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Despair of the heart

von

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Hold me close...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

... and don't let go

Sie küssten sich abermals, zärtlich und langsam diesmal und als sie ihre Lippen wenige Millimeter weit voneinander lösten, hauchte Toshiya ein leises „Arigatoo“ an den Mundwinkel des Älteren. Kaoru lächelte schmal und schüttelte leicht den Kopf, küsste den Bassisten auf die Stirn und drückte ihn dicht an sich. Lange Zeit saßen sie einfach nur so da und schwiegen, hingen ihren Gedanken nach und genossen die Nähe des anderen. Erst als es draußen schon hell wurde erhoben sie sich und gingen in das Schlafzimmer des Schwarzhaarigen, kuschelten sich dort unter seiner Decke dicht aneinander und waren wenig später eingeschlafen.
 

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Der Geruch war ihm bekannt… vertraut, aber nicht so vertraut wie er es hätte sein können. Scheinbar Ewigkeiten brauchte er um zu realisieren wo er sich befand… was geschehen war… und als er sich erinnerte, da huschte ein zartes Lächeln über seine Lippen und er schlang die Arme fester um den schlanken Körper, der an seinen geschmiegt da lag. Langsam öffnete er die Augen, blinzelte ein paar Mal und betrachtete den schwarzen Haarschopf, der auf seiner Brust lag. Vorsichtig, um Toshiya nicht zu wecken, strich er ein paar der weichen Haarsträhnen bei Seite, sodass er das Gesicht des Jüngeren sehen konnte. Wie schön er doch war, wenn er schlief… nicht, dass er es sonst nicht auch war… aber er wirkte in diesem Moment so glücklich und zufrieden wie Kaoru ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte. Es tat ihm leid… sehr leid sogar. Wer wollte denn die Menschen, die einem etwas bedeutete, nicht glücklich sehen? Seit der letzten Tour mit all den schrecklichen Dingen, die damals geschehen waren, waren sie beide sich emotional sehr viel näher gekommen. Früher war Toshiya ein Kumpel für ihn gewesen, jemand, mit dem man mal was unternahm aber nicht unbedingt die persönlichsten Dinge besprach. Aber schon damals, als er den Jüngeren das erste Mal völlig aufgelöst in seinem Bett entdeckt hatte, hatte sich etwas verändert. Und jetzt wo Die, der beste Freund des Bassisten in einer Beziehung war und es mit Daisuke ebenso stand, da hatten sie doch nur noch einander. Sie wussten, wie der andere sich fühlte. Wer außer dem jeweils anderen konnte besser verstehen, was sich in ihnen abspielte?
 

Es fühlte sich an als wäre die ganze restliche Welt kalt und karg, als würde er dort erfrieren und nur hier, nahe bei Toshiya noch einen Funken Wärme ergattern können. Jetzt, in diesem Moment, alleine zu sein hätte ihm das Herz wohl endgültig zerfetzt, so aber, den Bassisten in seinen Armen haltend, hingen die Scherben zumindest noch an seidenen Fäden zusammen. Toshi brauchte ihn… und umgekehrt war es genauso und dieses Gefühl war das Einzige, das ihn nicht alles hinschmeißen ließ. Sie hatten Verantwortung füreinander. Sie mussten sich gegenseitig halten, stützen, wärmen. Alleine wären sie verloren. Sie würden erfrieren in dieser grausamen Welt, die einem nicht einmal den Hauch von Geborgenheit schenkte, wenn man sich nicht selbst darum kümmerte. Und das hatten sie getan, zwei gebrochene Herzen, die sich eng aneinander klammerten um nicht vom Sturm davon geweht zu werden.
 

Erschaudernd zog er den Jüngeren noch etwas dichter an sich und als dieser sich leise murmelnd im Schlaf halb über ihn rollte, da fühlte Kaoru sich in diesen Gedanken nur noch bestätigt. Abwesend glitten seine Fingerspitzen noch immer durch die seidigen schwarzen Strähnen, sein Blick hatte sich an der Zimmerdecke verfangen. Erst als der zierliche, warme Körper auf sich langsam damit begann sich zu bewegen, sah er wieder auf ihn hinunter und musste unweigerlich lächeln, als Toshiya sich verschlafen die Augen rieb und ohne diese zu öffnen, sich mit einem leisen Seufzen noch dichter an ihn kuschelte.
 

„Ohayoo“, hauchte er dem Bassisten zu und dieser antwortete mit einem leichten Murren, schlang den Arm, der ohnehin schon über seiner Brust lag, noch fester um ihn und rieb seine Wange sanft an der Brust des Älteren.

„..spät issenn?“, konnte Kaoru nur aus dem Nuscheln des Jüngeren herausfiltern und erst einige Sekunden später sich selbst dazu anschmeißen, den Kopf zu drehen und auf den Wecker neben sich zu blicken, der sie zum Glück nicht bereits mit unangenehmen Geräuschen geweckt hatte.

„Halb zehn…“

Erneut erntete er nur ein Murmeln von dem Jüngeren, aber er konnte es schon richtig einordnen. Er hatte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, das kuschelige Bett und die zärtliche Umarmung des Bassisten schon aufzugeben. Langsam drehte er sich zur Seite und Toshiya mit sich, sodass der Schwarzhaarige schließlich neben ihm am Rücken zu liegen kam und er sich über ihn beugte, ihm sanft über die Wange streichelte und das unglaublich schöne Gesicht betrachten konnte.

„Gestern Abend war wunderschön…“

Toshiya nickte sacht und schlug nun endlich die Augen auf, sah Kaoru an und lächelte dann zärtlich, aber es war keines dieser Lächeln, die man als glücklich hätte bezeichnen können. In den dunklen Samtaugen lag eine Traurigkeit und tiefe Verletztheit die der Ältere ebenso stark empfand. Sie hatten es nicht getan weil sie sich liebten oder sich vom jeweils anderen angezogen gefühlt hatten. Es war egoistisch gewesen, von ihnen beiden gleichermaßen, aber gleichzeitig hatten sie sich auch gegenseitig geholfen, sich das gegeben, wonach sie sich so sehr sehnten.

„Ja, das war es…“

Aber etwas gab es noch, das dem Schwarzhaarigen am Herzen lag und er zögerte einen Moment, ehe er es aussprechen konnte. Ganz leise nur und den Blick scheu dabei senkend, denn eine Zurückweisung würde in der Lage, in der er sich befand, fast unerträglich sein.

„Kao… können wir… zusammen sein? Nur wir beide?“

Diese Frage ließ den Älteren überrascht blinzeln und dennoch, wenige Sekunden später, da breitete sich in ihm die Gewissheit aus, dass es gut war. Dass es für sie beide das Beste war. Konnte man denn nicht auch dann zusammen sein, wenn man sich nicht wirklich liebte? Sich dennoch so etwas wie Liebe geben und für einander da sein? Ganz offiziell, damit niemand auf die Idee kam, ihnen einander weg zu nehmen. So nickte er und um diese Sache zu besiegeln, beugte er sich weiter hinunter und legte seine Lippen sanft auf die des Jüngeren, der den Kuss sofort hungrig erwiderte und seine Arme um den Nacken des über ihm liegenden schlang.
 

Nun sollten sie also zusammen sein. Sich nicht mehr einsam fühlen müssen und doch bei jedem Kuss, jeder Berührung, jedem Blick des vermeintlich Geliebten daran erinnert werden, dass es jemand ganz anderer war, an denen sie ihr Herz verschenkt hatten. Aber sie taten ihr möglichstes um ihr Schicksal erträglich zu machen oder zumindest so, dass sie nicht jede Sekunde ihres Lebens daran zu verzweifeln drohten. Und so war es nicht verwunderlich, dass sich Spuren aus salzigen Tränen ihren Weg über die Wangen des Bassisten bahnten, als sie noch tiefer in den Kuss versanken und sich seine Finger haltsuchend in die Haare des Älteren gruben. Die Gewissheit, seine große Liebe niemals so küssen zu dürfen verursachte ein beklemmendes Gefühl, das ihm den Atem raubte und ihm beinahe das Herz explodieren ließ.

The embittered heart of a beloved person...

„Hast du eigentlich schon was von Kyo gehört?“

Shinya saß auf dem breiten Doppelbett, das mit dunkelroter Satinbettwäsche bezogen war, die ihm immer noch eine Gänsehaut über den Rücken jagte, wenn er sie abends beim Hinlegen auf der nackten Haut spürte. Die jedoch gefiel sie und so schwieg er dazu, sagte niemals ein Wort und dies war so typisch für ihre Beziehung. Er sagte nie etwas. Für Die machte er stets gute Miene zum bösen Spiel, hatte sich mit Toshiya versöhnt, auch wenn er diesem noch immer am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre für das, was passiert war. Aber er konnte hervorragend Schauspielern, eine Tatsache, die er seit diesem Tag im Krankenhaus an sich entdeckt hatte.

Und nun saß er hier, sortierte seine Halstücher und tat so, als würde er vollends in dieser Beschäftigung aufgehen, während Die nur wenig entfernt von ihm am Bett saß und an seiner Gitarre zupfte. In dieser Zeit – das hatte der zierliche Drummer schnell gelernt – kam man dem Rothaarigen besser nicht zu nahe um ihn nicht zu stören. Kuscheln war da absolut zweitrangig, das hatte er akzeptieren müssen und wie immer fügte er sich diesem Umstand mit einem verständnisvollen Lächeln. Dabei war er nicht einmal annähern Verständnisvoll, im Gegenteil. Wenn er seinem Geliebten nahe sein wollte, dann sollte keine blöde Gitarre ihre Zweisamkeit stören. Schließlich ließ er auch immer alles liegen und stehen, wenn der Ältere sich nach ihm sehnte.
 

„Nein, aber du weißt ja wie er ist… er hat bestimmt eine Menge Spaß mit Gara und darüber vergisst er uns dann einfach“, entgegnete der Rothaarige mit etwas Verspätung, sein Solo aus ‚Yokan’ versonnen vor sich hinspielend, während Shinya mit geduldiger Miene und brodelnder Unzufriedenheit im Inneren gewartet hatte.

„Bestimmt“, pflichtete er Die bei, auch wenn er ganz anderer Meinung war. Kyo würde ihn nie vergessen, nur weil er es gerade Lustig hatte. So mochte der Ältere von ihrem Sänger denken, aber Shinya wusste es besser. Dennoch ließ er sich auf keine Diskussion ein, es war ja seine Schuld – warum hatte er überhaupt gefragt?

„Die-Schatz?“

Es war pure Berechnung. Der andere hasste diesen Kosenamen und er wusste es, aber er sprach ihn so süß aus, dass der Angesprochene nur etwas unmutig Murrte, den Blick vom Griffbrett aber dennoch auf seinen jüngeren Freund richtete. Manchmal konnte er sich so etwas eben einfach nicht verkneifen.

„Vielleicht sollten wir Kao und Toshi bald wieder einladen? Ich glaube die Gesellschaft hat ihnen gut getan“

Liebevoll gesprochene Worte beinahe, aber im Grunde hatte der Blonde ganz andere Hintergedanken. Ja, es gefiel ihm zu sehen, dass Toshiya litt. Vielleicht war es grausam und gemein, aber es war die gerechte Strafe. Noch immer war er davon überzeugt, dass der Bassist entgegen seiner Versprechen nie gewollt hatte, dass Die und er zusammen kamen. Es war doch eindeutig, dass der Ältere neidisch auf ihn war. Er war jetzt mit seinem besten Freund zusammen und Die hatte kaum noch Zeit für ihn. Wie tragisch, dass Kyo sich nur noch weiter von seinem (un)heimlichen Verehrer distanziert hatte. Und jetzt hatte der Schwarzhaarige niemanden mehr. Es geschah ihm doch so recht! Die ganze Zeit über hatte er ein falsches Spiel gespielt und Shinya damit beinahe in den Selbstmord getrieben. Es war ein unglaubliches Gefühl von Genugtuung ihn jetzt leiden zu sehen und ihn glauben zu lassen, dass er ihm alles verziehen hätte.
 

Dabei hatte Shinya sich anfangs wirklich Mühe gegeben. Er hatte wieder mit Toshi befreundet sein wollen, so wie früher. Aber er hatte erkannt, dass man gewisse Dinge nicht vergessen und verzeihen konnte. Es nagte noch immer an ihm, dass der Ältere mit Die, SEINEM Die geschlafen hatte und das nachdem er von Shinyas tiefer Liebe zu dem Gitarristen gewusst hatte. Das alles war aus voller Absicht geschehen, der Meinung war der Blonde zumindest. Und jetzt war es nur gerecht, dass auch Toshiya litt.
 

„Das ist süß von dir Shin. Wie wärs, wenn wir sie fragen, ob sie heute Abend mit uns ins Kino gehen?“, antwortete der Rothaarige ihm und Shinya musste schmunzeln ob der Tatsache, dass sein Geliebter ihn tatsächlich für derart mitfühlend hielt. Natürlich tat Kaoru ihm sehr leid und diese Gefühle waren keineswegs gespielt, aber wann immer er Toshiya mit diesem sehnsüchtigen, traurigen Blick sah, musste er sich sehr beherrschen, nicht zufrieden zu lächeln. Nein, er war nicht grausam. Aber der Bassist hatte ihm so viel angetan mit seiner Unachtsamkeit, viel mehr als nur die hässliche Narbe, die sich zentimeterlang über sein Handgelenk zog und ihn immer wieder an diese Zeit erinnern würde.
 

„Ja, das ist eine schöne Idee“

Natürlich stimme er seinem Geliebten zu. Es war immer so gewesen bisher und für Shinya selbst bizarr, wie sehr er eigentlich fähig war, sich den Wünschen und Meinungen eines anderen Menschen anzupassen. Aber er liebte Die abgöttisch und den anderen nicht mehr an seiner Seite zu wissen war tausend Mal schlimmer als nicht mit der Einrichtung ihrer neuen gemeinsamen Wohnung oder ihrer Freizeitplanung einverstanden zu sein. Früher, da war er ganz anders gewesen. Aber diese Tour hatte viel verändert, erschreckend viel und der zierliche Drummer war sich nicht immer sicher, ob er den alten Zeiten nicht nachtrauern sollte. Andererseits war doch alles so viel einfacher gewesen, als er Die noch unbemerkt aus der Ferne anhimmeln hatte können. Nur irgendwann hatte sein Herz einfach nicht mehr mitgespielt, das Verlangen war zu groß geworden und auch wenn der Weg, den er für die Eroberung des Älteren genommen hatte, anstrengend und beinahe tödlich gewesen war, bereute er es doch nicht. Immerhin war er jetzt derjenige, neben dem Die jeden Abend einschlief und am Morgen wieder erwachte. ER war nicht alleine…
 

„Ich werde sie gleich anrufen“

Schon erstaunlich, wie schnell sein Liebster seine Gitarre zur Seite legen konnte, wenn es um seinen besten Freund ging, schoss es Shinya durch den Kopf und der Blick, den er wieder auf seine Halstücher richtete, war kalt und wütend, aber er presste die Lippen aufeinander und ließ sich nichts anmerken. Noch war er sich nicht sicher, für wen sein Geliebter sich im Zweifelsfall entscheiden würde – Toshiya oder er – aber er hatte sich fest vorgenommen, diese Frage zu seinen Gunsten zu klären. Ein bisschen Zeit würde er dafür zwar brauchen… aber der Bassist würde schon noch lernen was es hieß, von einem Freund betrogen zu werden. Alles würde er ihm zurückzahlen, mit Genuss, so lange bis ihm klar werden würde, dass das was er angerichtet hatte, noch viel tiefer ging als er bisher geglaubt hatte.

... isn't easy to tame

Am selben Abend trafen sich vier der Mitglieder von Dir en grey vor dem von Die gewählten Kino um den von Die gewählten Film zu sehen, denn Kaoru und Toshiya war es egal gewesen was sie unternahmen, zumindest hatten sie das gesagt und Shinya hatte wie immer die Auswahl seinem Freund überlassen. Etwas Besseres als Kino war diesem schließlich dann eben auch nicht eingefallen. In seiner rational denkenden Art hatte er zudem überlegt, dass ein Liebesfilm oder Drama bestimmt das Falsche für seine Freunde war und eine Komödie sie vielleicht auch unglücklich machen würde, weil sie nicht darüber würden lachen können. Also hatte er sich – auch aus Eigeninteresse – für einen ziemlich brutalen und sinnfreien Aktionfilm entschieden, auch wenn er dabei wohl den Geschmack keiner seiner Begleiter getroffen hatte.
 

Shinya und Die warteten schon seit einer Weile vor dem Eingang, sie waren ein wenig zu früh dran gewesen, das der Blonde an diesem Tag überraschend schnell mit seinem Styling fertig gewesen war, als könnte er es kaum noch erwarten, endlich los zu kommen. Tatsächlich war es so, dass er keinesfalls verpassen wollte, wie Toshiya mit hängendem Kopf die Straße entlang geschlichen kam. So fielen ihm auch beinahe die hübschen Augen aus dem Kopf, als dieser anstatt einsam, Arm in Arm mit Kaoru auf sie zukam und die beiden zwar nicht überglücklich, aber sehr vertraut und ruhig, nicht etwa verzweifelt und völlig am Boden zerstört erschienen. Auch Die staunte nicht schlecht und so dauerte es nicht lange, bis er Toshiya drinnen unauffällig zur Seite zog, offiziell um mit ihm Popcorn kaufen zu gehen, und sofort nachfragen musste.
 

„Kao und ich, wir sind jetzt zusammen“, gab ihm der Jüngere zur Antwort, in einem so neutralen Tonfall, dass der Rothaarige noch viel verwirrter wurde. Wenn man verliebt war, dann klang das definitiv anders, aber dass der Bassist den anderen Gitarristen nicht liebte, das wusste er ja, also was sollte die ganze Sache? Sein Blick musste Bände sprechen, denn Toshiya lächelte matt und erklärte es ihm.

„Weißt du, wir beide, wir ertragen es im Moment einfach nicht, einsam zu sein… und jetzt versuchen wir uns das zu geben, was wir von denen, die wir lieben, ohnehin nie bekommen würden. Es ist besser so, für uns beide und es tut gut, jemanden nahe bei sich zu haben, wenn man sich so verlassen fühlt…“

Es klang so traurig, dass der Rothaarige das Bedürfnis hatte, seinen jüngeren Freund hier und auf der Stelle in die Arme zu schließen, aber als er erkannte, wie Toshiya sich ein wenig von ihm abwandte und es verräterisch in seinen Augen glitzerte, da glaubte er, dass es besser wäre, es nicht zu tun, wäre der Bassist wohl in Tränen ausgebrochen und hier, mitten unter diesen Menschen, wäre es ihm am Ende wohl auch noch peinlich gewesen. Manchmal war es besser, mit seinem Schmerz alleine zu sein. Alleine, aber nicht einsam.
 

Die nickte also verständnisvoll und schwor sich im Stillen, alles dafür zu tun, damit sein bester Freund endlich wieder glücklich wurde, ritt aber nicht länger auf diesem Thema herum sondern begann von dem Film zu erzählen, den sie sehen würden. Toshiya interessierte der Angriff irgendwelcher Killerroboter auf eine Stadt zwar kaum bis gar nicht, aber er war dankbar für die Ablenkung und Kaoru schien es gleich zu gehen, als sie schließlich im Zuschauerraum saßen und Menschen auf der Leinwand mit Laserstrahlen halbiert wurden. Von Beginn an hatte der Ältere den Arm um Toshi gelegt und dieser hatte sich dicht an ihn gekuschelt, hielt die Augen meist geschlossen und genoss einfach nur die Nähe, stellte sich eine Weile sogar vor, dass es Kyo war, der ihn so festhielt. Die saß auf seiner anderen Seite und neben ihm Shinya und einmal da drehte der Rothaarige sich zu ihm herum und streichelte ihm kurz über den Kopf und es ließ Toshiya schwach lächeln, im Gegenzug zu dem Blonden, der diese Geste mit düsterem Blick betrachtete. Noch immer war er sich sicher, dass unter dem Deckmantel der Freundschaft irgendwo tiefere Gefühle schlummerten, auch wenn er seinem Freund natürlich glaubte, dass dieser ihn liebte. Aber eben nicht so sehr wie er den Rothaarigen vergötterte und so war die schwarzhaarige Schönheit an dessen anderer Seite mehr als ernst zu nehmende Konkurrenz. Beste Freunde – wer sollte das schon glauben?
 

Nach dem Film – den nur Die mit einem begeisterten Grinsen im Gesicht verließ – schlenderten sie nach draußen auf die Straße, wo Kaoru und Toshiya sich eine Zigarette anzündeten und der Bassist auch dem Rothaarigen eine spendierte, auch wenn dieser Shinya zu Liebe eigentlich damit aufhören hatte wollen. Dieser beobachtete mit wachsendem Unmut die Vertrautheit zwischen den beiden und um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, stolperte er ganz plötzlich absichtlich von der Borsteinkante, knickte um und knallte der Länge nach auf den Asphalt. Auch wenn er sich dabei den Arm aufschürfte und sein Knöchel, mit dem er an der Kante entlang geschrammt war, gleich höllisch zu schmerzen begann, gelang sein Plan natürlich und Die hob ihn sofort besorgt hoch und kümmerte sich somit kein bisschen mehr um Toshiya, der ziemlich erschrocken war und Shinya besorgt ansah. Dieser bemerkte seinen Blick und hätte am liebsten einen triumphierenden zurückgeworfen, aber stattdessen blickte er wirklich Mitleid erregend zu seinem Geliebten auf, kuschelte sich dichter an ihn und gab ein leises, schmerzerfülltes Schluchzen von sich.
 

Normalerweise war es nicht seine Art, wann immer er sich verletzte, behielt er es so gut es ging für sich, machte kein großes Aufsehen darum und jammerte auch niemandem vor, welch große Schmerzen er hatte. Also nahmen die anderen drei, allen voran Die, natürlich an, es müsse besonders schlimm sein, sodass der Rothaarige gleich beschloss, seinen Freund in ein Krankenhaus zu bringen und sofort ein Taxi anhielt und Shinya auf den Rücksitz legte. Die Verabschiedung von Kaoru und Toshiya fiel knapp aus und er versprach, sie anzurufen, sobald sie wussten, ob der Jüngste sich sehr verletzt hatte, dann fuhr das Taxi auch schon weg.
 

„Der Arme…“, murmelte Toshiya ehrlich und sah dem Wagen hinterher, dann schmiegte er sich ein wenig fröstelnd an Kaoru, der die Arme um ihn legte und sie blieben einige Momente lang mitten am Gehweg stehen und hingen ihren Gedanken nach.

„Gehen wir wieder zu dir?“, erkundigte sich der Ältere nach einer Weile und Toshi nickte leicht.

„Mhm… morgen hol ich dann meine Sachen, ja?“ Erneut nickte der Schwarzhaarige und drückte sich noch etwas dichter an den Gitarristen, der seine Wange an die weichen Haare schmiegte und für ein paar Sekunden die Augen schloss. Für eine Weile wollten sie zusammen wohnen, es hatte nicht lange gebraucht, bis sie zu diesem Entschluss gekommen waren. Vor allem, weil dem Älteren bewusst war, dass Toshiya einfach nicht alleine zurecht kam. Der Bassist musste kaum gegessen haben in den letzten Wochen, zumindest sprach sein Kühlschrank davon und als er ihn einmal gefragt hatte, was er so getan hatte, seitdem sie von ihrer Tour zurückgekommen waren, da hatte dieser ihm mit einem ratlosen ‚nichts’ geantwortet. Später hatte er herausgefunden, dass Toshiya, wann immer er nicht gegessen oder geduscht hatte oder von einem von ihnen zu einer Aktivität überredet worden war, entweder im Bett oder auf dem Sofa gelegen und Löcher in die Luft gestarrt hatte. Die Zeit war geradezu an ihm vorbei geflogen, während es in seinem Ermessen Jahre gewesen waren, die er alleine in der Stille seiner Wohnung verbracht hatte. Kaoru hatte sich vorgenommen, ihn wieder ein wenig dazu zu motivieren, sich nicht zu sehr hängen zu lassen und sich dann an ihm ein Beispiel zu nehmen und sein Leben auch wieder auf die Reihe zu bekommen.

At least take my body...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

... if you don't want my heart and soul

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You say you love me...

Seit Stunden saß er nun schon völlig ideenlos vor seinem Notizblock und es schien, als wäre sein Kopf völlig leer. Mit Gas gefüllt oder nicht einmal das, denn nicht eine einzige dumme Idee kam ihm. Es war frustrierend und er war knapp davor, einfach alles hinzuschmeißen, als sein Handy klingelte.

„Hey, Kao, wie geht’s dir?“, tönte es fröhlich aus dem Hörer und ein Gefühl von Wärme durchflutete ihn, als er die Stimme seines besten Freundes erkannte. Eine kurze Pause folgte, in der er tatsächlich überlegte, ob er lügen oder die Wahrheit sagen sollte und entschied sich dann dafür, dass es für sie beide leichter wäre, würde er dieses Thema schnell herumbringen.

„Gut, warum?“

Es war eine schlechte Lüge, das war ihm im selben Moment bewusst in dem er dieses einzige Wort aussprach in einem Tonfall, der es doch ganz offensichtlich Lügen strafte.

„Aha…“, gab Daisuke wenig begeistert von sich, dann trat wieder Schweigen ein. „Okay… dann lass ich dich mal wieder in Ruhe… bye“

Dann erklang das monotone Tuten und Kaoru ließ die Hand mit einem leisen Seufzen sinken. So war bisher noch kein Gespräch mit Daisuke verlaufen und warum konnte er sich denn nicht ein bisschen besser zusammennehmen? Aber als er schon gedacht hatte, so schnell nichts mehr von dem Jüngeren zu hören, verkündete ein fröhliches Piepen, dass er eine SMS bekommen hatte.

//Warum lügst du mich an?\\

Anklagend blinkten ihm diese Worte entgegen und er presste die Lippen zusammen, als er die Antwort zu tippen begann, die Buchstaben dann aber löschte und es erneut versuchte. So lange bis ihm einfiel, dass er sich den Grund nicht erklären konnte. Also antwortete er auch dementsprechend.

//Weiß nicht\\

//Ich dachte wir sind Freunde ;.( \\

//Das sind wir doch\\

//Warum lügst du mich dann an?\\

//Weiß nicht\\

Seine Hoffnung, darauf abermals eine SMS zu bekommen wurde bitter enttäuscht, dafür aber kündigte sich ein Anruf an und er nahm sofort ab und wurde von Daisukes ein wenig verletzt klingender Stimme überrascht. „Was ist los mit dir Kaoru? Du bist so komisch zu mir seit einer Weile… seit… ja, eigentlich seit ich mit Rika zusammen bin! Bist du eifersüchtig auf sie? Bist du mir böse weil ich nicht mehr so viel Zeit für dich habe?“

„Ich bin nicht eifersüchtig…“, gab Kaoru schwach zurück und hätte er die Reaktion des Jüngeren auf diese Worte am anderen Ende der Leitung gesehen, wäre er wohl sehr verwundert gewesen.

„Was ist es dann?“, startete der Jüngere noch einen Versuch endlich heraus zu finden, warum ihr Verhältnis sich in den letzten Wochen so abgekühlt hatte. Er klang enttäuscht und verletzt und das mit anhören zu müssen trieb Kaoru beinahe Tränen in die Augen.

„Ich weiß es nicht… Dai bitte… ich kann jetzt nicht darüber reden… es tut mir leid… aber bitte glaub nicht, dass ich irgendwie… böse oder eifersüchtig bin… ich bin so froh, dass du glücklich bist… bitte glaub mir das…“ Gegen Ende seines Satzes wurde seine Stimme merklich leiser und brüchiger, bis er in einem leisen Keuchen endete und eine Hand vor die Augen legte, mit der anderen sein Handy fest umklammernd.

„Kann ich irgendetwas für dich tun?“, wurde er besorgt gefragt und beinahe hätte er gelacht und geantwortet ‚Sei für mich da, liebe mich und geh nie wieder weg’, aber so schüttelte er nur den Kopf, vergessend, dass der andere es nicht sehen konnte. Dennoch kamen ganz andere Worte über seine Lippen. „Können wir uns morgen sehen?“

„Morgen? Natürlich… aber… Kao, sag, weinst du?“

„Nein!“

„Warum lügst du schon wieder?“

„Ich weiß es nicht! Verdammt Dai… ich weiß einfach nicht… es ist nur so… ich fühle mich so… ich kann es dir nicht beschreiben… ich wünschte einfach, dass…“ Dann brach er ab, zuckte hilflos mit den Schultern und wischte sich über die tränennassen Wangen. [style type="italic"]Ich vermisse dich, Dai[/style]

„Ok Kao, hör mal – wo bist du gerade? Ich komm vorbei und wir reden drüber, ja?“

„Proberaum…“, kam es leise zurück und der junge Sänger nickte verstehend, machte sich bereits auf den Weg in den Flur und schnappte dort seine Jacke, „Ich bin in zehn Minuten da, ja?“ Dann legt er auf, hetzte die Treppe des Hauses, in dem seine Wohnung lag, hinunter und kam tatsächlich ziemlich genau zehn Minuten später keuchend und mit stechendem Schmerz in der Brust am Proberaum der anderen Band an. Die Tür war nicht verschlossen und er fand Kaoru in der hintersten Ecke des Raumes wieder, zusammengekauert auf dem Sofa, einen Block auf seinen Knien, der völlig leer war. Neben ihm am Boden lag sein Handy, als hätte er es nach ihrem Telefonat einfach fallen gelassen und als er Daisuke bemerkte, hob er den Kopf und lächelte traurig. Er hatte geweint, genau wie der Sänger vermutet hatte, er hatte sich vorhin nicht getäuscht, man sah es ganz deutlich. Die Spuren getrockneter Tränen auf seinen Wangen, die leicht geröteten Augen… und nicht zuletzt sein Blick verriet alles. Aber warum nur?

„Ach Kao-chan, was ist denn los mit dir?“, erkundigte sich der Jüngere besorgt und ließ sich neben seinem besten Freund auf der Armlehne nieder um ihn in eine enge Umarmung zu ziehen. Ergeben schloss Kaoru in diesem Moment die Augen und sog tief den vertrauten Geruch des anderen ein, schmiegte sich unauffällig noch etwas näher an ihn und seufzte leise.

„Danke, dass du gekommen bist…“

Daisuke schüttelte nur verständnislos den Kopf und drückte den Älteren sogar noch ein wenig fester, lehnte seine Wange an dessen weiche Haare und streichelte ihm sanft über den Arm.

„Das ist doch selbstverständlich… wozu sind Freunde denn da, Dummchen? Aber bitte sag mir, was dich so traurig macht, damit ich dir helfen kann“

Eine Weile schwieg Kaoru, fieberhaft überlegend, was er darauf antworten sollte. Er konnte Daisuke doch nicht sagen, was tatsächlich hinter seiner Verzweiflung steckte. Anlügen wollte er ihn aber auch nicht und so entschied er sich für den Mittelweg, auch wenn das keineswegs die beste Lösung war.

„Ich würde es dir so gerne erzählen… wirklich… ich… ach Dai es ist alles so kompliziert… ich fühle mich einfach so… einsam… alleine…“

„Aber das bist du doch nicht!“, warf der Jüngere sofort ein und schob Kaoru wenige Zentimeter von sich, sodass er ihn ansehen konnte, „Ich bin doch immer für dich da, genau wie die anderen auch“

„Das weiß ich…“, gab Kaoru ruhig zurück und wischte sich über die Wangen, denn es war ihm unangenehm, vor Daisuke zu weinen, auch wenn sie beste Freunde waren und es nicht das erste Mal gewesen wäre. Aber jetzt und in dieser Situation konnte er sich einfach nicht fallen lassen. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, dass er dem Jüngeren einfach verraten hätte, dass er und seine Beziehung zu diesem Mädchen der Grund für seine Verzweiflung war.

„Aber?“, hakte Daisuke nach und legte den Kopf leicht schief, wie immer, wenn er gespannt und neugierig auf eine Antwort war. Es war eine so süße Angewohnheit, die Kaoru normalerweise immer zum Lächeln brachte, aber jetzt stimmte sie ihn eigenartigerweise nur noch trauriger.

„Aber Freundschaft… kann nicht alles ersetzen… du weißt nicht wie sehr ich mir wünsche… einfach nur ein ‚Ich liebe dich’ zu hören… ein ernst gemeintes… mich endlich bei jemandem ausruhen zu können… dieses verdammte, bleischwere Herz endlich verschenken zu dürfen… du verstehst das nicht… du hast deine Rika…“

Dai schwieg einen Moment und schien zu überlegen, was der Ältere ihm da gerade offenbart hatte und dann, nach einer Weile, lächelte er traurig und zog Kaoru wieder in seine Arme. „Aishiteru“, flüsterte er leise und auch wenn es genau das war, was der andere sich immer von ihm gewünscht hatte zu hören, schien ihm in diesem Moment das Herz zu explodieren und er schubste den Jüngeren grob von sich, der erschrocken zu Boden fiel und sprang auf.

„Du weißt gar nicht, was du da sagst!“, schrie er ihn an, wirbelte dann herum und stürmte aus dem Proberaum, einen völlig verstörten Daisuke zurücklassend, der gar nicht wusste, wie ihm geschehen war. Erst nach einer Weile schaffte er es, sich aufzurappeln und wäre dabei fast auf das Handy des Älteren getreten, das dieser vergessen hatte.

... but this love seems to kill my heart

Als er an diesem späten Nachmittag nach Hause kam – wobei ‚nach Hause’ wohl die falsche Bezeichnung war, es blieb schließlich immer noch Toshiya’s Wohnung, in die er nur ein wenig chaotisch seine nötigsten Sachen gestopft hatte, damit sie beide nicht alleine waren – als er jedenfalls dort ankam, fand er den Bassisten halb nackt auf dem Sofa liegend wieder. Seine Hose hing irgendwo unten bei seinen angewinkelten Knien und das zerknitterte T-Shirt war mit eindeutigen Flecken übersäht. Einen Moment hielt er deshalb im Türrahmen schockiert inne, bevor er schnellen Schrittes auf den Jüngeren zuging, der in diesem Moment den Blick hob und… ihn anlächelte.
 

„Toshiya.. was ist passiert?“, fragte der Ältere verwirrt und registrierte mit Schockierung getrocknetes Blut an den Oberschenkeln des anderen ehe ihn dieses völlig entrückte Lächeln wieder in seinen Bann zog. „Was hast du gemacht?“

„Kyo war da“, hauchte der Schwarzhaarige und schloss bei diesen Worten die Augen, als würde er in wohligen Erinnerungen schwelgen und Kaoru stellte sich ernsthaft die Frage, ob der Jüngere vielleicht Drogen genommen hatte. Toshiya machte keine Anstalten, noch weiter darüber zu sprechen, sodass der Ältere sich vorsichtig neben diesen auf die Sofakante setzte und die Decke von der Lehne zog um sie über dem Bassisten auszubreiten.

„Hast du Schmerzen?“

Ein leichtes Nicken folgte, dann öffnete Toshiya die Augen wieder und einen Moment später wechselte sein Blick von verklärt zu nachdenklich.

„Hast du geweint, Kao?“

Er nickte, presste die Lippen zusammen und schluckte schwer, denn jetzt, wo Toshiya es angesprochen hatte und der kurze Schreckmoment über dessen Zustand vorbei war, wurde ihm wieder bewusst, was ihm in der Zwischenzeit eigentlich geschehen war.

„Warum?“

„Daisuke hat gesagt, er liebt mich“

Mit großen Augen blinzelte der Schwarzhaarige ihn an und schüttelte dann verwirrt den Kopf.

„Ja aber… das ist doch, was du wolltest, oder?“

„Nicht so!“, hauchte Kaoru verzweifelt und rieb sich über die brennenden Augen, stützte für einige Sekunden das Gesicht in beide Hände und sah dann wieder auf den Jüngeren hinunter, ein trauriges Lächeln auf den Lippen.

„Ich habe ihm erzählt, dass ich mir nichts mehr wünsche, als… ehrlich geliebt zu werden… und das im Spaß von ihm zu hören… es hat so weh getan… warum hat er das gemacht? Warum nimmt er mich nicht ernst? Warum…“

Dann brach er ab und ließ den Kopf wieder hängen, bis Toshiya sich unter einem leisen Ächzen ein Stück aufrichtete und die Arme um ihn schlang. Sie verweilten lange so, bis Kaoru bewusst wurde, dass die Stelle an seiner Schulter, an die der Jüngere sein Gesicht gebettet hatte, langsam feucht wurde und er schob ihn langsam von sich um ihn ansehen zu können.

„Was hat er dir nur angetan?“, flüsterte er voller Entsetzen und ehrlichem Mitleid, als er sah, dass der Jüngere trotz der vielen Tränen, die über seine Wangen kullerten, noch immer lächelte.

„Er hat gesagt… früher war ich wirklich hübsch…“, wisperte Toshiya so liebevoll, dass es dem Älteren das Herz zusammenzog und er bestürzt den Kopf schüttelte.

„Das bist du doch auch heute noch… warum zählst du so viel auf sein Urteil?“

„Weil ich ihn liebe“, bekam er zur Antwort und Kaoru wurde im selben Moment bewusst, dass es kein Gegenargument gab. Wie sehr zerstörte er sich denn selbst durch seine irrsinnige Liebe, was also gab ihm das Recht, Toshiya dasselbe vorzuhalten?
 

Indessen stand Daisuke noch immer etwas überrumpelt und verwirrt im Proberaum der anderen Band, das Handy seines besten Freundes – war Kaoru das überhaupt noch? – in der Hand, nicht wissend, was er nun tun sollte. Vielleicht war es der beste Weg, einfach bei ihm zuhause vorbei zu schauen und es ihm zu bringen. Eventuell konnte er dann noch einmal mit ihm über diese Sache sprechen, auch wenn er Magenschmerzen bei dem Gedanken daran bekam. Was hatte ihn nur geritten dem Älteren zu sagen, er würde ihn lieben? Als hätte er nicht im selben Moment gewusst, dass er damit alles nur noch schlimmer machte. Verärgert über sich selbst machte er sich auf den Weg, musste aber, vor der Wohnung des Gitarristen angekommen, feststellen, dass dieser nicht zuhause war. Vor seiner Tür stapelte sich die Post und auch auf sein Klingeln reagierte natürlich niemand, sodass er beschloss, einfach eines der Bandmembers anzurufen und zu fragen, wo er stecken könnte. Also durchforstete er Kaorus Handy nach den Telefonnummern der anderen und versuchte es als zuerst bei Die, der in der Liste als erster der vier aufschien.

„Oi Leader-sama“, meldete sich der Rothaarige gut gelaunt und wollte scheinbar schon weiterplaudern, als der Anrufer ihn unterbrach.

„Nein, ich bin es, Daisuke. Weißt du wo Kaoru steckt? Er hat sein Handy vergessen und ich wollte es ihm bringen, aber er ist nicht zuhause“

„Zuhause? Nein, da wirst du ihn kaum finden - er wohnt im Moment bei Toshiya“, wurde ihm Auskunft erteilt und Daisuke blinzelte etwas verwirrt und fragte natürlich nach, auch wenn er es in der nächsten Sekunde schon bitter bereute.

„Warum das denn?“

„Die beiden sind zusammen, hat er dir das denn gar nicht erzählt? … … … Hallo? Dai? Bist du noch da?“

„… äh…ja… also… nein, er hat es mir nicht erzählt… aber okay… ähm… Die, sag mal, kann ich dir das Handy nicht vorbei bringen? Du wohnst nicht so weit weg wie Toshiya und ich möchte jetzt nicht noch mal durch die ganze Stadt fahren. Du siehst Kaoru sicher eher als ich“

„Ja, klar, kein Ding… wirf es einfach bei uns in den Briefkasten, falls wir nicht mehr da sind. Shin und ich wollen nämlich gleich in die Stadt. Rufst du noch Toshi an, damit er Kao sagen kann wo sein Handy steckt?“

„Ist gut…“, murmelte Daisuke noch, verabschiedete sich und legte dann auf, ehe er sich mit einem leisen Seufzen an die verschlossene Wohnungstür sinken ließ. Toshiya und Kaoru waren also zusammen… Das musste er erst einmal verdauen und so brauchte es eine Weile, bis er wieder im Stande war, die Hand zu heben und nach Toshiyas Nummer zu suchen.
 

Sie saßen noch immer in einer engen Umarmung am Sofa, bis sie von dem hässlichen Geräusch eines vibrierenden Handys auf der Glasplatte unterbrochen wurden. „Bitte, geh du ran“, wisperte Toshiya an seiner Schulter und er tastete nach dem Telefon und klappte es einfach auf, ohne darauf zu achten, wer eigentlich angerufen hatte.

„Ja?“

„Kao?“, kam es etwas erstaunt und zittrig zurück und als ihm dabei bewusst wurde, mit wem er sprach, hätte er am liebsten wieder aufgelegt. Sein Herz pochte auf einmal ganz schrecklich schmerzhaft und die Tränen schossen ihm in die Augen.

„Hai…“

„Du hast dein Handy vergessen… ich bring’s zu Die und Shinya, ne? Wollte ich dir nur sagen…“

„Okay…“

Dann herrschte Schweigen, fürchterliche Sekunden in denen sie beide kein Wort sagten sondern nur dem Atem des anderen lauschten.

„Kao?“

„Hm“

„Es tut mir leid“

„Was?“

„Was ich gesagt habe…“

„Dass du mich liebst?“

„Nein“

„Was dann?“

„Dass ich dir unterstellt habe, eifersüchtig auf Rika zu sein…“

Kaoru kam gar nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben, denn Daisuke hatte bereits aufgelegt und nur noch das monotone Tuten drang an sein Ohr. Zwar drückte er sofort auf die Rückruf-Taste, aber der Jüngere ging nicht mehr dran und so gab er es nach vier Versuchen auf und zog Toshiya tief seufzend zurück in seine Arme. Was hatte Dai damit nur sagen wollen?

Love is able to quench the deepest pain...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

... and let you believe the sweetest lies

„Du musst aber irgendetwas essen, verdammt!”, nach einer Stunde gutmütigen Einredens auf Toshiya wurde der Rothaarige langsam ein wenig verzweifelt und wütend, sodass er den Jüngeren lauter anfuhr als er eigentlich wollte. Dieser war leicht zusammengezuckt und blickte aus großen, dunklen Augen zu ihm auf, ein wenig verständnislos aussehend und schüttelte abermals andeutungsweise den Kopf. Tief seufzend knallte der Gitarrist daraufhin die Schüssel mit dem Frühstück auf den Tisch und ließ sich dem Schwarzhaarigen gegenüber am Tisch nieder, stützte den Kopf in die Hände und atmete tief durch.

„Willst du vielleicht verhungern?“, gab er leise von sich und vielleicht war es gut, dass er gerade auf die Maserung des Holzes unter ihm starrte, sodass er das gleichgültige Schulterzucken seines besten Freundes nicht mitbekam.
 

In diesem Moment betrat auch Kaoru die Küche und bot ein beinahe ebenso erschreckendes Bild wie Toshiya. Er hatte kaum geschlafen diese Nacht, nicht nur weil er noch lange mit Die geredet hatte, sondern auch weil er, als dieser sich wieder zu dem Bassisten ins Bett gelegt hatte, noch fast die restliche Nacht lang wach gelegen war und nachgedacht hatte. Es war ihm bewusst, dass er Daisuke nie für sich gewinnen würde und dennoch klammerte er sich vergebens an diese Sache, kam aber einfach nicht darauf, warum er es tat. Normalerweise war er doch überhaupt nicht so, er dachte immer ganz rational, handelte nach seinem Kopf, nicht nach seinem Bauch. Dass er ausgerechnet bei dieser Sache so völlig neben sich war, passte gar nicht zu ihm und er hatte sich vorgenommen, es von diesem Tag an zu ändern. Er würde Daisuke nicht mehr lieben. Sie würden Freunde bleiben – waren sie das überhaupt noch? – und basta. Er würde zufrieden damit sein und sich vielleicht irgendwann wieder in jemanden verlieben, der das auch erwiderte. Und nachdem er seine Probleme jetzt gelöst hatte – zumindest redete er sich das noch recht erfolgreich ein – konnte er auch viel besser für Toshiya da sein und sich um ihn kümmern.
 

Trotz der tiefen Augenringe und der blassen Gesichtsfarbe lächelte Kaoru also ein wenig versonnen vor sich hin als er die Küche betrat, zumindest so lange, bis er seine beiden Freunde in dieser recht unerfreulichen Situation am Küchentisch sitzen sah. Toshiya mit dicht an den Körper gezogenen Beinen, die nackten Arme darum geschlungen, die aus einem weiten schwarzen T-Shirt ragten, den Kopf auf den Knien und völlig abwesend auf den Küchenboden starrend. Und Die, der mit zusammengepressten Lippen ihm gegenüber saß und mit verzweifelter Wut abwechselnd den Tisch, Toshiya und dessen Frühstück anstarrte.
 

„Was ist los?“, fragte der Älteste also vorsichtig und trat seitlich neben Toshiya um diesem eine Hand auf die Schulter zu legen, woraufhin der Schwarzhaarige seinen Kopf an seinen Bauch lehnte und mit einem resignierenden Seufzen die Augen schloss.

„Er will noch immer nichts essen“, murrte Die zur Antwort und wirkte irgendwie ein wenig gekränkt. Natürlich machte er sich Sorgen um seinen besten Freund und wusste sich einfach nicht wirklich zu helfen. Genauso musste Kaoru sich wohl gestern Abend auch gefühlt haben, als er ihn angerufen hatte.

„Mir ist schlecht, Die…“, gab Toshiya sehr leise zurück und Kaoru konnte spüren, wie ein leichtes Zittern durch den zierlichen Körper ging.

„Wenn du nichts isst, wird es auch nicht besser“, kam es ein wenig patzig zurück und der Älteste machte eine beruhigende Handbewegung in Richtung des Rothaarigen und warf ihm einen bittenden Blick zu.

„Vielleicht solltest du erst einmal eine Tasse Tee trinken, ja?“, schlug er dann an Toshiya gewandt vor und dieser nickte nach einem kurzen Moment des Zögerns leicht. Kaoru wollte sich gerade von ihm lösen, da stand Die schon auf um Wasser aufzusetzen und blieb schließlich vor dem Wasserkocher, den Blick aus dem Fenster gerichtet, stehen und starrte nach draußen.

Toshiya kuschelte sich inzwischen etwas näher an den warmen Körper neben sich und Kaoru kraulte beruhigend seinen Nacken, sodass der Jüngere beinahe dabei einschlief, weil er sich ohnehin so matt fühlte und das Kraulen so angenehm und entspannend war.
 

Ohne ein Wort stellte Die die Tasse mit dem heißen Wasser und einem Beutel Kräutertee darin auf den Tisch und verließ dann die Küche und wenig später hörte man das Knarren der Balkontür. Kaoru setzte sich neben den Jüngeren und schob ihm auffordernd die Tasse ein Stück weiter hin und Toshiya griff so zögerlich danach, als wäre es irgendein giftiges Tier. Aber dann schien er sich einen Ruck zu geben, pustete ein bisschen in den Tee und trank dann ein paar kleine Schlücke. Er erwartete eigentlich, dass sein Magen sich wieder umdrehte, so wie es fast geschehen wäre, als Die ihm sein Frühstück unter die Nase gehalten hatte, aber es passierte nichts. Also trank er weiter und als die Tasse leer war, fühlte er sich schon ein bisschen besser.

„Willst du jetzt noch mal versuchen was zu essen?“, erkundigte Kaoru sich vorsichtig und Toshiya beschloss, es einfach mal zu probieren, auch dem Älteren und Die zuliebe. Es war zum Glück ohnehin nur blanker Reis, denn etwas anderes hätte er wohl nicht hinunter bekommen und so begann er tapfer zu essen. Auch wenn er nur die halbe Schüssel hinunter brachte, bevor er sie von sich schob, waren sie beide gleichermaßen zufrieden.
 

„Ist Die jetzt böse auf mich?“, erkundigte er sich dann leise und schloss die Hände wieder um die Teetasse, als würde sie ihn noch immer wärmen. Aber das Porzellan war kalt und er erschauderte, ließ sie los und verschränkte stattdessen die Arme wieder um die Knie. Noch immer – oder schon wieder hatte er Tränen in den Augen, die ihm die Sicht verschleierten. Er wollte doch nicht, dass sein bester Freund wütend auf ihn war! Nicht zu allem Unglück auch noch das…

„Nein, das ist er nicht… er macht sich nur sehr große Sorgen um dich, weißt du?“, beruhigte Kaoru ihn und lächelte aufmunternd. „Wir möchten doch alle nur, dass es dir wieder gut geht“

„Kyo ist es egal, wie es mir geht“, gab Toshiya finster von sich und der Ältere zog die Augenbrauen zusammen und wusste nicht recht, ob er dem widersprechen oder zustimmen sollte.

„Du weißt, wie Kyo ist. Wenn es nicht um Shinya geht, ist er zu uns allen sehr kühl. Aber ich glaube nicht, dass du ihm völlig egal bist. Er zeigt es nur eben nicht“

„Doch, ich bin ihm egal“, flüsterte der Jüngere trotzig und noch mehr Tränen schossen ihm in die Augen, sodass sie nun endlich auch über seine Wangen kullerten, „Es würde ihm gar nichts ausmachen, wenn ich nicht mehr da wäre… wahrscheinlich wäre er froh darüber!“

„Das stimmt doch nicht“, widersprach Kaoru ihm ruhig und musste sich im selben Moment jedoch fragen, woher er diese Gewissheit eigentlich nahm? Tatsächlich war der Sänger immer sehr abweisend zu Toshiya gewesen, eigentlich schon von Anfang an. Als sie Ersatz für ihren alten Bassisten Kisaki gesucht hatten, da war Kyo als einziger nicht sonderlich begeistert davon gewesen, den quirligen Schwarzhaarigen in die Band aufzunehmen. Zwar hatte er sich nie wirklich dagegen ausgesprochen, aber er hatte sich auch nicht darum gerissen, Toshiya näher kennen zu lernen. Ebenso wenig wie Shinya, der in seiner üblich distanzierten Art lange gebraucht hatte, bis er sich dem ‚Neuen’ genähert hatte. Und er selbst hatte damals alle Hände voll zu tun gehabt, sodass Die der einzige gewesen war, der sich wirklich um den Bassisten gekümmert hatte. Später hatte Toshiya ihnen einmal erzählt, dass er sich Anfangs sehr unsicher gefühlt und oft geglaubt hatte, dass er überhaupt nie wirklich Teil der Band werden würde, weil die anderen sich schon so lange kannten und so gut befreundet waren. Er hatte sich als Außenseiter gefühlt und nur weil Die ihn immer wieder versucht hatte, in alles zu integrieren und sehr viel Zeit in ihre Beziehung zueinander investiert hatte, war er schlussendlich bei Dir en grey geblieben. Hätte Kaoru schon damals so deutlich von den Sorgen des Jüngeren gewusst, hätte er sich bestimmt auch mehr Zeit für ihn genommen, aber es war so stressig gewesen, dass er einfach nie sonderlich darauf geachtet hatte. Heute tat es ihm leid, es nie bemerkt zu haben.
 

„Ist es in Ordnung für dich, wenn wir übermorgen wieder mit den Proben beginnen?“, schnitt Kaoru ganz nebenbei ein anderes Thema an und obwohl es nur so beiläufig gesprochen hatte, beobachtete er die Reaktion des Schwarzhaarigen ganz genau. Im ersten Moment war er ein wenig zusammengezuckt, aber dann presste er die Lippen aufeinander und nickte schwach.

„Sicher?“, hakte der Ältere noch einmal nach und legte seine Hand beruhigend auf den Arm des anderen, „Wenn es dir zu früh ist, dann bitte sag es, ja?“

„Nein, es ist schon ok“, murmelte Toshiya mit einem gequälten Lächeln, das Kaoru leise seufzen ließ.

If you get caught in a trap...

Die Stimmung war kühl, auch wenn Kaoru sein Bestes versuchte, jedes der Bandmember so in die ohnehin raren Gespräche mit ein zu binden, dass sich niemand ausgeschlossen fühlte. Während Shinya wie üblich die meiste Zeit gar nichts sagte und in Gedanken weiterhin seinen Rachefeldzug gegen Toshiya plante, starrte dieser die meiste Zeit auf das unglaublich interessante Muster des Teppichs und sah ganz so aus, als würde er jeden Moment mal wieder in Tränen ausbreche. Ständig warf er Kyo flüchtige Seitenblicke zu, während dieser sich ganz so benahm, als wäre überhaupt nichts passiert – was hieß, er warf mit eisigen Blicken und bissigen Kommentaren geradezu um sich. Die wirkte allgemein sichtlich unglücklich mit der ganzen Situation und schien jeden Moment aufspringen und Toshiya an sich drücken zu wollen. Kaoru indessen bekam langsam ernsthafte Zweifel daran, ob es nicht doch zu früh gewesen war, sie alle wieder zu versammeln.
 

Dementsprechend schlecht verlief auch die Probe selbst, Shinya drosch ohne Rücksicht auf Rhythmus oder Intonation auf seine Drums ein als wären sie der Kopf eines bestimmten Bassisten, der sich ohnehin so benahm, als hätte er sein Instrument zum ersten Mal in der Hand. Die war auch nicht gerade bei der Sache und erwischte sich selbst immer dabei, wie er einige Viertelnoten hinterher hing. Kyo schien auch keine rechte Lust zu haben und brachte nur das Nötigste seines Könnens zur Geltung, was so viel hieß wie – er sang ungefähr ein Drittel der Texte, den Rest ließ er einfach weg und das was er sang, klang gar nicht nach dem, was eigentlich vorgesehen war. Es war wohl nicht schwer festzustellen, dass auch Kaoru in diesem ganzen Chaos nicht den Hauch einer Chance hatte seine Parts wirklich so zu spielen wie üblicherweise.
 

Reichlich frustriert entschloss sich der Leader also dazu, die Probe nach nicht einmal einer halben Stunde wieder zu beenden. Aber so leicht wollte er nicht aufgeben, denn sie alle wussten doch, dass sie bald wieder ihr normales Programm abspielen mussten, die Aufnahmen zum neuen Album standen an und es gab immer haufenweise Termine in dieser Zeit. So kam es ihm ganz recht, dass Shinya am Ende der Probe vorschlug, dass sie doch an diesem Abend zusammen etwas trinken gehen konnten, auch wenn es ihn ein wenig verwunderte, dass diese Anregung ausgerechnet von dem Bandküken kam. Nach einigem Hin und Her stimmten dann auch endlich alle zu, wobei es ausgerechnet Kyo und Toshiya waren, die sich am längsten geziert hatten. Der Bassist, weil er absolut nicht in Feierlaune und körperlich noch immer etwas angeschlagen war, der Sänger, weil er schon ahnte, worauf dieser Abend abzielte… und es ging ihm kurz gesagt einfach höllisch auf die Nerven. Dennoch hatte er keine Lust, dass die anderen drei ihm damit ewig in den Ohren lagen, also ließ er sich schließlich zu dem Versprechen breit schlagen, ebenfalls am genannten Treffpunkt aufzukreuzen.
 

***************
 

„Ich geh nur mal eben telefonieren, ja?“, hauchte Shinya liebevoll an den Hals seines Freundes, der gerade dabei war, seine rote Mähne in Form zu bringen. Dementsprechend abwesend nickte Die auch und der Jüngere verschwand in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. Nachdem er sein Telefonbuch hastig nach einer bestimmten Nummer durchsucht hatte, hielt er sich das Handy ans Ohr und lauschte aufgeregt dem gleichmäßigen Tuten.
 

„Na, ist schon Showtime?“, wurde er vom anderen Ende der Leitung begrüßt und ein hübsches Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
 

„Heute Abend, elf Uhr“
 

„Und du willst es wirklich durchziehen?“
 

„Ohja, das will ich! Es soll endlich aufhören. Ich kann das nicht länger ertragen"
 

„Gut, auf deine Verantwortung, Kleiner. Ich werde da sein. Bis dann“
 

„Bis dann“
 

Sein Herz klopfte heftig, als er auflegte und das Handy in die Tasche seiner weißen Hose schob. Im selben Moment betrat Die das Schlafzimmer und er schenkte ihm ein unschuldiges Lächeln, das den Älteren dazu verleitete, zu ihm zu kommen und ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.
 

„Du siehst fantastisch aus, Shin“
 

„Danke, Schatz“
 

***************
 

Zumindest nach der dritten Runde schien sich die Stimmung am Tisch etwas zu lockern. Nachdem Anfangs eisiges Schweigen geherrscht hatte, wurde es von Minute zu Minute erträglicher und das, was zumindest Kaoru und Die an diesem Abend am meisten freute, war Toshiyas Lachen, als er sich mit den beiden Gitarristen endlich über ganz alltägliche Dinge unterhielt (oder unterhalten konnte). Zumindest für diesen Augenblick war alles vergessen (oder auch nur sorgsam verdrängt), aber es erleichterte beide gleichermaßen, dass das Energiebündel der Band sein Lachen nicht verlernt hatte.
 

„Na los, lass uns tanzen gehen“, forderte Kaoru den Jüngeren nach einigem innerlichen Zögern auf und zu seiner Verwunderung stimmte dieser sogar gut gelaunt zu. Also verließen sie zusammen den Tisch und ließen die anderen drei dort zurück. Die zündete sich inzwischen die letzte Zigarette aus seiner Packung an, zerknüllte diese und warf sie zwischen ein paar leere Gläser.
 

„Lass uns Kippen kaufen, Die. Ich muss mit dir reden“, kam es auf einmal von Kyo und der Rothaarige hob erstaunt eine Augenbraue. Wenn sich das mal nicht gut traf – er selbst musste nämlich auch dringend ein paar Worte mit dem Sänger wechseln, allerdings hatte er sich das erst für den nächsten Tag vorgenommen. Aber warum es nicht gleich tun?
 

„Macht es dir etwas aus?“, wandte er sich aber erst an Shinya, der mit einem sanften Lächeln den Kopf schüttelte. „Nein, nein, geht nur. Kao und Toshi kommen bestimmt gleich zurück“

... and everything seems just hopeless ...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

[Zwischenkapitel: one-on-one interview]

„Ich muss mit dir reden, DieKyo“, begannen sie, draußen vor dem Club angekommen, beide exakt gleichzeitig, blickten sich dann einen Moment erstaunt an und mussten schließlich beide grinsen. Aber genauso schnell wurden sie wieder ernst und Kyo deutete dem anderen mit einem Kopfnicken, dass er beginnen sollte.
 

„Toshiya ist total fertig wegen dir“, sprach Die gleich ohne Umschweife das Problem an und registrierte mit wenig Freude, wie der Kleinere genervt die Augen verdrehte. „Schau nicht so. So wie du ihn letztens zurückgelassen hast war wirklich scheiße von dir. Er hat Unmengen Tabletten geschluckt, weil er der Meinung war, du findest ihn hässlich und er müsste erst einmal abnehmen“
 

„Er hat WAS getan?“, fragte Kyo verständnislos nach, zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte ein wenig verärgert den Kopf, „Wie blöd kann man bitte sein?“
 

„Das hat nichts mit blöd zu tun. Er legt sehr viel Wert auf deine Meinung, ist dir das denn nie aufgefallen? Verdammt, er liebt dich Kyo… ich glaube er würde alles für dich tun. Kannst du nicht ein wenig rücksichtsvoller sein?“
 

„Er nervt mich, okay? Und noch mehr nervt, dass du ständig versuchst uns zu verkuppeln. Er wollte gar nicht mit mir reden, wie du gesagt hast, meinst du ich hab das nicht gemerkt? Der Trick war billig, Die, wirklich billig“
 

„Mag sein, trotzdem hättest du ihn nicht so fertig machen müssen“
 

„Na hör mal! Er wollte es doch selber… stell mich jetzt nicht als Vergewaltiger hin“, gab der Kleinere murrend zurück und schenkte dem Gitarristen einen bitterbösen Seitenblick. Immerhin hatte er gleich wieder gehen wollen, es war Toshiya gewesen, der ihn so eindeutig angemacht hatte, dass er einfach nicht hatte widerstehen können. Na gut, können vielleicht schon, aber wollen ganz bestimmt nicht.
 

„Das hat niemand behauptet, Kyo… aber ich glaube du hast gar keine Ahnung was du ihm antust mit deiner Kälte. Hasst du ihn wirklich so sehr?“
 

„Ich hasse ihn nicht… du weißt, dass das Unsinn ist, Die…“
 

„Was ist es dann?“
 

„Ich…“ //Ich ertrage seine Zuneigung einfach nicht\\ „Welche Sorte?“
 

„Hä?“
 

Mit einem knappen Nicken deutete Kyo auf den Automaten, vor dem sie angekommen waren. „Welche Sorte?“
 

„Salem Light. Du schuldest mir eine Antwort“
 

„Wusstest du, dass Mentholzigaretten sogar noch schädlicher sind als normale, Die?“
 

„KYO! Hör endlich auf mir auszuweichen!“
 

Der Jüngere seufzte tief und fischte die beiden Päckchen aus dem Schacht, gab das eine an Die weiter und presste dann überlegend die Lippen zusammen. „Ich mag es nicht“
 

„Was?“
 

„Seine Blicke… seine Art mit mir umzugehen… ich will nicht, dass er mich liebt. So lange er damit nicht aufhört…“
 

„So lange ist was?“
 

„… werden wir niemals auch nur befreundet sein“
 

„Sei nicht so kalt. Man kann nicht einfach von einer Sekunde zur nächsten aufhören, jemanden zu lieben“
 

„Ist das mein Problem?“
 

„Kyo!“
 

„Was? Ich will nichts mehr davon hören, Die. Und jetzt lass uns zurück gehen“
 

„Du kannst das doch jetzt nicht einfach dabei belassen!“, widersprach der Größere verärgert und riss gleich die neu gekaufte Schachtel auf um sich eine der Zigaretten anzuzünden.
 

„Und ob ich kann. Außerdem solltest du doch eigentlich wissen, dass ich der letzte bin, der Toshiya gut tun würde… selbst wenn ich ihn lieben würde…“

In times of fear and distress ...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

... hold on to those who you can trust

Er fühlte sich schrecklich, als er am nächsten Morgen erwachte. Kopfschmerzen quälten ihn und in seiner Brust war ein Stechen, das sich anfühlte, als hätte ihm jemand während der Nacht ein Messer dort hin gerammt. Zudem glaubte er, jeden Moment in Tränen ausbrechen zu müssen und konnte sich doch nicht recht erklären, wieso. Außerdem verspürte er eine seltsame Art von Wut… hilflose Wut, die sich gegen nichts Bestimmtes richtete und die er nicht einordnen konnte.
 

Toshiya lag dicht an ihn geschmiegt und er hatte beide Arme um den dünnen Körper geschlungen, zog ihn in diesem Moment noch etwas näher. Der Jüngere gab ein leises Stöhnen von sich, schien aber weiter zu schlafen und Kaoru holte zitternd Atem. Die Geschehnisse des letzten Abends kamen nur langsam zurück in sein Gedächtnis. Nach dem Telefonat mit Die hatte er noch den Tee ausgetrunken, zwei Zigaretten geraucht und hatte sich dann zu Toshiya gelegt. Es hatte Stunden gedauert, bis er endlich eingeschlafen war und ein kurzer Blick zur Seite auf den Wecker zeigte ihm, dass er nicht besonders lange geschlafen hatte. Vielleicht fühlte er sich deswegen so scheiße. Wäre zumindest eine schöne Erklärung gewesen.
 

Versonnen begann er durch die schwarzen Haarsträhnen zu streicheln, die auf seiner Brust lagen. Das alles tat ihm so schrecklich leid. Toshiya tat ihm leid. Und Die. Und Kyo, der sich bestimmt große Sorgen um Shinya machte. Und der tat ihm auch leid, wenngleich aus anderen Gründen. Es gab nichts, das er mehr hasste, als wenn es denjenigen, die er gern hatte, schlecht ging. Es war so typisch für ihn. Er achtete immer mehr auf andere als auf sich selbst. Aber es war oft leichter, sich mit den Problemen anderer auseinander zu setzen als mit den eigenen.
 

Ein erneutes Stöhnen, das von irgendwo unter dem schwarzen Haarschopf kam, ließ ihn sich wieder Toshiya zuwenden, der sich ein wenig zu bewegen begann und dann noch einmal ächzte. „’hayou“, begrüßte er den Jüngeren leise und dieser antwortete mit einem undeutbaren Murren, kuschelte sich näher an ihn heran und schluchzte auf einmal ein ziemlich wehleidiges „Kopfweeeeeh!“ und sprach Kaoru damit irgendwie aus der Seele…
 

Der Gitarrist seufzte leise, befreite sich vorsichtig von der Umarmung des Schwarzhaarigen und rutschte aus dem Bett, rieb sich müde über die Augen und zog die Decke wieder ordentlich über Toshiya, nachdem sie ihm bis zur Hüfte hinunter gerutscht war. Dieser hatte inzwischen das Gesicht im Kopfkissen vergraben und jammerte leise unverständliches Zeug.

„Ich hol dir ne Tablette“, informierte er den anderen und tappte dann in die Küche, durchwühlte die Schränke und wurde dann endlich fündig. Eine der kleinen Dinger würgte er gleich selbst hinunter, drückte dann noch eines für Toshiya aus der Packung und füllte ein Glas mit Wasser. Als er zurück ins Schlafzimmer kam, hatte der Bassist sich die Decke ganz über den Kopf gezogen. Deshalb setzte Kaoru sich an den Bettrand und zog sie ihm vorsichtig weg, strich ihm ein paar wirre Haarsträhnen aus dem Gesicht und half ihm, sich auf zu setzen. Toshiya hielt die Augen dabei fast völlig zusammen gekniffen, denn obwohl es noch recht dunkel im Schlafzimmer war, brannten sie wirklich schmerzhaft. Außerdem war ihm kotzübel und seine Wange tat weh, dort wo Kyo ihn geschlagen hatte…
 

„Sonst alles klar mit dir?“, erkundigte sich Kaoru ein wenig besorgt und nach kurzem Zögern nickte der Jüngere, ließ sich das Glas Wasser wieder aus der Hand nehmen und lehnte sich dann an den Gitarristen. Dieser schlang die Arme um ihn und hielt ihn eine Weile einfach nur fest.
 

„Weißt du, wie es Shinya geht?“, vernahm er nach einiger Zeit ein leises Flüstern an seiner Schulter.

„Ich habe gestern Abend noch mit Die telefoniert… er hat nur gesagt, sie hätten ihm was gegen die Schmerzen und Schlaftabletten gegeben… ich werde ihn dann gleich noch mal anrufen“

„Hmm… Die hasst mich bestimmt, oder?“

„Ach Unsinn…“

„Aber gestern… hat er gesagt…“
 

Dann brach der Jüngere ab und erschauderte in einem heftigen Weinkrampf. Kaoru antwortete nicht, zog nur nach einer Weile die Decke um ihre Schultern und hielt Toshiya weiterhin dicht bei sich, streichelte seinen Rücken und hätte sich am liebsten selbst jemanden um den Hals geworfen und sich ein wenig trösten lassen. Aber das ging jetzt nicht… außerdem kam im Moment einfach niemand dafür in Frage. Yoshiki war wieder einmal tausende Kilometer weit weg und Daisuke… tja, das war ein anderes Kapitel. Und Kyo hatte im Moment wohl selber genug Probleme.
 

„Lass uns was frühstücken… dann geht’s uns bestimmt besser“, schlug er schließlich vor, schob Toshiya sanft von sich und hob sein Kinn an um ihn aufmunternd anzulächeln. Er hätte einen begnadeten Schauspieler abgegeben, wirklich.

Der Jüngere schniefte leise und nickte dann wenig begeistert. Aber Kaoru schien auch das schon zu würdigen und hauchte ihm einen sanften Kuss auf den Mundwinkel, drückte ihn dann noch einmal kurz und half ihm beim Aufstehen. Wie er vermutet hatte, schwankte der Jüngere gefährlich und so musste er ihn sogar stützen, als dieser sich anzog. Dann setzte er ihn kurz auf den Bettrand, schlüpfte selbst in gemütliche Sachen und führte Toshiya anschließend in die Küche.
 

Bereits vorhin war er auf eine Packung Oyaki gestoßen und es war irgendwie genau das was sie beide jetzt brauchten. Das mit Vanillecreme gefüllte Gebäck wirkte fast wie Schokolade… es machte einfach glücklich. Also öffnete er die Packung und schob die Dinger in die Mikrowelle um sie zu wärmen. Zwei Minuten und ein leises ‚Pling’ später standen zwei Teller mit der leckeren Süßspeise auf dem Tisch und Toshiya starrte versonnen darauf.

„Bitte… iss zumindest eines“, bat Kaoru inständig und der Schwarzhaarige betrachtete ihn kurz mit ausdruckslosem Blick, ehe er leise seufzte und sich Kaoru zu liebe dazu durchrang in das süße Ding zu beißen. Die Vanillecreme war wirklich unwiderstehlich… und spätestens nach dem dritten Bissen hatte er keinen Zweifel mehr daran, dass er seine Portion nicht aufessen würde.

Als er schließlich den Teller von sich schob, hatte er sogar ein sachtes Lächeln auf den Lippen und sobald Kaoru ebenfalls fertig war, huschte er auf dessen Schoß und schmiegte sich an ihn.

„Kuschelbedürftig?“, lächelte der Ältere sanft und kraulte ihn im Nacken. Toshiya nickte und seufzte leise. „Gehen wir wieder ins Bett? Ich bin müde…“

„Geh schon mal vor. Ich räum nur eben ab und ruf dann noch mal Die an, ja?“
 

Nachdem er die Küche wieder halbwegs in Ordnung gebracht hatte – viel hatte es ja nicht aufzuräumen gegeben, holte er sein Handy aus dem Wohnzimmer und zog sich dann auf den Balkon zurück um eine Zigarette zurauchen und mit Die zu telefonieren. Es klingelte eine halbe Ewigkeit und gerade als er meinte, der Anrufbeantworter würde einspringen, wurde abgehoben.

„’hayou Kao“

„’hayou. Alles klar bei dir?“

„Hält sich in Grenzen…“

„Bist du noch im Krankenhaus?“

„Fuck ja… weißt du wie gut es sich auf diesen Plastikstühlen im Warteraum schlafen lässt?“

„Hmm… wie geht’s Shin?“

„Sie haben mich heute noch nicht zu ihm gelassen… Kyo dreht hier gerade einen Horrorfilm deswegen… ich konnte ihn eben noch davon abhalten eine Schwester mit einer Zeitung zu attackieren“, erklärte Die und seufzte müde.

„Aaah… hmm… ist es ok, wenn ich heute Nachmittag mal vorbeischaue?“

„Ja… klar. Aber lass bloß Toshiya zuhause!“, kam es prompt zurück aber es klang nicht mehr so feindselig wie am letzten Abend. Definitiv ein gutes Zeichen.

„Hm… okay, bis später dann“

I know what you have done...

Toshiya schlief bereits wieder, als er ins Schlafzimmer kam und er setzte sich auf die Bettkante um den Jüngeren eine Weile nachdenklich zu betrachten. Ihm gingen tausend Dinge durch den Kopf, aber keinen einzigen Gedanken konnte er so richtig fassen. Schließlich gab er es auf, kroch zu Toshiya unter die Decke und zog den Schwarzhaarigen sanft in seine Arme. Dieser murrte leise im Schlaf, kuschelte sich dichter an ihn und atmete dann wieder ruhig und gleichmäßig weiter. Kurze Zeit später war auch Kaoru wieder eingeschlafen und als er das nächste Mal wach wurde, war es bereits später Nachmittag und das Bett neben ihm eigenartig leer.
 

Sofort setzte er sich besorgt auf, denn dass Toshiya vor ihm aufstand war bisher noch nie vorgekommen. Im selben Moment wurde ihm schwindelig, weil er sich zu schnell bewegt hatte, aber er ignorierte dieses Gefühl und sprang aus dem Bett um sich auf die Suche nach dem Jüngeren zu machen, den er zum Glück recht schnell im Bad entdeckte, wo er nicht schlecht staunte, als dieser das Handtuch sinken ließ, mit dem er sich eben noch die Haare trocken gerubbelt hatte. Sie waren nicht mehr schwarz, sondern haselnussbraun und sie würden bestimmt noch heller werden, wenn sie erst einmal trocken waren.
 

„Gefällt es dir?“, fragte Toshiya scheu und Kaoru musste erst einmal tief durchatmen, hatte er doch viel Schlimmeres befürchtet als nur gefärbte Haare. Dann nickte er und überwand die Distanz zu dem Jüngeren, schlang von hinten die Arme um ihn und suchte seinen Blick im Badezimmerspiegel. „Du bist sowieso immer hübsch, To-chan… und es steht dir wirklich gut. Warte, ich werde sie dir trocknen, ja?“ Der nun Braunhaarige nickte und Kaoru griff nach dem Föhn, stellte ihn auf lauwarm und begann dann damit, die Haare des Jüngeren vorsichtig zu trocknen, durchwuschelte sie immer wieder und als schließlich alles Wasser entfernt war, schimmerten sie in einem warmen hellbraun.
 

Toshiya betrachtete sich kritisch und warf dann erneut einen fragenden Blick in Richtung des Älteren, der schmunzelte und sanft über die nun wesentlich helleren Haare streichelte.

„Schau nicht so, es ist wirklich hübsch…“

Eigentlich erwartete er, dass der Jüngere ihn noch fragen würde, ob er glaubte, dass es Kyo auch gefiel, aber Toshiya schwieg, kuschelte sich an ihn und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.

„Ich werde dann mal ins Krankenhaus fahren… kann ich dich eine Weile hier allein lassen?“, erkundigte er sich vorsichtig und der Bassist nickte mit einem leisen seufzen.

„Du wirst nichts anstellen?“, hakte Kaoru noch einmal nach und Toshiya schüttelte den Kopf und drückte ihn kurz etwas fester, als wollte er es versprechen.
 

Trotzdem hatte Kaoru ein ziemlich schlechtes Gefühl, als er kurze Zeit später die Wohnung des Bassisten verließ und sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn Station machte. Mittlerweile war es später Nachmittag und der Untergrund von Schülern geradezu überflutet, sodass er sich in einen völlig überfüllten Wagon quetschen musste und schon eine Station früher ausstieg, weil er die Enge einfach nicht mehr aushielt. Zurück an der Erdoberfläche atmete er erst einmal tief durch und zündete sich eine Zigarette an.
 

Er erreichte das Krankenhaus eine halbe Stunde nach Ende der Besuchszeit, aber er ließ sich nicht lange von der Schwester bequatschen, sondern begab sich einfach auf die Suche nach dem richtigen Zimmer. Endlich dort angekommen klopfte er nur kurz und trat dann einfach ein, sodass die drei sich dort befindenden Personen etwas erschrocken aufsahen. Shinya lag zwischen fünf oder sechs bunten Blumensträußen in seinem Bett, auf dessen Rand Die saß, Kyo auf der anderen Seite auf einem Stuhl. Irgendwie sah es verdächtig danach aus, als würde er jeden Augenblick einfach einschlafen und mit dem Kopf auf den Bettrand knallen. Aber einen viel besseren Eindruck machte Die auch nicht gerade.
 

„Hey Kao“, durchbrach der Rothaarige endlich die Stille, die eingetreten war, seitdem der Bandleader das Krankenzimmer betreten, die Tür geschlossen und sich bis zum Fußende von Shinyas Bett begeben hatte. Kyo warf dem zweiten Gitarristen einen verwirrten Blick zu, als von Kaoru kein einziges Wort kam, sondern dieser nur den Jüngsten im Raum anstarrte. Der Drummer hielt diesem Blick stand, als führten sie ein stummes Duell, das die anderen beiden nicht ganz begriffen. Dann aber wandte sich Kaoru ab und auch Shinya senkte den Blick.
 

„Können wir ein paar Schritte gehen?“, bat er Die und dieser nickte, küsste Shinya noch einmal auf die Stirn und sie verließen das Krankenzimmer. Eine Weile gingen sie einfach geradeaus, beide in Gedanken versunken, bis der Rothaarige ein wenig zusammenzuckte.
 

Der Flur bekam ihm bekannt vor und nach einigen Sekunden fiel ihm wieder ein, dass es derselbe war wie damals. Und im gleichen Moment kam ihm das in den Sinn, worum Toshiya ihn damals gebeten hatte und sein Herz machte einige schnelle Schläge und er musste sich an der Wand abstützen, weil ihm mit einem Schlag schwindelig wurde. Es war ein widerliches Gefühl, das sich in ihm breit machte und eine Übelkeit verursachte, die ihn sich fast übergeben lassen ließ. Und dann fiel ihm das ein, was er Toshiya versprochen hatte. Was er sich selbst geschworen hatte und er begann sich von einer Sekunde zur anderen für das zu hassen, was er in den letzten zwölf Stunden gedacht, gefühlt und gesagt hatte. Aber es war nur diese eine Seite der Medaille, die er Momentan realisierte, die andere war zu schrecklich, als dass sie ihm bewusst wurde, zumindest noch nicht.
 

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll!“, wandte er sich an Kaoru, der schweigend neben ihm hergegangen und nun stehen geblieben war.

„Traust du Toshiya so etwas zu?“

„Also… ich… nein… verdammt, er ist doch mein bester Freund!“

„Und Shinya? Hast du schon einmal daran gedacht, dass du ihn ganz falsch eingeschätzt hast?“

„Ich liebe ihn, Kaoru“, versuchte er sich leise und hörbar verzweifelt zu verteidigen.

All das zu verteidigen, was er in den letzten Stunden getan hatte. Und er wusste schon, dass der Ältere ihn verstehen würde, noch bevor dieser nickte. Die senkte ergeben den Blick und lehnte den Kopf an die Schulter des anderen Gitarristen, der nach einigen Sekunden einen Arm um ihn legte und ihm die Nähe und Ruhe gab, die er jetzt gerade brauchte.

„Was soll ich denn jetzt tun? Was soll ich nur tun…“

Dem einen zu glauben hieß den anderen für etwas zu beschuldigen, das so schrecklich war, dass sich ihm der Magen zusammenkrampfte. Wie konnte all das nur geschehen?

„Bleib bei Shinya… er braucht dich jetzt, in jeder Hinsicht. Aber schick Kyo nach Hause, er sieht wirklich schrecklich aus… außerdem kann er hier ja ohnehin nichts tun“, riet ihm der Ältere und er nickte, trat wieder einen Schritt zurück und lehnte sich müde seufzend an die Wand hinter ihm.

„Du hast recht… aber du, kümmer dich um Toshiya, ja? Und sag ihm… sag ihm, dass…“

„Sag es ihm selbst, Die“, unterbrach der Ältere ihn ein wenig unerfreut, „Und wenn du es nicht sagen kannst, dann nimm dein Handy und schreib es ihm“

Der Rothaarige zögerte, aber dann nickte er und zog tatsächlich sein Handy aus der Hosentasche um eine SMS an Toshiya zu schicken.
 

//To-chan… suki desu… verzeih mir… du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, vergiss das nicht… ich will dir glauben, aber gib mir Zeit… es ist alles so schwer zu begreifen im Moment…\\
 

Als er wieder aufsah, hatte Kaoru sich bereits umgedreht und ging langsam den Gang hinunter und er stieß sich von der Wand ab und folgte dem Älteren hastig, hielt ihn am Arm zurück.

„Kaoru, versprichst du mir etwas?“

„Natürlich“

„Sei für ihn da… wenn ich es nicht kann… bitte“

„Das werde ich, Die. Mach dir keine Sorgen“

... and I know, what I have to do

Nach Hause gehen und sich ausruhen! Kyo schnaubte verärgert und stopfte die Hände tief in die Hosentaschen. Die war wirklich ein Spaßvogel. Wie sollte er jetzt denn bitte ausruhen, von Schlafen einmal ganz zu schweigen? Immerhin hatte der kleine Sänger noch viel zu viel Wut tief in sich und letztendlich hatte er auch schlicht und ergreifend zu viel Kaffee getrunken in den letzten Stunden. Er war total aufgekratzt und unruhig, da war an Schlaf nun wirklich nicht zu denken. Zuhause angekommen lag seine Wohnung entsetzlich still und das Erste, was er tat, war die Stereoanlage aufzudrehen. Im nächsten Augenblick wurde ihm aber klar, dass er unmöglich den restlichen Abend einfach zuhause rumsitzen und nichts tun konnte. Dann hätte er nämlich gleich im Krankenhaus bleiben können, also kramte er sein Handy aus der Hosentasche um Gara anzurufen. Dieser sagte zum Glück sofort zu und stand nur zwanzig Minuten später vor seiner Haustür.
 

„Setz dich“, murmelte Kyo und drückte seinem Gast eine der beiden Bierflaschen in die Hand, die er bereits aus dem Kühlschrank geholt hatte. Dann saßen sie sich eine Weile schweigend gegenüber, bis Gara das Wort ergriff.

„Na, genießt du schon deine neue Freiheit?

„Neue Freiheit? Wovon redest du?“, fragte Kyo etwas verwirrt nach und zog die Augenbrauen zusammen.

„Von deinem kleinen Verehrer Toshiya natürlich – habt ihr ihn schon rausgeworfen?“

„Woher weißt du das denn schon wieder?“

„Haaaa – Gara weiß ALLES, okay?“

Der Jüngere grinste selbstgefällig und legte den Kopf leicht schief, als er Kyo ein wenig verständnislos ansah.

„Nein, mal im Ernst. Kannst du dir das nicht denken?“

„Tut mir ja leid, aber ich steig grad voll nicht durch. Erklär’s mir als wär ich fünf Jahre alt, ja?“, seufzte der Kleinere hörbar genervt. Konnte Gara denn nicht einmal Klartext reden? Es war wirklich anstrengend, ihm immer alles aus der Nase ziehen zu müssen.

„Denk doch mal nach Kyo. Shinya ist eifersüchtig auf Toshiya...“

„Warum das denn?“

„Sag mal, bekommst du denn gar nichts mit? Er glaubt, dass Die was von Toshiya will“, eröffnete Gara ihm mit einem breiten Grinsen.

„Meine Güte… seit wann bist du so eine Tratschtante, Gara?“

„Hey, du hast mich danach gefragt, also! Na jedenfalls… er will Toshiya loswerden, klar soweit?“

„… ach fuck… bedeutet es das, was ich gerade denke?“

„Kann schon sein, bin ich Hellseher?“, zuckte der Größere mit den Schultern und trank einen Schluck aus seiner Flasche.

„Und du hattest deine Finger auch im Spiel?“

„Shinya hat mich um meine Hilfe gebeten… sollte ich ablehnen? Außerdem wollte ich dir auch einen Gefallen tun“

„Große klasse, Gara! Wie konntest du so hinterhältig sein?“

„Aber…“, setzte der Sänger von Merry zu einer Erklärung an, wurde dann aber scharf von Kyo unterbrochen.

„Nichts aber! Gott… was hast du getan? Los, sag’s mir! Wie hast du das eingefädelt?“

„Jetzt bleib mal ruhig. Shinya hat das alles geplant, ich hab ihm nur dabei geholfen. Ich hab die Drogen besorgt und alles ein wenig… echter aussehen lassen. Das war alles“
 

Kyo konnte nicht fassen, was er da gerade hörte. Es war als stünde er völlig neben sich und würde sich dabei beobachten müssen, wie er einfach tatenlos herumsaß und all diese widerwärtigen Informationen auf ihn einprasselten. Gara hatte Shinya Drogen besorgt. Shinya hatte Toshiya Drogen gegeben. Gara hatte… Nein, das durfte doch alles nicht wahr sein. Er schüttelte den Kopf, in der Hoffnung gleich aufzuwachen und sich in seinem Bett wieder zu finden, zu erkennen, dass das alles nur ein ekelhafter Albtraum gewesen war.
 

„Nein! … Das… hast… du… nicht… getan!“
 

„Hm… doch, war so“, zuckte der andere gleichgültig mit den Schultern.
 

„Noch mal von vorne. Erklär mir das, los“, verlangte der Ältere und strich sich über die Stirn, hinter der sich ordentliche Schmerzen zusammenbrauten. War das denn alles zu fassen?
 

„Ist ja gut, reg dich nicht gleich so auf. Shinya hat mich angerufen und mich um Hilfe gebeten. Er wollte Toshiya loswerden weil er eifersüchtig auf ihn ist“
 

„So weit waren wir schon, Makoto!“
 

„Wenn du mich nicht immer unterbrechen würdest…“, murmelte Gara, jedoch ein wenig kleinlauter als vorhin. Wenn Kyo ihn bei seinem richtigen Namen nannte, dann war die Kacke meistens ordentlich am Dampfen und er wusste, dass er an den Punkt gelangt war, an dem der Welpenbonus bei seinem Mentor nicht mehr zog. „ …also, ich habe Shinya das Zeug besorgt und er hat es Toshiya ins Glas gekippt. Dann sind sie zusammen raus und damit es echt aussieht, hab ich ein wenig nachgeholfen. Dann hat Shinya sich platziert und – la boom, die Bombe ist geplatzt, Shinya hat seinen Willen und du deine Ruhe – ist das nicht klasse?“
 

Einige Momente herrschte Stille im Wohnzimmer des Älteren, der versonnen auf die Bierflasche in seinen Händen starrte. Gara indessen sah ihn mit schief gelegtem Kopf an und schien auf irgendeine Reaktion zu warten. Aber es kam keine… überhaupt nichts. Es schien, als wäre Kyo festgefroren.

„Kyo?“, fragte Gara vorsichtig nach und lehnte den Kopf leicht zur Seite um den Blick des anderen Sängers einzufangen, der irgendwo im Nirvana hing.

„Du intrigantes Miststück“, hauchte der Ältere auf einmal und Gara zuckte überrascht zurück.

„Was?“

„DU INTRIGANTES MISTSTÜCK!“, brüllte Kyo nun erheblich lauter und warf im selben Atemzug die noch fast volle Bierflasche nach Gara, der im letzten Moment ausweichen konnte, sodass das Geschoß an ihm vorbei flog und an der Wand in tausend Scherben zerbrach. Bier spritzte auf das helle Stoffsofa und alle anderen umliegenden Möbel, aber das zählte für Kyo im Moment gar nicht. Zitternd vor Wut stand er Gara gegenüber, der sich erschrocken ein wenig tiefer in das Sofa drückte. Nur noch der Couchtisch trennte sie und das war wohl das Glück des Jüngeren, sonst wäre Kyo ihm in dieser Sekunde wahrscheinlich auch noch an die Gurgel gegangen.

„DU HAST SHINYA DAS ANGETAN?“

„Es war doch seine Idee! Außerdem…“, verteidigte sich Gara trotzig, aber Kyo schnitt ihm mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab.

„Raus, sofort!“

„Aber Kyo…“

„VERSCHWINDE!“
 

Noch einen Moment sah Gara den Älteren mit großen Augen an, aber dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, zeugte von Verärgerung und Enttäuschung. „Also gut“, knurrte er nur noch, wandte sich dann ab und verließ die Wohnung des anderen Sängers. Als dieser die Tür ins Schloss fallen hörte, warf er sich mit einem Aufschrei herum und trat voller Zorn gegen sein Sofa. Im selben Moment breiteten sich heftige Schmerzen in seinem Fuß aus, die jedoch völlig unbemerkt blieben. Das was in ihm vorging, war tausend Mal schlimmer. Es ließ sich noch nicht einmal bezeichnen, war eine absurde Mischung aus Ratlosigkeit, Schrecken, Verständnislosigkeit, Enttäuschung, Fassungslosigkeit und… Wut. Auf Gara, auf Shinya, auf Toshiya… und auf sich selbst. Wie hatte das alles geschehen können? Wie hatte er das zulassen können? Die Band war doch alles, was er im Leben hatte… und nun musste er zusehen wie dir en grey langsam zwischen seinen Fingern zerbröckelte wie nasser Sand.
 

Verärgert wischte er sich über die brennenden Augen und stieß einen verzweifelten Fluch aus, als er bemerkte, wie seine Fingerspitzen nass wurden. Das alles konnte nur ein schlechter Traum sein… aber kein Traum der Welt hätte es geschafft, sein Herz so schmerzhaft zu zerreißen wie es gerade geschehen war. Er war wie betäubt, stand völlig fassungslos neben sich und hätte am liebsten ein Fenster eingeschlagen und sich weinend auf sein Sofa geworden gleichzeitig. Einige Sekunden lang konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen, aber dann zwang er sich zur Ruhe, atmete tief durch und ein heftiger Schauer durchlief dabei seinen Körper.
 

Sein Herz schlug viel zu schnell, als er vor der Wohnung ihres Bassisten ankam und ohne zu zögern den Klingelknopf drückte. Er musste nicht lange warten, bis geöffnet wurde, aber nicht Toshiya, sondern Kaoru stand vor ihm, sodass er einen Moment lang etwas verwirrt blinzelte.

„Was machst du denn hier?“, begrüßte der Ältere ihn verwundert

„Ist Toshiya da?“

„Ja, drüben im…“

So weit kam Kaoru noch, dann wurde er von dem Kleineren schon zur Seite geschoben und er rief ihm nur noch ein „Hey, warte mal!“ nach, weil er befürchtete, Kyo würde Toshiya nichts Gutes wollen. Dann warf er die Tür zu und eilte dem Sänger hinterher ins Wohnzimmer.
 

„Kyo…“, murmelte Toshiya erschrocken, als er bemerkte, wer da auf ihn zugestürmt kam und sank sichtbar tiefer in sein weiches Sofa, weil auch er nichts Gutes erwartete. Und als der Kleinere sich vor ihm auf die Knie fallen ließ und seine rechte Hand in die eigenen beiden nahm, fielen sowohl ihm als auch Kaoru beinahe die Augen aus dem Kopf.
 

„Toshiya, es tut mir leid… unendlich leid“
 

„Nani?“, fragte Angesprochener mehr als verwirrt nach. Wollte Kyo ihn auf den Arm nehmen oder was? Seit wann entschuldige sich der Kleinere für irgendetwas? Und warum? Weshalb gerade jetzt und bei ihm? Ratlos suchte er den Blick ihres Leaders, der im Türrahmen stehen geblieben war und die Szene völlig verdattert beobachtete.
 

„Das, was ich zu dir gesagt habe… und dass ich dich geschlagen habe, es tut mir wirklich sehr leid. Ich glaube dir jetzt, Toshiya“
 

Waren die beiden anderen nicht schon zu diesem Zeitpunkt mehr als erstaunt… nun, spätestens jetzt. „Du glaubst mir?“, fragte der Bassist verwundert nach und konnte nicht anders, als verdutzt zu blinzeln und den Kopf zu schütteln. „Wie… wieso?“
 

„Ich weiß jetzt, wie es wirklich war“, gab Kyo ruhig zurück und stand langsam auf, behielt Toshiyas Hand aber in seinen und setzte sich neben diesen auf die Sofakante.
 

„Und wie war es wirklich?“, stieg nun auch Kaoru in ihr Gespräch ein, ernst dabei klingend, während er sich den beiden näherte und sich in den einzelnen Ledersessel sinken ließ.
 

„Ich… ich kann es selber noch nicht glauben…“, murmelte der Sänger, den Blick auf seinen Schoß gerichtet, wo seine Finger ganz unbewusst damit begonnen hatten, die Hand des Bassisten zu massieren. „Ich kann es noch gar nicht aussprechen… aber… mein Gott, nein, ich will nicht daran denken… bitte, nehmt es einfach so an…“
 

Kaoru nickte langsam und presste die Lippen aufeinander. Was hatte Kyo nur in Erfahrung gebracht? Sollte dies vielleicht die Bestätigung seines Verdachtes sein?
 

Toshiya indessen war völlig überrumpelt von den Geschehnissen und starrte Kyo an, als würde er ein rosa Hasenkostüm tragen. War er beim Fernsehen eingeschlafen und hatte gerade einen ziemlich abgefahrenen Traum? Nahm ihr Sänger neuerdings Drogen? Was war hier los und was hatten die mit Kyo getan?
 

„Toshi… bitte… verzeih mir“, riss der Sänger ihn aus seinen Gedanken und er nickte völlig perplex. Wie hätte er Kyo auch böse sein können? Keinen Moment hatte er Wut dem Kleineren gegenüber verspürt. Er liebte ihn doch… und genau das wurde ihm in diesem Moment bewusst und die sanften Berührungen ließen ihn beinahe innerlich verbrennen. Wie oft hatte er davon geträumt, dass Kyo ihn ein Mal… nur ein einziges Mal… liebevoll anfassen würde? Und jetzt war es endlich so weit.
 

Sanft lächelnd verhakte er seine Finger mit denen des Älteren, der ruckartig den Kopf hob und ihn ansah. „Ist schon vergessen“, wisperte der Bassist und blickte dann etwas verlegen zur Seite. Wie gerne hätte er sich jetzt von Kyo in den Arm nehmen lassen. Sich eingeredet, dass nun endlich alles gut wurde. Aber noch ehe er überhaupt die Chance dazu hatte auch nur noch länger darüber nachzudenken, löste der andere ihre Finger voneinander und stand auf.
 

„Ich… ich muss jetzt wieder“, murmelte er nur, hob noch kurz die Hand zum Gruß und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Mit großen Augen starrte Toshiya ihm nach, nicht wissend, was er von dieser Aktion halten sollte, während er von Kaoru mit äußerst besorgter Miene beobachtet wurde.
 

„Was… was war das eben?“, flüsterte Toshiya ungläubig und blickte auf seine Hand, die seltsam kribbelte von der Berührung des Sängers.
 

„Sieht so aus, als wäre noch nicht alles verloren“, gab Kaoru mit einem schmalen Lächeln zurück und ließ sich neben den Bassisten aufs Sofa fallen um ihm den Arm um die Schultern zu legen. „Vielleicht wird ja doch noch alles gut…“ Er hoffte es so sehr… alles was er wollte war doch nur, Toshiya glücklich zu sehen.

In all the bad times...

Toshiya war den restlichen Abend tief in Gedanken versunken und bekam kaum etwas von dem Film mit, den er sich eigentlich zusammen mit Kaoru hatte ansehen wollen. Stattdessen ruhte sein Kopf auf dem Bauch des Älteren, der halb unter ihm lag und versonnen durch seine braunen Haare streichelte, während der Blick des Bassisten zwar auf den Fernseher gerichtet war, aber er gar nicht richtig wahr nahm, was überhaupt geschah. Kyo gab ihm ein ums andere Mal Rätsel auf, die er einfach nicht zu lösen vermochte.
 

Als Kaoru nach einer Weile auf seinen Freund hinab sah, war dieser eingeschlafen und so sehr er es sich gewünscht hätte, die weichen Gesichtszüge des Jüngeren waren keineswegs friedlich und entspannt. Sogar im Schlaf wirkte er angestrengt und bekümmert. Er seufzte leise und griff nach der Fernbedienung um den Fernseher abzuschalten. Dann wand er sich so vorsichtig wie möglich unter Toshiya hervor um diesen auf die Arme heben und ins Schlafzimmer bringen zu können.
 

Da der andere ohnehin eine weiche Jogginganzughose und ein schlabberiges Shirt trug, verzichtete er darauf, ihn jetzt auch noch auszuziehen. Er wollte ihn nicht unbedingt wecken. Toshiya konnte jede Minute an Schlaf brauchen. Er selbst aber genauso, deswegen dauerte es nicht lange, bis er sich schlaffertig gemacht hatte und zu dem Braunhaarigen unter die Decke kroch. Im Schlaf kuschelte sich Toshiya etwas näher an die angenehme Wärmequelle und auch Kaoru war ungewohnt schnell eingeschlafen.
 

Es war noch mitten in der Nacht und stockdunkel, als ihn irgendetwas ganz langsam aus dem Schlaf rüttelte. Es war ein stetiges, leises Ächzen, das Wispern seines Namens und etwas, das dicht neben ihm immer wieder leicht zu zucken und zu zittern schien. Kaoru brauchte einige Zeit, bis er zumindest so wach war um zu erkennen, was der Grund für sein Aufwachen war.
 

„Kao…“, wimmerte der Jüngere erstickt und der Angesprochene tastete schlaftrunken nach der Nachttischlampe um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Als er gegen die plötzliche Helligkeit endlich etwas erkennen konnte, erschrak er heftig, als er Toshiya neben sich sah. Der Bassist war auffällig blass und Tränen glitzerten auf seinen Wangen, aber noch schlimmer war die verkrampfte Haltung, in der er zusammengekauert neben seiner zerwühlten Decke lag und sich den Bauch hielt. Seine Lippen waren zu schmalen Strichen geworden, so fest presste er sie aufeinander und sein Blick war schockierend matt und unfokussiert. Die Hand prüfend an die Stirn des Jüngeren legend, stellte Kaoru schnell fest, dass Toshiya Fieber hatte und spätestens jetzt wuchs seine Besorgnis augenblicklich ins Unermessliche.
 

„Mein Bauch tut so weh…“, bekam er einen Brocken mehr an Information und auch wenn er innerlich beinahe wahnsinnig wurde vor Sorge, bemühte er sich, ganz ruhig zu bleiben und streichelte Toshiya erst einmal tröstend über die Schulter.

„Ich bring dich ins Krankenhaus, ja?“

Aber der Bassist schien nicht viel davon zu halten, denn er schüttelte beinahe entsetzt den Kopf. Er konnte Krankenhäuser nicht ausstehen, es war ja schon schlimm genug, wenn er nur jemanden besuchen sollte… aber sich selbst freiwillig dort hin begeben? Auf keinen Fall!

„Nein!“

„Du hast hohes Fieber, Toshi… sei vernünftig, vielleicht ist es etwas Ernstes“, versuchte Kaoru zu argumentieren und zog erst einmal die Decke wieder zurecht und über den Jüngeren, der erneut leicht zu zittern begonnen hatte. Er sah wirklich besorgniserregend aus, aber ins Krankenhaus schleifen konnte er den Kleinen ja auch schlecht.

„Aber ich will nicht ins Krankenhaus… bitte…“, kam es flehend zurück und der Ältere seufzte leise.

„Normalerweise…“, setzte er an, brach dann aber ab und schüttelte den Kopf, lächelte matt und streichelte Toshiya zärtlich durch die Haare, „Machen wir einen Deal, ok? Wenn es dir in einer Stunde nicht besser geht, fahren wir und das ohne Widerrede“, entschied er, auch wenn der Jüngere nicht unbedingt begeistert aussah. „Ich koch dir jetzt erst mal Tee und bring dir eine Wärmflasche“
 

Doch auch nach einer Stunde, zwei Tassen Kräutertee, der Wärmflasche und sehr vielen Streicheleinheiten, die der Bassist wirklich dringend brauchte, ging es ihm kein bisschen besser. Und so widersprach er nicht einmal mehr, als Kaoru ihm zuerst half, sich anzuziehen, anschließend einen Krankenwagen rief und vorsichtshalber eine Tasche mit den wichtigsten Sachen für ihn packte. Wahrscheinlich würden sie ihn zumindest über Nacht im Krankenhaus behalten und er wollte zumindest eine Zahnbürste und etwas Bequemes zum Anziehen haben. Als der Krankenwagen endlich eintraf, fühlte er sich bereits so elend, dass er sich wünschte, doch möglichst schnell im Krankenhaus zu sein. Zum Glück durfte Kaoru bei ihm bleiben und auch als er untersucht wurde und der Arzt schnell diagnostizierte, dass er unter einer Blinddarmentzündung litt, war der Ältere an seiner Seite.

„Ich will aber nicht operiert werden… ich musste noch nie operiert werden… ich hab Angst!“, hauchte er unter Tränen, als der Arzt den Raum verlassen hatte um alles für die noch in dieser Nacht bevorstehenden Entfernung des Blinddarms vor zu bereiten. Sie durften nicht zu viel Zeit verlieren, hatte es geheißen.

„Du brauchst doch keine Angst zu haben“, versuchte Kaoru ihn zu beruhigen, während er seine Hand hielt und über seinen Arm streichelte, „Du bekommst eine Spritze, dann schläfst du… und wenn du wieder aufwachst, geht es dir wieder besser“

Toshiya schniefte wenig begeistert und klammerte sich noch fester an die Hand des Älteren, der neben dem Krankenbett saß und versuchte, ihn aufzumuntern.

„Wenn… wenn ich aufwache… bist du dann da?“

„Natürlich werde ich da sein“

„Versprichst du es mir?“

„Ich versprech’s dir“, nickte Kaoru und beugte sich nach vorne um dem Jüngeren einen Kuss auf die Stirn und dann noch einen auf den Mundwinkel zu hauchen. „Alles wird gut werden, To-chan… hab keine Angst“

Dann ging die Tür auf und der Arzt kam zurück, Kaoru wurde gebeten zu gehen und er verabschiedete sich mit einem aufmunternden Lächeln von Toshiya, der wenig begeistert aussehend aus dem Raum geschoben wurde. Zum Glück würde die Operation nicht besonders lange dauern, aber so lohnte es sich für ihn auch nicht mehr, nach Hause zu fahren. Ob er zu Shinya’s Zimmer gehen und nachsehen sollte, ob Die da war? Aber selbst wenn, wahrscheinlich würde der Jüngere schlafen. Also beschloss er, es sich im Warteraum mit einem Becher Automatenkaffee gemütlich zu machen. Er hatte schließlich nicht vor, sein Versprechen Toshiya gegenüber zu brechen.
 

Als er erwachte, bemerkte er, dass jemand seine Hand hielt. Es war das erste Gefühl, das er realisierte, erst danach kamen dieser Hauch von Übelkeit und die Schmerzen, die sich irgendwo in seiner Bauchgegend konzentrierten. Es war seltsam… er brauchte die Augen gar nicht zu öffnen… er wusste aus irgendeinem Grund, dass es Kaoru war, der an seinem Bett saß. Ganz vorsichtig blinzelte der Braunhaarige in das gedämpfte Licht, das zum Fenster herein drang. Es war Tag, aber die Vorhänge halb geschlossen, sodass es nicht zu hell war. Als er den Kopf langsam drehte, erkannte er, dass Kaoru auf einem Stuhl an der Seite seines Bettes saß und schlief.
 

In diesem Moment wurde Toshiya eines schmerzlich bewusst. Sein Herz hatte er zwar Kyo geschenkt, aber sein Verstand erinnerte ihn mit Nachdruck daran, dass es jemand wie Kaoru war, den er an seiner Seite brauchte. Wie liebevoll er sich in den letzten Wochen um ihn gekümmert hatte… ein Gefühl von Scham machte sich in dem Bassisten breit, als ihm das alles erst so richtig bewusst wurde. Der Ältere hatte so viel für ihn getan und das obwohl er doch genauso litt wie er selbst. Dennoch hatte er ihn stets getröstet, ihn in den Arm genommen und ihm zugehört, wenn er sich wieder einmal so sehr nach Kyo gesehnt hatte, dass er geglaubt hatte, das Herz würde ihm aus der Brust springen. Er seufzte leise und befreite seinen freie Hand aus der Bettdecke um Kaoru zärtlich über den Arm zu streicheln. Als dieser auf einmal aufschreckte und ihn im ersten Moment verwirrt ansah, bereute er es jedoch sofort wieder.
 

„Tut mir leid… ich wollte dich nicht wecken“, flüsterte er und war irritiert, wie schwach seine Stimme klang.

„Du bist wieder wach“, stellte Kaoru mit einem erleichterten Lächeln fest, „Wie geht es dir?“

„Es tut ein bisschen weh… und mir ist schwindelig, aber es ist ok…“

„Das ist gut. Die Operation ist bestens verlaufen, in zwei Tagen kannst du wieder heim“

„Was? In zwei Tagen erst? Aber… Kao, ich will nicht so lange hier bleiben!“

„Ich bin doch bei dir, To-chan… es ist wichtig, dass du noch so lange bleibst, bis man alle Risiken ausschließen kann“

„Du redest schon wie meine Mutter, Kaoru…“

Daraufhin lachte der Ältere leise und beugte sich hinunter um Toshiya einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Dieser nutzte die Gelegenheit und schlang die Arme um seinen Freund, der von der plötzlichen Gewichtsverlagerung das Gleichgewicht verlor und beinahe auf dem Bassisten landete. Im letzten Moment konnte er sich noch mit der Hand abstützen.

„Vorsicht!“, mahnte er, schließlich wollte er ja nicht auf die frische Wunde fallen. Aber Toshiya achtete gar nicht darauf. Er brauchte diese Umarmung jetzt einfach und Kaoru wusste das, verwehrte sie ihm deshalb auch nicht, achtete nur darauf, dem anderen keine Schmerzen zuzufügen.

„Danke, dass du da bist, Kao…“

„Ich hab es dir doch versprochen, mein Kleiner. Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst, vergiss das nur nie, ja?“

„Ich hab dich lieb“

„Ich hab dich auch lieb, Toshi“
 

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uuuuuuuaaaah... ein extrem kitschiges Kapi-Ende... tut mir leid o_O"

... aber bald wird es wieder böse XD ... verlasst euch drauf ^^

... don't forget who will always be there for you

Toshiya blickte ein wenig erstaunt auf, als es an der Tür klopfte und seine Augen wurden beinahe groß wie Teller, als sich ein roter Haarschopf scheu lächelnd in sein Zimmer schob.
 

„Die!“, rief der Bassist erstaunt aus und der Gitarrist schien sein anfängliches Zögern zu überwinden und überwand schnell die Distanz zum Krankenbett des Jüngeren um diesen fest zu drücken. Wortlos hielten sie einander, während Kaoru aufstand, sich leicht räusperte und sich mit einem nicht unerfreuten „Ich lass euch mal eben allein“ aus dem Zimmer entfernte.
 

Lange, nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, ließ Die den Jüngeren los und strich ihm sanft über die Haare. „Wie geht es dir?“, fragte er besorgt und Toshiya zuckte schwach lächelnd mit den Schultern. „Geht so… mir ist ein wenig schlecht von der Narkose, aber sonst…“ Er blickte zu Die auf und zog diesen dann kurzerhand zu sich aufs Bett. „Schön, dass du da bist. Wie geht es Shin?“
 

Seit dem SMS, das der Rothaarige ihm geschrieben hatte, war es ihm ein wenig besser gegangen. Er hatte nur mit einem kurzen ‚suki…eien ni’ geantwortet. Es tat gut zu wissen, dass Die ihn nicht für etwas hasste, das er nicht getan hatte.
 

„Recht gut… er wird morgen entlassen“, erzählte der Rothaarige und strich ein wenig gedankenverloren die Decke auf Toshiyas Beinen glatt. „Hmm“, machte dieser nur und beobachtete seinen besten Freund aufmerksam. „Ist alles ok?“
 

Die nickte. Vergessend, dass er äußerst schlecht darin war, zu lügen und Toshiya noch dazu das Talent besaß, ihn besonders gut durchschauen zu können. Nichts war in Ordnung. Aber er tat nicht mehr, als mit einem ergebenen Seufzen die Augen zu schließen.
 

„Ich muss noch eben mit Kaoru reden… vielleicht schau ich später noch mal bei dir vorbei, To-chan“ Damit erhob der Gitarrist sich und drückte seinem besten Freund noch einen sanften Kuss auf die Stirn. „Werd bald wieder gesund, ja?“ Toshiya nickte nur leicht und ließ die Augen geschlossen, bis er die Tür hinter dem Älteren zufallen hörte. Erst dann schlug er sie wieder auf und blickte in die Richtung, in die Die verschwunden war. Warum sagte der andere ihm nicht die Wahrheit? Was war es, das sein bester Freund ihm verschwieg?
 

Die beiden Gitarristen schwiegen, während sie das Krankenhaus durchquerten, als Ziel das kleine Cafe im Erdgeschoß, wo sie sich zumindest halbwegs ungestört würden unterhalten können. Gerade jetzt wo es aussah, als stünden sie beide zwischen zwei Stühlen war es beiden ein großes Bedürfnis, sich mit dem anderen auszutauschen. Besonders Die hatte Kaoru eine nicht unwichtige Mitteilung zu machen und weil er wusste, dass wenn er die erste Gelegenheit nicht beim Schopf packte, er es nicht mehr zur Sprache bringen würde, sprang er gleich nachdem sie sich gesetzt hatten, ins kalte Wasser.
 

„Hör mal, Kaoru… ich habe mit Shinya geredet…“
 

„Und weiter?“, hakte der Ältere interessiert und mit einer gehörigen Portion Ernst in der Stimme nach. Er wusste, dass jetzt nichts Gutes kommen würde, aber das, was der andere ihm dann mitteilte war doch mehr als er befürchtet hatte.
 

„Wir haben… in Erwägung gezogen, vielleicht… vielleicht aus der Band auszusteigen…“, murmelte Die und presste die Lippen aufeinander. Sie hatten es sich als Option gelassen, das war alles… aber er hatte schon damit gerechnet, dass Kaoru nicht erfreut sein würde, es war ja nachvollziehbar. Und trotzdem fühlte er sich ein wenig überrumpelt, als der Ältere ihn beinahe erschüttert ansah.
 

„Wie kannst du so etwas sagen? Hast du vergessen, was wir alles erlebt haben? Wie viel Spaß wir hatten? Was wir zusammen durchgemacht haben? Wie kannst du all das einfach so wegwerfen? Die viele Zeit, die wir miteinander verbracht haben? Kannst du das alles einfach vergessen?“ Es waren keine Vorwürfe, auch wenn sie so klangen, sie wussten beide, dass es Tatsachen waren. Niemand konnte so viele gemeinsame Jahre einfach bei Seite schieben.
 

„Nein, ich kann es nicht einfach vergessen, verdammt!“, zischte der Rothaarige leise und vergrub das Gesicht in den Händen, seufzte dabei deprimiert. „Ich weiß einfach nicht, was ich im Moment tun soll…“ Dann schüttelte er den Kopf und sah müde zu dem Älteren auf, der bemerkte, dass die Augen des anderen Gitarristen feucht glänzten. Er sah so schrecklich müde aus und Kaoru überkam das Bedürfnis, ihn einfach zu schütteln um ihm den Unsinn aus dem Kopf zu treiben. Stattdessen rückte er mit seinem Stuhl näher an Die heran und legte diesem einen Arm um die Schultern.
 

„Die, jetzt hör mal zu. Wir bekommen das alles wieder hin, ja? Was wir jetzt aber am wenigsten brauchen können ist Abstand, im Gegenteil. In den letzten Wochen haben wir uns viel zu weit voneinander entfernt. Wir müssen eben alle wieder lernen, miteinander aus zu kommen… das kann doch nicht von heute auf morgen so schwer geworden sein?“
 

„Shinya will Toshiya im keinen Preis der Welt noch einmal sehen…“, gab Die leise zu bedenken und wiederholte damit exakt die Worte des Drummers. Aber Kaoru schnaubte nur abfällig und versuchte sich dann an einem aufmunternden Lächeln, das jedoch ein wenig misslang.
 

„Er wird sich schon wieder einbekommen… das ist doch alles total kindisch! Ich glaube, ich muss einfach nur noch einmal mit ihm reden…“
 

„Vielleicht hört er ja auf dich“, murmelte Die, es klang aber wenig zuversichtlich. Ihr Jüngster schien sich so in die ganze Sache hinein gesteigert zu haben, dass er kaum noch davon abzubringen war. Aber was sollte er denn tun? Er liebte Shinya… er konnte ihm nicht einfach vor den Kopf stoßen, gleichzeitig aber war Toshiya einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben und er wollte ihn auf keinen Fall verlieren. Und wenn die beiden nicht mehr miteinander klar kommen konnten, dann brach für ihn eine Welt zusammen… er fühlte sich ohnehin schon so schrecklich zerrissen.
 

„Jetzt mach nicht so ein Gesicht, Die. Das wird alles wieder“, versuchte der Ältere ihn aufzumuntern, aber der Rothaarige hatte nur ein schwaches Grinsen dafür übrig.
 

„Seit wann bist du so ein verkappter Optimist? Und wo hast du unseren Kaoru versteckt?“
 

„Blödmann“, lachte Kaoru und gab Die eine leichte Kopfnuss. „Irgendwer muss ja zusehen, dass ihr nicht alle in Selbstmitleid versinkt, ne?“ Er lächelte ein wenig, aber es sah traurig aus. Und Die verstand, es brauchte keine weiteren Worte mehr. Es gab Dinge, über die musste man nicht sprechen und nun war eine dieser Situationen gekommen. In einer vertrauensvollen Geste lehnte der Rothaarige den Kopf an die Schulter des Älteren und schloss für einen Moment die Augen, blendete alles um sich herum aus. Die an dem offenen Cafe vorbeieilenden Menschen, das Stimmengewirr, seine Müdigkeit, das beißende Gefühl von Verzweiflung.
 

Hätte er einen Wunsch frei gehabt, dann hätte es nur eine Sache gegeben, die er sich sehnlicher als alles andere herbei sehnte… dass zwischen ihnen wieder alles gut wurde. Er ertrug es beinahe nicht mehr… Shinyas untypisches Verhalten, Toshiyas Trauer und Verzweiflung, die Distanz zu ihnen, die Kyo immer mehr ausweitete… und nicht zuletzt das, was er sah, wenn er Kaoru in die Augen blickte. Der andere mochte sich noch so stark und überlegen geben, er war nicht so unsensibel, nicht zu erkennen, wie es ihm ging. Außerdem war da ja auch dieses nächtliche Geständnis gewesen, das ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Wie lange Kaoru das wohl schon mit sich herumschleppte? Ob er jemanden hatte, mit dem er darüber sprechen konnte?
 

„Die?“, riss dieser ihn aus seinen Gedanken und er schreckte hoch, hob den Kopf und sah Kaoru an, der den Blick jedoch abgewandt hatte und den Kaffeeautomaten am Gang gegenüber anstarrte.
 

„Hm?“
 

„Ano…“
 

Dann folgte nur noch ein leises Seufzen und Kopfschütteln. Anscheinend wollte Kaoru doch nicht darüber reden, aber der Rothaarige wollte diesen Anfang nicht einfach so im Raum stehen lassen. Er wollte jede Gelegenheit ergreifen um dem Älteren zu helfen. Sie waren schließlich Freunde und wie viel hatte dieser schon für ihn… für sie alle… getan?
 

„Was ist denn?“, fragte er deswegen nach und stupste den anderen Gitarristen leicht in die Seite. Dann beobachtete er wieder dieses traurige Lächeln, das dessen Lippen umspielte, während sein Blick nun zu Boden glitt und sich dort verfing.
 

„Ach, ist schon gut…“
 

„Nein, bitte… sag es mir!“, ließ Die aber nicht locker und beugte sich ein wenig nach vorne um den Blick des anderen zu suchen. Und zu seinem Erstaunen ließ Kaoru es sogar zu, atmete tief durch und sah ihn dann ganz offen an.
 

„Kann ich dir was anvertrauen?“
 

„Klar“
 

„Okay…“, murmelte der Ältere, brach dann aber erneut ab und sah zur Seite. Die wartete für einige Sekunden und wog ab, ob es zu neugierig erscheinen würde, wenn er nun noch einmal nachfragte, aber dann begann Kaoru schon zu sprechen.
 

„Ich hab Angst…“
 

„Wovor?“, fragte Die stirnrunzelnd nach und wünschte sich, Kaoru würde ihn endlich ansehen. Aber dieser tat ihm den Gefallen nicht, sondern hielt den Blick weiterhin zur Seite gerichtet.
 

„Ich weiß nicht genau… davor, dass uns das alles über den Kopf wächst vielleicht… davor, dass irgendjemand Wind von der Sache bekommt… wundert es dich nicht, dass die Sache noch nicht durch alle Zeitungen ging? Ist dir klar, was für ein Glück wir hatten… oder besser gesagt Toshiya? Weißt du, was alles passieren hätte können?“
 

Er sprach so monoton und emotionslos, dass Die ein kalter Schauer über den Rücken lief und er schwieg eine Weile, ehe er leicht nickte. „Wir hatten großes Glück… und… weißt du, ich glaube wir haben alle Angst. Aber weißt du was? Ich glaube, wenn wir erst einmal wieder richtig zusammen sind… dann vergeht das“, versuchte der Rothaarige sich nun seinerseits in Aufmunterung und blinzelte ein wenig verwirrt, als Kaoru sich wieder zu ihm umdrehte und ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah.
 

„Seit wann bist du so optimistisch und was hast du mit Die gemacht?“
 

Und so schlecht sie sich fühlten… in diesem Moment mussten sie beide lachen und der Ältere zog Die kurzerhand in eine enge Umarmung. Sollten sich die anderen Leute hier doch denken, was sie wollten. „Ich will dir en grey… euch alle… niemals verlieren…“, flüsterte er in die roten Haare und im selben Moment drückte der andere ihn noch ein wenig fester. „Ich auch nicht, Kao…“ Sie waren doch Freunde… eine Familie… sie brauchten einander doch.

Sometimes the ones you thought you know...

Gefühlt waren Kaoru und Die jetzt mindestens schon fünf Stunden weg – und ihm war langweilig… extrem langweilig! Der dämliche Fernseher ließ sich ohne eine dieser Codekarten nicht aktivieren, wie er vor einiger Zeit festgestellt hatte und sonst gab es auch nichts, das ihn davon ablenken hätte können, dass ihm noch immer ein wenig übel war und sein Bauch unangenehm schmerzte. Das war das schlimme an Krankenhäusern, es gab einfach nichts zu tun und man fühlte sich ständig dazu bewegt, an die sterile weiße Decke zu starren und in Selbstmitleid zu versinken. Genau das konnte er jetzt aber nicht gebrauchen und so entschloss er sich nach einigem Überlegen, seine dringend benötigte Ablenkung einfach selbst in die Hand zu nehmen.
 

Ganz vorsichtig setzte er sich auf und dennoch entfuhr ihm ein leises Stöhnen, als ein stichartiger Schmerz an seiner linken Bauchseite ihn daran erinnerte, noch mehr auf seine Bewegungen Acht zu geben. Als er dann erst einmal stand, ging es ihm schon bedeutend besser und auch wenn der Fußboden unter ihm ein wenig zu schwanken schien, kam er heil bis an den kleinen Schrank an der Wand gegenüber des Bettes. Kaoru hatte ihn bereits eingeräumt und ein kurzes Lächeln huschte über die Lippen des Braunhaarigen. Der andere war so aufmerksam und fürsorglich, dass man manchmal sogar Angst bekommen konnte. Aber dazu hatte er jetzt überhaupt keinen Nerv, stattdessen zog er seinen dunkelgrauen Bademantel aus dem Stapel Kleidung und schlüpfte hinein. Das war im Moment das unkomplizierteste Kleidungsstück für ihn und auch wenn er wohl nicht unbedingt schick damit aussah, es musste mal eben kurz so gehen. In einem Krankenhaus gewann man schließlich auch keine Schönheitswettbewerbe. Und so lange er sich nicht im Spiegel sah, konnte er sich ja einreden, dass er nicht einem überfahrenen Hamster gleich sah.
 

In der Tasche seiner Jacke fand er dann auch seine Zigaretten und kurze Zeit später spähte er vorsichtig auf den Gang vor seinem Zimmer hinaus. Bestimmt durfte er noch gar nicht aufstehen (geschweige denn rauchen) – aber das war ihm jetzt gelinde gesagt scheißegal. Er brauchte etwas zu tun, sonst machte ihn der dumpfe Schmerz noch völlig Matsch in der Birne. Und was sollte er hier großartig anderes tun als einen Raum zu suchen, in dem man rauchen durfte? Die Luft war offensichtlich rein, sodass er auf den Gang hinaus huschte und sich dann für eine Richtung entschied. Ein Raucherbereich konnte ja nicht so weit sein.
 

Die Schilder an den Zimmern auf beiden Seiten des Gangs überfliegend, hielt er auf einmal wie zur Salzsäule erstarrt inne. Terachi Shinya. Direkt vor seiner Nase befand sich das kleine weiße Schildchen mit dem bekannten Namen und sofort zog sich in ihm alles krampfhaft zusammen. Tausend Emotionen stürzten auf ihn ein und er musste nach der Türklinke greifen um sich daran fest zu halten. Shinya. Nur durch eine Wand und eine Tür von ihm getrennt. Er konnte doch jetzt nicht einfach weitergehen?
 

Toshiya dachte nicht über das nach, was er tat, als er bereits halb im Zimmer des anderen stand. Der Blonde hatte ihn noch gar nicht bemerkt, denn offensichtlich hörte er Musik, während sein Blick auf ein Buch in seiner Hand gerichtet war. Bekleidet mit einer schwarzen Jogginghose und einem hellblauen T-Shirt lag er auf seinem Bett, den dicken Polster im Rücken, sodass er fast aufrecht saß und die Decke zu seinen Füßen zusammengestrampelt. Am Nachttisch neben ihm, am Boden und am Tisch gegenüber standen Blumen und Süßigkeiten, auf einem Stuhl lag Dies Jacke. Momentaufnahmen des Raumes, die völlig an Toshiya vorbei zu gehen schienen – seine Aufmerksamkeit galt ganz dem Jüngeren. Bestimmt ein oder zwei Minuten stand er völlig regungslos da und starrte den Drummer nur an.
 

Auf einmal hob Shinya den Blick irritiert von seinem Buch, weil er sich beobachtet fühlte und als er Toshiya erkannte, wurden seine Augen erst groß vor Überraschung, ehe sie sich verärgert zusammenzogen. Mit einer unwirschen Handbewegung rupfte er sich die Stöpsel seines MP3-Players aus den Ohren und klappte geräuschvoll sein Buch zusammen.

„Was willst du hier? Verzieh dich!“, fauchte er dem Bassisten entgegen, der wie von einer unsichtbaren Faust getroffen einen halben Schritt zurücktaumelte.

„Shinya…“

„Hörst du schlecht? Verschwinde!“, wieder Shinya noch einmal mit Nachdruck und deutete mit einem wütenden Kopfnicken zur Tür.

„Aber…“

„Ich will dich nie wieder sehen! Ich hasse dich! Hau ab!“
 

Tränen schossen ihm in die Augen, als er zurück auf den Gang stolperte und die Tür geräuschlos hinter ihm zufiel. Das, was er befürchtet hatte, was er doch schon wusste und trotzdem bisher immer verdrängt hatte, war nun offensichtlich. Shinya hasste ihn. Zitternd wischte er sich über die Augen und schlurfte ein paar Schritte weg von dem Zimmer, den Kopf gesenkt haltend, sodass ihm die Haare ins Gesicht fielen und ihn der blonde Mann, der im selben Moment an ihm vorbeiging, nicht erkannte – genau wie umgekehrt, denn im Moment war er mit ganz anderen Sachen beschäftigt als darauf zu achten, wem er hier begegnete.
 

„Ich sagte, du sollst - … oh, du bist es Kyo“

Shinya schnaubte leise und legte Buch sowie MP3-Player zur Seite, während der Sänger mit einer hochgezogenen Braue eintrat. Ob Shinya sich mit Die gezofft hatte? Offensichtlich, was sollte diese seltsame Begrüßung denn sonst? Aber deswegen war er nicht gekommen.

Ohne ein Wort zu sprechen näherte er sich dem Bett des Jüngeren und ließ sich auf einem Stuhl an dessen Seite nieder. Shinya wandte sich ihm zu und lächelte leicht.

„Morgen darf ich wieder nach Hause“

„Schön“

„Kyo, was ist los?“, erkundigte sich der Drummer sofort. Erstens war es offensichtlich, dass irgendetwas nicht stimmte und zweitens, selbst wenn es nicht so gewesen wäre, sie waren zu eng befreundet, als dass er es nicht trotzdem bemerkt hätte.

„Warum, Shin…“

„Warum was?“

Kyo’s Blick glitt zu Boden und er wirkte so verzweifelt und fassungslos, dass Shinya beinahe Bauchschmerzen davon bekam. Er hasste es zu sehen, wenn es dem Älteren schlecht ging.

„Warum hast du das getan?“

„Was getan?“, fragte er verwirrt nach. An diese eine Sache dachte er dabei gar nicht.

„Warum machst du mir mein Leben kaputt? Du weißt, dass dir en grey alles ist, was ich habe… alles, was mir etwas bedeutet… und du nimmst es mir weg… ich dachte, wir wären Freunde, Shinya… ich dachte, wir würden füreinander da sein…“ Er war nicht wütend. Es war mehr Hilflosigkeit und Bestürzung, die aus seinen Worten sprach. Er konnte nicht nachvollziehen, wie der Jüngere etwas für ihn so untypisches hatte tun können, entgegen aller Konsequenzen.

Spätestens da begann Shinya zu verstehen und der bis eben besorgte Ausdruck wandelte sich in steinerne Kälte. Ein Ausdruck, den Kyo bisher noch nie auf dem so schönen Gesicht gesehen.

„Toshiya ist nicht der Nagel, an dem das Bild an der Wand hängt – er ist nicht dir en grey, verdammt! Du hast mich, Die und Kaoru, das ist alles, was von Bedeutung ist. Er ist ebenso ersetzbar wie Kisaki es war und das weißt du genauso gut wie ich!“, zischte der Jüngere verächtlich und wandte mit einer stolzen Bewegung den Kopf zur Seite um aus dem Fenster zu sehen.

„Das ist nicht wahr…“, hauchte Kyo beinahe nicht hörbar und betrachtete Shinya von der Seite. Er sah unglücklich aus, auch wenn er versuchte ihm etwas ganz anderes vorzuspielen. Dieses leichte Schimmern in den braunen Augen verriet ihn und Kyo wollte alles daran setzen, diese Gefühle wieder aus ihm hervor zu holen. Dieser blinde Hass stand ihm einfach nicht.

„Und das weißt du so gut wie ich. Keiner von uns ist jetzt noch ersetzbar, auch Toshiya nicht“

Er sprach ganz leise, beinahe beschwörend, aber Shinya schüttelte nur kurz und verärgert den Kopf, als wolle er nichts mehr darüber hören.

„Ich weiß, was ihr getan habt, Gara und du“, erzählte Kyo auf einmal und der Kopf des Jüngeren ruckte herum und er wurde aus großen Augen angestarrt.

„Woher…“

„Er hat geplaudert – du solltest dir deine Verbündeten in Zukunft besser aussuchen, Gara ist in der Hinsicht keine gute Partie“

Es klang ganz ruhig, als würde Kyo dem Jüngeren erklären, wie man Spargel kochte. Im Grunde war es auch nur eine Tatsache und er fühlte sich einfach zu müde, um sich noch darüber aufzuregen. Seit der andere Sänger ihm ihren Plan gebeichtet hatte, hatte er sich wie ein Zombie gefühlt. Auch der kurze Besuch bei Kaoru und Toshiya war für ihn beinahe so abgelaufen, als würde er neben sich stehen und seinem Körper zusehen, wie er alles für ihn erledigte, während er ums Verrecken nicht eingreifen konnte. Auch jetzt ging es ihm kein Stück besser und alles, was er wissen wollte war, warum Shinya ihn bei dieser Sache so übergangen hatte.

„Aber warum, Shinya… bitte, sei ehrlich und sag mir warum… weil du ihn hasst? Weil du ihn loswerden willst?“

„Genau so ist es“, bestätigte der Jüngere in einem eisigen Tonfall und presste dann die Lippen zusammen.

„Ich weiß, dass du niemanden hassen kannst… das passt einfach nicht zu dir“, murmelte Kyo, beinahe so als wäre er derjenige, der in ihrem Gespräch in der Defensive war und sich verteidigen musste

„Dann kennst du mich aber schlecht. Und jetzt lass mich alleine“, beendete Shinya ihr Gespräch und wandte sich wieder ab. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es im Moment kein Durchkommen zu ihm mehr gab, sodass Kyo sich schließlich geschlagen geben musste und ohne ein Wort das Zimmer verließ. Shinya hatte sich verändert… so sehr, dass er ihn kaum wieder erkannte.

… act just like they where someone else

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Out of sight...

Hastig griff er nach den Briefumschlägen, die leuchtend weiß und unschuldig auf der dunklen Bettdecke lagen und für Kaoru in diesem Moment wirkten wie Boten aus der Hölle. Auf jeden einzelnen war in sauberer Handschrift mit schwarzer Tinte ein Name geschrieben worden. Shinya. Daisuke. Kyo. Kaoru. Den letzten Riss er hastig auf und zog ein Blatt Briefpapier hervor, überflog die Zeilen und las sie dann noch einmal genauer, schließlich noch einmal und dann schlug er die Hand mit dem Papier wütend auf die Bettdecke, sodass es ein wenig zerknitterte.
 

//Kaoru\\ stand dort geschrieben //Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll, weil dies der letzte Brief ist, den ich in dieser Nacht schreibe, aber gleichzeitig auch der Wichtigste. Du hast in den letzten Wochen so viel für mich getan und ich hatte nie die Gelegenheit, mich ordentlich dafür zu bedanken. Es tut mir leid, dass es nun auf diesem Weg sein muss, ich hätte dich gern noch einmal gedrückt und dich geküsst, aber ich weiß, du hättest mich niemals gehen lassen. Ich brauche das hier aber, Kaoru… ich brauche etwas Abstand um wieder klar denken zu können, um mein Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Bitte such mich nicht, es wird mir gut gehen, mach dir keine Sorgen, ich werde gut auf mich aufpassen. Mein Handy liegt am Wohnzimmertisch, falls jemand anruft, würdest du bitte ran gehen? Ich brauche jetzt einfach ein wenig Ruhe, deswegen hab ich es nicht mitgenommen.

Ich möchte dir noch so viel sagen, Kaoru… aber ich muss mich beeilen, mein Zug fährt bald und je länger ich hier neben dir sitze und dich beim Schreiben ansehe, desto schwerer fällt es mir, zu gehen. Aber ich muss das tun… es geht einfach nicht anders. Bitte gib den anderen die Briefe, die ich für sie geschrieben habe. Daisuki\\
 

Ihm wurde übel, als er daran dachte, wie Toshiya gestern lautlos weinend neben ihm gesessen haben musste, im Schein der Nachttischlampe diese Briefe verfasst und sich dann ganz leise aus seiner Wohnung geschlichen hatte um durch die Nacht zum Bahnhof zu irren. Hilflose Wut überkam ihn, dass er nicht bemerkt hatte wie der Bassist aufgestanden war, er hätte doch aufwachen müssen, verdammt! Und zu allem Unglück war Toshiya verletzt, geschwächt von der Operation und auch psychisch völlig im Eimer, wie hatte er zulassen können, dass so etwas passiert?

Zu hastig, denn ihm wurde mit einem Schlag schwarz vor Augen, sodass er sich erst einmal am Kasten festhalten musste, sprang Kaoru aus dem Bett, suchte, als er wieder halbwegs gerade stehen konnte, nach seinen Sachen und zog sich hastig an. Wie von Toshiya beschrieben lag sein Handy auf dem Couchtisch und Kaoru steckte es schnell ein, schnappte sich den Haustürschlüssel und eilte dann noch einmal zurück ins Schlafzimmer, weil er die Briefe vergessen hatte. Auf dem Weg nach unten rief er Die an und wies ihn ohne jegliche Widerrede dulden zu lassen dazu an, in zehn Minuten in dem Cafe an der Ecke des Krankenhauses zu erscheinen.
 

Ziemlich angepisst und gestresst kam der Rotschopf gute achtzehn Minuten später dort an und ließ sich schnaubend gegenüber von Kaoru am Tisch nieder.

„Na endlich“, murrte dieser, zog auf einmal einen Brief hervor und hielt ihn Die vor die Nase.

„Was ist das?“, erkundigte sich der andere, verwundert darüber, dass auf dem Umschlag sein Name stand.

„Von Toshi“

„WTF?“, murmelte Die verwirrt, riss den Umschlag auf und begann zu lesen, von Zeile zu Zeile blasser werdend und schließlich die Hand sinken lassend, Kaoru entgeistert anstarrend.

„Zeig mal“, forderte dieser und der Rothaarige hielt ihm den Brief wortlos entgegen, vergrub dann das Gesicht in den Händen und versuchte, diesen Schock erst einmal zu verdauen.

//Die… endlich habe ich die Gelegenheit dir mitzuteilen, wie viel zu mir bedeutest. In meinem Herzen hast du einen so großen Platz eingenommen, dass ich schon gar nicht mehr weiß wohin mit den Gefühlen für dich, so wichtig bist du mir. Ich war immer stolz darauf, dich meinen besten Freund nennen zu dürfen und du ahnst nicht wie sehr ich mich für dich freue, dass du nun glücklich mit Shinya bist. Nie wollte ich einen Keil zwischen euch treiben oder war eifersüchtig, bitte glaub mir das. Ich wollte immer nur das Beste für dich, genau wie du für mich, das weiß ich. Mach dir bitte keine Sorgen um mich, auch wenn ich einige Zeit lang nicht erreichbar sein werde, ich bin bei jemandem, der gut auf mich Acht geben wird. Sieh zu, dass Shinya wieder gesund wird und pass bitte ein wenig auf Kaoru auf, denn ich habe ein wirklich schlechtes Gewissen ihn jetzt allein zu lassen. Aber ich weiß ja, dass ihr das alles auch ohne mich hinbekommt. Wann ich wieder zurück sein werde, weiß ich noch nicht, das hängt wohl davon ab, wie schnell ich mit mir, mit allem, wieder klar komme. Ich werde dich vermissen, Die… die anderen zwar auch, aber dich ganz besonders. Ich wünschte, wir hätten in den letzten Wochen mehr Zeit füreinander gehabt. Aber jetzt ist es zu spät das noch nach zu holen, ich hoffe nur, es hat sich nicht zu viel verändert, wenn ich wieder zurückkomme. Dich zu verlieren wäre das Schlimmste, was mir passieren kann. Vergiss mich bitte nicht. Daisuki\\

Erneut überkam Kaoru ein Gefühl von hilfloser Verzweiflung und Übelkeit und er schob Die den Brief wieder hinüber klammerte sich zitternd an seine Kaffeetasse und suchte mit der anderen Hand nach seinen Zigaretten.
 

„Den anderen hat er auch einen Brief geschrieben. Gib den Shinya“, murmelte er gedämpft, nachdem er sich einen Glimmstängel angezündet hatte und reichte Die einen weiteren Umschlag. „Hast du eine Idee wo er stecken könnte?“

Der Rothaarige schüttelte ratlos den Kopf. „Bei seiner Familie vielleicht? Aber das glaube ich nicht…“

„Bestimmt nicht. Falls dir jemand einfällt, sag es mir bitte. Ich werde jetzt erstmal zu Kyo und dann muss ich irgendwo mit der Suche beginnen. Ich weiß nur noch nicht, wo…“
 

Verpennt und irgendetwas vor sich Hingrummelnd öffnete der Sänger nach einer geschlagenen Viertelstunde Dauerklingeln endlich die Tür und bedachte Kaoru erst einmal mit vernichtenden Blicken, ehe er ihn wortlos einließ und sich in seinem Wohnzimmer auf die Couch warf. Der Gitarrist schloss die Tür, zog sich die Schuhe aus und folgte dem anderen dann, setzte sich ihm gegenüber und hielt ihm wortlos den Umschlag hin.

„Wasn das?“, murrte Kyo leise, zerfetzte den Umschlag und zog ein Blatt Papier heraus, auf das nur wenige Worte geschrieben worden waren. //Wenn ich zurückkomme, werde ich dich nicht mehr lieben. Verzeih mir, dass ich dich belästigt habe. Ich hoffe, wir können bald wieder Freunde sein, falls wir das überhaupt jemals waren.\\

Kyo’s Gesicht verriet keinerlei Emotionen, als er den Brief wieder faltete und Kaoru über den Tisch zurückwarf. „Was soll das? Bist du jetzt sein Postbote geworden oder was?“

„Er ist weg“

Verwundert zuckte Kyo zurück. „Was, weg?“

„Weg. Er ist nicht mehr da. Heute Morgen bin ich aufgewacht und er war weg. Die hat er geschrieben, dass er bei jemandem ist, der gut auf ihn Acht geben wird. Hast du eine Idee, wer das sein könnte?“

Noch immer etwas geschockt über das Verschwinden des Bassisten schüttelte Kyo nur ratlos den Kopf und nahm den Brief noch einmal in die Hand um die wenigen Worte erneut zu lesen. „Es ist wegen mir, oder?“

Kaoru zuckte mit den Schultern und zog seine Zigarettenschachtel heraus um sich einen der Nikotinstängel anzuzünden. „Wegen dir… wegen Shinya… ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hat er geschrieben, er muss erstmal mit seinem Leben wieder klar kommen und ich sollte mir keine Sorgen machen und ihn nicht suchen. Aber das geht nicht, Kyo… wer weiß wo er steckt und was er alles anstellt? Du weißt ja, wie er ist…“

Der Sänger nickte besorgt und starrte nachdenklich auf seinen Couchtisch, auf seiner Unterlippe herumkauend und fieberhaft überlegend. „Ich helf dir auf jeden Fall, ihn zu suchen…“

„Das wird nicht so einfach werden, Kyo… er ist scheinbar mit dem Zug gefahren, das heißt wohl, er könnte überall stecken…“

„Egal. Wir müssen ihn finden, Kao. Ich kann nicht verantworten, dass er sich wegen mir irgendetwas antut“

… but not out of mind

Zu allem Unglück hatte es am Weg vom Bahnhof hierher angefangen zu regnen und Toshiya war innerhalb von wenigen Schritten klatschnass gewesen. Hätte er sich doch ein Taxi genommen, verdammt! Aber jetzt war es auch schon zu spät und er erschauderte vor Kälte, als er in die Straße einbog, die er zwar schon so lange nicht mehr gesehen hatte, die ihm allerdings noch immer im Gedächtnis geblieben war. Zwei Jahre war es her, seitdem er das letzte Mal hier gewesen war. Dennoch fand sein Finger den Klingelknopf beinahe blind, als er endlich im vierten Stock angekommen war. //Bitte sei zuhause!\\, wiederholte er immer wieder in Gedanken und endlich wurde die Tür geöffnet.
 

„Shinji“*, wisperte der Braunhaarige und kippte vornüber, direkt in die Arme des geschockten Gitarristen, der im ersten Moment gar nicht wusste, wie im geschah. Erst Sekunden später fing er sich wieder, zog Toshiya näher an sich, sodass er die Tür schließen konnte und strich ihm dann beruhigend über den Rücken. Die kleine Tasche, die der Bassist dabei gehabt hatte, war ihm einfach aus der Hand gefallen und in der Ecke neben der Tür gelandet.

„Toto… wo kommst du denn her?“, fragte er erstaunt und bekam als Antwort nur ein leises Schluchzen. Instinktiv hielt er den Bassisten dicht an sich gedrückt, während er ihn langsam ins Wohnzimmer führte und sich dort mit ihm auf seine elegante, schwarze Ledercouch sinken ließ. Toshiya lag indessen wie ein begossener Pudel in seinen Armen und brachte nicht viel mehr als leises Schniefen und Wimmern von sich, sodass der Gitarrist eine Weile warten musste, bis es sich wieder rentierte, den Jüngeren mit Fragen zu löchern, was denn geschehen war. Sie hatten sich lange nicht gesehen, bestimmt sieben oder acht Monate… und jetzt auf einmal stand der Kleine völlig aufgelöst vor seiner Tür – das konnte doch nichts Gutes bedeuten.

„Geht’s wieder?“, erkundigte er sich, als das Schluchzen langsam verebbte und der Braunhaarige nickte tapfer, zog noch einmal geräuschvoll die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel seines dunkelgrauen Pullis über die verweinten Augen, sodass sich kleine schwarze Flecke auf dem Stoff bildeten.

„Shinji…“

„Ich bin ja da. Aber jetzt sag mir erst mal, was eigentlich los ist“

Es verging einige Zeit bis Toshiya es geschafft hatte, dem Älteren alle nennenswerten Details der Erlebnisse zu erzählen, die ihn schlussendlich hierher gebracht hatten. Vor allem dauerte es so lange, weil er zwischendurch immer wieder in Tränen ausbrach und seine Stimme bröckelte, bis er keinen Ton mehr heraus bekam. Und je länger er erzählte, desto mehr zog Aiji die Augenbrauen zusammen und desto nachdenklicher und besorgter wurde sein Gesichtsausdruck.

„Okay… mal abgesehen davon, dass es Unsinn war einfach abzuhauen… jetzt wo du schon mal hier bist, bleibst du auch über Nacht“, entschied der Gitarrist und streichelte Toshiya sanft über den Kopf.

„Schickst du mich dann morgen weg?“, flüsterte dieser leise. Ein bitteres Lächeln huschte über die Lippen des Älteren bei diesen Worten. Wegschicken… wie einen streunenden Hund? Nein, das würde er nicht tun, ganz bestimmt nicht.

„Du kannst von mir aus bei mir bleiben, so lange du willst… aber wir gehen in vier Tagen auf Tour und ich bezweifle, dass es gut für dich ist ganz alleine in meiner leeren Wohnung zu sitzen. Aber darüber können wir ja morgen reden. Ich such dir jetzt erstmal was anderes zum Anziehen raus und du gehst inzwischen duschen… du bist ja eiskalt! Und anschließend kochen wir uns Tee und sehen zu, dass du dich erst mal wieder ein wenig beruhigst. Du siehst wirklich total fertig aus, als hättest du Tagelang nicht geschlafen!“
 

Aber selbst nachdem Toshiya gute zwanzig Minuten im warmen Badezimmer unter dem heißen Wasserstrahl gestanden und schließlich bekleidet mit einer dunkelgrünen Jogginghose und einem schwarzen Shirt von Aiji sowie dem in der selben Farbe gehaltenen Bademantel des Älteren in die Küche kam, ging es ihm kein Stück besser. Zwar fühlte er sich nicht mehr wie ein Stück Fleisch, das bis vor kurzem noch in der Tiefkühltruhe gelegen hatte, aber das war auch schon das höchste aller Gefühlte.
 

An Aiji ging dieser Umstand natürlich auch nicht vorbei, sodass er davon abließ, die Teebeutel in ihre Tassen zu stecken und sich stattdessen zu Toshiya umdrehte, die Arme ausbreitete und sie um den Körper des Jüngeren schloss, als dieser sich dankbar an ihn kuschelte. Aber während er das Gesicht in Aijis T-Shirt vergrub wurde ihm klar, dass er genau das schon wieder tat, weswegen er vor Kaoru geflohen war. Schon wieder nutzte er einen seiner Freunde aus, ließ sich umarmen und trösten und ging jemandem auf die Nerven. Konnte er denn nicht auch einmal zu irgendetwas zu Nutze sein? Schon wieder brannten Tränen in seinen Augen, aber er schluckte sie hinunter, klammerte sich nur noch mehr an Aiji und schwor sich, ab Morgen früh alleine zurecht zu kommen. Er wollte niemandem mehr auf der Tasche liegen. Nicht schon wieder. Nicht auch noch Aiji.
 

Sie tranken schweigend ihren Tee und der Gitarrist bezog eine zweite Decke und ein zweites Kopfkissen, überzog die kalte Ledercouch mit noch einer Decke und bot dem Jüngeren dann trotzdem an, in seinem Bett zu schlafen, aber Toshiya lehnte entschieden ab und wollte unbedingt im Wohnzimmer übernachten. Aiji auch noch sein Bett wegnehmen? Er fühlte sich doch ohnehin schon so schlecht, wo er den anderen mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt hatte nur um seine Zeit zu stehlen. Schlussendlich gab der Ältere dann auch nach, verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Stirn seines Besuchers und wünschte ihm, dass er zumindest ein bisschen Schlaf fand.
 

Toshiya tat sein Bestes, wirklich… aber er schaffte es noch nicht einmal, die Augen zu schließen. Stattdessen starrte er gebannt auf das große Fenster im Wohnzimmer, das einen herrlichen Blick über Nagoya gewährte und nur von leichten, halbtransparenten, weißen Vorhängen bedeckt wurde. Das Mondlicht tauchte das Wohnzimmer in ein schummriges Licht, aber das war nichts, was Toshiya gestört hätte. Er fand keinen Schlaf, weil seine Gedanken immerzu kreisten und ihm einfach nicht gestatteten, für einige Stunden abzuschalten. Wie feige er doch war, einfach weg zu laufen wie ein kleines Kind… wie gemein von ihm, sich jetzt auch noch bei Aiji einzunisten. Am Besten war, wenn er morgen Früh gleich wieder abreisen würde. Nur wohin? Wohin sollte er denn, zu wem? Zu seinen Eltern? Die würden einen Aufstand machen und ihn nur damit quälen, dass sie ihm schon immer geraten hatten ein normales Leben zu führen anstatt Musiker zu werden. Außerdem konnte er ihnen die Sache mit Kyo auch nicht erzählen, sie wussten ja noch nicht einmal, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Vielleicht war es das Beste, einfach in den nächstbesten Zug zu steigen und zu sehen, wohin er ihn brachte? Es war nicht leicht, sich mit dem Gedanken abzufinden, ab nun kein Zuhause mehr zu haben, aber vielleicht war es besser, er freundete sich so schnell wie möglich damit an.
 

Geräusche im Flur ließen ihn aufschrecken, aber es war nur Aiji, der schlaftrunken in die Küche schlurfte, dort den Lichtschalter betätigte und kurz das Wasser aufdrehte. Dann wurde das Licht wieder gelöscht und das Tappen nackter Füße auf dem Parkettboden führte wieder in Richtung Flur, brach dort jedoch abrupt ab und kam dann ein wenig näher.
 

„Du bist ja immer noch wach“, stellte Aiji mit deutlich besorgtem Unterton in der Stimme fest. Durch das Halbdunkel des Wohnzimmers tastete er bis zum Sofa vor und ließ sich neben Toshiyas Kopf auf die Armlehne sinken.

„Ich kann nicht schlafen“

Aiji seufzte leise und streckte die Hand aus um dem Bassisten zärtlich durch die Haare zu streicheln.

„Willst du doch zu mir ins Bett kommen?“

Toshiya hob den Blick um seinen Jugendfreund unsicher anzusehen.

„Meinst du, das ist eine gute Idee?“

„Ich bitte dich, Toshiya… ich werde bestimmt nicht über dich herfallen und es ist nicht das erste Mal, oder?“

„Nein, aber ich will nicht, dass…“

„Dass so etwas wie damals wieder passiert? Wir sind keine siebzehn mehr, Toshiya… es war dumm von uns… dumm von mir… aber ich dachte wir könnten das endlich vergessen…“

„Ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll, Shinji… ich will dich nicht auch noch verletzen“

„Das tust du nicht“

Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich hinabbeugte um den anderen zärtlich auf die Stirn zu küssen.

„Ich bin so froh, dass du zu mir gekommen bist… ich habe dich vermisst…“

Dann legte er die Arme um Toshiya und zog ihn nahe an sich, hielt den zitternden, beunruhigend kühlen Körper dicht an seinen gedrückt, wie ein Kind beruhigend wiegend, während der Braunhaarige das Gesicht an seine Brust schmiegte und sich nichts sehnlicher wünschte als für ein paar Minuten nur all das vergessen zu können, was in den letzten Wochen passiert war.
 

Schlussendlich hatte Aiji seinen Gast einfach auf die Arme gehoben und ins Schlafzimmer getragen, ihn vorsichtig auf das große Bett nieder gelegt, ihn in seine weiche Decke gewickelt und saß nun an die Wand hinter dem Bettende gelehnt auf der Matratze. Toshiya’s Kopf lag in seinem Schoß. Der Braunhaarige hatte die Augen geschlossen, aber seine unregelmäßigen Atemzüge verrieten, dass er noch immer keinen Schlaf gefunden hatte. Die Fingerspitzen des Älteren kraulten ganz zärtlich über die Kopfhaut des Bassisten, während seine Gedanken unaufhörlich um das kreisten, was vor einigen Jahren zwischen ihnen vorgefallen war. **
 

Am Morgen hatte er von seiner unangenehmen Sitzposition starke Rücken- und Nackenschmerzen, weshalb er Toshiya vorsichtig von sich schob, sich noch einmal versicherte, dass dieser dabei nicht aufgewacht war und dann ins Bad schlich um sich eine heiße Dusche zu gönnen. Als er nur mit einem Handtuch bekleidet zurück ins Schlafzimmer kam um sich etwas frisches zum Anziehen zu holen, war das Bett bereits leer und die Decke lag zerwühlt darauf. Aiji musste schmunzeln, wusste er doch nur zu gut, dass Toshiya es immer gerne vergaß, am Morgen sein Bett zu machen. Es war schon seltsam, wie viele kleine Macken eines Menschen man mitbekam, wenn man sich eine Zeit lang kannte.
 

Der Braunhaarige hatte bereits Kaffee aufgesetzt und lehnte am Küchentisch um der Maschine dabei zuzusehen, wie sie zischend das braune Gebräu in die gläserne Kanne spuckte. Als er Aiji kommen hörte, dreht er den Kopf und lächelte schwach zur Begrüßung. Dieser küsste den Jüngeren sanft auf die Schläfe und streichelte ihm kurz über die Schulter, ehe er sich daran machte den Tisch zu decken.

„Die Heizung ist noch an…“

„Danke“

Es war eigenartig, wie wenig sie erklären mussten. Aiji wusste noch immer, dass Toshiya es nicht mochte, wenn es kalt im Badezimmer war. Es war ganz wie früher. Da war auch immer er vor dem Bassisten duschen gegangen, damit das Bad einer Sauna glich, wenn sein Mitbewohner es betrat. Inzwischen hatte Toshiya früher immer Kaffee gekocht und er hatte anschließend Frühstück gemacht, während dieser sich zurecht gemacht hatte. Sie waren ein gutes Team gewesen, sie beide. Für Aiji war es beinahe so als würde alles, was er zusammen mit Toshiya tat, doppelt so viel Spaß machen. Auch damals, als sie zusammen Musik gemacht hatten, bevor er zu Pierrot und Toshiya zu D+L, und schließlich zu dir en grey gegangen war. Sie hatten sich zwar nicht wirklich aus den Augen verloren, aber die Distanz hatte viel verändert. Aiji wandte den Blick ab, als ihm dieser Umstand bewusst wurde. Manchmal wünschte er sich, ihre gemeinsame Band Mona Lisa, als Toshiya noch Gitarre gespielt und er gesungen hatte, wäre ihnen beiden ernster gewesen. Vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen. Vielleicht würde der Braunhaarige jetzt nicht mit geschwollenen Augen und blassem Gesicht neben ihm in der Küche stehen sondern zusammen mit ihm unter einer Bettdecke liegen, glücklich, sich geliebt fühlend. Aber jetzt ließ es sich nicht mehr ändern, auch wenn Aiji es sich so sehnlich wünschte.
 

Nachdem Toshiya noch eine Weile völlig abwesend auf die Kaffeekanne gestarrt hatte, löste er sich nun endlich davon und schlich ins Bad hinüber. Aiji sah ihm besorgt nach und ließ sich, als er die Badezimmertür ins Schloss fallen gehört hatte, auf einen der Stühle sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Toshiya so unerwartet und unter diesen Umständen wieder zu sehen brachte Gefühle in ihm hoch, die er lieber sorgfältig verborgen gewusst hätte. Wirklich über das, was passiert war, hinweg gekommen war er nie, aber er wollte den Jüngeren damit jetzt nicht belasten, also riss er sich in dessen Gegenwart so gut es ging zusammen.
 


 

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* Shinji ist auch unter dem Namen Aiji als Leadgitarrist von Pierrot bekannt. Momentan ist er Gitarrist bei LM.C, zu der Zeit in der diese FF spielt ist er allerdings noch mit seiner alten Band unterwegs. Er hat früher tatsächlich mit Toshiya und dem zweiten Gitarristen sowie dem Drummer von Pierrot zusammen gewohnt und hatte eine Band mit Toshiya, die sich Mona Lisa nannte ^_^
 

** Dieses Geheimnis wird nach Ende dieser FF in einer kleinen Sidestory gelöst ;) … seid gespannt *g*

Sometimes everything you do…

Seit Stunden zerbrach er sich nun den Kopf darüber wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Toshiya konnte überall stecken. Was, wenn er den Zug nur genommen hatte um zum Flughafen zu kommen? Er konnte doch nicht die ganze Welt absuchen, verdammt! Wütend schlug er mit der Faust auf die Parkbank neben sich. Warum es ihn ausgerechnet hierher getrieben hatte war ihm nicht bewusst, aber zumindest war es hier ruhig genug um in Ruhe nachzudenken welchen Schritt er als nächstes tun sollte. Eine Vermisstenanzeige aufgeben? Aber dann auf einmal kam ihm eine andere Idee und er tippte hastig eine SMS >Toshiya ist verschwunden, wenn du weißt wo er steckt bitte melde dich bei mir!< Diese begann er an so gut wie alle Personen in seinem Telefonbuch zu versenden und sah dann erstaunt auf, als es direkt neben ihm zu piepen begann.

„Hey Dai“, begrüßte er den Jüngeren, der erst sein Handy und dann ihn verwundert ansah, müde lächelte und näher kam um sich zu setzen und die SMS zu lesen.

„Toshi ist weg?“, fragte er schockiert und sah Kaoru eindringlich an. „Einfach so?“

Kaoru seufzte leise und steckte sein Handy wieder ein.

„Er ist gestern Nacht einfach weggelaufen und hat uns nur vier Briefe hinterlassen… scheinbar ist er bei jemandem untergekommen aber ich hab keine Idee wo er stecken könnte… du vielleicht?“

Daisuke überlegte einen Moment, dann schüttelte er betrübt den Kopf.

„Nein, tut mir leid…“

Erst jetzt bemerkte Kaoru, dass der Jüngere müde und blass aussah und musterte ihn etwas genauer. „Geht’s dir nicht gut?“

Nach einem Moment des Zögerns seufzte Daisuke traurig und senkte den Blick zu Boden. „Rika hat Schluss gemacht…“

Sein Herz machte einen Salto und gleichzeitig fühlte er sich unglaublich schlecht dabei, sich gerade darüber zu freuen, dass es seinem heimlichen Schwarm deswegen schlecht ging. Aber es war völlig ehrlich, als er einen Arm um Daisuke legte und ihn sanft an sich zog. „Das tut mir leid… willst du darüber reden?“ Vergessen war ihr seltsamer Streit und die Tatsache, dass er sich geschworen hatte den Jüngeren nicht mehr zu lieben. Er konnte doch ohnehin nicht damit aufhören.

„Nein, ist schon okay… ich glaube, Toshi ist jetzt wichtiger… ich werde ein wenig rumtelefonieren, ja? Vielleicht weiß ja jemand, wo er steckt…“, bot Daisuke an und löste sich langsam von Kaoru um aufzustehen. Je weniger er über Rika nachdachte desto einfacher war es und jetzt hatte er zumindest etwas zu tun.

„Das ist lieb von dir… und Dai?“

„Hm?“

„Sie ist es nicht wert“

„Mhm“
 

Inzwischen war Die zuhause angekommen und durchsuchte die Wohnung hektisch nach Shinya, den er schließlich am Balkon vorfand, wo er es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht hatte und die Sonne genoss. „Toshi ist verschwunden!“, keucht er atemlos und hielt dem Blonden den Briefumschlag mit seinem Namen hin. “Er ist einfach weggelaufen… niemand weiß wo er steckt…“ Dann ließ er sich hilflos seufzend auf den anderen Liegestuhl fallen und sah Shinya drängend an.

Dieser nahm erst einmal seine Sonnenbrille ab und riss den Umschlag stirnrunzelnd auf. Eigentlich war ihm das alles ja herzlich egal. War ja genau das, was er sich gewünscht hatte – dieses Biest los zu werden. Aber er wusste, dass Die das alles nicht so locker sah und deshalb konnte er ja nicht einfach mit den Schultern zucken oder sich darüber freuen.
 

>Shinya< stand auf dem weißen Briefpapier

>Ich weiß, dass du mich verabscheust und die Zeit in der es so ausgesehen hat als hättest du mir verziehen nichts als eine gute schauspielerische Leistung deinerseits war. Ich habe deine mordlüsternen Blicke immer bemerkt und es tut sehr weh zu wissen, dass du mich so sehr hasst. Du wirst mir auch dieses Mal nicht glauben wenn ich dir sage, dass ich dir Die niemals wegnehmen werde. Er hat doch von Anfang an nur an dir Interesse gehabt und dieser Zwischenfall auf der Tour war nie von Bedeutung für uns. Es tut mir sehr leid wie es gekommen ist und du sollst wissen, dass ich dich noch immer sehr gern habe. Ich wünsche mir einfach den liebevollen Shinya wieder, der du immer warst. Dieser kalte Blick steht dir einfach nicht und es macht mich traurig zu sehen wie sehr du dich in diese Sache hineinsteigerst. Du bist so blass und dünn geworden in letzter Zeit, ist es dir nicht aufgefallen? Lass dich nicht von deinem Hass auffressen… es gibt doch überhaupt keinen Grund dafür.
 

Ich bin dir nicht böse für das was du getan hast, auch wenn ich allen Grund dazu hätte. Aber ich weiß wie es ist jemanden so verzweifelt zu lieben und was man dafür alles tun würde. Mir bleibt nur zu hoffen dass du eines Tages verstehen willst dass ich keine Konkurrenz für dich bin, sondern noch immer ein Freund. Und das werden wir von meiner Seite auch immer bleiben.<
 

Wütend knüllte er das Papier zusammen und warf es mit einem leisen Aufschrei quer über den Balkon, Die’s erschrockenen Blick völlig ignorierend. Wie kam dieses Miststück dazu zu beurteilen wie er aussah? Der hatte doch überhaupt keine Ahnung, verdammt!

„Shin, was ist denn?“, wurde er besorgt gefragt und er wirbelte herum um Die verärgert anzufunkeln.

„Es ist dir doch sowieso egal was mit mir ist! Dich interessiert sowieso nur diese blöde Schlampe als geh schon und such nach diesem verdammten Miststück!“, fauchte er ihn an und zuckte im nächsten Moment erschrocken zusammen. Seine Wange brannte und er sah Die aus weit aufgerissenen Augen an. Sein Freund hatte ihn geschlagen! Nach Luft schnappend wusste er gar nicht, was er sagen oder tun sollte, so schockiert war er von dieser Ohrfeige.

„Sprich nicht so über ihn“, warnte Die ruhig aber man hörte ihm an, wie verärgert und enttäuscht er war.

„Du… du… hast mich geschlagen!“, keuchte Shinya entsetzt und blinzelte einige male, ehe er seine Worte noch einmal wiederholte, diesmal langsam hysterisch klingen. „Du hast mich wirklich geschlagen!“

„Jetzt halt mal die Luft an und hör mir zu!“, fauchte der Rothaarige und brachte seinen Freund damit tatsächlich wieder zum Schweigen. „Toshi war immer nett zu dir und du behandelst ihn wie den letzten Dreck… schlimmer noch als Kyo es tut! Wie kannst du nur so etwas sagen? Er ist seit Jahren mein bester Freund und wenn du das nicht akzeptieren kannst dann will ich nicht mehr mit dir zusammen sein. Du solltest wissen, dass mir Freundschaft über alles andere geht… und wenn du mich wirklich lieben würdest, dann könntest du das auch akzeptieren. Aber du liebst mich nicht, du willst mich besitzen, das ist es doch, oder? Ich soll nur dir gehören und jeder sonst der mir zu nahe kommt dem willst du die Augen auskratzen! Weißt du was? Du kannst dir einen anderen suchen mit dem du diese Spielchen treibst, ich hab genug davon!“
 

Dann drehte er sich einfach um und stürmte aus der Wohnung, zündete sich unten auf der Straße eine Zigarette an und nahm sein Handy heraus um Kaoru anzurufen. „Weißt du schon was Neues?“, fragte er statt einer Begrüßung und fluchte leise, als der andere verneinte. Wie sollten sie Toshiya denn auch so schnell finden? Sie konnten ja nicht jeden Winkel in ganz Japan durchsuchen, oder?

… just leads to despair and loneliness

Während Aiji in seinem Kleiderschrank kramte und immer mal wieder etwas in eine der drei Taschen legte, saß Toshiya mit angezogenen Beinen auf dem Bett und beobachtete den Älteren dabei. Einerseits stimmte es ihn traurig, dass dieser in drei Tagen abreisen würde, andererseits aber hatte er sich ja ohnehin vorgenommen, von jetzt an alleine klar zu kommen und niemandem mehr zur Last zu fallen.

„Freust du dich schon auf die Tour?“, erkundigte er sich irgendwann beiläufig und Aiji hielt in seinem Tun inne um sich zu ihm umzudrehen.

„Jetzt wo du hier bist… ehrlich gesagt nicht mehr“ Es klang ehrlich und vor allem sehr ernst. Dann wandte der andere sich wieder dem Einpacken zu und Toshiya lächelte traurig. War ja mal wieder klar. Er machte aber auch nichts als Probleme.

„Tut mir leid…“

Erneut hielt der Gitarrist inne, legte ein Shirt bei Seite und setzte sich neben Toshiya aufs Bett um einen Arm um die schmalen Schultern zu legen und ihn leicht an sich zu ziehen. Der Jüngere folgte dieser Bewegung sofort und lehnte den Kopf an die Brust des anderen, schloss leise seufzend die Augen. „Es braucht dir nicht leid zu tun… ich bin froh, dass du hergekommen bist. Es macht mich sehr glücklich, dass du mich an deinem Leben teilhaben lässt… weißt du, eigentlich dachte ich, die große Entfernung und die lange Zeit die wir uns nicht gesehen haben hätte irgendetwas verändert… hätte uns einander fremd gemacht… aber das stimmt nicht und ich bin sehr glücklich darüber…“ Der Baunhaarige lächelte matt auf diese Worte hin. Zwar glaubte er nicht, dass Aiji ihn anlog aber dennoch hatte es einen bitteren Nachgeschmack sich jetzt erst darüber bewusst zu werden, dass er den anderen lange Zeit vernachlässigt hatte. Er erinnerte sich noch daran, auf Emails von diesem nicht gleich geantwortet zu haben, weil er im Stress gewesen war und irgendwann hatte er es dann einfach vergessen. Auch Anrufe waren oft unbeantwortet geblieben und jetzt machte Toshiya sich ernsthaft Vorwürfe deswegen.

„Entschuldige, dass ich mich so oft nicht gemeldet habe…“ Verlegen murmelte er diese Worte mit gesenktem Kopf und wurde von Aiji daraufhin sanft auf die Stirn geküsst.

„Hör doch endlich auf, dich zu entschuldigen, Toshi. Mir ist nur wichtig, dass wir Freunde bleiben und ich weiß ja auch, dass du sehr oft im Stress bist…“

Eine Weile saß er noch bei dem Bassisten am Bett, hielt ihn sanft in den Armen und streichelte über die weichen braunen Haare, während dieser mit geschlossenen Augen an ihm lehnte. Toshiya brauchte diese vertraute Nähe jetzt dringend um einen Entschluss zu fassen, dessen Grundidee ihm schon vor einigen Stunden im Kopf herumzuspuken begonnen hatte.
 

Es war bereits spät Abends, als es an seiner Tür klingelte. Gähnend kämpfte der Gitarrist sich aus dem Deckengewirr, das er am Sofa veranstaltet hatte und schlurfte schlaftrunken in den Flur. Wer besuchte ihn um diese Zeit denn noch? Wenn das einer seiner Bandkollegen war mit der Aufforderung dass er mit ihnen trinken gehen sollte, dann konnten die ihn aber mal kreuzweise. Noch vor Beginn der Tour würde er sich bestimmt nicht so verausgaben. Aber Aiji staunte nicht schlecht, als ihm ein sehr unerwarteter Gast gegenüber stand. „Kyo…das ist aber ne Überraschung!” Bereitwillig öffnete er dem anderen die Tür einen Spalt um ihn in seine Wohnung zu lassen und der Kleinere zögerte gar nicht, drängte sich an ihm vorbei und sah sich ungeduldig um.

„Wo ist Toshiya?“

Der Größere lächelte matt und schloss die Tür hinter Kyo, bat ihn erst einmal ins Wohnzimmer. Aber der kleine Sänger war viel zu unruhig um sich setzen zu können, weshalb er einfach stehen blieb und Aiji drängend musterte.

„Er ist nicht mehr hier“

„Was soll das heißen, er ist nicht mehr hier?“

Einen Moment lang befürchtete er, Kyo würde ihm an den Hals springen und ihn würgen, aber der Kleinere knackte nur mit den Fingerknöcheln und stierte ihn weiterhin an.

„Er hat mich gebeten, ihn zum Bahnhof zu bringen“

„Wann?“

„Vor… vier Stunden, in etwa“

„Wohin wollte er?“

Immer drängender wurden Kyo’s Fragen und Aiji tat es leid, den anderen enttäuschen zu müssen, indem er leicht mit den Schultern zuckte.

„Tut mir leid, ich weiß es nicht… er wollte es mir nicht sagen“

„FUCK!“

Vor Wut trat er gegen den Couchtisch des Größeren, sodass dieser ein ganzes Stück weit zur Seite ruckte, jedoch keinen ernsthaften Schaden dabei zu nehmen schien.

„Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dass er hier sein könnte?“, erkundigte sich Aiji interessehalber und weil er den anderen davon abhalten wollte, seine Möbel weiter zu traktieren.

„Die hat gesagt, ihr hättet mal miteinander zu tun gehabt“

Etwas pikiert hob Aiji eine Augenbraue. Mehr miteinander zu tun gehabt? Da waren die Jungs von Dir en grey aber ziemlich schlecht über ihren Bassisten informiert. Na gut… eigentlich brauchte ihn das ja nicht zu interessieren. Und Kyo kam auch gleich wieder auf ein für ihn offensichtlich viel wichtigeres Thema – Toshiya.

„Wie geht es ihm?“

‚Gut’, hatte Aiji schon sagen wollen, aber dann wurde ihm bewusst, dass das so nicht ganz richtig gewesen wäre.

„Wenn ich ehrlich bin… es ging ihm nicht gut, aber das ist ja auch kein Wunder. Wenn er mir nur die Hälfte von dem erzählt hat was in den letzten Monaten passiert ist, dann kann ich sehr gut nachvollziehen, dass er mit den Nerven am Ende ist und…“

Auf einmal machte Kyo eine verärgerte Handbewegung und trat einen Schritt nach vorne um ihn böse anzufunkeln.

„Warum hast du ihn dann gehen lassen? Wer weiß wo er jetzt steckt!“

„Hätte ich ihn denn hier festhalten sollen?“, rechtfertigte sich Aiji wenig erfreut über den Vorwurf des Kleineren. „Toshiya ist erwachsen, ich kann ihm nicht vorschreiben hier zu bleiben, wenn er das nicht will. Außerdem gehen wir in drei Tagen auf Tour und dann wäre er wieder alleine gewesen. Außerdem schien er ganz genau zu wissen, wohin er will…“

Natürlich wäre es ihm auch lieber gewesen, wenn Toshiya bei ihm geblieben wäre, damit er ein wenig auf ihn Acht geben konnte, aber hier einsperren, das konnte und wollte er einfach nicht. Er hatte dem Jüngeren noch das Versprechen abgenommen ihn anzurufen, wenn er angekommen war und Toshiya hatte es ihm versichert. Aber davon würde er Kyo bestimmt nicht erzählen, immerhin wusste er ja, was dieser seinem Freund angetan hatte. Es wunderte Aiji ohnehin, wie er in der Gegenwart des Sängers so ruhig bleiben konnte.

„Fuck…“, murmelte Kyo nur noch einmal und schien einige Sekunden lang fieberhaft nachzudenken, ehe sein Blick wieder auf Aiji fiel und er leise schnaubte. „Na gut… selbst wenn du mich anlügst, ich kann dir ja nicht die ganze Bude auseinander nehmen…“

Gut Lust hätte er dazu allemal, aber das hätte nur noch mehr Ärger produziert. Also schnappte er sich einfach einen Stift, der auf dem Tisch herumlag und kritzelte auf den Rand einer Zeitschrift seine Nummer.

„Ruf mich an, wenn du was Neues erfährst, ja? Bitte… du tust Toshiya damit auch keinen Gefallen, indem du ihn deckst…“

„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, entgegnete Aiji daraufhin mit einem kühlen Lächeln und warf einen kurzen Blick auf die Handynummer, sah dann wieder zu Kyo auf. „Gute Nacht, Kyo“

If a smile can’t reach the eyes…

Zitternd drückte Toshiya sich unter den schmalen Vorsprung des Hausdaches, denn es hatte wieder zu regnen begonnen. Ihm war ohnehin schon so kalt, die Narbe von der Operation schmerzte unangenehm und nachdem er mindestens fünf Mal geklingelt hatte, machte ihm noch immer niemand auf. Ob er hier überhaupt richtig war?

Gerade begann er sich Gedanken darüber zu machen was er tun sollte wenn tatsächlich niemand zuhause war, als endlich das Summen der Gegensprechanlage ertönte. „Ja?“, meldete sich eine etwas genervt klingende Stimme und Toshiya schluckte erschrocken. „Ha-hallo… hier ist Toshiya…“ Weiter kam er erst einmal nicht und am anderen Ende der Sprechanlage war es auch ganz still. Dann knackte es leise in der Tür und er drückte sie hastig auf um in den Eingangsbereich zu stolpern, der – kurz gesagt – einfach gigantisch groß war. Direkt gegenüber der Tür, in einem Abstand von mindestens zehn Metern erhob sich eine breite Treppe ins obere Stockwerk, an deren Ende eine schlanke Person erschien. Die schwarzen Haare mit den weinroten Strähnen reichten ihm offen und glänzend bis über die Schultern hinab und er war in einen weißen Mantel gehüllt, der im diffusen Licht der Eingangshalle leicht schimmerte. Er verharrte einen Moment, ehe er sich langsam in Bewegung setzte, die Treppe herunter kam, Toshiya dabei mit seinem Blick fixierend. Ganz still stand der Braunhaarige und betrachtete den Mann, den er zum ersten Mal live und in Farbe vor sich sah, nachdem er bisher nur seinen Namen gekannt hatte. Irgendwie… war er eindrucksvoll, auf eine ganz stille Art und Weise.

„Was verschafft mir die Ehre? Und das zu dieser Zeit?“, ergriff der andere dann auf einmal das Wort, aber es klang nicht vorwurfsvoll… er sprach ganz ruhig und interessiert.

„Ich… muss mit dir reden… dringend“

„Und das hatte nicht bis morgen früh Zeit?“

Beschämt senkte Toshiya den Blick. „Entschuldige bitte… es war mir so wichtig, dass ich gar nicht daran dachte… ich… ich werde gleich wieder gehen… könntest du morgen vielleicht…“

Sein Gegenüber unterbrach ihn mit einem leisen Lachen. „Ich schicke dich bestimmt nicht wieder in den Regen hinaus, hältst du mich für so grausam? Zieh erst einmal deine Jacke aus und häng sie dort hin… und dann komm mit“

Wie angewiesen entledigte Toshiya sich der obersten Schicht seiner nassen Kleidung und hängte sie auf den Jackenständer, tappte dann dem anderen hinterher, sich ein wenig verstohlen umsehend. Das Haus war eindrucksvoll eingerichtet aber nicht so als müsse der Eigentümer unbedingt seinen Reichtum zur Schau stellen. Es war einfach nur kurz gesagt – wunderschön.

Toshiya wurde in ein Schlafzimmer geführt, das offensichtlich Gästen zur Verfügung stand, denn es war zwar gemütlich aber eher neutral eingerichtet. Nicht so klinisch wie ein Hotelzimmer aber doch auch nicht so persönlich wie das eines Menschen, der hier öfter übernachtete.

„Im Schrank sind Handtücher… zieh dich erst einmal aus und geh duschen, das Badezimmer ist eine Tür weiter… ich werde dir inzwischen etwas zum Anziehen bringen und hier hin legen… wenn du fertig bist komm nach unten, neben der Treppe befindet sich die Tür zum Wohnzimmer, ich werde dort auf dich warten“

Der Braunhaarige nickte zu diesen Anweisungen und kaum hatte der andere das Zimmer verlassen, entledigte er sich seiner klatschnassen Sachen, wickelte sich in ein Handtuch und huschte hinüber in das Badezimmer. Seine Kleidung legte er zum Trocknen in die Badewanne, während er selbst das Wasser in der Dusche aufdrehte und sich unter den heißen Strahl stellte. Minuten später fühlte er sich endlich nicht mehr wie ein Stück Fleisch im Kühlhaus und tatsächlich lagen einige Kleidungsstücke auf dem Bett, als er in das Gästezimmer zurückkehrte. Er entschied sich für einen warmen grauen Rollkragenpulli, eine weiche Jogginghose und dickte Socken. Wahrscheinlich war er morgen zwar todkrank, aber deswegen musste er jetzt auch nicht mehr frieren.

Als er das Wohnzimmer gefunden hatte, saß sein Gastgeber dort bereits auf einer breiten schwarzen Ledercouch, vor ihm auf einem Glastisch zwei dampfende Tassen Tee. „Setz dich zu mir, Toshiya… und erzähl mir, was dich zu mir führt…“

Nachdem er einen Schluck von dem heißen Getränk genommen hatte um sich auch von innen heraus zu wärmen, begann er Kisaki seine Geschichte zu erzählen…

„Und du bist zu mir gekommen um mich zu fragen warum Kyo sich so verhält?“, resümierte der Langhaarige und zum ersten Mal an diesem Abend glitt ein belustigtes Lächeln über seine Lippen. „Hat er es dir nie erzählt? Oder einer der anderen?“

Toshiya schüttelte den Kopf. „Nein, sie haben nie wirklich über dich gesprochen…“

„Das sieht ihnen ähnlich…“, hauchte Kisaki und in seiner Stimme lag ein Hauch von Verletztheit. „Soll ich dir erzählen, was passiert ist? Kyo und ich waren ein Paar… er hat mich sehr geliebt und ich ihn ebenso aber eines Tages habe ich den Fehler gemacht ihm zu deutlich beweisen zu wollen, wie tief meine Liebe für ihn wirklich geht… er war schockiert und verunsichert, ist weggelaufen und war für Tage verschwunden… als er zurück kam, würdigte er mich keines Blickes mehr… ich war ihm zu nahe gekommen und er hatte meine Liebe nicht mehr ertragen, deshalb hat er mich von sich gestoßen obwohl er mich noch genauso geliebt hat wie zuvor… um ihn nicht weiter zu quälen habe ich die Band verlassen… ich kann dir sagen, warum er deine Liebe nicht erwidert, Toshiya… weil ich es bin, den er noch immer liebt… wir werden für immer zusammen gehören, auch wenn unsere Körper räumlich getrennt sind… Kyo gehört mir und ich gehöre ihm, daran wird sich nie etwas ändern…“

Je länger Kisaki sprach, desto mehr ergriff Toshiya ein Gefühl von Angst. Glaube der andere wirklich an das, was er da sagte? Es klang beinahe schon…wie die Worte eines Verrückten, aber der Ausdruck in den Augen des anderen Bassisten war so klar und bewusst, dass Toshiya diesen Gedanken gleich wieder verwarf. Nein, Kisaki war nicht verrückt. Er war überzeugt davon und wer sagte ihm, dass der andere nicht wirklich recht hatte? Das wäre zumindest eine Erklärung für Kyo’s abweisendes Verhalten ihm gegenüber… er war gekommen um den Platz seines Geliebten einzunehmen… kein Wunder, dass der Sänger ihn verabscheute.

„Ich verstehe…“, hauchte er leise und senkte den Blick auf die Tasse in seinen Händen. „Du musst mich wirklich hassen, nichtwahr?“

„Nein… du kannst nichts dafür… du bist dumm und naiv und Kyo war schon immer jemand, der genau solche Leute angezogen hat wie das Licht die Motten… ich gebe dir nur einen Rat Toshiya – sperr diese Gefühle weg…sperr sie ganz, ganz tief in dein Innerstes und lass sie nie wieder hervorkommen!“ Dann stand der andere auf und verließ den Raum, ließ Toshiya völlig alleine zurück.

Einige Minuten starrte er noch völlig verdutzt auf den Türbogen, durch den Kisaki verschwunden war, dann schüttelte er verständnislos den Kopf und erhob sich langsam um nach oben zu dem Zimmer zu schleichen, das der andere ihm zugewiesen hatte. Wirklich wohl war ihm zwar nicht bei dem Gedanken hier zu übernachten, aber er hatte kaum eine andere Wahl. Außerdem verlangte sein Körper ganz eindeutig nach einem warmen Bett und zumindest ließ das Zimmer sich absperren, wie er erleichtert feststellte.

… maybe it’s too late to be honest

Es hatte nicht lange gedauert, bis die Müdigkeit ihn einfach überrollte und er in einen tiefen, aber wenig erholsamen Schlaf fiel. Albträume begannen ihn zu quälen, Nachtmahre, in denen er gefesselt in einem dunklen Raum saß und jemanden hinter sich bitterböse lachen hörte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken und er blinzelte, versuchte etwas zu erkennen, aber da war nichts als tiefe Schwärze vor seinen Augen. Und dann legten sich auf einmal zwei kalte Hände um seinen Hals, entlockten ihm ein letztes Keuchen, ehe sie unbarmherzig zusammendrückten, immer fester und fester, bis er merkte, wie sein Herz immer langsamer zu schlagen begann…
 

Nach Luft schnappend riss er die Augen auf und starrte genau in die von Kisaki, die ihn mit kalter Abscheu fixierten. Es war kein Traum gewesen, schoss es ihm durch den Kopf, im selben Moment wurde er sich des Schwindels bewusst, der ihn überkam und er versuchte panisch, Luft in seine Lungen zu pressen, aber es ging nicht. Verzweifelt begann er nach Kisaki zu schlagen und zu treten, aber er erreichte ihn kaum, der Griff des anderen wurde nur immer noch fester. Tränen stiegen ihm in die Augen und kullerten stumm über seine Wangen, aber er wehrte sich gegen den Gedanken hier sterben zu sollen. Immer wieder schlug er kraftlos nach dem anderen und irgendwann war ihm das Glück hold und er bekam ein paar Strähnen der langen Haare zu fassen, zog mit einem letzten Aufbäumen seiner Kraft daran, sodass der andere mit einem schmerzerfüllten Aufschrei der Bewegung seiner Hand mit dem Kopf folgte und ihn so losließ. Diese Chance nutzend, stieß er Kisaki von sich und sprang auf, verhedderte sich aber im Bettzeug und knallte der Länge nach mit einem dumpfen Schlag auf den Fußboden. Erneut wich alle kaum noch vorhandene Luft aus seinen Lungen und ihm wurde ganz schwarz vor Augen und als er ein Gewicht in seinem Rücken spürte und Hände, die in seine Haare griffen und seinen Kopf mit Gewalt nach hinten zogen, sodass er glaubte, seine Wirbelsäule würde zerbersten, überkam ihn endgültig Angst. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der Raum über noch eine Tür verfügt hatte, die ihm gar nicht aufgefallen war. Kisaki hatte ihn ausgetrickst...

„Du wirst ihn mir niemals wegnehmen“, zischte Kisaki ihm ins Ohr und er erschauderte kalt, schnappte zitternd nach Luft und war für einen Augenblick nahe daran, einfach aufzugeben, sich allem hinzugeben, was der andere mit ihm tun wollte. War es nicht ohnehin egal?

Aber irgendwo in ihm war ein kleiner Funke, der sich nicht einfach so ergeben wollte. So weit, bis ihm beinahe das Gelenk aus der Kapsel hüfte, drehte er seinen Arm nach hinten, bekam erneut die Haare des anderen zu fassen und zog mit aller Kraft daran. Er wusste wie schmerzhaft es war, an Extensions zu ziehen, viel mehr als an den eigenen Haaren und erneut entkam er Kisakis Griff, konnte sich unter diesem hervor rollen und aufspringen. Doch erneut gelang ihm seine Flucht nicht, denn auf einmal verlor er das Gleichgewicht und fiel erneut zu Boden. Instinktiv hatte Kisaki nach seinem Bein gegriffen und ihn so zurückgehalten, wollte sich gerade auf ihn stürzen, aber Toshiya hatte sich hastig auf den Rücken gedreht und sein Knie angezogen, sodass der andere mehr stolpernd als kontrolliert auf ihn fiel und sich äußerst ungünstig dabei ordentliche Schmerzen zufügte.

Während Kisaki sich keuchend am Boden rollte, suchte Toshiya nun endgültig das Weite, lief schwankend und stolpernd nach unten und flüchtete aus dem Haus in das anbrechende Morgengrauen. Erst in diesem Moment war ihm bewusst, dass er nur in Shorts auf der Straße stand, mit wohl ziemlich zerrupften Haaren und knallrotem Kopf. Egal. Er musste weg von hier.

Orientierungslos lief er die Straße entlang und bog gleich darauf in eine schmalere Seitengasse ein, aus Angst, Kisaki könnte ihm vielleicht folgen. Die Blicke der um diese Uhrzeit bereits geschäftigen Passanten versuchte er zu ignorieren, aber immer wieder bemerkte er, wie ein paar Tränen über seine Wangen kullerten. Man wurde aber auch nicht alle Tage fast umgebracht, da war es ihm wirklich egal, was sie vielleicht dachten.

Nachdem er eine halbe Stunde lang ziellos herumgeirrt war, ließ er sich irgendwann erschöpft und frierend am nächstbesten Fleck, auf den die Sonne schien, nieder um erst einmal wieder zu sich zu kommen und zu überlegen, was er nun tun sollte. All seine Sachen waren noch in Kisaki’s unheimlichen Geisterhaus und dorthin würde er auf keinen Fall wieder zurückgehen!

„Geht es Ihnen gut?“

Verwirrt hob er den Kopf und sah fragend in das Gesicht einer älteren Dame, die vor ihm stehen geblieben war und ihn mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis musterte. „Ob es Ihnen gut geht?“

Im ersten Reflex nickte er, aber dies ging dann recht schnell in ein Kopfschütteln über. Was für eine blöde Frage. Natürlich ging es ihm nicht gut. Er saß hier in Unterwäsche!

„Kommen Sie“

Sie reichte ihm ihre Hand und ohne zu überlegen, ergriff er diese um aufzustehen. In diesem Moment bemerkte er, dass er auf der Treppe zu einem kleinen Häuschen gesessen hatte, das sie offensichtlich bewohnte. Kein Wunder, dass sie ihn angesprochen hatte, sie wäre ja nicht einmal an ihm vorbei gekommen.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie, nachdem sie ihn in die Küche geführt hatte, wo es angenehm warm war und nach Kaffee duftete.

„Ich… ich muss telefonieren, bitte…“, bat er leise, denn es würde ihm nichts anderes übrig bleiben. Ohne Geld und etwas anzuziehen würde er hier doch niemals weg kommen.
 

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„Ich bin mir sicher, dass er etwas weiß!“

Wütend schlug Kyo mit der Faust auf den Tisch und funkelte die anderen beiden verärgert an. Wenn er etwas hasste, dann war es, zum Narren gehalten zu werden! Dabei war er felsenfest überzeugt gewesen, dass Toshiya bei Aiji war. Wo sonst sollten sie denn jetzt noch suchen? Sie hatten jeden abgeklappert, den ihr Bassist kannte, aber er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

„Vielleicht hat Toshiya ihn gebeten nichts zu sagen…“, seufzte Die leise und rieb sich über die Stirn. Er hatte nicht mehr geschlafen seit dem hässlichen Streit mit Shinya und das sah man ihm nur zu deutlich an. Natürlich hätte er niemals zugegeben, dass er nahe an einem Nervenzusammenbruch war.

„Lasst uns noch einmal alles durchgehen“ Erneut fand eine Zigarette den Weg zwischen Kaoru’s Lippen, der krampfhaft versuchte, ruhig und sachlich zu bleiben. Kyo war ein Pulverfass und Die im Moment ein emotionales schwarzes Loch, da konnte er es sich nicht leisten, noch mehr Hektik zu verbreiten.

Während er aufzählte, wen sie alles kontaktiert hatten, schnippte er die Asche seiner Zigarette in den Aschenbecher. Sie waren gerade mal seit anderthalb Stunden hier und schon ging er über. Der Kaffee war auch schon wieder alle. Vielleicht sollten sie eine Pause machen-

„Das hat doch alles keinen Sinn, wir werden ihn niemals finden…“, jammerte Die irgendwann und Kyo sah aus, als wollte er ihm für diese Worte am liebsten den Inhalt des Aschenbechers ins Gesicht kippen. Allerdings kam ihm das Klingeln von Kaorus Handy dazwischen, der etwas irritiert die Nummer auf dem Display betrachtete. „Wer ist das denn?“

Normalerweise hatte niemand seine Nummer, von dem er sie nicht auch hatte und für gewöhnlich ging er bei solch dubiosen Anrufen auch gar nicht dran, aber es konnte ja sein, dass jemand wegen Toshiya anrief. Als er dann allerdings dessen Stimme am anderen Ende der Leitung hörte, fiel ihm die Zigarette aus der Hand und beinahe der Unterkiefer auf den Tisch.

„Du bist… wo? Okay, wir fahren sofort los. Bleib wo du bist!“

Hastig sprang er auf und packte die anderen beiden an den Armen, zerrte sie nach unten in sein Auto und erst als sie auf der Autobahn waren, gab er ihnen endlich Auskunft. „Er war bei Kisaki“ … „WAS?“
 


 

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EDIT 18.07.2010
 

Liebe Leser dieser Fanfic,
 

in den letzten Tagen habe ich an den letzten beiden Kapiteln gearbeitet, die ich schon so lange in Planung hatte. Aber nach dem, was am 15.Juli geschah, bringe ich es nicht fertig, diese zu beenden und zu veröffentlichen. Ich habe keine Worte für das, was passiert ist. Es tut unendlich weh und ich wünschte, es wäre alles nur ein böser Traum.
 

RIP Daisuke

... danke für alles was du uns gegeben hast.



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Angel_of_Thursday
2009-04-20T23:55:40+00:00 21.04.2009 01:55
Endlich hab ich auch das heir alles durchgelesen... Woooah, du lässt toto echt ganz schön leiden... Aber ich find dieStory echt toll und vor allem spannend..auchw enn cih mir schon fast daschte, dass er sich zu Kisaki aufmacht und der so reagiert...xD Kisaki sucks!!+rofl+
Das mit Mona Lisa wusst cih allerdings echt noch nicht..+staun+ o_o
Aiji und Tohiya..Aiji und Toshiya.....aaargh..das muss ich erstmal verinnerlichen..^^, +drop+
Hoffe, du schreibst ganz schnell weiter!!^^
Von:  Yamada_Reika
2009-04-17T08:54:30+00:00 17.04.2009 10:54
Oh Kami!
Zum glück is Toshi Kisaki entkommen! Wer weiß was sonst passiert wäre. Ich will es mir garnicht erst vorstellen!*seufz*
Aber er ist ja zum glück entkommen und ist erstmal untergekommen.
Zum glück hat er Kao angerufen! Ich bin ja echt mega gespannt wie die anderen das aufnehmen, wenn er ihnen erzählen sollte, was passiert ist. Vor allem auf Kyos Reaktion bin ich mega gespannt!
Also mach BITTE BITTE schnell weiter, hai? *ganz lieb anschau*
Das Kapi ist wieder supi gewesen!
Ich freu mich schon riesig auf's Nächste !!!!!!!!
*knuddel*
*durchflausch*
reika
Von:  KenTsu
2009-04-10T09:48:14+00:00 10.04.2009 11:48
oh man das war ganz schön brennzlich für toshiya, aber gut das er es geschafft von kisaki zu weg zu kommen. hoffentlich kommen dir anderen noch rechtzeitig und die frau is auch weiter nett zu ihm und nicht hinterhältig.
schönes kappi und gut das toshiya kao angerufen hat.

bis zum nächsten kappi.
Von:  DieDie
2009-03-22T21:50:10+00:00 22.03.2009 22:50
Es ist endlich da *__*~

super Kapitel! ich hätte nie eraten, wo er hingegangen ist o.o
i-wie hab ich eine gänsehaut bekommen, als das mit dem immernoch lieben und so kam~, ich denke er ist verrückt und totshi sollte sich da nihct schlafen legen...

oh man, du machst es einem nicht leicht, ich sterbe vor spannung *____*
Ich hoffe es geht bald weiter ^_______^ *fähnchen schwenk*
Von:  KenTsu
2009-02-11T07:26:14+00:00 11.02.2009 08:26
oh man hoffentlich stellt toshiya nix schlimmes an. und wenn doch bitte nicht so schlimm das er nicht gerettet werden kann das wäre echt fies. also bitte ganz schnell weiterschreiben ja? daaaaaaaaaaaaaaaaannnnnnnnkkkkkkkkkkeeeeeeeeeeee.

liebe grüße
Von:  Yudinea
2009-02-01T20:29:21+00:00 01.02.2009 21:29
woah es geht weiter XD

sorry, bin gerade ned so imstande einen richtigen kommi zu hinterlassen, ich bessere mich!

auf jedenfall: schreib bitte schnell weiter!
Von:  DieDie
2009-01-31T22:35:17+00:00 31.01.2009 23:35
yay neues Kapitel *___*!!!

wie immer schön geschrieben ^^

Man ey ich bin total neugierig wohin Toshiya verschwunden ist! Normalerweise denke ich immer mit und habe so ein paar vermutungen aber du machst es echt spannend das ich nicht mal einen kleinen tipp hab.

Weiter so, sonst sterbe ich noch vor ungedud xD!
Ich freu mich schon auf das neue kapitel ^^
*Fähnchen schwenk*
Von:  DieDie
2009-01-05T06:37:45+00:00 05.01.2009 07:37
Ganz ganz ganz ehrlich! ich bin so was von begeister von dieser Ff *____*
das glaubst du gar nicht!!!!!
Ich find sie total spannend und endlch mal handelt es nicht von ein und demselben Thema nur etwas anders dargestellt.
Originelle Idee muss ich sagen ^^

Jedes Mal wenn ich sie lese kommt es mir vor als würde ich iregend ein Drama schauen und ich wünschte echt, das würde als serie rauskommen o^.^o

I-wie mag ich Shinya hier überhaupt nicht aber zum Glück ist nicht Kaoru der böse ^.^

Freu mich auf jedenfall total wenn es weiter geht! *fähnchen schwenk*

Das mit den Kommentare versteh ich ehrlich gesagt nicht ._. ...
Ist doch ne total tolle ff...

Dann schreib ab jetzt eben auch zu jedem neuen Kapitel eine ^^

Frohes Schaffen <3

Von:  Yudinea
2008-12-31T11:08:10+00:00 31.12.2008 12:08
aaah~! das hat gut getan! Ich hätte shinya schon längst eine reingehaun! >:3
(*゚∇゚)-O))~~~~~~Ю)゚ロ゚)/
auch wenn dies worte dann doch etwas krass waren ._____.
da hätte ich dann angefangen eifersucht zu schieben, aber shinya war übertrieben, der hat die watsch'n echt verdient! >.<

leider voll kurz das kappi .____.
bitte schreib schnell schnell wieder weiter! >.<
auf das die ohrfeige shinya das hirn endlich wieder freigepustet hat und kyo mal über seinen schatten springt
shinya steht der bösewicht echt nicht >.<

wegen den kommis: mach dir nichts draus, das ist eh immer vetternwirtschaft
eine gute ff darf man hier nicht an den kommis und den favoriten messen, aber sie sind doch wichtig und deswegen schreib ich dir ab jetzt immer einen! :D (hab sie leider erst so spät entdeckt)
Von:  Sarano
2008-12-31T00:14:45+00:00 31.12.2008 01:14
Hallo,

ich kenne ja deine Fanfiction auch von Fanfiktion.de und habe bisher dort immer meine Kommis geschrieben, aber da ich jetzt zu faul bin *ehrlich ist* sie dort zu suchen, schreibe ich doch meine Meinung einfach hier nieder.

Also zuerst einmal, warum hast du hier nur so wenig kommis????Ich versteh dass nicht, aber egal. Zum Thema.

Ich liebe deine Story immer noch und noch immer tun mir alle so wahnsinnig leid, am meisten Natürlich Toshiya und Kao... ich frag mich wie das ausgehen wird. Vor allem da Toshiya jetzt auch noch auf und davon ist und Kao sich solche große Sorgen macht. Worüber ich natürlich gespannt bin zu erfahren, ob Toshiya nun dort bleiben wird *erstmal* wo er ist. Was Kaoru betrifft... naja seine Chancen auf Daisuke scheinen jetzt nicht mehr all zu schlecht zu stehen, bin sehr neugierig ob sich da was entwickeln könnte. Ach im übrigen freut es mich ja, das Kyo seine HIlfe angeboten hat Toshiya zu suchen... zeigt doch wieder, das unser Bassist ihm doch nicht so egal ist.

Gefeiert habe ich allerdings am Ende der STory... ohhh ich danke dir ja so sehr dafür... danke, danke, danke. Das habe ich wirklich gebraucht, denn ich konnte es wirklich nicht erwarten, dass Shinya bekommt was er verdient. *die feier* Du hast aus ihm aber auch ein richtiges Ekel gemacht, wie ich schon einmal erwähnt hatte, in deiner Story kann ich ihn nicht anders als zu hassen.

So dass wars dann auch mal wieder von mir. Sehne mich nach einem neuen Kapitel.

Liebe Grüße und guten Rutsch ins neue Jahr.

Sarano


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