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20000 Meilen unter den Meeren

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Prolog

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Authors Note…

Ein kleines Experiment.
 


 

Disclaimer…

Fluch der Karibik gehört Disney

20000 Meilen unter den Meeren gehört Jules Verne.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Es fällt mir schwer inzwischen recht schwer mich an den Anfang meines persönlichen Abenteuers zu erinnern, aber ich werde mit sanfter Gewalt dazu genötigt diese Zeilen zur Papier zu bringen. Meine Welt änderte sich im Frühjahr 1866, obgleich ich es damals noch nicht wusste…
 

Im Frühjahr 1866 entdeckte ein englisches Frachtschiff drei Seemeilen vor der Küste Tasmaniens eine nicht in die Seekarten eingetragene schwarze Masse. Man hielt sie für eine noch nicht erfasste, durch einen unterseeischen Vulkanausbruch entstandene Klippe und wollte sie gerade in die Seekarten eintragen, als die Klippe plötzlich eine unerwartete Aktivität in Form zweier meterhoher Geysire zeigte.

Nun blieben zur genauen Klassifizierung des Hindernisses nur noch die Alternativen ‚kleines Inselchen mit Geysir’ oder aber ‚unbekanntes Meerestier’ über.

Wenige Tage später beobachtete ein französisches Handelsschiff beinahe 800 Seemeilen weiter östlich ebenfalls von einer schwarzen Masse mit unperiodischen Geysirtätigkeiten. Das Tier, denn es musste sich bei der schwarzen Masse wohl um ein Lebewesen handeln, da Insel mit oder ohne periodisch tätigem Geysir sich nicht fortzubewegen pflegten, musste demnach unheimlich schnell sein.

3000 Seemeilen und 16 Tage später signalisierten sich mehrere Schiffe die Begegnung mit dem Wesen und glaubten die Größe mit 100 Meter richtig abzuschätzen, obwohl keine irgendjemand bisher bekannte Art von Meeresgetier solche Ausmaßen annahm.

Wenige Tage später kam es zu dem ersten Zusammenstoß eines Schiffes mit dem seltsamen Meereswesen zusammen und während nun weitere dieser tragischen Unglücke bekannt wurden, geriet es in den großen Städten Mode über das Meeresungeheuer zu sprechen. Kabarettisten, Schriftsteller und auch seriöse Wissenschaftler übertrafen sich selbst in ihren Vermutungen und ließen so die wenige Tatsachen außer Acht und machten das Wesen zu einer Abstraktion.

Drei Wochen später wurde das Meereswesen wieder konkret, als ein Dampfer einer bekannten Schifffahrtslinie gegen einen Felsen lief, der dort laut den Seekarten nicht sein dürfte. Die starken Maschinen retteten das leckgeschlagene Schiff und die Menschen darauf zwar, aber dennoch war es ein erschreckendes Beispiel für die Kraft des Ungeheuers: Seit ihrer Gründung vor beinahe 100 Jahren hatten sie weder eine Stunde Fahrtzeit, noch einen Passagier und schon gar kein Schiff verloren.

Das machte der Öffentlichkeit nun aber Angst, das Seeungeheuer wurde als Bedrohung für die zivilisierte Welt angesehen und so wurden die Forderungen laut, dass die Schlachtschiffe aller Nationen eine Jagd auf das unter den Schiffen aller Nationen wütende Untier veranstalten sollten.

Aber auch die Diskussionen über die Natur des Untiers hielten währenddessen immer noch an. Obgleich man die ‚Klippen-Theorie’ ebenso schnell wie die Theorie einer Insel schnell hatte aufgeben müssen, so traten andere Spekulationen an ihre Stelle. In New York, wo ich auf ein Schiff wartete, dass mich wieder in meine Heimat bringen sollte, war besonders die Theorie, dass es sich um ein Unterwasserfahrzeug handeln würde, besonders beliebt. Aber, ich konnte dieser Spekulation einfach nicht zustimmen.

Kein Privatmann konnte ein solches Fahrzeug besitzen und demnach müsste es einer Nation angehören. Aber auch diese Theorie ließ sich schnell widerlegen, da die Nationen der Erde ihre Unbescholtenheitserklärungen abgegeben hatten und einander glaubhaft versichert hatten, dass sie alle Angst vor weiteren Übergriffen hätten. Außerdem galt auch noch zu bedenken, dass die Kosten für ein solches Projekt astronomisch wären und dass es ebenso unwahrscheinlich wäre, dass die Montage eines solchen Fahrzeuges unbemerkt vonstatten hätte gehen können.

Und so blieb nur noch die zweite, ebenso beliebte Theorie über. Demnach handelte es sich nicht um ein Fahrzeug, sondern um ein bislang unbekanntes Lebewesen. Da ich kurz vor diesen Geschehnissen ein mehrbändiges Werk über die geheimnisvollen Lebewesen des Meeres verfasst hatte, wurde ich von der Öffentlichkeit oftmals zu beunruhigenden oder mysteriösen Tatsachen befragt. So auch dieses Mal, dennoch zögerte ich lange, bevor ich letztendlich einen Zeitungsartikel mit meiner Stellungsnahme, die hier in Auszügen wiedergegeben werden soll, veröffentlichte:
 

Nach Eliminierung aller gängigen Hypothesen wie zum Beispiel ‚Klippe’, ‚Inselchen’ oder auch ‚Unterseefahrzeug’, blieb letzten Endes nur die Theorie des Meeresungeheuers über. Hierzu ist zu sagen, dass wir noch sehr wenig darüber wissen, was sich in den Tiefen der Meere abspielt und keine von Menschenhand geschaffene Sonde hat jemals die tiefen Gräben und die hohen Berge sehen und vermessen können und selbst für Vermutungen fehlen uns somit die Anhaltspunkte.

Würden wir das Problem allerdings nur rein formell angehen, so würden nur noch zwei Möglichkeiten bestehen.

1. Wir kennen alle Tiergattungen auf unserem Planeten.

2. Wir kenne nicht alle Tiergattungen auf unserem Planeten.

Sollte diese zweite Hypothese stimmen, so halte ich es für durchaus möglich, dass eine unentdeckte Tiergattung durch Zufall in unseren Erfahrungshorizont und uns zur Kenntnis gelangen kann. Also wäre das Wesen eine noch unbekannte Tiergattung und muss genauer untersucht werden.

Wenn aber, wie die erste Hypothese aussagt, alle Tiergattungen bekannt wären, so müsste auch das unbekannte Tier irgendwo einzuordnen sein. An dieser Stelle wäre ich durchaus bereit die Existenz eines Riesennarwals ein zu gestehen.

Der Narwal, auch als das Einhorn der Meere bekannt, erreicht im Durchschnitte eine Länge von ungefähr vier bis fünf Meter. Der Riesennarwal wäre somit etwa zwanzig Mal größer, als seine bekannten Artgenossen und auch seine Kräfte und natürlich auch das Horn, müssten in eben diesem Maßstab potenziert werden.

Ein normaler, der heutigen Wissenschaft hinreichend bekannter Narwal wiegt ungefähr 15000 Kilogramm und verfügt über ein bis zu drei Meter langes Horn. Potenziert man auch dies mit dem bekannten Faktor und multipliziert man dieses Ergebnis mit der Geschwindigkeit, so ergibt sich dabei durchaus eine Stoßkraft, welche den Unfall des Linienschiffes erklärbar erscheinen lässt.

Dies wäre eine Erklärung für die momentanen Geschehnisse, gesetzt dem Fall dass die Einzelbeobachtungen, die als Fakten zugrunde gelegt worden sind, auch den Tatsachen entsprechen würden. Andernfalls, wäre auch eine durch falsche Tatsachen irregeleitete Schlussfolgerung möglich.
 

Dieser letzte Satz war eine meiner typischen Feigheiten, denn nichts fürchtet ein Wissenschaftler mehr als den Spott, wenn eine seiner Theorien von der Realität oder einen Kollegen widerlegt wird.

Mein Artikel stieß aber auf großes, weitgefächertes Interesse, einige Menschen ließen sich zu phantastischen Tagträumen von alle dem, was in den Tiefen der Meere leben könnte, hinreißen, anderen hingegen erschien es als ein rein theoretisches Problem. Nur in einem waren sich alle einig, sie forderten eine Befriedung oder Reinigung der Meere. aber, wie auch immer man es nennen wollte, im Endeffekt handelte es sich nur um ein anderes Wort oder eine andere Bezeichnung für eine Treibjagd auf ein Meereswesen.

Die Vereinigten Staaten handelten am schnellsten. Captain Turner, ein erfahrener Seemann und Captain, erhielt den Auftrag den schnellen Kreuzer Dauntless bereit zu machen.

Seltsamerweise war nun aber von dem Wesen nichts mehr zu hören, beinahe so, als ob es zuvor gewarnt worden sei.

Drei Monate lag der schnelle Kreuzer auf der Lauer, dann kam im Sommer 1867 endlich die erlösende Nachricht, dass das Tier in den nördlichen Gewässern des Pazifiks gesehen worden wäre. Turner erhielt nun die Anweisung innen 24 Stunden auszulaufen und ich erhielt drei Stunden vor dem Auslaufen folgende Depesche:
 

Mister James Norrington

Professor am Londoner Museum

z.Zt 5th Ave Hotel, New York
 

Mister Norrington,

Wenn Sie dich der Expedition der Dauntless anschließen wollen, würde sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sehr darüber freuen, wenn Sie mit ihrer Anwesenheit die Interessen Groß Britanniens vertreten würden und zur Lösung des Problems beitragen könnten. Eine Kabine steht bereits zu Ihrer freien Verfügung.

Ihr J. Gibbs, Sekretär der Marine

20000 Meilen unter den Meeren
 

Hätte ich zu dem damaligen Zeitpunkt bereits gewusst, wie sehr diese Depesche mein Leben verändern würde, so hätte ich noch mehr nachgedacht, ob ich dieser Einladung Folge leisten würde.
 

„André!“, kaum hatte ich das Blatt sinken lassen, rief ich nach meinem Diener, „André! Pack unsere Koffer!“ André hatte mich auf allen meinen Reisen begleitet, egal ob es sich um harmlose Vortragsreisen oder um Expeditionen an unzugängliche Orte handelte und nie war ein Wort der Klage aus seinem Mund gekommen. Dabei verfügte André, als waschechter Ire ein sehr aufbrausendes Temperament, das sehr gut zu seinen flammend roten Haaren passte.

Eine weitere Auffälligkeit Andrés war aber sein Wissen. Durch die Zusammentreffen mit den gelehrten Männern unser Zeit und durch den Umgang mit den wertvollen Stücken aus meiner Sammlung war er ein Spezialist im Klassifizieren geworden. Gab man ihm ein Stichwort, dann konnte er ohne zu zögern sämtliche Stämme, Gruppen, Unterabteilungen, Ordnungen, Familien, Gattungen, Untergattungen, Arten und Varietäten aufsagen, wobei dieses Wissen in der Realität vollkommen nutzlos war, konnte André doch keinen Fisch im Aquarium erkennen und benennen.

Trotz allem war er ein fabelhafter Bursche, der nur einen Fehler besaß, der ihm nicht auszutreiben war, er redete mich auch nach beinahe zehn Jahren noch immer in der dritten Person an.

„Ich habe die Koffer des Sirs gerade ausgepackt.“, endlich kam André durch die Tür und sah mich mit milder Verwunderung an, als ich den Kopf schüttelte und meine Forderung wiederholte, „Pack die Koffer.“

„Wie Sir belieben.“

„André, wir werden an Bord der Dauntless gehen.“

„Wie Sir belieben.“

„Wir schließen uns der Jagd nach dem Meeresungeheuer an.“

„Wie Sir belieben.“

„Es könnte sein, dass wir von der Reise nicht mehr wiederkehren.“

„Wie Sir belieben.“

Die Koffer waren schnell wieder gepackt und auch die anstehenden Formalitäten forderten nicht viel Zeit ein, so dass unsere Kutsche bald darauf den Hafen und somit auch die Anlegestelle der Dauntless erreicht. Während sich mein Diener um die zahlreichen Koffer kümmerte, begrüßte ich Captain Turner und ließ mir gleich auch meine Räume an Bord zeigen. Die Kabine gefiel mir ausnehmend gut, sie lag im Heck und stieß an den Offizierssalon, aber ich hatte nicht wirklich viel Zeit sie zu genießen, denn bereits wenige Minuten später gab ein Hornstoß das Signal zum Auslaufen.

Die Fahrt bis zum offenen Meer glich einem Triumphzug, Hunderte Boote begleiteten uns und an den Ufern standen winkende Menschen. Salutschüsse donnerten in unseren Ohren, als wir die Bastionen am Ufer passierten. Punkt 17 Uhr ging der Lotse von Bord und die Maschinen, die bisher nur mit halber Kraft gelaufen waren, brüllten auf, als auf volle Kraft geschaltet wurde und die Dauntless hinaus auf den Atlantik strebte.

Turner war, wie die nächsten Tage bewiesen, ein äußerst fähiger Captain, der sein Schiff in und auswendig kannte. Außerdem war er, wie jeder Seemann, sehr aufgeschlossen was die Thematik Seeungeheuer betraf. Ganz wie es sein Auftrag war, würde er das Meereseinhorn aufspüren und zur Strecke bringen. Es gab für ihn, wie er mir unmissverständlich klar gemacht hatte, nur zwei akzeptable Möglichkeiten:

1. Turner tötet Monster.

oder

2. Monster tötet Turner.

Auch die Mannschaft der Dauntless teilte diese Einstellung und so waren die Takelage und der Mastkorb beliebte und hart umkämpfte Plätze an Bord. Nicht zu letzt führte die ausgesetzte Belohnung für die Sichtung des Meereswesens dazu, dass sich die Matrosen um den Wachposten im Mastkorb stritten.

Auch ich wurde immer wieder von meiner Neugier an Deck getrieben und obwohl André mir auch hier klaglos folgte, so verstand er die ganze Aufregung nicht, sondern reagierte auch hier mit der ihm eigenen unerschütterlichen Ruhe.

Nur der Harpunier schaffte es ihn aus der Reserve zu locken. Theodore Groves, der selbsternannte König der Harpuniere, hatte einen ebenso aufbrausenden Charakter wie André und die beiden stritten wann immer sie einander gewahr worden. Nach ein paar Tagen war der Anblick des kleinen rothaarigen Andrés und des größeren und kräftig gebauten Kanadiers, wie sie über irgendetwas streitend an der Reling standen, ein vertrauter Anblick.

Und außerdem war Theodore Groves der Einzige an Bord der nicht an das Meereswesen glaubte, wie er mir in zahlreichen Gesprächen versicherte. Er wollte, egal welche wissenschaftliche Beweise ich auch anführte, nicht daran glauben, dass ein riesiger Narwal die Schiffe bedrohte. Er zweifelte an der Existenz des Wales, lieber wollte er an einen riesigen Tintenfisch glauben, obwohl ich ihm mit wissenschaftlich belegbaren Fakten belegen konnte, dass die Beschädigungen in den Rümpfen unmöglich von einem Weichtier stammen konnten. Leider konnte ich das Tier nicht genauer klassifizieren, für mich stand nur fest, dass es sich um ein Wirbeltier, der Klasse Säuger, Gruppe der fischförmigen, Ordnung der walartigen handeln musste. Die genaue Bestimmung der Familie hätte allerdings eine Zerlegung des Untiers vorausgesetzt, was aber wiederum einen Fang vorausgesetzt hätte. Und, um es zu fangen, müsste das Wesen erst einmal gesehen werden und daran scheiterte es.

Auch in den nächsten Wochen sahen wir keine Spur des Wesens und langsam begann die Stimmung an Bord zu kippen.

20000 Meilen unter den Meeren

Mittlerweile waren wir schon weit über einen Monat auf See, es war seit Wochen schon kein Land mehr in sicht und auch der letzte Hafen den wir angelaufen hatte, war schon längst wieder in Vergessenheit geraten. Das angespannte Ausschau halten forderte, als wir endlich den Punkten der letzten bekannten Sichtungen langsam näher kamen, außerdem auch noch seinen Tribut unter den Seeleuten. Die Mannschaft und auch wir, aßen inzwischen nur noch unregelmäßig, was die Anspannung noch steigerte. Zahllose Male am Tag wurde blinder Alarm ausgelöst und schließlich, als es zwischen Japan und Amerika keinen Punkt mehr gab, der noch nicht abgesucht und kein großes Meerestier, das entdeckt worden war, begann die Mannschaft endgültig unzufrieden zu meutern.

Eine Abordnung erschien eines Morgens bei Captain Turner und forderte ihre Rückkehr in den Heimathafen ein. Unser Captain konnte im Angesicht dieser Übermacht nur zustimmen, allerdings erbat er sich, wie einst der große Entdecker Columbus noch drei weitere Tage. Sollte in dieser Zeit kein Lebenszeichen der Kreatur gefunden werden, würde er sofort Kurs auf New York setzen lassen.

Dieses Versprechen führte abermals zu einer Änderung der Bordstimung. Plötzlich herrschte eine geschäftige Betriebsamkeit und die zuvor entmutigten Matrosen versuchten alles, um das Wesen anzulocken oder auf uns aufmerksam zu machen. Die Dauntless lag unter schwachem Dampf und riesige Fleischstücke, die leider doch nur Haie anlockten, wurden als Köder hinter dem Schiff hergezogen.

Wir lagen 300 Seemeilen vor Japan, als die erbetene Zeit schließlich ablief. Der Mond stand als Sichel am Himmel und beleuchtete Captain Turners Gesicht, als er ein aller letztes Mal mit dem Fernrohr den Horizont nach dem Tier absuchte. Auch wir spähten, mit Ausnahme von André, der uns einen Vortrag über die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens hielt, hinaus auf das dunkle Meer.

„Das gesuchte Ding, Ahoi!“, trotz des Vortrages darüber, dass ich gerade Monate meines Forscherlebens mit dieser Expedition verschwendet hätte, hörte ich die feste Stimme des Harpuniers, der auf einen nur wenige Seemeilen entfernt liegenden schimmernden Fleck deutete. An dieser Stelle schien das Meer von Innen heraus zu leuchten und nun, wo Groves uns darauf hingewiesen hatte, konnten wir alle das fluorszierende Oval erkennen. Es schien, sich um verschieden helle Ringe zu handeln, soweit man das aus dieser Entfernung feststellen konnte und ich konnte nur den Kopf schütteln, als ein Matrose ausrief, dass es sich um einen riesigen Einzeller handeln würde.

Bevor ich mich aber äußern konnte, begann sich die Lichterscheinung zu bewegen. Turner reagierte sofort und umsicht, wie man es von ihm erwartete, er ließ die Maschinen rückwärts laufen und wich so vor dem Untier zurück. So schnell wurden aus den Jägern die Gejagten, denn zu unserem Schrecken stellten wir fest, dass das Wesen sich viel schneller bewegte, als wir es vermochten.

Das Wesen schien mit uns zu spielen, wir konnten voller Schrecken beobachten, wie es uns erst in weitläufigen Kreisen umrundete, nur um dann direkt auf uns zu zusteuern. Wir bereiteten uns auf einen Aufprall vor, aber er kam nie, stattdessen tauchte das Tier unter uns hinweg und setzte dieses Jagdspiel weiter fort. Der bestürzte Captain der Dauntless wollte in der Dunkelheit nicht zum Angriff auf das unbekannte Wesen übergehen, sondern lieber den Tag abwarten, wo unsere Chancen besser stünden.

Unter schwachem Dampf hielten wir uns die Nacht über auf Position und soweit es erkennbar war, gab auch das Untier sein Spiel schließlich auf und ließ sich in den Wellen treiben. Es war eine furchtbar angespannte, aber durchaus auch ereignislose Nacht, nur gegen drei Uhr morgens schreckte uns ein Zischen auf. Theodore Groves identifizierte dieses Geräusch aber schnell als Walzischen, wenn auch dieses 100 Mal verstärkt zu sein schien.

Die Mannschaft hatte die Nacht genutzt, die Waffen der Dauntless, den kein noch so großes und starkes Tier widerstehen könnte, waren bereitgemacht worden und warteten nun im Morgengrauen auf ihren Einsatz. Jede der Kanonen war bemannt, aber Groves trat, mit seiner blanken Harpune in der Hand zu Captain und bat um ein Fangboot und eine Besatzung. Ein Wunsch, der ihm wegen der Sorge des Captains um seine Leute, nicht gewährt wurde.

Um acht Uhr morgens legte sich der Nebel endlich und wieder war es der Harpunier, der die Masse des Ungeheuers in einiger Entfernung ausmachte. Sofort wurden, unter dem Jubelgeschrei der Matrosen, die Kessel unter Dampf gesetzt und die großartige Dauntless nahm den Kampf mit dem Wesen auf.

Bald waren wir so nahe herangekommen, dass wir Einzelheiten erkennen konnten, aber schnell merkten wir, dass der Narwal sich keineswegs leicht fangen lassen würde. Stattdessen hielt das dunkle Tier immer den gleichen Abstand zu uns ein und ließ sich von uns verfolgen, so dass wir nach mehreren Stunden dieser angespannten Jagd, noch immer keine Erfolge vorzuweisen hatten.

Theodore Groves schlug am Ende vor, dass er sich mit seiner Harpune im Bug platzieren könnte, und es schien, als wären wir so wirklich endlich dem möglichen Ende unserer Jagd näher gekommen. Das Wesen schien nun zu guter Letzt in unserer Reichweite, aber schnell lernten wir, dass es wieder nur mit uns spielte. Denn gerade als Groves begeistert jubelnd seine Harpune schwang, beschleunigte das Wesen und tauchte unter uns hinweg.

Die Wut der Mannschaft wurde durch diese Manöver immer weiter geschürt und schließlich ließ Captain Turner die Kessel unter Volldampf setzen. Die Dauntless dröhnte und schnaufte, die Planken unter unseren Füßen vibrierten, aber auch jetzt wollte die Entfernung zwischen uns nicht kleiner werden.

Am Nachmittag ließ der Captain endlich die Geschwindigkeit drosseln, hatte er doch, ebenso wie wir begriffen, dass das Wesen schneller zu sein schien als wir. Nun befahl er seine Leute an die Kanonen und setzte auch gleichzeitig einen Preis darauf auf, wer es traf.

Der erste Schuss war schlecht gezielt. Er ging weit über das Wesen hinweg und ließ die blauen Wellen weit hinter dem Meeresungeheuer harmlos aufspritzen. Der nächste Schuss war wesentlich besser gezielt, aber dennoch prallte das Geschoss wirkungslos an dem dunklen Körper ab. Der Schütze und auch unser Captain fluchten zum Gotterbarmen und griffen wieder zu einer neuen Taktik.

Den Rest des Tages hetzten wir das Wesen, um es am Abend erlegen zu können. Walfängern, so berichtete uns Groves, woraufhin Andre nur schnaubte, gelang es häufig ihre Beute im Schlaf zu überraschen. Und auch Turner und Groves rechneten sich in dieser Nacht scheinbar sehr gute Chancen aus.

Der Tag verging also mit dieser Jagdspiel und in der Nacht erschien wieder dieser seltsame Lichtkreis, dieses Mal aber nur eine Seemeile entfernt. Das Tier erschien uns unbeweglich und der Captain und sein Harpunier beglückwünschten sich bereits zu ihrem erfolgversprechenden Plan.

Groves nahm seine Lauerstellung am Bug wieder ein und die Dauntless pirschte sich beinahe lautlos an unsere ruhig dahintreibende Beute heran. Je näher wir aber kamen, desto strahlender wurde der Glanz und schließlich mussten wir davon geblendet die Augen schließen.

Das Letzte, was ich sah, war die hochaufragende Silhouette des Harpuniers, wie er die Waffe auf seine Beute schleuderte. Dann erinnerte ich mich nur noch an ein metallisches Geräusch, bevor das Halteseil riss. Ich fiel und nach endlos erscheinenden Sekunden, schlug das kalte Meerwasser über mir zusammen.

20000 Meilen unter dem Meer

Die Schwimmbewegungen kamen automatisch und bereits nach wenigen Sekunden durchbrach ich wieder die Wasseroberfläche und konnte einen ersten qualvollen Atemzug nehmen. Hektisch sah ich mich nach Rettung um, aber ich fand den dunklen Schatten der Dauntless weit außerhalb meiner Reichweite. Und, während ich zu ihr hinsah, entdeckte ich zu meinem Entsetzen, dass sie sich, da mein Sturz scheinbar nicht bemerkt worden war, auch immer weiter entfernte.

Panik kroch in mir hoch und mit hektischen Armbewegungen versuchte ich dem Schiff hinterher zu schwimmen. Allerdings schluckte ich bei meinen verzweifelten Bemühungen Wasser und meine Kleider sogen sich unaufhaltsam voll. Plötzlich bleischwer behinderten sie mich, meine Kräfte verließen mich und ich sank unter Wasser. Mühsam und hustend tauchte ich wieder auf, sank aber wenige Sekunden später wieder, meine Hilferufe kaum hörbar, „Hi…lfe!“

Plötzlich fühlte ich mich am Kragen gepackt, wieder an die Oberfläche gezogen und sicher gehalten, „Wenn Sir die Güte hätte sich auf meine Schultern zu stützen, dann würde es viel besser gehen mit dem Schwimmen.“ Diese Stimme erkannte ich sofort, „André! Hat es dich auch ins Meer geschleudert?“

„Keineswegs, aber da Sir durch das Gehalt, welches Sir mir zahlt, einen Anspruch auf meine Dienste hat, bin ich Sir hinterhergesprungen.“, André klang vollkommen gleichgültig, nicht als ob er sich durch den mutigen Sprung ins Wasser in Lebensgefahr begeben hätte und ich konnte nur den Kopf schütteln, „Und, die Freagatte?“

„Sir sollten die Freagatte vergessen.“; erschrocken erkannte ich ein Messer in seiner Hand, aber da ich ihm vertraute, blieb ich ruhig und lauschte seinen Erklärungen, „Bevor ich Sir nachsprang, hörte ich wie, Schrauben- und Steuerschaden gemeldet wurde. Beides ist zerbrochen, die Dauntless treibt manövrierunfähig…“ Zerbrochen?“, der Schock in meiner Stimme ließ André lächeln und er nickte, „Durch den Zahn des Ungeheuers…Aber, sei es wie es sei. In unseren Muskeln stecken noch einige Stunden schwimmen und bis dahin kann sich alles für uns ändern.“ Mein Diener hob nun das Messer und fuhr damit unter meiner vollgesogenen Kleidung, um diese der Länge nach aufzuschlitzen, „Ich muss mir nun einen indiskreten Schnitt erlauben.“ Wir tauschten das Messer und ich leistete ihm den gleichen Dienst, so dass wir beide uns unbeschwert über Wasser halten konnten.

Eine Weile sprachen wir über eine mögliche Rettung durch Turner und die Dauntless, aber wir bemerkten schnell, wie uns diese Spekulationen anstrengten und durch das immer kleiner werden des Schiffes am Horizont, auch demoralisierten. So schwiegen wir schließlich und versuchten durch verschiedene Manöver unsere Kraft zu schonen. Einer von uns spielte auf dem Rücken liegend den toten Mann und der andere stieß ihn mit sanften Stößen vor sich her. Alle zehn Minuten wechselten wir die Rollen und hofften so wenigstens bis zur Dämmerung durchhalten zu können.

Obwohl das Meer vor mir so ruhig wie ein Spiegel dalag, so spürte ich kurz nach Mitternacht bereits die ersten Ermüdungserscheinungen. Krämpfe quälten mich und meine Beine wurden steif, so dass ich mich auf André stützen musste. Natürlich blieb das nicht ohne Folgen, wenige Minuten später ging auch sein Atem schwer und seine Bewegungen wurden schnell immer unkoordinierter.

„Lass mich, André.“, bat ich meinen Freund leise, aber er schüttelte, ganz irischer Sturkopf den Kopf, „Sir loslassen? Lieber würde ich ersaufen!“ Bei diesen Worten brach endlich der Mond durch die Wolken und enthüllte unsere Situation in ihrer ganzen Dramatik.

Die Dauntless wurde am Horizont immer kleiner.

Nirgends ein Boot.

Ich wollte um Hilfe rufen, aber ich brachte vor Erschöpfung keinen Ton mehr heraus, so dass alleine Andrés Schreie durch die Nacht hallten.

Jäh schwieg mein Begleiter und wir wechselten einen ungläubigen Blick, hatten wir doch gerade eine Antwort auf den Ruf gehört!

André rief weiter und stützte sich, damit er weiter sehen konnte, schließlich auf meinen Schultern ab. Nachdem er mich dann ein zweites Mal in dieser Unglücknacht gerettet hatte, versuchte er mir zu erklären, was er gesehen hatte. Aber, die Wörter versagten ihm, so dass er schließlich in eine Richtung deutete und mit kraftvollen Zügen davonschwamm. Ich folgte ihm, wenngleich auch wesentlich weniger kräftig und starrte schließlich entsetzt auf einen großen schwarzen Körper, der vor uns im Wasser lag.

All meine Instinkte rieten mir umzudrehen und mein Heil in der Flucht zu suchen, aber André zog mich unbarmherzig mit sich und ich fand irgendwo noch die Kraft mich anzuklammern. Jemand…oder etwas riss mich empor und ich spürte nur noch wie ich salziges Wasser erbrach, bevor ich das Bewusstsein verlor.

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Leben kehrte langsam wieder in meine Gliedmaßen zurück und als ich endlich die Kraft fand meine Augen wieder zu öffnen, erkannte ich André, der besorgt vor mir kniete. Der Ire half mir in seine sitzende Position und nun konnte ich im hellen Mondlicht auch die zweite Person erkennen, „Theodore Groves! Sind Sie auch ins Meer gerissen worden?“ „Jawohl, immer meiner Harpune nach.“, der Kanadier strich über seine Waffe, „Aber, ich hatte wohl mehr Glück als Sie, Professor. Ich konnte gleich auf diesem kleinen Inselchen Fuß fassen.“ „Inselchen?“, verwirrt strich ich über die Kühle unter meinen Fingern, während André schon den Mund öffnete, um erneut mit dem Harpunier zu streiten. Theodore ging aber nicht darauf ein, sondern strich mit seinen schwieligen Händen über das Material unter uns, „Oder auch Narwal…Jedenfalls weiß ich nun, warum meine Harpune nicht eindringen konnte.“ Er hatte meinen fragenden Blick wohl auf sich ruhen gefühlt, jedenfalls setzte er seine Erklärungen einfach fort, „Sie konnte nicht eindringen, da Ihr fischiger Meeressäuger ist aus Eisenplatten gemacht, Professor Norrington.“

Diese Bemerkung brachte mich endgültig wieder zu Verstand. Ich sprang auf und trat mit dem Fuß gegen den Untergrund. Offenbar ein sehr harter Stoff, vielleicht ein Schild? War das Wesen vielleicht eine Amphibie, eine riesige Schildkröte oder ein Alligator?

Nein, dieser schwarze Rücken war nicht schuppig, sondern glatt poliert. Der Ton, als ich noch einmal dagegen getreten hatte, war metallisch und so unglaublich es uns erschien, es bestand kein Zweifel mehr, das Meeresungeheuer bestand aus genieteten Eisenplatten. Es war ein Wunder von Menschenhand.

Wir standen auf einem, wie ich im Mondlicht nun erkennen konnte, fischförmigen Unterseefahrzeug und neue Hoffnung keimte in mir, „Wenn dies hier ein von Menschen gebautes Unterwasserfahrzeug ist, dann hat es auch eine Mannschaft…“ Theodore nickte, „Das mag sein, Professor. Aber, es hat sich in den vergangenen Stunden, seit ich auf ihm hocke, noch nicht gerührt hatte.“ „Gut, wir wissen, dass es fahren kann und dazu braucht es eine Maschine und eine Mannschaft. Und, so sind wir wohl gerettet.“

Als hätte uns die Mannschaft des Unterseefahrzeugs belauscht, so dröhnte plötzlich ein Brausen durch die dunkle Nacht und wir setzten uns in Bewegung. Zunächst war es für uns nicht gefährlich, denn unser Standpunkt ragte noch beinahe einen Meter aus dem Wasser heraus. Aber, wenn es dem Captain einfallen würde auf Tauchstation zu gehen, wären wir verloren, so dass wir eilig beschlossen uns mit der Mannschaft des Schiffes in Verbindung zu setzen. Wir suchten verzweifelt nach einer Luke in den genieteten Platten, aber wir wurden nicht fündig. Dennoch war es sicher, dass es so etwas geben musste, schließlich musste auch die Mannschaft das Schiff verlassen und die verbrauchte Luft austauschen.

Die Schraube, die sich mit mathematischer Präzision drehte, wurde nach einigen Stunden immer schneller und wir jagten schließlich durch die stillen Gewässer. Die Bugwelle traf uns und es fiel uns immer schwerer uns auf dem Fahrzeug zu halten. Zum Glück fanden André und Theodore während eines weiteren Streits über die Wassertemperatur einen Ring, an dem wir uns festhalten konnte.

Es dauerte unendlich lange, bis die Nacht vorbei war, aber endlich dämmerte es und ich konnte den frühmorgendlichen Nebel um uns herum erkennen. Die Schrecken der Nacht, die Apathie, die seltsamen Tonfetzen, die zu uns drangen und die vielen ungelösten Fragen verflüchtigten sich mit zunehmender Helligkeit.

Nachdem die Sonne endlich doch durch die Nebelfetzen drang, wollte ich mich gerade an eine neuerliche Untersuchung des Unterseefahrzeugs machen, als wir zu unserem großen Schrecken feststellen mussten, dass es tiefer zu sinken schien. „Hey da! Warum so ungastlich! Macht doch endlich die Luke auf und lasst uns ein!“, Theodore trat erneut gegen die schwarze Oberfläche und André merkte daraufhin reichlich spöttisch an, dass man dieses sicher nicht im Inneren gehört hätte.

Auch ich glaubte nicht an einen Erfolg, aber das Abtauchen wurde jäh unterbrochen und ein metallisches Rasseln ließ uns herumfahren. Eine Platte hob sich aus dem Rumpf und das Gesicht einer dunkelhäutigen Frau erschien in der neuentstandenen Öffnung. Sie stieß einen heiseren Schrei aus und verschwand sofort wieder, bevor wir reagieren konnten.

Aber, wenige Augenblicke später öffnete sich die Luke erneut und acht maskierte Männer packten uns und zerrten uns ins Innere dieses metallischen Monsters.

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Ich habe meine Freunde niemals gefragt, was genau sie bei diesem Empfang gedacht hatten, aber mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Das alles erinnerte mich an meine Kindheit und an die Piratenbücher, die ich früher geradezu verschlungen hatte.

Ich konnte, da die Luke sich hinter uns wieder geschlossen hatte, nichts sehen, fühlte aber eine eiserne Treppe unter meinen nackten Füßen. Am Ende der Treppe wurden wir unsanft seitwärts gestoßen, dann öffnete sich eine Tür, durch die man uns schob. Kaum waren wir hindurch, hörte ich, wie die Tür abgeschlossen wurde.

Nun wieder alleine, begann Theodore gotteslästerlich zu fluchen und sofort entspann sich wieder ein Streit zwischen dem Kanadier und meinem Diener. Ich nützte diese Zeit und tastete mich im Dunkeln durch den Raum. Nach sieben Schritten stieß ich auf eine Wand aus Eisen und auch die anderen Wänden waren nicht weiter entfernt und bestanden ebenfalls aus genieteten Eisenplatten. Der Fußboden war mit Bastmatten ausgelegt und meine Hände ertasteten einen, ebenfalls metallischen Schemel und einen Tisch. Die Höhe bekamen wir nicht heraus, aber wir konnten eine Schätzung für die Breite anstellen. Der Raum war etwa 6x3 Meter groß und besaß weder Fenster, noch eine fühlbare Tür.

In den ersten Minuten geschah gar nichts, aber plötzlich ging ein grelles Licht über uns an. Wir erkannten das Leuchten als das selbe, was wir an der Meeresoberfläche gesehen hatten und nachdem wir uns an die Helligkeiten gewöhnt hatten, fanden wir auch die Lichtquelle. Eine durchsichtige Halbkugel an der Decke.

Theodore, erfreut dass er seinen Gegner nun sehen konnte, zog seine Harpune und baute sich breitbeinig vor der Tür auf. André quittierte das nur mit einem Schnauben und ich betrachtete meine Umgebung nun in dem neuen Licht. Die Einrichtung der Kabine war schlicht gehalten, es gab einen einfachen Eisentisch in der Mitte des Raumes, darum fünf Eisenschemel, nichts weiter. Noch nicht einmal der Rahmen der Tür war auszumachen und es herrschte eine gespenstische Stille um uns herum. Man konnte noch nicht einmal ausmachen, ob das Fahrzeug fuhr oder still im Wasser lag.

Ich vermutete, dass das Licht eingeschaltet worden war, da der Captain oder jemand anderes seine ‚Gäste’ betrachten wollte und ich sollte mich nicht irren. Nach Minuten des bangen Lauschens, hörten wir ein leises Klicken und ein Riegel wurde vorgeschoben, bevor sich die Tür öffnete. Ein Mann und eine Frau traten ein.

Die Frau war dieselbe, die uns an Deck entdeckt hatte, aber nun konnte ich ihre Schönheit erkennen. Ihre Haut war milchkaffeebraun und ihre schwarzen Haare zu einem komplizierten Knoten aufgesteckt. Sie trug, wie ihr Begleiter auch, weite Hosen und ein ebenso weites Hemd, das ihre Körperformen verbarg. An den Füßen trug sie Lederstiefel und ihre Hände ruhten am Knauf ihres Messers, dass in einem Ledergürtel um ihre Taille ruhte.

Der Mann war anderes und es fiel mir schwer meine Augen von ihm abzuwenden. Das erste, was mir an ihm auffiel, war das rote Tuch, dass er um seinen Kopf geschlungen hatte und dass die langen dunklen Haare davon abhielt in die Augen zu fallen. Und, was für Augen das waren! Dunkle, beinahe schwarze Opale, glitten über mich und ich fühlte mich plötzlich in meiner durchnässten Unterkleidung sehr nackt. Kein Lächeln glitt über die vollen dunklen Lippen und auch keine seiner feingliedrigen Hände wurde uns zur Begrüßung entgegengestreckt. Seine Haut, die man unter dem weißen Hemd und der blauen Uniformjacke erahnen konnte, war nicht so dunkel, wie die seiner Begleitung, aber auch sie zeigte, dass dieser Mann oftmals der Sonne ausgesetzt gewesen war. Ich vermochte nicht zu sagen, wie alt er war, aber ich fühlte mich wie ein ertappter Schuljunge, als sein Blick den meinen einfing.

Lange Zeit schwiegen unsere Gastgeber und setzten ihre Musterung fort, dann wandt sich der Mann an seine Begleitung und sprach in einer unbekannten, aber sehr wohlklingenden Sprache mit ihr. Sie schüttelte den Kopf und sprach dann, wohl mit einer Frage, mich an. Meine Erwiderung, in besten Schulenglisch, lautete dass ich sie leider nicht verstehen würde, traf bei der Frau auf Unverständnis, so dass André vorschlug, ich sollte die ganze Geschichte erzählen. Vielleicht wären ja wenigstens einige Worte bekannt.

Ich sprach langsam und untermalte meine Worte mit Gesten, aber unsere Gastgeber zeigten nicht, ob sie auch nur einen Satz verstanden hatten. Erschöpft deutete ich auf meine Freunde und stellte schließlich jeden Einzelnen mit Namen und Beruf vor.

Als auch das keine Reaktion brachte, deutete ich auf Theodore, „Nun sind Sie dran Meister. Kramen Sie Ihr bestes Französisch hervor. Der Kanadier ließ sich nicht noch einmal bitten, lebhaft und mit großen Gesten, die meine bei weitem noch übertrafen, legte er los und berichtete unser Schicksal erneut. Er beschwerte sich auch und verkündete, dass diese Gefangennahme gegen das Menschenrecht verstoßen würde.

Auch André probierte es noch einmal auf Irisch, aber seine Erzählung endete mit einem Streit zwischen ihm und dem Kanadier, so dass ich schließlich eingriff und unsere Erlebnisse noch einmal auf Latein zusammenstotterte. Die einzige Reaktion bestand aber daraus, dass der Mann und die Frau einen langen Blick und einige kurze Sätze miteinander wechselten, bevor sie ohne einen Gruß gingen.

Die Tür wurde wieder verriegelt und wir waren wieder alleine. Der Hunger quälte uns, aber ebenso die Herkunft unserer beiden Gastgeber, lieferte doch selbst ihre Sprache keinen Anhaltspunkt. Meine beiden Begleiter gerieten darüber wieder in einen Streit und bemerkten weder, dass ich am Tisch eingeschlafen war, noch dass sich die Tür geöffnet hatte.

Ein Steward, mit Kleidung über dem Arm und einem großen Tablett in der Hand, trat ein. Er teilte die Kleidung aus und deckte unseren kargen Tisch, bevor er das Tablett bei uns ließ und wieder verschwand.

Misstrauisch betrachteten wir die Kleidung, aber die versprochene Wärme brachte uns schnell dazu sie überzustreifen. Und, ebenso schnell wurden danach die silbernen Deckel von den Tellern angehoben und argwöhnisch daran geschnuppert.

Es schmeckte aber genauso gut wie es roch, selbst wenn wir einige der Lebensmittel nicht einmal zielsicher ins Tier oder Pflanzenreich einordnen konnten. Leider fehlte ein Wein, dafür war in der Kristallkaraffe klares und kühles Wasser, das unseren Durst hervorragend zu löschen verstand. Das Besteck schien, wie in einem der erstklassigen Hotels meiner Heimat, aus purem Silber zu sein und jedes Stück trug eine Gravur ‚Mobilus in mobili’. ‚Beweglich im Beweglichen’ ein trefflicher Wahlspruch, wie ich fand.

Aber, ich konnte nicht mehr weiter darüber nachdenken, denn kaum hatte ich den letzten Bissen verspeist, ergriff mich eine bleierne Müdigkeit. Auch meine Freunde wirkten müde und sanken unzeremoniell auf der Bastmatte nieder. In meinem Kopf drehten sich noch einige Minuten lang die ungelösten Fragen, aber schließlich siegte doch die Müdigkeit, so dass ich von meinen Schemel sank und neben meinen Gefährten einschlief.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Thanx…

Blackpoetcat…Danke schön, Beta ist wieder eingeschaltet und liest nun erst einmal das Buch, damit sie mitreden kann… ;)

Orca…Auch ein dickes Danke an dich. Das Buch lohnt sich zu lesen, oder sollte ich besser sagen, die Bücher? Es gibt ein paar davon, aber wir widmen uns nun erst einmal dem ersten ;)

Mari…Ohne dich und den Baileys hätte das hier nicht geklappt. Danke.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Wie lange wir auf dem Boden geschlafen hatten, ließ sich nicht mehr feststellen. Ich erwachte allerdings mit schmerzenden Gliedern und dem unguten Gefühl keine Luft mehr bekommen zu können und kam nur taumelnd auf die Beine. Meinen Gefährten erging es ebenso, wir alle stützten uns am, inzwischen abgeräumten Tisch ab und versuchten verzweifelt unsere Lungen mit Sauerstoff zu füllen.

Aber, egal wie tief wir auch einatmeten, es schien als ob einfach kein Sauerstoff in unsere Lungen kommen würde. Wahrscheinlich, so schlussfolgerte ich schließlich, während Andrés und Theodores Streitereien nun nur noch japsend fortgeführt wurden, war unsere Atemluft verbraucht. Und, wenn unsere Luft verbraucht war, denn wohl auch die restliche Luft an Bord dieses Fahrzeuges. Diese Tatsache brachte mich dann wieder auf die Frage, welches Verfahren der Captain anwendete, um den Sauerstoff zu erneuern.

Es gab mehrere Möglichkeiten, entweder Sauerstoffgewinnung durch die Ausreibung aus chlorsaurem Kali, Presslufttanks, die regelmäßig aufgefüllt wurden oder aber der Captain orientierte sich an den Walen und nahm einfach mit offener Luke Sauerstoff auf. Die erste Theorie bedeutete Kontakt mit dem Festland. Und, da alle Nationen eine Versicherung unterschrieben hatten, dass das Schiff keinen Heimathafen innerhalb ihrer Hoheitsgewässer hätte, war es eher unwahrscheinlich, dass so ein Kontakt bestand.

Eine Auflösung sollte ich zu dieser Zeit noch nicht bekommen, aber plötzlich, gerade als selbst die beiden Streitenden ihren Zwist zugunsten von japsenden Atemzügen eingestellt hatten, strömte plötzlich kühle und wunderbar erfrischende Meeresluft über uns.

Nachdem wir einige beruhigende tiefe Atemzüge getan hatten, fiel uns auf, dass das Schiff leicht schwankte. Während André und ich uns keinen Reim darauf machen sollten, brummte Theodore, der sichtlich schlechtgelaunt am Tisch saß, nur kurz, „Das sind die Wellen, wir sind wohl an der Meeresoberfläche.“ Er sah kurz zur Tür, „Wollen die uns etwa ewig hier eingesperrt lassen? Und wahrscheinlich noch verhungern verlassen!“ „Dann hätten wir bisher überhaupt nichts zu essen bekommen.“, ging André gleich dagegen an und ich konnte mir nur schwerlich ein Seufzen verkneifen. Man musste nun wirklich kein Professor sein, um zu wissen, dass das der Auftakt eines neuerlichen Streites war. Beiläufig ließ ich meinen Blick nun durch den leeren Raum wandern, während Theodore Groves den Fehdehandschuh nur zu gerne aufnahm und sich bald ein lebhaftes Wortgefecht zwischen den beiden unterschiedlichen Männern zu entspinnen begann.

„Dann wollen uns diese Kannibalen eben mästen!“, dieser Satz riss mich aus meiner Lethargie und zwang mich, mich in den Disput einzumischen, „Diese Unterstellung verbiete ich mir, Mr. Groves. Wir befinden uns hier unter zivilisierten Leuten!“ „Aber Professor, Sie sehen das aus einem falschen Blickwinkel. Diese Menschen haben lange Frischfleisch entbehren müssen, und nun kommen zwei schmucke Männer und ein Ire daher…“

Es dauerte beinahe eine Viertelstunde, bis ich mich über den Schwall aus irischen Beschimpfungen wieder verständlich machen konnte, „Mr. Groves, Sie haben die falsche Einstellung unseren Gastgebern gegenüber. Wenn Sie aggressiv ihnen gegenüber werden, werden sie vielleicht mit den gleichen Mitteln antworten. Zurückhaltung ist definitiv angesagt, mein Freund.“ „Was könnte uns denn noch Schlimmeres passieren, als hier in diesem dunklen Loch festzusitzen? Wie lange soll das hier noch dauern?“, André wollte sich gerade wieder einmischen, aber der Harpunier ignorierte ihn und sprach einfach weiter, „Wir sollten uns unseren Weg einfach in die Freiheit kämpfen. Wie viel Besatzung hat dieses Fahrzeug wohl?“

In den nächsten Minuten versuchte ihn davon zu überzeugen, dass sein Plan sich des Unterseebootes zu bemächtigen von vornherein zum Scheiten verurteilt wäre, aber er wollte es nicht einsehen und er beruhigte sich auch nicht. Eher das Gegenteil trat ein und bald darauf wurden meine Überlegungen wieder von dem inzwischen vertrauten Streitgespräch zwischen dem Kanadier und dem Iren untermalt.

Diese Streiterei war, wie mir nun auffiel, auch das einzige Geräusch um uns herum. Das Fahrzeug musste wohl irgendwann wieder abgetaucht sein und somit waren wir nun wohl auch nicht mehr länger ein Teil der Welt. Schlagartig wurde es mir klar, niemand wusste wo wir waren und es war keine Hilfe für uns Gefangene in Sicht.

Wieder musste ich an den Captain denken, aber langsam erlosch das edle Bild, das ich von ihm hatte und wurde von einem anderen, durch Vernunft diktiertes Bild ersetzt:

Es war das Bild eines grausamen Mannes, der außerhalb der normalen menschlichen Ethik und Normen lag und auch lebte. Er war jedem menschlichen Gefühl unzugänglich und hasste die Menschheit und die Welt mit jeder Faser seines schwarzen Herzens. Ganz bestimmt würde dieser Mensch uns verhungern lassen, ohne einen einzigen Gedanken an uns zu verschwenden. Wahrscheinlich hatte er das auch schon beschlossen und wartete nun nur noch darauf, dass wir vor Hunger dem Wahnsinn verfallen würden.

Der immer noch andauernde Streit meiner Gefährten übertönte eigentlich alles, aber dennoch drang ein leises Klicken an mein Ohr und als ich den Kopf drehte, sah ich wie ein Steward durch die Tür trat. Ich war nicht der einzige, der ihn bemerkt hatte, aber während André die Hände in die Hüften stemmte, reagierte der Kanadier anders. Theodore stürzte sich mit einem tierischen Knurren auf den anderen Mann, riss ihn zu Boden und legte seinen Hände um dessen Hals, um unbarmherzig zuzudrücken.

Wir waren vor Schreck wie erstarrt und konnten erst nach einigen Sekunden darauf reagieren. Aber gerade, als wir an Theodore zerrten und auf ihn einredeten, erklang eine andere, fremdartige Stimme, „Beruhigen Sie sich, Theodore Groves. Und Sie, Professor Norrington, hören Sie mich an.“

Es war der Captain. Ich entdeckte seine schlanke Gestalt, wie er mit verschränkten Armen und uns musternd, in der Tür. Er trat nun nur zur Seite, als der hustende Steward die Kabine verließ. „Meine Herren, ich spreche Englisch, Französisch, Irisch und auch Latein. Ich hätte Ihnen schon lange antworten können, aber ich wollte erst genau wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ihrer mehrfachen Berichterstattung nach, sind sie Professor James Norrington vom Londoner Museum, sein irischer Diener André Gillette und der Harpunier der Dauntless, Mister Theodore Groves.“

Die spielerische Leichtigkeit, mit der er sprach faszinierte mich. Er wählte die richtigen Ausdrücke und auch seine Betonung und Aussprache waren elegant und zeugten von Wissen und Können. So sehr ich mich auch anstrengte, es war kein wirklicher Akzent herauszuhören, aber dennoch blieb das seltsame Gefühl, dass es sich bei Englisch keineswegs um seine Muttersprache handeln würde.

„Sie mögen mir verzeihen, dass ich mit meinem zweiten Besuch bei Ihnen so lange gehadert habe. Aber, Sie bringen mich in gewisse Schwierigkeiten, das Schicksal hat sie in die Nähe eines Mannes gebracht, der mit der obigen Welt gebrochen hat. Es tut mir leid, aber Sie stören ihn bereits durch Ihre pure Anwesenheit…“

„Gegen unseren Willen!“, protestierte ich, aber er hob mahnend und leicht spöttisch den Zeigefinger, „Die Dauntless hat mich also ganz gegen Ihren Willen aufgebracht? Sie sind vollkommen gegen Ihren Willen an Bord gewesen? Ihre Geschosse haben sich alleine gelöst und sind aus purem Zufall auf die Hülle der Black Pearl aufgeschlagen?“

„Aber Captain, Sie wissen wahrscheinlich welche Gerüchte über dieses Fahrzeug auf der…obigen Welt im Umlauf sind. Ihre Tätigkeiten in letzter Zeit sind nicht unbeobachtet geblieben und Sie wissen sicherlich auch, dass die Mannschaft der Dauntless ohne Zweifel glaubte ein Seeungeheuer zu jagen.“, verteidigte ich unsere tapfere Fregatte und deren ebenso tapfere Besatzung, aber wieder ließ er meine Einwände nicht gelten, sondern machte eine ungeduldige Bewegung mit seiner Hand, die mich zum Schweigen bringen sollte, „Sie wollen also behaupten, dass die Menschheit sich anders verhalten hätte, wenn bekannt gewesen wäre, dass es sich um kein Seeungeheuer, sondern um ein Unterseeboot handelt?“

Darauf konnte man nichts erwidern und so schwieg ich betreten, während er mit ruhiger Stimme weitersprach, „Sie können also auch annehmen, dass auch ich Sie wie meine Feinde behandeln werde. Ich sehe mich zu keiner Gastfreundschaft verpflichtet, ich hätte Sie alle dort oben auf der Plattform lassen können. Sie wären wie die Ratten ertrunken, vergessen von der Welt. Wäre das, nach den Angriffen auf mich und mein Schiff nicht auch mein gutes Recht gewesen?“

„Das Recht eines Wilden, aber keines zivilisierten Mannes.“, wehrte ich ab, aber wieder lächelte er nur nachsichtig, „Mein lieber Professor. Ich bin kein zivilisierter Mensch, ich habe mich von der sogenannten Zivilisation losgesagt. Ihre Regeln und Gesetze sind mir vollkommen gleichgültig und deshalb sollten Sie es lieber unterlassen sich darauf zu berufen. Es hat keinerlei Einfluss auf mein Verhalten Ihnen und Ihrer Begleitung gegenüber.“

Das war deutlich, der Hass und die Verachtung, die in seiner Stimme mitschwang, ließen auf eine schmerzhafte Vergangenheit schließen. Mir schoss die Erkenntnis durch den Kopf, dass nicht nur er sich von der Menschheit losgesagt hatte, sondern dass er auch nahezu unerreichbar für sie war. Wer sollte ihn am Grund des Meeres verfolgen? Wer sollte die Urteile über ihn vollstrecken? Er schien mit unverwundbar, unbesiegbar. Einzig Gott, falls der Glaube denn bis unter die Meeresoberfläche und unter die Panzerplatten reichte, würde sein Richter sein.

Nach einer langen Pause, in der sein Blick auf mir gelegen hatte, sprach er weiter, „Ich habe geschwankt und am Ende hat das natürliche Mitgefühl gesiegt. Das Schicksal hat Sie an Bord meines Schiffes verschlagen, so sollen Sie hier bleiben und sich verhältnismäßig frei sein. Für dieses Privileg fordere ich aber ein Versprechen von Ihnen.“

„Wenn ein Ehrenmann es zu geben mag?“

„Durchaus.“, der Captain nickte uns zu, „Es wird vorkommen, dass mich gewisse Ereignisse zwingen Sie für unbestimmte Zeit in Ihrer Kabine einzuschließen. Ich möchte jedwede Gewalttätigkeit vermeiden, deswegen fordere ich absoluten Gehorsam, sollte ich diesen Befehl geben. Ich möchte Sie mit dieser Maßnahme einer Verantwortung entheben und sicherstellen, dass Sie nicht sehen, was Sie nicht sehen sollten. Sind Sie damit einverstanden, meine Herren?“

„Natürlich.“, lautete meine Antwort, obwohl meine angeborene Neugier gleichwohl befriedigt werden wollte, „Aber eines noch. Was verstehen Sie unter verhältnismäßig frei?“ „Die Freiheit, die ich und meine Gefährten haben, Professor. Nicht mehr und nicht weniger.“ Wieder protestierte ich, „Aber, das ist die selbe Freiheit, die wir auch als Gefangene haben! Sollen wir unsere Freunde und Familien denn niemals wiedersehen?“ „Allerdings, aber vielleicht ist es ja gar nicht so schwer auf das irdische Joch der Freiheit zu verzichten…“, der Captain wurde rüde vom aufbrausenden Kanadier unterbrochen, „Ich denke ja gar nicht daran! Ich werde immer versuchen zu entkommen und die süße Freiheit wieder zu erlangen!“

Ein kalter Blick streifte den Harpunier, „Das habe ich niemals verlang, Mr. Groves. Aber, sehen Sie es als Gnade. Ein Wort von mir und Ihre Leichen würden schon hinab auf den Meeresgrund sinken. Vergessen Sie nicht, sie verdanken Ihr Hier sein meiner Gnade. Außerdem sind sie in Besitz eines Geheimnisses gelangt, dass niemals an die Oberfläche gelangen darf. Ich werde meine Geheimnisse schützen, mit allen Mitteln.“

„Wir geben zwar das Versprechen, aber uns bindet trotz allem kein Schwur an den Kommandanten dieses Fahrzeuges. Wir haben also die Wahl zwischen Leben und Tod?“, eigentlich war es eher eine Feststellung, als eine Frage, dennoch antwortete er mir, „Sie haben es erfasst Professor. Aber, ich möchte Ihnen noch etwas sagen. In meiner Bibliothek steht Ihr Werk. Sie sind so weit vorgedrungen, wie es Ihre Wissenschaft erlaubt, aber sie haben noch nicht alles entdeckt und enträtselt. Die Reise an Bord meines Schiffes wird Ihnen deshalb unzweifelhaft mehr Vergnügen bereiten, als Ihren Gefährten. Für Sie wird es eine Reise durch ein Wunderland…Obwohl, Ihre Gefährten scheinen sich ja selbst schon genug zu sein.“ Das Letzte hatte er mit etwas, was beinahe ein Lächeln sein könnte, hinzugefügt. Eilig drehte ich mich zu André und Theodore um und war nur leidlich überrascht, dass die beiden schon wieder miteinander stritten und ihre Umgebung vollkommen vergessen zu haben schienen.

Den ewigen Streit ignorierend, wandt ich mich wieder an den dunkelhaarigen Captain, „Wie sprechen wir Sie an, Sir?“

„Ich bin Captain Sparrow und dieses Schiff ist die Black Pearl.“

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Nach einigen Sekunden des tiefen Schweigens, wandt sich Captain Sparrow an meine beiden Begleiter, „Ein Steward wird Sie in Ihre Kabine bringen. Dort wartet ein Essen auf Sie. Ich hoffe, Sie vergessen Ihr Versprechen nicht, Mr. Groves.“ Der Harpunier nickte und folgte zusammen mit André dem nun eintretender Kellner.

Auch ich wurde zum Essen eingeladen und folgte nun Captain Sparrow durch einen etwa 10 Meter langen, elektrisch beleuchteten Gang, der in einer mit zahlreichen Schnitzerein verzierten Tür endete. Als wir durch diese Tür traten, stand ich in einem Speisesaal, der durchaus mit denen der hervorragendsten Häuser an Land mithalten könnte. Die Möbel waren aus schwerem, dunklen Holz, aber die gut ausgewählten Farben ließen, ebenso wie die Bilder an den Wänden keine Schwermut zu. Ich trat an eines der Bilder heran und erkannte es als einen Holzschnitt, der Szenen aus der Odyssee zeigte.

Meine Aufmerksamkeit wurde aber recht bald abgelenkt, denn im indirekten Licht des stilvollen Kronleuchters schimmerten die kostbaren Geschirre, die in zwei Anrichten aufbewahrt wurden. Ich trat näher und erkannte feinstes chinesisches Porzellan, französische Glasbläserkunst und auch elegantes Tafelsilber.

Dieselbe Eleganz fand ich auch auf der reichgedeckten Tafel inmitten des Raumes, auf die mich ein etwas ungeduldiges Räuspern meines Gastgebers hinwies. Eilig trat ich an den Tisch und ließ meinen Blick nun neugierig über die Speisen wandern, während Sparrow mich mit einem belustigten Schmunzeln beobachtete. Er wies mir einen Platz zu und forderte mich auf, doch herzhaft zuzugreifen.

Die Gerichte waren fabelhaft, alles hatte den leicht jodigen Geschmack des Meeres, an den ich mich aber bereits nach wenigen Bissen gewöhnt hatte. Dennoch erschienen mir die Geschmäcker irgendwie anders zu sein und so betrachtete ich jeden Bissen eingängig, bevor ich probierte.

Dieses Verhalten fiel auch meinem Gastgeber auf und schließlich klärte er mich über die Beschaffenheit des Mahls auf, „Die meisten Gerichte werden Ihnen fremd sein, Professor. Aber, Sie können Sie unbesorgt essen, sie sind sehr gesund und auch nahrhaft. Meine Mannschaft und ich nehmen schon lange keine irdische Nahrung mehr zu uns. Alles, was wir zum leben brauchen, gibt uns einzig und alleine das Meer. Ich werfe in der Tiefsee meine Netze aus und ziehe sie zum Bersten gefüllt wieder ein. Ich gehe in den Tiefen auf die Jagd und erlege das Wild meiner unterseeischen Wälder und mein Vieh weidet auf den unberührten Weiden der Tiefsee. Niemals mehr wird Fleisch von der Oberfläche auf meinen Tisch kommen.“

„Aber das ist doch…“, ich deutete auf einen Braten, den ich zuvor als ‚Huhn’ zu identifiziert zu haben glaubte, aber ich hatte mich wohl geirrt, wenn ich die Miene meines Gegenübers richtig deutete, „Das ist Meeresschildkröte. Und dass, was Sie für Ragout hielten, ist Leber vom Delfin.“ Er schenkte mir wieder eines der nachsichtigen Lächeln, als er mit Stolz in der Stimme fortfuhr, „Mein Koch versteht sich vorzüglich auf solche Effekte. Kosten Sie ruhig von allem, James.“

Es war das erste Mal, dass er meinen Namen genannt hatte und obwohl der Raum gut geheizt war, spürte ich wie mir bei dem Klang seiner Stimme ein Schauer über den Rücken lief. Captain Sparrow schien es nicht zu bemerken, er deutete nun auf verschiedene Speisen, „Das dort ist eingemachte Seegurke, die Sahne daneben ist aus Seekuhmilch bereitet. Der Zucker für ihren Tee, den wir übrigens aus einer Algenart gewinnen, wurde aus Seetang raffiniert und als Nachttisch sollten Sie unbedingt vom Seeanemonenkonfekt probieren. Dafür würde ich jedes irdische Obst stehen lassen…“

Ich probierte alles, wenn auch eher aus Neugier, als aus Hunger und lauschte den unglaublichen Berichten des Captains weiterhin gespannt, „Aus dem Meer stammt auch die Kleidung, die Sie und wir tragen. Die Stoffe sind aus Muschelfasern gewebt und mit den Farben der Antike eingefärbt. Das Parfüm in Ihrer Kabine, die Matratze Ihres Bettes, die Feder auf Ihrem Schreibtisch und das Papier, all das schenkt und das Meer. Alles, was ein Mensch bedarf.“

Der Captain erhob sich und ich folgte ihm durch eine weitere Doppeltür, die mir zuvor gar nicht aufgefallen war. Der Raum, dezent beleuchtete Raum dahinter überraschte mich noch mehr, denn es war eine Bibliothek. Die Wände waren mit zahlreichen kupferbeschlagenen Palisadenregalen ausgekleidet, in deren Fächern eine unübersehbare Menge vollkommen gleich eingebundener Bücher auf den geneigten Leser wartete. Die langen Regale endeten immer in mit dunkelrotem Leder bezogenen Sitzbänken und es gab außerdem auch vereinzelte Lesepulte, auf denen man die Bücher abstellen konnte. Ein großer Tisch inmitten des Raumes war so voller Zeitungen und Magazinen, dass man das Tischmaterial nicht einmal erkennen konnte.

„Das ist ohne Zweifel eine Bibliothek, die mancher Sammlung oberhalb der Wasserlinie ebenbürtig wäre. So etwas hätte ich unter dem Meer nicht erwartet.“, brachte ich schließlich meine Anerkennung zum Ausdruck und erntete wieder eines der goldenen Lächeln dafür, „In einer Bibliothek muss Ruhe herrschen. Wo könnte es dann ruhiger sein, als hier?“ „Da haben Sie wohl Recht, Captain…“, ich nickte, aber er unterbrach mich, „Jack.“ „Wie bitte?“, nun war ich vollkommen verwirrt und das neuerliche Lächeln des Captains trug auch nicht zu meiner Entspannung bei, „Mein Name ist Jack.“

„Ja…ck.“, ich stotterte den Namen eher, aber ihn schien es nicht zu stören, er trat einen Schritt zurück und ließ mir Zeit mich genauer umzusehen. Staunend streifte ich durch die Welt der Bücher. Ich zog auf gut Glück einige der Werke hervor und entdeckte neben englischsprachigen auch Bücher auf Französisch, Deutsch, Dänisch, Norwegisch und in verschiedenen arabischen Dialekten, denen ich leider nicht fähig war. Außerdem fiel mir nach einigen Studien auf, dass die Interessen weitgefächert waren, dass aber die politische Ökologie aus den Regalen und der Black Pearl verbannt worden war.

Es gab geographische Fachbücher, Werke über die Seefahrt, über Mechanik, Ballistik und auch über die Meteorologie, während unweit davon die Klassiker der Literatur standen. Es fanden sich darunter alte und neue Autoren, wie zum Beispiel Sokrates, Xenephon und George Sand und auch die Autoren der Naturgeschichte waren zahlreich vertreten. Humboldt, Darwin und auch mein eigenes Werk fand ich, was mich allerdings eher peinlich berührte, als entzückte. Anhand des Erscheinungsdatums eines Werkes konnte ich mir übrigens ausrechnen, wie lange die Black Pearl schon auf ihrer einsamen Reise war. Es konnten höchstens drei Jahre sein, aber ich hoffte beim Studium der herumliegenden Zeitschriften noch genauere Anhaltspunkte gewinnen zu können.

„Dies hier ist nicht nur eine Bibliothek, mein lieber James.“, unbemerkt war der Captain wieder an meine Seite getreten und hielt mir eine goldbeschlagene Schatulle entgegen, „Sondern auch der Rauchsalon.“ „Es darf an Bord geraucht werden?“, diese Nachricht freute mich wirklich ungemein und ich strahlte, als Jack die Schatulle öffnete und mir eine der Zigarren anbot.

Vorsichtig nahm ich die Zigarre, die aus Goldblättern gewickelt und in der Form einer Lourdes sehr ähnlich war, heraus, „Sie unterhalten also doch Verbindungen an die Oberfläche.“ „Keineswegs, James. Aber, Sie werden trotzdem zufrieden sein.“, versprach er mir und zündete nun seine Zigarre an einem kleinen Kohlebecken an. Ich tat es ihm gleich und inhalierte die ersten Züge mit dem Genuss eines Süchtigen, der seiner Sucht wieder frönen durfte. „Es handelte sich hier um eine nikotinreiche Algensorte, die allerdings eher selten zu finden ist.“, Captain Sparrow lächelte und ich schloss zufrieden die Augen, während ich weiter den vollen Geschmack der Zigarre genoss.

„Kommen Sie, James.“, die nächste, wieder reichverzierte und verstecke Doppeltür führte uns in einen strahlend erleuchteten Saal. Er schien ebenfalls rechteckig, aber die abgerundete Ecken verliehen dem Raum eine erhabene Eleganz, die von der Beleuchtung nur noch weiter hervorgehoben wurde. Von der hoch über uns liegenden Decke fiel weichen Licht auf die zahllosen Kunstwerke, die Captain Sparrow zusammengetragen hatte. Etwa 50 Meisterwerke der Malerei schmückten in elegante schwarze Rahmen gefasst, die weißen Wände und nur hin und wieder wurde diese Ordnung durch verschiedene Rüstungsteile oder auch einige Waffen aufgelockert. Die Waffen glänzten, aber ich war nie ein Freund von Messern, Hieb- oder auch Stichwaffen gewesen, weshalb ich ihren Wert nur halbherzig schätzen konnte.

Die Bilder hingegen wusste ich zu würdigen und bereits auf den ersten Blick hatte ich erkannt, dass alle alten Schulen der Malerei in diesem Privatmuseum vertreten waren. Sogar einige Skulpturen, selbst wenn nur in verkleinerter Form, hatten ihren Platz in den Ecken des prächtigen Saals an Bord der geheimnisvollen Black Pearl gefunden.

„Sie entschuldigen die Formlosigkeit und Unordnung.“, Jacks Stimme riss mich aus der Bewunderung des Bildnisses eines Frauenkopfes, dass Tizian zu zurechnen war. Und, als ich mich zum Captain umdrehte, entdeckte ich ihn, wie er beiläufig über eine der zerkratzen Pistolen an der Wand strich, „Früher bin ich den schönsten Werken hinterhergejagt, kein Preis war zu hoch für mich. Geld, Macht, Menschen, ich wollte einfach nur besitzen. Und nun? Nun ist es mir gleichgültig. 20 Jahre? 200 Jahre? Hier unten gilt die Zeit nicht mehr, James.“ Er deutete zur Orgel, „Dort warten Partituren. Schauen Sie sich ruhig um. Mozart, Bach, Beethoven, Haydn, Wagner, Rossini. Für mich sind sie alle gleich. Tote.“

Captain Sparrow verfiel in tiefes Schweigen und da ich weder unhöflich sein, noch ihn stören wollte, wandt ich mich den Naturschätzen zu. Inmitten des Salons stand ein plätschernder Springbrunnen, dessen ovales Becken aus der Schale einer Riesenmuschel gefertigt worden war. Ich nahm Maß und kam zu dem Schluss, dass der Umfang weit mehr als sieben Meter betragen musste. Damit übertraf dieses Becken auch das berühmte Weihwasserbecken der St. Sulpice Kirche in Paris[1].

Ich konnte mich nur mit Mühe von diesem Anblick losreißen, aber bald hatten mich die wohlgeordneten Schaukästen in einer Nische in ihren Bann gezogen. Der Captain musste auf seinen Streifzügen durch die Ozeane fleißig gesammelt haben, denn in den mit kupfernen Plaketten ausgestatteten Schaukästen ruhten Wunder, die ich noch nie zuvor hatte sehen dürfen.

Für mich war es überwältigend, die Plaketten vermerkten nicht nur den genauen Fundort des Stücks, sondern auch das Datum und anhand dieser Basis konnte ich den ungefähren Kurs der Black Pearl und ihres enigmatischen Captains herausarbeiten. Scheinbar hatte Sparrow die gesamten mit Wasser bedeckten Teile der Welt befahren.

In einigen, mit dunkelblauem Samt ausgeschlagenen Fächern lagen Perlen ausgebreitet. In dem elektrischen Licht leuchteten sie in allen nur erdenklichen Farben und diese Vielfalt faszinierte mich ungemein. Zumindest solange, bis ich die Perlen, die größer als ein Straußenei waren, entdeckte. Vollkommen überwältig richtete ich dann doch wieder das Wort an den Captain, „Wie wundervoll. Sie müssen ein sehr glücklicher Mann sein, mit diesem Besitz! Aber, meine Neugier ist noch lange nicht gestillt. Was treibt dieses Schiff an? Was haben die Skalen an den Wänden für eine Bedeutung? Ich wüsste es so gerne…“

„Die gleichen Instrumente finden Sie in meiner Kabine.“, lautete die deutlich amüsiert klingende Antwort, „Wollen Sie sie sich ansehen? Ich habe nicht die Absicht Sie im Unklaren zu lassen, James.“ Captain Sparrow deutete eine leichte Verbeugung an, „Wenn Sie mir folgen wollen?“

Und ich errötete wiederum.

Erneut führte er mich durch Sammlung, Bibliothek und Speisesaal, aber dieses Mal betraten wir wieder die kahlen Mannschaftsgänge. Wir folgten einem der Gänge in Richtung Bug der Black Pearl und schließlich öffnete Jack eine Tür.

Dort hinter verbarg sich ein weiterer eleganter Raum und der Captain teilte mir, bevor er eine weitere Tür öffnete mit, dass es sich dabei um mein neues Zimmer handeln würde. Leider fehlte es mir an der Zeit mich in dem behaglichen Zimmer wirklich umzusehen, bedeutete er mir doch schon sichtlich ungeduldig, durch die andere, neugeöffnete Tür zu gehen.

Ich erstarrte noch auf der Türschwelle.

Der Raum lag zwar im Dämmerlicht, aber dennoch konnte ich das große Bett schon deutlich erkennen. Es trohnte in voller Pracht auf einem weichen Teppich, in dem ich förmlich zu versinken schien und als Jack schließlich einen versteckten Lichtschalter betätigte, erhellte sich der Raum, der auch eines Königs oder Kaisers würdig gewesen wäre.

Möbel aus Ebenholz, ebenso dunkel wie das mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Bett, rundeten das Bild ab und einzig der hellgraue Teppich bildete, zusammen mit einem Schiffsmodell auf dem leergeräumten Schreibtisch und den dunkelroten Bettzeug die einzigen Farbakzente im ganzen Raum. Kein Bild hing in diesem Raum und auch keine Statue oder ein anderes Kunstwerk verunstalteten diese Perfektion.

Aber wieder ließ der Captain mich nicht lange verweilen, sondern trat durch eine weitere Tür. Dieser neue Raum war wieder vollkommen anderes, die einzige Einrichtung bestand aus einem übervollen Schreibtisch und zwei Stühlen. Die Wände waren weißgekalkt und anstatt Kunstwerken prangten dort unzählige Skalen und Messuhren. „Die meisten dieser Instrumente dürften Ihnen bekannt sein.“, während Jack sprach, deutete er auf unterschiedliche Messeinrichtungen, „Thermometer, Barometer, Hygrometer[2], Wetterglas, ein Kompass, Sextant und natürlich ein Chronometer. Instrumente, wie es sie an Bord jeden Schiffes gibt.“ Mit dem Stolz eines Captains deutete er nun auf eine andere Skala, „Wohingegen dieses Messgerät auf jedem Schiff außer der Pearl vollkommen unnütz wäre. Ein Manometer, zur Messung des Wasserdrucks. Diese Skalen dort, sind mit Temp…“ Er zögerte kurz, dann erschien wieder das Lächeln auf seinen Zügen und er deutete zu den Stühlen, „Es wird wohl etwas länger dauern, setzen Sie sich doch.“

Es dauerte wirklich, aber ich wurde nicht müde Jack zu zuhören. Der Captain hatte eine äußert lebhafte Art zu erzählen und seine Worte wurden zusätzlich auch noch von ausladenden Gesten untermalt. Es war überraschend, aber weder sein Mund, noch seine Hände standen die nächsten zwei Stunden, in denen er den größten Teil meiner Fragen beantwortete, still.

„Eines begreife ich aber immer noch nicht.“, gerade standen wir in der Küche, in der, wie auch in allen anderen Einrichtungen, die wir während dieser Besichtigungstour durchquert hatten, alles mit der aus Seewasser und Seekohle gewonnenen Spannung betrieben wurde, „Wie haben Sie dieses Schiff unbemerkt bauen können?“

„Jedes Einzelteil wurde in einem andere Land und unter falschem Namen bestellt und bezogen. Alle Teile wurden dann zu einer abgelegenen Insel geliefert und dort innerhalb von wenigen Wochen von meiner Mannschaft und mir zusammengebaut. Danach vernichteten wir mit Feuer jegliche Spur unseren heimlichen Tuns und stachen in See.“
 


 


 

[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jean-Baptiste_Pigalle_b%C3%A9nitier.jpg

[2] Messinstrument zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit

20000 Meilen unter den Meeren

Die Erde ist ein Planet des Wassers, die Kontinente und auch die Menschen sind in dem feuchten Element entstanden und eroberten sich Stück für Stück ihren Platz. Aber, trotz allem blieb das Meer die Herrscherin der Erde. Fünf große Weltmeere trennen die Kontinente und die Menschen voneinander. Pazifischer- Indischer und- Atlantischer Ozean, Nördliches – und Südliches Polarmeer, diese Namen gab ihnen die Menschheit.

Der Pazifik, das stillste aller Meere, erstreckt sich von der Westküste Amerikas, bis zur Ostküste Asiens und an diesem Punkt sollte unsere Reise um die Welt beginnen. Captain Sparrow sah auf das Chronometer und nickte, „Es ist 11:45. Wir werden auftauchen und den Punkt unserer Abreise genau festlegen. Begleiten Sie mich, James?“ Ich konnte nur nicken, bevor nach einem einfachen Knopfdruck Pumpen tief im Bauch der Pearl ansprangen und ein dumpfes Dröhnen durch den Körper des Schiffes hallte. Gespannt blickte ich auf das Manometer und konnte dort ablesen, wie die Nadel sich bewegte und irgendwann zum Stillstand kam. Fragend sah ich zum Captain, aber er nickte wieder nur bestätigend, „Wir sind an de Wasseroberfläche. Kommen Sie.“

Gemeinsam traten wir auf die, nur etwa 50 Zentimeter aus dem Wasser ragende Plattform und ich entdeckte die Kabine des Steuermanns, die einzigen sichtbaren Fenster in der Stahlhülle der Black Pearl. Das Meer selber war ruhig, die Wellen wiegten das große Schiff sanft und der Ostwind brachte die nötige Kühlung mit sich. Während sich der Captain mit seinem Sextanten aufstellte, suchte ich den Horizont ab, fand aber nichts außer Ödnis. Beinahe, als wären wir die einzigen Lebewesen auf der ganzen weiten Welt.

Schnell wandt ich meinen Blick von dieser betrüblichen Ansicht ab und betrachtete stattdessen den ruhig dastehenden Mann neben mir. Kein Muskel zitterte und er hätte in diesen Minuten auch eines der Mamorstandbilder aus seinem kleinen Privatmuseum sein können. Ich bemerkte gar nicht, dass ich ihn sowohl angestarrt, als auch die Luft angehalten hatte. Erst als er sich plötzlich bewegte, den Sextanten sinken ließ und nach dem Rechenschieber griff, wurde mir das klar und ich errötete. Zu meinem Glück war Jack aber viel zu sehr in seine Berechnungen versunken, um meine Reaktion zu bemerken.

Erst nach ein paar Minuten, in denen sich meine Gesichtsfarbe wieder normalisierte, wandt er sich an mich, „Wir befinden uns unter 137° 15’ Länge…“ „Von wo aus?“, ich versuchte einen Hinweis auf eine Nationalität oder meinetwegen auch Affinität zu einem bestimmten Land oder einer Nation auszumachen, aber Jack lächelte wieder nur eines seiner goldenen Lächeln, „Ganz wie es Ihnen beliebt, James. Ich habe hier nämlich verschiedene Uhren. Wie wäre es, wenn wir vom Pariser Meridian ausgehen?“ Ich nickte schwach und Jack fuhr fort, „137° 17’ westlicher Länge bei 30° 7’ nördlicher Breite. Wir sind rund 200 Seemeilen von den japanischen Inseln entfernt. Es ist Mittag und unsere Reise soll nun beginnen. Ich habe den Kurs Ostnordost ausgegeben. Sie können ihn auf den Karten in der Bibliothek verfolgen.“ Er verneigte sich leicht und ließ mich dann alleine auf dem Deck der Black Pearl stehen.

Für ein paar Minuten genoss ich die salzige Briese, dann eilte auch ich wieder unter Deck und suchte mir meinen Weg in die Bibliothek, wo ich tatsächlich eine Seekarte auf dem Tisch vorfand. Schnell suchte ich den Anfangspunkt unserer Reise und entdeckte ihn schließlich inmitten des schwarzen Flusses. Auch das Meer hat, wie unsere Kontinente, Flüsse. Der bekannteste mochte der Golfstrom sein, aber einer der auffälligsten war zweifelsfrei der schwarze Fluss, dessen dunkles Wasser sich deutlich von den anderen Strömungen abhob. Von Indigoblau, bis tiefschwarz löst er sich aus dem Golf von Bengalen und verliert sich erst bei den Alëuten in der Unendlichkeit des Meeres.

Und die Black Pearl war nun Teil davon.

Plötzlich fühlte ich mich alleine, aber bevor dieses Gefühl übermächtig werden konnte, erklang hinter mir eine leicht fassungslose Stimme, „Ist das hier das Museum von Quebec?“ „Nein.“, ich drehte mich erleichtert um und sah André und Theodore in der Tür stehen, „Wir befinden uns auf der Black Pearl, im Moment etwa 50 Meter unter der Meeresoberfläche.“ Groves schnaubte nur und mein treuer Gefährte André war, nun wo er die Schaukästen entdeckt hatte, eh für die Welt verloren. Voller Wonne und Elan stürzte er sich ins Klassifizieren, während der Harpunier nun nach meinem Ärmel griff, „Wo ist er? Was hat er vor?“ „Sparrow? Ich habe keine Ahnung, aber wir brechen gerade zu einer Weltreise auf.“, ich befreite meinen Ärmel vorsichtig aus seinem festen Griff, „Haben Sie denn etwas herausfinden können?“ „Nein, nichts. Wir haben niemanden gesehen, außer dem verdammten Steward, der keinen Ton gesagt hat. Können Sie denn abschätzen, wie viel Besatzung dieser Kahn hat?“, ich konnte nicht mehr antworten, denn plötzlich erlosch das Licht und es war nun stockfinster im Salon. Wir standen wie erstarrt da, als plötzlich ein leises, schabendes Geräusch erklang und Theodore neben mir schnaubte, „Das ist das Ende.“

Da erhellte sich plötzlich der Raum wieder und ich entdeckte, dass das Licht nun aus zwei seitlichen Öffnungen kam und ich erkannte sofort, dass draußen das Meerwasser leuchtete und uns zwei dicke Fensterscheiben vom nassen Tod trennten. Es war ein schreckliches Gefühl, wir warteten auf das Geräusch des berstenden Glases, aber dennoch zog uns irgendeine morbide Faszination immer näher an das leuchtende Oval heran.

Auf über eine Seemeile war das Wasser hellerleuchtet und dieser Anblick war so überwältigend, dass ich Sparrow nun besser verstehen konnte. Er zeigte uns…mir seine Welt, eine Erfahrung, die noch kein Mensch jemals gemacht hatte. Ich hatte das Gefühl, als ob ich im auf eine seltsame Art und Weise nähergekommen wäre. Ein seltsames Gefühl und ich hatte plötzlich das Gefühl zu fallen, so dass ich mich an der kalten Scheibe abstützte.

Dieser Kontakt brachte mich wieder zu Verstand, aber nun hatte ich das Gefühl, als ob ich auf ein monströses Aquarium blicken würde, die leichte Wölbung des Glases verstärkte diesen Eindruck nur noch weiter. Weder André, noch Theodore schienen dieses ungute Gefühl zu teilen, der Harpunier deutete nun nämlich anklagend hinaus in die leere Weite, „Warum sehe ich keine Fische?“

Ich wusste, dass es nun wieder zu einem Streitgespräch kommen würde und zog mich seufzend etwas zurück, während mein langjähriger Gefährte seinen neuen Streitpartner belehrte, „Fische gehören zu niedrigsten Klasse der Wirbeltiere…“ Ich kannte diesen Vortrag, bei dem es um Skelettbildung, Nasen, Schuppen, die Ausbildung von Organen und die Fortpflanzungen ging und wartete nun nur noch auf die Reaktion des Harpuniers.

Lange musste ich nicht darauf warten, wandt sich Theodore doch an mich, „Was redet der da für einen Müll?“ „Ich versuche Ihnen Ignorant etwas über Fische beizubringen!“, André hatte schon wieder Kampfhaltung eingenommen und ich konnte mir das Seufzen nicht verkneifen, während ich dem Dialog weiter lauschte, „Ich weiß genug über Fische!“ „Ja, Sie wissen, wie man sie tötet, aber Sie haben keine Ahnung, wie man sie einteilt!“ André klang höhnisch, aber Theodore ließ sich davon nicht beeindrucken, „Und ob ich das weiß. In genießbar und ungenießbar!“ Wieder schnaubte André und bald darauf stritten sie wirklich wieder, so dass ich ganz in Ruhe die nun herankommenden Fische betrachten konnte.

Grau-weiße Panzerfische umkreisten misstrauisch den schwarzen Leib der Black Pearl und auch Rochen der verschiedensten Gattungen glitten majestätisch durch das erhellte Wasser. Ich hatte meine helle Freude an diesem Anblick, niemals zuvor hatte ich diese Tiere in ihrem Element beobachten können und beinahe hätte ich alles darüber vergessen. Bis sich das Fenster plötzlich schloss und das Licht wieder angeschaltet wurde.

André und Theodore hatten davon nichts mitbekommen, stritten sie doch noch immer. Ich beschäftigte mich, immer in der leisen Hoffnung Jack noch einmal zu sehen, noch eine Weile mit der Seekarte und dem Kompass, den ich auf dem Tisch gefunden hatte. Nach wie vor zeigte der Kurs Ostnordost an.

Als der Streit auch nach einer Stunde nicht geendet und Jack auch nicht erschienen war, erhob ich mich und zog mich in meine Kabine zurück. Den Rest des Abends verbrachte ich damit meine Erfahrungen an Bord aufzuschreiben. Wahrscheinlich würden diese Aufzeichnungen niemals das Schiff verlassen, aber ich wollte keine Sekunde vergessen.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Orca…Theodore und André kommen auch im Film vor ;) "That's got to be the best pirate I've ever seen." “It seems so.” Ein wunderbarer Dialog zwischen Theodore Groves und James kurz nachdem Jack die Interceptor geklaut hat…Und Gillette…"Gillette , Mr. Sparrow has a dawn appointment with the gallows. I would hate for him to miss it.", der zweite in der Kommandorangfolge ;) Wie es mit den Vornamen steht, weiß ich nicht, aber ich habe meistens diese gefunden…Ich habe sie in Bezug auf Ned Land und Conseil abgeändert, so machen sie viel mehr Spaß, als der pathetische Conseil, oder? Ich hoffe, du bist inzwischen weiter, ich gebe mir Mühe. Aber auch vielen, vielen Dank für dein liebes Kommi und weiterhin ebenso viel Spaß
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Die nächsten vier Tage hörte ich kein Wort von Jack. Oftmals saß ich wartend in der Bibliothek, angeblich um weiter in den Schätzen der Black Pearl zu schwelgen. Aber, bereits nach dem ersten Tag musste ich mir eingestehen, dass ich auf Jacks Stimme, seine Gegenwart und eines der goldenen Lächeln wartete.

Vergebens.

Am fünften Tag herrschte noch immer dieselbe Stille und das Gefühl von Einsamkeit machte sich breit. Weder Jack, noch irgendein anderes Besatzungsmitglied ließ sich blicken und schließlich, bevor die Einsamkeit überhand nehmen konnte, suchte ich schließlich wieder die Nähe zu meinen beiden Leidensgenossen.

Viel linderte diese Gesellschaft aber auch nicht, denn sie waren mit ihren Streitgesprächen vollkommen glücklich und brauchten scheinbar niemand anderen. Als ich an diesem Abend in meine Kabine zurückkehrte, ertappte ich mich dabei, wie ich auf Geräusche aus der Nachbarkabine lauschte. Und an diesem Abend wurde entschloss ich mich dieses Tagebuch zu beginnen. An Papier mangelte es mir nicht, fand ich doch ein in ledergebundenes Büchlein in einer der zahlreichen Schubladen meines Schreibtisches.

Am nächsten Morgen weckte mich ein Schwall frischer Seeluft und mir wurde schlagartig klar, dass wir an der Oberfläche sein mussten. Ich kleidete mich rasch an und eilte, voller Hoffnung Jack wiedersehen zu können, auf die Plattform hinauf.

Es war erst sechs Uhr, die Witterung war kühl und dicke graue Wolken hingen schwer über dem ruhigen Meer. Ich wartete und hoffte weiter, aber auch als der morgendliche Dunst sich hob, die Sonne das Meer rot färbte und sich die dicken Wolken in kleine Schäfchenwolken aufgelöst hatten, war ich immer noch alleine.

Erst, als die Sonne höher stieg, hörte ich plötzlich Schritte auf der eisernen Treppe und wirbelte, voller Erwartungen herum und wurde enttäuscht. Hinter mir stand nicht der Captain, sondern jene Frau, die wir an unserem ersten Tag an Bord getroffen hatten. Meine englische Erziehung zwang mich zu einer angedeuteten Verbeugung, aber wie an so vielen Morgenden, die nachfolgen sollten, schenkte sie mir keinerlei Beachtung. Sie trat stattdessen an den Rand der Plattform und suchte mit einem Fernglas den Horizont ab. Danach trat sie zur Eingangsluke, beugte sich etwas hinunter und rief einen vollkommen unverständlichen Satz zu einem unsichtbaren Gesprächspartner hinab, „Nautron respoc larni virch.“ Die Bedeutung erfuhr ich erst viel später, denn zum damaligen Zeitpunkt hatte ich niemanden, den ich fragen konnte, stieg die Frau doch ohne ein weiteres Wort wieder hinunter ins Schiff.

Auch am nächsten Tag lag die Black Pearl noch immer an der Oberfläche und als ich wieder früh auf die Plattform stieg, wiederholten sich die Geschehnisse vom gestrigen Tag. Ebenso erging es mir noch drei weitere Tage und immer noch gab es kein Lebenszeichen des Captains.

Aber, am dritten dieser Abende erhielt ich endlich ein Zeichen. Ein dunkelgrauer Briefumschlag lag auf meinem Schreibtisch. Ich entdeckte, als ich den Brief prüfend in die Hand nahm, ein reichverziertes Spatzensiegel und schüttelte amüsiert den Kopf, bevor ich das Siegel vorsichtig brach und das weiße Papier entfaltete.
 

Captain Sparrow gibt sich die Ehre,

Herrn Professor James Norrington

Zu einer Jagdpartie einzuladen, die morgen früh in den Wäldern der Insel Crespo stattfinden soll. Er hofft, dass der Herr Professor, so wie seine Begleiter nicht verhindert sein werden.

Der Kommandant.

J
 

Ich rannte, den Brief immer noch in der Hand haltend, in die Bibliothek und suchte die Insel auf der Seekarte. Tatsächlich, dort lag sie, ein kleiner, öder Felsen, vollkommen vergessen von der Menschheit sein Dasein fristete. Ich erlaubte mir ein genervtes Schnauben, wenn Jack an Land gehen wollte, dann suchte er sich scheinbar auch die einsamste Stelle auf der Welt dafür aus.

Als ich am nächsten Morgen, nach einer aufgeregt, schlaflosen Nacht, in den Salon kam, wartete der Captain schon. Er empfing mich mit einem glücklichen Lächeln und erwähnte seine lange Abwesenheit mit keinem Wort. Stattdessen sprachen wir über die anstehende Jagd und ich wies ihn auf die Inkonsequenz in seinem Verhalten hin, „Sie haben mit der Oberfläche gebrochen und doch besitzen Sie Wälder auf einer Insel?“ „Meine Wälder, mein lieber James, brauchen das Licht der Sonne nicht. Es gibt in ihnen auch keine Raubkatzen, aber dennoch genug lohnende Beute. Ich bin der einzige Mensch, der ihren Standort kennt und jemals seinen Fuß hineingesetzt hat.“ „Sie sind unter Wasser, oder?“, meine Fragen klang leicht gequält, wieder hatte ich mich geirrt und wieder brachte sein bestätigendes Nicken mehr Fragen auf, als es beantwortete, „Unterseeisch also? Und dahin wollen Sie mich führen?“ Erwartungsvoll sah ich ihn an und erntete wieder ein Nicken, woraufhin ich fortfuhr, „Auf die Jagd?“ „Trockenen Fußes, mein lieber James. Ich lasse nicht zu, dass einer so wertvollen Trophäe etwas passiert.“ Sparrow ließ mir keine Zeit mehr, um über diesen letzten Satz nachzudenken, sondern er bat mich zum Frühstück, „Essen Sie. Sie werden bis heute Abend durchhalten müssen und wir werden an keinem Gasthaus vorbeikommen, um unsere Kräfte wieder herzustellen.“

Er aß selbst nur wie der Spatz aus seinem Namen und beobachtete mich aus seinen dunklen Augen. „Du hast mich vorhin für verrückt gehalten…“, diese Aussage kam so unverhofft, dass ich vor Schreck mein Messer fallen ließ, „Jack…“ „Natürlich hast du das…Wie soll ein Mensch auch ohne Luft unter der Wasseroberfläche atmen können? Soll er an Leitungen hängen? Du enttäuschst mich wirklich, James. Die Franzosen haben doch schon lange ein Atemgerät erfunden…“ „Rouquayrol und Denayrouze[1].“, ich wisperte die Namen und Jack nickte, „Du erinnerst dich ja doch. Nun, ich benutze natürlich nicht ihre Erfindung, sondern ich habe ihre Errungenschaft noch verbessert, wie du gleich sehen wirst.“

„Und…die Gewehre?“, stellte ich die nächste Frage, während ich an meinem Tee nippte: Es schmeckte wie schwarzer Tee, aber ich wollte gar nicht wissen, woraus er wirklich gewonnen wurde. „Pressluft. Und jeder Schuss ist todbringend. Die Patronen, die wir benutzen sind verkleinerte Abwandlungen von Leydener Flaschen[2] mit hoher elektrischer Spannung.“, wieder lächelte Jack und ich seufzte. Dieser Mann war perfekt und alles was er tat, war wohl durchdacht.

Nun ja, wohl nicht alles, denn plötzlich spürte ich seine Lippen auf den Meinen. Es war nur der Bruchteil von Sekunden, ich hatte gar keine Zeit zu reagieren…Zumindest redete ich mir das ein, denn dieses Kribbeln, das dieser kurze Kontakt tief in meinem Inneren auslöste, war mehr als angenehm.

Bevor ich aber etwas sagen konnte, deutete Jack schon auf die Tür, „Begleite mich in mein Unterwasserreich.“ In seinen Augen blitzte der Schalk und ich konnte nicht anders, als einfach zu lächeln, „Jawohl, Captain.“ Ich folgte ihm in eine kleine Kabine neben dem Maschinenraum, in denen uns bald darauf auch Theodore und André Gesellschaft leisteten. Die Beiden stritten, wie es natürlich auch zu erwarten gewesen war, wieder über irgendetwas. Der Streit wurde auch als sie uns bemerkten, nicht leiser, nur das Thema wurde gewechselt, als Theodore erfuhr, dass es nicht an Land, sondern unter Wasser gehen sollte.

„Sie müssen nicht mitkommen.“, lautete die verstimmte und kühle Antwort des Captains, als Theodore ihm unterstellte, die eine oder andere Inzucht oder auch ein paar Maultiere in der Ahnenreihe zu haben. Theodore grummelte nur, ließ sich aber, ebenso wie wir anderen, von den Besatzungsmitgliedern beim Anlegen der ungewohnten Kleidung helfen.

Kupferplatten auf der Brust, so wie mit Blei beschwerte Schuhe, sollten uns vor dem Druck schützen, beziehungsweise dafür sorgen, dass wir auf dem Meeresgrund laufen könnten. Auch die Bedienung der Gewehre wurden uns wurde uns erläutert, aber da ich keine der Waffen haben wollte, wurde ich nun leicht ungeduldig und unterbrach die Belehrung kurzerhand, „Schön und gut, Jack. Aber, wie kommen wir ins Wasser?“

„Weidmannsheil!“, das war das Letzte, was ich hörte, bevor nun mein Helm geschlossen wurde. Captain Sparrow winkte uns, ihm durch eine Tür zu folgen. Dort war es, nachdem die Tür hinter uns geschlossen worden war, stockdunkel und eine Weile passierte gar nichts.

Plötzlich stieg eine eisige Kälte an meinen Beinen empor und erst als ich, bei meinem erschreckten Zurückweichen gegen Jack stieß, bemerkte ich, dass es sich dabei um hereinströmendes Wasser handelte. Diese Kammer diente scheinbar als Schleuse und sobald der Innen- und Außendruck gleich wären, würde sich ein Außenschott öffnen und wir könnten hinausgelangen.

Als dies einige Minuten später geschehen war, sanken wir leicht auf den Meeresgrund hinab. Jack führte unsere kleine Jagdgesellschaft an, dicht gefolgt von André und mir, während Theodore fasziniert zur Black Pearl hinauf. Gott sei Dank, hatte der Grieche Archimedes ja das Gesetzt entdeckt und benannt, dass jedes Objekt im Wasser nur so viel wiegt, wie es verdrängte. Ansonsten hätten wir mit den schweren Stahlhelmen einen wesentlich schwereren Gang gehabt.

Wir schritten über glatten Sand, der das schrägeinfallende Sonnenlicht wie ein Reflektor zurückwarf und so die Szenerie tagehell erleuchtete. die Black Pearl hinter uns wurde immer kleiner und bald erschwerten uns auch schon Steine und Wasserpflanzen das Vorwärtskommen. Bis die Sandebene plötzlich abbrach und in einen schmalen Streifen von klebrigem Schlamm überging.

Obwohl unsere Schuhe immer wieder hängen blieben, hatten wir diesen Streifen schnell durchquert und erreichten nun eine sattgrüne Algenwiese. Wieder wurde unser Vorwärtskommen erschwert, dieses Mal durch eine Vielzahl von ineinander verwobenen Algennetzen, die bis hoch zur Wasseroberfläche reichten.

Als gegen Mittag die Sonneneinstrahlung sich verändert hatte, löste sich der Farbzauber um uns auf und alles wurde diffuser. Etwa zu dieser Zeit erreichten wir einen Abgrund und machten uns, hinter Jack, an den Abstieg. In 100 Metern Tiefe betrug der Druck zehn at, aber die Veränderung war kaum zu spüren. Viel mehr belastete mich das Verschwinden der Sonne, die mittlerweile für uns nur noch ein verwischtes rötlich-braunes Licht hoch über uns war.

Plötzlich gab Jack das Zeichen zum Anhalten und als ich neugierig an seine Seite kam, konnte ich ein kleines Stückchen unter uns die Waldungen erkennen.

Die verschiedensten Wasserpflanzen bildeten einen großen Hain zu unseren Füßen und ich war vollkommen verzaubert von dem ungewöhnlichen Anblick. Alle Pflanzen waren, so bemerkte ich, als wir wenig später in den Wald eindrangen, wurzellos. Sie ernährten sich nicht aus den kargen Böden, sondern durch das nährstoffreichere Wasser. Es gab zwar keine bunten Blüten, aber es flogen Fische durch den Wald und im Dickicht der wuchernden Wildpflanzen suchten kleine Krebse Zuflucht vor den größeren Tieren.
 


 

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Rouquayrol-Denayrouze

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Leydener_Flasche

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Orca…Verne war ein Universalgelehrter, er konnte alles ;) Und, das zeigt sich auch in seinen Büchern…Es ist manchmal sehr ermüdend diese Passagen zu lesen und ich weiß dass ja alles nicht, also kann ich es rauslassen. Ohne größeres schlechtes Gewissen. Oh ja, der gute Professor hat wirklich eine gesteigerte Bewunderung für Nemo, aber bei den damaligen Ansichten war das wohl wirklich harmlos ;) Allerdings achtet das Buch ja auch auf die Standesunterschiede, mit Conseil oder Land beschäftigt sich Nemo ja kaum…Eben doch ein indischer Prinz. So nun hab ich schon viel zu viel geredet, ich hoffe Weihnachten an Bord der Black Pearl (Bei uns hat es heute zum ersten Mal geschneit, so dass man nun wirklich weihnachtliche Gefühle bekommen kann) gefällt dir trotzdem. Vielen, lieben Dank.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Ich hatte vollkommen mein Zeitgefühl verloren aber es mochten schon mehrere Stunden vergangen sein, als Jack schließlich die Hand hob und uns anhalten ließ. Er deutete auf eine von Seemoosen bewachsene kleine Lichtung in seinem Unterwasserwäldchen und ich nickte schließlich verstehend: Wir sollten ruhen, ein wahrscheinlich etwas verspätetes Mittagsschläfchen halten, um zu Kräften zu kommen.

Gemeinsam legten wir uns zur Ruhe und entgegen all meiner Befürchtungen schlief ich wirklich ein.

Warum ich gerade in diesem Moment aufwachte, wusste ich nicht, aber wahrscheinlich war es ein Schutzmechanismus des menschlichen Körpers, ragte über mir doch eine riesenhafte Meeresspinne[1] auf. Ich erschrak in diesem Moment furchtbar, dass die Spinne nicht durch meinen Anzug dringen könnte, kam mir nun grade gar nicht in den Sinn. Meinen erstickten Schrei hörte natürlich niemand, aber mein Zurückweichen weckte den Captain und ich sah seine Gestalt plötzlich hinter dem Meeresungeheuer aufragen.

Jack hob die Schusswaffe, den Zeitpunkt als er schoss konnte ich nicht genau bestimmen, aber die Spinne zuckte im jähen Todeskampf und fiel schließlich auf mich. Ich konnte mich des Grauens nicht erwehren, als der schwere Spinnenkörper auf mich fiel, aber auch aus dieser schrecklichen Beklemmung wurde ich gerettet.

Jack nutzte die Waffe nun als Hebel und reichte mir, als er mich befreit hatte, die Hand, um mir aufzuhelfen. Zwar konnte ich ihn nicht verstehen, aber ich sah die Besorgnis in seinen Augen und begegnete ihr mit einem dankbaren Lächeln.

Ob es die Begegnung mit der Spinne war, oder ob Jack andere Gründe hatte den Ausflug zu beenden, wusste ich nicht. Allerdings war ich ihm auch hierfür dankbar, fühlte ich mich nach dem Adrenalinschock nun doch zittrig und schwach auf den Beinen. Ich stolperte müde neben den anderen her und der Aufstieg erschien mir plötzlich unendlich und viel zu steil, als dass ich ihn bewältigen könnte.

Eine behandschuhte Hand schob sich in meine und als ich überrascht den Kopf wandt, sah ich den Captain neben mir gehen. Ich fühlte seine Finger sanft über meine Hand streichen und obwohl das feste Material es eigentlich verhindern sollte, meinte ich das sanfte Streicheln dennoch zu fühlen. Es gab mir auch Kraft, mein Schritt beschleunigte sich wieder und der Aufstieg erschien plötzlich viel einfacher.

In etwa zehn Metern tiefer wurde der Boden dann wieder sandig und zahlreiche Fische umschwärmten uns verspielt und voller Neugier. Ich beobachtete den bunten Reigen schmunzelnd und entdeckte immer wieder seltene Fische darunter, nur zum Glück keine lohnende Jagdbeute.

Ich hatte gar nicht gemerkt, wann Jack meine Hand losgelassen hatte, aber plötzlich legte er die Waffe an und schoss. Die hochgewachsenen Wasserpflanzen unweit von uns gerieten kurz in Bewegung und ein Besatzungsmitglied kam wenige Minuten später mit der erlegten Beute zurück. Es war ein prächtiger, wohl anderthalb Meter langer Seeotter, dessen silber-braunes Fell im wenigen noch vorhandenen Sonnenlicht golden schimmerte. Das edle Tier tat mir leid und ich zuckte zurück, als Jack seinem Mannschaftsmitglied bedeutete mir den Otter zu geben. Hektisch schüttelte ich den Kopf und wies mit abwehrend erhobenen Händen dieses Geschenk zurück. Wie hätte ich dann dieses niedliche Tierchen mit den runden Ohren und den wachen Augen so etwas antun sollen?

Jack nahm meine Ablehnung hin und führte unsere kleine Gesellschaft weiter über den in unregelmäßigen Dünen auf- und absteigenden Seeboden. Manche dieser Dünen erhoben sich bis zu zwei Metern unter den Meeresspiegel und als ich auf dem Gipfel einer dieser Dünen nach oben blickte, spiegelte sich unsere Gruppe dort noch einmal. Nun allerdings mit den Füßen in der Luft und den Kopf nach unten.

Auf einem dieser Gipfel erlebte ich den dritten Schuss aus den Gewehren, dieses Mal von einem der Besatzungsmitglieder. Er schoss und wenige Sekunden später brach ein großer Vogel durch die Wasseroberfläche und schlug vor uns in den Sand. Dieses Mal war es ein großer, stolzer Albatros und ich wendete mich erschüttert ab, als die anderen die Spannweite bewunderten. Theodore klatschte anerkennend über die Jagd und den Schuss in die Hände, aber André schien ebenso wenig begeistert über das Jagdglück zu sein, wie ich.

Ich registrierte nur am Rande, dass meine beiden Gefährten es auch schafften sich ohne sprachliche Mittel zu streiten, Gestik schien ihnen dafür schon zu reichen.

Zwei weitere Stunden voller Bergsteigen später, erschien endlich die Black Pearl am fernen Horizont. Unsere müden Schritte beschleunigten sich unwillkürlich, versprach der schwarze Schemen doch Nahrung und Schlaf.

Aber plötzlich gestikulierte Jack in eine Richtung, erst verstand ich nicht, was er wollte. Als er mich dann aber schließlich eilig zu Boden drückte und nur wenige Sekunden später etwas sehr großes und massiges über uns strich, verstand ich.

Haie.

Wir verharrten ruhig, immer voller Hoffnung, dass die großen Raubfische das Interesse an uns schnell verlieren würden. Jacks Arme hielten mich fest und obwohl wir und in Todesgefahr befanden, schlug mir mein Herz nicht wegen den Haien bis zum Hals. Ich fühlte mich wirklich erstaunlich sicher in dieser Position und Jack bewegte sich, bis die Haie nach einer Zeit, die mir abwechselnd wie wenige Sekunden oder wie lange Stunden vorgekommen war, aufgaben und davonschwammen, um andere Jagdbeute zu suchen, nicht.

Eine anstrengende Stunde später erreichten wir dann aber endlich die Black Pearl und zumindest ich fiel todmüde in mein Bett. Aber, ich wäre bereit jede Wette einzugehen, dass Theodore und André wieder etwas zum Streiten gefunden hatten.

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Bis zum elften Dezember verlief unsere Reise dann ohne größere nennenswerte Zwischenfälle. Jack und ich führten oftmals hitzige Diskussionen, unter anderem wollte er auch wissen, warum ich eigentlich mit auf die Jagd gekommen war, wenn ich sie doch augenscheinlich so sehr verabscheute. Ich hatte ihm darauf keine Antwort geben können, aber scheinbar war er mit meinem Schweigen doch zufrieden, schenkte er mir doch wieder eines jener verwirrenden Lächeln, bevor er ging.

Und ich fand trotzdem am elften Dezember Otterfellhandschuhe auf meinem Kopfkissen. Wütend, über die Dreistigkeit dieses impertinenten Captains, fegte ich dieses Geschenk von meinem Bett und lief dann die nächsten Stunden wie ein eingesperrtes Tier in meiner Kabine auf und ab.

Wahrscheinlich hätte ich irgendwann den Boden durchgelaufen, bevor meine Wut verraucht gewesen wäre, aber zum Glück klopfte es an meiner Tür und André steckte auf mein ‚Herein’ den Kopf hinein. Er führte mich in den Salon, wo das große Fenster geöffnet worden war und etwas Schreckliches enthüllte.

Durch das Licht der Black Pearl gespenstisch bestrahlt, lag das frischgesunkene Wrack eines Schoners. Im Tauwerk hatten sich drei Männerleichen verfangen, während eine vierte Leiche krampfhaft das zerbrochene Steuer umklammert hielt. In der Tür zum Steuerhaus entdeckte ich eine zerlumpte Frauenleiche, die mir bittend ihren ertrunkenen Säugling entgegenzustrecken schien.

Das Fenster zu dem Schrecken schloss sich zwar schon einige Minuten später wieder, aber in unseren Köpfen blieb das Grauen lebendig. Eilig sprach ich ein Gebet für die verlorenen Seelen und sogar meine Freunde vergaßen ihren ewig anhaltenden Disput und setzten sich still an meine Seite. Andächtig hielten wir die Köpfe gesenkt, bis wir plötzlich fühlten, dass die Black Pearl Fahrt machte. Eilig trat ich zum Kompass und konnte anhand dieses technischen Wunderwerks erkennen, dass Jack einen neuen Kurs gesetzt hatte.

Eine Woche vor Weihnachten sahen wir das Paradies Tahiti nur aus der Ferne und am Weihnachtsmorgen zeigte das Log, das ich jeden Morgen überprüfte und das Ergebnis in mein Tagebuch eintrug, mittlerweile eine Fahrtstrecke von beinahe 10000 Seemeilen an. Weihnachten verging beinahe wie jeder Tag an Bord, in der immer gleichen Weise. Geschenke schienen auch unter der Besatzung nicht verteilt zu werden, zumindest vermutete ich das, bis ich nach einem Tag des vergeblichen Wartens in der Bibliothek müde zurück in mein Zimmer trat. Auf meinem Bett, an genau derselben Stelle, wo wenige Wochen vorher auch die Handschuhe gelegen hatte, ruhte ein eingepacktes Geschenk.

Voller Neugier löste ich das Papier und erstarrte.

Es war ein abgenutztes Logbuch, aber nicht nur irgendein Logbuch, sondern das der Black Pearl. Ein Buch, das nicht nur die Geschehnisse seit dem Bau des wunderschönen Schiffes enthielt, sondern auch die Gedanken des Captains. Zögerlich strich ich behutsam über den schwarzen Einband und betastete den eingeprägten Schiffsnamen, konnte mich aber nicht überwinden darin zu lesen.

Stattdessen legte ich das Buch behutsam in die Schachtel zurück, bevor ich aufstand und an die Kabinentür des Captains klopfte. Ich hörte im Inneren ein leises Rascheln, bevor er die Tür öffnete und mich freundlich lächelnd hereinbat, „Oh James, du hast dein Geschenk also doch noch gefunden.“

Es war eine Feststellung und ich konnte nur leicht Nicken, bevor ich meinen Instinkten nachgab. Ich schlang die Arme um ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, „Fröhliche Weihnachten Jack.“

Wie genau es an diesem Abend weitergegangen war, weiß ich nicht mehr. Meine Erinnerungen setzten nach einer goldgelben Flüssigkeit in einem Kristallglas aus, aber ich erwachte am nächsten Morgen im Bett des Captains.

Angezogen, mit Kopfschmerzen und alleine.

Jack mochte zwar gegangen sein, aber dem Bettzeug haftete dennoch sein Geruch an. Es war schwer für mich wieder aufzustehen, das gutriechende Bett zu verlassen, aber trotzdem überwandt ich mich schließlich doch noch und entdeckte ein Frühstückstablett auf dem freigeräumten Schreibtisch.

Meine Gefährten schienen mein Fehlen nicht einmal bemerkt zu haben, waren sie doch immer noch in einem ihrer zahlreichen Streitgespräche gefangen und schienen das auch noch zu genießen. Ich zog mich, nachdem ich gelauscht hatte, leise aus der Bibliothek zurück. Ich fand im Salon, wo ich auch nicht lange alleine blieb, einen bequemen Sessel, auf dem ich wohl einschlief.

Zumindest erklärte dies mein plötzliches Erschrecken, als ein Schatten plötzlich auf mich fiel. Als ich den Kopf wandt und mich wieder aufsetzte, entdeckte ich, dass Jack hinter mir stand und mich mit einem wissenden und sehr zufrieden wirkenden Lächeln betrachtete, „Sind die Sessel so bequem, dass man darauf einschlafen kann?“

Ich errötete daraufhin, aber Jack lächelte weiterhin nur sanft und strich mir über die Wange, „Ich habe noch ein weiteres Weihnachtsgeschenk für dich, James.“ Mein bei dieser Berührung kurz strafend werdender Blick wurde nun wieder fragend, aber er sagte nur ein einziges Wort, „Vanikori.“

„Wir fahren nach Vanikori?“, ich spürte förmlich, dass ich strahlte, sah ich doch die Zufriedenheit in den dunklen Augen meines Gegenübers, die von meiner Reaktion herrührte, „Nein, wir sind nämlich schon da, James. Zwei gestrandete Schiffe von La Pérouse[2] sind euch da oben bekannt…Ich schenke dir das dritte.“

Auf Knopfdruck glitten die Platten von der Scheibe zurück und das Außenlicht erhellte den Meeresgrund. „Ein schöner und guter Tod für einen Seemann.“, Jack war wieder an meine Seite getreten und reichte mir eine vom Salzwasser angefressene Dose.

Mit zittrigen Händen öffnete ich sie und fand darin die angegilbten und vom Zerfall bedrohten Originalbefehle von La Pérouse, „Das ist…“ „Mein Geschenk.“, Jack klappte die Dose in meinen immer noch zittrigen Händen vorsichtig zu, „Ich hoffe es gefällt dir.“
 


 

[1] http://www.physiologus.de/bilder/meeressp.gif

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Fran%C3%A7ois_de_La_P%C3%A9rouse Französischer Weltumsegler und Geograph

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Wieder erwachte ich alleine im Bett des Captains. Und dieses Mal hatte ich so entsetzliche Kopfschmerzen, dass ich die weiche Decke enger um mich zog und die Augen erneut vor der Welt verschloss. Sollte die Welt sich doch weiterdrehen, mir war es momentan vollkommen gleich. Ich wollte mich jetzt nicht der Frage stellen, warum ich in Jacks Bett aufgewacht war und warum ich nichts weiter außer meiner Unterwäsche mehr am Leib trug.

Für diese Fragen wäre in einigen Stunden auch noch Zeit.

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Einige Stunden reichten zwar aus, um meine Gesundheit wiederherzustellen, aber die Fragen ließen sich leider nicht so leicht beantworten. Alles was ich noch wusste war, dass Jack mir ein Kristallglas gereicht und dass ich die darin enthaltene goldene Flüssigkeit probiert hatte. Nur einen vorsichtigen Schluck hatte ich nehmen wollen, davon war ich fest überzeugt, aber scheinbar hatte ich meinen Vorsatz vergessen gehabt.

Jack erinnerte sich, das konnte ich sehen, aber er machte ein Geheimnis daraus und schließlich, nachdem ich ihn drei Tage lang in den verschiedensten Formulierungen nach den Geschehnissen gefragt, aber immer nur das Lächeln als Antwort erhalten hatte, gab ich auf. Die Erinnerungen, die er besaß schienen schön zu sein und ich beschloss, dass es mir reichen würde das zu wissen. Ich vertraute Jack, und wen wirklich etwas schreckliches geschehen sein sollte, so würde er es mir sicher sagen. Oder, mich einfach ignorieren.

Beides tat er nicht.

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Den Neujahrswunsch des Jahres 1868 brachte mir André, während wir durch das Korallenmeer fuhren. Wir hatten seit unserer Abreise 11340 Seemeilen zurückgelegt und waren dem Festland nie wirklich nahe gekommen.

Ein gutes neues Jahr?

Was war darunter zu verstehen?

Ein Jahr, in dem wir das Festland wiedergewannen?

Oder ein Jahr voller weiterer Abenteuer an Bord der Black Pearl?

Ein Jahr an Jacks Seite?

Ich wusste, was André und Theodore wollten, aber für mich selber konnte ich es nicht sagen.

Vier Tage später bekamen wir, wenn auch wieder nur aus der Ferne, die Küste von Neuguinea zu Gesicht und als ich Jack auf der Plattform traf, berichtete er mir freimütig, dass er sein Schiff durch die Torres-Straße[1] zu navigieren gedachte.

Diese Seestraße zwischen Australien und Neuguinea war als ein unwegsames Labyrinth voller Riffe bekannt. Ich vermochte nicht zu sagen, was sie für Seefahrer berüchtigter machte: Die gefährlichen Klippen, oder die kriegerischen Eingeborenen. Als ich aber meine Bedenken gegenüber Jack äußerte, schüttelte dieser nur den Kopf.

Dennoch traf er Vorsichtsmaßnahmen.

Er ließ die Black Pearl auftauchen und mit verhaltenem Tempo durch die Untiefen gleiten. Während er die ganze Zeit am Steuer stand, verfolgten ich und meine Gefährten die Passage aufgeregt und auch voller Besorgnis von der Plattform aus. Wir orientierten uns an den vortrefflichen Karten, welche die einzige Rettung in diesem Gewirr aus Inselchen, steilen Klippen und messerscharfen Korallen bildeten.

Das Meer um uns herum schien zu kochen, von den rauen Winden aufgepeitscht schäumten die Wellen über aufragende Felsnadeln und verbarg so die gefährlichen Hindernisse vor unseren Augen. Theodore, der erfahrenste von uns, was Seefahrt anging, schüttelte besorgt den Kopf, als die Black Pearl ihr Tempo nicht verlangsamte, „Dieser verdammte Captain muss sich sicher Sache sehr sicher sein. Ich sehe einiges, was seinem verdammten schwimmenden Gefängnis gefährlich werden könnte.“

Aber Jack behielt den seltsamen Zickzackkurs und auch die Geschwindigkeit weiterhin bei und ich ertappte mich bei der Vermutung, dass dieses nicht die erste Passage durch die Torres-Straße war. Er schien dieses Abenteuer aber nun auf die Spitze treiben zu wollen, denn plötzlich steuerte er die Insel Tound und den bösen Kanal an, jenen Ort, wo der französische Seefahrer D’Urville vor nicht einmal 30 Jahren gescheitert war.

Ich starrte fasziniert auf das tobende, geschichtsträchtige Wasser, aber Jack ließ die Black Pearl kurz vorher abdrehen und nahm stattdessen Kurs auf eine andere Insel. Wir versuchten gerade mit Hilfe des Kartenmaterials herauszufinden um welche der Insel es sich handelte, als ein heftiger Stoß meine Gefährten und mich zu Boden warf.

Als ich mich wieder erhoben hatte, bemerkte ich dass André und Theodore wieder eine neue Gelegenheit für einen Streit gefunden hatten und mich überhaupt nicht mehr beachteten. Erst danach fiel mir auf, dass die Black Pearl still stand. Als ich mich suchend nach dem Grund umsah, sah ich auch Jack und die besorgt wirkende dunkelhäutige Frau auf die Plattform treten. Sie unterhielten sich in ihrer unbekannten Bordsprache und deuteten immer wieder auf das tosende Wasser, aber nach wie vor blieben mir die Worte fremd, so dass ich nur vermuten konnte, was geschehen sein mochte.

Ich fand, als ich ebenfalls über den Rand der Plattform spähte, meine Vermutung bestätigt. Das Schiff lag auf einem Korallenriff fest, was bei einem Unterseeboot irgendwie lächerlich wirkte. Dennoch war unsere Situation nicht zu lachen und ich überlegte fieberhaft, wie man dieses Problem nun lösen könnte.

„James.“, unbemerkt war Jack an meine Seite getreten und schien amüsiert zu sein, als ich erschreckt zusammenzuckte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so deutete ich auf das Korallenriff, „Ein Unfall?“ „Ein Zwischenfall.“, lautete die ruhige Antwort und ich hob frustriert die Hände, „Ein Zwischenfall, der deinen Schwur niemals mehr an Land zu gehen brechen könnte, Jack.“ „Sie werden Ihre Wunderreise durch den Ozean schon noch erleben, Professor Norrington.“, Jacks Blick war plötzlich kalt und der Captain wirkte vollkommen unnahbar, so dass ich vor ihm zurückwich, „Es gibt hier, wie Sie sicher noch nicht wissen, Flutunterschiede von über 1,5 Meter. In fünf Tagen ist übrigens Vollmond. Sie sehen also, Professor ich brauche die Hilfe des Landes nicht, der Mond wird uns liften.“ Dieses Mal schenkte er mir keines der warmen Lächeln, sondern er musterte mich noch einmal kalt von oben bis unten, bevor er der Frau wieder ins Innere des Schiffes folgte.

„Na, was sagt er?“, Theodore und André, die wohl einen ihrer wackeligen und nie lange anhaltenden Frieden geschlossen hatten, waren wieder an meine Seite getreten, „Will er den Kahn nun endlich verschrotten?“ „Nein, er wartet auf den Mond.“, nach Halt suchend umklammerte ich das schmale Geländer der Plattform und schmunzelte, als ich den Unglauben in den Gesichtern meiner Freunde sah, „Auf den Mond und auf die Flut, die uns wieder freisetzen wird.“ „So ein verdammter Hund!“, mühsam beherrschte Theodore seine Wut, aber die geballten Fäuste verrieten, unter welcher enormen Anspannung der Harpunier stand, „Diesem verdammten Mistkerl fällt auch immer wieder etwas ein!“ Seine Stimme wurde leiser und eindringlicher, „Aber, Professor Norrington…Eines ist gewiss, so nahe kommen wir dem Land nicht mehr – Wir fliehen.“

Der Gedanke an Flucht traf mich zutiefst, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, als ich nun nach Argumenten gegen eine Flucht suchte, „Das würde ich Ihnen nicht raten, Meister Groves. Die Wilden in diesem Teil der Erde sind die Schlimmsten. Und…wir können es immer noch versuchen, falls die Black Pearl doch nicht wieder flott werden sollte, einverstanden?“ Meine Stimme klang selbst in meinen Ohren falsch, aber meine Freunde zögerten nicht zu zustimmen. Einzig einen Landausflug wollte Theodore sich nicht nehmen lassen und so bat er mich ein gutes Wort dafür beim Captain einzulegen.

Ich versprach es ihm, obwohl ich insgeheim mit einer Ablehnung rechnete.

Und, wieder hatte ich mich geirrt, wir erhielten das Boot sofort und er erinnerte uns nicht mit einem einzigen Wort daran, dass wir seine Gefangenen wären. Nein, Jack wünschte uns, mit einem etwas höhnischen Blick auf mich, sogar eine gute Jagd, als wir uns am ersten Morgen aufmachten eine der Inseln zu erkunden.

Wir durchstreiften die Wälder, fingen Kleintiere und sammelten Obst. Besonders Theodore war mit Eifer bei der Sache. Er zeigte uns, wie man Kokosnüsse öffnete, wie man im Sand Brot backen konnte und eine Vielzahl anderer Kleinigkeiten. Die Zeit verging und der Mond am Abendhimmel wurde immer voller. Bald schon wäre es vorbei mit diesem unbeschwerten Dasein und in mir regte sich leichter Wehmut.

Seufzend sah ich, als wir am Abend des dritten Tages mit einem reichhaltigen selbstbeschafften und zubereiteten Abendessen am Lagerfeuer saßen, hinauf zu den Sternen. Meine Freunde schienen diese Melancholie zu teilen und schließlich fasste Theodore sich ein Herz und stellte die Frage, die uns alle quälte, „Was, wenn wir einfach nicht zur Black Pearl zurückkehren?“ Wir sahen uns betroffen an, aber bevor André oder ich uns dazu äußern konnten, schlug plötzlich ein großer Stein nahe bei unserem Lagerfeuer in den Sand.

Wir sprangen entsetzt auf, der nächste Stein riss André seinen Taubenschenkel aus der Hand, so dass die Frage, ob uns vielleicht Affen mit Steinen bewarfen gar nicht aufkam. Affen zielten nicht so gut! „Wilde!“, eilig suchten wir unsere wenigen Habseligkeiten zusammen, bevor wir zu unserem wartenden Boot liefen. Seltsamerweise verfolgten uns die Wilden in einem gemäßigten Trab und machten kaum Anstalten uns einholen zu wollen. Aber, schnell begriff ich, dass das auch nicht ihre Intention war, denn diese ruhige Gangart schien bestens dafür geeignet zu sein um uns zu beschießen.

Dennoch hatte unsere Eile sich gelohnt, kaum hatten wir das Boot wieder in den tieferen, leicht schiffbaren Gewässern vor der Insel, erreichten die ersten Wilden das Ufer. Sie wateten bis zum Gürtel in das tobende Meer und schossen weiterhin mit Pfeilen auf uns.

Zwanzig Minuten später hatten wir das Boot wieder sicher zur Black Pearl gebracht und ich lief in den Salon, wo ich den Captain vermutete. Er saß an der Orgel und spielte ein düster klingendes Stück, das unheimlich durch die hallenden Gänge des Schiffes wehte. „Jack.“, als er nicht reagierte, legte ich ihm eine Hand auf die Schulter, „Captain?“ Er zuckte zusammen und es dauerte einen Moment, bis er sich wieder gefangen hatte. Er musterte meine zerrupfte Erscheinung voller Belustigung und ich schnaubte, als er fragend eine Braue hob, „Ich wusste gar nicht, dass du so sehr in deiner Arbeit aufgehst.“

Hastig strich ich meine Sachen wieder glatt und funkelte ihn wütend an, „Wir haben die Aufmerksamkeit der zweifüßigen Art erweckt.“ „Zweifüßler?“, er ließ sich nicht beirren und wieder einmal hasste ich ihn dafür, dass es scheinbar nichts gab das ihn für längere Zeit aus der Fassung bringen konnte, „Wilde also. Nun, James es dürfte dich doch eigentlich nicht wundern, dass man bei einem Landgang Wilde vorfindet? Damit das passiert, muss man nicht unbedingt nach Neuguinea reisen, das passiert dir doch in London genauso. Oder in Paris. Oder auch in New York. Ich habe jedenfalls an Land nur Wilde getroffen.“

Das Letzte klang mehr als barsch, aber ich ließ mich auch nicht so leicht einschüchtern, sondern beharrte auf meiner Meinung, „Nun, dann wirst du bald auf der Black Perl auch welche treffen. Natürlich nur, falls du nichts unternehmen wirst.“ „Kein Grund zur Unruhe, mein Lieber. Und, wenn es alle Wilden der Welt wären, sie können der Pearl nichts anhaben.“; mit diesen Worten war ich entlassen und er wandt sich wieder seinem düsteren Orgelwerk zu.

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Die Nacht verlief trotz meiner Befürchtungen ruhig, aber als ich am nächsten Tag morgens hinaus auf die Plattform trat, sah ich dass nun scheinbar alle Wilden der kleinen Insel sich versammelt hatten. Am Strand, wo wir am gestrigen Abend noch so gemütlich beisammen gesessen hatten, brannten Wachfeuer und ich entdeckte auch einige kühne Krieger auf den Koralleninseln. Sie mussten sich, die Höhenunterschiede zwischen Ebbe und Flut ausnutzend, dort postiert haben, einige sogar gefährlich nahe. Ich hätte, wenn ich dann freiwillig eines von Jacks Gewehren angefasst hätte, einige von ihnen erschießen können. Natürlich tat ich es nicht, ich hatte weder den Otter, noch den Albatros erschießen können, und bei einem Menschen, egal wie wild oder nicht, stand das vollkommen außer Frage.

Als sich die Späher im Laufe des Tages etwas zurückgezogen hatten, beschlossen André und ich, dass wir in den klaren Gewässern nach seltenen Kleintieren fischen wollten. Zwei Stunden lang verirrte sich kein Tier in unsere Netze, aber dann geschah es: Mein Freund öffnete nichtsahnend eines der Netze und meiner Kehle entrang sich ein Schrei, der selbst einem der Wilden zur Güte getan hätte. André sah mich verwirrt an, als ich an ihm vorbei auf eine Schnecke deutete und nahm das Tierchen achtlos heraus, um es näher zu betrachten. „Das ist eine schlichte Purpurschnecke, wenn Sir sich überzeugen wollen?“

Ich wollte mich nicht überzeugen, aber dennoch nahm ich ihm die Schnecke behutsam aus der Hand, „Ordnung Weichtiere, ja…Aber, diese Schnecke ist nicht rechtsherum eingedreht, sondern linksherum. Schau dir die Spirale einmal ganz genau an.“ Nun ebenso behutsam wie ich zuvor, nahm er mir die Schnecke aus der Hand und betrachtete sie versunken, „Sir müssen mir glauben, dass ich noch niemals so erschüttert war.“ Das glaubte ich ihm gerne, denn die seltenen linksgedrehten Schnecken wurden von Kennern und Liebhabern mit Gold bezahlt und aufgewogen.

André hielt den kostbaren Schatz noch in seinen zittrigen Händen und starrte diesen Übertritt der Naturgesetze fasziniert an, als ein Stein seine Hand traf und das Schneckenhaus zersplittern ließ. Ich schrie auf, mein Gefährte hob die Waffe und schoss, bevor ich noch etwas unternehmen konnte. Er traf einen der Eingeborene und dann erst gelang es mir ihm die Waffe zu entreißen, „André! Was ist denn das für ein Verhältnis! Ein Menschenleben gegen eine Schnecke! Lass das!“ „Aber, die haben doch angegriffen!“, rechtfertigte er sich etwas kleinlaut, aber die Lage war nun wirklich bedrohlich geworden. Zahlreiche Einbäume hielten auf die Black Pearl zu und wir wurden mit einem Hagel aus Pfeilen und Steinen belegt, so dass wir ins Innere des Schiffes flüchteten.

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Der Salon, wohin mich mein erster Weg führte, war leer. Aber, ich überlegte nicht lange, sondern klopfte an seiner Kabinentür. Nach einem schlechtgelaunten ‚Herein’ öffnete ich die Tür und fand Jack in Berechnungen vertieft, „Störe ich?“ „Ja. Aber, ich schätze du hast einen guten Grund dafür.“, er klappte das Buch mit den Berechnungen zu und drehte sich zu mir um, „Also, was möchtest du?“ „Die Wilden halten mit Einbäumen auf uns zu.“, ich klang merklich atemlos, vor allem als Jack mich plötzlich zu sich zog und ich auf seinem Schoss zu sitzen kam. Dennoch wehrte ich mich nicht, sondern schloss die Augen. „Dann machen wir die Luke zu, mein lieber James. Beruhigt dich das?“, ich nickte nur leicht, Jacks Nähe reichte schon um die Sorge aus mir zu vertreiben, „Ist denn sonst noch etwas?“

„Kann…ich heute vielleicht hier bleiben?“, plötzlich war ich ungeheuer müde und die Vorstellung irgendwie noch in meine eigene Kabine gelangen zu müssen, erschien mir unmöglich zu bewerkstelligen, „Nur…wenn ich dich nicht störe.“ „Natürlich.“, er half mir auf die Beine und bald darauf lag ich im, inzwischen schon vertrauten Bett des Captains. Ich hörte noch leises Geraschel und eine Feder über Papier kratzen, dann war ich auch schon tief und fest eingeschlafen.

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Das Lärmen und das Fußtrampeln der Wilden an Deck hatte ich nicht gehört, aber André und Theodore berichteten mir davon, als wir uns am Morgen im Salon trafen. Wieder war ich alleine aufgewacht, aber dieses Mal hatte es mich nicht verwundert und ich erinnerte mich ja noch an alles, was geschehen war. Es war seltsam, dass ich darum gebeten hatte, bleiben zu dürfen, aber scheinbar war ich mit der Frage nicht zu weit gegangen, was mich wirklich unheimlich beruhigte.

Dennoch zuckte ich zusammen, als der Captain einige Stunden später in den Salon trat und unsere Unterhaltung, beziehungsweise die Diskussion zwischen André und Theodore, deren stiller Zuschauer ich gewesen war, unterbracht. „Nun, wir werden unsere Reise in genau 10 Minuten fortsetzen, James.“, er ließ sich auf der Lehne meines Sessels nieder und ich errötete leicht, „Und, die Wilden?“ „Komm mit.“, mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich und reichte mir die Hand, um mich aus dem Sessel zu ziehen. Gemeinsam, und gefolgt von meinen Gefährten traten wir zur Luke, „Ich möchte nicht, dass einer von ihnen unseren Besuch auf ihrer Insel mit dem Leben bezahlen muss.“

Ich schluckte, als die Luke von zwei Besatzungsmitgliedern geöffnet wurde und umfasste Jacks Hand etwas fester. Er beschwerte sich nicht, sondern sah ruhig zu, wie die schwere Luke aufschwang und plötzlich 20 oder mehr wilde Gestalten mit Kriegsgeheul die Black Pearl stürmen wollten.

Aber, der Erste der Hand ans Treppengeländer legte, wurde von einer unsichtbaren Kraft zurückgeworfen. Seinen Nachfolgern erging es nicht anders und langsam schienen die Angreifer verunsichert zu sein. Theodore, der nun seinerseits die nicht mehr ganz so wilde Meute vertreiben wollte, machte Anstalten die Treppe hinaufzustürmen und sich unserem Feinden von Mann zu Mann zu stellen. Aber, kaum hatte auch er das Geländer berührt, wurde er zurückgeworfen und landete direkt vor Andrés Füßen, der sich gleich besorgt zu ihm hinunterbeugte und ihm die Gliedmaßen massierte.

Ich sah diese Besorgnis kaum, denn nun wurde mir klar, dass Jack das Geländer elektrisch laden und somit einen undurchdringlichen Zaun zwischen sich und potentielle Angreifer legen konnte. Mein Blick war voller Bewunderung und Jack nickte leicht, während er sich zu dem halbbewusstlosen und stöhnenden Theodore beugte, „Das war äußerst unnötig, Mr. Groves. Aber, ich schätze in Mr. Gillette haben Sie einen sehr eifrigen Krankenpfleger.

Wieder trug er eines dieser wissenden Lächeln zur Schau und ich fragte mich, was ich im Umgang meiner Gefährten miteinander wohl übersehen haben könnte? Es musste einen Grund für das Lächeln geben, obwohl…hatte alles bei Jack einen Grund?

Länger wollte ich das nicht mehr hinterfragen, denn die Black Pearl schwamm nun wieder frei, frische Luft strömte durch die offene Luke und die Wilden waren sicherlich in heilloser Flucht und kamen hoffentlich heil auf ihrer kleinen Insel an.

Und wir konnten unseren Weg fortsetzen.
 


 

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Torres-Stra%C3%9Fe

20000 Meilen unter den Meeren

In den Tagen nach dem Zwischenfall mit den Wilden beschäftigte Jack sich und seine Crew mit Temperaturmessungen. Ich folgte der Forschung voller Interesse, obwohl ich mich insgeheim fragte, welchen Zweck diese neugewonnenen Erkenntnisse eigentlich erfüllten. Sie würden, wie so vieles anderes, die Black Pearl niemals verlassen und an dem Tag, wo das Schiff in die Geschichte eingehen würde, würden sie in dem stählernen Sarg, zusammen mit den Forschern hinabsinken. Jack könnte mir die Ergebnisse anvertrauen, aber das hieße sein Geheimnis nicht mehr wahren zu können und somit kam auch diese Möglichkeit nicht wirklich in Frage.

Ich fand keine Antwort und auch der Captain konnte sie mir nicht geben. Es hatte gedauert, bis ich den Mut für diese Frage gefunden hatte, seine Reaktionen waren nicht immer leicht vorhersehbar und ich wollte sicherlich nicht seine Wut entfachen. Das geschah auch nicht, stattdessen sah er mich mit, wie ich zu erkennen glaubte, trauriger Miene an, bevor er mit den Schultern zuckte, „Wir werden uns daran erinnern.“ Mit diesen Worten verschwand er und ließ mich alleine zurück.

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Es vergingen einige ereignislose Tage. Jack sah ich nicht und meine Freunde waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um von meiner Unruhe Notiz zu nehmen. Sie stritten, was ich inzwischen nur noch mit einem Seufzen zu quittieren pflegte, noch immer pausenlos über die unmöglichsten Kleinigkeiten. Sie schienen diese Art von Freundschaft zu genießen und ich hütete mich ihnen dieses kleine Privatvergnügen zu nehmen.

Allerdings blieb ich so alleine und meinen Gedanken überlassen. Meistens drehten sich diese Gedanken doch immer wieder nur um Jack und um die Nächte, die ich in seinem Bett verbracht hatte. Vor allem machte mir zu schaffen, dass ich es genossen und dass ich mich so unwahrscheinlich wohl und geborgen gefühlt hatte. Eine Erklärung fand ich dafür freilich nicht, aber in der kommende Woche stellte ich eine Vielzahl an Theorien darüber auf, nur um sie gleich wieder zu verwerfen.

Mitte Januar wurde dieser Kreislauf aber gestört. Gerade saß ich in meinem Lieblingssessel im Salon, als sich plötzlich lautlos die schweren Stahlplatten hoben und die Aussicht auf das Wasser freigaben. Etwas war seltsam, der Lichteinfall war anderes und erst nach einigen Sekunden bemerkte ich, dass das Wasser dieses Mal nicht durch das elektrische Licht erhellt wurde. Viel mehr leuchtete das Wasser von selber, beziehungsweise durch fluorszierende Kleinstlebewesen. Die Black Pearl schwamm inmitten eines Stromes aus Myriaden solcher Lebewesen, deren Körper wie winzige Feuerwerke aufloderten, wenn sie mit dem stählernen Rumpf in Berührung kamen.

Anfangs blendete der gleißende Strom, aber nach wenigen Minuten hatten sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt, so dass ich auch die anderen Begleiter erkennen konnte. Delphine, Hornfische und einige große Rochen badeten genüsslich in dem Licht und die sich bewegenden Leuchttierchen zauberten immer neue Muster auf die Haut ihrer Begleiter und ließen sie wie im Feuer badende Salamander wirken.

Dieses Schauspiel war unbeschreiblich schön und ich fühlte in mir eine gähnende Leere, als der Strom allmählich verblasste. Die stählernen Läden schoben sich wieder vor das Fenster und ließen mich im rauen elektrischen Licht und mit meinen vielen ungelösten Fragen alleine zurück.

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Zwei Tage später und immer noch ohne Antworten auf die quälenden Fragen, sah ich Jack wieder. Die Black Pearl lag an der Oberfläche und man brauchte kein Barometer um zu erkennen, dass es bald zu einem heftigen Unwetter kommen würde. Der Wind zog und zerrte an mir, kaum dass ich die Plattform betreten hatte und ich konnte mich kaum aufrecht halten, als ich zur niedrigen Umrandung torkelte. Erst, als ich das feste Eisen unter meinen Fingern spürte, traute ich mich der jungen Frau bei ihrer täglichen Routine zuzusehen.

Aber, dieses Mal war etwas anderes, sie maß den Stundenwinkel und rief dann einen anderen Satz hinunter zur Brücke. Es musste wohl eine Warnung oder etwas ähnliches gewesen sein, denn sofort kam Jack hinauf und die junge Frau reichte ihm das Fernglas. Ruhig, wie ein Standbild suchte er den Horizont ab und gab schließlich einen Befehl in der unverständlichen Bordsprache. Die Frau schien den Befehl nicht einfach hinzunehmen, aber Jacks Tonfall wurde nun leicht ärgerlich, woraufhin sie schließlich doch nickte. In einziges Wort wurde hinuntergerufen und ich spürte, wie das allgegenwärtige Vibrieren stärker wurde, als die Black Pearl Fahrt aufnahm.

Jack lief unruhig auf der Plattform auf und ab, dabei kreuzte er mehrfach meinen Weg, weigerte sich aber beständig meine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Schließlich wurde mir dieses Benehmen zu bunt und ich verließ die Plattform, um ein Fernglas aus meiner Kabine zu holen. Dieser Weg war nicht lang und bereits nach wenigen Minuten trat ich wieder hinaus und setzte das Fernglas an.

Sofort wurde es mir aus der Hand gerissen und als ich mich umdrehte um zu protestieren, sah ich direkt in die nur mühsam beherrschten Züge des Captains. Dieser Mann hatte kaum mehr Ähnlichkeit mit meinem Jack und so schluckte ich nervös, während gleichzeitig meine spontane Gegenwehr erlahmte und ich das Fernglas losließ. Es fiel achtlos zu Boden, keine von uns beiden nahm davon aber überhaupt Notiz. Ich war wie gefesselt, seine dunklen Augen blickten mich forschend an und schienen bis in meine Seele vorzudringen.

Endlich sprach er, „James. Ich muss nun die Zusage, die du mir gabst in Anspruch nehmen.“ „Was ist los, Jack?“, ich war verwirrt, aber der Captain schien nicht in Stimmung für längere Erklärungen zu sein, antwortete er mir doch kurz und knapp und in einem Tonfall, der von weiteren Fragen tunlichst abzuraten schien, „Ich muss dich und deine Gefährten einschließen, bis es mir richtig erscheint, euch wieder freizulassen. Also, auf unbestimmte Zeit.“

Ich erinnerte mich an diese Zusage, also nickte ich, „Well, du hast zu befehlen. Aber, darf ich mir eine Frage erlauben?“ „Nein.“, er beugte sich vor und ich fühlte wie sein Atem mein Ohr streifte, „Verzeih mir.“ Mein Lächeln, das er als Antwort bekam, war zwar etwas wackelig, aber er schien es zu verstehen. Jack ließ mich los und ich eilte unter Deck, um meine Freunde zu suchen und sie von der veränderten Situation zu unterrichten.

Wie immer fand ich sie in einer lebhaften Diskussion über ein Thema, dass ich nicht nachvollziehen konnte, waren doch beide Betten sicher gleich bequem. Aber, ich hatte auch keine Zeit um mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denn kaum hatte ich ihnen in groben Zügen erklärt, was von uns erwartet wurde, standen auch schon vier Besatzungsmitglieder in der Tür. Sie geleiteten uns zu der Zelle, in der wir die erste Nacht verbracht hatten und sorgten dafür, dass die Tür hinter uns verschlossen wurde.

Nun berichtete ich meinen Freunden beinahe alles was ich auf der Plattform erlebt hatte, aber auch zu dritt konnten wir uns keinen Reim auf die Vorkommnisse machen. „Na ja, wenigstens ist der Tisch gedeckt.“, der recht pragmatische Theodore unterbrach unsere unfruchtbaren Grübeleien und deutete auf den wirklich überreichlich gedeckten Frühstückstisch, den wir bisher noch nicht einmal bemerkt hatten.

Erleichterung machte sich in mir breit, diese Wegsperren war also nicht auf meine Neugier zurückzuführen, sondern Jack musste den Befehl bereits gegeben haben, als der kurze Disput mit der dunkelhäutigen Frau stattgefunden hatte. Also, so schlussfolgerte ich, würden nun wohl Dinge geschehen, die wir nicht mitbekommen, die für immer eines der Geheimnisse der Black Pearl bleiben sollten.

Das Essen schmeckte wie immer vorzüglich, aber trotzdem blieb unsere Stimmung mehr als gedrückt. Diese Unsicherheit über unsere Situation, über all das, was vor unserer Zelle vorgehen könnte, ließen bei mir keinen rechten Appetit aufkommen. Ich stocherte nur in den Speisen und auch meinen Begleitern schlug dies alles auf die Gemüter, sie hatten noch nicht einmal Lust auf einen Streit.

Wir suchten uns jeder einen einigermaßen bequemen Platz auf der Bastmatte, welche die Härte und die Kälte des stählernen Bodens milderte. Kaum hatte jeder von uns eine halbwegsbequeme Position gefunden, erlosch das Deckenlicht und ließ uns in Dunkelheit zurück. Theodore schnarchte dort schon und André murmelte verschlafen irgendeinen deftig klingenden irischen Fluch. Diese plötzliche Müdigkeit war seltsam, aber bevor ich noch ihre Ursache ergründen konnte, wurden auch meine Augen schwer und ich schlief ein.

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Ich wachte am nächsten Morgen ohne Beschwerden auf und stellte verblüfft fest, dass ich in einem Bett lag. Nach einer schnellen Erkundung meiner Umgebung war ich in der Lage dieses Bett wieder als das des Captains zu identifizieren und so ließ ich mich träge zurück in die weichen Kissen sinken.

Als mich einige Minuten später dann aber doch die Neugier packte und ich die Kabinentür probierte, stellte ich fest, dass ich auch hier keineswegs eingeschlossen war, sondern dass es mir frei stand zu gehen. Eigentlich stand mir nun nicht danach der Sinn, aber die Neugier trieb mich, nachdem ich mich schließlich angekleidet hatte, endgültig aus der Kabine.

Mein erster Weg führte mich auf die Plattform, wo ich zwar leider nicht Jack, aber immerhin meine beiden Gefährten fand. Beide berichteten mir, dass sie in dem Raum aufgewacht seien und dass die Tür offen gestanden hatte. Ein Steward hatte ihnen das Frühstück gebracht und sie bei dieser Gelegenheit davon unterrichtet, dass ich mich bereits in der Obhut des Captains befinden würde.

Bei dem Begriff ‚Obhut’ errötete ich, aber zum Glück schienen weder André, noch Theodore es zu bemerken. Sie suchten, immer noch die Flucht herbeisehnend, die Weite um uns herum nach einem Segel, oder etwas Land ab. Nach einigen Minuten wandt ich mich entnervt ab und zog mich in den Salon zurück.

Aber, auch dort war mir keine lange Ruhe gegönnt, denn ein merklich angespannte und eindeutig müder Jack stöberte mich auf, „James, bist du Arzt?“ Erstaunt sah ich auf und entdeckte, dass all der Hass, den ich gesehen hatte, verschwunden schien. Stattdessen wirkte Jack, als wäre er voller Gram und Sorge. Sofort überschwemmte Mitleid mein Herz und ich nickte, „Ja, ich Medizin studiert und sogar einige Jahre praktiziert, bevor ich den Posten im Museum annahm.“

Jack wirkte erleichtert du zog mich auf die Füße, „Du wirst mir helfen.“ Ich nickte, „Ich versuche es, hast du denn einen Verwundeten?“ „Ich habe einen Kranken.“, entgegnete er mir und zog mich eilig durch unbekannte Gänge, bis wir schließlich in eine kleine, halbdunkle Kabine eintraten. Auf einem niedrigen Bett ruhte ein Mann und als ich mich für eine erste oberflächliche Untersuchung zu ihm hinunterbeugte, erschrak ich. Dieser Mann war nicht krank, er war verwundet.

Sein Kopf, der auf einem blutverkrusteten Kissen ruhte, war mit einem ebenso blutigen Leinenverband umwickelt. Als ich den Verband vorsichtig löste, erkannte ich sofort die wirkliche Tragweite der Verletzung. Dieser Mann würde sterben und als ich den Puls fühlen wollte, entdeckte ich, dass er bereits erkaltete. Behutsam legte ich den Verband zurück und betrachtete das ruhige Gesicht des Sterbenden. Er gab auch jetzt keinen Laut von sich, die Muskel- und Nervenschäden lähmten ihn.

„Kannst du ihm helfen? Sprich ruhig, er versteht kein Englisch.“, beinahe hätte ich Jacks Gegenwart vergessen und ich wappnete mich gegen einen neuerlichen Wutausbruch, als ich mich nun langsam zu ihm umdrehte, „Er wird sterben.“

Ich sah die Tränen in seinen Augen glitzern und reagierte einfach, indem ich ihn in meine Arme zog, „Es tut mir leid, Jack.“ Für einen kurzen Moment lehnte er sich gegen mich, dann versteifte er sich wieder und löste sich, „Du kannst gehen, James.“ Seine Stimme klang rau, mir war klar, dass er sich die Schuld am Tod des Mannes gab und dass ich nichts sagen konnte, damit er sich besser fühlen würde, deshalb ging ich.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Das Sterben dieses Mannes und die große Sorge um Jack hielten mich in dieser Nacht wach. Als ich im Morgengrauen wieder aus meinem Dösen hochschreckte, schüttelte ich nur mühsam die Alpträume ab. Ich floh förmlich aus meinem Bett und wagte erst auf der Plattform tief durchzuatmen. Die reine Seeluft weckte meine Geister und das Geräusch der Wellen beruhigte mich ungemein. Mit geschlossenen Augen lauschte ich auf die Geräusche des Morgens und gewann meine Fassung langsam wieder zurück.

Ich hatte nicht lange als Arzt gearbeitet, weil ich solche Anblicke wie in der letzten Nacht, nur schwerlich vertragen konnte. Ich half den Menschen gerne, aber vor solchen Momenten, wenn all die ärztliche Kunst versagte und einem nur die innigsten Gebete über blieben, hatte ich schon immer große Angst gehabt. Furcht vor der Schuld, deswegen hatte ich meine Praxis aufgegeben und mich der Forschung zugewandt. Lange hatte ich nicht mehr über meine Beweggründe nachdenken müssen, aber diese kurze Begegnung mit dem Tod hatte mich tiefer getroffen, als ich vermutet hätte.

„Ich habe einen Ausflug unter Wasser vor, du kannst deine Freunde ruhig mitnehmen.“, ich hatte Jacks Herantreten nicht einmal bemerkt und musterte ihn nun voller Besorgnis. Seine Haltung war irgendwie anders, seine Schultern schienen zu hängen und die Augen leuchteten auch nicht wie sonst, der Schalk schien verschwunden. Dennoch nickte ich zu seinem Angebot und war erstaunt, als er sich brüsk abwand und Anstalten machte ins Innere seines Fahrzeugs zurückzukehren, „Seid in einer Viertelstunde bereit, James.“

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Eine halbe Stunde später steckten wir in den Gummianzügen und warteten darauf, dass die Schleuse sich langsam mit Wasser füllte. Dieses Mal war es eng in dem winzigen Raum, bestand unsere Gesellschaft doch neben Jack, meinen Freunden und mir selbst, noch aus zwölf Besatzungsmitgliedern.

Wir stiegen in etwa zehn Metern Tiefe aus der Black Pearl und sanken langsam zum Grund hinab. Anders als bei unserem vorangegangenen Unterwasserspaziergang war unter unseren Füßen dieses Mal kein feiner Sand, sondern Korallen zerbrachen knirschend unter unseren Eisenschuhen. Es gab auch kaum Wasserpflanzen, einzig Korallen bedeckten den Untergrund, so weit unsere Lampen reichten.

Unser Weg führte uns an einer niedrigen Korallenbank vorbei und angelockt von den herrlichen Farben dieser Unterwasserblumen streckte ich meine Hand nach ihnen aus. Ich wollte nur eine einzige Blüte als Andenken pflücken, aber kaum hatte ich sie berührt, ging ein Blitz durch die Kolonie und die sternförmigen weißen Blütenköpfe verschwanden in den tiefen Kalkröhren.

Jack führte uns auf einen dunklen Pfad, der auf beiden Seiten von dunklen, bedrohlich wirkenden versteinerten Wäldern begrenzt wurde. Ab und an sah man einen Fisch durch die toten Äste, die sich immer noch der fernen Sonne entgegen zu neigen scheinen, gleiten aber ansonsten waren diese Wälder bar jeden Lebens.

Nach etwa zwei Stunden hatten wir eine Tiefe von 300 Metern erreicht und der Wald um uns hatte sich verändert. Plötzlich kam ich mir, inmitten der uralten Wälder und mineralischen Ablagerungen winzig und vollkommen unbedeutend vor und ein Zittern ergriff meinen Körper, so dass ich mich kurz gegen einen der versteinerten Urriesen lehnte und erschöpft die Augen schloss.

Zu meinem Glück schien dieser vergessene Wald aber auch endlich Jacks Ziel gewesen zu sein, denn nun konnte ich beobachten, wie seine Gefährten sich in einem Halbkreis um ihn versammelten und einen länglichen weißen Gegenstand in ihre Mitte legten. Ich hatte gar nicht registriert, dass sie so etwas getragen hatten und näherte mich nun neugierig der unheimlichen Szenerie.

Unsere Lampen erhellten nur die Lichtung, zwischen den versunkenen Bäumen herrschte weiterhin die gleiche lichtlose Dunkelheit, so dass ich meinen Blick schnell abwenden musste. Lieber konzentrierte ich mich auf die Lichtung und entdeckte zu meinem großen Erstaunen nun ein aus Korallen gehauenes Kreuz, so wie mehrere Erhöhungen in dessen Nähe. Erst hielt ich diese Unebenheiten für natürlichen Ursprungs, aber als eines der Besatzungsmitglieder mit einer Hacke vortrat und den Boden öffnete, verstanden wir. Dies hier war nicht einfach nur irgendein Ort unter dem Meer, es war der Friedhof der Black Pearl. Dieses Loch sollte ein Grab werden und der längliche Gegenstand, der nun vor Jacks Füßen lag, war der Leichnam des Mannes, dem ich nicht mehr hatte helfen können.

Als die Grube tief genug war, hoben die Männer den Leichnam vorsichtig empor und legten ihn behutsam in sein Grab. Jack kreuzte, als letzter Gruß an den Verstorbenen seine Arme vor der Brust und sank auf die Knie, als ob er beten wollte. Seine Gefährten taten es ihm gleich und auch wir senkten ehrfürchtig die Köpfe.

Ich betete lautlos für die Seele dieses Mannes, aber ob meine Freunde es mir gleich taten, wusste ich nicht. Aber, es erschien mir richtig. Gerade hatte ich das ‚Amen’ gesprochen, als sich die Männer auf ein Nicken ihres Captains wieder erhoben und damit begannen das Grab zu verschließen.

Jack war der Erste, der sich zum Gehen wandt und sich an den langen und mühseligen Aufstieg machte. Ich unternahm keinen Versuch an seine Seite zu gelangen, sicherlich wollte er mit seinen Gedanken nun alleine sein.

Endlich, am späten Nachmittag erreichten wir wieder das Schiff und nachdem wir uns gestärkt hatten, stellte ich überrascht fest, dass die Black Pearl mittlerweile an der Wasseroberfläche schwamm. Wohlwissen, dass ich Jack nun auf der Plattform treffen würde, lenkte ich meine Schritte dorthin.

Er stand, die Augen ziellos auf das weite Blau gerichtet da und zeigte mit keiner Geste, dass er mich bemerkt hätte, oder dass ich nicht erwünscht wäre. Davon ermutigt trat ich an seine Seite, „Er ist also wirklich gestorben.“ „Natürlich, du hast es doch selber prognostiziert, James.“, er fuhr sich kurz über die Augen und zuckte dann mit den Schultern, „Nun ruht er von uns unvergessen auf unserem Friedhof.“ „Niemand kann ihn mehr verletzen.“, ich nickte und zog den leise schluchzenden Captain in meine Arme.

Es bedurfte keine weiteren Worte.

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André sah in diesem Mann lediglich einen verkannten Forscher, einen Menschen, der seines menschlichen Daseins überdrüssig geworden war und sich in die einsame Unterwasserwelt zurückgezogen hatte, um nur noch Jack Sparrow zu sein.

Für Theodore war mein Captain ein Verrückter, ein Tyrann, der keinen Anspruch auf Schonung oder menschliche Gnade hätte.

Mir war er mehr.

Vor allem die Ereignisse der letzten Tage, hatten mir gezeigt, dass die Scheu nur eine List war. Eine List, um sich selbst zu schützen. Mir war nicht klar, wovor Jack sich schütze, aber irgendwie war es mir gelungen diesen vollkommen Schutzmantel zu durchbrechen. Es war vollkommen unabsichtlich geschehen, niemals hatte ich die Absicht gehegt ihm so nahe zu kommen. Dennoch war es geschehen und der Captain lag nun nackt in meinen Armen und hatte einen Arm um meine Taille gelegt, während er mir durch das verschwitzte Haar strich.

Hatte ich ihn ausgenutzt?

Hatte er mich ausgenutzt?

Wie hatte das passieren können?

Wieso lagen wir in seinem Bett?

Wieso waren wie nackt?

Nun ja, warum wir unbekleidet waren wusste ich, die Erinnerungen an meine zittrigen Finger, die unfähig schienen simple Knöpfe zu öffnen, trieben mir die Röte auf die Wangen. Aber viele neue Fragen wollten geklärt werden, dennoch verweigerte ich meinem Verstand die Mitarbeit, noch wollte ich einfach genießen. Im Moment sagte mein Herz mir, dass ich die wenige Zeit, die mir noch blieb, bis Jack das was zwischen uns passiert war, bereuen würde, genießen wollte.

Ich wollte, dass unsere Beine ineinander verflochten waren.

Ich genoss es, dass seine warmen Finger über meine schweißfeuchte Haut strichen.

Ich schwelgte in dem Geschmack, den er hinterlassen hatte.

Nein, ich wollte es nicht mehr anders.

Seltsam, wenn man bisher noch nicht einmal gewusst hatte, was genau einem gefehlt hatte. Und, es war grausam, wenn einem dieses Wunderbare schnell wieder genommen werden würde. Noch während Jack seine Streicheleinheiten fortsetzte, begann mein Realismus leider langsam doch wieder die Oberhand zu gewinnen.

Ich konnte nicht meine Freunde meiner…Ich konnte sie nicht für Jack und meinen plötzlich erwachten Freiheitsdrang opfern. Auch, wenn ich mir nicht vorstellen könnte, noch einen Tag ohne ihn zu leben, so wäre es doch grausam, wenn sie ebenfalls an Bord würden bleiben müssen. Eingesperrt in ein Unterwasserfahrzeug fern von allem was sie lieben und von allen, die sie lieben. Wie wenig wusste ich doch über sie! Ich wusste nicht, ob Freunde, eine Familie oder vielleicht sogar eine Frau auf sie warteten. Nein, ich konnte mein Glück nicht einfach selbstsüchtig über ihres stellen und so löste ich mich vorsichtig aus Jacks Armen und begann mich wieder anzuziehen.

Er kommentierte es nicht, aber ich spürte seinen Blick in meinem Rücken. Auch, nachdem die Zimmertür schon längst hinter mir ins Schloss gefallen war. Es mochte zwar selbstsüchtig und egoistisch sein, aber mein Herz sagte mir, dass es richtig war, als ich nun die Tür noch einmal öffnete, „Wenn ich bleiben wollte…?“ „Du wärst willkommen.“, lautete die ruhige Antwort und dieses Mal schloss ich die Tür lächelnd.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Orca…Ja, du hast recht. Der Captain zeigt seine Menschlichkeit erst später, och versteckt er sie. Zumindest im Buch, aber so ganz halte ich mich, wie man an dem Kapitel merkt, ja nicht ans Buch. Und nein, ich habe nicht nachgerechnet, sondern hoffe, das Jules Verne auch ein guter Mathematiker war ;)
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Immer wieder kam ich zurück, aber zum Bleiben konnte ich mich noch nicht durchringen. Für mich selber wusste ich, was ich wollte, aber ich konnte meinen Freunden doch nicht meinen Lebenswillen aufzwingen. Sie sehnten sich nach Freiheit, während ich meine Freiheit und Erfüllung ausgerechnet in den Armen unseres Gefängniswärters gefunden hatte. Ich war, trotz meiner britischen Herkunft, schon immer ein großer Freund der Demokratie gewesen und aus diesem Grund musste ich mich der Meinung der Mehrheit beugen.

André würde zwar mir die Entscheidung überlassen, aber glücklich wäre er hier sicher nicht.

Theodore wollte die Flucht, das war kein Geheimnis.

Was sollte ich also tun, als die wenige glückliche Zeit in den Armen Jacks genießen?

Ich gewöhnte mir an die Nächte in seinem Bett zu verbringen. Manchmal blieb ich alleine, aber in den meisten Nächten der nächsten Woche schlug ich irgendwann verschlafen die Augen auf, weil er mich zu sich zog, mich küsste oder einfach nur weil er mich mit einem liebevollen Lächeln ansah.

Ich genoss jede dieser Nächte, auch wenn ich jeden Morgen doch wieder alleine aufwachte. Jack war ein Frühaufsteher, damit hatte ich mich wohl oder übel abzufinden und innerhalb der kurzen Zeit, die uns noch bleiben würde, wollte ich keinen der kostbaren Augenblicke damit verschwenden ihn zu erziehen oder mit ihm zu streiten.

Nach dem einsamen Aufstehen trat ich, wenn die Black Pearl an der Oberfläche lag, jeden Morgen auf die Plattform hinaus. Die unendliche Weite um mich herum machte mich schwindelig und im Gegensatz zu meinen Gefährten zog ich die Black Pearl aller Freiheit vor. Dennoch genoss auch ich die frische Seeluft und sah jeden Morgen der dunkelhäutigen Frau zu, die immer das selbe Ritual durchführte und immer den gleichen unverständlichen Satz hinunter rief.

Noch immer behandelte sie mich wie Luft und nahm überhaupt keine Notiz zu mir. Und auch, als ich damit begann Flüche in verschiedensten Sprachen halblaut vor mich hinzumurmeln und dabei auch ihre Ahnenreihe verunglimpfte, bekam ich keine Reaktion von ihr. Nur, als ich ihr nach ein par frustrierenden Tagen auf Spanisch sagte, dass ich mit ihrem Captain geschlafen hätte, meinte ich ein Lächeln zu sehen. Es verschwandt allerdings auch wieder so schnell, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob mir nicht doch meine Einbildung einen Streich gespielt hatte.

Laut der Seekarte hatte Jack Kurs auf Indien nehmen lassen und nach zwei Wochen auf dem freien Ozean entdeckten die scharfen Augen von Theodore schließlich Festland am Horizont. Er deutete auf diese ersten Ausläufer der Zivilisation und die Röte auf seinen Wangen zeigte seine Anspannung, „Professor! Indien! Zivilisation! Unsere Chance auf die Flucht!“

Ich hatte mich insgeheim davor gefürchtet so nahe an eine Kolonie meines Heimatlandes zu geraten, hatte ich doch immer geahnt, dass meine Gefährten diese Chance sofort nutzen wollten. Aber, ich wollte nicht gehen, ich wollte Jack nicht verlassen. „Nein. Warum hier fliehen? Wir sollten bis Europa warten.“, ich hatte abwehrend die Hände gehoben und war mir der seltsamen Blicke, mit denen André und Theodore mich bedachten sehr wohl bewusst, als ich nun in das sichere Innere der Black Pearl floh.

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In den nächsten Tagen ging ich meinen Freunden und auch Jack aus dem Weg. Ich vergrub mich in der Bibliothek und tat so als würden mich die vielen dicken Bücher, die ich um mich verteilt hatte, interessieren. In Wirklichkeit starrte ich aber stundenlang immer auf die gleiche Seite und versuchte einen Ausweg aus meinem Dilemma zu finden.

Ich wollte meine Freunde nicht belügen, aber wie sollte ich ihnen sagen, dass ich hier bleiben wollte? Ich würde sie hintergehen.

Ich wollte Jack nicht belügen, aber ich konnte ihm kaum von den Fluchtplänen erzählen und sie so ebenfalls hintergehen.

Und, ich konnte nicht fliehen, immerhin war ich hier an Bord…willkommen.

Meine seltsame Stimmung schien sich herumgesprochen zu haben, dann nach den ersten Tagen, als man noch immer wieder versucht hatte mich auf andere Gedanken zu bringen, ließ man mich nun zum Glück endlich in Ruhe. Ich wäre auch keine gute Gesellschaft gewesen, wie ich zugeben musste, denn wer es dennoch wagte mich zu stören, musste mit einem beleidigenden Kommentar rechnen.

Jack versuchte dennoch weiterhin mich aufzumuntern, er ließ das Fenster im Salon offen und so konnte ich zur Ablenkung, wenn meine Gedanken zu schwer wurden und mein Kopf zu schmerzen begann, hinaus sehen. Die Unterwasserwelt wusste nichts von meinen Problemen, für die Leben in dieser Welt ging es nur ums Fressen oder Gefressen werden, dort gab es keinen Verrat und keine Liebe, wie in meiner Welt.

Ich beneidete die Unterwasserlebewesen um ihre Freiheit und sah sehnsüchtig einer Flottille von Mollusken. Diese kleinen tintenfischartigen Lebewesen waren in der Antike Nautilus genannt worden und erst die moderne Wissenschaft hatte diesen Namen in Argonauten geändert. Stundenlang begleiteten uns die Tiere, sechs ihrer acht Arme lagen auf dem Wasser und die zwei übriggeblieben waren zu einer segelartigen Blattform zusammengelegt. Jeder Argonaut saß in einer eigenen kleinen Muschel und schienen problemlos mit der viel größeren Black Pearl mithalten zu können.

Ich bewunderte die Ausdauer der kleinen Helden wirklich und war enttäuscht, als ein Ruck durch den Schwarm ging. Ihre Arme wurden eingezogen und im nächsten Moment sank das Geschwader mit einer Gleichzeitigkeit, wie sei keine Marine zustande bringen könnte, aus meinem Sichtfeld.

An einem anderen Tag, wir hatten laut unseren Karten gerade den Äquator passiert, öffnete Jack wieder das Fenster. Als ich neugierig hinaussah und nach dem diesmaligen Wunder suchte, kam ein großer Schatten auf mich zugeschwommen. Ich stolperte zurück, als ein großer Hai mit ganzer Kraft gegen die Glasscheibe stieß. Auch Jack schien die Kollision mitbekommen zu haben, legte die Black Pearl doch plötzlich an Geschwindigkeit zu. Allerdings hielt der Hai noch eine Weile mit und gab erst auf, als das Fenster geschlossen wurde und wir auftauchten.

Der Schreck über diesen Angriff saß auch noch tief, als ich nach dem Auftauchen nun auf die Plattform stieg. Ich wollte tief durchatmen, aber der Geruch nach Aas wehte mit dem Wind zu uns, so dass ich würden musste. Schnell entdeckte ich auch, woher dieser Geruch kam, im Wasser trieben die Leiche der Inder, die vom Ganges davongetragen worden waren. Für die Haie war es ein Festmahl und ich wandt mich erschüttert ab und floh erneut in die Sicherheit der Black Pearl.

Wir tauchten an diesem Abend nicht mehr.

Meine Freunde setzten sich später zu mir und entgegen meiner Befürchtungen sprach niemand das Thema ‚Flucht’ an. Nein, sie stritten halblaut, während ich aus dem, nun wieder geöffneten Fenster hinaus sah. Das Meer war dunkelrot, die Sonne würden jeden Moment hinter dem Horizont verschwinden und die Lebewesen der Nacht würden hervorkommen und ihr Reich in Besitz nehmen.

„Ist das der Mond? Färbt er das Wasser so?“, André war aufgesprungen und an die Scheibe getreten. Er klang begeistert und ich konnte es ihm nicht verdenken. Das Wasser um uns hatte eine milchige Färbung angenommen, so als ob ein Zauberkünstler seine Magie am Ozean gewirkt hätte, um meine Sorgen endgültig zu zerstreuen. „Nein, der Mond steht noch unter dem Horizont. Dies ist ein Milchmeer. Eine unendliche Menge von gallertartigen Tierchen sind miteinander verflochten und beleben das Wasser. Es gibt Berichte von Milchmeeren, die sich über Seemeilen hinzogen. Ich erinnere mich an die Geschichte eines Fischers, der durch ein Milchmeer von 40 Quadratmeilen segeln musste.“, auch ich war nun an die Scheibe getreten und hatte eine Hand dagegen gelegt, „Aber ‚unendliche Menge’ ist nicht ganz richtig, André. Jedes dieser Tierchen ist etwa 1/5 Millimeter groß, man könnte also ausrechnen, wie viele in ein solches…“ Meine Stimme verlor sich, der Anblick war einfach zu schön, um ihn mit gesprochenen Worten zu entweihen.

Ich wünschte mir, Jack würde hier neben mir stehen und meinte gerade in der Scheibe das Spiegelbild von uns beiden ausmachen, als das Wasser um uns herum plötzlich wieder dunkel wurde. Der Zauber war vergangen und damit auch das Bild von Jack an meiner Seite. In der nun plötzlich bedrückenden Helligkeit des Salons blinzelte ich und erkannte dann, dass an meiner Seite nur André und Theodore standen.

Ich fühlte mich verlassen und gleichzeitig schuldig, dass ich meine Freunde immer weiter von mir trieb, deshalb senkte ich traurig den Kopf und wandt mich nach einem schnellen Nachtgruß zum gehen. „137196160000000.“, ich blinzelte verwirrt und auch Theodore erschien es nicht besser zu gehen. Wir beiden sahen André, von dem diese Zahl gekommen war, nachdenklich an. Aber, mein Diener ließ sich nicht beirren, „Sir sagten doch, dass jedes dieser Tiere 1/5 Millimeter lang wäre…“

Zum ersten Mal seit Tagen musste ich wieder lachen. Meine Stimmung hatte sich beträchtlich gehoben und ich verharrte nur kurz an der Tür zu Jacks Kabine, bevor ich sie öffnete, „Verzeihst du mir?“ Der Captain saß an seinem Schreibtisch und hatte sich bei meinem Eintreten umgedreht. Seine Antwort bestand nur aus einem dieser Lächeln und ich eilte an seine Seite und küsste ihn.

Solange es ging, würde ich jeden Abend hierher kommen.

Ich würde jeden Abend zu ihm kommen.

Hier war ich glücklich.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Blackpoetcat…Es freut mich, dass du noch dabei bist ;) Und James ist für so was wohl blind, vielleicht sollte ich ihn mal mitten ins ‚Gefiederputzen’ hineinstolpern lassen. Aber, meine Beta sagte nein, sie hätte Angst um sein armes Herz XD
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

„Wir erreichen bald Cylon.“, Jacks Hand strich in sanften Kreisen über meine Brust und ich schloss zufrieden die Augen, was ihn aber nur zum Kichern brachte, „Du hast doch sicher Lust eine Perlenfischerei zu besuchen?“ Neugierig öffnete ich nun wieder die Augen und nickte ohne großartig nachzudenken, „Gerne…“ Jack setzte die Streicheleinheiten weiter fort und küsste mich, „Wir werden nur leider keinem Fischer antreffen, sie beginnen ihre Arbeit erst später im Jahr. Wir werden bis in den Golf von Mannar fahren…“

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Einige Stunden später suchte ich auf der Karte in der Bibliothek den Golf, während Jack über meine Schuler sah, „Auch im Golf von Bengalen, im chinesischen und im japanischen Meer taucht man nach Perlen. Hier aber haben die Fischer ihre schönsten Erfolge. Sie versammeln sich im März und gehen dann etwa einen Monat ihrem Geschäft nach. In Booten, die mit zehn Ruderern und zehn Fischern bemannt sind. Sie wechseln sich ab und kommen mit schweren Steinen in bis zu zwölf Metern Tiefe.“ „Vielleicht täte es ihnen gut, wenn ihr Geschäft revolutioniert werden würde, zum Beispiel mit deinen Taucheranzügen.“, schlug ich vor und Jack nickte, „Wahrscheinlich, sie können nämlich nicht sehr lange unter Wasser bleiben, die durchschnittliche Tauchzeit liegt bei nur 30 Sekunden. Manchen schießt beim Auftauchen schon das Blut aus Mund und Nase. Die armen Teufel müssen in der halben Minute alles zusammenraffen, was in ihrer Reichweite ist. Keiner von ihnen wird alt, sie erblinden langsam, um die Ränder ihrer Augen setzen sich Geschwüre fest und der ganze Körper reißt in schrecklichen Wunden auf. Wer Glück hat, den trifft auf dem Meeresgrund einfach nur der Schlag.“

„Wenigstens sind die armen Teufel in ihrem kurzen Leben reich gewesen.“, ich lehnte mich gegen Jack und schloss zufrieden die Augen. „Bei weitem nicht, James. Der Endverbraucher zahlt einen hohen Preis für die Perlen, die Fischer bekommen fast nichts davon. Der Wochenlohn eines solchen Fischers beträgt etwa einen Dollar, du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass es Ausbeutung nur in Europa gibt? Für einen Gelehrten weißt du aber erstaunlich wenig über die Welt.“

Ich zuckte zusammen, aber Jacks Griff um meine Taille lockerte sich nicht, sondern wurde noch etwas fester, als er weitersprach und plötzlich das Thema wechselte, „Hast du übrigens Angst vor Haifischen?“ Was für eine Frage, die Erinnerungen an den Haiangriff waren noch immer frisch und er musste mein Zusammenzucken wohl gespürt haben, „Nun ja…“ „Du wirst dich dieser Angst stellen müssen. Wir sind bewaffnet und vielleicht können wir sogar einen Hai erlegen. Ich hoffe, gegen diese Jagd hast du nicht auch wieder was?“ Jack wartete keine Antwort mehr ab, er ließ mich los und verließ die Bibliothek.

Haie.

Ich hatte verschiedene Geschichten darüber gehört, dass die Einheimischen diese Räuber mit Schlingen und einem Dolch fingen, aber ich war doch nur ein englischer Professor und kein Einheimischer! Selbst die erfahrensten Haibezwinger verloren nicht selten ein oder zwei Gliedmaßen oder gar ihr Leben. Entgegen meines eigenen Willens klapperten meine Zähne aufeinander und dieses Geräusch weckte in mir das Erinnerungsbild des angreifenden Hais, wie die mächtigen Kiefer aufeinandergeschlagen waren.

Um mich abzulenken griff ich wahllos nach einem Buch, aber wie schon so oft verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen und ich brachte es nicht fertig auch nur den Sinn eines einzigen Satzes zu verstehen. Stattdessen erschienen mir die Reihen der Buchstaben wie die Zähnreihen in einem Haifischmaul.

Da endlich traten meine Gefährten ein, unversehrt und wieder einmal streitend.

Aber, dennoch ertappte ich mich dabei, wie ich sie prüfend musterte, ob sie wirklich noch alle Gliedmaßen besitzen würden. „Einen fabelhaften Vorschlag hat der Captain uns eben gemacht!“, Theodores laute Stimme drang durch meine Überlegungen und so entging mir der Protest meines Dieners auch nicht. Scheinbar waren sie wieder mitten in einem ihrer kleinen oder größeren Wortgefechte gefangen und schienen mich gar nicht wirklich wahrzunehmen. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt und wartete einfach ab, wann sie mich dann zur Kenntnis nehmen würden.

Es dauerte dieses Mal nur etwas mehr als eine halbe Stunde.

Aber, in dieser Zeit diskutierten sie über Perlen und warum André keine geschenkt haben wollte. Das Letztere verstand ich nicht wirklich, aber wahrscheinlich war dieser Streit direkt nach ihrer Begegnung mit Jack losgebrochen, so dass ich ihren Motive und Argumentationen nur bedingt zu folgen vermochte und mir kein Urteil erlauben durfte.

„Ah Professor. Was halten Sie denn von dem Vorschlag des Captains?“, Theodore ignorierte André nun, während dieser genervt die Augen verdrehte und unseren Standpunkt auf der Karte suchte, „So eine Austerbank habe ich noch nie gesehen.“

„Sie sind ja direkt scharf darauf.“, scheinbar hatten meine Gefährten, so vermutete ich nun, keine Ahnung von der Anwesenheit der Haifische und die Antwort des Harpuniers festigte diese Überlegung noch, „Na, das ist doch interessant. Endlich mal etwas Abwechslung auf dem alten Kahn hier.“ „Vielleicht ist es aber auch gefährlich.“, wandt ich leise ein, woraufhin Theodore aber nur genervt schnaubte und ich glaubte mich rechtfertigen zu müssen. Ich konnte und wollte meine Freunde nicht mit meinem Wissen um die Haie verängstigen, weshalb ich schnell nach einer anderen Ausrede für meine Furcht suchte, „Na ja…die Muschel…wenn die…zuschnappt…und Sie…haben Ihren Finger drin…“ „Professor? Was ist denn in Sie gefahren!“, Theodore streckte seine Hände nach mir aus, aber nun ging mein tapferer Diener dazwischen, „Mein Herr versteht sich auf Muscheln, Theodore.“

„Wunderbar, dann erzählen Sie mal. Wie ist das mit den Perlen? Wo kommen die her? Was kann man damit verdienen?“, er klang nun ehrlich interessiert und ich musste wieder lächeln, „Für den Dichter ist sie eine Träne des Meeres, für den Orientalen ein festgewordener Tropfen Tau, für Frauen ein Schmuckstück und für Chemiker ist sie eine Mischung aus Kalk, der mit Bindemittel versetzt wurde und für die Naturforscher sind sie eine krankhafte organische Ausscheidung zweischaliger Mollusken.“

„Familie Lamellibranchia, Ordnung Mollusca, Klasse Evertebrata, Unterbereich Metazoa.“, mischte sich André nun wieder ein und ich nickte, „Ja, Hauptsächlich eine Molluske scheidet Perlen aus, die Perlenauster. Entweder sitzen die Perlen an der Schale oder sind ins weiche Fleisch der Tier eingebettet. Der Kern dieser Perlen sind meistens unbefruchtete Eier oder verirrte Sandkörner, die im Laufe der Jahre mit Perlmutringen überzogen werden.“

„Also, steckt in jeder Muschel eine Perle?“, man konnte förmlich sehen, wie Theodore seinen Reichtum plante und es tat mir beinahe leid ihn wieder auf den Boden der Tatsachen holen zu müssen, „Nein, nicht in jeder. Aber, es soll welche geben, die sind wahre Schatzkästchen. Es wird von einer Muschel geredet, die soll 150 Haifische enthalten haben.“ „Haifische?“, sowohl André, als auch Theodore klangen zweifelnd und eilig verbesserte ich mich, „Habe ich Haifische gesagt? Ich meine natürlich Perlen.“ Eilig versuchte ich nun von meinem Versprecher abzulenken, „Wisst ihr, wie man an die Perlen kommt?“ Beide schüttelten den Kopf, so dass ich ihnen von den Zangen und von der Methode des Aushungerns berichtete, „Und, dann kommt das Sortieren.“

„Nach Größe.“

„Nach Größe, aber nicht nur. Auch nach Form, Farbe und Orient. Das ist der Glanz.“, Theodore zählte diese Punkte an den Fingern ab und kam schließlich zu einem Schluss, „Das Aussortieren ist bestimmt eine zeitraubende Arbeit.“ „Durchaus nicht, man benutz Siebe mit…“, aber weiter kam ich nicht, mein treuer Diener gab einen entrückten Laut von sich, „Klassifizieren mechanisiert!“

„Ja, aber für die ganz großen Perlen braucht man so etwas natürlich nicht. Solch eine Perle, wie Cäsar der Servilia schenkte, die ist über solche Methoden erhaben.“, ich ließ mich in den Sessel sinken, „Sie soll 120000 Franc wert gewesen sein.“ „Und diese andere Dame da…“, Theodore strich sich über das stopplige Kinn, „Wie hieß sie noch…“ „Keine Ahnung.“, ich zuckte mit den Schultern und auch André schien sich keinen Reim darauf machen zu können. „Na die…die immer Perlen in Essig trank.“, der Harpunier dachte angestrengt nach und endlich wusste ich wen er meinte, „Cleopatra.“ „Genau, muss schauderhaft geschmeckt haben, aber die hätte ich gerne geheiratet.“

Während ich amüsiert kicherte, verfinsterte sich das Gesicht meines Dieners und ohne einen Gruß sprang er auf und verließ die Bibliothek. Ich konnte mir auf seinem Verhalten keinen Reim machen und ebenso erschien es Theodore zu gehen. Wir wechselten einen kurzen Blick, dann nahm er das Thema wieder auf, „Wieso, trauen Sie mir nicht zu, dass ich mich verheiraten kann?! Sie sollen wissen, ich war schon einmal beinahe so weit und es ist nicht meine Schuld, dass daraus nichts wurde. Ich hatte sogar eine Perlenkette für sie gekauft! Es hat mich nur 2 Dollar gekostet, obwohl die Perlen groß waren!“

Ich musste mir das Lachen verbeißen, „Aber Theodore, das waren doch künstliche Perlen! Billige Glaskugeln, die mit einer Essenz aus den Schuppen des Weißfisches hergestellt wird.“ „Ja dann…wundert es mich nicht, dass sie einen anderen geheiratet hat.“, der Harpunier kratze sich am Kopf und ich wies auf die vielen Perlen in den Regalen, „Sie hätten ihr eine solche Perle schenken sollen.“ „Wir sollten uns morgen nach so einer umsehen.“, schlug er mir vor und ignorierte die Zweifel, die ich äußerte. Er wünschte mir stattdessen eine gute Nacht und folgte André.

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Jack weckte mich am nächsten Morgen bereits um vier Uhr und lächelte, als ich ihn bitterböse verschlafen ansah, „Deine Gefährten sind schon fertig.“ Und er auch, wie ich nun feststellte, als ich mich eilig ankleidete. Wie von selbst wollte ich automatisch in Richtung der Tauchkammer gehen, aber Jack dirigierte mich in eine andere Richtung, „Wie nehmen erst das Boot, ich möchte mit der Pearl nicht so nahe an die Austerbänke heranfahren. Wir machen uns dann im Boot fertig.“

Es war noch dunkle Nacht, als wir losfuhren und die Sterne standen am klaren Himmel. Als endlich die Morgendämmerung einsetzte, konnte man endlich auch die Küste erkennen, aber sie lag eindeutig außerhalb unserer Reichweite. Einerseits machte es mich froh, dass ich mich so mit keinen weiteren Fluchtplänen auseinandersetzen musste, aber andererseits bedeutete es für meine Gefährten weitere Gefangenschaft in der Black Pearl.

Jack schien meine trüben Gedanken zu bemerken, kurz griff er nach meiner Hand und drückte sie sanft, während die Matrosen im Zehn-Sekunden-Rhythmus, der bei allen Kriegsmarinen angewandt wird, weiterruderten.

Um sechs Uhr morgens war es vollständig hell und ganz plötzlich, mitten auf dem Meer, ohne dass wir irgendein Anzeichen erkennen konnten, hob Jack die Hand, „Wir sind da.“

20000 Meilen unter den Meeren

Während die Mannschaftsmitglieder uns in die Tauchanzügen halfen, erklärte Jack uns die Vorzüge dieser Bucht, „Sie liegen windgeschützt und sind demnach nicht so gefährlich für die Taucher wie das offene Meer. Wir haben diese Sorge nicht mehr.“ Er schenkte mir eines seiner Lächeln und sah zu, wie meine Gefährten einer nach dem anderen in das kristallklare Wasser sprang. Dieses Mal bekamen wir keine Lampen, weshalb ich vermutete, dass wir nicht all zu tief tauchen würden, aber dennoch schien etwas zu fehlen. Es dauerte noch einen Moment, bis ich darauf kam, dann aber griff ich nach Jacks Hand, „Und die Gewehre? Wo sind die Gewehre, falls wir einem Hai begegnen!“ „Bist du nicht sonst Pazifist, James? Und, ist die Jagd nicht furchtbar?“, in seinen Augen blitzte der Schalk, als er mir nun ein Messer reichte, „Bergbewohner kämpfen mit Dolchen gegen Bären, also wirst du doch gerade noch mit einem Hai fertig, oder?“

Ich konnte ihm nicht mehr antworten, da mir die Kupferglocke übergestülpt wurde, aber ich hatte immerhin noch gesehen, dass Theodore vor dem Sprung über Bord nach seiner Harpune gegriffen hatte. Das beruhigte mich doch immerhin etwas.

Das Messer hatte ich übrigens angeekelt fallen lassen.

Ich stand kaum in dem kristallklaren Wasser, als sich meine Ängste proportional zum Schwinden meines Körpergewichts auflösten. Nach zehn Minuten hatten wir bereits eine Tiefe von fünf Metern erreicht und immer noch schenkte uns die Sonne so viel Licht, dass alle Einzelheiten deutlich sichtbar waren. Riesige, kunterbunte Fischschwärme stoben wie Wolken vor uns auseinander und vereinzelt wanden sich auch Meerschlangen und versuchten unseren schweren Schritten zu entkommen.

Der weiche Sandboden ging ganz allmählich in einen dunkel felsgepflasterten Weg, der über und über mit den verschiedensten bunten Korallen und Weichtieren bewachsen war. Hässliche Gliedfüßler bewohnten die vielen verstecken Felsnischen und ich war wirklich froh Abstand zu ihnen und ihren Greifzangen halten zu dürfen.

Nach einer Stunde Fußmarsch hatten wir endlich die Austernbank erreicht und schon auf den ersten Blick erkannten wir, dass sich dort einige Millionen dieser Schalentiere niedergelassen zu haben schien. Neugierig betrachtete ich mir einzelne Exemplare und entdeckte dabei sowohl junge, noch grünlich gefärbte, wie auch im alter schwarz und warzig gewordene Austern. Die größten, die wir sehen konnten, erreichten etwa einen beachtlichen Durchmesser von 15 Zentimeter. Theodore brach ohne zu zögern diese großen Exemplare heraus und verstaute sie in einem Netz, dass er am Gürtel trug.

Lange konnten wir uns freilich nicht an der Austernbank und ihren Schätzen erfreuen, drängte der Captain uns doch ungeduldig weiter. Auch dieser Teil des Meeresgrundes schien ihm vertraut, führte er uns doch zielsicher weiter durch das Felsenlabyrinth der Austernbank. An einigen Stellen gerieten wir auf unserem Weg so nahe unter die Wasseroberfläche, dass mein hochgestreckter Arm herausragte.

Recht bald wurde die Bank wieder niedriger und nur noch einige spitze Felsnadeln ragen empor. Die Augen von Millionen von wirbellosen Tieren, die versteckt in den finsteren Höhlungen lebten, fixierten und taxierten uns. Zum Glück waren wir als Beutetiere wohl denkbar ungeeignet, dennoch war ich froh, als sich vor uns plötzlich eine ungeheurere Grotte öffnete und Jack ohne zu Zögern hineintrat.

Das Licht in dieser algentapezierten Halle wurde nun immer schwächer, aber schnell hatten sich unsere Augen an die Lichtverhältnisse angepasst und wir konnten unseren Weg durch die Dämmerung und ihre unheimlichen Schatten fortsetzen. Erst jetzt erkannte ich in dem dicken Algenteppich die ungeheueren Pfeiler, die diese Unterwasserkathedrale trugen und blieb kurz stehen. Als ich den Kopf in den Nacken legte, vermochte ich nicht die Decke zu erkennen. Berauscht und eicht schwindelig von diesen Ausmaßen beeilte ich mich wieder zu meinen Gefährten aufzuschließen.

Der Boden sank leicht ab und als ich sie endlich wieder eingeholt hatte, standen sie am Rand eines steilabfallenden Schachts. Der Schacht selber schien nicht sehr tief zu sein, konnte man doch selbst im Dämmerlicht seinen kreisrunden Boden und die Felsbrocken darauf erkennen. Ohne zu Zaudern ließ Jack sich in den Schacht hinab und wir folgten ihm bedenkenlos.

Unten angekommen deutete Jack auf einen etwas abseitsliegenden Felsblock und als ich in diese Richtung blickte, glaubte ich zu träumen. Auf dem Granitblock war eine Auster von gigantischen Ausmaßen festgewachsen und ihre halbgeöffneten schwarzen Schalen mochten beinahe 3 Meter im Durchmesser haben. Das Gewicht des Tieres schätzte ich auf über 400 Kilogramm, davon sicher mehr als 20 Kilogramm Fleisch.

Aber Jack interessierte unser Staunen nicht, er trat stattdessen vorsichtig an das Tier heran und stellte in einer raschen Bewegung sein Messer zwischen ihre Schalenhälften, so dass sie sich nicht schließen konnte. Er hob mit einer Hand die Fransen der Auster hoch und mit der anderen winkte er uns zu sich heran.

Ich war der Erste, der zu ihm kam und der die kokosnussgroße pechschwarze Perle in den fleischigen Falten des Tieres sah. Sie war perfekt. Kugelrund und absolut makellos, ein unschätzbar wertvolles Stück. Begeistert streckte ich meine Hand aus, um dieses Wunder der Natur zu berühren, aber Jack fiel mir in den Arm, zog sein Messer zwischen den Schalen hervor und machte gleichzeitig eine verneinende Armbewegung.

Ich begriff, dass das Tier und sein Schatz den besonderen Schutz des Captains genossen und Jahr für Jahr weiterwachsen sollten. Bis sie eines Tages ihren Platz in Jacks Privatmuseum auf dem Schiff, das nach ihr benannt worden war, einnehmen würde. Ich nickte leicht, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und Jacks Haltung entspannte sich nun auch wieder zusehends, während er kurz über meine Hand strich.

Bald darauf machten wir uns auf den Rückweg. Während meine beiden Freunde wild gestikulierend und so wahrscheinlich wieder einmal streitend nebeneinander herschritten, hielt ich mich an Jacks Seite. Ich war gerade kurz stehen geblieben, um neugierig eine Koralle zu betrachten, als Jack meine Hand ergriff und mich in Richtung eines kleinen Felsmassivs zog. Theodore und André folgten uns schnell und wir alle folgten Jacks Blick.

Ein schwarzer Fleck kam auf uns zu.

Mein erster Gedanke galt natürlich den in meinem Verstand allgemeingegenwärtigen Haifischen, aber schnell erkannte ich, dass es sich um einen weiteren Taucher handelte. Allerdings kein Taucher von der Black Pearl, denn dieser dunkelhäutige Mann trug nichts außer einem Lendenschurz und einem schweren kegelförmig zugehauenen Stein, der an seine Füße gebunden worden war. Dieser Mann war sicherlich ein armer Teufel, denn warum sonst sollte er einen Monat vor der Perlenernte schon auf Beute gehen?

Wir beobachteten den Fischer lange, er blieb jedes Mal nur 30 Sekunden auf dem Meeresgrund, raffte alle Muscheln in seiner Reichweite zusammen und stopfte sie, bevor er wieder nach oben schoss, in sein mitgeführtes Beutesäckchen. Er sah uns nicht, er hatte ja auch keine Zeit sich umzusehen und andere Menschen, die sein Tun beobachteten, würde er hier unten auch sicher nicht vermuten.

Nach einer halben Stunde, er hatte nach meinen Beobachtungen pro Tauchgang etwa ein Dutzend Austern zusammen bekommen, sah ich ihn plötzlich aufschrecken. Er ließ seinen Beutel achtlos fallen und schwamm mit kräftigen Zügen in Richtung der Wasseroberfläche. Aber, er kam nicht weit, über ihm erschien der bedrohliche Schatten eines riesigen Hais, der wohl leichte Beute witterte.

Der Inder wich dem Hai zwar aus, aber er erhielt einen Schlag mit der kräftigen Schwanzflosse, der ihn benommen machte und langsam zu Boden sinken ließ. Der Hai hatte in der Zwischenzeit kehrt gemacht und wollte sich nun seiner Beute widmen, als plötzlich Jack aus unserem Versteck hervorsprang.

Ja, es ist wahr, Jack stand, das Messer in der Hand haltend vor dem wehrlosen Mann und erwartete den Angriff des Hais. Vor Entsetzen starr musste ich zusehen, wie der Haifisch nun auf den Man, den ich…der mir so wichtig geworden war losging.

Jack stand ruhig und beherrscht da, er bog sich als der Hai herankam zur Seite und stieß ihm den Dolch in den ungeschützten, weichen Bauch. Sofort schoss Blut hervor und der Hai bäumte sich wütend auf und warf sich gleich darauf erneut auf Jack.

Mein verzweifelter Schrei verhallte ungehört, aber trotz meines Entsetzens konnte ich nicht wegsehen, als sich das Wasser um den Kampfplatz rot verfärbte und mir schließlich mit seinen blutigen Schwaden die Sicht auf die weiteren Geschehnisse nahm. Nur kurz gerieten die Kämpfenden in etwas klareres Wasser und ich musste hilflos mitansehen, wie Jack, der verzweifelt versuchte das Herz des Hais mit seinem Messer zu durchbohren, von dem großen Fisch zu Boden geworfen wurde.

Ich wollte zu ihm laufen und ihm beistehen, aber eine Hand hielt mich zurück. Als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass es André war. Er hielt mich weiterhin fest und deutete mit der freien Hand zu Jack und dem Hai hinüber.

Und endlich sah auch ich die Gestalt mit der Harpune.

Für Theodore mochte Jack zwar nur sein Gefängniswärter sein, aber auf so einen Kampf konnte und wollte er nicht verzichten. Es mochte eine selbstsüchtige Handlung sein, aber nie zuvor war ich ihm so dankbar für etwas gewesen.

Theodores Stoß traf das Herz, der Hai musste sich dem Menschen geschlagen geben. Die Todeszuckungen setzten augenblicklich ein und schließlich wurden sogar André und ich davon zu Boden geworfen. Aus meiner liegenden Position, halb unter meinem Diener begraben, konnte ich beobachten, wie Jack eilig den Taucheranzug abstreifte und dann mit dem immer noch bewusstlosen Inder in seinen Armen an die Oberfläche schwamm.

Theodore drehte sich zu uns um und winkte uns heran. Ich nahm den Tauchanzug des Captains und gemeinsam kehrten wir wieder zu unserem Boot zurück. Kaum waren wir an Bord geklettert, wurde auch schon der Anker gelichtet und wir wurden zum Fahrzeug des Perlentauchers gerudert.

Als wir endlich ankamen schlug der Fischer gerade die Augen wieder auf und entsetzlicher Schrecken ließ sein Gesicht zu einer furchtsamen Grimasse werden und er begann zitternd vor sich hinzustammeln. Im ersten Moment war ich irritiert, aber schließlich begriff ich, dass Theodore, André und ich noch immer die Kupferhelme trugen. Wir müssen dem armen Mann so wie übermenschliche Dämonen vorgekommen sein. Jack erhob sich nun von seiner Seite, er zog noch ein kleines Säckchen voller Perlen hervor und warf es dem immer noch vollkommen entsetzten Fischer in den Schoss. Danach sprang er behände zu uns ins Boot und wies den Steuermann an zur Black Pearl zurückzukehren.

Während wir nun endlich auch unsere Anzüge ablegten, musterte Jack nachdenklich den Harpunier und nickte ihm zu, „Besten Dank, Meister Groves.“ „Meine Pflicht und Schuldigkeit, Captain.“, Theodore klang ehrlich und wahrscheinlich war ich nicht der Einzige, der das leichte Lächeln in seinen Augen sehen konnte, als er das Nicken erwiderte.

André hingegen war immer noch blass und auffallend still, ich schob es auf die Begegnung mit dem Hai, die mir ja auch sehr aufs Gemüt geschlagen war. Oder, war es normal dass ich den Captain ohrfeigen und küssen wollte? Nur bei der Reihenfolge war ich mir noch nicht ganz sicher…

Inzwischen hatte der Haikadaver, wie wir beim Vorbeirudern feststellten, zahlreiche noch sehr lebendige und auffallend hungrige Artgenossen angelockt. Hungrig rissen sie gewaltige Brocken und Stücke aus dem toten Hai und ich war wirklich froh, als das Boot an der Black Pearl festgemacht wurde und wir endlich in Sicherheit waren.

Die Begegnung mit dem Hai war das Hauptgesprächsthema beim Abendessen, und immer noch war André blass und hielt sich zurück. Auch ich stocherte eher in meinem Essen und versuchte die Erinnerungen an Jack in Todesgefahr zu verdrängen. Nur, war das leider nicht so einfach, da Theodore seine Geschichte gerade zum wahrscheinlich fünften Mal für uns in aller Ausführlichkeit wiederholte.

Meine Selbstsicherheit fand ich erst am Abend in Jacks Kabine wieder. Ich hatte schon einige Zeit, auf dem Bett sitzend auf ihn gewartet und kaum, dass er hereinkam, sprang ich auf die Füße und ohrfeigte ihn, bevor ich ihn dann gleich darauf entschuldigend küsste. „Was immer dir die Welt auch angetan hat, Jack: Sie hat es nicht fertiggebracht dein Herz vollkommen abzutöten.“ Jack löste sich von mir und sah mich seufzend an, „Er war ein Landsmann. Er lebt in einem Land der Unterdrückung. Und, ich weiß wie das ist. Deshalb werde ich als Unterdrückter auch bis zu meinem letzten Atemzug stolz sagen, ich bin ein Inder.“ Er strich über meine Wange, „Und, ich werde auch immer sagen, dass ich dich liebe, James.“

Mir fehlten die Worte, ich küsste ihn einfach noch einmal.

20000 Meilen unter dem Meer

Als die Black Pearl Ende Januar wieder an die Oberfläche kam, hatten wir kein Land mehr in Sicht. Rund um uns spannte sich, so weit wir sehen konnten, eine scheinbar unendliche glatte, blaue Wasserfläche, so dass ich schließlich die Karte konsultierte, wo genau wir uns momentan befanden. Jacks Kurs schien uns direkt in den Golf von Omar zu führen, dem Eingang zum persischen Golf, der die arabische Halbinsel vom asiatischen Festland trennte. Theodore hatte mir über die Schulter gesehen, „Wohin führt er uns? Doch nicht etwa in den persischen Golf? Da kommt er ja nicht wieder heraus.“ „Ich denk’s auch nicht. Ich denke vielmehr, dass er mit uns ums Kap der Guten Hoffnung fahren will.“, ich zeigte den ungefähren Kurs auf der Karte und Theodore nickte brummend dazu, während André nach wie vor Abstand zu uns hielt. Ich runzelte die Stirn über dieses seltsame Verhalten, aber seit dem Vorfall mit dem Hai hatte er keine drei Worte mehr mit Theodore gewechselt und selbst die ewigen Streitereien hatten vollständig aufgehört.

Theodore ließ mich meine Überlegungen aber nicht weiterverfolgen, deutete er doch auf die Karte, „Und wohin dann?“ Ich zögerte nur kurz, dann folgten meine Finger einer imaginären Kurslinie, „In den Atlantik hinein und hindurch.“ „Und dann?“, Theodore musterte fragend die möglichen Routen und meine Finger fuhren weiter über einen möglichen Kurs, „Dann in den Pazifik hinein und hindurch.“ Ich drehte mich etwas, um den anderen anzusehen, „Theodore, Sie fragen ja immer noch so, als mache Ihnen diese Reise nicht das geringste Vergnügen!“ „Im Augenblick wo ich Zwang verspüre, hört bei mir das Vergnügen auf.“, der Harpunier erhob sich und aus der Richtung meines Dieners vermeinte ich ein Schnauben zu vernehmen. Als ich ihn aber prüfend ansah, beschäftigte er sich wieder mit der Katalogisierung von Jacks Weichtiersammlung.

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Vier Tage lang trieben wir in diesem Golf, immer auf der Höhe des nördlichen Wendelreises und scheinbar ohne jegliches Ziel. Dann wendeten wir und bekamen aus der Ferne kurz die weißgekalkten Häuser von Mascat zu sehen. Die weißen Häuser und Festungen vor dem schwarzen Fels waren wirklich eindrucksvoll, aber Jack gab schnell den Befehl zum Tauchen und blieb für die nächsten zwei Tage auch unter Wasser.

Als wir endlich wieder auftauchten, öffnete ich vor uns die Straße von Bab al Mandab und am nächsten Tag erblickten wir, wieder aus der Ferne Aden. Ich war mir sehr sicher, dass Jack nun wieder kehrt machen würde, um nicht in den Schlauch des Roten Meeres zu gelangen, der uns sehr gefährlich werden könnte, war doch der Suezdurchstich von Lesseps noch nicht vollständig erfolgt. Somit wäre die Straße von Bab al Mandab, die wir nun innerhalb einer Stunde, wegen dem starken Linienschiffverkehr allerdings unter Wasser durchfuhren der einzige Ausweg für die Black Pearl. Gegen Mittag waren wir dann im Roten Meer.

Dieses biblische Meer wäre, wenn es nicht eine Wasserzufuhr vom Indischen Ozean erhielt, längst vergangen. Aber wenn der Suezkanal dann in einigen Monaten oder vielleicht auch erst Jahren erst fertiggestellt werden würde, dann würde es sicherlich seine einstige antike Handlungsbedeutung zurückerhalten.

Nachdem wir am 8. Februar Mokka passiert hatten, wechselte die Black Pearl zur afrikanischen Seite des Meeres hinüber, wo der Grund wesentlich tiefer lag. Dort tauchten wir ausgiebig mit geöffneten Fenstern, so dass wir die reiche Unterwasserfauna und Flora bewundern konnten.

Am nächsten Tag passierten wir die breiteste Stelle des Roten Meeres zwischen Suakin und Al Qunfidah und als ich die frische Seeluft auf der Plattform genoss, schlangen sich plötzlich Arme um meine Taille und eine Stimme wisperte in mein Ohr, „Na Herr Professor, hast du schön studiert?“ „Ja, und ich danke dir, Captain. Zum ersten Mal konnte ich den Formenreichtum der noch nicht aufgeklärten Gruppe der Schwämme beobachten: Gestielt, rund, blattförmig und mir fielen…“ Weiter kam ich nicht, Jack schien meine Begeisterung über Schwämme nicht zu teilen und ihm schien der Sinn nach etwas anderem zu stehen. Warum ich das vermute? Nun ja, er küsste mich und stoppte so meinen wissenschaftlichen Vortrag sehr effektiv, „Hmpf…“

„Und, wie gefällt dir dieses Rote Meer?“, als wäre nichts geschehen, lehnte er sich gegen die Umrandung der Plattform und sah belustigt zu, wie ich nur langsam meine Fassung zurückgewann. Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Frage überhaupt in meine aufgewühlten Gedanken eingedrungen war, aber dann vermochte ich ihm endlich zu antworten, „Gut, doch, doch. Vor allem an Bord der Black Pearl gefällt es mir gut in diesem Meer, denn ich glaube, dass kein Sturm ihr etwas anhaben kann.“

„Da hast du Recht. Edrisi, der arabische Historiker berichtete von unzähligen Schiffbrüchigen in diesem Meer. ‚Es hat nichts Gutes, weder oben, noch unten.’ schreibt er und viele waren seiner Meinung.“, Jack lächelte leicht, als ich das Rote Meer trotz seiner Gefahren zu verteidigen begann, „Aber, du musst auch daran denken, dass die alten Historiker über andere Schiffe sprachen, als du es besitzt. Und auch die neueren Beschreiber dieses Meeres würden seine Gefahren relativieren, wenn sie ein Schiff wie die Black Pearl ihr Eigen nennen könnten. Du bist deiner Zeit voraus, Jack.“

„Da hast du Recht, wer weiß, ob es noch hundert Jahre dauern wird, bis eine zweite Black Pearl die Ozeane durchfährt.“, wieder nickte er und ich konnte nur zustimmen, „Vielleicht sogar Jahrhunderte! Und deshalb ist es so schade, dass dein Wissen und dieses Geheimnis mit dir verschwinden wird.“

Jack verzog bei der plumpen Anspielung keine Miene und er ging auch nicht weiter darauf ein, sondern wechselte einfach das Thema, „Weißt du, warum das Rote Meer seinen Namen trägt, James?“ Ich schüttelte verneinend den Kopf und lauschte dann der Erklärung des Captains, „Sicher nicht deshalb, weil es nach Pharaos Tod rot geworden ist, als Zeichen für das von Mose bewirkte Wunder. Aber, es hat etwas mit den Israeliten zu tun. Edrom ist das hebräische Wort dafür und die Alten haben diesen Namen gewählt, weil sie wie ich gesehen haben, dass dieses Meer an einigen Stellen rot ist, wie ein See von Blut.“ Mein Blick wurde skeptisch, aber Jack erzählte einfach weiter, „Zum Beispiel in der Bai von Tor. Dort färbt sich das Wasser mit einem schleimigen, purpurnen Stoff, der aus mikroskopisch kleinen Pflänzchen besteht –Trichodesmion- von denen 40000 auf 1 mm² gehen.“ „Du kennst dich in deinem Roten Meer gut aus.“, das musste ich eingestehen, „Aber, du sprachst vorhin vom Untergang der Ägypter bei der Verfolgung der Israeliten, bist du an dieser Furt einmal getaucht und hast Überreste gefunden?“ „Nein, denn an dieser Stelle ist der Boden so versandet, dass nicht einmal mehr ein Kamel seine Füße darin baden könnte. Aber, wenn man da mal nachgraben würde, etwas unterhalb von Suez, kämen sicher eine Menge ägyptischer Waffen und Ausrüstungen zutage. Vielleicht bringt der Durchstich neues Leben an die Küsten und auch ein paar tüchtige Archäologen.“, Jack bedeutete mir nun wieder nach unten zu gehen, „Übermorgen sind wir übrigens im Mittelmeer.“

„Wie bitte?“

„Du machst ja ein ganz erstauntes Gesicht, Professor.“, wieder hatte ich das ungute Gefühl, dass Jack sich über mich lustig machte und ich diesem Schabernack nicht entkommen konnte. Also, fügte ich mich in meine Rolle, „Ja, natürlich. Mir graust vor der Geschwindigkeit, mit der du Afrika umrunden willst, um übermorgen im Mittelmeer zu sein!“ „Wer hat denn etwas von Afrika umrunden gesagt?“, Jack hatte mich genau dort, wo er mich zu haben wünschte, „Ich fahre unter der Landenge von Suez durch.“

Ich ging ihm wie die Maus in die Falle, „Ach so, du fährst untendrunter durch.“

„Ja.“

„Da ist ein Tunnel.“

„Ja.“

„Und der geht einfach so unter all dem Sand der Suezwüste durch. Hör mal, Jack. Du sollst mich nicht auf den Arm nehmen.“, ich ertappte mich bei einem ungehaltenen Schnauben, aber Jacks Lächeln verblasste nicht, „Dafür bist du zu groß. Aber, der Sand, mein lieber James, reicht nur bis 50 Meter Tiefe. Dann kommt solider Felsgrund und in diesem Felsgrund ist eine enge, aber durchaus passierbare Öffnung, dich ich arabischer Tunnel genannt habe.“

„Hast du die Durchfahrt zufällig gefunden?“, meine Neugier ließ mich meinen Ärger vergessen. „Eigentlich mehr durch Überlegung, ich bemerkte, dass sich im Roten – und im Mittelländischen Meer einige gleiche Fischarten finden. Schlangenfische, Meeradler und noch einige andere. Da dass Mittelmeer tiefer liegt, als das Rote, muss eine eventuelle Strömung von hier nach dort gehen. Ich beringte also eine große Anzahl von Fischen vor Suez und einige dieser Fische fing ich später vor der Küste von Syrien wieder ein:. Einfach, nicht? Ich bin dann mit der Pearl getaucht, habe die Passage gefunden und auch bewältigt. Ebenso, wie du es nun tun wirst.“

Als ich etwas später meinen Freunden von unserem bevorstehenden Abenteuer berichtete, schlug sich der Kanadier gegen die Stirn, „Ein Tunnel zwischen beiden Meeren? Wer soll das denn glauben? Nicht ich, so gern ich es auch möchte.“ André verhielt sich nach wie vor still und hielt auch immer noch Abstand zu Theodore.

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Am Abend passierten wir Djidda und verbrachten die Nacht unter Wasser. Am nächsten Tag passierten wir eine rege befahrene Schiffsroute und mussten bis weit nach Mittag warten, bis wir auftauchen und frische Luft schnappen konnten. „Schauen Sie mal dort drüben Professor!“, aufgeregt zeigte der Harpunier in östliche Richtung, aber da meine Augen nicht so gut waren, wie die seinen, sah ich nichts. „Jetzt sehe ich es!“, André war unbemerkt zu uns getreten und beschattete seine Augen für eine bessere Sicht und als ich seinem Beispiel folgte, entdeckte auch ich ein schwarzes Objekt, das wie eine zweite Black Pearl wirkte. „Das muss irgendein großes Seetier sein.“, Theodores Augen leuchteten vor Jagdlust und auch mein Diener sprühte plötzlich wieder vor Lebhaftigkeit, „Gibt es denn hier Wale?“ „Selten.“, ich war weniger begeistert von den Aussichten auf eine weitere Jagd und das hörte man meiner Stimme auch an. Allerdings störte das die beiden anderen in ihrem Jagd- und Entdeckungsfieber nicht, „Wale kenne ich und das da ist keiner. Wir müssen warten, bis wir näher dran sind.“

Ihre ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun auf das Erkennen und Einordnen der potentiellen Beute, während ich hoffte vorher herauszufinden, um was für ein Tier es sich handelte, und warum man es eben nicht jagen und töten durfte!

„Seh ich recht?!“, rief Theodore plötzlich, „Es schwimmt und taucht wie ein Wal. Aber, es ist kein Wal. Die Flossen sehen aus, wie verstümmelte Gliedmaßen…Es liegt da auf dem Rücken und streckt seine Brüste in die Luft!

„Dann ist es eine Sirene. Eine waschechte Sirene!“, André klang begeistert und erwartungsvoll und ich schloss traurig die Augen. Nun wusste ich, um was für ein Tier es sich handelte, es war eine harmlose Seekuh, ein Dugong, wie der Malaie es nennt, „Dugong.“ Sofort drehte sich mein Diener zu mir, „Dugong. Gattung Seekühe, Familie Säugetiere, Ordnung Wirbeltiere, Klasse Chordatiere.“ „Die habe ich noch nie harpuniert.“, Theodore klang sehnsüchtig und ich war dankbar, dass die Seekuh viel zu weit entfernt war, um wirklich als Beute zu dienen.

„Wollen Sie?“, diese zwei Worte aus Jacks Mund machten meine ganzen Hoffnungen zu nichte. Er musste während unseres Spähens schon an uns herangetreten sein und nun wollte er Theodores Wunsch erfüllen, wofür ich ihn missbilligend ansah.

„Allerdings, Captain!“, nun strahlte der raue Kanadier Jack an. „Aber, seien Sie vorsichtig, Meister Groves.“ „Warum, ist das Tier so gefährlich?“, André war an die Seite des Harpuniers getreten und klang beinahe etwas ängstlich, woraufhin Jack nur den Kopf schüttelte, „Nein, das Tier selbst ist vollkommen harmlos. Allerdings zeichnet es sich durch eine starke Liebe zu seinen Angehörigen aus. Und oft geschieht es, dass man ein Tier harpuniert und sich damit den ganzen Schwarm auf den Hals lädt.“

Auch diese Aussicht schreckte Theodore scheinbar nicht ab, „Schmeckt es denn?“ Mir drehte sich bei dem Gedanken so etwas zu verspeisen der Magen um, aber wieder nickte Jack, „Vorzüglich. Sein Fleisch ist tatsächlich Fleisch. Die Malaien jagen die Dugongs, um die Tafeln ihrer Fürsten zu bereichern. Und natürlich wegen ihrer Zähne, die angeblich so manche Krankheit zauberhaft zu heilen vermögen.“

Wenige Augenblicke später war das Boot bereit und meine Freunde sahen mich auffordernd an, ich sollte mit ihnen kommen. Ich schüttelte aber nur angeekelt den Kopf und verließ ohne ein weiteres Wort die Plattform. Ich hörte noch, wie Jack der Besatzung und meinen Gefährten Waidmannsheil wünschte, dann fiel die Tür hinter mir ins Schloss.

Von der Jagd selber habe ich nur die Geschichten gehört. Theodore erzählte pragmatisch, dass der erste Wurf nicht gesessen hatte und dass die Seekuh dann zum Angriff übergegangen wäre, während Andrés Version der Geschichte wie eine antike Heldensage klang. Er berichtete an diesem Nachmittag immer wieder voller Stolz, wie Theodore das Tier erlegt hatte, ein bisschen erinnerte es an die Drachentötergeschichten, die ich als Kind schon verabscheut hatte. Die Seekuh war aber wenigstens keine all zu leichte Beute gewesen, das erleichterte mein Gewissen zumindest etwas, aber als am Abend Dugong-Steak gab, verließ ich wortlos den Speisesaal.

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Am 11. Februar erreichten wir den Sinai und je näher wir Suez kamen, desto geringer wurde der Salzgehalt des Wassers. Man stellt sich den Berg Sinai immer von Blitzen umzuckt und mystisch beleuchtet vor, aber in Wirklichkeit ist er nichts anderes, als ein hoher Berg am Ende einer Landzunge, die das Rote Meer in zwei Arme teilte.

Wir tauchten bis zur Abenddämmerung und als ich die schöne Nacht genießend auf der Plattform stand und versuchte zu erkennen, um was es sich bei dem unweit von uns undeutlich funkelnden Licht handeln könnte, erklang plötzlich eine Stimme neben mir, „Ein schwimmender Leuchtturm, James.“ Ich nickte nur leicht, aber Jack ließ sich von meiner Verstimmtheit nicht abschrecken, „Wir sind gleich an der Mündung des Tunnels. Die Durchfahrt ist nicht ganz einfach, deshalb übernehme ich selbst das Steuer…“

Stille breitete sich zwischen uns aus, ich war nicht gewillt mit Jack zu reden und Jack schien zum ersten Mal seit ich ihn kennen gelernt hatte, nicht zu wissen, was er sagen sollte.

„James, bitte. Komm mit ins Steuerhaus.“, er klang wirklich bittend und ich wollte ihm auch nicht mehr böse sein, dass er den Tod dieses armen Tieres verschuldet hatte, so dass ich nickte, „Mit dem größten Vergnügen.“ „Dann komm!“, er klang nun beinahe wie ein übermütiges Kind und zog mich die Treppe hinunter. Allerdings dieses Mal nur halb, denn Jack öffnete eine Tür an der Seite, die mir bisher noch nie aufgefallen war, und ließ mich eintreten. Wir folgten nun einem kleinen, recht engen Gang, der bis in die gläserne Kabine des Steuermanns führte.

Sie war 2 x 2 Meter groß und besaß Luken mit Linsengläsern, die eine nahezu perfekte Rundumsicht ermöglichten. In der Mitte des Raumes befand sich das Steuerrad, einfach, schmucklos und aus schwarzem Holz gefertigt.

An diesem schwarzen Steuerrad stand die dunkelhäutige Frau und in den nächsten Stunden führte sie jede noch so kleine, vom Captain gegebene Anweisung ohne Verzögerung aus. Durch elektrische Signale verkehrte Jack von dieser Brücke aus mit dem Maschinenraum und ließ nun die Fahrt drosseln. Wir fuhren nun nahe an der Felswand, ganz nach Kompass und Gefühl, mein Leben…unser aller Leben hingen nur von Jack und seinem Steuermann ab.

Um 22:15 übernahm Jack selber das Steuer und ich hörte ein überlautes Brausen von außen, als nun vor uns die Öffnung zu einer schmalen, finsteren Galerie auftauchte. Die Maschinen der Black Pearl liefen nun, damit wir nicht einfach hineingesogen und an die Tunnelwände geschleudert wurden, volle Kraft rückwärts. Trotz dieser Anstrengungen schien die Black Pearl schneller als jemals zuvor zu sein und ich erblickte nur noch grade Linien, schimmernde Striche und Feuerstreifen, wenn ich meinen Blick von Jack abwandte und hinaussah. Ich hatte Angst und mein Herz klopfte so stark, dass ich mir unwillkürlich an die Brust fasste.

Nach einer Ewigkeit, die laut dem Chronometer aber gerade mal 20 Minuten gedauert hatte, trat Jack vom Steuer zurück und sah mich an, „Das Mittelmeer.“ Er klang unendlich müde und ohne auf die Reaktion der Frau zu achten, ja ich machte mir noch nicht einmal Gedanken über ihre mögliche Reaktion, zog ich Jack in meine Arme und mit mir. Wir beide fielen wenige Minuten später wie tot ins Bett, aber ich konnte trotzdem lange Zeit nicht einschlafen, sondern betrachtete versonnen das friedliche Gesicht des Mannes in meinen Armen.

20000 Meilen unter den Meeren

Lange konnte ich diese Ruhe und das Beisammensein aber nicht genießen, denn sofort bei Tagesanbruch tauchten wir, drei Seemeilen vor der im Dunst verborgenen Küste Afrikas wieder auf. Jack zog sich zurück und ich blieb alleine auf der Plattform stehen. Allerlei Seevögel glitten über mich hinweg und ab und an konnte ich den Schatten eines großen Fisches im klaren Wasser sehen.

Gegen sieben Uhr kamen auch André und Theodore, nun wieder in eine ihrer Streitereien vertieft, auf die Plattform. Ich ließ sie eine Weile streiten, dann unterbrach ich sie, „Gefällt euch das Mittelmeer?“ Ich genoss die entgeisterten Blicke, langsam verstand ich warum Jack andere Leute so gerne ärgerte! Vor allem der Kanadier brauchte eine ganze Weile, bis er wirklich davon überzeugt war, dass wir im Mittelmeer waren, aber dann konnte ich es schon in seinen Augen ablesen. Er wollte fliehen.

Wir diskutierten eine gute Stunde, nur halblautes Geflüster, damit uns niemand von der Mannschaft hören konnte, aber ab und an wurde Theodore laut, während André unsicher zwischen uns hin und hersah und nicht zu wissen schien, zu wem er halten sollte. Mir erging es ganz ähnlich, denn noch immer steckte ich in meinem persönlichen Dilemma, meine eigenen Wünsche über die meiner Freunde zu stellen. Die Diskussion endete damit, dass Theodore darauf bestand bei der nächstbesten Möglichkeit schwimmend oder mit dem Boot an Land zu entfliehen.

Waren wir belauscht worden? Die Nächte verbrachte ich immer noch bei Jack und er sprach es auch mit keinem Wort an, aber dennoch hielt sich die Black Pearl weit ab von jeder Küste und blieb die meiste Zeit unter Wasser.

Der 14. Februar, der Valentinstag kam, als wir gerade die Insel Kreta passierten und obwohl die Unterwasserwelt sicher wunderschön war, blieben die Fenster im Salon zunächst geschlossen. Als wir uns auf die Dauntless eingeschifft hatten, war der Aufstand gegen die Türkenherrschaft gerade ausgebrochen und ich hatte bisher kein Wort gegenüber Jack darüber verloren, da ich ihn allen Nachrichten aus der Welt abgeschnitten wähnte.

Ich hatte den ganzen Tag mit Büchern im Salon verbracht und blätterte gerade gelangweilt in Darwins ‚Origin of Species’, als ich Schritte hörte. Jack war in den Salon getreten und ließ die Fenster öffnen. Sorgfältig spähte er erst durch das eine, dann durch das andere Fenster und ich beeilte mich einige Skizzen der Unterwasserwelt zu machen.

Plötzlich fuhr ich erschrocken von der Scheibe zurück. Vor mir zeigte sich die Gestalt eines Mannes, aber dieses Mal war es keine Wasserleiche, sondern ein lebendiger Taucher mit einem Gurt um die Hüften. Er ruderte kräftig mit den Armen und verschwandt ab und an nach oben, bevor er wieder zurückkehrte. Ich drehte mich zu Jack um und prallte zurück, da dieser direkt hinter mir stand, „Da! Ein Mann! Ein Schiffbrüchiger! Wir müssen ihn retten!“ Jack gab mir keine Antwort, er trat nur an die Scheibe. Der Taucher schwamm daraufhin ganz nahe an die Scheibe heran und machte ein seltsames Zeichen mit der Hand. Jack antwortete mit dem selben Zeichen, woraufhin der Taucher dann auch verschwandt und auch nicht mehr wieder kehrte.

„Nur keine unnütze Aufregung, James. Dieser Mann ist auf den Kykladen überall bekannt als der Taucher Pintel. Er ist etwas amphibisch veranlagt, möchte ich sagen und lebt mehr im Wasser, als an Land.“ „Und du kennst ihn?“, ich war wirklich neugierig, aber Jack schien dieses Thema nicht zu behagen. Er trat an einen Schrank links von dem immer noch offenen Fenster. Neben diesem Schrank stand ein Koffer, auf dessen Deckel eine Kupferplatte mit dem Motto der Black Pearl prangte „Vielleicht.“ Ohne sich weiter um mich zu kümmern, öffnete Jack nun den Schrank und ich sah, dass er mit Goldbarren gefüllt war.

Woher stammte dieser Reichtum?

Was geschah damit?

Er legte einen Goldbarren nach dem anderen in den Koffer, nach meiner laienhaften Schätzung handelte es sich um gut 1000 Kilogramm Gold, und schrieb schließlich in neugriechischer Schrift eine Adresse auf den Deckel. Bevor ich es geschafft hatte sie zu entziffern, betätigte Jack eine Klingel und kurz darauf erschienen acht Besatzungsmitglieder, die den Koffer mit sichtlicher Mühe hinaustrugen.

„Was hast du gesagt, James?“, kaum hatte der Koffer den Salon verlassen, erinnerte sich Jack an meine Gegenwart und ich spürte seinen Blick auf mir ruhen. „Nichts.“, eilig schüttelte ich den Kopf und streckte mich gähnend, „Ich wollte nur gerade fragen, ob wir nicht ins Bett gehen können?“ Zum Glück nickte Jack und wenig später lag ich wieder im Bett des Captain und sah ihm zu, wie er nautische Berechnungen durchführte.

Am leichten Schwanken der Black Pearl merkte ich bald, dass das Schiff an der Oberfläche schwamm und das Geräusch von Schritten an Deck verriet mir, dass jemand das Boot bereit machte. Es schlug gegen die Schiffswand und Ruderschläge entfernten sich von uns.

Jack kommentierte es nicht und sagte auch kein Wort, als das Boot zwei Stunden später wieder hörbar festgemacht wurde. Ich zog meine eigenen Schlüsse, das Gold hatte wohl seinen Empfänger erreicht und endlich kam auch Jack zu mir ins Bett.

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Am nächsten Morgen erzählte ich meinen Freunden die Geschehnisse des Abends und den Geräuschen in der Nacht, aber auch gemeinsam fanden wir keine Antworten auf unsere Fragen. Nach einem eiligen Morgenspaziergang auf der Plattform trennten sich unsere Wege wieder, André und Theodore zogen sich in ihre Kabine zurück und ich beschäftigte mich wiederum mit dem gesammelten Wissen in Jacks Bibliothek.

Aus irgendwelchen Gründen war es nach und nach so heiß geworden, dass ich meine Jacke ausgezogen und einige Hemdknöpfe geöffnet hatte. Langsam begann ich unruhig zu werden, wir befanden uns nicht in tropischen Breiten und außerdem fuhren wir, wie ich dem Manometer entnehmen konnte, in 18 Meter Tiefe. Ein Brand an Bord? Gerade als ich hinausstürzen wollte, stellte sich mir der Captain in den Weg, „42°C.“ „Das kann man wohl sagen und wenn es noch heißer wird, halte ich es nicht mehr aus!“, ich wischte mir die schweißfeuchte Stirn, aber Jack lächelte wieder, „Die Hitze steigt aber nur, wenn ich es will.“ „Du kannst es ändern?“, ich war wieder einmal überrascht von der Leichtigkeit, mit der er durch das Leben ging, „Nein, ich kann es nicht ändern, aber wir können uns von der Hitzequelle entfernen, wir fahren nämlich in siedendem Wasser.“

„Wie bitte?“, ich war nun wirklich überrascht und schockiert, aber Jack ließ nun die Fensterläden zurückgleiten, damit ich hinaussehen konnte. Das Wasser um die Black Pearl schäumte weiß und durch die Wasserschichten wirbelten Schwefeldünste. Ich geriet mit meiner Hand an die Scheibe und verbrannte sie mir prompt. Ich verbiss mir den Fluch, der mir auf der Zunge lag und wandt mich wieder zu Jack um, „Wo sind wir denn?“ „In der Nähe der Insel Santorin. Ich wollte dir einmal zeigen, wie es aussieht, wenn ein Vulkan unter dem Wasser tätig ist.“, Jack war an meine Seite getreten und hauchte einen Kuss auf meine verbrannte Hand, während ich fasziniert hinaussah, „Aber, ich dachte, die vulkanische Inselbildung sei bereits abgeschlossen.“ „In vulkanischen Gebieten ist niemals etwas abgeschlossen.“, antwortete der Captain, „Schon kurz nach Christi Geburt erschien hier zum ersten Mal ein Inselchen, das aber wieder versank. Und vor genau zwei Jahren tauchte hier eine neue Insel auf, sie vereinigte sich nach wenigen Tagen bereits mit Santorin…Und nun entstehen hier wieder einige Inselchen, die sich entweder mit Santorin vereinigen, oder wieder untergehen werden. Ich habe es schon gesehen, die Black Pearl lag schon oft hier.“

Ich trat wieder an das Fenster heran. Das Weiß des Meeres vermischte sich mit rötlichen Stoffen, wahrscheinlich irgendeinem Eisensalz und obwohl das Schiff hermetisch abgeschlossen war, entwickelte sich ein penetranter Schwefelgeruch und ich entdeckte auch scharlachrote Flammen, die über den Schiffsrumpf leckten. Die Hitze wurde langsam unerträglich und ich glaubte ersticken zu müssen, „Ich kann es in dem heißen Wasser nicht mehr aushalten, Jack.“ Meine Stimme klang schwach und gepresst und ich fühlte Jacks prüfenden Blick kurz über meine elende Gestalt wandern, bevor er die Black Pearl endlich abdrehen ließ und mir in den Sessel half.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Bereits am nächsten Tag setzten wir unsere Reise fort und zwei Tage später passierten wir dann schon die Straße von Gibraltar. Die meiste Zeit dieses Teils unserer Reise verbrachten wir unter Wasser und sahen auf diese Weise weniger von den verrauten Küsten, als Passagiere eines Schnellzuges, der durch die Lande raste. Einzig die größeren Fische konnten kurze Zeit mit dem Tempo der Black Pearl mithalten und zeigten mir, dass es wir nicht vollkommen alleine waren. Wir durchrasten dieses Meer ohne einen einzigen Halt, nur ein einziges Mal tauchten wir auf nachts auf, um unsere Luftvorräte zu erneuern.

Am Abend des 16. Februar überstieg die Black Pearl die seltsame Erhebung zwischen Sizilien und Tunis, auf deren höchsten Punkt das Meer nur 17 Meter tief ist. In der darauffolgenden Nacht gelangten wir in das westliche Becken des Mittelmeers. Hier herrschten Wassertiefen von bis zu 3000 Metern und dorthinab führte Jack uns nun auch. In Ermangelung von heimischen Naturwundern ließ uns das Mittelmeer tief in seinen Bauch sehen: Schiffe lagen dort am Grund, halbzerfallene und zerschmetterte Wracks, furchterregende Trümmer längst vergangener Schifffahrtskatastrophen. Und um dieses ausgedehnte Feld von toten Schiffskörpern zog sich ein ausgedehntes Trümmerfeld voller Masten, Kanonen, Ankern, Kugeln, Eisengerät, Maschinenteilen und vieler Gegenstände, die keiner von uns genau zu benennen mochte. Je näher wir der Meerenge vor Gibraltar kamen, desto mehr größer wurden die Trümmerstücke, aber die Black Pearl fuhr achtlos darüber hinweg.

Wir stiegen mit der Meeresströmung an und gelangten schließlich in einer Unterströmung am 18. Februar in den Atlantischen Ozean hinein.

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Ich könnte jedes Mal wieder ins Schwärmen geraten, wenn ich an den Artenreichtum und die Schönheit des Atlantiks denke, aber 25000000 Quadratmeilen Wasser lassen sich nicht so einfach beschreiben. Auch nach mehr als 40000 Kilometer voller Wunder und mehr als 100 Tagen seit Reisebeginn, fehlten mir immer noch die Worte dafür.

Die Black Pearl schwamm am Morgen des 18. Februars an der Oberfläche und ich genoss die warmen Sonnenstrahlen auf der Plattform. Dank dem Kartenmaterial wusste, ich dass wir einen nördlichen Kurs, auf das Cap de San Vicente zu und quer durch den Golf von Cadiz eingeschlagen hatten, aber es war noch kein Festland um uns herum zu sehen.

„Ich muss Sie sprechen, Professor. In Ihrem Zimmer.“, ich hatte Theodore nicht kommen hören, hatte ich doch gerade versucht irgendwo um uns herum vielleicht doch noch Land auszumachen. Die Stimme meines Gefährten war eindringlich und ich ahnte schon welche leidige Thematik er mit mir zu erörtern wünschte. Aber, um kein Aufsehen zu erregen, ging ich mit ihm hinunter, in meine mittlerweile fremd gewordene Kabine.

Es war mir nie aufgefallen, wie viel Zeit ich inzwischen bei Jack verbrachte, weshalb ich plötzlich fürchtete, dass Theodore es an der Verlassenheit meines Domizils erkennen könnte. Aber, der Harpunier sah sich nicht einmal um, er setzte sich sofort auf meinen Schreibtischstuhl und wartete, bis ich meinerseits auf dem Bett Platz genommen hatte.

Auch ich wartete, allerdings nur auf eine Eröffnung, aber er musterte mich weiterhin nur schweigend, so dass ich schließlich doch die Initiative ergriff, „Meister, glauben Sie mir…ich verstehe…“ Sein Blick und seine Haltung änderten sich nicht und ich begriff, dass ich so nicht weiterkommen würde, weshalb ich die Taktik wechselte, „Auch ich habe mir Gedanken über Flucht gemacht. Mich hat es ebenso wie Sie geärgert, dass wir im Mittelmeer nur unter Wasser und fern von allen Küsten gereist sind. Aber, haben wir uns dann von zivilisierten Küsten entfernt? Sie wissen doch, dass wir im Moment an der spanischen Küste entlang fahren. Bald sind wir in der Reichweite von Portugal, dann Frankreich und schließlich England…“ Ich hatte mich bemüht begeistert zu klingen, dabei hatte ich in letzter Zeit nur wenige Gedanken an eine Flucht verschwendet. Es war egoistisch, aber ich war nun mal glücklich hier an Bord der Pearl und bei Jack.

Theodore reagierte überhaupt nicht, sondern starrte mich weiterhin mit zusammengekniffenen Lippen an. Mein Herz sank ebenso wie mein Mut und meine Selbstsicherheit. Ahnten sie etwas? Gab es Vermutungen über die ‚Beziehung’ zwischen Jack und mir? Gerade als ich meinte, seinem Blick nicht mehr standhalten zu können, sprach der Kanadier doch noch, „Heute Abend.“

Ich schrak vor so viel Entschlossenheit zurück, aber mein Kopf war wie leergefegt, so dass ich auch kein brauchbares Gegenargument bieten konnte, als Theodore weiter auf mich einredete, „Abgemacht war eine günstige Gelegenheit und die ist jetzt da.“ Der Kanadier war aufgestanden und beugte sich nun, beinahe einschüchternd, zu mir herunter, „Heute Abend sind wir der spanischen Küste bis auf wenige Meilen nahe. Die Nacht wird dunkel und der Wind günstig sein. Und, Sie werden dabei sein, Professor Norrington.“

Mir fehlten noch immer die Worte, ich konnte nur schlucken.

„Wir fliehen um 21 Uhr, dann ist der Captain in seiner Kabine und schläft wahrscheinlich schon. Von der Mannschaft wird uns niemand entdecken. Sie warten in der Bibliothek, bis Sie mein Zeichen bekommen. Das Boot ist bereits vorbereitet, ich habe auch einige Lebensmittel hineingebracht und den Schraubenschlüssel zum Losmachen besitze ich seit einigen Tagen. Also, heute Abend.“

„Das Meer ist aber nicht günstig.“, stotterte ich, immer noch schockiert und hin und hergerissen zwischen meinen Freunden, Jack und natürlich auch meinem Genuss an dieser Reise. „Da haben Sie recht, aber die Freiheit hat ihren Preis. Entweder sind wir um 23 Uhr an Land, oder nicht mehr unter den Lebenden. Adieu, Professor.“, mit einem kurzen Kopfnicken verabschiedete sich der Kanadier und ich war wieder alleine.

Wie sollte ich der aufkeimenden Angst Herr werden?

Wie würde Jack reagieren, wenn er unsere Flucht entdeckte?

Was würde er von meiner Flucht halten?

Er müsste wieder um seine Existenz fürchten und er wäre gekränkt, hatte er uns doch aufrichtige Gastfreundschaft erwiesen. Und…er wäre zu tiefst verletzt, dass ich einfach gegangen wäre.

Jack wäre wieder alleine.

Aber Theodore hatte Recht, was mich an Bord hielt waren private Neigungen. Ich konnte von meinen Gefährten doch nicht die Gefangenschaft verlangen, nur weil ich Gefühle hatte! Der Gedanke diese Reise in der Mitte abbrechen zu müssen, die Black Pearl…und Jack verlassen zu müssen, das bereitete mir beinahe körperliche Schmerzen. Vor allem der Gedanke ohne Jack leben zu müssen, setzte mir schwer zu. Ich verbrachte elenden Tag zwischen Unterwerfung und Aufbegehren.

Ich sollte sie verlassen?

Meinen Atlantik, wie ich ihn zärtlich nannte. Ich sollte ihn verlassen, ohne seine letzten Nischen ausgeforscht zu haben, ohne ihm die Geheimnisse, deren Zeuge ich bereits in den anderen Meeren sein durfte, zu entreißen? Ich sollte im schönsten Moment alles beenden und ein normales Leben weiterführen?

Und, ich sollte Jack nie wiedersehen?

Nie wieder seine Nähe genießen dürfen?

Ach, wie sehr habe ich mir in den unerträglichen Stunden dieses Tages gewünscht, dass irgendetwas Theodores Plan vereiteln würde!

Seit drei Tagen hatte ich kein Wort mehr mit Jack gewechselt. Ich kam jeden Abend in sein Zimmer und schlief auch in seinem Bett, aber vom Captain fehlte jede Spur. Dennoch verging kaum eine Sekunde, in der sich meine Gedanken nicht zu ihm verirrten.

Nach den Geschehnissen mit Pintel glaubte ich ihm nicht mehr, dass er alle Kontakte zum Land abgebrochen hatte. Wohin verschwandt er, wenn ich die Nächte alleine in seinem Bett verbrachte? Hielt er sich wirklich im Steuerhaus oder in einem der anderen Räume der Pearl auf, oder betrog er mich nicht vielleicht stattdessen? Vielleicht war er ja weit entfernt und führte irgendetwas aus, das ich beim besten Willen nicht zu ergründen vermochte?

Würde ich ihn vor unserer Flucht wenigstens noch einmal sehen?

Ich fürchtete diese letzte Begegnung, den letzten Kuss, ihm das letzte Mal in die Augen zu sehen, aber gleichzeitig sehnte ich mich auch danach.

Wie oft erstarrte ich an jenem Tag auf dem Bett sitzend, da ich meinte Schritte würde sich näheren…Nichts, und schließlich war ich so frustriert, dass ich schließlich aus meiner Kabine stürmte, um Kompass, Log und Karten unsere Position zu entnehmen. Wir blieben weiterhin in der Nähe der spanischen Küste.

Das Abendessen kam wie immer zur gleichen Stunde, aber ich bekam nicht einmal mit, um was es sich dabei handelte und es schmeckte mir auch nicht. Es war noch vor 19 Uhr, als ich unwirsch das Besteck beiseite legte und angeekelt den beinahe noch vollen Teller gänzlich von mir schob.

Nur noch 120 Minuten, dann Theodore, dann das Boot, dann Wasser und den Tod oder die Freiheit.

Ich versuchte meinen Körper zu beschäftigen, indem ich in meinem Zimmer auf und ab lief. Aber die Bewegung lenkte mich nicht von meinen verzweifelten Gedanken ab. Nicht das mögliche Ertrinken erschreckte mich so, sondern einzig und alleine die Tatsache, dass ich Jack nie wieder sehen würde.

Ein letztes Mal wollte ich in den Salon, Abschied nehmen, von all den Kunstwerken, die mir während unserer Reise so vertraut und wichtig geworden waren. Ich fühlte mich, als würde ich nun bald in ein ewiges Exil geschickt werden.

Und noch immer hoffte und fürchtete ich die Begegnung mit dem Captain.

Kurz überlegte ich, ob ich Jack einige Zeilen schreiben sollte, aber ich konnte mich einfach nicht überwinden. Worte konnten meinen Zwiespalt nicht ausdrücken, mein Herz wollte hier an Bord bleiben, während meinem Verstand vollkommen klar war, dass ‚Flucht’ die einzig richtige Option wäre.

Als es 20 Uhr schlug, stieß ich vor Schreck das Tintenfass um und flüchtete in meine Kabine. Die Tür wurde, zum ersten Mal, seit ich an Bord gekommen war, verschlossen und ich versuchte mein klopfendes Herz zu beruhigen. Hastig kleidete ich mich um, Jack hatte an alles gedacht und so fanden sich auch warme Sachen in meinem Schrank. Als letztes nahm ich noch die, zuvor immer zurückgewiesenem Handschuhe aus Seeotterfell, die Jack mir einst geschenkt hatte.

Viertel nach acht, die Zeit wollte einfach nicht vergehen, sondern kroch langsam voran. Ich starrte wie hypnotisiert auf die zierlichen Zeiger der Uhr, aber sie wollten sich einfach nicht bewegen. Wie in Zeitlupe bewegten sie sich vorwärts, und nach unendlich langer Zeit verlor ich erneut die Geduld und verließ fluchtartig mein Zimmer.

Ich war viel zu früh, als ich nun vorsichtig in die, im Halbdunkel daliegende Bibliothek huschte. Sie war vollkommen leer und in mir stellte sich das Gefühl ein, dass ich in meinem Aufzug merkwürdig unpassend in dieser Halle des Wissen erscheinen müsste. Ich zog mich in die dunkelste Ecke, die ich finden konnte zurück und wartete voller grausiger Anspannung auf das Zeichen meines Gefährten.

20000 Meilen unter dem Meer
 


 

Plötzlich setzte das stetige, schon so vertraute Geräusch der Schraube aus, ein schwacher Stoss schüttelte das Schiff und ich begriff, dass wir auf Grund lagen. Oh, warum kam Theodore nicht, warum nahm dieses schreckliche Warten kein Ende? Waren wir doch entdeckt worden? Waren Theodore und André bereits überwältigt worden? Es war nun vollkommen unmöglich unseren Fluchtversuch durchzuführen und ich wollte jetzt endlich die Bibliothek verlassen, um dem Kanadier ins Gewissen zu reden…

In diesem Augenblick flammten aber die Lichter in der Bibliothek auf, die Tür öffnete sich und Jack trat ein. Ohne auf meinen seltsamen Aufzug und meinen deutlich sichtbaren Schrecken zu reagieren, nickte er mir lächelnd zu, „Ah James, kennst du dich in der spanischen Geschichte aus?“ Ich hätte ihm in diesem Moment noch nicht einmal sagen können, wann Karl Martell die Araber besiegt hätte!

„Na?“, Jack klang belustigt und ich zwang mich dazu mich zu entspannen, bevor ich ihm eine Antwort gab, „Nur mäßig.“ „Dann setz dich, ich werde dir eine interessant Episode aus der spanischen Geschichte erzählen.“ Meine Gedanken wanderten zu meinen wartenden Gefährten, aber Jack erstickte meine Proteste gekonnt schon im Keim, „Nimm Platz. Du bekommst jetzt Antwort auf eine der Fragen, die dich quälen. 1702 machte Louis XIV seinen Neffen zum König von Spanien, was vielen Personen nicht gefiel. Holland, Österreich und auch dein England hatten schon im Jahr davor eine Koalition gegründet und wollten die spanische Krone selber an sich reißen, was wiederum Spanien verhindern wollte. Aber, die Spanier besaßen kaum Soldaten und Seeleute, dafür aber viel Gold. Nur, leider nicht in Spanien, sondern wie du sicher weißt, in den Kolonien, also im fernen Amerika. Ende 1702 sollte eine größere Goldladung in Cadiz eintreffen, natürlich unter militärischem Schutz der verbündeten Franzosen, kreuzten doch die Alliierten schon in diesen Gewässern. Der Franzose wollte die Schiffe in einen sicheren französischen Hafen bringen, aber die Spanier protestierten, so dass der Konvoi schließlich die schlecht zu verteidigende Bucht von Vigo anlief. Da alle Fracht durch Cadiz gehen musste, konnten sie das Gold noch nicht einmal an Land bringen, sondern sie mussten sich damit zufrieden geben, dass ihre Schiffe auf ungeschränkte Zeit, bis die feindliche Flotte abgezogen war, in der Bucht liegen bleiben durften. Nur, zog die feindliche Flotten nicht ab, sondern es kam zum Kampf, den die Franzosen und Spanier dann verloren. Der tapfere französische Admiral setzte die Transportschiffe, damit das Gold wenigstens nicht ihren Feinden zu Gute kommen konnte, in Brand und versenkte sie…“

Ich sah unsicher zu Jack und konnte mit dieser Episode aus der turbulenten spanischen Geschichte nicht wirklich etwas anfangen. Wieder lächelte Jack nur und winkte mich schließlich zu sich ans Fenster, „Komm zu mir.“ Er ließ dann die Wände zurückgleiten und ich starrte angestrengt hinaus.

Im Umkreis von einer Seemeile war das Meer taghell erleuchtet. Ich entdeckte schließlich Mannschaftsmitglieder der Black Pearl, die in Taucheranzügen über den Meeresgrund zogen und halbverfaulte Fässer und Kisten aufbrachen. Aus allen Behältnissen quollen Gold, Silber und Edelsteine. Und neben mir stand schmunzelnd Jack, der Alleinerbe des Inkagoldes, „Das ist die Bucht von Vigo. Sieh gut hin, mein James. Wusstest du, dass das Meer solche Schätze verborgen hält?“

„Ja, und ich weiß auch von diesem hier. Du bist mit der Bergung einer gewissen Gesellschaft, welche die Erlaubnis erhielt sie zu suchen und zu erleichtern, zuvor gekommen. Die Aktionäre haben sich eine Ausbeute von mehreren Millionen Pfund erhofft.“, ich beobachtete, wie sich aus einer weiteren Truhe ein Fluss von Goldmünzen auf den Boden ergoss, „Oder sogar noch mehr.“ „Das war hier mal. Sie sollten sich besser nicht in Unkosten stürzen, der Rächer der Unterdrückten hat das Gold schon gehoben.“ Schweigend sahen wir den weiteren Arbeiten zu.

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Ich war am nächsten Morgen gerade in mein Zimmer geschlüpft, um mich umzuziehen, als auch Theodore schon ohne Anzuklopfen eintrat. Ich kommentierte diese Unhöflichkeit nicht, der Harpunier schien wirklich wütend zu sein, „Also?!?“

„Wir hatten Pech, Meister.“, auch wenn ich es eher als göttliche Fügung sah, „Der Zufall wollte…“ „Nichts, Zufall. Der verdammte Captain hielt genau um 21 Uhr…“, er klang anklagend, aber ich war mir keiner Schuld bewusst, „Er besuchte seinen Bankier.“ „Was?“, man konnte an seiner Stimme hören, dass er mir nun kein Wort mehr glaubte, „Er hob Geld ab…oder vielmehr Gold.“ Eilig berichtete ich ihm, was am Abend geschehen war, aber es schien ihn nicht zu berühren. Er bedauerte einzig und allein, dass er nicht auch in der Bucht auf die Suche nach Wertvollem hatte gehen können und dass unsere Flucht nicht hatte stattfinden können. Deshalb setzte er einen neuen, eiligen Fluchttermin fest, „Heute Abend.“ „Aber, Sie wissen doch gar nicht, wo wir inzwischen sind!“, wandt ich besorgt ein, noch so einen Tag voller Unruhe und hin- und hergerissen zwischen Jack und meinen Freunden, wollte ich nicht verbringen. Das würde ich nicht ertragen!

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Erst gegen Mittag ließ Jack auftauchen und die Position bestimmen. Ich folgte der ersten Offizierin auf die Plattform hinaus und sah rings um mich nur unruhiges graues Meer, das von Wellen aufgewühlt wurde. Kein anderes Schiff kreuzte unseren Weg und es war, wie ich erleichtert feststellte, auch kein Land in Sicht. Etwas später stellte ich mit Hilfe der Karte fest, dass wir uns in der Nähe der Insel Madeira befanden, aber dennoch noch sicher von allem Festland entfernt, so dass ich die Nähe von Jack und meine wissenschaftlichen Studien an Bord wieder genießen konnte.

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Am Abend, ich wollte gerade zu Bett gehen, als Jack sich plötzlich zu mir umdrehte, „Bist du von gestern Abend noch sehr müde?“ Ich schüttelte den Kopf und Jack nickte, „Gut, dann ich wollte dir einen sehr merkwürdigen Ausflug vorschlagen.“ „Gerne!“, meine wissenschaftliche Neugier war geweckt und ich hing an Jacks Lippen, als er mir nun von seinem weiteren Plan berichtete, „Ich möchte mit dir eine kleine Nachtwanderung über den Meeresgrund machen. Zu einem bestimmten Ziel. Allerdings, wird dieser Ausflug anstrengend, wir haben weit zu gehen und die Wege sind manchmal verschlammt.“

Das alles machte mich nur noch neugieriger und bald stand ich mit Jack in der Schleuse. Ich war nicht einmal mehr dazugekommen ihn nach unserem diesmaligem Ziel zu fragen und warum wir alleine gingen, denn das Wasser lief bereits in die Schleuse und die Kupferhelme verhinderten eh jedwede Kommunikation. Meine einzige Ausrüstung bestand dieses Mal aus einem Stock, und auch Jack hatte trotz der Finsternis keine Lampe mitgenommen.

Wir sanken auf den Boden des Atlantiks, etwa dreihundert Meter unter der Wasseroberfläche und es war stockfinster um uns herum. Jack hielt meine Hand, damit wir uns nicht verloren und er drehte mich behutsam in eine Richtung, so dass ich in etwa zwei Seemeilen Entfernung einen schimmernden rötlichen Punkt im Wasser erkannte.

Auf dieses unterseeische Feuer schritten wir zu und bald herrschte um uns herum ein zauberhaftes Dämmerlicht, dass eine Lampe nur entzaubert hätte. Der Boden stieg kaum merklich an, aber der zähe Schlamm aus Algen, der ihn bedeckte, hinderte uns am Vorwärtskommen. Alles um uns herum war still, aber seit einiger Zeit hatte ich dass seltsame Gefühl ein leises Rieseln im Wasser zu hören. Erst machte mich diese akustische Erfahrung nervös, konnte ich sie doch nicht einordnen, aber schließlich begriff ich. Es regnete und dieses Geräusch war nichts weiter als das Plattern an der Wasseroberfläche. Dieses seltene Erlebnis hatte noch eine andere Nebenwirkung, ich hatte plötzlich das Gefühl durchnässt zu sein und musste mir den Taucheranzug durch Berührung wieder ins Gedächtnis rufen.

Nach einer Stunde Marsch, wurde der Boden steiniger, der Weg aber auch hier nicht leichter. Ich trat oftmals fehl und wäre ohne meinen Stock sicher gestürzt. Trotz des herrschenden Dämmerlichtes fiel mir an den Steinbrocken zu meinen Füßen und meinen Seiten aber doch auch etwas auf, sie besaßen alle eine gewisse Regelmäßigkeit, beinahe so als habe die Natur hier ungesehen Architekt spielen wollen.

Ich sah im vorbeigehen elegant gewundene Treppenteile, verspielt wirkende Erker, gewundene Säulen, die sich grazil ins Nichts rankten und alles war überwuchert mit einem dicken Algenteppich. Außerdem fiel mir noch etwas auf, unter meinen Füßen zerbrach bei jedem Schritt irgendetwas mit einem leisen unangenehmen Knacken und ich konnte mich dem kurzen Eindruck von Knochen, die unter dem schweren Tritt meiner Bleistiefel zerbarsten, nicht erwehren.

Wohin führte Jack mich?

Der rötliche Flammenschein war immer heller geworden, ich konnte mir nach wie vor nicht vorstellen, welches Naturphänomen dies erzeugen konnte, falls es überhaupt natürlichen Ursprungs war. Vielleicht handelte es sich ja um den Widerschein einer ganzen Kolonie von Leuten wie Jack, Landflüchtlingen. Freunde, des Captains, denen er nun einen Besuch abzustatten gedachte?

Mein Kopf war durch all die Erlebnisse, die Jack mich schon hatte erleben lassen, überspannt und je heller der Widerschein am Horizont wurde, desto abenteuerlicher wurden die Ideen über das Ziel in meinem Verstand. In der Gesellschaft, in der ich mich befand, würde mich nichts mehr wundern.

Die Lichtquelle lag hinter einem Berg und der dämmrige Schein war nur der schwache Widerschein eines fernen Lichtes. Jack führte mich sicher durch die Ebene und immer tiefer in eine Unterwelt, die wohl bisher nur wenige Menschen durchschritten hatten. Ich folgte ihm, einem schwarzen Schatten vor goldenem Glühen.

Endlich erreichten wir den Fuß des Berges und der Aufstieg erwies sich als schwer, mussten wir uns doch durch ein dichtes Gehölz quälen. Jawohl, Gehölz, denn die Bäume, die hier am Hang standen, waren tatsächlich Bäume der Oberwelt. Mineralisiert, blatt- und saftlos geworden, wurden sie nur von einigen vereinzelten Fichten überragt. Ein versunkener Wald, dessen Pfade beinahe nicht mehr auffindbar waren, so sehr hatten Tang und Algen sie erobert. In dem Grün wimmelte es vor Leben.

Wir mussten bald regelrecht zu klettern beginnen und ich erklomm hohe, scharfe Felsen, zerriss dicke Algentaue und setzte über zerborstene und gefallene Baumstämme hinweg. Schwärme von Fischen stoben vor uns hinweg, aber mich trieb trotz allem die Neugier voran. Je näher wir dem Gipfel und damit der Lösung all meiner Rätsel kamen, desto geringer wurde meine Müdigkeit.

Aber, wie sollte ich schließlich das Bild beschreiben, dass sich uns darbot?

Der vor Urzeiten versteinerte Wald war vom roten Widerschein des Lichtes durchglüht und an den Spitzen einzelner Bäume spielte fahles, hell in den Wasserschichten reflektierendes Licht. Der Boden über den wir stiegen, war von Schluchten zerrissen, über denen beängstigende Schlagschatten lagen und beständig lösten sich Felsbrocken unter unseren Tritten, um in den unendlich tiefen Schluchten zu verschwinden.

Hätte ich auch nur eine Sekunde Gelegenheit gehabt, um nachzudenken, hätte mich das Schaudern ergriffen und ich hätte erschrocken innegehalten. Aber, nun lief ich weiter, mit den Armen rudernd und halb gleitend und schwimmend. Ich folgte Jack, seine Sicherheit färbte auf mich ab und trieb mich voran.

Zwei Stunden nach unserem Aufbruch von der Black Pearl hatten wir dann endlich die Baumgrenze überwunden und nun trennten uns nur noch wenige Meter vom Gipfel. Die Felsnasen, über die wir nun kletterten waren von Höhlen und Grotten förmlich durchsiebt und aus jedem dieser dunklen Löcher starrten Augen von grässlichen Schalentieren, kolossale Hummer streckten uns ihre farblosen Fühler entgegen und Polypen streckten uns ihre verknäulten Fangarme entgegen. Jack achtete all das Leben nicht, sondern setzte seinen Weg ungerührt fort.

Wir hatten nun eine Hochebene erreicht und der Gipfel rückte nun wieder an den Horizont. Die Ebene war unverkennbar mit Ruinen bedeckt! Diese Steintrümmer, die ich voller Erstaunen anstarrte, waren von Menschenhand geordnet gewesen, ich konnte unter dem Algenteppich zusammengebrochene Tempel und Schlösser erkennen.

Was hatte das zu bedeuten?

Wer mochte einst hier gelebt haben?

War hier eine ganze Insel oder gar ein Erdteil versunken?

Ich stolperte fassungslos in die nun deutlich erkennbaren Anlagen der Ruinenstadt herein. Ich wollte mich umsehen, bücken und berühren, um zu begreifen, wohin Jack mich geführt hatte. Aber, er ergriff meinen Arm und zog mich weiter.

Noch weiter?

Noch mehr?

Wieder strebte er dem Berggipfel zu und ich folgte ihm. Müde und erschöpft, aber dennoch vorangetrieben durch die unbändige Neugier und von Sinnen durch den Anblick, der sich mir nun bot. Eine gute Weile später hatten wir den Gipfel erreicht und ich sah nun, was für ein Licht uns geleuchtet hatte: Hinten fiel der Berg steil ab bis in die dunkelsten Tiefen des Atlantiks, aber etwa 20 Meter unter uns, öffnete sich ein rotglühender Krater.

Dieser Berg war ein Vulkan, der immer noch rotglühende Lava aus seinem Innersten schleuderte und das Meer erhellte. Mit der Lava, die wegen dem fehlenden Sauerstoff nicht brannte, aber dennoch mit ihrer Hitze das Wasser zum Brodeln brachte, traten Gestein- und Schlackemassen aus dem Berginneren aus und flossen über die Hänge zum Meeresgrund hinab. Und auf den Hängen dieses unheilvollen Vulkans, auf den flacher fallenden Terrassen breitete sich vor meinen Augen eine versunkene Stadt aus. Eingestürzte Dächer, verfallene Tempel, Säulen, Aquäduktruinen, Pantheonspuren, Reste eines Hafens und halb zerstörte Straßen, ein ganzes Pompeji lag zu meinen Füßen.

Wohin hatte Jack mich geführt?

Jack schien meine Fragen endlich beantworten zu wollen, er hob einen Stein auf und schrieb kaum leserlich an eine schwarze Basaltwand.

Atlantis

20000 Meilen unter den Meeren

Mir fuhr es wie ein Blitzstrahl durch den Kopf: Dies also war Kontinent, von dem die Alten erzählten und dessen Existenz in der heutigen Zeit von allen Gelehrten angezweifelt wurde. Alles war so, wie es Kritias vor Jahrtausenden berichtet hatte: An der Seeküste, gegen Mitte der Insel, lag eine Ebene, die schöner und fruchtbarer, als jede andere gewesen sein sollte…Das Volk, dessen Knochen ich bei unserer Ankunft so unachtsam zertreten hatte, war einer der ersten Kriegsgegner des alten Griechenlands gewesen, lange vor dem langsamen Zerfall des riesigen Reiches…

Erst die Überschwemmung, dann das Erdbeben, das in einer Nacht den Kontinent aufriss und schließlich versinken ließ, bis nur noch seine höchste Spitze, Madeira, die Azoren, die Kanarischen – und die Kapverdischen Inseln hervorragten.

Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, lehnte Jack stumm am Berghang und betrachtete regungslos die Zeugen der Vergangenheit. Seine Hand fand die Meine und ich verspürte große Erleichterung ihn so nahe bei mir zu wissen. Seine Gegenwart bewahrte mich davor in den reißenden Strudel meiner Emotionen zu stürzen und schließlich lehnte ich mich gegen ihn.

Wir verharrten lange so und als der Mondschein durch das schwarze Wasser brach und unheimlich, grotesk verzerrte Schatten in den Ruinen zu tanzen begannen. Fast konnte man meinen, dass in diesen Nachtstunden die ehemaligen Bewohner zurückgekehrt wären und erneut ihr altes Leben aufgenommen hätten.

Nach einer Stunde brachen wir dann aber doch auf und erreichten im Morgengrauen dann endlich auch die Black Pearl. Tief ergriffen gingen wir schweigend ins Bett, unsere Finger waren noch immer miteinander verflochten.

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Den ganzen nächsten Tag fuhren wir über die ausgedehnten und verwüsteten Flächen des untergegangenen Kontinents und erst gegen Nachmittag wurde der Boden unter uns steiniger und unebener. Statt Schlamm und mineralisierter Bäume, bedeckten ihn nun Basalte und Lavalagen. Ich ahnte, dass bald Gebirgsland kommen musste und in der Tat wurde uns der Weg bald durch eine tiefschwarze Wand versperrt, die wahrscheinlich auch weit über die Wasseroberfläche hinausragte.

Waren dies die Kanarischen Inseln?

Oder vielleicht doch eher die Kapverdischen?

Ich hatte keine Ahnung, wo wir uns befanden. Die Black Pearl streifte, wie mir schien unschlüssig die Felswand entlang und ich wollte mich gerade für weitere Beobachtungen in die Bibliothek zurückziehen, als sich plötzlich die Fensterläden schlossen und den Blick nach draußen versperrten.

Gelangweilt räumte ich letztendlich meine Notizen weg und beschloss dann eben früh zu Bett zu gehen. Jacks Zimmer war leer, aber dennoch genoss ich es in den nach ihm duftenden Decken zu liegen.

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Am nächsten Morgen war ich bereits um 8 Uhr wach, das Bett neben mir war leer und die Decke wirkte auch vollkommen unberührt. Seufzend kleidete ich mich an und ging meiner Gewohnheit folgend, zu erst in den Salon. Dort las ich die Messinstrumente ab und stellte anhand der Manometerdaten fest, dass wir uns an der Wasseroberfläche befinden mussten. Ich hörte, wenn ich lauschte, auch deutliche Schritte auf der Plattform, aber das sanfte Schaukeln, das bisher noch jedes Auftauchen begleitet hatte, fehlte.

Ich begab mich sofort zur Lukenöffnung und stieg auf die Plattform hinaus.

Dunkelheit?

Ich hatte helles Sonnenlicht erwartet, aber hier draußen empfing mich die sehr dunkle, vollkommen sternen- und mondlose Nacht!

Was war vorgefallen?

Hatte ich etwa den ganzen Tag verschlafen?

„Ah, James. Bist du es?“, plötzlich drang Jacks Stimme durch die Finsternis und sofort war ich beruhigt, „Jack? Wo sind wir?“ „Unter der Erde Professor.“, lautete die Antwort und ich konnte mir das Seufzen nur schwerlich verkneifen. Wieder eine dieser Situationen, Jack war mir Bruchstücke von Informationen zu und amüsierte sich über meine Versuche mir daraus ein Bild zu schaffen, „Die Pearl schwimmt auch unter der Erde?“ „Natürlich. Warte noch ein bisschen, dann werden die Lampen eingeschaltet und dann kannst du dich orientieren.“, ich gehorchte, es war ja schließlich auch so stockfinster, dass ich weder Jack, noch die niedrige Brüstung der Plattform sehen konnte.

Doch, als ich gen Himmel blickte, entdeckte ich einen schwachen Lichtschwimmer. Aber, bevor ich nun den kaum erkennbaren Schimmer genauer untersuchen konnte, flammten plötzlich die Scheinwerfer auf und ließen alle anderen Lichtschimmer verblassen. Auch ich musste für einige Zeit geblendet die Augen schließen, bevor ich mir dann endlich die Umgebung ansehen konnte.

Die Black Pearl lag in einem stillen schwarzen Wasser, neben einer steilaufsteigenden Küste, deren Gipfel sich in der Finsternis zu verlieren schien. Der See, in dem wir schwammen, wurde von Felswänden in einem Kreis von zwei Seemeilen eingeschlossen. Der Wasserspiegel hatte allerdings aber Meereshöhe, es musste also eine Verbindung zwischen drinnen und draußen geben. Die Felswände wölbten sich aufsteigend immer stärker dem Mittelpunkt des hellen Kreises zu und bildeten so einen gut 600 Meter hohen Hohlkegel, an dessen Spitze sich eine winzig wirkende Öffnung befand.

„Wir schwimmen im Inneren eines erloschen Vulkans.“, erklärte Jack, der unweit neben mir stand, „Das Meer ist in sein Inneres gedrungen, denn der Berg riss an einer Seite unter dem Wasserspiegel ein. Während du geschlafen hast, lief die Black Pearl durch diesen Kanal in diesen See ein. Ihrem Haupthafen übrigens. Wenn wir hier liegen, sind wir gegen alles geschützt: Gegen Orkane und Menschen.“ Jack lächelte schelmisch, „Der Vulkan speit schon lange nicht mehr, aber seine Krateröffnung ist nach wie vor vorhanden und lässt die frische Luft für uns herein.“ Routiniert kam er meiner nächsten Frage zuvor, „Frag nicht, wo dieser Berg liegt. Für die christliche Seefahrt ist der Berg nur eine der tausend Klippen, die aus dem Altantik emporragen, nachts gefährlich, sonst aber uninteressant.“

„Fürchtest du nicht, dass eins Tages ein neugieriger Mensch durch die Öffnung hinabsteigen könnte?“, erkundigte ich mich schließlich, aber auch von dieser Vorstellung ließ sich Jack nicht beunruhigen, sondern sein Lächeln wurde noch eine Spur spitzbübischer und er wirkte beinahe wie ein kleiner Junge, dem ein großartiger Streich gelungen war, „Nein. Das kann er ebenso wenig, wie ich hinauskönnte. Die Wände sind bis 30 Meter über dem Wasserspiegel zu besteigen, dann hängen sie über.“

„Die Natur ist dir auch hier zu Diensten…Ich frage mich nur, wozu braucht die Black Pearl so einen sicheren Ort? Seit ihr auf dem Meeresgrund nicht sicher genug?“, meine Neugier war entbrennt und Jack schien sogar gewillt zu sein, sie zu stillen, „Das schon, mein lieber James. Aber auf dem sicheren Meeresgrund finde ich nicht überall Elektrizität. Und, um mich zu bewegen brauche ich die und um Elektrizität zu erzeugen, brauche ich Kochsalz. Und, wiederum das zu erzeugen brauche ich Kohle. Und, wie es der Zufall so will, so habe ich hier ausgedehnte Kohleflöze, Wälder, die in der Urzeit versanken.“ „Dann sind deine Leute nun also Bergleute?“, es war erstaunlich wie wandlungsfähig diese Crew war und ich war nicht sonderlich überrascht, als Jack nickte, „Die Salzgewinnung hier hat noch einen weiteren Vorteil. Der Dampf zieht durch den Krater ab und gibt dem Berg so das Aussehen eines noch tätigen Vulkans.“

Nach diesem informativem Gespräch ging ich wieder hinab in das Innere der Black Pearl, um meine Freunde zu suchen. Ich traf sie nach kurzer Suche, noch immer in Morgenmänteln, auf dem Bett des Kanadiers sitzend an und schlug ihnen vor, sich anzukleiden und nach einem Frühstück einen Erkundungsgang durch den alten Vulkan zu machen.

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Wir hatten nicht viel Zeit für ausgedehnte Erkundungen, aber es gab, wie wir feststellen mussten, auch nicht viel zu entdecken. Wir waren bald in der Höhe, in der die Wände begannen überzuhängen und mussten dann mit einem Rundgang über eine Art natürlicher Galerie vorlieb nehmen. Theodore fand dabei etwas merkwürdiges, einen Stock wilder Bienen, von dem er sich etwas Honig mitnahm, um sein Dessert zu verfeinern. André errötete bei diesem Vorschlag leicht, aber ich fühlte mich plötzlich so müde, dass ich froh war, als wir wenig später eine versteckte Grotte fanden und ich mich nicht mehr mit dem Erröten meines Dieners beschäftigen musste.

Die Grotte, dieser wunderbare Ort war von Tang und Farnkraut überwuchert, aber der Boden bestand dennoch aus feinstem weichen, schneeweißem Sand. Wir ließen uns in dieser stillen Grotte nieder und während André und Theodore über irgendetwas diskutierten, ließ ich meine Gedanken treiben, gab nur zerstreute Antworten und schlief schließlich ein.

Ich träumte…

Ich wäre eine Muschel…

Und, diese Grotte meine beiden Schalen…

Da weckten mich André und ein Kältegefühl am Körper. Die Flut kam und presste kaltes Meereswasser in den See und somit auch in unsere Grotte. Wir machten uns rasch auf den Rückweg zur Black Pearl und wechselten dort unsere Kleidung.

Obwohl die Energieversorgung längst abgeschlossen war, rührte sich das Unterseeboot nicht von der Stelle. Wir blieben über Nacht in dem geschützten See und erst am nächsten Morgen, gab Jack den Befehl die Reise fortzusetzen.

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20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Es ging nun strikt nach Süden, die Black Pearl durchquerte den Atlantik mit atemberaubender Geschwindigkeit und nicht selten hatte ich den Verdacht, dass wir gejagt wurden. Jacks Kurs führte uns, ganz wie wir es schon geahnt hatten, immer weiter von den europäischen Küsten weg und die Chancen auf eine Flucht wurden mit jeder Seemeile immer geringer.

Ich sah Jack in dieser Zeit selten, ich wusste dass er tagsüber arbeitete. Manchmal fand ich am Lesepult der Bibliothek die verschiedensten Bücher. Einmal sogar mein eigenes Werk, mit unzähligen handschriftlichen Anmerkungen am Rand.

Die Nächte verbrachte ich nicht alleine, Jack kam irgendwann am Abend ins Bett, verschwand aber bevor ich aufwachte. Manchmal hörte ich, kurz bevor ich einschlief, die düsteren Töne der Orgel durch das Schiff hallen.

So verflossen die Tage und Nächte eintönig, zumindest bis zum 13. März.

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Da stand ein neues Abenteuer auf Jacks Programm: Tiefenmessung.

Wir hatten bis zu diesem Tag bereits über 30000 Seemeilen zurückgelegt und befanden uns in einer Gegend, wo noch nie eine Sonde den Grund berührt hatte. Selbstverständlich genügte es für dieses nicht, einfach nur die Behälter mit Wasser zu füllen, weshalb Jack entschied den Meeresgrund in einer hinreichend langen Diagonalfahrt abzusuchen. Die Höhenruder seitlich am Schiff wurden auf 45° Neigung zur Horizontalen eingestellt, die Salonfenster zur Betrachtung geöffnet und dann schlug auch schon die eiserne Schraube der Black Pearl mit höchster Umdrehungszahl in die Wassermassen des Atlantiks. Der eiserne Rumpf unseres Fahrzeuges begann zu dröhnen wie die tiefste Seite eines Basses und langsam begannen wir unseren Abstieg in die unbekannten Tiefen. Die Zeiger des Manometers drehten sich rasend schnell, während Jack und ich sie aufgeregt beobachteten.

Bald schon lag die von den meisten Fischen bewohnte Zone über uns und wir trafen nur noch wenige Tiefseebewohner an. Die öd und verlassen wirkenden Gewässer in der Tiefe zwischen 4000 und 5000 Metern waren erstaunlich klar und weit durch die Scheinwerfer der Pearl ausgeleuchtet, aber noch immer zeigte sich nirgendwo der ersehnte Grund.

Nach einigen Stunden aber, näherten wir uns der 6000 Meter Grenze und endlich tauchten die Spitzen von schwarzen Bergen unter uns auf. Aber, das konnte noch immer Himalayariesen von 8000 Metern oder mehr sein. Von Neugier getrieben drang die Black Pearl in die Bergspitzen ein und wir spürten nun auch den Druck, den die Wassermassen um uns herum auf den Stahlkörper ausübten. Man hörte förmlich, wie die Panzerplatten an den Nieten und Bolzen rissen und unter dem Druck von mehr als 6000 at auf der Oberfläche stöhnten.

„Welch ein Bild!“, rief ich ergriffen aus, „All das zu sehen, was noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat! Diese prachtvollen Felsen, die hier schwarz und schweigend am tiefsten Grund des Ozeans und schau dir nur die unbewohnten Grotten an! Man müsste es zeichnen, um es nie wieder zu vergessen!“ „Möchtest du ein Erinnerungsphoto, James?“, Jack hatte während meines Ausbruchs neben mir gestanden und lächelte über meine Begeisterung und auf einen Wink erschien nun ein Besatzungsmitglied der Black Pearl mit einer Kamera.

Das elektrische Licht beleuchtete den Grund des Meeres mit diffusem Licht, so das keine harten Schlagschatten entstanden und die Schiffsschraube wurde so reguliert, dass die Black Pearl einige Minuten lang in dieser Tiefe verharrte. Dann hatten wir ein vorzügliches Negativ. Auf dem Positiv sind urweltliche Felsen zu sehen, die niemals das Licht der Sonne gesehen hatten, höchste Zähne des Granitkerns der Erde, von absolut lebensleeren Grotten durchzogen. Und im Hintergrund die Wellenlinien eines urweltlichen Gebirges, all das aus glatten schwarzglänzenden Felsen, fleckenlos und ohne eine Spur des Algenbewuchs, in seltsamen und doch klar profilierten Formen.

Das Bild war kaum fotografiert, da löste sich Jack von meiner Seite, „Wir sollten es nicht übertreiben, James. Die Black Pearl darf einem derartigen Druck nicht zu lange ausgesetzt werden, halt dich fest!“

Noch bevor ich den Sinn seiner Worte begriff, wurde ich auch schon zu Boden geschleudert. Erst nach einigen Sekunden begriff ich, dass die Schraube aufgehört hatte zu arbeiten und dass die Höhenruder nun vertikal standen. Die Black Pearl schoss wie ein prallgefüllter Ballon in die Höhe, durchschnitt mit wahnsinniger Geschwindigkeit die Wassermassen und sprang wie ein fliegender Fisch über die Wasseroberfläche hinaus. Dann aber fiel sie zurück in ihr Element.

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Ich hatte gedacht, spätestens auf der Höhe von Kap Horn würde Jack von seinem strikten Südkurs abweichen und wieder in die sicheren Gewässer des stillen Ozeans zurückkehren, aber nichts dergleichen geschah.

Am 14. März kamen André und Theodore ohne anzuklopfen in mein Zimmer und ich konnte mir schon denken, dass es wieder einmal ein Gespräch über eine mögliche Flucht werden würde. Lange Zeit hatten wir nicht mehr davon geredet, aber auch ich musste zugeben, dass der strikte Südkurs auch mir Zweifel an Jack bescherte. Immerhin würde er uns direkt zum Südpol führen!

„Eine einzige Frage, Professor.“, Theodore stützte sich auf meinen Schreibtisch und fixierte mich, „Wie viel Mann Besatzung befinden sich an Bord der Black Pearl?“ „Ich weiß es nicht.“, ich hatte selten ein Besatzungsmitglied gesehen und Jack auch niemals danach gefragt. Aber, Theodore ließ sich nicht beirren, „Die Manöver, die wir bisher gesehen haben, kann man auch mit wenigen Leuten ausführen.“ „Das stimmt, dafür benötigt man vielleicht nur zehn Mann.“, gab ich, während ich mich beherrschen musste, nicht nervös hin- und herzurücken, zu. Aber, ich sah dem Kanadier fest ins Gesicht, „Die Black Pearl ist nicht einfach ein Schiff, sie ist ein Asyl für Menschen, die ganz wie Jack die Verbindung zur obigen Welt abgebrochen haben!“

„Das kann schon sein, aber schließlich ist das Fassungsvermögen des Dampfers begrenzt.“, mischte sich mein Diener ein, „Sir kann sicher ausrechnen, wie viele Menschen höchstens an Bord sein können.“ Dieser Ton bei meinem André war mir völlig fremd und ich musste mehrfach schlucken, bevor ich eine Antwort hervorbrachte, „Aber warum? Wie stellst du dir das vor, mein Guter?“ „Sir kennen sowohl das Volumen der Black Pearl, als auch wie viel Luft ein Mensch zum Atmen braucht. Außerdem ist Sir bekannt, dass wir alle 24 Stunden zum Luftholen auftauchen. Also, eine ganz einfache Textaufgabe.“ „Aber, die Lösung kann nie auf den Mann genau sein, der Grad der Verbrauchtheit unser Luft steht nie fest!“, wandt ich ein, aber der Blick wütende Theodores brachte mich dann doch dazu es auszurechnen, „Also schön. Ein Mensch verbraucht in 24 Stunden 2400 Liter Sauerstoff und das Volumen der Black Pearl beträgt 1500000 Liter. Das entspricht ziemlich genau der Luft, die 625 Menschen in 24 Stunden verbrauchen. Aber, ich glaube dennoch nicht, dass sich mehr als 60 Menschen an Bord befinden.“

Theodore warf mir einen vernichtenden Blick zu und ging dann. André blieb bei mir und schüttelte voller Bedauern den Kopf, „Ich fürchte, er wird gemütskrank. Er ist kein Gelehrter, die Fische des Ozeans lassen ihn kalt…Er täte alles für eine Schänke. Ich…wünschte, ich könnte ihm viel besser helfen und ihm genügen.“

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Selten war hier an Bord für André und Theodore Gelegenheit sich leidenschaftlich zu erhitzen, das musste ich mir eingestehen. Und die Gemütsverfassung meiner beiden Freunde wäre mir auch bedenklich geworden, wenn nicht der 14. März ein ungeahntes Erlebnis gebracht hätte.

Wir gerieten gegen 11 Uhr unter eine Familie Walfische.

Der Wal hatte in der Geschichte der Erdaufklärung eine große Rolle gespielt. Die Fischer, die ihn verfolgten, achteten die Gefahren nicht und drangen immer weiter ins Unbekannte vor. Ein großer Teil der Entdeckungen in den nördlichen und auch südlichen Meeren geht auf die Wale als Leitfiguren zurück.

Wir saßen an diesem sonnigen Tag auf der Plattform und genossen die Fahrt. Der März, der Oktober dieser Breiten hatte sehr schöne herbstliche Tage, die Sonne schien warm und nur wenige Wolken trübten das Blau des Himmels.

Plötzlich machte Theodore den schwarzen Rücken eines Wales in wenigen Seemeilen Entfernung am östlichen Horizont aus, „Ach, wäre das eine Lust! Wenn ich an Bord eines Walfängers wäre! So ein stattliches Tier! Tausend Teufel!“ Der Harpunier ließ entmutigt den Kopf hängen und ballte die Fäuste, „Warum nur? Warum bin ich an dieses Stück Eisen geschmiedet?!?“ „Immer noch Harpunier?“, lächelte ich und betrachtete die wunderschönen Tiere, die vor den Harpunen sicher waren, „Sie haben hier unten noch nie harpuniert?“ Er schüttelte den Kopf, „Nein, nur in der Beringstraße und den umliegenden Gewässern.“ „Dann wäre die Beute hier also neu für Sie?“, Theodore funkelte mich überheblich an, „Wieso neu? Ich kenne doch Wale!“ „Ja, aber die Tiere aus dem Nordmeer kommen nicht bis hier hinunter.“, aber Theodore schüttelte den Kopf, „Das können Sie mir nicht erzählen, Professor. Ich habe bei Grönland einen Wal erlegt, in dem steckte eine Harpune eines Walfängers aus der Beringstraße. Wie soll der Wal aus einem Meer im Westen Amerikas in ein Meer östlich von Amerika gekommen sein?“

Ich wollte protestieren, aber plötzlich richtete sich die ganze Aufmerksamkeit Theodores wieder auf die Wale, „Wie er bläst! Sehen Sie sich das an! Er verhöhnt mich! Er weiß, dass ich machtlos bin!“ Er schien sich in seine Wut hineinzusteigern, so dass ich schnell nach etwas überlegte, um ihn damit irgendwie auf andere Gedanken zu bringen, „Die Tiere hier sind übrigens kleiner als die in den nördlichen Breiten.“ „Glaub ich gern, ich habe dort Tiere von 50 Metern Länge gesehen…“, er nickte und ich musste lachen, „Nun, das ist vielleicht doch etwas übertrieben, Theodore.“

„An einem Wal ist nichts Übertriebenes! Lauschen Sie einmal den Geschichten der Walfänger, anstatt sich in Ihre Bücher zu vertiefen, Professor! Wale sind nicht nur groß, sondern auch gescheit. Manchmal bedecken sie sich mit Algen und Seegras, so dass man sie für eine Insel hält…man lässt sich arglos darauf nieder…“

„Zündet sein Feuerchen an.“, warf ich ein.

„Baut sein Häuschen darauf.“ , ergänzte André.

„Und dann taucht das Tier unter und zieht alle mit in ein eisiges Grab.“, fuhr Theodore ungerührt fort und auch mein sonst so ernster André ließ sich scheinbar anstecken, sang er doch nun, „Auf flücht’gem Grund…ha-ha-habt ihr gebaut!“

„Wie alt können Wale werden?“, André sah fragend zwischen uns hin und her und ich antwortete schließlich, war Theodore doch schon wieder in die Betrachtung der Wale versunken, „Man nimmt an, weit über 1000 Jahre.“ „Warum?“, André klang überrascht, „Vor 400 Jahre waren die Wale größer und die geringe Größe der heutigen wird darauf zurückgeführt, dass es sich nun nur um Jungtiere handeln würde.“

Theodore hob die Hand, beinahe als ob er eine Harpune werfen wollte und ich war wirklich mehr als dankbar, dass er unbewaffnet war. „Warum fragst du nicht beim Captain, ob du Jagd machen darfst?“, mir blieb bei dem Vorschlag Andrés beinahe das Herz stehen, und ich war froh, als Jack wenige Minuten später den Kopf schüttelte, „Nein.“

„Was soll das heißen?“, Theodores Wut flammte wieder auf und ich trat an Jacks Seite, während dieser mit ruhiger Stimme seine Entscheidung wiederholte, „Nein. Auf diese Tiere wird keine Jagd gemacht.“ „Ich hör ja wohl nicht richtig!“, Jack wich nicht vor der heißen Wut zurück, sondern betrachtete zufrieden die friedliche Walfamilie, „Jagen, nur um der Vernichtung willen? Das kommt nicht in Frage. Wir brauchen nichts, was ein Wal uns liefern könnte.“ „Aber warum durfte ich im Roten Meer die Seekuh jagen?“, nun klang die Verzweifelung durch, aber noch immer ließ sich Jack nicht aus der Ruhe bringen, „Ich habe Frischfleisch für meine Mannschaft gebraucht. Hier hieße die Jagd, töten um des Tötens Willen. Ich weiß, dass der Mensch sich dieses Vorrecht als naturgegeben hervornimmt, aber bei mir gibt es das nicht. Diese Tiere haben mit ihren natürlichen Feinden schon genug zu tun, ich werde nicht zulassen, dass diese Gewässer ebenso veröden wie die Baffinsbai.“

Es war mehr als offensichtlich, dass Jack und Theodore sich in diesem Falle nicht miteinander verständigen konnten und schließlich wandt er sich an mich, „Ich sorge mich nicht umsonst um diese Tiere, James. Sie werden gleich in große Bedrängnis kommen. Siehst du die schwarzen Punkte am Horizont erkennen?“ Ich nickte und Jacks Lächeln wurde trauriger, „Es sind Pottwale und sie haben dieser Familie hier voraus, dass sie Zähne besitzen. Ein schädliches Gezücht, mit 200 oder 300 Tieren in der Herde. Die gehören ausgerottet und das werden wir auch gleich in Angriff nehmen!“

Ich wollte protestieren, aber dieses Mal war Theodore eindeutig schneller als ich, „Hat die Black Pearl dann genug…?“ „Keine Notwendigkeit, dass wir und dem Kampf hier oben aussetzen. Ich brauche keine Harpunen, der Schiffsschnabel der Black Pearl tut uns die gleichen Dienste.“ Er deutete auf den Niedergang ins Innere des Schiffes, aber ich war vor Entsetzen wie gelähmt und konnte ihm nicht folgen. Meine Gefährten folgten ihm schnell, Theodore scheinbar wenig beeindruckt von dieser Jagd, und bemerkten gar nicht, wie unsicher meine Schritte waren.

Die Black Pearl tauchte schnell, das Nahen der Wale ließ Jack keine Zeit mehr. Während meine Freunde vor den Fenstern des Salons Platz nahmen und sich die Jagd…Nein, das Massaker ansahen, zog ich mich still und ohne Jack noch eines Blickes zu würdigen, in meine Kabine zurück. Zum ersten Mal seit Wochen schloss ich meine Tür ab.

Eine Stunde dauerte das Blutbad und obwohl ich nichts sah, war es schrecklich.

Ich meinte die Schreie der sterbenden Tiere und das Kreischen der Black Pearl zu hören und ich fühlte auch die starken Vibrationen, wann immer unser Fahrzeug zwischen die Wale geriet. Später erfuhr ich, dass sich manchmal zehn oder Zwölf der bezahnten Tiere gleichzeitig auf uns stürzten und versuchten uns wie ein Spielzeug zu zerquetschen.

Nun, wir hatten überlebt und als sich das aufgewühlte Wasser um uns beruhigt hatte und wir aufgetaucht waren, stürzten wir alle hinaus auf die kleine Plattform.

Theodore und André trieb die Neugier.

Ich brauchte frische Luft.

Der erste Blick war ein Schock, über all um uns herum trieben die zerfetzten Leiber der Wale auf den blutroten Wellen. Unsere Füße standen knöcheltief in einer blutigen Masse und ich würgte. Eine Explosion hätte nicht mehr Schaden anrichten können, als die Black Pearl und ihr Captain.

„Na, Meister Groves.“, ich hatte Jack nicht kommen hören und auch Theodore schien wenig begeistert über die Gegenwart des Captains und die ‚Jagd’ zu sein, „Das war keine Jagd, Captain. Das war ein Massaker!“

Der Streit wäre wahrscheinlich aufgeflammt, aber gerade als Jack antworten wollte, trieb eine Walleiche, an der ein Pottwal gewütet hatte, in unser Blickfeld.

Der Wal schwamm auf dem Rücken und der Bauch war von Bissen zerfetzt. Am Zipfel einer Flosse hing aber ein Junges, das weder die Walmutter, noch Jack hatte retten können.

Jack gab den Befehl beizudrehen und zu meiner Überraschung sprangen, sobald das passiert war, zwei Matrosen auf den toten Leib der Walmutter. Sie begannen, zu meinem Erstaunen und Entsetzen die tote Walmutter zu melken und am Ende war die Black Pearl um drei Tonnen Milch reicher.

Jack bot mir eine Tasse dieser noch warmen Milch an und ich lehnte höflich, mich aber auch vor Ekel schüttelnd ab. „Trink ruhig, James. Sie ist von Kuhmilch nicht zu unterscheiden.”, er drückte mir die Tasse in die Hand und ich zögerte kurz. Aber, ich konnte mich nicht überwinden, so dass ich die Tasse einfach vor seine Füße ausgoss, bevor ich mich wütend und verletzt in meine Kabine zurückzog. Die Tür wurde verschlossen, aber Jack versuchte nicht einmal zu mir zu gelangen.

Und ich wusste nicht, was schlimmer war.

20000 Meilen unter den Meeren
 

Zwei sich unendlich lang hinziehende Wochen vergingen.

Ich schlief in dieser Zeit nicht nur alleine, sondern wechselte auch kein einziges Wort mit Jack. Er schien mir ebenso aus dem Weg zu gehen, wie ich es in den ersten Tagen nach dem Massaker an den Walen getan hatte. Aber, irgendwann ertappte ich mich dabei, wie ich ihn zu vermissen begann.

Ich vermisste unsere Gespräche, seine Stimme, seine Nähe, seinen Geruch…Ich vermisste einfach nur Jack.

Dennoch bemühte ich mich trotz allem irgendwie meine Routine aufrecht zu erhalten. Ich trat jeden Morgen auf die Plattform und hielt nach Festland, oder irgendetwas anderem, das mich ablenken würde, Ausschau und hoffte gleichzeitig aber auch aus tiefstem Herzen, dass auch Jack auftauchen möge.

Er tat es nie.

Nur seine erste Offizierin trat heraus, sprach jeden Morgen den gleichen unverständlichen Satz, bevor sie wieder, ohne meine Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen, ins Innere der Black Pearl verschwand. Ich blieb dann immer alleine zurück, man gestattete mir meistens etwa eine halbe Stunde auf der Plattform, bevor das Unterseeboot wieder untertauchte und ich mich in den Salon zurückzog.

Hier las ich, oder schrieb meine Erlebnisse in mein sich immer mehr füllendes Tagebuch, immer ein Ohr auf eventuelle Schritte meines Captains. Aber, alles was ich hörte waren die Maschinen oder manchmal auch beinahe verweht klingende Orgeltöne.

Die Zwei Wochen vergingen nur langsam und ich war froh, als ich schließlich bei meinem morgendlichen Rundgang auf der Plattform eine Abwechslung erspähen konnte. Laut Karte waren wir unter dem 55. Breitengrad und ich sah völlig fasziniert den ersten treibenden Eisblöcken zu. Sie waren nur sechs bis sieben Meter hoch, ragten aber dennoch wie steile Klippen aus dem grauen Wasser auf. André, den ich herbeigerufen hatte, sah dergleichen, ebenso wie ich, zum aller ersten Mal und deuteten schließlich aufgeregt auf einen blendend weißen Streifen, eine ferne Eisbank.

Auch wenn ich Jack nicht sah, so ahnte ich doch langsam, was er sich in seinen eigensinnigen Kopf gesetzt hatte: Den Pol.

Bald schon zeigten sich größere Blöcke, einige führten grüne Streifen, als liefe Kupfersulfat durch die unsichtbaren Adern des Eises, andere Blöcke strahlten wie Amethysten und je weiter südlich wir kamen, desto häufiger wurden diese Lebensinseln von kreischenden Polarvögeln bewohnt.

Jack war irgendwann neben uns getreten und betrachtete das Eis, sprach aber immer noch kein Wort und ignorierte uns…mich weiterhin. Ich beobachtete diesen für mich so wichtig gewordenen Menschen aus den Augenwinkeln und entdeckte dann und wann ein verheißungsvolles Strahlen in seinen Augen. Ich kannte dieses Strahlen, aber dieses Mal galt es nicht mir, sondern seinem neuen Abenteuer.

Ich war nicht mehr interessant.

Plötzlich erschien mir der Weg zum Pol, vorbei an den leergefegten Shetlandinseln, auch nicht mehr interessant und ich zog mich schwermütig in meine Kabine zurück. Ich erlebte nicht mit, wie sich das Eis, nachdem Durchbruch des Polarkreises, langsam um uns schloss, sondern las wiedereinmal im Logbuch der Black Pearl, von dem ich Teile mittlerweile auswendig konnte.

Meine Freunde versuchten wiederholt mich aus meiner selbstgewählten Einsamkeit zu reißen, aber auch ihre Erzählungen von Eisbergen, die wie feingeschnittene Minarette gewachsen waren oder von der sich ständig veränderten Eislandschaft, die in der Sonne wie ein Spiegel glänzte, interessierten mich nicht. Ich blieb stattdessen weiterhin in meiner Kabine und verließ sie auch nicht zu den Mahlzeiten.

Wozu denn auch?

Um alleine am Tisch zu sitzen?

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Diese trostlose Zeit und Fahrt ging noch zwei Tage so weiter, dann berichteten mir meine Gefährten davon, dass die Grenze, wo die Blöcke, Türme und Berge zu einer einzigen Eisdecke zusammengewachsen waren, erreicht wäre. André berichtete mir von einer unendlich weiten, strahlend hellen Ebene, auf der alles gefroren und kein Lebenszeichen zu sehen wäre.

Unsere Fahrt wäre, so sagten sie einstimmig, nun endlich zu Ende.

„Und nun?“, Theodore klang missmutig, „Was wird Ihr hochverehrter Captain nun anstellen, Sir?“ „Weiterfahren?“, ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, nicht wirklich interessiert an dem Gespräch und auch schon gar nicht an Jacks Entscheidungen. Der Kanadier schien nichts von meiner schlechten Stimmung zu merken, er lachte nur auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, „Das wäre wahrlich ein Meisterstück! Über die Eisdecke kommt niemand hinaus.“ „Dann wird Jack der Erste sein.“, ich wusste, dass ich nicht einmal annährend wie ich selbst klang, aber alles wozu ich mich aufraffen konnte, war ein leichtes sarkastisches Lachen, „Eine Mauer ist ein Ding, das die Neugier nur erhöht.“ „Aber, jeder weiß doch, was dahinter ist!“, protestierte Theodore und ich sah ihn erstaunt an, woraufhin er weitersprach, „Eis. Eis und noch viel mehr Eis.“

So einfach hatte ich mir den Pol nicht gedacht und als ich, um endlich einmal wieder einen klaren Kopf zu bekommen, auf die Plattform trat, bemerkte ich Jack erst, als er mich ansprach. Es war das erste Mal seit mehr als zwei Wochen, dass wir wieder ein Wort mit einander wechselten und sofort ärgerte ich mich wieder über seinen leutseligen Tonfall. Er klang beinahe, als wäre nichts vorgefallen, „Na, was meinst du, James?“

Ich ballte die Hände in meinen Taschen, bemühte mich aber meine Wut unter Kontrolle zu halten, obwohl es in mir kochte, „Wir. Stecken. Fest.“

„Du meinst also, wir stecken fest und können weder vor, noch zurück?“, er klang immer noch heiter und amüsiert und ich hasste ihn und seine ganze Art nun noch viel mehr!

„Sieht so aus.“

„Immer noch der Alte.“, er schlang lachend einen Arm um meine Taille und ich war so erstaunt, dass ich im ersten Moment gar nicht mitbekam, wie er mich zu sich zog. Erst als ich seine Körperwärme spürte, verstand ich, was eben passiert war. Aber, Jack ließ mir keine Zeit zu reagieren und sein Griff war besitzergreifend, „Aus dir wird wohl niemals ein Entdecker, James. Ich habe vor weiterzufahren und ich werde weiterfahren. Ich will nämlich zum Pol, zu jenem Punkt, an dem alle Meridiane zusammenlaufen.“

„Zum Pol?“, ich hatte es ja schon geahnt, aber dennoch hatte ich einfach noch einmal fragen müssen. Und, ganz wie ich es vermutet hatte, lachte Jack, „Ja, zum Pol und dann werde ich dich an diesem unbekannten Ort, an dem wir die ersten Menschen sein werden um Verzeihung bitten.“

Es gelang mir nicht gleich meinen Ohren zu trauen, aber schließlich hatte ich doch noch Sinn in Jacks letzten Satz gebracht, „Um Verzeihung?“ „Aber erst dann.“, Jack klang plötzlich wieder schroff, aber ich nickte, „Ich werde darauf warten.“ Mein Vertrauen in den Captain war plötzlich wieder da und ich hatte einen riesigen Kloß im Hals, „Sprenge die lächerliche Eisdecke! Schießen wir darüber hinweg!“

„Darüber? Nein, James. Unten hindurch.“, ich seufzte leise, wenn der Südpol vom Festland umgeben wäre, würden wir davor Halt machen, läge er aber im Wasser, so könnten wir darüber schwimmen. Mit der Black Pearl und Jack war eben alles möglich und Zweifel waren nicht angebracht.

Jack schien meine Gedanken wieder einmal erraten zu können, „Da die Eisdecke nicht höher als 100 Meter über den Meeresspiegel ragt, reichen die Blöcke unter Wasser nicht weiter als 600 Meter hinunter. Darunter liegt freies Meer und wir haben dort unten sogar viel wärmeres Wasser, als hier oben.“ Jack zog meine Hände nun in seine und wärmte sie sanft, in dem er darüber strich, „Die einzige Schwierigkeit könnte darin bestehen, dass wir längere Zeit ohne Lufterneuerung auskommen müssten.“

„Dann füllen wir eben die Reservetanks!“, ich strahlte Jack an und schaffte es sogar die Ironie in seiner Stimme zu ignorieren, „Ah, ich sehe, du lebst dich langsam in der Materie ein, Jamie. Ich wollte dir aber nur im Voraus sagen, welche schrecklichen Gefahren auf uns lauern könnten, damit du mich nicht unüberlegt schimpfen kannst.“ Ich schluckte meine Erwiderung hinunter und entschloss mich sein Spielchen mitzuspielen, „Immer heraus damit, Captain!“ „Nehmen wir mal an, der Südpol läge im Meer, das wäre dann aufgrund der Temperaturen gefroren und wir kämen nicht an die Oberfläche.“ „Ach und du kannst das lächerliche bisschen Eis nicht zertrümmern?“, ich legte allen Hohn und alle Ironie, die ich aufbringen konnte in meine Stimme und Jack zog mich in seine wärmende Umarmung, „Nun, ich denke du hast mich überzeugt und wir können die Fahrt wagen.“ Ich wollte schnauben, aber Jack unterband jede Lautäußerung mit einem Kuss.

Ich glühte, aber Jack ließ mich nicht los und schmunzelte, als ich erschreckt zusammenzuckte, als die Stimme der ersten Offizierin plötzlich hinter uns erklang und sie Jacks Befehle in der unverständlichen Bordsprache bestätigte oder vielleicht auch hinterfragte.

Ich nutzte die Gelegenheit zur Flucht und traf schließlich André und Theodore auf der kleinen Couch im Salon, „Wir fahren zum Südpol, André!“ „Wie es Sir beliebt.“, kam die phlegmatische Antwort, scheinbar war sein Phlegma von der herrschenden Kälte nur noch verstärkt worden. „Professor, Sie tun mir leid.“, der Kanadier stand auf und trat zur Tür, „Samt Ihrem Captain. Vielleicht werden Sie zum Pol kommen, aber zurückkehren wird niemand von Ihnen. Ich glaube, ich ziehe mich besser in meine Kabine zurück, bevor noch ein Unglück geschehen wird.“

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Am Nachmittag sah ich, dicht neben dem Captain stehend, zehn Besatzungsmitgliedern zu, wie sie mit Beilen und Pickeln das Eis rund um die Black Pearl aufzubrechen versuchten. Das Wetter war hell und klar und selbst die herrschenden Minusgrade waren dank der Windstille nicht unangenehm. Um 16 Uhr mussten auch Jack und ich wieder hinuntersteigen, und hinter dem Captain fiel die Luke ins Schloss. Jack lud mich ein, die Fahrt im Steuerhaus mitzuerleben und ich sagte nur zu gerne ‚Ja’.

Endlich begann unser neues Abenteuer.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Wir blieben unter Wasser auf dem 52. Meridian und nahmen Kurs direkt auf den Pol, von dem wir nun laut den Berechnungen noch etwa 2000 Kilometer entfernt waren. Mit unserer Geschwindigkeit von 26 Knoten konnten wir ihn innerhalb von nur 48 Stunden erreichen.

Nach etwa 36 Stunden begann die Black Pearl dann vorsichtig und kaum merklich zu steigen, Jack wollte prüfen, wann die Eisdecke zuende war. Ich bemerkte es kaum, sondern starrte vollkommen fasziniert in das vollkommen leere, vom Scheinwerferlicht hellerleuchtete Meer. Ab und an hörte ich ein nachhallendes Kratzen, wenn die Hülle der Black Pearl an den Eismassen über uns kratzte und dieser, beinahe klagende Laut jagte mir Schauer über den Rücken. Unwillkürlich rückte ich näher an Jack heran, der mich einige Stunden später dann aber doch ins Bett schickte.

Noch lagen 400 Meter Eis über uns und langsam wurde das Atmen schwerer.

Ich erwachte in dieser Nacht mehrmals und um drei Uhr hielt mich endgültig nichts mehr in Jacks Bett. Ich verließ die Kabine des Captains und lief unruhig durch das menschenleere Schiff. Wie von selbst landete ich dann aber doch wieder auf der Brücke und wurde von Jack mit einem Lächeln empfangen, „Es sind nur noch 50 Meter, James.“

Ich blieb, egal was man auch sagte, auf der Brücke und an Jacks Seite und erlebte so mit, wie das Eis über unseren Häuptern immer dünner wurde. Und endlich, um sechs Uhr, zog Jack mich in seine Arme und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, „Da vor uns, siehst du des? Das ist das offene Meer, James.“

Zusammen traten wir auf die Plattform hinaus und wirklich, um uns schwammen nur noch vereinzelt Eisblöcke und Millionen von Seevögeln bevölkerten die abwechselnd tiefblauen und olivgrünen Wogen. Um uns herum wimmelte es von Fischen und das Thermometer zeigte einen Frühling von drei Grad Celsius.

„Sind wir am Südpol?“, ich verschränkte meine Hand mit Jacks, aber er schüttelte nur den Kopf, „Das weiß ich nicht, ich muss erst den Stundenwinkel aufnehmen.“ „Die Sonne wirst du durch diesen Nebelvorhang kaum zu sehen bekommen.“, merkte ich an und deutete auf den zarten Nebelschleier, der aber dennoch dick genug erschien, um die Sonne auszusperren. Aber Jack, als der Optimist, der er nun einmal war, lachte nur über meinen Pessimismus, „Der geringste Deut langt mir.“

Zehn Seemeilen südlich unser Position ragte ein schroffe Insel empor und auf eben dieses Festland hielten wir nun zu. Jack ließ die kraftvollen Maschinen der Pearl nur langsam laufen, das Meer war ihm unbekannt und er wollte das Risiko auf ein unbekanntes Riff zu laufen, nicht eingehen.

Der Umfang der Insel betrug nur fünf Seemeilen und als wir näher kamen, entdeckten wir, dass nur ein schmaler Kanal sie von einer weiteren, dieses Mal weitaus größeren Landmasse, die bisher noch im Nebel gelegen hatte, trennte.

War dies vielleicht das Festland der Antarktis?

In einiger Entfernung zu dem Inselchen ließ Jack sein Schiff anhalten und wir setzen mit einem Boot über. Zwei Matrosen, Jack, André und ich bildeten die Mannschaft, Theodore zog es weiterhin vor in seiner Kabine zu bleiben.

Um zehn Uhr legten wir an dem steinigen Uferstreifen an und André wollte hinaus springen, woraufhin ich ihn am Kragen zurückhielt, „Jack…Dir gebührt diese Ehre, dieses Land als Erster zu betreten.“ „Ja, und ich setze meinen Fuß in dem Bewusstsein auf diesen Boden, dass ich der Erste bin.“, Jack sprang aus dem Boot und reichte mir dann sogleich die Hand, um mir ebenfalls aus dem Boot zu helfen. Gemeinsam erklommen wir einen Hügel, von dem Jack einen ersten Blick über sein neues Reich werfen konnte.

Der Boden bestand aus rötlichem Tuff, Schlacken und Lavarinnen verrieten den vulkanischen Ursprung und an einigen Stellen verkündeten Schwefelausdünstungen von immer noch anhaltender vulkanischer Aktivität. Die Vegetation hingegen war spärlich, nur wenige Flechten hatten das karge Gelände erobert und sorgten für vereinzelte grünliche Flecken in dem tristen Einerlei. Der Strand der Insel war von Muschel übersäht und zahlreiche Vogelarten pickten daran herum. Pinguine watschelten über die Steine und Strandläufer suchten nach Nahrung. Die Atmosphäre war von einem nebligen Dunst durchdrungen, der jede Betrachtung der Sonne unmöglich machte.

Ohne Stundenwinkelmessung konnten wir uns aber nicht sicher sein, ob wir uns wirklich am Südpol befanden und auch Jack war dies klar. Der Captain lehnte sich missmutig gegen einen Felsen, es war ihm deutlich anzusehen, dass er es verabscheute diese Situation einmal nicht beherrschen zu können. Ich griff nach seiner Hand und strich behutsam darüber, aber sein Blick blieb weiterhin missmutig auf den Nebelschleier gerichtet und er brummte unzufrieden.

Gegen Mittag zogen finstere Wolken am Horizont auf und heftiger Schneefall setzte ein. Enttäuscht und schlecht gelaunt kehrten wir zur Black Pearl zurück, immer noch mit dem festen Vorsatz es am nächsten Tag erneut zu probieren.

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Über Nacht hatte der Schneefall dann zwar doch wieder aufgehört, aber die Temperatur war merklich gesunken und die grauen Nebelschwaden befanden sich in reger Bewegung. Gegen elf Uhr erreichten wir die Insel und Jack ließ die Gerätschaften wieder von seinen Crewmitgliedern aufbauen, dieses Mal allerdings zehn Meilen weiter südlich, auf einer von Flechten und Moosen bewachsenen Ebene. Geduldig warteten wir die Stunde bis Mittag, aber auch heute wollte sich die Sonne uns nicht zeigen.

Das war allerdings mehr als ärgerlich, denn am 21. März hatten wir das Äquinoktium und die Sonne würde für sechs finstere Monate aus unserem Gesichtskreis verschwinden. „Morgen oder nie.“, flüsterte ich an diesem Abend in Jacks Ohr, als ich ihn zu mir ins Bett zog, „Genau und morgen ist es besonders leicht. Ich brauche nur meine Uhr zur Messung, denn morgen wird die Sonne vom Horizont genau in zwei Hälften geteilt. Nur dann befinden wir uns am Südpol.“ „Jack?“, ich strich über seine Seite, „Die Messung wird nicht exakt sein…Du musst das nicht tun, nur um dich zu entschuldigen…Ich bin dir nicht mehr böse…“ „Die Abweichung beträgt aber nur wenige Meter, und ich möchte dir den Pol aber zum Geschenk machen, Jamie.“, lautete die verschlafene Antwort und mir fiel keine Erwiderung mehr ein, weshalb ich Jack einfach nur enger zu mir zog.

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Am nächsten Morgen traten wir bereits um fünf Uhr früh auf die Plattform und Jack deutete erleichtert auf den Horizont, „Es klart endlich auf, nach dem Frühstück werden wir an Land gehen und suchen uns einen guten Platz zum Beobachten. Ich war einverstanden und verließ Jack nur noch kurz, um auch Theodore und André zu wecken, aber obwohl sie da sein mussten, öffneten sie uns nicht die Tür.

Um neun Uhr landeten wir an der Küste und Jack bedeutete mir, dass er seine Beobachtungsgeräte auf dem schroffen Berg errichten wollte. Der Aufstieg war in der schwefelhaltigen Luft nicht einfach, aber nach zwei Stunden erreichten wir endlich den Gipfel. Von hier oben erblickten wir ein weites Meer, das nur vom Horizont begrenzt wurde, und zu unseren Füßen ein Land, das von blendenden Schneefeldern durchzogen wurde. Fern im Wasser lag die Black Pearl, wie ein schlafender Wal.

Um 11:45 Uhr brach die Sonne durch, als Jack gerade mit dem Barometer die Höhe genommen hatte. Die goldene Scheibe, die ihre letzten Strahlen über den verlassenen Kontinent warf, war nur durch die Brechung der Lichtstrahlen sichtbar. Jack führte seine Beobachtungen durch und meine zitternden Finger hielten die Uhr. Wenn die Hälfte der Scheibe Schlag zwölf verschwunden wäre, dann stünden wir am Pol.

„Zwölf Uhr!“, meine Stimme zitterte vor Anspannung, aber Jacks Antwort kam ebenso ruhig und gelassen, wie immer, „Der Pol, James.“ Er trat von seinen Gerätschaften zurück und ließ mich durch sein Fernrohr sehen:

Das Gestirn wurde in zwei Teile zerschnitten.

Jack legte mir eine Hand auf die Schulter, „Ich habe lange überlegt, was ich sagen soll. Eine Rede über große Entdecker? Ein Sinnspruch von einem Philosophen? Nein, nichts erschien mir für diesen Moment richtig. Deshalb…Bitte verzeih mir, James.“ Ich schüttelte den Kopf und zog Jack in meine Arme, „Es gibt längst nichts mehr zu verzeihen, Jack.“

Nur kurz lehnte er sich gegen mich, dann sah ich auch im Dämmerlicht das vertraute, schelmische Funkeln in seinen Augen und ließ ihn sicherheitshalber los, „Was hast du vor?“ „Ich werde den Südpol in Besitz nehmen.“, bei diesen Worten entfaltete er eine schwarze Flagge, die als einzigen Schmuck einen roten Spatzen trug und stieß sie in den Boden. Die letzten Strahlen huschten über den Kontinent, zum vergehenden Tagesgestirn zurück, „Leb wohl unser neues Reich. Du beginnst mit sechs Monaten Finsternis.“

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Bereits um sechs Uhr früh trafen wir am nächsten Morgen die Vorbereitungen zur Abfahrt. Der letzte Widerschein der Dämmerung löste sich in das tiefe Dunkel der Polarnacht auf und am schwarzen Himmel zeigten sich die Sternenbilder in überraschender Klarheit. Die Temperaturen waren weiter gesunken und wenn nun der böige Wind ging, empfand man einen stechenden Schmerz, wo er auf unbekleidete Hautstellen traf.

Als das Thermometer nun mehr nur noch –12° Celsius zeigte, begann das Meer rings um uns zu gefrieren. Der graue Eisbrei verdichtete sich immer mehr zu dichten weißen Treibeis und bereits nach kurzer Zeit war klar, dass auch dieses offene Wasserbecken während der sechs Wintermonate zugefroren war.

Die Black Pearl tauchte auf Jacks Befehl gemächlich bis auf 300 Meter Tiefe, erst dann begannen sich die Schrauben zu drehen und wir stießen schließlich mit einer stetigen Geschwindigkeit von 15 Knoten nordwärts, bereit Jacks finsteres Reich zu verlassen. Schon gegen Abend ging es unter der unermesslichen Eisdecke her.

Die Fenster im Salon blieben, wohl aus Sicherheitsgründen, geschlossen und deshalb verbrachte ich den größten Teil des Tages an meinem Schreibtisch und versuchte meine Erlebnisse niederzuschreiben und die schon vorhandenen Notizen zu ordnen. Mein Kopf steckte aber noch immer voller Polgedanken:

Mühelos und ohne größere Gefahren waren wir bis zu diesem unerreichbarsten Punkt der Erde gelangt. Bequem, als seien wir mit der Bahn gefahren und ich begann mich zu fragen, was für Abenteuer diese Reise noch bringen würde.

Wir waren bereits seit fünf Monaten unterwegs, hatten mehr als 62300 Kilometer, somit mehr als 33000 Seemeilen zurückgelegt…Wir hatten in unterseeischen Wäldern gejagt, waren gestrandet, hatten Riesenperlen gesehen und einen Korallenfriedhof besucht, wir hatten gegen Haie gekämpft und Gold geborgen…Behutsam strichen meine Finger über die kostbaren Aufzeichnungen unserer Abenteuer, das einzige außer meinen Erinnerungen, was sie real machte…Ich hatte Atlantis gesehen und Jack gefunden…Mein Verstand war in diesen Tagen von Träumen bewegt, die mir all diese Erlebnisse immer wieder hervorbrachten und ich kam einfach nicht zu Ruhe, sondern sehnte mich nach mehr.

Nach mehr Abenteuer.

Nach neuen Erlebnissen.

Und danach bei Jack zu sein.

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Etwa um drei Uhr früh, schrak ich hoch, als ich einen heftigen Stoß spürte. Ich musste wohl irgendwann am Schreibtisch eingeschlafen sein. Sofort sprang ich alarmiert auf und horchte ins Dunkel herein. Ein zweiter Stoß folgte unerwartet schnell und stieß mich dann endgültig zu Boden. An der Schräge meiner Kabine bemerkte ich nun, dass die Black Pearl sich leicht zur Seite geneigt zu haben schien.

Ich tastete mich an den Wänden entlang, bis ich endlich in den von Lampenschein erhellten Salon gelangte. Die Möbelstücke waren umgefallen oder an eine Wand gerutscht, nur die festmontierten Schaukästen hatten ungerührt ihren Platz beibehalten. Die Gemälde an der rechten Wand langen fest an der Tapete an, die der linken pendelten mit dem unteren Rand frei, woraus ich schloss, dass die Black Pearl auf der rechten Seite liegen musste.

Die Besatzung des Schiffes schien in Aufruhr zu sein und ich wartete auf irgendeine Reaktion von Jack, aber nichts geschah. Jacks Stimme gab keine Befehle und er kam auch nicht zu mir. Stattdessen traten Theodore und André in ihren Schlafsachen in den Salon und stritten mal wieder halblaut.

„Was ist passiert?“, ich hoffte dass sie eine Erklärung hätten, aber André zuckte nur die Schultern und beraubte mich meiner Hoffnung auf Aufklärung, „Das wollten wir gerade von Sir wissen.“ „Was wird wohl sein!“, unterbrach uns der wütende Kanadier, „Wir sitzen irgendwo fest!“ „Sind wir dann an der Oberfläche?“, ich trat eilig an das Manometer und erschrak, befanden wir uns doch laut der Anzeige noch immer in mehr als 300 Meter Tiefe, „Das ist nicht gut, wir müssen sofort mit Jack…äh…dem Captain reden!“

Meine Freunde folgten mir, als ich mich ohne zu zögern auf die Suche nach Jack machte.

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Alle Zimmer, die wir auf unserer Suche durchquerten waren verlassen und ich zögerte die beiden mit in das Steuerhaus zu nehmen. Ich hatte Angst, dass Theodore seine Pläne ändern könnte und versuchen würde, die Black Pearl zu kapern und so führte sie, nach der ergebnislosen Suche wieder zurück in den Salon. Dort warteten wir unruhig auf den Captain oder irgendjemand anderen, der uns eine Erklärung geben könnte. Während dieser Zeit lenkte uns Theodore, der die nächsten 20 Minuten sehr anschaulich vor sich hinfluchte, von unseren Sorgen und Befürchtungen ab.

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Als Jack schließlich doch eintrat, schien er uns erst gar nicht zu bemerken und so bekam ich einen kurzen Moment, um ihn genauer zu betrachten. Auf seinem sonst so ruhigen Gesicht entdeckte ich Anzeichen von Sorge und Unruhe, als er an uns vorbei zum Manometer trat. Er verzog keine Miene, als er es ablas, aber ich kannte ihn inzwischen gut genug, um die Anspannung zu erkennen.

Dennoch sprach ich ihn an, „Ein Zwischenfall, Jack?“

„Nein, dieses Mal ist es ein Unfall.“, seine Stimme verriet nichts über seine momentane Gefühlslage und ich ballte ärgerlich die Fäuste, „Was Ernstes?“ „Vielleicht.“ „Unmittelbare Gefahr?“, ich hörte nun doch deutlich die Sorge in seiner Stimme und trat, egal was meine Freunde nun auch denken mochten, an seine Seite, „Bitte, sag es mir.“ Ich hasste es, wenn er versuchte mir etwas zu verschweigen oder sich die wichtigen Informationen nur schwerlich und mühevoll entlocken ließ, „Nein. Keine unmittelbare Gefahr, Jamie.“ „Was ist denn aber passiert?“, mischte sich nun der ungestüme Theodore ein und Jack musterte ihn kurz, bevor er sich dann aber doch zu einer Antwort herabließ, „Ein ungeheurer Eisblock, ein ganzer Berg hat sich gedreht. Wärmere Wasserströme und Stöße schleifen die Eisblöcke an ihrer Basis ab, ihr Schwerpunkt verlagert sich und die Massen drehen sich…stürzen um. Und von einem solchen Sturz hat die Black Pearl etwas abbekommen, das Eis hat sich unter das Schiff geschoben und es in die Höhe gehoben.“ Jack berichtete das zwar ruhig, aber in seinen Augen flackerte es unruhig und er hielt meine Hand so fest, dass es beinahe wehtat „Der Eisblock ist noch im Steigen begriffen, wie das Manometer verrät. Erst, wenn er aufgehalten wird, haben Manöver einen Sinn.“

Sofort kam mir der Gedanke, dass der Auftrieb des Eises erst durch die Eisdecke an der Oberfläche gebremst werden könnte, woraufhin die Black Pearl zwischen den beiden Massen zerquetscht werden würde. Ich wagte nicht davon zu sprechen, erkannte aber in Jacks Augen, dass das auch nicht nötig wäre. Er kannte diese Gefahr und hegte die selbe Angst wie ich. Und, während wir nun beide den Zeiger des Manometers wie gebannt verfolgten, bekamen Theodore und André nichts davon mit, stritten sie doch schon wieder über irgendetwas sicher vollkommen belangloses, angesichts unser gefährlichen Situation.

Als wir noch etwa 50 Meter gestiegen waren, ging ein leichtes Zittern durch den Schiffsrumpf und wir merkten, dass sich der Boden wieder begradigte und die Bilder nun auch wieder an den Wänden anlagen. Jack verließ nun das Manometer und machte auch Anstalten den Salon ohne weiteres Wort zu verlassen. Eilig griff ich nach seiner Hand und hielt ihn auf, „Werden wir wieder flott?“ „Sicher.“, er nahm meine Hand in seine und strich sanft darüber, „Wir können immer noch die Tauchtanks entleeren, um höher zu steigen. Keine Angst, Jamie.“ Nun ging er endgültig und während ich ihm noch nachsah, hörte ich André an meine Seite treten, „Da sind wir ja noch einmal gut davongekommen.“ Er klang erleichtert, eine Erleichterung, die mir Sorgen bereitete, aber natürlich war Theodore wieder einmal vollkommen anderer Meinung, „Wenn wir das denn schon sind!“

Zum Glück musste ich mich auf keine weitere Diskussion mit meinen Gefährten einlassen, gerieten sie doch nun schon wieder routiniert in einen Streit und hatten meine Gegenwart binnen Sekunden vollkommen vergessen.

Mir war es recht, denn nun öffneten sich die Fensterwände und erlaubten mir einen Blick hinaus. Allerdings war dieser Blick nicht besonders muteinflößend. Wir schwammen zwar in freiem Wasser, aber doch in einem Eistunnel, dessen Wände nur wenige Meter von der Hülle der Black Pearl entfernt waren. Das Dach unseres Tunnels war die Unterseite der mächtigen Eisdecke und die seitlichen Wände gehörten zu einer Rille, welche wohl die Vorsehung für uns in den Eisblock gegraben haben musste. Die starken Scheinwerfer der Black Pearl wurden von den uns umgebenden Eiswänden millionenfach reflektiert und erleuchtete auf diese Weise den Salon. Der Blick hinaus war wie in eine Edelsteinmine von blauem Saphir, weißem Diamant und grünem Smaragd.

„Wunderschön.“, André und Theodore schienen ihren Streit kurzfristig beigelegt zu haben, mein Diener war auf jeden Fall an meine Seite getreten und spähte nun hinaus in bunte Eiswelt. „Der schönste Sarg, den ich je gesehen habe.“, kommentierte Theodore den Anblick und wandt sich missmutig ab, „Das kann nicht für Menschenaugen bestimmt sein.“

Ich konnte ihn verstehen, es war einfach viel zu schön, aber bevor ich meine Meinung äußern konnte, schrie André auf und schlug die Hände vor das Gesicht. Theodore trat sofort an seine Seite und zog ihn in eine feste Umarmung, „Was ist denn los?“ „Nicht hinaussehen…“, er schmiegte sich förmlich in die Umarmung des Kanadiers, „Ich bin blind!“

Nun sah auch ich wieder zum Fenster, musste aber auch sofort wieder meinen Blick abwenden. Der Lichttunnel dort draußen war in Bewegung geraten und die Strahlungen und Spiegelungen hatten sich in ein gleißendes Feuer, in ein Bombardement von Blitzen, dem kein Auge stand halten konnte, verwandelt.

Endlich schlossen sich auch die Läden und das elektrische Licht im Salon flammte wieder auf. „Kein Mensch auf Erden, wird uns glauben, was wir gesehen haben.“, immer noch lag André in der Umarmung des anderen Mannes und keiner von beiden schien sich an der Situation zu stören, „Und alle Wunder der Erde werden uns schmächtig vorkommen. Wir sind zu erfahren für sie. Die Welt ist nichts mehr für uns…“

Ich war zu überwältigt, um zu antworten, das seltsame Verhältnis meiner beiden Freunde zueinander und die Überreizung meiner Sinne hatten mich seltsam teilnahmslos werden lassen, so dass ich auch im ersten Moment nicht bemerkte, dass meine Freunde mich zu einem Sessel geführt hatten. Schweigend warteten wir.

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20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Widmung…

Für meinen Vater.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Es war fünf Uhr früh, als die Black Pearl mit ihrem Bug auf einen Widerstand gestoßen war.

Ein Block, der den Tunnel versperrte?

Ein Manöver in der schmalen Rinne war nicht möglich und so dauerte es nicht lange, bis wir spürten, dass Jack das Fahrzeug zurücksetzen ließ. „Wir fahren rückwärts.“, ich flüsterte diese Worte nur, aber von Theodore kam nur ein höhnisches Lachen, „Nun werter Herr Professor, es sieht beinahe aus, als sei Euer famoser Tunnel an einer Seite ohne Ausgang!“ „Und wenn!“, mein Geduldsfaden war gefährlich dünn geworden, so dass ich nun giftig klang, „Dann fahren wir eben zum anderen Eingang hinaus!“ „Wenn Sie dort hinauskomme.“, kommentierte der Kanadier meine Worte schnippisch und nun konnte ich es nicht mehr länger ertragen. In meinem Kopf wirbelten ähnliche Gedanken herum, aber mein Vertrauen in Jack war dennoch grenzenlos.

Ich ließ meine Freunde in einem weiteren Streit hinter mir zurück und trat in die im Halbdunkeln liegende Bibliothek. Dort trat ich an ein beliebiges Regal und zog irgendein Buch hervor. Ich ließ mich in einem der Sessel nieder und meine Augen liefen nur mechanisch über die Zeilen.

Nach einer Viertelstunde hörte ich die Schritte Andrés und bemerkte, wie er an meine Seite trat. Ich fühlte seinen Blick zwar auf mir ruhen, reagierte aber nicht auf seine Anwesenheit. Auch mein Gefährte schwieg eine ganze Weile, bevor er sich schließlich zu mir hinunterbeugte, „Ein gutes Buch?“

„Ach ja…recht interessant.“, zerstreut blätterte ich die nächste Seite um und konnte Andrés Nicken nur erahnen, „Hab ich mir bald gedacht. Es ist das Werk von Sir.“ „Mein Buch?“, ich schlug die Titelseite auf und las meinen Namen und meinen Buchtitel. Eine leichte Röte hatte sich au meine Wangen gelegt, als ich das Buch schließlich zuklappte und zurück auf das Lesepult legte.

Ich ging nun, meiner Ablenkung beraubt, nervös auf und ab, legte die Hände auf den Rücken und schritte die komplette Länge der Bibliothek ab. Immer und immer wieder lief ich die gleiche Strecke und fühlte die ganze Zeit die Blicke von André und dem inzwischen auch dazugekommenen Theodore auf mir ruhen.

Die beiden wollten sich irgendwann zurückziehen, aber ich bat sie zu bleiben. Auf mich wartete nur Jacks leere Kabine und alleine zu sein war so ziemlich das Letzte, was ich mir im Moment wünschte. Das Warten dauerte Stunden, das peinliche Schweigen zwischen uns wuchs weiter und schließlich wagten wir nicht einmal mehr unsere Blicke zu heben.

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Um halb neun löste sich dann endlich die Starre des Wartens, ein Stoß brachte uns auf die Beine und ohne dass es jemand aussprach, hatten wir alle denselben schrecklichen Gedanken. Unsere Blicke irrten umher, auf der Suche nach Hilfe und André ergriff hilfesuchend die Hände des Kanadiers.

Jack kam herein, „Alle Wege sind abgeschnitten, James.“ Sein Gesicht wirkte abgekämpft und es lagen tiefe Ringe um seine Augen. Egal was meine Freunde nun sagen würden, ich sprang auf und zog Jack in meine Arme. Für einen Moment genoss ich die Nähe, dann wisperte ich meine Befürchtung in Jacks Ohr, „Aus?“ „Aus, James.“, er nickte und lehnte sich gegen mich, während Theodore wie ein wütender Stier aufsprang und den Tisch umwarf. Niemand tadelte ihn, André sah ihm nur schweigend zu und ich festigte meinen Griff um Jacks Taille nur noch mehr.

„Meine Herren, es gibt in der augenblicklichen Situation zwei Arten des Todes.“, Jacks Stimme war kühl und distanziert, „1. Wir werden langsam erdrückt. 2. Wir werden langsam ersticken. Den Hungertod halte ich für ausgeschlossen, denn unsere Lebensmittel reichen wahrscheinlich länger als unser Leben.“ „Wieso ersticken?“, ich ließ Jack los nun los, „Unsere Behälter sind doch mit Frischluft gefüllt!“ „Die reichen höchstens noch für zwei Tage. Wir sind bereits 36 Stunden unter Wasser, müssen also in spätestens 48 Stunden die Luft erneuern.“, Jack trat an das geschlossene Fenster und sah uns alle ernst an, „Also auftauchen.“ „Also, bedeutet dass, das wir uns in 48 Stunden freigearbeitet haben müssen?“, ich brauchte die Bestätigung und bekam sie auch, „Wir können es wenigstens versuchen. Die Pearl wird gleich aufsetzen, dann steigen meine Leute mit Taucherausrüstungen aus und sondieren. An der dünnsten Stelle hauen sie dann das Eis durch.“

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Wir setzten in 350 Meter Tiefe auf dem Eisgrund auf. De Fenster des Salons öffneten sich nun wieder und ich sah seufzend hinaus. Nach einigen Minuten hatte ich mich gefasst und konnte mich zu meinen Freunden umdrehen, „Meine Herren. Die Lage war noch nie so ernst…“ „Warum reden? Was sollen diese langen Reden bringen, Professor.“, Theodore hatte mich rüde unterbrochen, „Ich bin bereit mein Bestes für das Allgemeinwohl zu geben. Mir liegt eine Hacke ebenso gut in der Hand, wie eine Harpune. Ich stehe zur Verfügung.“ Gerührt drückte ich die schwielige Hand des Kanadiers und gemeinsam mit André begleitete ich ihn zur Schleusenkammer.

Danach postierten wir uns dann wieder vor dem immer noch offenem Salonfenster und beobachteten ängstlich eine etwa zwölfköpfige Gruppe in schwarzen Anzügen. Irgendeiner davon war Theodore und einer war Jack. Die Männer sondierten an mehreren Stellen die Eiswände und fanden schließlich heraus, dass der Boden unter uns zehn Meter dick war. Es galt also ein Stück Eis von 6500 Kubikmetern aus dem Boden herauszuschneiden, durch das Loch könnte die Black Pearl wieder in schiffbare Tiefen herabsinken.

Die Arbeit wurde unverzüglich in Angriff genommen und mit unermüdlicher Ausdauer durchgeführt. Statt um die Black Pearl herum zu graben, ließ Jack etwa acht Meter weiter seitlich eine Grube abstecken und ausheben, das vereinfachte die kommende Aufgabe. Da die losgemeißelten Eisblöcke leichter waren, als die gleiche Masse Wasser, stiegen sie behäbig schwankend zur Decke hinauf und was der Boden an Dicke abnahm, nahm die Decke nun zu.

Nach zwei Stunden harter körperlicher Arbeit kam Theodore erschöpft zurück und André und ich schlossen uns dem zweiten Arbeitstrupp, der nun an der Reihe war, an. Jacks erster Offizier führte uns an, als wir in das kalte Wasser stiegen. Das eisige Wasser erschien mir furchtbar kalt, aber die Arbeit mit Hacke und Pickel wärmten mich schnell auf und die Empfindung verschwand wieder. Ich bewegte mich vollkommen frei im Wasser, die 30 at waren nicht spürbar.

Als ich nach drei Stunden wieder an Bord des Schiffes zurückkehrte, um zu Essen und mich etwas auszuruhen, spürte ich bereits den Unterschied zwischen der reinen Luft aus den Atemgeräten und der Luft an Bord. Sie war nun seit 48 Stunden nicht ausgewechselt worden und hatte ihre belebende Wirkung beinahe eingebüßt.

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Nach zwölf Stunden harter Arbeit hatten wir gerade erst 1 Meter Boden von der abgesteckten Flächen ausgehoben, also gerade einmal 600m³ Eis bewegt. Wenn wir das Tempo beibehielten, dann brauchten wir nach meinen Berechnungen noch fünf Nächte und vier Tage, bis wir durch wären! Und dann würden wir noch einige Zeit unter der geschlossenen Eisdecke fahren müssen!

Während der Nacht wurde ein weiterer Meter Boden gelöst und als ich mich schließlich wieder meiner Arbeitsgruppe anschloss, entdeckte ich, dass sich die Tunnelwände Stück für Stück der Black Pearl näherten. Ich stellte fest, dass die unbewegten Wasserschichten eine erschreckende Tendenz zur Verfestigung zeigten.

Eine neuerliche Gefahr, die Eismassen drohten uns bei weiterer Verfestigung zu zerdrücken, die Black Pearl würde unter diesem Druck wie eine Glasfigur zerspringen. Ich verriet meine Entdeckung und meine Befürchtungen mit keinem Wort, durfte ich doch den Eifer, mit denen meine Freunde und Gefährten an unserer Rettung arbeiten, nicht lähmen.

Aber kaum war unsere Schicht vorbei, stürmte ich, noch im Taucheranzug zu Jack und zog ihn in eine Ecke. Ich berichtete ihn von meiner Entdeckung und war nicht sonderlich überrascht, als er nickte, „Ich weiß. Eine Gefahr mehr, aber ich weiß nicht, wie wir ihr begegnen sollten. Unsere einzige Chance wäre, der Verfestigung zuvor zu kommen.“

Zuvorkommen?

Wäre ich nicht an Jacks unbeugsamen Willen gewöhnt, so hatte ich ihn nun gepackt, geschüttelt oder sogar geschlagen. Aber, ich war an Jack gewöhnt, so dass ich mich nun knurrend wieder für eine weitere Schicht im mehrere Minusgrade kalten Wasser einteilen ließ. Wütend hieb ich den restlichen Tag auf die Eisblöcke ein. Es war nicht nur eine moralische Maßnahme, sondern auch wesentlich erfrischender als der Aufenthalt in der verbrauchten Luft der Black Pearl.

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Ein weiterer Meter am Abend, und bei der Rückkehr bereits das unangenehme Gefühl des Erstickens. Ich ertappte mich dabei, wie ich wehmütig an die Chemie und ihre Möglichkeiten der Lufterneuerung dachte. An Sauerstoff hätte es uns nicht gefehlt, das uns umgebende Wasser enthielt genug davon. Aber die Innenräume der Black Pearl waren zum Bersten mit giftiger Kohlensäure gefüllt und die konnten wir nicht entfernen. An diesem Abend öffnete Jack zum ersten Mal die Hähne der Reservebehälter und ließ frische Luft zu. Ohne diese Maßnahme wären wir am nächsten Morgen sicher nicht mehr aufgewacht.

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Die nächste Lage an Eisblöcken stieg zur Decke empor, aber inzwischen war es schon offensichtlich, dass die Eiswände zuwachsen und die Black Pearl zerquetschen würden. Meine Verzweifelung wuchs und die Hacke entglitt meinen Händen. Warum tat ich das eigentlich? Egal wie sehr ich mich auch bemühen würde, nichts was ich tat, konnte uns noch retten! Gerade als die Verzweifelung überhand nehmen wollte, spürte ich, wie mich jemand…wie mich Jack umarmte. Ich drehte mich in seinen Armen und deutete auf die nun nur noch knapp vier Meter entfernten Eiswände. Jack nickte und bedeutete mir dann ihm an Bord zu folgen.

An Bord nahmen wir die Helme ab und zogen uns zu einer ernsten Besprechung in die Bibliothek zurück, „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, James.“ Ich nickte, „Ja, aber was?“ „Die Vereisung geht auf allen Seiten voran, wir müssten uns also rundherum wehren..“, Jack trat seufzend an die Fensterwand und sah den Arbeiten draußen schweigend zu. Ich trat an seine Seite und überlegte leise, „Wie lange reicht unsere Luft noch?“ „Bis übermorgen.“, Jacks Blick wurde abwesend und ich konnte den Widerschein von Ideen in seinen Augen sehen. Aber jede Idee, die seine Augen kurzzeitig zum Leuchten brachten, schien ebenso schnell auch wieder verworfen zu werden.

Plötzlich strahlte er, „Kochendes Wasser.“

Überrumpelt starrte ich ihn einige Sekunden sprachlos an. Als ich dann aber meine Stimme wiedergefunden hatte, fragte ich leicht krächzend klingend nach, „Wie bitte?“ „Kochendes Wasser. Wir sind in einem ziemlich engen Raum eingeschlossen, wenn wir kochendes Wasser beständig hinauspumpen würden, müsste es die Vereisung um uns herum aufhalten.“, eilige folgte ich dem Captain in die Küche, wo riesige Destilliergeräte aus Meerwasser Trinkwasser gewannen. Die Bronzenen Rohrschlangen wurden mit Wasser gefüllt und beheizt, so dass es bereits nach wenigen Minuten kochte und hinausgepumpt werden konnte.

Während der Nacht stieg das Thermometer immer weiter an und schließlich hatten wir am Morgen eine Temperatur jenseits des Gefrierpunktes von Wasser erreicht, so dass wir nun nur noch das Ersticken fürchten mussten.

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Es war eine einfache Rechnung:

Sechs Meter beseitigt.

Blieben also noch vier Meter über.

Und für diese vier Meter bräuchten wir 48 Stunden.

Die Luft an Bord war nun kaum mehr zu atmen, die Glieder wurden uns schwer und auch unsere Moral sank immer weiter. Ich lag beinahe kraftlos auf der Couch in der Bibliothek, als sich André vor mich kniete und meine elende Gestalt musterte, „Wie gern gäbe ich mein Leben für Sir.“ Diese Treue trieb mir die Tränen in die Augen und ich quälte mich wieder mühsam auf die Beine, um mich einer der Arbeitsgruppen anzuschließen.

Die reine Luft aus den Atemgeräten lockte und da ich nicht der Einzige war, dem es so erging, machte die mühevolle Arbeit gewaltige Fortschritte. Dennoch blieb niemand länger als die zwei Stunden draußen und wir alle traten klaglos unsere frische Luft an unseren keuchenden Ersatz ab.

Am Abend trennten uns nur noch zwei Meter vom freien Meer, aber auch die Luftbehälter waren nun vollkommen leer und es gab keine Lufterneuerung mehr, da die letzten Reserven für die Arbeiter aufgehoben wurden.

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Am nächsten Morgen brauchte ich lange, um zu Bewusstsein zu kommen. Ich fühlte mich, als ich alleine in Jacks Bett erwachte, elend und auch Jacks Entscheidung die Arbeiten mit Hacke und Pickeln einzustellen und die restliche Barriere mit dem Gewicht der Black Pearl zu beseitigen. Jack war ebenso geschwächt wie wir, aber seine moralische Festigkeit stand alle Anfeindungen durch und niemand hinterfragte seine Befehle.

Jack ließ, als alle wieder an Bord waren, die Black Pearl leicht steigen, bevor er dann die Ausgleichtanks öffnete. 100m³ Wasser stürzten hinein und drückten unser Fahrzeug hinunter. Atemlos warteten wir, würde der Stoß das Eis zerbrechen?

Zu dem lauten Summen in meinem Kopf kam nun ein dumpfes Dröhnen und ein Bersten und plötzlich sackten wir durch das Loch und fielen wie eine Bleikugel dem Grund entgegen. Sofort sprangen die Pumpen an und schleuderten das Wasser wieder hinaus, so dass die Abwärtsbewegung abrupt gestoppt wurde. Das Dröhnen der Schraube war nun das einzige Geräusch und bald schoss die Black Pearl nach Norden.

An all das erinnerte ich mich nur noch verschwommen, zu dem Zeitpunkt lag ich mit blau angelaufenen Lippen und beinahe leblos auf der zierlichen Couch in der Bibliothek. Es war, dem war ich mir sehr wohl bewusst, der beginnende Todeskampf, aber es war mir in diesem Moment vollkommen gleichgültig.

Plötzlich kam ich wieder zu mir, als wunderbare, klare Luft meine Lungen füllte. Hatten wir es etwa geschafft? Waren wir an der Oberfläche? Irgendwie gelang es mir die Augen zu öffnen, aber dann merkte ich schnell, dass wir uns immer noch in der unheilvollen Tiefe befanden. Die frische Luft stammte aus einem Atemgerät, das meine Freunde irgendwo für mich aufgetrieben hatten. Ich sah, dass auch sie kurz vor dem Erstickungstod standen und wollte die Maske von meinem Gesicht nehmen, aber mit vereinten Kräften erstickten sie meinen Protest und zwangen mich zum Weiteratmen.

Nach einer Weile vermochte ich den Kopf zu drehen und sah auf dem Manometer, dass wir uns nur in sechs Metern Tiefe befanden. Nur noch eine dünne Eisdecke konnte uns von der Rettung trennen! Zerbrechen, das war mein erster klargefasster Gedanke und schon spürte ich, wie Jack die Black Pearl zu eben jenem Manöver ansetzen ließ. Das Schiff fuhr wie ein Rammbock gegen die Masse über uns. Der erste Stoß war vergeblich, aber der zweite brachte einen ersten Riss und beim dritten Mal zerbarst die Eisdecke.

Luft.

Frische Luft strömte hinein.

20000 Meilen unter den Meeren
 

Orca…Ja, es fehlt nicht mehr viel, wir sind nun am Anfang von Kapitel 27, aber ich habe hier schon die nächste Geschichte in Planung. Wieder Jules Verne und wieder passt die angestrebte Rollenverteilung perfekt ^-^ Allerdings wird das erst meine diesjährige Weihnachtsgeschichte, demnach dauert es noch etwas. Ich danke dir auf jeden Fall für dein Review, es ist schön, dass diese Geschichte wenigstens einen Leser hat ;) Danke.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Seltsamerweise waren meine Gefährten und ich aber die einzigen Personen die sobald die Luken geöffnet wurden an Deck stürmten. Es kümmerte uns nicht, wo genau wir waren, sondern es zählte nur die Luft, wir soffen uns damit förmlich voll damit, bis unsere Lungen zu bersten schienen. Dennoch blieben aber sowohl Jack, als auch die Mannschaft der Black Pearl weiterhin unsichtbar.

Das Schiff begann bald darauf wieder reißende Fahrt zu machen und wieder einmal erschien es beinahe so, als ob Jack kein festes Ziel hätte. Ende März befanden wir uns bereits gegenüber des Kap Hoorns, der Südspitze Amerikas.

An diesem Abend entschied sich, dass wir im Atlantik bleiben würden und schon am nächsten Abend lag westlichen von uns die Küste Feuerlands. Jack tauchte in diesen Gewässern ausgiebig und da auch die Beobachtungsfenster geöffnet worden waren, konnte ich meine Aufzeichnungen über die Meeresflora und Fauna vervollständigen.

Als wir vor den Falklandinseln auftauchten, ließen sich Hunderte von Gänsen und Enten auf der Plattform nieder und eine Vielzahl dieser Tiere landete in der Küche der Black Pearl. Später, als wir wieder tauchten, begleiteten uns seltene Trichterfische und eine ganze Flottille von irisierenden Quallen, aber in der ganzen Zeit sah ich Jack nicht einmal. Nach wie vor schlief ich in seinem Bett, aber ich erwachte jeden Morgen ebenso alleine, wie ich am Abend eingeschlafen war, und langsam begann ich ihn immer mehr zu vermissen.

Die brasilianischen Gewässer durchquerten wir so eilig, dass der Verdacht aufkam, dass sie Jack nicht behagen würden. Er stürmte, immer den Buchtungen der amerikanischen Küste folgend, nach Norden. Bereits nach wenigen Tagen passierten wir die östliche Spitze des Kontinents und konnten uns bei ausgedehnten Tauchfahrten die gewaltige Mündung des Amazonas betrachten.

Französisch-Guayana brachte mein Blut voller Angst in Wallung, es schien der erste sicherer Hafen für eine Flucht zu sein, aber zum Glück war die See so rau, dass noch nicht einmal Theodore es wagte von einer möglichen Flucht zu reden.

Es gab auch genug Ablenkung, denn zwei Tage lang verbrachten wir aufregende und vergnügliche Stunden beim Fischen. Übervolle Netze, voller Pflanzen und Tiere wurden an Bord gezogen und ich konnte mich an dem Atemreichtum kaum Sattsehen. André hatte andere Probleme, ein Rochen, etwa 20 Kilo schwer, brachte meinen Diener in Bedrängnis. Das Tier zappelte auf der Plattform und versuchte auf irgendeinem Weg wieder ins Meer zu gelangen, als André sich mutig auf den Rochen warf und brüllte, „Oh Theo…Hilf mir.“ Der Kanadier ließ sofort sein Netz los und zog den zuckenden Körper an sich. Es dauerte eine Weile, bis mein Diener sich wieder artikulieren und den Fisch bestimmen konnte, diese Zeit verbrachte er aber sicher und geborgen in Theodores Armen, „Es ist ein Zitterrochen und, ich werde mich an ihm rächen!“ „Und wie?“, ich hatte mich vor Theodore und André gekniet und versuchte meine Belustigung zu verbergen, was mir aber nicht wirklich gelingen wollte. „Ich werde ihn essen. Heute Abend kommt er auf meinen Teller!“, André mochte phlegmatisch sein, aber er bestand auf seiner Rache.

Leider war Rache in diesem Fall nicht süß, sondern verdammt zäh.

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Unser nächstes Ziel war Martinique, allerdings tauchten wir vor der Insel nicht auf. Ich war nicht traurig über Jacks Entscheidung, denn der Fischreichtum in diesen warmen Gewässern fesselte mich, bewaffnet mit meinem Tagebuch und einem Stift an den Salon. Ich vergaß vor lauter Forschungsdrang nicht nur die Mahlzeiten einzunehmen, sondern sogar meine Sehnsucht nach meinem Captain und die Einsamkeit, die mich in letzter Zeit immer häufiger packte und leiden ließ.

Wir fuhren in 500 Metern Tiefe und die Pflanzen, die wir an den steilaufragenden Felswänden sahen, schienen einer riesenhaft vergrößerten Welt anzugehören. Unweigerlich kam unser Gespräch auf riesenhafte Meerestiere und kurz vor Mittag machte Theodore mich darauf aufmerksam, dass der Tangwald vor unserem Fenster in Bewegung geraten war. „Diese Tangwälder sind wahre Polypenhöhlen, es würde mich nicht wundern, wenn wir eines dieser Tiere zu sehen bekommen würden.“, ich betrachtete gleichmütig das Tangwäldchen, und bekam nur am Rande mit, dass ein höhnisches Lächeln auf Theodores Züge getreten war, „Simple Kopffüßler.“ „Nein.“, ich fühlte mich beflissen die Tiere zu verteidigen, „Riesenhafte Meerespolypen.“ „Ach Professor, diese Märchen kenne ich auch.“, der Kanadier schüttelte lachend den Kopf, „So ein Ding möchte ich anfassen bevor ich daran glauben werde.“ „Aber, es ist schon vorgekommen, dass Kraken Schiffe in den Abgrund der Tiefe gerissen haben.“, belehrte ihn nun André, der inzwischen an seine Seite getreten war, aber es schien nicht wirklich viel Eindruck auf den Harpunier zu machen, „Ach, und wer hat dir das erzählt, André? Ist vielleicht eine Meerjungfrau aufs Deck gesprungen und hat es dir ins Ohr geflüstert?“ „Meine Herren.“, versuchte ich zu beschwichtigen, aber mein sonst so phlegmatischer Diener hatte sich bereits in der langerprobten Kampfhaltung vor Theodore aufgebaut und drückte ihm mit jedem Wort, das er sprach, den Zeigefinger in die Brust, „Ich. Bin. Selber. Zeuge. Eines. Solchen. Unglücks!“

„Was? Wo? Wann“, nun war auch ich erstaunt über diese neue Information und selbst der Kanadier ließ ihn überrascht weiterreden, „In Saint Malo.“ „Ah, in dem entzückenden kleinen Hafen sicherlich?“, wieder klang Theodore eher amüsiert, aber André ließ sich nicht beirren, „Nein, es war in der Kirche.“ „In der Kirche?“, Theodore und ich fragten unisono, aber noch immer brachte unser Unglaube meinen Freund nicht aus der Ruhe, „Ein Gemälde darin stellte den fraglichen Polypen da.“ „Oh, André! Ich glaube dir, weil es so herrlich absurd ist!“, Theodore schien noch immer nicht zu wissen, ob er ihm mit Ärger oder Belustigung begegnen sollte, weshalb ich nun eingriff, „Nur ein Legende, Meister Groves. Aber, sie können auch Freunde von mir fragen, sie sahen im Indischen Ozean eine Krake von gigantischen Ausmaßen. Und im Pazifik fingen sie beinahe ein solches Tier. Mit Harpunen konnten sie ihm nicht beikommen und erst, als es jemandem gelang mit einer Schlinge eine Flosse zu erwischen, hatten sie eine Chance. Aber, das Tier war zu schwer, als sie versuchten es hereinzuziehen, riss die Flosse ab und die Krake verschwand wieder in den Tiefen. Ohne diese nützliche Zierde.“ „Nun, das hört sich schon eher nach einem Beweis an.“, einigermaßen zufriedengestellt lehnte sich Theodore in die Polster zurück, „Wie groß war denn das Biest, Professor?“

„Etwa sechs Meter im Durchmesser?“, schlug André, der sich wieder dem Fenster zugewandt hatte, vor, „Und hatte es nicht am Kopf acht Fangarme, die sich wie Schlangen durch das Wasser wühlten? Hatte es vielleicht auch einen Papageienschnabel und hässliche, hervorquellende Augen, ganz groß?“ Ich nickte, „Ja, in der Tat.“ „Dann ist er es selber, oder sein Bruder!“, André brüllte, seine sonstige Ruhe war verschwunden und auch wir stürzten sofort wieder zum Fenster, „Tatsächlich, da ist das Vieh!“

Ich sah genau hin, konnte mich aber eines gewissen Ekelgefühls trotz aller Neugier nicht mehr erwehren. Vor dem Fenster bewegte sich ein hässliches Monster, das seinen Platz in einem Schauermärchen verdient hätte. In den riesenhaften gelben Augen saß ein starrer Blick und an dem etwa acht Meter großen Kopfleib, saßen acht beinahe zwanzig Meter lange Tentakel. An jedem dieser beweglichen Arme sah man 200 schröpfköpfige Saugnäpfe, von denen die ersten bereits über die Scheibe der Black Pearl wanderten. Der hörnerne Schnabel öffnete und schloss sich wie eine Blechschere, eine Molluske mit einem Vogelschnabel, ein fantastisches Tier! Die Fleischmasse des Tieres wog gut und gerne 20000 Kilo, ein aufgedunsener Leib, dessen Farben ständig wechselten. Während ich atemlos zusah, veränderte er sich von Grautönen bis hin zu dunklen Rotbrauntönen. Wahrscheinlich war das Tier gereizt und zeigte deshalb das Farbenspiel, aber dennoch war ich glücklich über den Zufall, der mir ein so seltenes Forschungsobjekt beschert hatte.

„Vielleicht ist das die Krake, die beinahe gefangen worden wäre!“, auch Theodore konnte das unheimliche Wesen nur anstarren und auch André erging es nicht besser, „Dann müsste ihr ein Arm fehlen.“ „Nicht unbedingt.“, ich versuchte mich an mein Wissen über die seltenen Tiere zu erinnern, „So etwas wächst nach. Bei den Männchen ist eh einer der Arme hohl und zu einem Begattungsorgan ausgebildet worden. Manchmal findet nicht einmal eine direkte Begattung statt, sondern der achte Arm reißt bei dem Versuch ab, bewegt sich dann aber selbstständig weiter in die Mantelhöhle des Weibchens. Und, das abgerissene Glied wächst wieder nach. Außerdem sehe ich dort noch sechs oder sieben andere Tiere, das macht es noch unwahrscheinlicher, dass das bekannte Tier darunter sei.“

Zwischen dem Geräusch der Schraube drang nun auch das Geräusch der Schnäbel, wie sie vergeblich gegen die Hülle der Black Pearl eingesetzt wurden, zu uns ins Innere. Die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen wurde die Kampfeslust sicher noch steigern und so würden wir lange Begleitung haben.

Einerseits empfand ich bei dem Anblick der wütenden Kopffüßler Unbehagen und Ekel, aber andererseits verspürte ich auch Neugier. Ich holte meine Aufzeichnungen und ließ mich auf dem Boden vor dem Fenster nieder, um meinen Anschauungsobjekten nahe zu sein und bloß kein Detail zu verpassen.

Plötzlich wurde die Black Pearl langsamer und das Geräusch der Schraube setzte aus. „Sind wir gestrandet?!“, ich hatte die Gegenwart meiner Freunde vergessen gehabt und zuckte bei der Ansprache zusammen, „Wir sitzen nirgends auf.“ Allerlei Vermutungen wurden aufgestellt und als endlich Jack in den Salon trat, sprang ich sofort auf.

Allerdings war mein Captain nicht alleine. Sein erster Offizier, die schöne dunkelhäutige Frau folgte ihm au dem Fuße und gemeinsam traten sie an das Fenster und unterhielten sich kurz in der unvertrauten und immer noch unverständlichen Bordsprache. Ich lauschte und hoffte auf ein verständliches Wort, aber ich wurde wieder enttäuscht. Die beiden ignorierten uns und erst als die Frau nach einem heftigen Wortwechsel den Salon verlassen hatte, betätigte Jack den Schalter der das Fenster schloss.

„Eine merkwürdige Polypensammlung dort draußen, oder Jack?“, ich versuchte unbeteiligt zu klingen, wie ein Aquariumsbesucher, der ein besonders exotisches Tier hatte sehen dürfen. Jack drehte sich zu mir und nickte, „Du irrst dich nicht, Jamie. Du kannst auch gleich nähere Bekanntschaft mit ihnen machen, wir werden ihn nämlich mit der Axt in der Hand zu Leibe rücken.“ Zuerst dachte ich, dass ich Jack nicht richtig verstanden hätte, aber schließlich fand ich meine Stimme wieder, „Mit der…Axt?“ „In der Hand.“, wieder nickte Jack, „Hast du nicht gehört, dass die Schraube stehen geblieben ist? Eines dieser Biester muss dazwischen gelangt sein.“ „Und, was willst du dagegen tun?“, eine schlimme Ahnung keimte in mir auf und wurde bestätigt, als Jack weitersprach, „Wir tauchen auf und vernichten die ganze Brut.“ „Und, wie stellst du dir das vor?!“, anders als bei der Seekuh und den Walen empfand ich erstaunlich wenig Mitleid, wahrscheinlich lag es an der Andersartigkeit dieser Wesen. „Das ist zugegebenermaßen schwierig. Die Kugeln richten bei ihnen nichts aus, ihr Fleisch ist zu weich. Die Axt ist die einzige Waffe, die wir haben.“, Jack wandt sich nun zum Gehen, aber Theodore trat ihm in den Weg, „Und die Harpune, wenn sie richtig trifft und natürlich nur, wenn Sie meine Hilfe annehmen, Captain.“ „Aber gerne.“, der Captain deutete auf die Tür und Theodore machte Anstalten ihm zu folgen, als André und ich unsere Entscheidung trafen, „Wir kommen auch mit!“

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Auf der mittleren Treppe standen bereits zehn Mann mit Enterbeilen bewaffnet und auch André und ich bekamen Äxte, während Theodore seine Harpune bedächtig in der Hand wog. Die Black Pearl war bereits aufgetaucht und zwei Matrosen lösten die Bolzen der Luke.

Sie waren kaum fertig geworden, als der schwere Lukendeckel empor gerissen wurde und ein riesiger Arm voller Saugnäpfe sich die Treppe hinuntertastete. Jack führte den ersten Axthieb, der das Glied vom Körper trennte, worauf es zuckend und sich windend über den stählernen Boden rutschte. Als wir die Treppe hinaufstürzten, um auf die Plattform zu gelangen, tasteten schon zwei weitere Arme hinein und griffen sich den ersten Matrosen. Sie zogen ihn mit sich und schwenkten ihn in der Höhe über uns.

Mit einem Schrei war der Captain an Deck, wir dicht hinter ihm. Der eingerollte Arm mit den riesigen Saugnäpfen brachten den unglücklichen Seemann beinahe zum Ersticken und in seiner unmittelbaren Todesangst schrie er um Hilfe.

Auf Englisch.

Ich war über diese Entdeckung erschüttert. Dieser Augenblick der Lebensgefahr offenbarte mir, dass ich einen Landsmann, vielleicht sogar mehrere an Bord besaß. Ich würde seine Worte und seine Stimme meinen Lebtag nicht mehr vergessen.

Er erschien mir verloren, denn wer sollte ihm dem Tode entreißen?

Jack stürzte sich auf das Untier, ein Arm fiel und als André, Theodore und ich ihm folgten, fielen schnell weitere Glieder und krochen ekelerregend zuckend über das Deck oder versanken in den Fluten.

Die Mannschaft kümmerte sich um ein weiteres Tier, das von rückwärts angriff und wir hieben weiterhin auf die Krake ein. Starker Moschusgeruch durchdrang die Atmosphäre, aber obwohl wir uns anstrengten, bemerkten wir weder nachlassende Kraft, noch Schmerz und auch noch keine Spur von einem nahenden Todeskampf.

Einen Augenblick hatte ich Hoffnung für den gefangenen Matrosen, denn sieben der acht Arme des Tieres waren bereits gefallen, nur noch die Fangschlinge mit dem unglücklichen wiegte noch durch die Luft. In dem Augenblick, als wir uns erneut au das Tier stürzen wollten, traf uns eine Ladung tintenartiger Flüssigkeit, die uns blind zurückließ. Als wir nach einigen Sekunden endlich wieder sahen, entdeckten wir zu unserem Schrecken, dass die Krake mitsamt meinem Landsmann wieder in die Tiefen verschwunden war.

Voller Zorn fielen wir nun über die anderen Tiere her und wüteten mit unseren Äxten in ihrem weichen Fleisch. Aber, es war eine scheinbar unüberwindliche Übermacht gegen uns, die schmale Plattform war rutschig, von Tintenflüssigkeit und Blut und voller abgetrennter Gliedmaßen. Beinahe erschien es, als würden wir gegen eine Hydra kämpfen, für jedes abgeschlagene Glied, schien ein anderes nachzuwachsen. Theodore traf mit seiner Harpune nur die Augen und bohrte sie aus.

Da packte mich eisiger Schrecken, ein Arm streckte Theodore zu Boden und hielt ihn dort bewegungsunfähig fest. Der hörnerne Schnabel öffnete sich über dem Kanadier, da stürzte plötzlich Jack herbei und platzierte seine Axt mit einem gewaltigen Rundschlag zwischen den Kiefern des Kraken. Theodore nutzte die Gelegenheit, um aufzuspringen und seine Axt aus nächster Nähe in das Herz des Tieres zu bohren. „Ich war Ihnen eine Revanche schuldig.“, bemerkte Jack, Theodore, der inzwischen von André gestützt wurde, verneigte sich nur leicht, gab aber keine Antwort.

Der ganze Kampf hatte nur eine Viertelstunde gedauert, da ergriffen die übriggebliebenen Tiere die Flucht. Verstümmelt, tödlich getroffen, überwältigt. Wir stiegen wieder hinunter und als ich als Letztes ging, sah ich Jack blutverschmiert und zerrissen, aber dennoch hochaufgerichtet und stolz auf der Plattform stehen und ins Meer starren.

Ich wollte zu ihm, aber die Erste Offizierin packte mich am Kragen und schüttelte den Kopf. Auch ohne Worte verstand ich und nickte, Jack brauchte diese Zeit. Ich konnte nur hoffen, dass er zu mir zurückkommen und sich von mir helfen lassen würde.

Seufzend wandt ich meinen Blick ab und beobachtete André, der Theodore stützte und leise mit ihm schimpfte, ihn dazu aufforderte doch beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein. Dort war ich unerwünscht, sie stritten scheinbar schon wieder halblaut miteinander. Ich zog mich in den Salon zurück.

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Orca…*lach* Nein, das werde ich noch nicht verraten, aber ich kann dir sagen, dass es wieder einmal Fluch der Karibik sein wird. Meine Beta durfte sich etwas wünschen und irgendwie habe ich sie wohl mit Sparrington (und auch Grovette) angesteckt ;)
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Zehn Tage lang blieb Jack nach diesem schrecklichen Vorfall unsichtbar. Er kam weder in seine Kabine zurück, noch traf ich ihn bei einem meiner zahlreichen unruhigen Streifzüge durch das Schiff.

Auch am Kurs der Black Pearl war zu spüren, dass Jack der Verlust tief getroffen hatte, denn unser Kurs führte uns ziellos an der Wasseroberfläche umher, vollkommen dem Spiel der Wellen überlassen. Der Engländer, dessen Herkunft mir wohl immer ein Rätsel bleiben musste, erlebte den Korallenfriedhof nicht mehr.

Nach einigen Tagen bemerkte ich dann aber doch eine Nordtendenz in unserem Kurs. Wir folgten von den Bahamas aus dem Golfstrom. Einem der wichtigsten und seltsamsten Ströme in den Meeren. Er tritt als selbstständiger Fluss aus dem Golf von Mexiko hinaus und folgt der Ostküste Nordamerikas, unter Neufundland schlägt er Ostrichtung ein und zieht sich, das kalte Wasser des Grönlandstroms umgehend, zwischen Island uns Schottland hindurch. Der Strom bringt artenreiches Leben mit, aber ich war viel zu sehr mit dem Geheimnis der Mannschaft und der Sorge um Jack beschäftigt, als dass ich mich darüber freuen konnte.

Am 8. Mai lagen wir vor Kap Hatteras und durch diese Landesnähe bestärkt, kam Theodore wieder auf eine mögliche Flucht zu sprechen. Es wäre wohl auch wirklich gegangen, die Küste lag nur wenige Seemeilen entfernt und es wimmelte von zahlreichen kleinen Schiffen, aber dennoch war das Wetter sehr schlecht und die See zu rau für dieses Vorhaben. Man hatte den Golfstrom auch als den Vater der Stürme, die Heimat der Windhosen genannt und wirklich waren die Orkane in diesen Breiten so häufig wie sonst nirgendwo. Das es gefährlich wäre, diesen Strom mit einem keinen Boot bestehen zu wollen, sah selbst der ungeduldige Theodore ein und ich stand dem ganzen nach wie vor noch immer zweigespalten gegenüber. Ich konnte seine Ungeduld verstehen, aber ich wollte Jack nicht verlassen.

„Professor.“, sagte er zu mir, „Es muss endlich Schluss sein! Ich will endlich davon loskommen! Ihr Captain entfernt sich schon wieder von der Küste und steuert in den hohen Norden. Ich sage Ihnen, ich habe schon vom Südpol die Schnauze voll und ich werde ihm sicher nicht auch noch zum Nordpol folgen! Vorher schnappe ich mir André und springe von Bord. Lieber der Tod in den Wellen, als ewige Gefangenschaft in dieser Blechdose!“ „Was tun, Meister? Im Moment können wir nicht fliehen.“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, aber Theodore schlug mit der Faust auf den Tisch, „Ich sage, was ich schon immer gesagt habe! Sie müssen mit Ihrem Captain reden. Als wir durch die Meere Ihrer Heimat fuhren, haben Sie nichts gesagt. Nun sind wir in meinen Meeren und wenn Sie nicht reden, dann werde ich schreien!“

Seine vitale Natur konnte die Gefangenschaft offensichtlich nicht mehr lange ertragen. Er verfiel von Tag zu Tag mehr, sein Gemüt wurde düster und umschattet und nicht einmal mehr die Streitgespräche mit André brachten ein Glänzen in seine Augen. Und auch ich spürte plötzlich das Heimweh auf mir lasten, ich war alleine, Jack hatte ich seit der unglückseligen Begegnung mit der Krake nicht mehr gesehen und das Schweigen zwischen uns war mehr als bedrückend. Ich begann plötzlich unsere Fahrt und meine Beziehung zu Jack mit anderen Augen zu sehen, meine Begeisterung drohte zu erlöschen.

„Also?“, fragte Theodore und ich schreckte aus meinen Überlegungen auf, „Was? Sie wollen, dass ich mit Jack spreche und ihn frage, was er mit uns vorhat?“ „Ja.“, der Kanadier stieß dieses ‚Ja’ zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ich seufzte, als ich mich schwer auf einen Stuhl fallen ließ, „Aber, er weicht mir aus, ich sehe ihn auch nicht! Er kommt nicht in seine Kabine und schläft nicht mi…in seinem Bett.“ Eilig hatte ich mich verbessert, aber Theodore schien mein Versprecher nicht aufgefallen zu sein, fegte der Kanadier nun doch die zierliche Karaffe vom Tisch, „Ein Grund ihn endlich zu stellen.“ „Also gut, ich werde ihn fragen.“, ich fügte mich in mein Schicksal, aber das schien Theodore noch nicht zu reichen, „Wann?“ „Wenn ich ihn…“, fing ich an, aber plötzlich baute sich der Harpunier drohend vor mir auf, „ Professor? Wollen Sie, dass ich selber hingehe?“ „Nein, schon gut. Ich werde ihn morgen aufsuchen.“, lenkte ich erneut ein, aber Theodore schüttelte schon wieder den Kopf, „Heute noch.“ „Bitte. Wie Sie wollen, Meister Groves.“, ich schloss die Augen und wartete auf eine Reaktion, aber der Harpunier war schon gegangen. Auch ich erhob mich nun, denn erledigte Sachen waren immer besser als Unerledigte und so machte ich mich auf die Suche nach dem Captain.

Erstaunlicher Weise traf ich Jack in seiner Kabine an. Ich hörte seine Schritte, als er über den auf und abschritt und meine Hand, die bereits auf der Türklinke lag, zitterte leicht. Es dauerte einige Minuten, bis ich es fertig brachte einzutreten.

Jack saß nun an seinem Schreibtisch und arbeitete. Offenbar hatte er mich nicht eintreten hören und registrierte meine Anwesenheit erst, als ich an seine Seite trat. Er runzelte die Stirn und betrachte mich von Kopf bis Fuß, bevor er das schreckliche Schweigen endlich brach, „Was möchtest du, James?“ „Mit dir reden.“, ich kniete mich zu Jack und sah ihn bittend an, „Bitte, du gehst mir aus dem Weg…“ „Ich bin beschäftigt, James. Kannst du das nicht sehen?“, er klang ungehalten und wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden, was ich aber nicht zulassen konnte, „Ich habe dir wichtige Sachen mitzuteilen.“ „Ah, hast du Entdeckungen gemacht, die ich noch nicht kenne?“, ich hasste ihn für den Sarkasmus, der in seiner Stimme mitklang, „Hat das Meer dir neue Geheimnisse offenbart, James? Hier, mein lieber Professor, du solltest mal dieses Manuskript lesen. Es ist in mehreren Sprachen geschrieben, darunter in der deinigen. Es enthält die Summe meiner unterseeischen Forschungen und es enthält auch eine kurze Biographie. Wenn es Gott gefällt, dann werden die Menschen all das kennen lernen, denn wer von uns auf der Black Pearl überlebt, wird es in einem wasserfesten Kästchen dort dem Meer übergeben, wo wir uns zu diesem Zeitpunkt befinden sollten. Und, es wird dort landen, wo es landen wird.“

„Jack, ich finde deine Idee nicht gut. Deine Erkenntnisse dürfen nicht verloren gehen! Weißt du so in welche Hände das Manuskript fallen wird? Solltest nicht lieber du oder einer der Gefährten…?“, ich hatte eine Hand auf seinem Oberschenkel liegen und sah zu ihm auf, „Aber meine Freunde und ich wären bereit das Werk zu verwahren, wenn du uns dafür die Freiheit gibst…“

Jacks Blick wurde eiskalt und ich schluckte schwer, bevor ich weitersprach, „Ja, darüber wollte ich mit dir reden. Wir leben jetzt schon sieben Monate an Bord der Black Pearl und wir fragen uns, ob du uns ewig hier behalten willst.“ „James, die Antwort ist dieselbe wie am ersten Tag.“, er schüttelte seinen Kopf, „Wer die Black Pearl betritt, verlässt sie nur tot.“ „Also Sklaverei?“, ich konnte es kaum glauben, aber Jack nickte, „Nenn es wie du willst. War es Zwang, der dich in mein Bett geführt hatte? Habe ich Theodore Groves etwa gezwungen zu mir an Bord zu kommen? Ich halte deine Freunde nicht hier fest, weil es mir Spaß macht, nur du bist mir wichtig und von Bedeutung.“ Er deutete nun auf die Tür, „Geh nun, wenn du nun noch einmal mit diesem Thema anfangen willst, werde ich dir nicht mehr zuhören.“

Als ich meinen Freunden eine beschönigte und weniger persönliche Wiedergabe meines Gespräches mit Jack gab, stand der Entschluss des Kanadiers fest: So rasch von Bord wie nur möglich. Long Island hieß nun die hoffnungsvolle Parole. Meine Freunde waren voller Erwartungen, nur mich zog es nun wieder mit aller Stärke meines Herzens zu Jack.

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Am 13. Mai kam der Orkan zum Ausbruch, der sich die Tage zuvor durch turmartige Anhäufungen der Wolken, milchige Atmosphäre und starkes Absinken des Luftdrucks angekündigt hatte. Wir waren zu diesem Zeitpunkt nur wenige Meilen von New York entfernt. Jack hätte tauchen können, aber aus irgendwelchen Gründen zog Jack es vor an der Oberfläche zu bleiben. Er stieg sogar auf die Plattform und ich folgte ihm, halb aus Trotz, halb aus Angst ihn an den Sturm zu verlieren.

Am frühen Nachmittag ging der Wind bereits in Sturmstärke, mit mehr als 20m/sec. Jack band sich mit einer Leine fest und ich tat desgleichen. Wolkenfetzen rasten über das entfesselte Meer und tauchten in die Fluten ein. Ich sah nur noch langgezogene, tiefschwarze Wellen, die so dicht standen, dass sich ihre Spitzen nicht brachen. Sie wurden immer höher und warfen die Black Pearl wie ein Spielzeug von einer Seite auf die andere.

Gegen Abend begann es sturzbachartig zu regnen und der Orkan brach endgültig los. Die Wogen türmten sich mehr als 15 Meter hoch auf und da das Barometer immer weiter sank, fürchteten wir, dass der Sturm seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hatte.

Und, wir hatten mit unserer Furcht recht.

Blitz und Donner erfüllte den Himmel und mischten sich mit dem ohrenbetäubenden Brausen der Brandung und dem Kreischen des Windes. Die Gischt verwandelte sich in glitzernde Feuerstropfen und plötzlich durchfuhr mich der Gedanke, dass Jack hier draußen einen exotischen, ausgefallenen Tod suchen würde. Mit letzter Kraft schleppte ich mich die letzten Schritte zu ihm und umklammerte seine Taille mit aller Kraft die ich noch aufzubringen vermochte.

Niemals.

Niemals würde ich ihn loslassen.

Um Mitternacht, längst waren wir beide steifgefroren und vollkommen durchnässt, löste Jack unsere Leinen und gemeinsam traten wir wieder in das warme Innere der Black Pearl. Schweigend gingen wir zu Bett.

Die Wasserbehälter wurden gefüllt und das Schiff sank langsam, ließ ebenso wie Jack und ich, den tobenden Sturm hinter sich. Noch in zwanzig Metern Tiefe wurden wir von den Wellen hin und hergeworfen, aber als wir 50 Meter Tiefe erreichten fanden wir dort Ruhe und Frieden und schöne Träume.

Wer hätte nun einen Orkan an der Oberfläche vermutet?

20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Der Sturm hatte uns weit nach Osten geworfen und Theodore ließ sich nun ebenso wenig sehen, wie in den vergangenen Wochen Jack. Auch André blieb die meiste Zeit des Tages verschwunden, so dass mir für Gespräche nur Jack blieb.

Oftmals verbrachte ich meine Tage nun im Steuerhaus der Black Pearl, an Jacks Seite. Der Kurs war aber dennoch unstet, immer grob gen Norden und meist an der Oberfläche, unter dichten Nebeln, oder in ziemlichen, für andere unerreichbaren Tiefen.

Diese Nebel sind für die Seefahrt furchtbar, unzählige Schiffe sind in diesen Breiten schon deswegen gesunken. Der Grund des Meeres, den wir hell erleuchtet zu sehen bekamen, bot den Anblick eines zerfallenden Friedhofes. Mann und Maus, Schiff und Gerät, hauptsächlich Auswanderer, deren Träume in diesem ausgedehnten Trümmerfeld vergessen worden waren. Isis, Parametta, Canadian, Hungarian, Anglo-Saxon, Humboldt, United States, ach ihr stolzen Schiffe, alle gescheitert. Arctic, Lyonnais, Président, Pacific, City of Glasgow, nach Zusammenstoß gesunken oder unerkannt entschwunden in die nassen Tiefen, in den unendlichen Totengrund.

Mitte Mai ließen wir die Neufundlandbank hinter uns. Zwei Tage später waren wir bereits 500 Seemeilen von Heart's Content entfernt und beobachteten in einer Tiefe von beinahe drei Kilometern das Transatlantikkabel. Das erste dieser Kabel wurde bereits 1857/58 gelegt, aber es lebte nur 400 Telegramme lang. Sechs Jahre später sollte ein neues Legen angehen, aber der Versuch scheiterte. Warum sahen wir einige Tage später, 636 Seemeilen von der irischen Küste entfernt. In einer Tiefe von 3836 Meter war das Kabel gerissen. Man fischte damals das Ende wieder heraus, spleißte es mit dem nächsten Ende zusammen und legte es von neuem. Aber wieder war dem Kabel kein Glück beschienen, es riss erneut und ließ sich mit all der vorhandenen Technik nicht mehr herausgefischt werden.

Der Sponsor, der sein ganzes Vermögen der Kabelsache zur Verfügung gestellt hatte, verlor seinen Mut nicht. Dieses Mal wurde das Kabel in einer Gummihülle gefertigt, darum legte man ein Stoffpolster und um das Ganze noch eine Metallhülle. Dieses Mal verlief die Aktion erwartungsgemäß gut, bis die Ingenieure entdeckten, dass zuweilen Nägel in dem Kabel stakten. Der Captain des Verlegungsschiffes reagierte sofort und ließ verkünden, dass die Saboteuere bei ihrer Entdeckung sofort über Bord gehen würden. Die Sabotage hörte sofort auf und Ende Juli konnte das erste Telegramm übermittelt werden, „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen seines Wohlgefallens.“

Wir folgten dem Kabel auf dem Hochplateau und sahen, dass die Lage glücklich gewählt worden war. Nirgends brachten schroffe Abgründe das Kabel in die Gefahr zu reißen.

Schließlich befanden wir uns nur noch 150 Kilometer von Irland entfernt und noch immer hatte Jack mir nicht verraten, worauf er Kurs nahm. Wir streiften die Kanalöffnung, aber mir war klar, dass Jack sich nicht in den engen Schlauch wagen würde. Die Black Pearl beschieb einige Tage Kreislinien auf dem Wasser, beinahe als würde Jack etwas suchen, dass er auf dem Meeresboden verloren hatte.

Auch im Juni änderte sich nichts daran, aber schließlich zog Jack mich auf die Plattform, setzte noch einmal prüfend den Sextanten an und deutete nach schnellen Berechnungen auf einen Punkt einige Seemeilen vor uns, „Hier, James.“ Ohne mir eine Frage zu erlauben kehrte Jack wieder ins Innere der Black Pearl zurück und ich folgte ihm natürlich.

Wir tauchten und kamen n 830 Metern Tiefe auf Grund. Im Salon ging das Licht aus, die Fensterwände glitten zurück und enthüllten den hellerleuchteten Meeresboden. Zu unser Linken bildete der Boden eine bizarre Erhöhung, die ich zunächst für eine verfallene und mit Muscheln überwucherte Ruine hielt. Aber dann erkannte ich in der Masse, die verdickten und vergrößerten Formen eines Schiffes ohne Masten, das hier gesunken sein musste. Aber, welches Schiff?

„Früher hieß das Schiff Le Marseilles.“, Jack legte einen Arm um meine Taille, „Es trug 74 Kanonen, als es 1762 in See stach. Am 13. August 1778 lieferte es sich unter dem Kommando von La Poype-Vertrieux der Preston eine heldenhafte Schlacht. 1779 war es bei der Einnahme von Granada dabei, 1781 nahm es an der Seeschlacht in der Bucht von Chesapeak teil, 1794 wurde der Namen geändert, aber dennoch blieb es ein Kriegsschiff und sank heute vor 74 Jahren an diesem Ort. Nach heroischem Kampf verlor es seine drei Masten, als bereits Wasser eindrang und ein Drittel der Mannschaft niedergeworfen und tot war. Es ist 74 Jahre her, dass es sich mit seinen 356 Mann und dem Ruf ‚Es lebe die Republik“ lieber versenkte, als sich dem Feind auszuliefern.“

„Le Vengeur!“, rief ich erstaunt aus, die Geschichte wiedererkennend und Jack nickte. Durch sein Logbuch konnte ich ihn besser verstehen und schon lange war mir klar geworden, dass nicht Geringschätzung der Anlass zum Bau der Black Pearl gewesen war, sondern unversöhnlicher Hass auf die Menschheit. Ich wusste nicht, wer Jack war, oder woher er kam, aber ich vertraute ihm.

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Als wir wieder an die Oberfläche kamen und die Luken geöffnet wurden, hörte ich einen dumpfen Knall, „Jack?“ Er löste sich von mir und verschwand in der Steuerkabine. Ich wollte ihm folgen, aber dieses Mal war die Tür verschlossen. Ich klopfte, glaubte an ein Versehen, aber nach einigen Minuten musste ich mir eingestehen, dass Jack mich ausgesperrt hatte. Ich trat nun auf die Plattform und war verwundert dort André und Theodore dicht nebeneinanderstehend anzutreffen, „Haben Sie den Kanonenschuss auch gehört, Professor?“ Theodore deutete auf einen schwarzen Punkt am Horizont und wirklich, nach einigen Minuten konnte auch ich ein Schiff ausmachen, das mit Höchstgeschwindigkeit auf uns zuhielt, „Können Sie erkennen was für ein Schiff es ist?“ „Der Takelage und dem Aufbau nach ein Kriegsschiff.“, der Harpunier hatte die Augen beschatten, „Es trägt keine Flagge. Aber, der lange schmale Wimpel am Hauptmast verrät, dass es ein Kriegsschiff ist!“

Nach einer Viertelstunde erkannten wir, dass es sich um einen Zweidecker handelte, bewaffnet und gepanzert. Die Segel waren eingerollt, aus zwei Schloten mittschiffs stieg Rauch und es näherte sich rasch unser Position. „Wenn es nur auf eine Meile herankommt, dann stürze ich mich zusammen mit André ins Meer und Sie werden uns folgen, Professor!“, verkündete Theodore, zwischen zusammengepressten Zähnen, aber ich reagierte gar nicht auf diese Aufforderung. „Sir werden sich sicherlich erinnern, dass wir nicht die schlechtesten Schwimmer sind. Theo und ich werden Sir schon irgendwie bis zu dem Schiff bugsieren…“, er schwieg kurz und betrachtete meine nachdenkliche Miene, bevor er fortfuhr, „…Falls Sir Theodore und mir folgen will.“

Gerade hatte ich mich zu einer, zugegebenermaßen beschwichtigenden Antwort durchgerungen gehabt und angesetzt zu sprechen, da wurde am Rumpf des Kriegsschiffes eine weiße Wolke sichtbar. Einige Sekunden später spritzte es unweit des Hecks der Black Pearl und dann hörten wir auch den Knall.

„Die schießen auf uns!“, ich konnte angesichts des Schocks nur flüstern, aber auch André erschien es nicht besser zu ergehen, „Mit Verlaub, Sir. Sie haben den Narwal erkannt und schießen auf das Tier.“ „Aber, die müssen doch sehen, dass sie es mit Menschen zu tun haben!“, protestierte Theodore, aber plötzlich wurde mir die Mission des anderen Schiffes klar, „Vielleicht eben deshalb.“ Die Dauntless hatte sicherlich inzwischen Klarheit über den vermeintlichen Narwal gebracht. Wir waren ihm ja auch nahe genug gekommen. Wahrscheinlich wusste man inzwischen, dass die Gefahr von einem Unterwasserfahrzeug und nicht von einem Seetier ausging. Damals waren wir die Jäger gewesen, nun gehörten wir zu den Gejagten. Die Verfolgung hatte wahrscheinlich niemals aufgehört gehabt und in der Nacht, die wir hatten eingesperrt verbringen müssen, hatte wahrscheinlich ein ähnliches Seegefecht stattgefunden. Ein Gefecht, bei dem der Mann, der seine letzte Ruhe inmitten der Korallen gefunden hatte, sein Leben gelassen hatte.

Nun trafen schon häufiger Geschosse bei uns ein, aber glücklicherweise verfehlten alle die Black Pearl. Das Kriegsschiff war nun nur noch drei Seemeilen von uns entfernt und langsam wurde ich unruhig. Wo war Jack? Warum kam er nicht an Deck? Sah er die Gefahr nicht, die diese Geschosse für sein Schiff waren?

„Ich habs!“, rief der Kanadier plötzlich, „Wir müssen Signal geben!“ Er riss sich das Hemd vom Leib und schwenkte es wild, „Dann werden sie merken, dass wir keine Feinde sind!“ Ein Fausthieb schleuderte Theodore zu Boden, „Elender! Soll ich dich an den Schiffsschnabel nageln, bevor er sich in den Rumpf dort drüben bohren wird?!“ Mehr als über seine Worte erschrak ich über Jacks Aussehen. Sein Gesicht war totenbleich und ich hatte das ungute Gefühl, als würde sein Herz nicht mehr schlagen. Ich machte Anstalten an seine Seite zu treten, aber er deutete nur auf die Treppe hinunter, „Gehen Sie.“

Ein Streifschuss.

„Verschwindet endlich!“

„Jack? Du willst doch nicht wirklich…“, versuchte ich an seine Vernunft zu appellieren, aber in seinen Augen sah ich nur brennenden Hass, „Doch, ich werde es in den Grund bohren, James.“ „Das darfst du nicht!“, ich wollte Jack nicht so einfach aufgeben, er war mir viel zu wichtig, als das ich ihn so einfach seinem zerstörenden Hass überlassen wollte, „Bitte.“ „Nein, es muss getan werden. Spiel nicht den Richter, James. Sie haben gesehen, was nicht für ihre Augen bestimmt waren. Sie haben den Krieg begonnen, ich verteidige mich nur. Der Gegenschlag wird schrecklich sein…Geh nun aber bitte.“

„Was ist das für ein Schiff?“, ich hatte auf der Treppe noch einmal inne gehalten, „Sag mir wenigstens das.“ „Es ist besser, wenn du das nicht weißt.“, Jack schenkte mir ein Lächeln und erst sehr viel später erfuhr ich, dass es sich um ein englisches Schlachtschiff gehandelt hatte.

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Die Black Pearl nahm Fahrt auf, beinahe erschien es, als wollte Jack vor dem anderen Schiff fliehen. Aber, ich kannte ihn zu gut. Jack hatte gesagt, sein Gegenschlag wäre furchtbar und so vermutete ich, dass er den Kampfplatz zu seinen Gunsten wählen wollte.

Am Nachmittag hielt ich es nicht mehr aus und trat wieder auf die Plattform hinaus. Jack lief dort mit hastigen Schritten auf und ab und warf immer wieder einen Blick auf das Kriegsschiff, das uns in einiger Entfernung folgte. Ich hatte Recht behalten, es war wieder das alte Spiel. Wieder wollte ich versuchen mit ihm zu reden, aber kaum hatte ich das erste Wort hervorgebracht, da zog er mich zu sich und küsste mich, „Ich bin im Recht, Jamie. Und, ich bin das Recht. Ich bin der Unterdrückte, durch sie habe ich alles verloren. Da drüben ist alles, was ich hasse.“ „Und ich?“, brachte ich leise hervor, aber der Griff um meine Taille festigte sich nur, „Ich liebe dich, James.“

Meine Freunde mussten fliehen.

Mein Platz war hier.

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Ich konnte es meinen Freunden nicht sagen, ihnen meinen Entschluss nicht mitteilen. Aber dennoch war ich abwesend, während meine Gefährten die Geschwindigkeit der Black Pearl im Auge behielten. Der Moment, in dem Jack langsamer werden und zum Angriff übergehen würde, hatten sie sich dazu erkoren, um die Flucht zu wagen.

Wir behielten unsere Geschwindigkeit bei, in der Nacht folgte uns das Schiff im immer gleichen Abstand, nur ein leichter Widerschein in der Takelage verriet, dass man die Kessel des Kriegsschiffes weiterhin unter Dampf hielt.

Um sechs Uhr morgens begann die Kanonade erneut und schließlich brach der zweite Juni an. Ich spürte wie wir an Geschwindigkeit verloren und sah hilflos zwischen Jack, der immer noch voller Hass seinen Kampf führen wollte, und meinen Gefährten, die fliehen wollten, hin und her. Ich war zerrissen, sollte ich meinen Freunden folgen, oder doch meinem Herzen?

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Ich entschied mich nie, meine Freunde packten mich und zogen mich aus der Bibliothek hinaus. Aber noch während André die Tür hinter uns sorgfältig verschloss, hörte ich das vertraute Geräusch der sich schließenden Luke.

Es war zu spät.

Und ich war froh.

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Die Katastrophe würden kommen, wir waren unfähig etwas zu tun, waren verflucht zu lauschen. Wir hörten das Dröhnen der Maschinen und das schriller werdende rhythmische Donnern der Schraube. Die Black Pearl nahm Anlauf und erzitterte, als sie auf ihren Gegner traf. Ich hörte Knirschen, Kratzen und ein leises Schaben am Schnabel, der in den gegnerischen Schiffsrumpf eingedrungen war.

Ich konnte nicht mehr und stürzte in den Salon.

Dort stand Nemo und starrte stumm aus dem geöffneten Fenster.

Draußen sank eine enorme Masse langsam und schweigend unter Wasser. Die Black Pearl sank langsam mit, um das Schauspiel ganz auszukosten. In nur wenigen Metern Entfernung sahen wir den aufgeschlitzten Rumpf, in den die Wassermassen hineinstürzten, dann die Reling, die Kanonen und Panzerscharten. An Deck wimmelte es von schwarzen Gestalten. Das Wasser stieg, die Gestalten wimmelten in die Taue, versuchten in die Masten zu fliehen, überkugelten sich dann aber doch nur im Wasser. Ein ganzer Menschenschwarm, der im grünen Wasser sein Ende fand.

Ich sah es an.

Mit aufgerissenen Augen.

Schreckensstarr.

Das Schiff versank langsam in den tiefen Fluten und die Black Pearl ließ schließlich von ihrer Beute ab. Der Laut einer Explosion und die Druckwelle schüttelte unser Fahrzeug kurz, dann zog der menschengefüllte Mastkorb an uns vorbei und als auch der verschwunden war, sahen wir nur noch vereinzelte schwarze Leichen in die Tiefe hinabsinken.

Als das fürchterliche Schauspiel endlich vorbei war, drehte sich Jack zu mir und schluchzte. Ich reagierte prompt und zog ihn in meine Arme. Ich konnte es nicht laut aussprechen, deshalb wisperte ich es in sein Ohr, „Ich…liebe dich.“

20000 Meilen unter den Meeren
 

Authors Note…

Nun fehlt nur noch der Epilog und dann kann ich mich meiner kurzen Schreibpause widmen. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich brauche gerade etwas Zeit, um mit meinem Privatleben fertig zu werden.
 


 

20000 Meilen unter den Meeren

Nicht ein Mann der Besatzung ließ sich nach dem ungleichen Kampf bei uns blicken, einzig Jack blieb an meiner Seite, als sich schließlich auch meine Freunde von mir zurückzogen. Scheinbar ahnten sie, wie meine Entscheidung ausgefallen war, vielleicht hatten sie aus den Gesten und den Blicken zwischen dem Captain und mir ihre Schlüsse gezogen, vielleicht hatten wir aber auch ein unbedachtes Wort fallen gelassen…

Es war eigentlich auch gleichgültig, ich machte mir aber trotzdem vor allem Sorgen um meine Freunde, insbesondere die Gemütsverfassung des ehemals so vitalen Harpuniers bereitete mir Kopfschmerzen und Kopfzerbrechen.

Als ich eines Morgens mit einem Buch im Salon saß, beugte sich plötzlich jemand zu mir hinunter. Ich hatte die Schritte gar nicht gehört und erkannte die furchterregende Gestalt mit den blutunterlaufenen Augen im ersten Moment gar nicht als Theodore.

Erst, als dieses Schreckgespenst mich ansprach, kam mir die Erkenntnis, „Theodore, was…?“ „Wir fliehen.“, es war nur eine simple Feststellung, ich hatte den Eindruck, als ob ich nur über eine bereits feststehende Tatsache informiert werden würde, „Wann?“ „Heute Nacht. Die Überwachung an Bord hat anscheinend nachgelassen, das ganze Unternehmen hier macht einen verstörten Eindruck.“, Theodore hatte Recht, jegliche Ordnung an Bord schien sich aufgelöst zu haben, der rätselhafte Satz wurde nicht mehr gesprochen und es nahm auch niemand mehr den Stundenwinkel, um unsere Position zu bestimmen. Und auch unser Kurs war merkwürdig ziellos und rastlos geworden, es ging nur noch sehr grob nach Norden, „Sind Sie dabei Professor?“

Ich zögerte keine Sekunde, „Nein.“

Er nickte, „André hat so etwas schon vorhergesagt.“ Es klang kein Vorwurf in seiner Stimme mit, er reichte mir nur die Hand und verabschiedete sich stumm, mit einer leichten Verbeugung von mir. Ich erfuhr mit keinem Wort, wie sie zu fliehen gedachten, aber das war auch gut so. Ich wollte es auch gar nicht wissen, sonst würde ich mich Jack gegenüber schuldig fühlen.

Dennoch wurde mir der letzte Tag, an dem ich meine Freunde an Bord wusste, seltsam lang. Ich versuchte mich abzulenken und nicht mehr auf eventuelle Geräusche, die eine Flucht verraten würden zu lauschen. Stundenlang durchstreifte ich das Schiff, ich ging in den Salon und sah mir die Kästen und Schaustücke an und blätterte in den unterschiedlichsten Büchern. Ich las hier und dort einige Seiten, bevor ich das jeweilige Buch, wieder seufzend zuschlug. Einige Zeit saß ich grübelnd auf der Couch, bevor ich schließlich einen Entschluss fasste.

Ich würde meine Freunde nicht begleiten, das konnte ich nicht.

Aber ich würde ihnen meine Aufzeichnungen mitgeben.

Mein Tagebuch dieser Fahrt sollte die Black Pearl verlassen und an die Öffentlichkeit gelangen. Die Welt verdiente von dieser Geschichte zu erfahren, allerdings legte ich meinem Tagebuch einen kleinen, eilig geschriebenen Brief bei, in dem ich darum bat die Namen von Schiff und Personen abzuändern.

Es gab keinen überschwänglichen Abschied, ich hatte in der Bootskammer, dem wahrscheinlichsten Beginn für einen Fluchtversuch, gewartet. Es dauerte Stunden, bis ich endlich Schritte hörte, aber ich war erleichtert, als Theodore und André, warm angezogen in die kleine Kammer traten. Wortlos musterten wir uns, und ich übergab meinem treuen André das Tagebuch, bevor ich beiden die Hand reichte und dann ging.

Ich wollte nun nicht alleine sein, also suchte ich Jack. Wieder kam mir der Zufall zur Hilfe und die düsteren Töne der Orgel hallten durch die leeren Gänge des Schiffes. Sofort eilte ich in den Salon und wirklich, Jack saß an der Orgel. Für eine Weile lauschte ich den schwermütigen Klängen, dann trat ich hinter ihn und legte die Arme um ihn. „Ich liebe dich.“, wieder wisperte ich es in sein Ohr und ich wusste, dass seine Augen zufrieden funkelten.

Und dennoch verpasste er keinen Ton.

Nun benutzte er die weißen Tasten.

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Epilog

20000 Meilen unter den Meeren

Wir zwängten uns durch die untere Einstiegsluke in das kleine Boot und Theodore verschloss den Boden wieder mit dem Engländer, den er zuvor irgendwo an Bord gestohlen hatte. Schnell lockerte er die Schrauben, die das Boot an der Hülle der Black Pearl festhielten und er war schon bei der Letzten angekommen, als unweit unseres Versteckes plötzlich lautes Stimmengewirr aufbrandete.

Sofort hielt mein Freund in seiner Tätigkeit inne und gemeinsam lauschten wir. Über unserem schweren Atem und dem Rauschen in unseren Ohren waren die Worte kaum zu verstehen, aber schließlich schälte sich aus der Kakophonie ein einzelnes Wort heraus:

Malstrom.

Mein Sir hatte mir von diesem Ort berichtet und viele Forscher, die bei uns ein und ausgegangen waren, hatten davon erzählt. Wir hatten uns für unsere Flucht den wohl gefährlichsten Ort des Nordmeers ausgesucht. Genau vor der norwegischen Küste, wo ein gigantischer Wasserwirbel alles in die Tiefe riss, was in seine Kreisbewegung geriet, planten wir unsere Freiheit zurückzuerlangen. Noch nie, so hatte mein Sir voller Ernst gesagt und seine Freunde hatten zugestimmt, sei ein Schiff dem mehr als 15 Kilometer breiten saugendem Feld entkommen.

„André! Wir müssen an der Black Pearl bleiben!“, Theodore musste, obgleich er mich im Arm hielt, schreien, um sich über dem Tosen verständlich zu machen, „Der Strudel wird das Boot und uns sonst zermalmen!“

Die Black Pearl war in den Strudel geraten, wie wir an der beginnenden Abwärtsbewegung bemerkten und wir wurden unbarmherzig an die Bootswände gepresst. Kurz wanderten meine Gedanken zu meinem Herren und ich schickte ein Gebet an die höheren Mächte, das ihm nichts passieren würde. Aber, ich betete natürlich auch für uns, hatte ich doch keine Intention mein Leben zu geben.

Ich wollte leben, mit Theodore…

Unsere Gebete halfen nichts, das Boot riss vom Rumpf der Black Pearl ab und war nun alleine der ungebändigten Naturgewalt des Strudels ausgeliefert. Ich wurde bereits nach wenigen Sekunden mit dem Kopf gegen die hölzernen Wände geschleudert und verlor die Besinnung.

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Dies war nun das Ende unserer Reise unter den Meeren.

Ich habe noch immer keinerlei Erinnerungen an die Nacht im Malstrom und ich habe auch keine Ahnung, wie wir der Anziehungskraft entkommen konnten. Aber ich weiß, dass ich, als ich aus meiner Betäubung erwachte, in der Hütte eines Fischers lag. Ein übermüdeter und besorgter Theodore kniete an meiner Seite. Als er bemerkte, dass ich aufgewacht war, entrang sich seiner Kehle ein Freudenschrei und er zog mich an seine Brust.

Nie werde ich seine Tränen vergessen und auch seine Worte, war es doch das erste Mal, dass er es aussprach, klingen noch heute in meinen Ohren, „Ich liebe dich, André.“

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Wir konnten nicht gleich in unsere Heimat zurückkehren, die Verbindungen zwischen dem hohen Norden und dem Festland waren nur spärlich vorhanden. Aber, es störte uns nicht auf den Frühling warten zu müssen, wir hatten uns zwei und waren uns selber genug.

Trotzdem dachte ich häufig an den Professor und hütete sein Andenken, das Tagebuch und seine anderen Aufzeichnungen, wie meinen Augapfel. Dieses kleine unscheinbare Büchlein mit der winzigen akkuraten Schrift meines Sirs gefüllt, war der einzige Beleg für unsere Erlebnisse. Die darin enthaltene Aufzählung ist vollständig und zusätzlich auch von zahlreichem Zahlenmaterial belegt und mein Sir hat nichts ausgelassen oder beschönigt, was mir manchmal die Röte auf die Wangen treibt.

Wir haben nichts bemerkt.

Von seiner Liebe.

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Zurück auf dem Festland wurden wir befragt, aber wir berichteten niemals von der Expedition, die uns 20000 französische Meilen, 90000 Kilometer oder auch 45000 Seemeilen weit unter dem Meeresspiegel so vieles vor Augen geführt und unsere Denk – und Empfindungsweise so gravierend verändert hatte.

Aber, dennoch gab ich, ganz wie mein Sir es sich gewünscht und in seinem Brief geäußert hatte, eine mit Namensänderungen versehene Kopie der Aufzeichnungen an einen Verleger. Und nun, zwei Jahre nach unserer erfolgreichen Flucht halte ich das erste in grüne Seide gebundene Exemplar unserer Geschichte in Händen.

20000 Meilen unter den Meeren.

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Ein Happyend?

Nein, nicht wirklich.

Eher eine Geschichte ohne wirkliches Ende, ebenso wie unsere.

Ob die Black Pearl die Nacht im Malstrom überstanden hat?

Ob der Captain noch lebt?

Ob mein Professor weiterhin an seiner Seite steht?

Wir werden es nie erfahren, aber ich glaube fest daran.

Ebenso fest, wie an meinen Theodore.

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~Ende?~
 

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