirrt!“

Ihr verging die Lust den Kaffee zu Ende zu trinken. Sie schmeckte den herben Geschmack nicht mehr.

„Ich war erstaunt, dass du gestern zu uns gekommen bist.“, sagte er.

„Es war nicht deinetwegen! Ich wollte nur nach meinem Großvater sehen! Ich hätte mir sehnsüchtig gewünscht dir nicht über den Weg zu laufen!“

„Dennoch sind wir uns über den Weg gelaufen.“

Naél versuchte sich zu beruhigen. Sie hasste sein siegreiches Lächeln in seinem Gesicht.

„Das was du mit mir gemacht hast, hättest du lieber nicht machen sollen!“, entgegnete sie.

„Wieso? Hat es dir nicht gefallen?“

„Natürlich nicht!! Was fiel dir überhaupt ein?“

„Deine Lust sprach aber was ganz anderes!“

Naél biss sich auf die Zähne. Wutentbrannt stand sie auf und lief in die Küche um den restlichen Kaffe in die Spüle auszukippen.

Hätte ich diesen Idioten bloß nicht rein gelassen!

„Ich denke unser Gespräch ist hiermit beendet! Den Ausgang findest du schon allein!“, sagte sie und drehte sich um, als sie ihn dicht an sich stehen sah. Erschrocken atmete sie ein.

„Ich möchte aber noch nicht gehen…“, sprach er in einer leisen, weichen Stimme.

Seine Finger berührten ihre Wange und ließ ihr Herz auf 180 schlagen.

„Gerade weil du dich nicht wehrst ist Beweis genug, dass du genau das vermisst hast, nicht wahr? Die körperliche Nähe? Du warst die ganze Zeit über allein gewesen, geliebte Naél…“

Seine Finger strichen ihren Hals hinunter, weiter den Arm entlang und hielt ihre Hand fest. Er machte sie nervös und das wusste er auch. Er kam ihren Lippen gefährlich nahe.

„Ich hasse dich…“, flüsterte sie.

„Ich weiß…“, entgegnete er und konnte nicht mehr länger warten.

Sie genoss diesen leidenschaftlichen Kuss, obwohl sie es nicht wahrhaben wollte. Doch Naél musste eingestehen, dass er nicht ganz unrecht hatte…

Sie war die letzten Jahre allein gewesen und vermisste wirklich die körperliche Nähe. Sie wünschte sie sehr, morgens neben dem warmen Körper eines Mannes aufzuwachen und ihn mit einem zärtlichen Lächeln zu begrüßen. Aber die jahrelangen Nächte blieben immer leer und einsam.

„Ich hasse dich, weil ich verdammt nochmal nicht hassen kann!!“, sagte sie und zog ihn näher zu sich. Sie wollte ihn spüren, seine Wärme genießen und die vergangen vier Jahre nachholen, was sie verpasst hatte. Ihre Hände strichen über seinen Körper und zogen dabei das T-Shirt über seinem Kopf aus. Sein nackter Oberkörper war nun frei und sie wartete nicht lange, bis sie mit ihren Lippen an seinem Hals entlangwanderte. Yami hob Naél auf und setzte sie auf die Theke. Seine Lippen berührten wieder ihre und seine Zunge erforschte ihre Höhle.

„Es tut mir leid, das ich bei Seto geblieben bin…Aber du musst mir glauben, dass ich es nicht aus Spaß machte…“

„Ich weiß…“, er strich ihr mit seinen Fingern über ihre Lippen.

Ihre Hand hielt dabei seine fest.

„Es war jedoch meine Schuld, dass ich so blind vor Eifersucht war und dich zutiefst verletzt habe…“

Er berührte seine Stirn mit ihrer.

„Verzeihst du mir?“

Naél lächelte und leckte sich mit ihrer Zunge über ihre Lippen.

„Ich verzeih‘ dir…“

Nun musste auch Yami lächeln und strich ihr über die Wangen.

„Ich liebe dich.“, sagte er.

„Ich liebe dich auch.“

„Was machen eigentlich deine Kräfte?“

Naél grinste und blickte auf den Kerzenleuchter im Wohnzimmer. Mit einem knipsen entzündeten sich die Flammen.

„Ein wenig eingerostet, aber noch immer funktionell, wie du sehen kannst.“

„Hast du heute noch was vor?“

„Ich bin frei.“, antwortete sie.

„Gut, denn ich werde den ganzen Tag wohl hier bleiben müssen und die vergangenen Jahre nachholen.“

„Liebst du mich von ganzen Herzen?“, fragte Naél ihn plötzlich.

„Ja, warum?“, fragte er verwirrt.

Doch Naél lächelte bloß in sich hinein.

„Nichts… Ich freu mich drauf!“

Sie nahm ihn an die Hand und führte ihn ins Schlafzimmer, wo sie den ganzen Vormittag nicht herauskamen und auch den Nachmittag nicht zu Gesicht bekamen…

Es gab wirklich viel nachzuholen…
 

Fünf Jahre später…
 

„…und dann noch einige von denen…und von dort…ja, jetzt ist es schön.“

„Amitiel?“

„Ja Mama?“

„Kommst du rein? Wir wollen essen.“

„Komme schon.“

Das kleine Mädchen lief vom Garten ins Haus hinein. In ihrer Hand hielt sie ein Strauß Blumen, welches sie in dem großen Garten gepflückt hatte.

„Hier die sind für dich.“

„Was? Oh, die sind ja wunderschön. Danke mein Engel.“, sagte die junge Mutter und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn.

„Ist Onkel Yugi und Tante Tea schon da?“, fragte sie.

„Hm…ich glaub da musst du mal ins Wohnzimmer gehen und nach schauen.“

„Ok, Mami.“

Das Mädchen rannte ins Wohnzimmer und fiel sofort in die Arme ihres Onkels. Lachend schwing er sie in der Luft.

„Mensch, wie groß du geworden bist, kleine Amitiel.“, staunte ihr Onkel.

„Fünf Zentimeter mehr als gestern.“

Yugi lachte.

„Darf ich dir ein Trick zeigen, Onkel Yugi?“

„Natürlich.“

Amitiel befreite sich aus den Armen und holte ein Blatt Papier.

„Schau her!“, sagte sie eifrig.

Amitiel konzentrierte sich auf das Blatt, kniff ihre Augen leicht zusammen und plötzlich… entflammte das Papier und es blieb nichts mehr übrig. Yugi lachte auf.

„Aber nicht, dass du das Haus deiner Eltern anzündest, kleine Amitiel.“

Amitiel errötete und nickte. Yugi blickte auf und sah seine Schwester an der Wand angelehnt und lächelte stolz.

„Das mit dem Feuer lernen wir noch…Aber dafür bist du noch viel zu klein.“, sagte Naél.

Amitiel hörte, wie die Tür aufging und sich Schritte näherten. Um die Ecke kam niemand geringeres als Yami mit Joey.

„Papa!“, rief die Kleine.

„Hey, meine Kleine!“

Yami hob seine kleine Tochter hoch und blickte ihr in die ebenso lila Augen.

„Wie geht es der Prinzessin denn heute?“, fragte Joey.

„Sehr gut.“

„Das freut mich.“

Yami ließ seine Tochter wieder auf dem Boden, die sofort wieder zu ihrem Onkel und ihrer Tante ging. Dann wendete er sich seiner Frau zu und begrüßte sie mit einem zarten Stirnkuss.

„Und wie geht es meiner Königin?“

„Hm…“, entgegnete sie zynisch, „außer, dass ich den ganzen Vormittag das Essen versucht habe vorzubereiten, ganz gut.“

Ein Lächeln bildete sich auf den Gesichtern.

„Ich bin so glücklich an deiner Seite.“, sagte er.

„Ich ebenso.“

Amitiel runzelte ihre Nase und drehte sich zu ihrem Onkel um.

„Wird mir das später auch mal passieren?“

Tea streichelte ihren Kopf und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

„Das bleibt aber unser kleines Geheimnis, verstanden?“

Amitiel nickte und umarmte lächelnd ihre Tante.

„Aber nun sollten wir zum Tisch. Deine Mutter wartet schon, dass wir kommen.“

Der große Tisch war voll mit allerlei Köstlichkeiten.

„Aber das wär‘ doch nicht nötig gewesen, Naél.“, meinte Tea.

„Es war das mindeste, was ich tun könnte.“

„Naja wie auch immer, ich hab‘ jetzt Hunger!“, rief Joey und setzte sich auch schon auf den Stuhl. Die anderen taten dasselbe.

Naél stand noch immer am Durchgang und lehnte sich an die Wand. Es machte ihr Freude ihre kleine Familie so zusammen zu sehen. Jedes Jahr gab es so ein treffen. Mal bei Yugi und Tea, mal bei Joey und Mai, mal bei sich.

„Schatz? Magst du nicht auch kommen?“, riss Yami sie aus den Gedanken.

Naél blickte auf und lächelte.

„Bin sofort bei euch.“

Ja, das war ihre Familie…

Ihre kleine Tochter…

Ihr Leben…
 

Ende
 


 

Sooo~ das wars mit der Fanfiction :) Ich hoffe einige hatten ihren Spaß beim lesen und sind mit dem jetzigen Ende zufrieden :3 Es hat mir selbst soooo viel Spaß gemacht diese Geschichte zu schreiben <3 Danke an alle, die bis hierhin durchgehalten haben :)

Danke Schööööön *gaaaaanz viele Kekse da lass*

Bis zum nächsten Mal :D

lg Yurita <3



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Von:  AnchSuNamun
2011-09-03T16:54:57+00:00 03.09.2011 18:54
Juhu!! x3 Happy happy end =D freut mich dass es doch noch eins gibt :3 hrhr
Da ist Yami noch mal gut davongekommen xD

Greez
Anch
Von:  Tinufinriel
2011-09-02T15:52:54+00:00 02.09.2011 17:52
Ich liebe diese Geschichte. Danke! Danke! Danke!
Von:  Tinufinriel
2011-09-02T13:03:53+00:00 02.09.2011 15:03
Arme Amitiel. Ich mag deine Fanfic. Ganz ganz großes Lob für deine tollen Ideen.
Von:  fahnm
2011-08-30T21:08:06+00:00 30.08.2011 23:08
Ja^^
Happy End!^^
Von:  fahnm
2011-08-30T20:56:40+00:00 30.08.2011 22:56
Super Kapi^^
Von:  AnchSuNamun
2011-06-18T12:16:57+00:00 18.06.2011 14:16
och menno .___. hab irgendwie doch auf ein happy end gehofft öö finds schade dass es so endet aber ich freu mich dennoch auf die special kapis =)

vl. gibt es ja noch so etwas wie ein zweites ende? =3 *unbewusster hundeblick* .. ähöm... *pfeif* xD

Greez
Anch :3
Von:  fahnm
2011-06-14T19:31:03+00:00 14.06.2011 21:31
Klasse Special!^^
Von:  fahnm
2011-05-30T19:54:07+00:00 30.05.2011 21:54
Was?
Muss es wirklich so enden?
Das ist aber Traurig.
Ich hoffe das eines der Specials zeigt das es doch noch gut geht.
Freue mich schon drauf.^^
Von:  AnchSuNamun
2011-05-06T19:10:43+00:00 06.05.2011 21:10
omg x___x warum kann ich Seto immer weniger leiden? oO
ich bin gespannt wies weitergeht und vorallem mit Yami, der Arme.. eigentlich müsste sie Seto mit Leichtigkeit den Hintern verkohlen können..

Neugierig wies ausgeht o_o

Greez Anch
Von:  fahnm
2011-05-04T22:32:02+00:00 05.05.2011 00:32
Klasse Kapi^^
Freue michs chon aufs nächste.^^


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